Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Kernfusion - eine neue Form der Energiegewinnung


Diplomarbeit, 2003

95 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Erklärung

Vorbemerkung

Abkürzungen, Zeichen und Umrechnungsfaktoren

0 Einleitung
0.1 Begründung des Themas
0.2 Zielsetzung und neue Erkenntnisse

1 Grundlagen kontrollierter Kernfusion
1.1 Die Sonne als Inspirator
1.2 Deuterium und Tritium als Brennstoff für ein Fusionskraftwerk
1.3 Erzeugung und Speicherung von Plasmen
1.3.1 Der magnetische Einschluss
1.3.2 Die Plasmaheizung
1.3.3 Verunreinigungen und Instabilitäten im Plasma
1.3.4 Brennstoffnachfüllung
1.4 Zusammenfassung

2 Das Fusionsforschungsprogramm
2.1 Stellarator und Tokamak
2.2 Das IPP - Forschung für die Energie der Zukunft
2.2.1 Fusionsexperiment Wendelstein
2.2.2 Fusionsexperiment ASDEX
2.3 EURATOM
2.3.1 Das Programm von EURATOM
2.3.2 Fusionsexperiment JET
2.4 Fusionsexperimente im Rahmen der IAEA
2.5 Zusammenfassung

3 Das Fusionskraftwerk der Zukunft
3.1 Aufbau eines Fusionskraftwerks
3.2 Risiken und Vorteile einer Kernfusionsanlage - was sagen die Experten?
3.3 Zusammenfassung

4 Kernenergie und die Gesellschaft
4.1 Umweltbewusstsein und Umweltverhalten des Einzelnen
4.1.1 Becks Risikogesellschaft
4.1.2 Das Umweltbewusstsein der Deutschen und Österreicher
4.1.3 Das Missverhältnis zwischen Umweltbewusstsein und Umweltverhalten
4.2 Die Bedeutung des Staates im Prozess der Modernisierung
4.3 Gesellschaftliche Risiko- und Akzeptanzdebatten über Kernfusion
4.4 Neue soziale Bewegungen
4.4.1 Die Entwicklung von Bürgerinitiativen und Umweltbewegungen
4.4.2 Ansätze für die Bildung von sozialen Bewegungen
4.4.3 Das soziale und ideologische Profil von Umweltbewegungen
4.4.4 Perspektiven von Umweltbewegungen
4.5 Jugend und Umweltschutz
4.6 Österreich und Kernenergie
4.6.1 Österreichs Parteien und Temelin
4.6.2 Österreich und Kernfusion
4.7 Zusammenfassung

5 Kernfusion als Thema im Physik / Chemie-Unterricht
5.1 Begründung des Themas und didaktische Vorüberlegungen
5.2 „Projekt Kernfusion“ im PC-Unterricht der Sekundarstufe I
5.2.1 Verlauf des Projekts
5.2.2 Einstellung der Schüler zur Kernenergie / Kernfusion

6 Schluss und Vorausschau
6.1 Erkenntnisse und Folgen
6.2 Optionen für die Zukunft
6.3 Meine persönliche Meinung zur Kernfusion

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Technische Daten der wichtigsten Experimenttypen

Erklärung:

Ich erkläre, dass ich die vorliegende Diplomarbeit selbst verfasst habe und dass ich dazu keine anderen als die angeführten Behelfe verwendet habe. Außerdem habe ich die Reinschrift der Diplomarbeit einer Korrektur unterzogen und ein Belegexemplar verwahrt.

Ternberg, am 14.03.2003 Michael Schaupp

Vorbemerkung:

In meiner Diplomarbeit verzichte ich bewusst auf geschlechtsspezifische Bezeichnungen. Dies soll in keiner Weise die Leistungen von Frauen schmälern, geschweige denn Frauen im Allgemeinen diffamieren. Der Verzicht beruht alleine auf der Möglichkeit des einfacheren Lesens und Schreibens der Arbeit.

Ich danke im Besonderen meinen Eltern, Manfred und Gerda Schaupp, für die Bereitstellung von finanziellen Mitteln, mit denen ich Literatur für die Verfassung dieser Diplomarbeit kaufen konnte. Weiters danke ich meiner Mutter für das Korrekturlesen der Arbeit und für ihre vielfältigen Korrekturvorschläge.

Die Arbeit wurde nach den neuen Regeln der deutschen Rechtschreibung verfasst.

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Der Verfasser

Abkürzungen, Zeichen und Umrechnungsfaktoren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

0 Einleitung

6.8.1945, Hiroshima, Japan: die amerikanische Uran-Atombombe „Little Boy“ explo-diert im Herzen der japanischen Stadt. Einer Sprengkraft von 12,5 kT TNT fielen dieser schrecklichen Waffe über 250 000 Menschen zum Opfer, über 150 000 Menschen wurden zum Teil schwerst verletzt. Etwa 60 % der ganzen Stadt wurden zerstört. Noch heute leiden die Opfer von damals an den Folgen der Atombombe, von den Nachwirkungen der freigesetzten Radioaktivität ganz zu schweigen. Spätestens seit dem neuerlichen Abwurf einer Plutonium-Atombombe in Nagasaki drei Tage später und dem GAU in Tschernobyl 1986, der unmittelbare Wirkung für uns Österreicher zeigte, weiß der Mensch um die Gefährlichkeit von Kernenergie -sei es zu militärischen Zwecken in Form von Atom- bzw. Fusionsbomben oder zur friedlichen Nutzung in Atomkraftwerken.

