Chancen und Risiken eines transatlantischen Kohlenstoffmarktes für europäische Energieversorgungsunternehmen

Verknüpfung von Emissionshandelssystemen


Bachelorarbeit, 2009

119 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abstract

Kurzfassung

Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung
1.1 Klimawandel
1.2 Kyoto-Protokoll
1.2.1 Funktionsweise
1.2.2 Auswirkungen

2 Grundlagen des Emissionshandels
2.1 Kosten der Vermeidung
2.2 Mengen- vs. Preissteuerung
2.3 Ziele und Funktionsweise
2.4 Emissionshandel und Stromerzeugung

3 Systemgestaltung des Emissionshandels
3.1 Cap-and-Trade vs. Baseline-and-Credit
3.2 Bedeutung des Systemdesigns
3.3 Gestaltungselemente in Cap-and-Trade Systemen

4 Die Systeme in Europa und Amerika
4.1 EU ETS
4.2 Cap-and-Trade in den USA
4.2.1 Regionale Initiativen
4.2.2 Federal Cap-and-Trade
4.3 Vergleich der Systeme

5 Verknüpfung
5.1 Notwendigkeit
5.2 Kapitaltransfers
5.3 Top-down vs. Bottom-up
5.4 Arten von Bottom-up Verknüpfungen

6 Ein transatlantischer Kohlenstoffmarkt
6.1 Politische Aspekte
6.2 Kriterien
6.3 Annahmen
6.4 Szenarien

7 Auswirkungen
7.1 Chancen
7.2 Risiken
7.2.1 Risiken einer direkten Verknüpfung
7.2.2 Risiken einer indirekten Verknüpfung

8 Empfehlungen

9 Ausblick

Literatur

Anhang A: Grafiken und Tabellen

Anhang B: Glossar

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Globale Vermeidungskostenkurve 2030

Abb. 2: Einflussfaktoren für Vermeidungskosten

Abb. 3: Effizienter Klimaschutz

Abb. 4: Ziele und Zielkonflikte im Klimaschutz

Abb. 5: Wirkung von Minderungsinnovationen

Abb. 6: Quellen globaler Treibhausgasemissionen

Abb. 7: Angebot und Nachfrage auf dem Strommarkt

Abb. 8: Von Vermeidungskosten zum Zertifikatspreis

Abb. 9: Preisentwicklung von EUA und CER in 2009

Abb. 10: Karte der regionalen Cap-and-Trade Programme in Amerika

Abb. 11: US-Treibhausgaspfade gemäß der wichtigsten Gesetzesinitiativen

Abb. 12: Wirkungskette zur Bestimmung des Kapitalflusses

Abb. 13: Optionen für einen gemeinsamen CO2-Markt

Abb. 14: Bildung eines Einheitspreises bei unilateraler Verknüpfung

Abb. 15: Kein Handel zwischen unilateral verknüpften Systemen

Abb. 16: Bildung eines Einheitspreises bei bilateraler Verknüpfung

Abb. 17: Indirekte Verknüpfung von Systemen unterschiedlicher Preise

Abb. 18: Szenario 1 - Regulierung des Gesamtmarktes durch die USA

Abb. 19: Szenario 2 - Preisvolatilität in Europa

Abb. 20: Szenario 3 - Reverse-Effekt: Preissteigerungen in den USA

Abb. 21: Bestehende und geplante Emissionshandelssysteme

Abb. 22: Vermeidungskostenkurve der globalen THG-Emissionen

Abb. 23: Emissionsszenarien und ihre Auswirkungen

Abb. 24: Zertifikatspreis und -verteilung in Abhängigkeit der GVK

Abb. 25: Globale energiebedingte CO2-Emissionen im BAU-Szenario

Abb. 26: Variable Kosten der Stromerzeugung je nach Zertifikatspreis

Abb. 27: Spotmarktpreise für EUA

Abb. 28: Preise für EUA am Terminmarkt

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Kyoto-Gase und ihr globales Erwärmungspotential (GWP)

Tab. 2: Das EU ETS - Übersicht

Tab. 3: Anerkennung der wichtigsten Zertifikatstypen - Übersicht

Tab. 4: Durchschnittliche CO2e-Emissionen pro Kopf im Vergleich

Tab. 5: Größe der CO2-Märkte und deren Offset-Nachfrage

Tab. 6: Liste internationaler Klimakonferenzen

Tab. 7: Umsetzung der Kyoto-Ziele

Tab. 8: Abkürzungen der amerikanischen Staaten und Regionen

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abstract

The new administration of the United States under President Obama plans to set up a federal Cap and Trade system to limit greenhouse gas emissions. This system is to be linked to the existing European Union Emissions Trading Scheme. Not only a direct linkage is likely to unfold, but also an indirect connection via the recognition of credits from international projects like JI/CDM will occur. A broader market for emission rights allows greenhouse gas abatement to be organized more efficiently and therefore CO2 allowance prices are expected to stabilize. Moreover, competitive distortions creat- ed through emissions trading will presumably be mitigated by an equalization of prices. In order to avoid unnecessary conflicts, the systems need to be harmonized in certain key areas, in particular reduction targets, price caps, offsets and ex-post adjustments.

To stabilize prices as well as to avoid unwanted and unexpected price increases, the United States consider leaving significant authority over price caps and offsets to an oversight body. However, the notion that stable prices in the US will simultaneously stabilize prices in Europe may well prove to be wrong - details matter!

If emission targets are to be assured without postponement, prices would be stabilized by approving additional offsets. However, a sudden demand on the offset market could cause prices to surge in the EU. For this reason, the author identifies the intended discretionary power of a US oversight body to be a major risk factor for regulatory consistency and CO2 price stability in Europe. Decisions of this agency may stabilize the US market, but could cause sudden price jumps in the European Union.

This threat to stable CO2 prices in Europe could complicate investment decisions regarding power generation capacity and have elevating effects on electricity prices. These economic damages can be avoided by harmonizing the systems’ regulations and establishing a transatlantic carbon market without trading restrictions.

Kurzfassung

Die neue Regierung der Vereinigten Staaten unter Präsident Obama plant anstelle der bisherigen regionalen Klimaschutzinitiativen, ein nationales Cap-and-Trade System zu errichten, um Treibhausgasemissionen zu regulieren. Dieses System soll mit dem seit 2005 etablierten Europäischen Emissionshandelssystem verknüpft werden. Diese Ver- knüpfung wird sowohl direkt über eine gegenseitige Anerkennung der Zertifikate statt- finden, als auch indirekt über die Anerkennung von Zertifikaten aus Klimaschutzprojek- ten in Drittländern, wie JI/CDM.

