Jesu Zeichen im Johannesevangelium


Hausarbeit (Hauptseminar), 2001

24 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Der Zeichenbegriff im Alten Testament
2.1 Der funktionale Grundcharakter des Zeichenbegriffs
2.2 Außerbiblische Belege
2.3 „Zeichen“ und prophetische Sendung im Alten Testament

3. „Zeichen“ im Neuen Testament ohne Johannes
3.1 Die Terminologie der Synoptiker

4. „Zeichen“ im Johannesevangelium
4.1 Wortfeld und Sprachgebrauch
4.2 „Zeichen“ im Zusammenhang mit großen Machttaten
4.2.1 Das „Zeichen“ zu Kana (2,1-11)
4.2.2 Das „Zeichen“ der Heilung des Sohnes eines königlichen
Beamten (4,46-54)
4.2.3 Die Heilung eines Kranken am Teich Betesda (5,1-16)
4.2.4 Das „Zeichen“ der Speisung (6,1-15)
4.2.5 Der Seewandel (6,16-27)
4.2.6 Das „Zeichen“ der Blindenheilung (9,1-41)
4.2.7 Das „Zeichen“ der Auferstehung (11,1-45)
4.2.8 Der Todesbeschluß des Hohen Rates (11,45-53)

5. Fazit

6. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Der Begriff „Zeichen“ ist ursprünglich nicht im religiösen Bereich beheimatet und gewinnt erst in einem entsprechenden theologischen Zusammenhang eine theologische Färbung.[1] Eine frühe Übernahme des Begriffs in theologische Zusammenhänge erfolgt im Alten Testament. Aus diesem Grund wird auf den Verwendungsbereich im Alten Testament, in Kapitel 2, kurz eingegangen.

Auch das Neue Testament verwendet den Begriff „Zeichen“. Aus diesem Grund soll in Kapitel 3 die Verwendung und Terminologie des Begriffs in Augenschein genommen werden.

Das vierte und letzte Evangelium ist anders als seine drei synoptischen Vorgänger. Dies zeigt sich auch in der Verwendung des Begriffs „Zeichen“. Daher wird in Kapitel 5 zunächst versucht das Wortfeld und den Sprachgebrauch des Begriffs zu analysieren und seine Bedeutung für das vierte Evangelium heraus zu arbeiten. In einem besonderen Maße zeigt sich die Besonderheit des Johannesevangeliums auch durch die von ihm berichteten Wundergeschichten und Christusreden. Das Evangelium enthält sieben Wunder, die – darauf weist 20,30f. hin – nur einen Ausschnitt aus einer reichen Wundertätigkeit Jesu darstellen. Alle Wunder sind „Zeichen“, die dem Erweis der Herrlichkeit Jesu dienen und zum Glauben an den Christus, den Sohn Gottes, führen sollen. Die Untersuchung und Darstellung dieser sieben „Zeichen“ bildet den Schwerpunkt dieser Arbeit (vgl. Kap. 4.2 und 4.3).

Die Behandlung der Quellentheorie R. Bultmanns, die sogenannten Semeia-Quelle, die von S. Schulz weiter ausgebaut wurde, kann im Rahmen dieser Arbeit nicht erfolgen. Das würde den Rahmen dieser Arbeit sprengen. Aus diesem Grund wird die Semeia-Quelle an wenigen Stellen lediglich „gestreift“.