0.1 Begründung des Themas

Die Bevölkerungszahl wächst und wächst. Leben heute noch circa sechs Milliarden Menschen auf der Erde, so könnten es in ein paar Jahrzehnten schon deutlich über zehn Milliarden sein. Mit dem Ansteigen der Bevölkerung und der Weiterentwicklung in der Industrie steigt auch der Bedarf an Strom und Energie. In den letzten 100 Jahren verzehnfachte sich der weltweite Primärenergieverbrauch. Dieser rasante Anstieg stellt hohe Ansprüche an die natürlichen Energieressourcen der Welt, aus denen man elektrischen Strom gewinnen kann.

Bis jetzt hat man die ideale Energieform noch nicht gefunden: die Verbrennung fossiler Energieträger - die 90 % des derzeitigen Weltenergiebedarfs abdecken -scheitert langfristig gesehen an der Endlichkeit der Brennstoffe. Außerdem entstehen bei der Verbrennung von Kohle, Erdöl und Erdgas Luftschadstoffe wie CO2, NOx und SO2. Auch erneuerbare Energiequellen bringen Probleme mit sich. So sind die Bau-und Betriebskosten für Solarzellen sehr hoch und bei Wasserkraftwerken wird die Umwelt teils gravierend beeinflusst. Vor dem Beginn des Baus eines Staudamms am Jangtsekiang in China droht 1,2 Millionen Menschen die Zwangsaussiedlung.

Kraftwerke, die mit hoher Leistungsgewinnung arbeiten und nicht standortab-hängig sind, wären Atomkraftwerke. Jedoch gab es schon zu viele Zwischenfälle und Probleme mit dem radioaktiven Abfall, so dass diese Form der Energiegewinnung bei vielen Bürgern und auch Experten auf Ablehnung stößt. Nach einer Umfrage des Meinungsforschungsinstitutes market im Auftrag des österreichischen Nachrichten-magazins NEWS fürchten sich heute 57 % aller Österreicher vor einem Reaktor-unglück bzw. einem Atomunfall. Somit ängstigen sich die Österreicher mehr vor einem Atomkraftunfall als vor einem neuerlichen Weltkrieg, dem finanziellen Ruin oder Rechtsradikalismus. Seit der letzten Umfrage 1997 ist die Zukunftsangst vor einem Zwischenfall in Zusammenhang mit Kernspaltung um 15 % gestiegen.1

Als ich im Spätherbst 2001 im Rahmen meiner Hauptschullehrerausbildung im Fach Physik/ Chemie an einer Exkursion zum Max-Planck-Institut in Garching bei München teilnahm, bekam ich einen kleinen Einblick in die kontrollierte Kernfusions-forschung, die - ähnlich wie die Sonne - Energie aus der Verschmelzung von Atom-kernen erzeugt. Mein Interesse galt der Frage, wie viel Leistung man durch kontrollierte Kernfusion gewinnen kann und wie sicher und umweltschonend ein Fusionskraftwerk arbeiten kann. Weil ein Fusionsreaktor ein „Projekt der Zukunft“ ist einen Reaktor zur allgemeinen Energieversorgung gibt es noch nicht - wurde meine Neugier noch stärker und ich nahm mir vor meine Diplomarbeit über dieses Thema zu schreiben.

„ Wir wollen sehen, wie weit uns diese oder jene Methode bringt. Vielleicht kommen wir an eine Grenze. Wenn es eine gibt, dann sehen wir sie noch nicht. Vorläufig ist unser Weg eigentlich sehr interessant. Falls unserer Forschungsweise Grenzen gesetzt sind, dann liegen sie noch jenseits des Horizonts. Einstweilen macht uns jedenfalls die Arbeit gro ß en Spa ß , und wir entdecken viel Interessantes …“

(John C. Kendrew)

Mit diesen Worten charakterisierte der Chemiker Kendrew die Demut vor der Nichtig-keit des Menschen und seine begrenzten Möglichkeiten seiner Forschungen. Den-noch versucht der Wissenschaftler, trotz der Einsicht seiner Grenzen, mit seinen Ex-perimenten und Forschungen an die Grenzen des Möglichen zu stoßen. Er hofft, eine endgültige Antwort auf die „letzten Fragen“ - die er im Rahmen seiner Forschungen gar nicht formulieren kann, da er sie nicht kennt - zu finden.2 Dieses Zitat gibt uns auch (ungewollt) einen guten Einblick in das Forschungsprogramm zur Kern-fusion - man testet und experimentiert mit einer Vielzahl von Methoden, bis man an eine Grenze stößt, an der man nicht mehr weiter kommt. Diese Grenze wurde aber noch nicht erreicht und es werden jährlich neue interessante Ergebnisse gewonnen.

0.2 Zielsetzung und neue Erkenntnisse

Im Rahmen meiner Diplomarbeit möchte ich eine neue Form der Energiegewinnung vorstellen. Im Besonderen gehe ich auf das Forschungsprogramm am IPP in Garching bei München, dessen wissenschaftliche Struktur als Institut und dessen internationale Kooperationen ein. Um die wissenschaftliche Struktur des IPP besser verstehen zu können, werde ich im ersten Teil meiner Arbeit die physikalischtechnischen Grundlagen von Kernfusion darstellen. Hier wird auf sozio-ökologische Standpunkte und auf Gesellschaftsanalysen verzichtet.