In einem durch die Verknüpfung der Systeme entstehenden größeren Markt kann Kli- maschutz effizienter realisiert werden, da Vermeidungsmaßnahmen bevorzugt dort im- plementiert werden, wo sie am kostengünstigsten sind. Dies hat einen preisdämpfenden Effekt auf das Gesamtsystem. Darüber hinaus werden aufgrund der höheren Marktliqui- dität weniger starke Preisschwankungen erwartet. Nicht zuletzt werden durch eine sol- che Verknüpfung der Märkte Wettbewerbsverzerrungen, die durch den Emissionshandel entstehen, mittels einer Angleichung der Preise in den beiden Systemen abgemildert.

Um diese positiven Effekte einer Kopplung der Märkte zu erreichen, bedarf es allerdings einer Harmonisierung essenzieller Schlüsselelemente im Systemdesign. Die wesentlichen Punkte hierbei sind Reduktionsziele, Preisobergrenzen, Anerkennung von Offsets und nachträgliche Markteingriffe.

Um ungewollt hohe Belastungen für die amerikanische Wirtschaft zu vermeiden, planen die USA, wesentliche Entscheidungen zur Preisstabilisierung dem Ermessen einer Aufsichtsbehörde zu übertragen. Die Vorstellung, dass eine Preisstabilisierung in den USA auch den Zertifikatspreis in Europa stabilisieren werde, könnte sich jedoch als Trugschluss erweisen - es kommt auf die Details an.

Preisstabilisierung kann entweder durch Aufgabe oder Aufschub der Reduktionsziele erreicht werden oder indem eine Erweiterung der zulässigen Emissionsreduktionen auf kostengünstigere Bereiche erfolgt. Letzteres ist z.B. bei der Erhöhung der Menge der im System anrechenbaren Offset-Zertifikate, beispielsweise aus JI/CDM-Projekten, der Fall. Derzeitige Gesetzesinitiativen in den USA sehen vor, die Entscheidung über die Anrechenbarkeit von Offsets von einer Preisschwelle abhängig zu machen oder in die Hände einer US Aufsichtsbehörde zu legen. Aufgrund der Größe des US Systems bedeuten selbst Änderungen der Zulässigkeit von Offsets um wenige Prozentpunkte eine veränderte Nachfrage auf dem Offset-Markt im mehrstelligen Milliardenbereich. Ein plötzlicher Anstieg der Nachfrage dürfte zu einer sprunghaften Preiserhöhung für Zertifikate auf diesem Markt führen.

Welche Auswirkungen dies auf Europa hat, hängt nun wiederum von der Art der Ver- knüpfungen ab. Sind die Systeme, wie von aktuellen US-Gesetzesinitiativen vorgese- hen, nur eingeschränkt direkt miteinander verknüpft, dann verursacht die plötzliche Preiserhöhung auf dem Offset-Markt einen ähnlichen Preissprung für Zertifikate im europäischen System.

Entscheidungen einer Behörde zur Preisstabilisierung auf dem US-Markt könnten folglich eine signifikante Preisvolatilität in Europa erzeugen. Der Autor identifiziert daher die Möglichkeit eines nachträglichen Markteingriffs durch eine amerikanische Aufsichtsbehörde als einen wesentlichen Risikofaktor für verlässliche Rahmenbedingungen und Preisstabilität in Europa.

Schwer berechenbare, politisch bedingte Unsicherheiten im CO2-Preis erschweren lang- fristige Investitionsentscheidungen der Industrie. Dies könnte beispielsweise durch die Einkalkulation von Risikoprämien beim Kraftwerksbau erhöhende Effekte beim Strom- preis bewirken.

Dieser volkswirtschaftliche Schaden für Europa ließe sich durch eine höhere Harmonisierung und die Errichtung eines transatlantischen Kohlenstoffmarktes ohne Handelsbeschränkungen vermeiden.

Vorwort

Bisherige Veröffentlichungen zum Thema Verknüpfung von Emissionshandelssystemen legen den Fokus insbesondere auf folgende Fragestellungen:

Welche Rolle spielen Verkn ü pfungen bei der Errichtung eines globalen Kohlenstoff- marktes?

Viele Veröffentlichungen zum Thema Global Carbon Market haben zum Ziel, Wege aufzuzeigen wie Klimaschutz weltweit umgesetzt werden kann. Verknüpfungen einzelner Systeme können ein erster Schritt hierfür sein. Politische Aspekte sowie internationale Gerechtigkeit spielen hier eine große Rolle.

Sind Verkn ü pfungen ö kologisch und ö konomisch sinnvoll?

Bei dieser Frage steht im Mittelpunkt wie gut Klimaschutzziele durch eine Verknüpfung erreicht werden. Des Weiteren liegt hier der Fokus auf ökonomischer Effizienz sowie den Gewinnern und Verlierern einer Verknüpfung.

Ist eine Verkn ü pfung konkreter Systeme technisch m ö glich?

Hierbei findet ein meist statischer Vergleich der Systemkomponenten statt. Einzelne Gestaltungselemente von Emissionshandelssystemen werden gegenübergestellt und auf ihre Kompatibilität überprüft. Kritische Aspekte werden genannt und Lösungsvorschlä- ge unterbreitet.

Als problematischer Aspekt bei einer Verknüpfung zweier Systeme wird immer wieder die Möglichkeit des Markteingriffs einer Regulierungsbehörde genannt. Aktuelle Gesetzesinitiativen in den USA sehen solche Markteingriffe vor.

Der Verfasser untersucht im Folgenden qualitativ, wie sich die konkreten Vorschläge der derzeitigen Gesetzesentwürfe für ein nationales US Cap-and-Trade System in ver- schiedenen Szenarien auf den CO2-Preis in Europa auswirken könnten. Der Fokus der Arbeit liegt aufgrund ihrer hohen Betroffenheit und zentralen Position als Wirtschafts- zweig, auf den Auswirkungen für europäische Energieversorgungsunternehmen. Dar- über hinaus werden die indirekten Konsequenzen, welche sich über den Strompreis für die gesamteuropäische Volkswirtschaft ergeben könnten, angesprochen.

