Stärkung von Selbstverantwortung bei straffälligen Jugendlichen


Diplomarbeit, 2003

121 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Gliederung

0. Einleitung

1. Selbstverantwortung
1.1 Selbstverwirklichung
1.1.1 Selbstverwirklichung nach Maslow
1.1.2 Selbstverwirklichungstendenz nach Rogers
1.1.3 Selbstverwirklichung nach Frankl
1.1.4 Ein Vergleich
1.2 Verantwortung
1.3 Selbstverantwortung
1.3.1 Ein Klärungsversuch
1.3.2 Die Handlungsebene

2. Das Jugendalter
2.1 Die Entwicklungsaufgabe der Identitätsausbildung
2.2 Identitätsdiffusion
2.3 Gesellschaftliche Entwicklungen
2.4 Wertvorstellungen der Jugendlichen
2.5 Identitätsentwicklung und Stärkung von Selbstverantwortung (1. Hypothese)

3. Delinquenz
3.1 Begriffsklärung
3.2 Erklärungsansätze zu den Ursachen von Delinquenz
3.2.1 Psychologische Theorien
3.2.1.1 Der entwicklungspsychologische Ansatz
3.2.1.2 Der psychoanalytische Ansatz
3.2.1.3 Der humanistisch-psychologische Ansatz
3.2.1.4 Der lerntheoretische Ansatz
3.2.2 Soziologische Theorien
3.2.2.1 Mertons Anomietheorie
3.2.2.2 Labeling Approach
3.2.3 Existenzanalyse
3.3 Aussagen über Jugendkriminalität in der Polizeilichen Kriminalstatistik
3.4 Erscheinungsformen von Delinquenz
3.4.1 Episode und Doppelleben
3.4.2 Mehrfach- und Intensivtäter
3.5 Kriminalität als soziales Problem der Sozialarbeit
3.6 Kriminalität und Stärkung von Selbstverantwortung (2. Hypothese)

4. Handlungsstrategien
4.1 Der Klientenzentrierte Ansatz von Rogers
4.2 Die Logotherapie
4.3 Die moralische Erziehung
4.4 Die Provokative Therapie
4.5 Das Empowerment

5. Die Jugendgerichtshilfe
5.1 Gesetzliche Verankerung und allgemeine Aufgaben
5.2 Umsetzbarkeit der Stärkung von Selbstverantwortung
5.2.1 Hindernisse
5.2.2 Blickrichtung Aufgabenfeld
5.2.2.1 Die Situationsanalyse
5.2.2.2 Ambulante Maßnahmen
5.2.2.3 Verfahrensverhindernde Maßnahmen
5.2.3 Messbarkeit der Stärkung von Selbstverantwortung
5.2.4 Zusammenfassende Gedanken (3.Hypothese)

6. Ergebnisse

7. Literatur

Anhang (Interview)

0. Einleitung

Kern der vorliegenden Diplomarbeit ist das Stärken von Selbstverantwortung bei straffälligen Jugendlichen. Dieses Thema wurde von der Verfasserin gewählt, um ein tieferes Verständnis des Selbsthilfegedankens zu erlangen.

Die Hilfe zur Selbsthilfe stellt innerhalb der Sozialen Arbeit ein großes Leitprinzip dar. Es zielt darauf ab, „eigene Probleme aus eigener Kraft und gemeinsame Probleme mit gemeinsamer Anstrengung zu bearbeiten [und gilt, d.Verf.] als bewusstes Gegenkonzept zu bürokratisch oder professionell organisierter ‚Fremdhilfe’“.[1] Daran knüpft sich auch das Subsidiaritätsprinzip an, das unter Berücksichtigung der möglichst weitgehenden persönlichen Entfaltung des Menschen, seiner individuellen Würde, seines individuellen Lebensentwurfs und seiner Bindung an die Gesellschaft, die Verantwortung für Hilfeleistungen der personnäheren Instanz zuspricht.[2] Aufgaben, die z.B. von der Person selbst, ihrem Umfeld oder kleineren Vereinen übernommen werden können, werden je nach Personennähe an diese übertragen. Wenn kleinere Einheiten zur Verfügung stehen, sollen übergeordnete Instanzen von der Hilfeleistung absehen. Es findet unter anderem im § 4 des KJHG seinen Niederschlag.

Durch die Stärkung von Selbstverantwortung soll die Verantwortung für die Person der personennahesten Instanz, nämlich ihr selbst übertragen werden. Sie soll befähigt werden die Verantwortung für sich selbst zu übernehmen, d.h. auch von Hilfestellungen unabhängig zu werden.