2. Der Zeichenbegriff im Alten Testament

2.1 Der funktionale Grundcharakter des Begriffs

Im AT ist ein „Zeichen“ ausschließlich Gegenstand einer sinnlichen, visuellen Wahrnehmung. Zeichen aber sind sie, weil sie eine genau definierte Funktion haben, also eine konkrete Erkenntnis ermöglichen. Die Funktion, die dem Zeichen im AT zukommt, ist im weitesten Sinn als „Erkenntnis zur Vergewisserung“[2] zu bezeichnen. Ohne Ausnahme laufen sie darauf hinaus, zu verdeutlichen, daß sie Kräfte enthalten, die in das geistige Zentrum des mit ihnen Konfrontierten hineinwirken und hier klärend wirken sollen, so daß es zu einer vorher so nicht vorhandenen Gewißheit kommt. „Zeichen“ ist eine Sache, ein Vorgang oder ein Ereignis, woran man etwas erkennen, lernen, im Gedächnis behalten oder die Glaubwürdigkeit einer Sache einsehen soll.[3]

Je nach Kontext und Funktion kann man „Zeichen“ unterteilen in Erkenntniszeichen (als „Beweiszeichen“ im rechtlichen Bereich), Schutzzeichen, Glaubenszeichen, Erinnerungszeichen, Bundeszeichen (als Spezialfall der Erinnerungszeichen) und Bestätigungszeichen (vor allem bei prophetischen Berufungen). Hinzu treten noch prophetische Zeichenhandlungen.[4]

2.2 Außerbiblische Belege

Im 4. Lachisch-Ostrakon wird ein Rauch- bzw. Feuerzeichen zur Nachrichtenübermittlung erwähnt (588 v.Chr.). Daran zeigen sich zwei Eigenschaften, die das zuvor genannte Verständnis bestätigen: Zeichen sind optisch wahrnehmbar und sie haben eine genau definierte Funktion, die eine konkrete Erkenntnis ermöglicht.[5]

2.3 „Zeichen“ und prophetische Sendung im AT

Man kann mit einiger Wahrscheinlichkeit vermuten, daß der Begriff des Zeichens innerhalb des Prophetismus seine theologische Verwendung gefunden hat. Die prophetischen Kenntnisse wurden daran erkannt, daß der Prophet ein „Zeichen“ ansagen konnte, das anschließend eintraf. Beispielhaft soll hier 1. Sam 10 aufgeführt werden. Dieses Beispiel verdeutlicht auch, daß der Begriff „Zeichen“ nicht unbedingt ein Wunder meint. Natürlich kann es auch in einem Wunder bestehen, doch dies ist keine zwingende Voraussetzung. Die Tat ist zunächst nebensächlich. Das charakteristische zeigt sich dadurch, daß etwas, was eigentlich nicht nach menschlicher Erfahrung gewußt werden kann, vorher angekündigt wird und auch tatsächlich eintrifft. Die Wahrsagung kann innerhalb kürzester Zeit nachgeprüft werden und dient insofern der Legitimation Samuels als einen wirklichen, zuverlässigen Wahrsager, sie sind sein Ausweis. Das „Zeichen“ soll Vertrauen in den Gottesmann wecken.[6]

Deuteronomium 13,2 ff ergänzt diese Beobachtung. Durch eine leicht kontrollierbare Voraussage legitmiert sich der Prophet. Die Textstelle geht davon aus, daß im allgemeinen gar nicht danach gefragt wurde, welche Kraft sich in diesem oder jenem Propheten manifestierte. Wer sich durch ein „Zeichen“ auswies, konnte mit dem Vertrauen seines Publikums rechnen. Im Deuteronomium war die Zweideutigkeit dieser Legitimation offensichtlich, die Auseinandersetzung mit der als Gefahr empfundenen kanaäischen Religion ist dort in den Mittelpunkt gerückt, aus diesem Grund gilt als zusätzliche Bedingung zur Anerkennung als echter Prophet das Bekenntnis zu Jahwe.[7]

Eine besondere Bedeutung haben die „Zeichen“ im Zusammenhang mit den Exodusgeschehen. Kommt man von dem prophetischen Denkhorizont, wird deutlich, daß Mose hier als Prophet geschildert wird: Er tritt mit einem Botenwort auf und richtet so Jahwes Weisung an Israel aus. Er beglaubigt sich, durch den Vorweis eines „Zeichens“, und findet daraufhin vertrauen. Von Bedeutung ist auch das Gespräch zwischen Jahwe und Mose: Mose zweifelt daran, daß er der Weisung Jahwes Nachdruck verleihen kann, er erkennt sich selbst also nicht als vollmächtigen Propheten. Daraufhin werden ihm prophetische Fähigkeiten zugesprochen: Er bekommt demonstriert, daß er in der Lage ist „Zeichen“ zu tun.