1 Einleitung

Durch die Globalisierung werden die Verknüpfungen zwischen den Staaten auf unserer Erde immer enger. Es eignet sich wohl kaum ein Thema besser zur Illustration der Not- wendigkeit internationaler Zusammenarbeit als der Klimaschutz. Das angestrebte Ziel der Vereinten Nationen „die Stabilisierung der Treibhausgaskonzentrationen in der At- mosphäre auf einem Niveau zu erreichen, auf dem eine gefährliche anthropogene Stö- rung des Klimasystems verhindert wird“,1 bedarf intensiver globaler Anstrengungen und konstruktiver Zusammenarbeit. Um dies zu den volkswirtschaftlich geringsten Kos- ten umzusetzen, hat sich international das Instrument des Emissionshandels durchge- setzt.

Klimaschutz ist ein zentrales Erfordernis unserer Zeit. Allerdings kann dieses Thema nicht isoliert von der globalen Herausforderung einer sozialen und nachhaltigen wirt- schaftlichen Entwicklung bei ansteigender Weltbevölkerung betrachtet werden. Nah- rungsmittel- und Energiesicherheit sowie Technologien spielen eine wesentliche Rolle.

Die Internationale Energie Agentur (IEA) leitet seinen Weltenergiereport 2008 mit der Aussage ein, dass das „zukünftige Wohlergehen der Menschheit“ davon abhängt, wie gut es gelingt, die zentralen Energieherausforderungen zu bewältigen: Sicherung einer verlässlichen und erschwinglichen Energieversorgung und rasche Umstellung auf ein CO2-armes, leistungsfähiges und umweltschonendes Energieversorgungssystem.2

Die Idee, eine Obergrenze für Treibhausgasemissionen zu setzen und Emissionsrechte, auch Zertifikate genannt, handelbar zu machen, birgt sowohl Chancen als auch Risiken und hat sehr vielfältige Auswirkungen auf die betroffenen Volkswirtschaften. Die durch die Implementierung eines Emissionshandelssystems, Emissions Trading System (ETS),3 entstehenden Steuerungswirkungen können einerseits innerhalb eines Systems, jedoch andererseits auch über ein System hinweg einzelne Länder, Branchen und Technologien bevorzugen oder benachteiligen.

Der wirkungsvollste und fairste Klimaschutz könnte gewährleistet werden, wenn sich alle 193 Nationen der Erde auf verbindliche Ziele zur Emissionsminderung sowie auf ein globales Handelssystem einigten.4 Dies war politisch bisher nicht durchsetzbar.

Alternativ zu einem solchen einheitlichen globalen Top-down Ansatz kann bereits ein wichtiger Beitrag zum Klimaschutz geleistet werden, wenn sich nur die wichtigsten Emittenten von Treibhausgasen (THG)5 zu verbindlichen Emissionszielen verpflichte- ten. Wettbewerbsverzerrungen, die durch unterschiedliche Ausgestaltungen der ETS in den beteiligten Ländern entstehen, können durch Bottom-up Verknüpfungen dieser Sys- teme abgemildert werden.6

Das derzeit bedeutendste Cap-and-Trade System ist das seit 2005 operierende Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU ETS).7 Aber auch andere Länder, wie die USA, Kanada, Japan, Australien, Neuseeland, Norwegen und die Schweiz machen bereits erste Erfahrungen mit Emissionshandelssystemen oder sind derzeit auf dem Weg zu einer Implementierung.8 Das erwartete Volumen eines künftigen Marktes für Emissionsrechte ist mit dem der wichtigsten internationalen Rohstoffmärkte vergleichbar.9 Je mehr sich der politische Wille zum Klimaschutz entwickelt, desto höhere Wachstumsraten sind für den Kohlenstoffmarkt zu erwarten.10

Den Vereinigten Staaten von Amerika (USA) kommt hierbei eine Schlüsselrolle zu. Sie sind die weltgrößte Volkswirtschaft und waren lange Zeit der größte Verursacher von Treibhausgasen der Welt.11 In einer Pro-Kopf-Betrachtung sind die USA noch immer der größte Emittent.12 Absolut wurden die Vereinigten Staaten jedoch kürzlich von Chi- na als größtem Treibhausgasemittenten abgelöst.13

Nachdem die USA in der Vergangenheit keine internationalen Verpflichtungen in Sachen Klimaschutz übernehmen wollten, zeichnet sich unter dem neuen US-Präsidenten Obama eine Wende in der Klimapolitik ab. Das für 201314 erwartete nationale Cap-and- Trade System der USA ist im Hinblick auf eine mögliche Verknüpfung insbesondere für Europa, dem wichtigsten Handelspartner der USA,15 von Bedeutung.

Im Jahr 2013 startet zudem die EU mit einer neu gestalteten dritten Handelsperiode ihres Emissionshandelssystems in das bisher noch ungewisse Post-Kyoto-Zeitalter.

Als größter Verursacher von Treibhausgasen nimmt die Energiebranche eine zentrale Position in einem Kohlenstoffmarkt ein. Die hier vorliegende Bachelor-Thesis soll qualitativ darstellen welche Chancen und Risiken sich durch die Errichtung eines transatlantischen Kohlenstoffmarktes für europäische Energieversorgungsunternehmen (EVU) nach 2012 ergeben können.

1.1 Klimawandel

Klimawandel wird durch den Weltklimarat (IPCC) definiert als “Wandel des Zustandes des Klimas, welcher durch statistische Verfahren als Veränderungen im Mittel und/oder der Schwankungen seiner Bestandteile bestimmt werden kann und der über eine längere Zeitperiode, typischerweise Jahrzehnte oder länger, hinweg anhält“.16

Seit dem Beginn der systematischen Temperaturaufzeichnung in 1850 kann ein Anstieg der Temperatur auf unserem Planeten festgestellt werden. Der 100-Jahre-Trend, von 1906 bis 2005, zeigt einen signifikanten Temperaturanstieg von etwa 0,74°C auf der Erdoberfläche.17 Dies ist nach Ansicht der großen Mehrheit der Klimaforscher direkt in Die Pro-Kopf-Emissionen sind in Tabelle 4, S. 63, aufgeführt. Guardian (2007). China overtakes US as world’s biggest CO2 emitter. Fages, Py, Tatrallyay (2009), S. 38.

23% aller Exporte der EU 27 gingen in 2006 in die USA. Die USA sind mit 13% nach China (14%) der zweitgrößte Exporteur in die Europäische Union. Moslener, Sturm (2008), S. 1. IPCC (2007), S. 30.