Es ist innerhalb der Sozialen Arbeit wesentlich die Eigenverantwortlichkeit zu fokussieren. Nicht, wie es im Gegensatz dazu in der griechischen Mythologie über Prokrustes geschrieben wurde, der Wanderern Schlafstellen gab, die er bei großer Körpergröße in ein zu kleines Bett zwang, indem er ihnen die Gliedmaßen abhackte, oder sie bei geringer Länge solange streckte bis sie in ein großes Bett passten.[3] Den Menschen in eine Zwangslage zu versetzen oder in ein Schema zu pressen, würde bedeuten ihn seiner Selbstverantwortung zu berauben.

Die Verfasserin macht sich mit dieser Arbeit auf die Suche nach Handlungsstrategien, die in Abkehr von Zwangausübung Selbstverantwortung stärken.

Ein Tätigwerden des Sozialarbeiters, das sich an den Prinzipien der Selbst-verantwortung orientiert, setzt voraus, dass er den Menschen grundsätzlich als freies, autonomes und selbstentscheidendes Wesen versteht.

Dafür bedarf es der Auseinandersetzung mit der Person, ihrem Selbstverständnis, ihren Bedürfnissen, ihren Zielen und ihrem Lebenssinn. Aus diesem Grund nimmt das Thema Selbstverwirklichung einen großen Raum bei der Auseinandersetzung mit dem Begriff der Selbstverantwortung ein, auf den im ersten Kapitel näher eingegangen wird.

Das Selbsthilfeprinzip stellt ein allgemein übergreifendes Prinzip innerhalb der Sozialen Arbeit dar. Auf dieser Grundlage kommt die Verfasserin zu der Annahme, dass es sich auch in sämtlichen Bereichen der Sozialen Arbeit umsetzen lässt. Um die Umsetzbarkeit exemplarisch zu prüfen, beschäftigt sich diese Arbeit mit dem Bereich der Straffälligenhilfe in Form der Jugendgerichtshilfe. Die Verfasserin geht hierbei von folgenden Kernhypothesen aus:

1. Durch das Stärken von Selbstverantwortung kann der Jugendliche dazu befähigt werden, seine Entwicklungsaufgaben besser zu bewältigen.
2. Das Stärken von Selbstverantwortung ist ein lohnender Weg, Delinquenz entgegen zu wirken.
3. Das Prinzip der Selbstverantwortlichkeit kann in dem Bereich der Jugendgerichtshilfe umgesetzt werden.

Jeder Hypothese ist ein Kapitel gewidmet: So beschäftigt sich das zweite Kapitel mit dem Jugendalter, das dritte mit der Delinquenz und das fünfte mit der Jugendgerichtshilfe. Das vierte Kapitel hat übergreifenden Charakter. Dort kommt es zu einer Auseinandersetzung mit den verschiedenen Handlungsstrategien.

Die Arbeit stützt sich, unter Ausnahme des fünften Kapitels, ausschließlich auf Literaturrecherchen. Im Kapitel zur Jugendgerichtshilfe zog die Verfasserin ihre Informationen neben der Literatur auch aus den persönlichen Erfahrungen, die sie während eines Praktikums in der JGH Siegen gesammelt hat und aus einem Interview, das sie mit einem Mitarbeiter dort geführt hat. Dieses Interview ist im Anhang angeführt.

Mit dieser Gliederung entschied sich die Verfasserin für eine allgemeinere Darstellung des Themas Selbstverantwortung. Sie wählte diesen Zugang um eine grundlegende Transparenz der Zusammenhänge zu erreichen, und um bei ihrer späteren Arbeit ein möglichst breitgefächertes Handlungsrepertoire zur Verfügung zu haben.

In Bezug auf die Personenbezeichnungen verwendet die Verfasserin generell die männlichen Formen, da sie eine Vereinfachung der Arbeitweise ermöglichen. Wenn z.B. vom Sozialarbeiter gesprochen wird, dann schließt die Verfasserin hier die Sozialarbeiterinnen mit ein. Diese Vorgehensweise hat keine diskriminierende Einstellung zum Hintergrund.

1. Selbstverantwortung

Um zu einer Definition von Selbstverantwortung zu gelangen, wird sich die Verfasserin in diesem Kapitel mit verschiedenen Ansichten zur Selbstverwirklichung und dem Begriff der Verantwortung auseinandersetzen. Sie kommt auf diese Unterteilung aufgrund der wörtlichen Zusammensetzung des Begriffs Selbstverantwortung. Anstelle des „Selbst“ knüpft sie an den Begriff der Selbstverwirklichung an, da er einen Prozess beschreibt. Denn Stärkung von Selbstverantwortung bezieht sich auf einen Entwicklungsprozess.

1.1 Selbstverwirklichung

Anhand dieses Abschnitts soll der Begriff der Selbstverwirklichung eine inhaltliche Deutung erfahren.