Die Risiko- und Akzeptanzdebatten auf dem Gebiet der Kernkrafttechnologie werden dann in den nächsten Kapiteln behandelt. Hier werde ich auch Bezug auf die AntiAtomkraftbewegung nehmen und einen Seitenblick auf die Kernforschung in Österreich wagen. In vielen Bereichen dieser Arbeit wird Österreich aber außer Acht gelassen, da sich Österreich „nur“ mittels Materialbau an der Fusionsforschung beteiligt und nicht in die Dimensionen der Wissenschaft wie etwa Deutschland vordringt. Die meisten Studien in der Technikfolgenabschätzung und der soziologischen Analyse beziehen sich auf Deutschland, können aber in ihren Grundaussagen durchaus auf Österreichs Gesellschaft adaptiert werden.

Im dritten und letzten Abschnitt der Studie beschreibe ich die Bearbeitung des Themas „Kernfusion“ in der (Haupt-)Schulpraxis. In einem Projekt sollte den Schülern ein Einblick in die Fusion geboten werden, wobei ein Schwerpunkt auf den Emotionen der Schüler gegenüber Kernenergie lag.

Mein Ziel ist es mit meiner Abhandlung einen Blick in eine mögliche Stromversorgung der Zukunft zu geben und den Lesern eine kritische und objektive Abwägung von Kernfusion zu ermöglichen, indem ich diese komplexe und weitragende Materie so einfach als möglich zu erklären versuche. Außerdem möchte ich einen, wenn auch bescheidenen, methodisch-didaktischen Beitrag zum Thema „Kernfusion“ in der Sekundarstufe I leisten.

1 Grundlagen kontrollierter Kernfusion

Kernfusion ist ein sehr neues Teilgebiet der Kernphysik, das in der Fachliteratur vor 1970 kaum Erwähnung findet und auch in der Schule - zumindest in der Sekundarstufe I - minimale Aufmerksamkeit bekommt. Relativ wenige Menschen haben sich bis dato mit der Materie Kernfusion beschäftigt, geschweige denn Arbeiten darüber geschrieben. Was versteht man also unter Kernfusion? Die technischen und physikalischen Grundlagen kontrollierter Kernfusion zu erörtern ist Ziel dieses Kapitels. Um das Prinzip der Kernfusion zu verstehen, ist es nützlich, sichals Einstieg - die Sonne und deren Energieerzeugung näher anzusehen und zu verstehen.

1.1 Die Sonne als Inspirator

Bereits 1899 wurde erstmals vermutet, dass die Energie der Sonne auf Kernreaktionen beruhen könnte. Wenn aber die Energieerzeugung der Sonne auf radioaktivem Zerfall beruhe, so müsste sie ausschließlich aus Uran, Thorium oder anderen schweren Elementen bestehen, da Kernspaltung nur bei Kernen schwerer Elemente auftritt. Die Zerfallsprodukte müssten nachweisbar sein.

Wie nun die Sonne ihre Energie wirklich gewinnt, konnte man in den nächsten Jahrzehnten erforschen. Die ersten Theorien stammen vom Schweizer Physiker Fritz Houtermans und dem englischen Astronomen Robert Atkinson aus dem Jahre 1929. Sie schlossen auf heftige thermische Zusammenstöße von Wasserstoff-Kernen. Bei einem von rund 1020 Zusammenstößen im Inneren der Sonne kommt es zu einer „Kernverschmelzung“, die auch Kernfusion genannt wird. Diese läuft im Inneren aller Sterne ab.

Bei einer Kernfusion werden zwei sehr leichte Kerne miteinander verschmolzen, so dass ein einzelnes Kerntröpfchen entsteht, wobei zahlreiche Promille der Masse energetisiert werden können. Die Fusion setzt jedoch sehr hohe Temperaturen als „Startbedingung“ voraus, damit sich die Ausgangskerne so sehr nähern, dass die abstoßende Coulomb-Kraft3 überwunden wird. Deshalb wird die Kernfusion auch oft als thermonukleare Reaktion4 bezeichnet. Die ausreichende Annäherung, die zur Fusion führt, wird mit [Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten](A = Massenzahl des Kerns) definiert.

Auf der Sonne werden zuerst zwei Protonen (ein p+ entspricht einem1 Wasserstoff) zu einem Deuterium-Kern, dem sogenannten Deuteron5, fusioniert. Dieses stabile Deuterium ist ein Isotop6 des Wasserstoffs, das statt nur einem Proton nun zusätzlich ein Neutron im Kern gelagert hat. Um die richtige Ladungs- und Spin-Bilanz zu erhalten, werden ein Positron und ein Neutrino herausgeschleudert:7

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Dann reagieren die gebildeten Deuteronen mit Protonen und bilden das stabile Helium-3-Iso-top8, wobei ein „Gamma-Quant“ - ein Photon (ein Lichtquant) - frei wird:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Anschließend gibt es theoretisch drei Möglichkeiten, wie diese Kette weitergeführt werden kann:

Im ersten Fall (ppI) verschmelzen zwei Helium-3-Isotope zu 4 Helium plus zwei Protonen. Bei der zweiten Möglichkeit (ppII) bilden7 Lithium und ein Proton zwei Helium-4-Isotope. Und im dritten Fall würde zuerst instabiles8 Beryllium gebildet, das dann weiter in zwei Helium-4-Isotope zerfällt. Die ppI-Reaktion ist mit 86 % die Wahrscheinlichste aller drei pp-Reaktionen, die in Abb. 1.1 abgebildet sind.