Verbindung mit menschlichen Aktivitäten zu setzen.18 Der natürliche Treibhauseffekt, ohne den die mittlere Temperatur auf der Erdoberfläche -18°C betragen würde, wird demnach durch eine erhöhte Konzentration von Treibhausgasen in der Atmosphäre ver- stärkt.

Kohlendioxid (CO2) ist mit etwa 77% der anthropogenen Treibhausgasemissionen das schädlichste Treibhausgas. Die Konzentration von CO2 in der Atmosphäre wird in Teile pro Million, parts per million (ppm), angegeben. Die globale atmosphärische Kohlendi- oxidkonzentration ist von einem vorindustriellen Wert von etwa 280 ppm auf 379 ppm im Jahre 2005 angestiegen.19 CO2 verursacht jedoch keine Hotspot-Problematik. Das heißt, es ist für Atmosphäre und Umwelt irrelevant, wo auf der Welt CO2 ausgestoßen wird. Innerhalb von 14 Tagen fließt die Atmosphäre einmal um die Erde und verteilt die in ihr enthaltenen Schadstoffe über alle Kontinente.20 Die durch diese Schadstoffe ver- ursachten Folgen sind jedoch lokal spürbar. Insbesondere Entwicklungsländer sind am anfälligsten für Klimaveränderungen und werden am schwersten von den negativen Auswirkungen der Erderwärmung betroffen sein.21

Die vom IPCC prognostizierten Folgen eines weiteren globalen Temperaturanstiegs sind alarmierend. Neben den zerstörerischen Folgen eines Anstiegs des Meeresspiegels für kleine Inseln und küstennahe Regionen, würde das Trinkwasser vielerorts noch knapper als es bereits heute schon ist. Die Erderwärmung führt zu einer raschen Verschiebung von Klimazonen, auf die sich die Ökosysteme nicht rechtzeitig einstellen können. Die voraussichtlichen Folgen sind unter anderem Waldsterben, Dürreperioden und Überschwemmungen, welche in vielen Ländern die Ernährungs- und Gesundheitssituation verschlechtern würden. Bei einer ungebremsten globalen Erwärmung verlören mehr als 180 Millionen Menschen ihre Heimat und die internationale Stabilität wäre durch unkontrollierbare Migrationsbewegungen gefährdet.22

Im etwa 700-seitigen Stern-Report bringt der britische Ökonom Nicholas Stern seine Forschungsergebnisse auf folgende prägnante Formel: Die volkswirtschaftlichen Kos- ten, um den Klimawandel abzuschwächen, entsprächen bei sofortigem Handeln etwa 1% des weltweiten Bruttoinlandsproduktes (BIP). Die Folgekosten eines unterlassenen Handelns lägen allerdings zwischen 5 und 20%23 des weltweiten BIP.24 Von den beiden Politikoptionen, Abschwächung des Klimawandels oder Anpassung an seine Folgen, ist demnach die erste klar zu bevorzugen.

Ein früher Meilenstein auf dem Weg internationaler Verhandlungen zum Klimaschutz war die 1992 veranstaltete United Nations Conference on Environment and Develop- ment (UNCED) in Rio de Janeiro, aus der die Klimarahmenkonvention25 hervorging. In den darauf folgenden Jahren fanden zahlreiche weitere UN-Konferenzen zum Thema Klimaschutz statt.26

Die wissenschaftliche Datengrundlage für die politischen Verhandlungen im Rahmen der UN-Konferenzen liefert der Weltklimarat (IPCC). Dieser stellt die Auswirkungen verschiedener Emissionsszenarien dar und legt politische Ziele nahe. In seinem aktuellen Sachstandsbericht liegt der Temperaturanstieg für die nächsten einhundert Jahre im Mittel, je nach Szenario, zwischen 1,8°C und 4°C.27 In Abbildung 23, S. 105, sind Szenarien des IPCC nebst ihrer potenziellen Auswirkungen dargestellt.

1.2 Kyoto-Protokoll

Im Kyoto-Protokoll (KP) einigten sich wichtige Emittentenländer (Annex-B-Länder)28 erstmals im Rahmen eines völkerrechtlichen Abkommens auf verbindliche Emissionsziele für die sechs wichtigsten anthropogenen Treibhausgase. Das Protokoll wurde 1997 auf der dritten Conference of the Parties (COP) der UNFCCC in der japanischen Stadt Kyoto verhandelt und trat 2005 nach der Ratifizierung Russlands in Kraft.

Die Emissionsziele wurden für die einzelnen Industriestaaten sehr unterschiedlich fest- gesetzt. Während sich die meisten Länder zu Emissionsreduktionen verpflichteten, wur- de anderen Ländern sogar eine Erhöhung der THG-Emissionen zugestanden.29 Dies verdeutlicht das im Protokoll beschriebene Konzept der „gemeinsamen, aber unter- schiedlichen Verantwortlichkeiten“.30

Tab. 1: Kyoto-Gase und ihr globales Erwärmungspotential (GWP)31

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten32

Insgesamt beschlossen die versammelten Parteien eine Emissionsminderung von min- destens 5%. Die Europäische Gemeinschaft verpflichtete sich im Rahmen dieser Ver- handlungen auf ein Reduktionsziel von minus 8%.33 Dieses Ziel wurde im Rahmen der Lastenteilung, burden sharing, jedoch nochmals auf die Mitgliedsstaaten der EG aufge- teilt. So kommt es, dass beispielsweise Deutschland seine Treibhausgase um 21% redu- zieren muss, während Spanien seine Emissionen sogar um 15% steigern darf, obwohl sich beide Länder im Kyoto-Protokoll zu einer Reduktion um 8% verpflichtet haben.

Im Protokoll legten sich in erster Linie Industrieländer auf verbindliche Ziele fest. Schwellen- und Entwicklungsländer wie China, Indien oder Brasilien waren hierzu nicht bereit, da sie sich dadurch in ihrem Wachstum beschränkt sahen. Die Vereinigten Staaten von Amerika nahmen zunächst an den Verhandlungen teil und Al Gore leistete 1998 symbolisch seine Unterschrift. Nachdem das Protokoll jedoch vom US-Senat nicht ratifiziert wurde, da negative Folgen für die amerikanische Wirtschaft sowie Wettbe- werbsnachteile gegenüber China befürchtet wurden, stiegen die USA aus dem Kyoto- Prozess wieder aus.

1.2.1 Funktionsweise

Die Verschmutzungsrechte aus dem Kyoto-Protokoll, Assigned Amount Units (AAU),34 werden den Ländern auf Basis ihrer Emissionsziele zugeteilt.