Es handelt sich hierbei um einen Prozess des Werdens, bei dem das Individuum im Zentrum der Betrachtungen steht. Die nachstehenden Ansätze thematisieren einerseits, dass im Menschen vorhandene Potentiale zur Entfaltung kommen, wobei das Selbst den Grund und das Ziel einer Reifung und Differenzierung der Persönlichkeit darstellt,[4] und andererseits der Mensch nach persönlicher Sinnerfüllung und Wertverwirklichung strebt. Sie geben Aufschluss darüber, was den Menschen antreibt und erfüllt.

Die Verfasserin nimmt hier gleich zu Beginn eine Abgrenzung vor. Die Selbstverwirklichung soll keinem einseitigen Verständnis zum Opfer fallen. Umgangssprachlich wird der Begriff häufig im Sinne der Durchsetzung eines subjektiven Anspruchs und mit der Betonung auf die eigenen Rechte benutzt. Er bezeichnet hier keine Aufforderung zur Zentrierung der Wirklichkeitsbezüge auf die eigene Person[5] und soll damit nicht als Legitimationsgrundlage für die bloße Befriedigung der individuellen Bedürfnisse in einem egoistischen Sinn verstanden werden.

Vielmehr wird dem persönlichen Wachstum, Zielen und Selbstverständnis im allgemeinen Beachtung geschenkt. Es geht hier grundlegend um die Auffächerung des Prozesses um das Selbstsein und das Wirklichwerden der menschlichen Persönlichkeit.

Die im Folgenden beschriebenen Ansätze von Abraham Maslow und Carl Rogers sind der humanistischen Psychologie zuzuordnen, die sich vor allem durch drei Merkmale auszeichnet. Sie hebt das individuelle Wachstum hervor, orientiert sich beim Studium der Persönlichkeit am unanalysierten Erleben[6] und löst den Menschen aus seinen determinierenden Strukturen heraus. Letzteres lässt mehrere Sachverhalte offen, denn wichtige Fragen, z.B. die der Sozialisation, werden von der humanistischen Psychologie nicht zum Gegenstand ihrer Forschung gemacht. Es wird sich mit dem Wirken der Umwelt auf die Person nicht näher auseinandergesetzt.

Einen engeren Zusammenhang zwischen Umwelt und Individuum schafft Victor Frankl, der den Prozess der Sinnerfüllung näher beleuchtet. In seinem Ansatz beschreibt er, dass der Sinn auf der Grundlage des Erlebens gefunden wird. Die Verfasserin behandelt einige seiner Gedanken im Anschluss an Maslow und Rogers.

Zu diesen drei Ansätzen bleibt noch zu bemerken, dass keiner von ihnen wissenschaftlich ausreichend fundiert ist und sie deshalb unter dem Status des hypothetischen Konstrukts zu werten sind. Sie versprechen jedoch aus rein praktischer Sicht einen großen Gewinn für die allgemeine Behandlung des Oberthemas.

1.1.1 Selbstverwirklichung nach Maslow

Maslow entwickelte ein Modell, das den Menschen als Befriediger seiner Grundbedürfnisse ansieht.

Diese Bedürfnisse sind angeboren und bilden die Basis des spezifisch Menschlichen.

Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung stellt die Spitze seiner fünf-stufigen Bedürfnishierarchie dar und es entfaltet erst seine volle Anziehungskraft, wenn zuvor die niederen Grundbedürfnisse erfüllt sind.

Letztere sind, geordnet nach ihrer Vormächtigkeit, die physiologischen Grund-bedürfnisse, die Sicherheitsbedürfnisse, die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe sowie die Bedürfnisse nach Achtung.

Abbildung 1: Bedürfnishierarchie nach Maslow[7]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Bedürfnisniveaus werden nacheinander durchlaufen. Mit der relativen Befriedigung des vorherigen Niveaus wird das darauffolgende relevant. Allerdings sind die einzelnen Bedürfnisse nicht strikt voneinander getrennt zu betrachten. Es gibt keine Brüche in deren Abfolge. Vielmehr kommt es allmählich zu einer Dominanzverlagerung von den niedrigen zu den höheren Bedürfnissen.

Unter dem Begriff der physiologischen Grundbedürfnisse sind alle Bedürfnisse zusammengefasst, die die Lebensvorgänge des Organismus betreffen. Anzuführen sind hier stellvertretend der Nahrungstrieb, das Schlafbedürfnis oder das Sexualverlangen.