Bei der Fusion zu4 Helium werden etwa 26 MeV Energie gewonnen. Da, wie bereits erwähnt, nur einer von 1020 Zusammenstößen zu einer Fusion führt, läuft eine vollständige „Proton-Proton-Reaktion“ innerhalb von 14 Milliarden Jahren ab.

Eine andere Möglichkeit, Wasserstoff-Kerne in Helium-Kerne umzuwandeln, ist der von Hans A. Bethe und Carl Friedrich v. Weizsäcker - unabhängig voneinander - im Jahr 1938 entschlüsselte „Bethe-Weizsäcker-Zyklus“. Er wird auch „CNO-Zyklus“ genannt, da Kohlenstoff zu Stickstoff und in weiterer Folge zu Sauerstoff fusioniert bzw. zerfällt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Nun kommt der entscheidende Schritt in diesem Prozess: Ein Proton wandelt den Stickstoff-Kern zum ursprünglich vorhandenen Kohlenstoff-Kern und einem HeliumKern um.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Somit wird der Kohlenstoff, der in diesem Zyklus als Katalysator wirkt, niemals weniger, da am Ende wieder ein Kohlenstoff-Kern für den am Anfang gebrauchten Kohlenstoff-Kern entsteht. Der Energiegewinn beträgt wiederum etwa 25 MeV.9

Vier Jahre früher, nämlich 1934, reproduzierte Sir Ernest Rutherford - er erzeugte 1919 erstmals eine Fusionsreaktion im Labor, indem er Stickstoff mit doppelt positiv geladenen Heliumkernen (Į-Teilchen) beschoss - die Fusionsvorgänge der Sonne experimentell und verschmolz Wasserstoffkerne zu Heliumkernen.10

Im gleichen Jahr fand der Amerikaner Harold C. Urey das instabile und damit radioaktive Wasserstoff-3-Isotop, genannt Tritium11. Dieses Isotop wird für uns im weiteren Verlauf von besonderer Bedeutung sein, da es in Testreaktoren und den geplanten Fusionskraftwerken als zweite Hälfte des Brennstoffs genutzt wird.

1.2 Deuterium und Tritium als Brennstoff für ein Fusionskraftwerk

Nach der Entdeckung der Kernspaltung 1938 und der Entwicklung der Atombombe durch das Manhattan-Projekt war man in erster Linie an einer militärischen Nutzung der Fusion interessiert. Am 1.11.1952 wurde die erste Fusionsbombe, die Wasserstoffbombe, von den USA gezündet.12 Man erkannte nun die immensen, um in diesem Fall nicht zu sagen horrenden, Energiemengen, die bei Fusion freigesetzt werden. Heute besteht eine Fusionsbombe aus einer kleinen Kernspaltungsbombe, die vom Fusionsmaterial umgeben ist. Nachdem man nun die Kernverschmelzung auf militärischer Ebene nutzen konnte, begann man mit Untersuchungen der Fusion zum Zweck der zivilen Energiegewinnung in den Vereinigten Staaten.

Bald fand man heraus, dass sich von der Vielzahl der exothermen Fusionsreaktionen diejenige zwischen Deuterium und Tritium (kurz: D-T-Reaktion - s. Abb. 1.2) zu4 He am besten bei irdischen Bedingungen eignen würde, da unter gleichen Bedingungen im Gegensatz zur D-D-Reaktion - die Wahrscheinlichkeit für das Auftreten von Fusionsprozessen größer ist. Außerdem sollte mehr Energie erzeugt als gebraucht werden. Die D-T-Reaktion erfüllt alle diese Kriterien: Sie ist leicht herbeizuführen, hat einen hohen Wirkungsquerschnitt und erzeugt eine positive Energiebilanz. Die D-T-Reaktion fand auch schon in der ersten H-Bombe Verwendung.

Deuterium findet man in großen Mengen im natürlichen Wasser (0,15 kg D2O pro Tonne Wasser), somit ist eine langfristige Versorgung mit diesem Teil des Brennstoffs gewährleistet. Das radioaktive Tritium hingegen ist in der Natur nicht vorhanden. Dieses Isotop, das eine Halbwertszeit von circa 12,3 Jahren hat, muss künstlich durch Brutreaktionen in den Brutzonen (engl. Blanket) gewonnen werden.

Folgende Reaktionen bieten sich dazu an:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Reaktion mit6 Lithium wird heute in der Kernfusionsforschung genutzt. Der Lithium-Anteil an der Erdrinde beträgt etwa 0,006 Gewichtsprozente. Das Alkalimetall Lithium kommt elementar nicht vor, ist aber in geringen Konzentrationen in fast allen Gesteinen vorhanden. Der Anteil des stabilen6 Li-Isotops im Lithium beträgt 7,5 %. Nun kann man eine vollständige D-T-Fusion einleiten, die folgendermaßen aussieht:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die freiwerdende Energie verteilt sich: He: 3,5 MeV und n: 14,1 MeV (das sind 80 % der gesamten freiwerdenden Energie).

Bei all den Vorteilen, die eine D-T-Reaktion gegenüber anderen Fusionsmöglich-keiten hat, gibt es doch zwei Nachteile: Die Radioaktivität des Tritiums und die bei der Fusion entstehenden schnellen Neutronen aktivieren die umgebenden Reaktorteile. Diese Nachteile und die Probleme mit dem Plasma versucht man in Großexperimenten, die in Kapitel 2 näher behandelt werden, zu lösen bzw. zu mindern.