Die relativen Emissionsziele beziehen sich auf das allgemein festgelegte Basisjahr 1990. Einigen Ländern wurden jedoch aufgrund ihrer besonderen Situation abweichen- de Basisjahre zugestanden.35 Insbesondere die im Protokoll als Volkswirtschaften im Übergang zu einer Marktwirtschaft, economies in transition to a market economy, be- zeichneten osteuropäischen Länder36 wurden wohlwollend berücksichtigt. Zwar haben sich Länder wie Russland oder die Ukraine zu einer Stabilisierung der Emissionen ver- pflichtet, dennoch sind diese Länder aufgrund des wirtschaftlichen Zusammenbruchs 1990 auch heute, über zwei Jahrzehnte später, noch weit davon entfernt, die damaligen hohen Emissionswerte wieder zu erreichen.

Die Verpflichtungsperiode des Kyoto-Protokolls, in der die gesteckten Ziele erreicht werden sollen, ist 2008 bis 2012. In dieser Periode sollen die Emissionsziele „individu- ell oder gemeinsam“37 erreicht werden. Hierbei besteht jedoch die Möglichkeit, nicht in Anspruch genommene Verschmutzungsrechte auf Folgeperioden zu übertragen.38

Neben den Emissionen, den THG-Quellen, werden auch in gewissem Umfang CO2- Senken der Landnutzung, Landnutzungsänderung und Forstwirtschaft (LULUCF) bei der Anrechnung auf die Reduktionsziele berücksichtigt. Die Emissionsgutschriften aus heimischen CO2-Senken werden als Removal Unit (RMU) bezeichnet.39

Zusätzlich sieht der Ansatz des KP drei weitere flexible Mechanismen zur Erreichung der Ziele vor:

Der im Protokoll beschriebene Emissionsrechtehandel beschränkt sich auf den Handel auf Staatenebene. Souveräne Staaten sollen die durch das KP zugeteilten Emissions-rechte (AAU) untereinander handeln können.40 Es besteht also für Staaten die Möglich- keit ihre Reduktionsverpflichtungen durch einen Zukauf von Zertifikaten aus dem Ausland zu erfüllen.

Eine weitere Möglichkeit, die Kyoto-Ziele zu erreichen, ist eine gemeinsame Umset- zung, Joint Implementation (JI), von Minderungsprojekten in Annex-B-Ländern. Die Einsparungen aus diesen JI-Projekten werden mit Emission Reduction Units (ERU) belohnt und nicht dem Gastgeberland, sondern jenem Land, welches das Projekt durch- führt, gutgeschrieben.41

Um auch in Nicht-Annex-B-Ländern, also Schwellen- und Entwicklungsländern, Anrei- ze zur Emissionsminderung zu schaffen, schlägt das KP den Mechanismus für umwelt- verträgliche Entwicklung, Clean Development Mechanism (CDM), vor. Hierbei han- delt es sich um Projekte, welche von Industrieländern in Staaten durchgeführt werden, die sich keinem verbindlichen Ziel unter dem KP verpflichtet haben. Die eingesparten Tonnen CO2-Äquivalente aus diesen Projekten generieren Certified Emission Reduc- tions (CER).42

Die Anrechnung der Zertifikate aus den flexiblen Mechanismen (AAU, ERU und CER)43 auf die Reduktionsziele eines Landes soll eigene Maßnahmen nicht ersetzen, sondern diese ergänzen.44 Spezifische Regelungen für die verschiedenen Zertifikatstypen sollen die Integrität der Gutschriften sicherstellen.

Der Vorteil von JI und CDM ist die Tatsache, dass auch in Bereichen bzw. Ländern, die nicht durch den Emissionshandel erfasst sind, Anreize zur Emissionsminderung ge- schaffen werden. Mit einem Euro, der in den Klimaschutz investiert wird, kann in Schwellen- oder Entwicklungsländern meist mehr CO2 eingespart werden als in den Industriestaaten. Wenn sichergestellt wird, dass so Minderungsprojekte finanziert wer- den, die sonst nicht stattfinden würden, profitiert sowohl das Klima als auch der Inves- tor durch geringere Compliance-Kosten.45 Unter Compliance versteht man die Einhal- tung der Vorschriften zum Vorhalten von Emissionsrechten für getätigte THG- Emissionen.

1.2.2 Auswirkungen

Tabelle 7 in Anhang C, S. 106, stellt die THG-Emissionen und ihre Veränderung dar. Seit 1990 wurde bis 2006 insgesamt eine Reduzierung der THG-Emissionen um 4,7% erreicht. Dies ist jedoch keine kontinuierliche Entwicklung, denn verglichen mit dem Jahr 2000 sind die Emissionen sogar um 2,3% angestiegen.46 Der Rückgang in den 90er Jahren ist in erster Linie auf die Stilllegung von Industrieanlagen in zentral- und osteu- ropäischen Ländern infolge wirtschaftlicher Entwicklungen und weniger auf Klima- schutzmaßnahmen zurückzuführen.47 Aus diesem Grund stehen Ländern wie Russland oder der Ukraine deutlich mehr Zertifikate (AAU) zur Verfügung als benötigt. Durch den Verkauf dieser Zertifikate gegen Devisen profitieren diese Länder finanziell. Dass andere Annex-B-Länder ihre Emissionsverpflichtungen nun zum Teil durch den Kauf dieser Emissionsrechte decken, wird als Handel mit „heißer Luft“48 kritisiert, da mit diesen Zertifikaten keine Anstrengungen für den Klimaschutz verbunden sind.49

Entscheidend für die Bewertung des Erfolges des Kyoto-Protokolls ist jedoch zu wis- sen, dass von den fünf größten Verursachern energiebedingter CO2-Emissionen, China, USA, EU, Indien und Russland, nur zwei das Protokoll ratifiziert haben.50 Drei Viertel des bis 2030 prognostizierten Emissionsanstiegs findet jedoch in China, Indien und im nahen Osten statt. Darum kommt die IEA in ihrem Referenzszenario zu der Einschät- zung, dass die globalen THG-Emissionen von 44 Gt CO2e in 2005 um 35% auf 60 Gt CO2e in 2030 ansteigen werden.51

Von den durch das Protokoll ins Leben gerufenen projektbasierten Mechanismen, Joint Implementation und Clean Development Mechanism, hat sich insbesondere CDM zu einem beträchtlichen Markt entwickelt.