Die physiologischen Bedürfnisse sind die mächtigsten unter allen Grundbedürfnissen, d.h. solange diese nicht befriedigt sind, konzentriert sich der gesamte Organismus auf deren Erfüllung. In diesem Sinne wird fast das gesamte Bewusstsein von der Bedürfnisbefriedigung beherrscht. Alle zur Verfügung stehenden Fähigkeiten werden für diesen Zweck in Anspruch genommen. Die Entwicklung kann bis hin zur Änderung der Zukunftsphilosophie gehen, d.h. z.B., dass die zukünftigen Ziele der Person, darauf ausgerichtet sein können, immer genug Essen zu haben.

Sobald die physiologischen Grundbedürfnisse weitestgehend befriedigt sind, treten die Bedürfnisse nach Sicherheit in den Vordergrund. Diese sind gekennzeichnet durch das Streben nach Stabilität, Schutz und Ordnung. Menschen suchen z.B. Struktur in einer Situation des sozialen Chaos, bevorzugen familiäre Geborgenheit oder orientieren sich stark an Religion, Wissenschaft und Philosophie. Auf diesem Niveau kann die Bedürfnisbefriedigung mit einer ähnlich totalen Inanspruchnahme des Organismus einhergehen, wie es bei den physiologischen Grund-bedürfnissen der Fall ist, doch verliert es an Mächtigkeit. Der Grad der Dringlichkeit nimmt mit der Höhe des Bedürfnisniveaus ab.

Die Bedürfnisse nach Zugehörigkeit und Liebe schließen sich an das zweite Niveau an. Diese Bedürfnisgruppe ist durch die besondere Wertschätzung der Beziehungen zur Familie, zu Freunden oder zu anderen Gruppen geprägt. Maslow führt in diesem Zusammenhang eine Überlegung zur Jugendrevolte an: „Ich habe ganz stark den Eindruck, dass auch ein Teil der jugendlichen Revolte – ich weiß nicht wie groß er ist – vom profunden Hunger nach Gruppenkontakt, nach wirklichem Zusammensein angesichts eines gemeinsamen Feindes motiviert wird, irgendeines [Hervorh., A.M.] Feindes, der allein dadurch, dass er eine Bedrohung von außen darstellt, zur Bildung einer Freundesgruppe führen kann“.[8]

Die letzte Stufe vor den Bedürfnissen nach Selbstverwirklichung nehmen die Bedürfnisse nach Achtung ein. Die Wertschätzung der Person wird favorisiert. Das Bedürfnis äußert sich auf zweierlei Ebenen. Zum einen ist es verbunden mit der eigenen Wertschätzung, im Sinne von Selbstachtung, Kompetenz und Selbstvertrauen. Auf der anderen Seite bezieht es sich auf die Anerkennung durch die Umwelt und drückt sich hier im Prestige, der entgegengebrachten Aufmerksamkeit und dem Status aus.

Das Durchlaufen der ersten vier Grundbedürfnisstufen stellt eine Voraussetzung zum Erreichen des Selbstverwirklichungsniveaus dar und jedes einzelne absolvierte Niveau kann als Tendenz hin zu mehr Selbstverwirklichung gedeutet werden.

Die ersten vier Grundbedürfnisse unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Motivation von dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung. Während die Grundbedürfnisse des ersten bis vierten Niveaus auf einer Mangelmotivation beruhen, d.h. die Blickrichtung auf den Ausgleich der Defizite gelegt wird, kommt es beim fünften Niveau zum Ausbau einer Wachstumsmotivation. Erstere erfahren mit der Zeit eine Abschwächung, das Letzte beinhaltet eine fortdauernde Entwicklung.

Was versteht Maslow unter dem Bedürfnis nach Selbstverwirklichung?

Er prägt an dieser Stelle den Satz: „Was ein Mensch sein kann, muss [Hervorh., A.M.] er sein“.[9] Mit diesem Satz wird ein Imperativ formuliert, der hervorhebt, dass der Mensch dem Bedürfnis folgt seine ihm innewohnenden Potentiale auszubilden. Der Schwerpunkt befindet sich auf einem in der Person angelegten Eigenstand.

Ein Mensch, der sich auf diesem Bedürfnisniveau befindet, ist demnach kaum durch die Umwelt motivierbar. Je mehr er zu dem wird, was er ist, desto unabhängiger wird seine Motivation von ihr.