Auch die „ägyptischen Plagen“ erscheinen in dieser Weise. Vom Jahwist werden die Vorgänge so geschildert, daß Mose die Plage ansagt und Jahwe sie daraufhin ausführt. Auch hier ist die Funktion der „Zeichen“ primär die Vollmacht Moses, gegenüber dem Pharao, zu legitimieren.[8]

3. „Zeichen“ im Neuen Testament ohne Johannes

Im Neuen Testament findet sich „Zeichen“ 77 mal, überwiegend in den Evangelien (48mal) und der Apostelgeschichte (13mal), außerdem in den Paulusbriefen (8mal), im Hebräerbrief (1mal) und in der Offenbarung (7mal). Seinem funktionalen Charakter entsprechend gibt erst der Kontext Aufschluß über die jeweilige Bedeutung des Begriffs.[9]

In einer Reihe von Texten bedeutet „Zeichen“ ein Erkennungszeichen. Solche Erkennungszeichen sind der Kuß des Judas (Mt 26,48) wie auch die Krippe und die Windeln Jesu (Lk 2,12). Sie sind zum Kennzeichen geworden, weil sie zuvor genau bezeichnet wurden. Diese „Zeichen“ sind wahrnehmbar und ermöglichen die rechte Erkenntnis.

Auch von kosmischen bzw. eschatologischen Zeichen, an denen der Verlauf der Zeiten erkannt werden kann und die den eschatologischen Anbruch des Endes der Welt bzw. die Wiederkunft des Menschensohnes begleiten spricht das NT. Zur allgemeinen Überzeugung des Judentums gehört, daß Gott die einzelnen Stationen im Ablauf der Geschichte durch „Zeichen“ ankündigte. So verweist auch Jesus auf „Zeichen“ an denen der Verlauf der Zeiten erkannt werden soll (Mt 16,2f). Die Jünger fragen ganz gezielt nach den „Zeichen“ „deiner Wiederkunft und des Endes der Welt“ (Mt 24,3; vgl. Mk 13,4; Lk 21,7). Diese Frage wies Jesus nicht zurück.

Unter die „Zeichen“ der Endzeit wird auch die kommende Verführungszeit gezählt. Das Wissen um eine solche Zeit durch falsche, antichristliche Propheten deren Wirksamkeit mit Wundertaten, die „Zeichen“ genannt werden, bestätigt wird, ist ausgeprägt (Mt 24,4 par). Auch die Ankunft des Menschen der Gesetzlosigkeit wird von Zeichen und Wundern begleitet (2 Thess 2,9). Deutlich wird diese Erwartung eines Antichristen begleitenden Propheten in der Offenbarung des Johannes. Das zweite Tier, das in späteren Stellen ausdrücklich als der falsche Prophet bezeichnet wird, wird dadurch gekennzeichnet, daß es „vor seinen (des ersten Tieres, also des Antichritsten) Augen die Zeichen getan hatte“ (19,20). Auch hier wird die Festigkeit der Tradition deutlich: die Fähigkeit, „Zeichen“ zu tun, wird dem falschen Propheten, nicht dem falschen Messias, zugeschrieben.[10]