Das CDM Executive Board, welches auf Basis des Kyoto-Protokolls als Aufsichtsgre- mium errichtet wurde, überwacht die Regeln für Emissionsminderungen und vergibt CER-Zertifikate für die einzelnen Projekte. Der Prozess der Projektakkreditierung kann mitunter mehrere Jahre dauern und mit erheblichen Kosten verbunden sein. Dennoch waren bis August 2008 über 3000 Projekte mit einem Reduktionsvolumen von über 2,7 Gt CO2e bis zum Jahr 2012 in Planung. Die meisten Projekte werden in China, mit etwa 52%, Indien, 14%, Brasilien, 9%, und Südkorea, 7%, durchgeführt.52

Joint-Implementation-Projekte beschränken sich auf die entwickelten Länder, die im Annex B des Kyoto-Protokolls aufgeführt sind. Emissionsreduktionen sind hier aufgrund des bereits recht hohen technischen Standards meist teurer als dies bei CDMProjekten der Fall ist. Damit kann erklärt werden, warum beim Joint Implementation Supervisory Committee zum 1. August 2008 nur Anträge für etwa 280 Mt CO2e ERUZertifikate bis 2012 eingingen.53

Grob überschlagen hat der Offset-Markt,54 bestehend aus JI und CDM, in der KyotoVerpflichtungsperiode von 2008 bis 2012 also ungefähr ein Volumen von 3 Gt. Dies enspricht etwa 600 Mt jährlich.

Bei JI und CDM handelt es sich um sogenannte Credit Systeme. Die Abgrenzung von Credit Systemen zu Emissionshandelssystemen wird in Kapitel 3.1, S. 31, näher erklärt. Die wichtigsten Zertifikatstypen und deren Herkunft sind durch eine Übersicht in Tabelle 3, S. 45, verdeutlicht.

2 Grundlagen des Emissionshandels

Bei der Erdatmosphäre handelt es sich um ein öffentliches Kollektivgut.55 Quellen und Senken von Treibhausgasen bewirken externe Effekte, die sich ohne Eingriffe in das Marktgeschehen nicht in den wirtschaftlichen Überlegungen der Marktteilnehmer widerspiegeln. Pigou56 und Coase57 beschrieben bereits früh klassische Strategien zur Internalisierung solcher externen Effekte.

Eine wirtschaftliche Berücksichtigung des Klimaschutzes setzt einen Preis für die Emissionen von THG voraus. Grundlage eines so genannten CO2-Preises sind die Potenziale und die Kosten der Vermeidung.

2.1 Kosten der Vermeidung

Die Vermeidungskostenkurve, Abbildung 1, S. 22, von McKinsey & Company gliedert technische Möglichkeiten zur Vermeidung von Treibhausgasemissionen nach ihren Kosten und stellt die Größenordnung, in der diese Vermeidung möglich ist, dar. Techni- sche Vermeidungskosten, gemessen in €/t CO2e, sind zusätzliche Kosten bzw. Erspar- nisse, die sich durch den Einsatz einer Technologie mit geringerer Treibhausgasintensi- tät gegenüber dem jeweils vorherrschenden Stand der Technik ergeben.58 Die Fläche über der X-Achse stellt die Kosten und die Fläche unterhalb der X-Achse die Erträge aus den Vermeidungsmaßnahmen dar. Zu den Vermeidungsmöglichkeiten mit negati- ven Vermeidungskosten zählen insbesondere Effizienzmaßnahmen, die sich schnell amortisieren und welche sogar Gewinne erwarten lassen, wie beispielsweise eine ver- besserte Wärmedämmung im Gebäudebereich. Die Kurve zeigt Vermeidungsmöglich- keiten bis zu 40 €/t CO2e auf. Allerdings werden gesellschaftliche Faktoren wie Verbo- te, Steuern und Subventionen in dieser Darstellung nicht berücksichtigt. Aus diesem Grund lässt sich aus den technischen Vermeidungskosten nicht direkt ein CO2-Preis ableiten.59

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1: Globale Vermeidungskostenkurve 203060

Einige skandinavische Länder, wie beispielsweise Norwegen, haben geologisch bedingt hohe Potenziale, ihren Energiebedarf zu großen Teilen aus Wasserkraft zu decken.61 Andere Länder wie Italien oder Spanien haben dafür Vorteile bei der CO2-Vermeidung, wenn sie ihre geografische Lage nutzen und Strom mittels Photovoltaik erzeugen. In Ländern wie Frankreich trägt beispielsweise Kernkraft einen bedeutenden Beitrag zur Vermeidung von CO2 bei.62 In Indien ist eine absolute Treibhausgasminderung aufgrund des starken Bevölkerungswachstums stark erschwert.

Neben den technischen Vermeidungskosten spielen also eine Reihe weiterer Faktoren eine Rolle, um die Vermeidungskosten und deren Potenziale in verschiedenen Ländern, Branchen und Unternehmen tatsächlich abschätzen zu können.63 Die Ausgangssituation und Rahmenbedingungen zur Vermeidung von THG sind in verschiedenen Regionen und Ländern sehr unterschiedlich. Abbildung 2 zeigt, welche wichtigen Einflussfaktoren sich auf die Vermeidungskosten auswirken.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2: Einflussfaktoren für Vermeidungskosten64

2.2 Mengen- vs. Preissteuerung

In den aktuellen klimapolitischen Diskussionen verschiedener Länder werden neben den bestehenden Umweltgesetzgebungen unterschiedliche Optionen der staatlichen Beein- flussung des Marktgeschehens evaluiert. Die zentralen Anforderungen an das zu wäh- lende Instrumentarium sind öffentliche Akzeptanz und ökologische wie ökonomische Effizienz.65

Effizienter Klimaschutz verlangt, dass Grenznutzen und Grenzkosten der Vermeidung übereinstimmen.66 Grenzvermeidungskosten (GVK) sind die Kosten, welche für die Vermeidung einer zusätzlichen Einheit von CO2e anfallen. Dahingegen ist der Grenz- nutzen aus Klimaschutzmaßnahmen nur schwer abschätzbar, da dieser zum einen von den unsicheren zu erwartenden Folgen des Klimawandels abhängt und zum anderen aufgrund der Teilmengenproblematik67 nur schwer auf die konkrete Maßnahme zurück- geführt werden kann.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Effizienter Klimaschutz68

In Abbildung 3, S. 24, entsprechen die Grenzkosten (GK) bei Preis (P) und Menge (Q) dem Grenznutzen (GN). Bei dieser Kombination wird effizienter Klimaschutz erzielt. Dies ist durch eine Mengen- aber auch durch eine Preissteuerung zu erreichen. Daher können sowohl eine CO2-Steuer als auch ein Emissionshandelssystem effiziente Lösun- gen sein.