Der Mensch auf diesem Bedürfnisniveau bewältigt nicht mehr in dem Ausmaß, wie es bei den ersten vier Niveaus der Fall ist, da er weniger Mängel auszugleichen versucht, die mit Ängsten und dem Gefühl der Bedrohung einhergehen können. Sein Bewusstsein wird zu einem geringeren Grad durch das Erreichen von festen Zielen bestimmt. Auf ihm unbekannte, unvertraute Situationen reagiert er stärker mit Offenheit und Spontaneität als Menschen, die dieses Niveau noch nicht erreicht haben. Hierzu ein Zitat: „Selbstverwirklichung, zur vollen Entwicklung und Verwirklichung aller Möglichkeiten des Organismus zu gelangen, ist mehr dem Wachstum und dem Reifen verwandt als der Formation von Gewohnheiten oder der Assoziation durch Belohnung, dass heißt, sie wird nicht von außen erworben, sondern ist eine Erfahrung von innen, dessen was in einem subtilen Sinn bereits da ist. Spontaneität auf dem selbstverwirklichenden Niveau – gesund und natürlich sein – ist unmotiviert; tatsächlich geht es um das Gegenteil von Motivation“.[10]

Tendenziell wirkt sich die Offenheit auch auf das Denken und die Wahrnehmung aus. Menschen auf dem fünften Bedürfnisniveau sind in ihrer Wahrnehmung weniger zweckgerichtet und neigen weniger zum Katalogisieren.

Auf dem selbstverwirklichenden Niveau erhält das Verhältnis zwischen Individuum und Umwelt eine neue Bedeutung. Die Umwelt wird hier als Fundament für selbstbestimmtes, autonomes Wirken gesehen. Der Mensch entfaltet sich auf dieser Grundlage und erfährt sich weniger determiniert, als es bei den vorherigen Niveaus der Fall ist. Hier ist jedoch anzumerken, dass es sich bei der Einstellung zur Umwelt keinesfalls um eine narzisstische, ausbeuterische handeln kann. Denn Maslow beschreibt „die selbstverwirklichenden Menschen“ als solche, die ihre Befriedigung nicht aus den sozialen sondern aus intra-individuellen Quellen ziehen.[11] Sie sind unabhängig von Belohnungen, Prestige und Status bzw. sie sind diesen Bedürfnissen schon auf den vorhergehenden Niveaus nachgekommen.

Nach der allgemeinen Beschreibung zur Entwicklung und Qualität des Selbstverwirklichungsbedürfnisses wird nun kurz auf die Möglichkeiten der Stärkung dieses Bedürfnisses hingewiesen.

Maslow geht davon aus, dass jedem Menschen das Bestreben zur Selbstaktualisierung gegeben ist. Jedoch ist es schwach und seine Förderung bedarf besonderer Bedingungen. Die Schaffung eines Raumes des Erlaubens und der Wahlfreiheit wird eine Entwicklung hin zur Selbstverwirklichung unterstützen. Eine gute Umwelt ist in diesem Sinne, eine, die alle notwendigen Rohmaterialien anbietet und dann zur Seite tritt und das freie Wählen ermöglicht.[12] Ein Prozess des Lernens sollte von Spontaneität und Kreativität gekennzeichnet sein.

Hier ist in Bezug zur Kindererziehung anzumerken, dass dies nicht zu verwechseln ist mit einem laissez-fairen Erziehungsstil. Kinder benötigen ein gewisses Maß an Ordnung, welches sich bei Maslow unter anderem in dem Bedürfnis nach Sicherheit ausdrückt.

Eine ideale und physische Umwelt ist, bezogen auf die Gesamtheit aller menschlichen Grundbedürfnisse, eine, die das jeweils dominante Bedürfnis an seinem Höhepunkt befriedigen kann.[13]

Zusammenfassende Gedanken zum Bedürfnis nach Selbstverwirklichung:

- Es speist sich aus der spezifisch menschlichen, inneren Tendenz zur Selbstaktualisierung.
- Es bildet die Spitze von Maslows Bedürfnishierarchie und gelangt zur vollen Entfaltung, wenn die vorherigen Bedürfnisse hinreichend befriedigt sind.
- Das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung ist im Sinne einer Wachstumsmotivation nicht als Mangelmotivation, die auf Bewältigung abzielt, zu verstehen.
- Je weiter die Selbstverwirklichung voranschreitet, desto unabhängiger wird das Individuum von sozialer Befriedigung durch die Umwelt und desto stärker erhält es Befriedigung aus intra-individuellen Quellen.
- Die Stärkung der Selbstverwirklichung wird durch einen Raum des Erlaubens, Wahlfreiheit, Spontaneität und Kreativität ermöglicht.
- Eine Umwelt sollte möglichst so beschaffen sein, dass sie die Befriedigung der einzelnen Bedürfnisse an ihren Höhepunkten ermöglicht und dadurch die Voraussetzungen für Entfaltung auf dem Selbstverwirklichungsniveau stellt.

1.1.2 Selbstverwirklichungstendenz nach Rogers

Die Annahme Maslows, dass es ein spezifisch menschliches Bedürfnis zur Selbstverwirklichung gibt, ist auch in den Schriften von Rogers anzutreffen, allerdings auf der Grundlage eines ausgeweiteteren Blickwinkels.