1.3 Erzeugung und Speicherung von Plasmen

Um zwei Kerne miteinander zu fusionieren, muss eine bestimmte Temperatur überschritten werden, damit sich die Kerne so sehr annähern, dass die Bewegungsenergie der Teilchen für einen Fusionsprozess ausreicht und dabei die Coloumb-Kraft überwunden wird. Aufgrund der thermischen Energie ist nun die kinetische Energie wesentlich höher als die Bindungsenergie13 zwischen Elektron und Kern. Durch Stoßionisation werden nun die Elektronen von den Kernen gelöst und die gesamte Materie besteht aus freien Elektronen und Kernen (s. Abb. 1.3). Dieses völlig ionisierte Gas nennt man Plasma14. Dieses Plasma ist nach außen hin elektrisch neutral geladen. Plasma ist nach den Formen fest, flüssig und gasförmig der vierte Aggregatzustand. Es ist leuchtend, elektrisch leitend und lässt sich durch elektromagnetische Felder beeinflussen.

Ein Wasserstoff-Plasma entsteht schon bei Temperaturen von 105 K. Ist die Temperatur des Plasmas hoch genug, so wird ein Fusionsfeuer gezündet und es kann eine Kettenreaktion entstehen. Dabei muss die Energieproduktion höher sein als die Energieverluste. Die Energieproduktion im Plasma wird bestimmt durch:

1. die Temperatur
2. den Wirkungsquerschnitt (abhängig von der Geschwindigkeit) und
3. die Dichte.

Die Teilchen im Plasma haben aber nicht alle die gleiche Energie. Es gilt hier die Maxwellsche Energieverteilung mit einem Maximum bei E = kT und einer mittleren

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die günstigsten Bedingungen für Einschlusszeit15 und Dichte erhält man bei mindestens 106 K. Jedoch beträgt die Temperatur, die mindestens erreicht sein muss, damit die Energieproduktion höher als der Strahlungsverlust ist, bei D-T 4 keV16. Um den Energieverlust durch Entweichen von Ionen minimal zu halten, müssen sie lange genug in der Reaktionszone verbleiben, um dann neue Reaktionen auszulösen. Diese Einschlusszeit beträgt mindestens zwei Sekunden. 1957 berech-nete der amerikanische Kernphysiker John D. Lawson die Bedingungen für das Fusionsprodukt aus der Energieeinschlusszeit τ und der Teilchendichte n in Ab-hängigkeit von der Temperatur T. Wenn dieses Kriterium (break-even-Bedingung) erfüllt wird, würde die im Fusionsplasma erzeugte Energie höher sein, als die zur Aufrechterhaltung des Plasmas benötigte Energie und die Reaktionskette würde sich selbst erhalten. Für D-T-Reaktionen ergibt sich hier ein Mindestwert von

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

cm-3 s , wobei das Plasma dann 250 000-mal „dünner“ als die Atmo sphäre der Erde ist und man von einem Vakuum sprechen kann.

Am schwierigsten zu erreichen ist eine genügend lange Einschlusszeit bei günstigen Bedingungen. Die besten Annäherungen an das Zündkriterium erreichten das europäische Gemeinschaftsprojekt JET und der japanische Testreaktor JT-60, die nur noch einen Faktor 5 bzw. 6 von einer Zündung entfernt sind. Die maximale Annäherung an die Zündungsbasis der jeweiligen Großexperimente ist in Abb. 1.4 abzulesen.

Wie wird nun das Plasma zusammengehalten? Materielle Gefäße kommen nicht in Frage - man arbeitet mit extremen Temperaturen und außerdem würde das Plasma bei einer Berührung mit der Wand sofort abkühlen. Aber durch die leitende Eigenschaft des Plasmas kann man es mithilfe von magnetischen Feldern einschließen und von den Gefäßwänden fernhalten.

1.3.1 Der magnetische Einschluss

Fliegt ein Elektron senkrecht zu B r (v⊥B)17 in ein homogenes Magnetfeld, so beschreibt es eine Kreisbahn: Die Lorentzkraft wirkt dann als Zentripetalkraft. Mithilfe eines magnetischen Feldes kann man also die Elektronen und Ionen des Plasmas auf Kreis- und Schraubenbahnen um die Feldlinien zwingen (s. Abb. 1.5). Weil aber in einem Ringfeld nach außen hin die Feldstärke abnimmt, würden die Teilchen bald in Richtung Wand gedrängt werden. Wenn aber die Feldlinien geschlossen und verdrillt sind, ist ein dauerhafter Einschluss des Plasmas möglich.

Bei Fusion mit magnetischem Einfluss können jedoch folgende Probleme auftreten:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

- Verunreinigungen (wird in Kapitel 1.3.3 detaillierter besprochen)
- Radioaktivität durch Neutronenbeschuss (s. Neutralteilchenheizung, Kapitel 1.3.2)

- Materialerschöpfung und die daraus resultierenden hohen Kosten
- Große gespeicherte Energiemengen in den Magnetfeldern und radioaktives Inventar stellen ein relativ hohes Gefahrenpotential dar.
- Hoher Energieverbrauch für die Heizung und die Magnete

1.3.2 Die Plasmaheizung

Um die Zündbedingungen für ein Plasma zu erreichen, muss es von außen geheizt werden. Dafür stehen folgende Möglichkeiten zur Verfügung:

Die Stromheizung (Ohmsche Heizung): Durch den elektrischen Strom im Plasma herrscht auch ein Widerstand. Wenn man nun - ähnlich wie bei einer elektrischen Herdplatte - Strom durch das Plasma schickt, so wird dieses erwärmt. Jedoch stoßen die Plasmateilchen mit wachsender Temperatur immer weniger häufig zusammen und der Widerstand sinkt. Deswegen ist die Stromheizung nur als Initiativheizung geeignet.