Im Falle einer Steuer würde ein staatlich festgesetzter Preis (Preislösung) je Tonne CO2- Äquivalente erhoben. Auf die Menge der tatsächlich ausgestoßenen Treibhausgase kann in diesem Modell jedoch kein direkter Einfluss genommen werden. Der große Vorteil eines festen Preises ist die Planungssicherheit für Unternehmen.

In einem Emissionshandelssystem wird nicht der Preis, sondern die Menge staatlich reguliert (Mengenlösung). Die Idee des Cap-and-Trade ist es, das Ziel der sukzessiven Verringerung der THG-Emissionen zu den volkswirtschaftlich geringsten Kosten zu erreichen. Hierbei wird eine Obergrenze für Emissionen, das Cap, verbindlich festgesetzt und die entsprechende Anzahl an Emissionsrechten dem Markt zur Verfügung gestellt. Probleme dieser Lösung sind eine höhere Wahrscheinlichkeit von Ineffizienzen bei unsicheren Grenzvermeidungskosten, Preisvolatilität69 sowie ein höherer Verwaltungsaufwand im Vergleich zu einer Steuer.

Gestaltungselemente wie eine kostenlose Zuteilung von Zertifikaten oder die Möglich- keit zugeteilte Mengen auf dem Sekundärmarkt zu handeln, machen die Mengensteue- rung zu dem flexibleren Instrument der beiden Optionen. Daher ist die Akzeptanz für eine Bepreisung von CO2 durch den Emissionshandel eher gegeben als bei einer Steu- er.70 International werden jedoch Mischformen diskutiert, mit denen die Vorteile beider Ansätze kombiniert werden sollen. Auf Basis einer Mengenlösung wird überlegt, preis- stabilisierende Elemente, wie beispielsweise Safety Valves,71 zu implementieren.

2.3 Ziele und Funktionsweise

Klimaschutz, als oberstes Ziel eines Emissionshandelssystems, steht im Spannungsfeld mit anderen Zielen, die bei der Konzeption eines ETS berücksichtigt werden müssen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Ziele und Zielkonflikte im Klimaschutz72

Aus dem klassischen energiepolitischen Spannungsfeld zwischen Versorgungssicherheit, Nachhaltigkeit und Wirtschaftlichkeit, trägt ein Emissionshandelssystem in erster Linie dem Ziel der Nachhaltigkeit, namentlich dem Klimaschutz, Rechnung. Dennoch dürfen die in Abbildung 4 skizzierten weiteren Ziele nicht vernachlässigt werden. Zur optimalen Erreichung der Ziele bedarf es eines harmonisierten Zusammenspiels verschiedener politischer Instrumente, von denen ein ETS eine zentrale Rolle einnimmt. Die Flexibilität von Cap-and-Trade Systemen erlaubt es, durch verschiedene Gestaltungsoptionen73 mehrere Ziele zu berücksichtigen.

Das Emissionshandelsprinzip ist sowohl auf Staatenebene, wie z.B. beim Kyoto- Protokoll, als auch auf Unternehmensebene denkbar. ETS für Unternehmen können beispielsweise von Ländern als Instrument eingesetzt werden, um ihre Verpflichtungen, die sie als Staat eingegangen sind, zu operationalisieren.

Nach der Erstausgabe der Zertifikate regelt ein Sekundärmarkt dezentral die optimale Allokation auf die Emittenten. Marktteilnehmer werden, je nach der Höhe ihrer Grenzvermeidungskosten, Zertifikate kaufen oder verkaufen.74

Das Emissionshandelsprinzip basiert mithin darauf, dass die betroffenen Wirtschafts- subjekte ökonomisch handeln und sobald es wirtschaftlich für sie ist, konkrete Emissi- onsminderungsmaßnahmen durchführen. Diese Abate-or-Buy Entscheidung treffen Un- ternehmen auf Basis eines Vergleichs ihrer Grenzvermeidungskosten mit dem Zertifi- katspreis. Durch einen Ausgleich von Grenzvermeidungskosten werden die Minde- rungskosten insgesamt minimiert und folgerichtig Kosteneffizienz erreicht.75

Die Möglichkeit Zertifikate zu handeln, schafft einen Anreiz für Unternehmen nach Minderungsmöglichkeiten zu suchen, deren Kosten unter dem Zertifikatspreis liegen. Diese Möglichkeiten können durch Anwendung bestehender Technologien oder durch Innovationen erschlossen werden.

Abbildung 5, S. 28, zeigt die Auswirkungen einer Minderungsinnovation auf entweder den Preis oder die Zertifikatsmenge. ETS können beispielsweise so gestaltet sein, dass die Zertifikatsmenge unterjährig konstant bleibt, sich aber über die Jahre hinweg stets verringert. Minderungsinnovationen führen zu einer Linksverschiebung der Grenzvermeidungskostenkurve und tragen beiden Fällen Rechnung.

Grenzvermeidungskosten sind nicht nur von Anlage zu Anlage, sondern auch zwischen Unternehmen, Branchen und Ländern unterschiedlich. Neben den verfügbaren Vermei- dungstechnologien76.

[...]


1 UNFCCC (1992), S. 5.

2 IEA (2008), S. 3.

3 Im US-Sprachraum wird für Emissionshandelssystem häufig das Synonym „Cap-and-Trade“ verwendet.

4 Flachsland, Marschinski, Edenhofer (2008), S. 19.

5 Zu den Treibhausgasen zählen neben Wasserdampf (H2O), Kohlendioxid (CO2), Methan (CH4), Distickstoffoxid (N2O), teilhalogenierte Fluorkohlenwasserstoffe (H-FKW/HFC), perfluorierte Kohlenwasserstoffe (P-FKW/PFC), Fluor-Chlor-Kohlenwasserstoffe (FCKW), Fluorkohlenwasserstoffe (FKW), Schwefelhexafluorid (SF6) und Ozon (O3).