Rogers bettet seine Tendenz in einen größeren Zusammenhang. Er bezieht seine Philosophie auf das gesamte Universum, indem er an evolutionären Prozessen beschreibt, dass sich alle Organismen aber auch alle nicht lebenden Dinge zu komplexeren Formen entwickeln. An dieser Stelle führt er den Begriff der formativen Tendenz an.

Der Begriff der Selbstverwirklichungstendenz beschreibt inhaltlich das Gleiche wie die formative Tendenz, beschränkt sich jedoch auf Betrachtungen, die sich auf das organische Leben beziehen.

In der Genetik der Organismen ist eine Vielfalt von Regeln festgelegt, die die Interaktionen zwischen sich teilenden Zellen bestimmen. Für das Wachstum und Reifen sind jedoch weitere Informationen notwendig. Diese Informationen entstehen im Verlauf des Entwicklungsprozesses von selbst. Demnach sind Organismen nur zum Teil ein Produkt ihrer genetischen Gegebenheiten. Sie entwickeln sich auf originale, jedoch nicht im Voraus festgelegte Weise. Mit diesem Verständnis wird abweichend von linearen Ursache-/ Wirkungsverhältnissen auf wechselseitige Ursache-Wirkungs-Interaktionen geschlossen.[14]

Von Rogers wird ein weiterer wichtiger Aspekt vertieft. In der Evolution gibt es das Bestreben hin zu höherer Ordnung und größerer Komplexität[15]. Mit zunehmender Vielschichtigkeit und Komplexität eines offenen Systems wird auch dessen Energiehaushalt zunehmend beansprucht. Folglich entstehen Schwankungen und Störungen innerhalb des Systems. Sie bilden die Basis für Veränderung. Das vermehrte Auftreten dieser Fluktuationen und das sich dadurch verstärkende System bewirken den Übergang zu anderen Zuständen, die noch komplexer, geordneter und kohärenter sind als es der vorherige war.

Anhand dieser Überlegungen definiert Rogers den Begriff der formativen Tendenz als eine „evolutionäre Tendenz hin zu größerer Ordnung, größerer Komplexität und stärkerer Wechselbeziehung“.[16] Sie wirkt im gesamten Universum und kann im interstellaren Raum, bei den Kristallen, bei den Mikroorganismen, beim komplexeren organischen Leben und auch beim Menschen beobachtet und nachgewiesen werden.[17] Von ihr geht nicht nur das Bemühen um Erhaltung, sondern auch das Streben nach Weiterentwicklung aus.

Die Wirkung der formativen Tendenz, der Selbstverwirklichungstendenz, ist beim Menschen zum einen anhand der Entstehung aus einer befruchteten Eizelle erkennbar, sie lässt sich zudem auch aus seinem Bewusstsein schließen, denn hier ist eine gestalterische Kraft zugegen, die unsere Aufmerksamkeit steuern kann und uns unter Optionen wählen lässt. Das Bewusstsein birgt die Fähigkeit zum Gewahrsein, die den Menschen sich seiner selbst bewusst werden lässt. An diesem Punkt knüpft die Psychoanalyse an, denn sie hat den Fokus darauf gerichtet, die Selbstbewusstheit zu erhöhen. Je mehr sich ein Mensch seiner selbst gewahr ist, desto aufgeklärter ist seine Wahl und desto harmonischer ist seine Übereinstimmung mit dem Evolutionsstrom.[18]

Ausdruck findet die formative Tendenz auch und vor allem beim Verlassen der Bewusstseinsebene und in der Fähigkeit des Menschen, sich selbst zu transzendieren. Rogers beschreibt dieses Erlebnis wie folgt: „Ich stelle fest, dass von allem was ich tue, eine heilende Wirkung auszugehen scheint, wenn ich meinem inneren, intuitiven Selbst am nächsten bin, wenn ich gewissermaßen mit dem Unbekannten in mir in Kontakt bin, wenn ich mich vielleicht in einem etwas veränderten Bewusstseinszustand befinde (…) ich verhalte mich auf eine Weise, die (…) nichts mit meinen Denkprozessen zu tun hat (…) als habe meine Seele Fühler ausgestreckt und die Seele des anderen berührt. Unsere Beziehung transzendiert sich selbst und wird Teil von etwas Größerem. Starke Wachstums- und Heilungskräfte und große Energien sind vorhanden“.[19]

Ein Charakteristikum dieser Tendenz ist ihre Konstruktivität, denn ein gesunder Mensch wird sich nicht dazu veranlasst fühlen alle Potentiale zu entwickeln. Ein Gegenbeispiel wäre hier die Möglichkeit der Selbstzerstörung.