Der Strom wird durch das Transformator-Prinzip erzeugt: Spulen, die um den Plasmaring angeordnet sind und die ein Magnetfeld erzeugen, wirken als Primärwicklung. Der Plasmaring, in dem auch Strom fließt, wirkt als Sekundärwicklung. Wenn nun in der Primärwicklung ein Strom mit geringer Stromstärke fließt, herrscht in der Sekundärwicklung eine große Stromstärke. Das Schema der Stromheizung ist in Abb. 1.6 dargestellt.

Die Hochfrequenzheizung: Diese Heizung arbeitet nach dem „MikrowellenherdPrinzip“. Wenn man die Elektronen und Ionen im Plasma von außen mit der richtigen Frequenz anregt, so nehmen die Teilchen Energie auf und geben sie über Stöße an andere Teilchen weiter. Geeignete Frequenzen sind hier die Kreisbewegungen der Elektronen und Ionen. Die Kreisfrequenz der Ionen beträgt zwischen 10 und 100 MHz, die der Elektronen zwischen 60 und 150 GHz. Das Prinzip der Hochfrequenzheizung ist in Abb. 1.7 dargestellt.

Die Neutralteilchenheizung: Hierbei werden neutrale Teilchen (Ionen, die vorher durch ein elektrisches Feld beschleunigt und neutralisiert wurden) in das Plasma gebracht, sie werden ionisiert und übergeben Energie durch Stöße an die Elektronen und Ionen. Da nicht alle Ionen neutralisiert werden können, werden die unneutralen Teilchen vor dem Eintritt ins Plasma durch ein Magnetfeld in den „Ionensumpf“ abgelenkt. Der Aufbau der Neutralteilchenheizung ist in Abb. 1.8 dargestellt.

Es gibt zwar auch noch andere Heizmöglichkeiten, die aber entweder noch erforscht werden müssen oder für einen eventuellen Fusionsreaktor nicht relevant sind. Zurzeit wird zum Beispiel die Heizung mittels entstandener Heliumkerne erprobt.

1.3.3 Verunreinigungen und Instabilitäten im Plasma

Natürlich ist ein Zusammenstoß von Ionen im Plasma Voraussetzung für Kernfusion. Jedoch führen nicht alle Zusammenstöße zur Fusion. Bei den meisten Kollisionen wird die Bindung des Ions an die Feldlinie kurzzeitig gelöst, die Ionen werden von ihrer Bahn abgelenkt und auf Bahnen benachbarter Magnetfeldlinien gelenkt. Nach einigen Stößen werden die Teilchen an den Rand des Plasmagefäßes18 gedrängt und schließlich berühren sie die Wand. Dann werden Wandatome (zum Beispiel Kohlenstoffatome) durch die Plasmateilchen aus der Wand emittiert, die durch die Turbulenz des Plasmas wieder zurück ins Plasmainnere gelangen. Atome, die schwerer sind als Wasserstoff, sind auch bei den herrschenden Temperaturen nicht (vollständig) ionisiert. Je höher die Ladungszahl der herausgetriebenen Atome ist, desto mehr Elektronen sind noch an die Atomrümpfe gebunden und desto mehr entziehen sie dem Plasma Energie und strahlen diese als UV- oder Röntgenlicht ab. Dadurch wird das Plasma gekühlt und verdünnt und somit die Fusionsausbeute verringert. Wenn die Verunreinigungen eine bestimmte Konzentration erreichen, so kann das Plasma nicht mehr zünden.

Mithilfe von speziellen Magnetfeldern versucht man nun, die äußeren Plasmateilchen an besonders ausgerüstete Wandstellen zu lenken - die Divertor platten. An diesen Stellen werden die Plasmateilchen aufgefangen, neutralisiert und abgepumpt. Das Problem dabei ist, dass das Plasma dadurch Teilchen verliert und immer wieder Brennstoff nachgefüllt werden muss (s. Kapitel 1.3.4). Es ist also nicht möglich, einen Reaktor mit nur einer Brennstofffüllung laufen zu lassen.

Es ist geplant, in einem zukünftigen Fusionskraftwerk die Verunreinigungen zusammen mit dem entstandenen Helium über die Divertoren abzupumpen. Daher ist die Materialforschung für besonders beanspruchte Stellen im Reaktor eine der größten Aufgaben der Fusionsforschung.

Wenn eine geringe Störung eine Kraft hervorruft, die eine größere Störung verursacht, so spricht man von Instabilität. Normalerweise ist das Plasma durch das Magnetfeld in einem geraden, zylindrischen „Schlauch“ begrenzt. Die Magnetfeld-linien liegen wie Ringe um den Schlauch. Wenn aber nun durch eine geringe Kraft Plasmateilchen an den oberen Rand des Schlauches gedrängt werden, so verdichten sich die Feldlinien am unteren Rand des Schlauches. Dadurch entsteht ein höherer Magnetfelddruck und das Plasma wird noch weiter nach oben gedrückt („Knickinstabilität“, s. Abb. 1.9). Dies wäre eine der Möglichkeiten einer Instabilität.