3.1 Die Terminologie der Synoptiker

Die synoptischen Evangelien berichten von Jesu helfenden Taten und sehen in Jesus Wunder, ein Wirken aus erbarmender, heiliger Liebe um die Not des Volkes zu mindern (vgl. Mt 4,23). Noch vielmehr sorgt sich Jesus in seinen Machttaten um ihre seelische Not. Seine Wunder weisen eine seelsorgliche Pointe auf, die darauf zielt, daß im Leben des Geheilten auch eine innerliche Wendung eintrete (vgl. Mk 10,52; 5,15). Betrachtet man die Terminologie fällt jedoch auf, daß Jesu Wundertaten in den synoptischen Evangelien nie „Zeichen“ genannt werden.[11] Von den sieben großen Wundern Jesu im Johannesevangelium gibt es nur zwei, zu denen in den synoptischen Evangelien wirklich entsprechende Berichte zu finden sind: die Heilung des Sohnes eines königlichen Beamten in Kafarnaum, die sich freilich von der Parallelerzählung Mt 8,5-13 par sehr stark unterscheidet; sowie die Geschichte vom Mahlwunder und der anschließenden nächtlichen Erscheinung Jesu auf dem See. Von allen anderen Erzählungen sind nur jeweils kleine Teile vergleichbar. Dies gilt im übrigen auch für mancherlei einzelne Worte Jesu, die in den synoptischen Evangelien Parallelen haben.[12] Vor allem der Ausruck „Kraft- bzw. Machttat“ (dynamis) erscheint in der Terminologie des Wunders. Der Ausdruck geht wohl auf die, dem Messias zugeschriebene Begabung mit dem Geist der Kraft in Jes 11,2 zurück.

[...]


[1] vgl. Theologisches Begriffslexikon zum Neuen Testament. Neu bearb. Ausgabe in zwei Bänden. Hrsg. von Coenen, Lothar/Haacker, Klaus. Bd. II: I-Z. Wuppertal: Brockhaus Verlag 2000. S. 1970.

[2] Bittner, Wolfgng J.: Jesu Zeichen im Johannesevangelium. Tübingen: J.C.B. Mohr (Paul Siebeck)

1987. S. 23.

[3] vgl. Bittner, W. J.: Jesu Zeichen im Johannesevangelium. S. 23.

[4] vgl. Theologisches Begriffslexikon zum NT. S. 1971.

[5] vgl. Das große Bibellexikon. Neu bearb. Ausgabe in drei Bänden. Hrsg. von Burkhardt, Helmut/Grünzweig, Fritz/Laubach, Fritz/Maier, Gerhard. Bd. III: Paddan-Zypern. Wuppertal/Zürich: R. Brockhaus Verlag 1989. S. 1716.

[6] vgl. Bittner, W. J.: Jesu Zeichen im Johannesevangelium. S. 25.

[7] vgl. Stolz, Fritz: Zeichen und Wunder. Die prophetische Legitimation und ihre Geschichte. In: Zeitschrift für Theologie und Kirche 69 (1972). S. 128.

[8] vgl. Stolz, F.: Zeichen und Wunder. S. 137.

[9] vgl. Theologisches Begriffslexion zum NT. S. 1970.

[10] vgl. Das große Bibellexikon. S. 1716.

[11] vgl. Hofbeck, Sebald: Semeion. Der Begriff des „Zeichens“ im Johannesevangelium unter

Berücksichtigung seiner Vorgeschichte. Zweite verbesserte Aufl. Münsterschwarzach: Vier-Türme-

Verlag: 1970. S. 158.

[12] vgl. Wilckens, Ulrich: Das Evangelium nach Johannes. 17. Aufl. Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht

1998.

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Jesu Zeichen im Johannesevangelium
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Evangelische Theologie)
Veranstaltung
Hauptseminar Sonderfall Johannes - die Eigenart des vierten Evangeliums
Autor
Jahr
2001
Seiten
24
Katalognummer
V1965
ISBN (eBook)
9783638112154
Dateigröße
595 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Johannesevangelium, Zeichen
Arbeit zitieren
Korina Solbach (Autor:in), 2001, Jesu Zeichen im Johannesevangelium, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1965

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