Die Selbstverwirklichungstendenz stellt die Basis des Personenzentrierten Ansatzes von Rogers. Inhalt dieses Ansatzes ist es, ein Klima, ein „psychologisches Fruchtwasser“[20] zu schaffen, das die konstruktiven Wachstumspotentiale, die dem Menschen inhärent sind, freisetzt. Sein personenzentrierter Ansatz wird durch bestimmte Einstellungs-merkmale charakterisiert, auf die im Verlauf noch eingegangen wird.

Zusammenfassende Gesichtspunkte der Selbstverwirklichungstendenz:

- Die Selbstverwirklichungstendenz ist eine konstruktive Tendenz, die darauf drängt, die den Organismen innewohnenden Potentiale zu entwickeln.
- Sie wird von Rogers in den größeren Zusammenhang der formativen Tendenz gestellt. Die formative Tendenz bezieht sich auf das gesamte Universum. Sie ist eine evolutionäre Tendenz hin zu größerer Ordnung, größerer Komplexität und stärkerer Wechselbeziehung.
- Sie wird beim Menschen unter anderem an seiner Entwicklung aus der Eizelle, an seinem Bewusstsein und der Möglichkeit zur Selbsttranszendenz sichtbar.
- Die Selbstverwirklichungstendenz bildet den Grundstein des Personenzentrierten Ansatzes von Rogers, der darauf angelegt ist eine Wachstumsatmosphäre zu schaffen.

1.1.3 Selbstverwirklichung nach Frankl

Während Ansätze von Maslow und Rogers die Selbstverwirklichung auf eine innere Tendenz zum Wachstum, d.h. sich auf einen in der Person angelegten Eigenstand beziehen, wird die Selbstverwirklichung nach Frankl anhand von Gegenständen vollzogen, die sich draußen in der Welt befinden. Ein Subjekt bezieht sich immer auch auf Objekte. In dem Moment wo der Mensch dieser Objekte beraubt wird, verliert er seine Bezugspunkte. Sein Verhalten würde damit grundlos und daher un-menschlich.[21]

„Menschliches Verhalten ist eigentlich nur in dem Maße wirklich menschlich, in dem es sich letzten Endes um ein In-die-Welt-hinein-Agieren handelt, und das Agieren lässt sich wieder auf ein Von-der-Welt-her-motiviert-Werden zurückführen“.[22]

Frankl ist ein Verfechter des Sinns. Er vertritt die Auffassung, dass jedes Leben einen Sinn hat. Der Mensch ist vom „Willen zum Sinn“ beseelt. Dieser Wille ist primär und lässt sich nicht, wie es Maslow vollzieht, auf der Basis von anderen Bedürfnissen herleiten. Selbstverwirklichung kann hierbei mit der Wirkung der Sinnerfüllung gleichgesetzt werden.

Frankl unterscheidet mehrere Formen der Sinnerfüllung. Sinn findet der Mensch, indem er ein Werk schafft und durch die Hingabe an andere Menschen, indem man sie liebt. Es lässt sich auch im Leiden ein Sinn finden. Hier erhält der Mensch die Möglichkeit, sein Leiden in einen persönlichen Triumph zu verwandeln.

Durch sein Wirken verändert der Mensch die Wirklichkeit. Es können an dieser Stelle zwei Unterscheidungen vorgenommen werden. Zum einen betrifft es die Situation selbst, die variiert wird, auf der anderen Seite verändert sich der Mensch auch selbst und letzteres vor allem, wenn er die Situation nicht ändern kann, wie es z.B. beim Leiden der Fall ist.

Jede Sinnmöglichkeit ist einmalig und einzigartig.

Mit der Einmaligkeit wird gleichzeitig die Vergänglichkeit thematisiert. Durch die Verwirklichung einer Möglichkeit kann sie von ihrer Vergänglichkeit befreit werden, denn sie wird durch das Wahrnehmen Teil der vergangenen Wirklichkeit. Frankl beschreibt es wie folgt: „Wenn wir sie [die Sinnmöglichkeit, d.Verf.] aber einmal verwirklicht haben, dann haben wir sie ein für allemal verwirklicht. Dann haben wir die Wirklichkeit, zu der wir eine Möglichkeit gemacht haben, hineingerettet ins Vergangensein. Denn im Vergangensein ist sie aufbewahrt. Dort ist sie vor der Vergänglichkeit bewahrt“.[23]

Die Eigenschaft der Einzigartigkeit einer Sinnmöglichkeit ist verbunden mit dem Aspekt, dass sie nicht tradierbar ist. Sie ist auch durch Traditionen nicht veränderbar. Werte stehen im Gegensatz dazu in einer engen Beziehung zur Tradition. Wenn es zu einem Traditionsverlust käme und mit ihm die Werte verschwänden, würden sich dennoch Sinnmöglichkeiten eröffnen.