Ein weiteres mögliches Szenario wäre eine Verengung an einer Stelle des Plasmaschlauches. Die Magnetfeldstärke wäre dann am Plasmarand noch größer und das Plasma würde noch weiter zusammengedrückt. Auf diese Weise kann sogar der Stromfluss im Plasma unterbrochen werden. Um diese „Würstcheninstabilität“ (s. Abb. 1.9) zu verhindern, fließt der Strom im Plasma entlang eines Längsmagnetfelds, das bei Zusammendrücken des Plasmas einen Gegendruck ausüben soll.

1.3.4 Brennstoffnachfüllung

Um die Teilchenzahl des Plasmas nach der Abpumpung wieder zu erhöhen und somit das Plasma am Laufen zu halten, gibt es zwei, bereits erfolgreich durchgeführte, Möglichkeiten der Brennstoffnachfüllung: der Gaseinlass vom Gefäß-rand und die sogenannte Pelletinjektion19. Hierbei wird Deuterium und Tritium einge-froren und zu Pellets geformt. Diese Pellets haben einen Durchmesser von wenigen Millimetern und eine Masse von etwa einem Milligramm. Nachdem sie auf eine Maximalgeschwindigkeit von 1 200 m s-1 - dies entspricht in etwa der vierfachen Schallgeschwindigkeit - beschleunigt wurden, werden sie in das Plasma „hineingeschossen“. Daraufhin verdampfen die gefrorenen Pellets und die einzelnen D-bzw. T-Atome werden ionisiert.

Da die Pellets gezielt in das Plasma hineingeschossen werden können, kann auch das Dichtebild des Plasmas kontrolliert manipuliert werden. Werden Pellets zentral in das Plasma geschossen, so hat man in der Plasmamitte eine höhere Dichte von Teilchen und die Zündung des Plasmas würde erleichtert werden.

Nach der Zündung wäre jedoch eine niedrigere Dichte wünschenswert, um die Teilchen - und damit auch das entstandene Helium - kürzer einzuschließen und öfter abzupumpen. Eine niedrige Dichte kann man mit kleinen, langsamen Pellets erreichen, die man in Plasmarandnähe injiziert.

Neuste Studien deuten darauf hin, dass im geplanten Großexperiment ITER eine Nachfüllung nur durch Kombination von Gaseinlass und Pelletinjektion möglich sein wird. Grund dafür ist die für ITER notwendige hohe Plasmadichte, die erreicht werden muss, um einen Leistungsverstärkungsfaktor Q ≅ 10 zu erhalten. Dieser Faktor wird in Kapitel 2.2.3.2 genauer erklärt.

1.4 Zusammenfassung

Nachdem man im Laufe des 20. Jahrhunderts zum Schluss kam, dass die Energieproduktion der Sonne auf Kernfusion beruht, wurde in den frühen 30er Jahren ein neues Forschungsgebiet begründet: die Kernfusionsforschung. Ihr Ziel ist es, die durch Kernverschmelzung entstandene Energie zu gewinnen und in Folge Fusionskraftwerke zur Energieversorgung der Menschheit zu betreiben. Für militärische Zwecke wird die Fusion bereits seit den 50er Jahren genutzt (H-Bombe).

Unter irdischen Bedingungen ist eine Fusion der Wasserstoff-Isotope Deuterium und Tritium zu4 Helium am leichtesten zu realisieren. Bei dieser Fusion wird eine Energie von etwa 17 MeV frei. Dieser Energiegewinn ist um ein Vielfaches höher als der Energiegewinn bei Verbrennung von Kohle bzw. bei Kernspaltung. Außerdem ist der (Roh-)Brennstoff in Hülle und Fülle im Meerwasser (D) bzw. in der Erdkruste (Li) vorhanden. Um die Kerne zu verschmelzen, müssen sie einander so sehr ange nähert werden und so schnell aufeinandertreffen, dass die abstoßende Coloumb Barriere überwunden werden kann. Voraussetzung dafür sind sehr hohe Temperaturen. Dadurch bildet sich ein Plasma aus frei beweglichen (positiven) Ionen und (negativen) Elektronen. Da das Plasma leitende Eigenschaft hat, kann man es durch Magnetfelder lenken und eingrenzen.

Drei Faktoren bedingen die Energiegewinnung bei der Fusion: a) die Dichte der Plasmateilchen, b) die Temperatur des Plasmas und c) die Einschlusszeit der Teilchen. Damit man mehr Energie durch Fusion gewinnt, als man für die Produktion und Aufrechterhaltung des Plasmas investiert, muss man die sogenannte „break-even-Bedingung“ erreichen. Bis jetzt ist der Faktor Einschlusszeit, in Hinsicht auf einen zukünftigen Reaktor und die damit verbundene Größe des Plasmaschlauchs, am schwierigsten zu skalieren.

Im Gesamten ist die Fusionsforschung ein komplexes und kompliziertes Forschungsgebiet, das hohes technisches und physikalisches Wissen bei allen Beteiligten und außerdem einen hohen finanziellen Aufwand für Experimente verlangt.

2 Das Fusionsforschungsprogramm

Die nachfolgenden Kapitel beschreiben nicht nur verschiedene Großexperimente und beziehen sich nicht nur auf deren technische und physikalische Funktionsweisen, vielmehr sollen die nächsten Seiten auch einen geschichtlichen Aufriss über die moderne Fusionsforschung und die Entwicklung der europäischen - im Besonderen der deutschen - und globalen Forschungsprogramme beschreiben.