6 Edenhofer, Flachsland, Marschinski (2007), S. 7.

7 Das EU ETS repräsentiert derzeit 81% des globalen Kohlenstoffmarktes. Siehe Kapitel 4.1, S. 41.

8 Für eine Übersicht über existierende und geplante Emissionshandelssysteme siehe Abb. 21, S. 103.

9 Die Prognose für einen globalen Markt geht bei einer Menge von 38 Gt und einem Preis von 50 €/t CO2e von einem Marktvolumen von zwei Billionen Euro in 2020 aus. Point Carbon (2008), S. 17.

10 Dies ist nicht zuletzt der Grund, warum der Emissionshandel weltweit von den großen Banken als neues, attraktives Geschäftsfeld identifiziert wird.

11 Die THG-Emissionen der USA betrugen 7.150,1 Mt CO2e in 2007. Das entspricht einem Anstieg um 17% gegenüber dem Jahr 1990. U.S. Environmental Protection Agency (2009), S. 25.

12 Die Pro-Kopf-Emissionen sind in Tabelle 4, S. 63, aufgeführt.

13 Guardian (2007). China overtakes US as world’s biggest CO2 emitter.

14 Fages, Py, Tatrallyay (2009), S. 38.

15 23% aller Exporte der EU 27 gingen in 2006 in die USA. Die USA sind mit 13% nach China (14%) der zweitgrößte Exporteur in die Europäische Union. Moslener, Sturm (2008), S. 1.

16 IPCC (2007), S. 30.

17 Ebd., S. 30.

18 Stern (2006), S. 1.

19 IPCC (2007), S. 36f.

20 Franke (2008), S. 101.

21 Stern (2006), S. 2.

22 IPCC (2007), S. 48-54.

23 Errechnet anhand abgezinster Werte.

24 Stern (2006), Stern Review. S. 10, 55, 572.

25 UNFCCC (1992).

26 Für eine Übersicht über die wichtigsten internationalen Konferenzen siehe Tabelle 6, S. 102.

27 IPCC (2007), S. 45.

28 United Nations (1998), S. 20.; Für eine Liste der Annex-B-Länder, siehe Tabelle 7, S. 106.

29 Siehe Tabelle 7, S. 106.

30 United Nations (1998), S. 9.

31 United Nations (1998), S. 19.; Schiffer (2005), S. 364.

32 Die THG unterscheiden sich in ihrer klimaschädlichen Wirkung. Sie werden auf Basis ihres Global Warming Potentials (GWP) vergleichbar gemacht und in CO2-Äquivalenten (CO2e) angegeben. IPCC (2007), S. 36.

33 United Nations (1998), S. 3, 9, 20.

34 Ein AAU entspricht einer Tonne CO2-Äquivalente.

35 Siehe Tabelle 7, S. 106.

36 Ebd., S. 106.

37 United Nations (1998), S. 3.

38 Diese Übertragung wird als “Banking” bezeichnet. United Nations (1998), S. 5.

39 United Nations (1998), S. 2f.

40 United Nations (1998), S. 15. Ebd., S. 6.

41 Ebd., S. 6.

42 Ebd., S. 11.

43 Ein Zertifikat (AAU, ERU und CER) entspricht jeweils einer Tonne CO2-Äquivalente.

44 Dies wird als Supplementarity bezeichnet.

45 Vgl. Lueg (2009), Experteninterview, S. 118ff.

46 Ohne Berücksichtigung von LULUCF. UNFCCC (2008), S. 5.

47 Auch Deutschland profitiert bei seinen Erfolgen zur Emissionsminderung vom Zusammenbruch der Industrie in den neuen Bundesländern nach der Wiedervereinigung. UNFCCC (2008), S. 7.

48 Anger (2006), S. 1.

49 Ein Beispiel ist der Verkauf von 30 Mio. AAU der Ukraine an Japan im März 2009.

50 Die EU und Russland.

51 IEA (2008), S. 14.

52 Jaffe, Stavins (2008), S. 6.

53 Ebd., S. 6f.

54 Für eine Begriffserklärung siehe Kapitel 3.3, S. 33ff.

55 Für öffentliche Kollektivgüter ist weder eine Rivalität im Konsum vorhanden, noch ein Marktausschluss möglich. Guckelsberger, Kronenberger (2006), S. 40-42.

56 Pigou (1920).

57 Coase (1960).

58 McKinsey & Company (2007), S. 11.

59 McKinsey & Company (2009), S. 9.

60 Hübner (2008), S. 11.; Für eine detailliertere Darstellung siehe Abbildung 22, S. 104.

61 Schiffer (2009). Experteninterview, S. 130ff.

62 Vgl. Rentz (2009). Experteninterview, S. 124ff.

63 Löchte (2009). Experteninterview, S. 115ff.

64 Eigene Darstellung.

65 Rentz (1994), S. 63, 64.

66 Ockenfels (2009), S. 5.

67 Die Teilmengenproblematik besagt, dass der Nutzen, nämlich die Zügelung des Temperatur- anstiegs nicht operationalisierbar ist und nur eine Teilmenge der weltweiten THG-Emissionen kontrolliert werden kann. Krol (2005), S. 28-30.

68 Ockenfels (2009), S. 6.

69 Ockenfels (2009), S. 6-8.

70 Für eine Gegenüberstellung von Preis- und Mengenlösung siehe Ockenfels (2009), S. 5-12.

71 Für eine Erklärung der Gestaltungselemente siehe Kapitel 3.3, S. 33ff.

72 Eigene Darstellung.

73 Siehe Kapitel 3.3, S. 33ff.

74 Oberndorfer, Rennings, Sahin (2006), S. 3-4.

75 Abbildung 24, S. 107, zeigt die Abhängigkeit des Marktpreises und der Zertifikateverteilung von den Grenzvermeidungskosten. Wartmann, Klaus, Harnisch (2008), S. 124.

76 Siehe Abbildung 1, S. 22.; Abbildung 22, S. 104.

Ende der Leseprobe aus 119 Seiten

Details

Titel
Chancen und Risiken eines transatlantischen Kohlenstoffmarktes für europäische Energieversorgungsunternehmen
Untertitel
Verknüpfung von Emissionshandelssystemen
Hochschule
Hochschule Ludwigshafen am Rhein
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
119
Katalognummer
V196437
ISBN (eBook)
9783668608917
ISBN (Buch)
9783668608924
Dateigröße
3286 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Verknüpfung, Emissionshandelssystemen, Regierung, Chancen, Risiken, Umwelt, Kohlenstoff, Energie
Arbeit zitieren
Johannes Bittel (Autor:in), 2009, Chancen und Risiken eines transatlantischen Kohlenstoffmarktes für europäische Energieversorgungsunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/196437

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