Nachdem man die Fusion auf der Erde theoretisch und experimentell erklärt bzw. reproduziert hatte, war man anfänglich nicht an einer Erschließung als Energiequelle interessiert. Als aber das „Projekt Manhattan“ (die Entwicklung der ersten funktionsfähigen Atombombe in den USA) erfolgreich abgeschlossen wurde, stellte man Überlegungen zur Nutzung thermonuklearer Fusion im militärischen Bereich an. Nach anfänglichen herben Rückschlägen und den immer stärker werdenden Konflikten zwischen Befürwortern und Gegnern der Atombombe begrenzte man aber die Forschungen bezüglich Kernfusion auf ein Minimum, zumindest bis einige Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges. Als nämlich 1949 die erste sowjetische Atom-bombe gezündet wurde, wurde in den USA - gegen den Willen vieler Atom-kraftgegner - das Programm zum Bau einer H-Bombe gestartet. Wie schon bei der Entwicklung der Atombombe waren hier viele (vor dem bzw. im Krieg) in die USA ausgewanderte europäische Wissenschaftler, wie Edward Teller (ein emigrierter ungarischer Physiker) oder Stanslaw Ulam (ein aus Polen ausgewanderter Mathe-matiker), beteiligt. Wie bereits erwähnt, wurde Ende 1952 die grundsätzliche Möglichkeit zur Durchführung von Kernfusionsreaktionen auf der Erde durch die Zündung der ersten H-Bombe demonstriert.

Jedoch waren die Amerikaner nicht die Ersten, die Forschungsprogramme zur Nutzung kontrollierter Kernfusion starteten. Kurz nach Ende des Krieges wurde in England begonnen, nach einer friedlichen Anwendung der Fusion zu forschen. Zwei englische Physiker die Idee, ein Deuterium-Plasma in einem Glasring mithilfe eines Magnetfeldes zu komprimieren und durch Hochfrequenzwellen aufzuheizen. Wenn man den Plasmastrom sehr schnell in die Höhe treiben würde, so käme es zu einer schnellen Kompression des Plasmas und es würde stark aufgeheizt. Dieser Effekt

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1 NEWS 45/02, S. 62

2 Vgl. Walter R. Fuchs, Knaurs Buch der modernen Physik. München 1965, S. 306

3 Die Kerne stoßen sich wegen ihrer positiven Ladungen gegenseitig ab.

4 thermos (gr.) = Wärme, nucleus (lat.) = (Zell-)Kern

5 deuteros (gr.) = Zweiter

6 Isotop (von gr. isos = gleich und topos = Platz, Ort) ist ein Atom bzw. Atomkern desselben Elements (d.h. mit gleich vielen Protonen) mit mehr oder weniger Neutronen.

7 Vgl. Bernhard Bröcker, dtv-Atlas Atomphysik. München 1997, S. 25 u. 75

8 helios (gr.) = Sonne

9 Vgl. Fuchs, Knaurs, S. 309 f.

10 Zudem fand er, dass bei Kernreaktionen Energie freigesetzt wird.

Vgl. dazu: Eckhard Rebhan, Heißer als das Sonnenfeuer. Plasmaphysik und Kernfusion. München 1992, S. 9 f. und 57 f.

11 tritos (gr.) = Dritter

12 Bei dieser Bombe wurde die unkontrollierte Fusion genutzt.

13 Bindungsenergie ist die Energie, die man hinzufügen muss, um einzelne Elementarteilchen aus der Hülle bzw. dem Kern zu lösen. Beim Deuteron beträgt die Bindungsenergie 2,226 MeV.

14 plasma (gr.) = Gebilde

15 Diese gibt die Zeit an, nach der die zugepumpte Wärmenergie nach außen abgegeben wurde.

16 In der Fusionsforschung wird die Temperatur oft in keV angegeben, wobei gilt: 1 keV = 1 , ⋅

17 B definiert die magnetische Induktion, also jeden Punkt in einem magnetischen Feld. v ist die (vektorielle) Geschwindigkeit eines Teilchens.

18 Obwohl das Plasma in einem Magnetfeld eingeschlossen wird, muss es vorher in einem Gefäß hergestellt werden, das vakuumdicht ist und das Austreten des Brennstoffs verhindert. Wegen des hohen Drucks und der hohen Magnetkräfte kommt für dieses Gefäß nur Edelstahl in Frage. Divertor-platten schützen die Gefäßwand vor dem heißen Plasma und umgekehrt das Plasma vor Verunreinigungen.

19 pellet (engl.) = Kügelchen

Ende der Leseprobe aus 95 Seiten

Details

Titel
Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Kernfusion - eine neue Form der Energiegewinnung
Hochschule
Private Pädagogische Hochschule der Diözese Linz  (Physik/Chemie, Soziologie)
Note
2
Autor
Jahr
2003
Seiten
95
Katalognummer
V19550
ISBN (eBook)
9783638236447
ISBN (Buch)
9783640856367
Dateigröße
1347 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Diplomarbeit behandelt das Problem der Akzeptanz der Kernenergie (im Speziellen der Kernfusion) durch die Gesellschaft.
Schlagworte
Auseinandersetzung, Kernfusion, Form, Energiegewinnung
Arbeit zitieren
Michael Schaupp (Autor:in), 2003, Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit Kernfusion - eine neue Form der Energiegewinnung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19550

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