Jederzeit wird der Mensch vor neue Aufgaben gestellt, jeder Tag stellt einen neuen Sinn bereit und der Mensch wird von ihm persönlich herausgefordert.

Die Einzigartigkeit der Sinnmöglichkeit zeigt sich darin, dass sie ständig neu, personenbezogen und von ihrem Wesen her nicht überlieferbar ist.

Die Sinnfindung geschieht wie oben beschrieben auf der Basis der Wirklichkeit. So wohnt jeder Situation ein Aufforderungscharakter inne. Eine Steuerungsfunktion kommt bei der Sinnfindung dem Gewissen zu. Frankl bezeichnet es als das Sinnorgan. Es weist auf den Sinn hin, den eine Situation bereithält und kontrolliert die Auswahl der Mittel, durch die der Mensch sein Ziel zu erreichen versucht. Bei letzterer Funktion hat das Gewissen das Vorrecht des Vetos.

Der Mensch hat zwei wesentliche Eigenschaften, die im engen Zusammenhang zur Sinnerfüllung stehen. Er kann sich selbst distanzieren, d.h. er kann über sich selbst lächeln, und er hat die Fähigkeit zur Selbsttranszendenz. „Menschliches Dasein weist immer über sich selbst hinaus“.[24] Der Mensch blickt weniger auf sich, sondern vielmehr auf einen Sinn, der ihm Erfüllung zukommen lässt.

Selbsttranszendenz und Selbstverwirklichung, die das Erleben von Sinnerfüllung beschreiben, stehen in einem Abhängigkeitsverhältnis. Hierzu ein Zitat: „Sich selbst zu verwirklichen, kann der Mensch (..) nur in dem Maße, in dem er sich selbst vergisst, in dem er, wie das Auge sich selbst übersieht. Mit einem Wort, die heute so vielzitierte Selbstverwirklichung ist nur zu haben um den Preis von Selbst-Transzendenz“.[25]

Frankl stellt den „Willen zum Sinn“ des Menschen in Beziehung zu einem Übersinn, der sich auf einer anderen Dimension befinden muss. Er kommt zu dieser Schlussfolgerung aufgrund der unerklärlichen Entstehung des Strebens nach Sinn. Es muss einen höheren Sinn dafür geben, dass der Mensch überhaupt nach Sinn strebt. Die Dimension des Übersinns lässt sich jedoch nicht wissenschaftlich erforschen, da sie außerhalb des menschlich Begreifbaren liegt.

Nach Frankl ist die Auseinandersetzung mit dem Thema Sinn z.B. für die Arbeit von Psychiatern von wachsender Bedeutung. Die Patienten erfahren zunehmend eine Bedrohung durch Sinnlosigkeitsgefühle, angezeigt durch ansteigende Jugend-kriminalität, verbreitete Drogenabhängigkeit und die sich häufende Fälle von Selbstmord.[26]

Eine wesentliche Rolle kommt hierbei dem Reduktionismus zu, der die Definition des Menschen vereinfacht, indem er dessen den Willen zum Sinn übergeht[27]. Der Reduktionismus drückt sich durch eine „nichts als“[28] Redewendung aus. Frankl führt hier ein Erlebnis an, das er als Schüler mit einem seiner Lehrer hatte. Der Lehrer beschrieb das Leben als nichts anderes als einen Verbrennungsprozess. Woraufhin Frankl die Frage stellte, welchen Sinn das ganze Leben überhaupt habe.[29]

Der Reduktionismus kann demnach das Sinnlosigkeitsgefühl verstärken.

Auf der Basis seiner Überlegungen entwickelte Frankl die Logotherapie, die sich mit dem „Willen zum Sinn“ befasst und auch durch den Glauben an einen Übersinn gekennzeichnet ist.

Zusammenfassende Gedanken zur Selbstverwirklichung nach Frankl:

- Selbstverwirklichung beschreibt die Wirkung bzw. das Erleben von Sinnerfüllung.
- Sie geschieht auf der Basis von Selbstdistanzierung und Selbsttranszendenz, in der Form, dass der Mensch sich selbst übersieht und sich an einem Sinn orientiert.
- Der Mensch ist beseelt vom „Willen zum Sinn“.
- Dieser Sinn lässt sich durch die Schaffung eines Werks und durch das Erleben anderer Personen, d.h. in der Liebe, aber auch im Leiden finden.
- Die Sinnfindung geschieht anhand der Wirklichkeit. Es ist ein Prozess, der von außen motiviert wird. Jeder Situation steckt ein Aufforderungscharakter inne.
- Die Sinnmöglichkeiten sind einmalig und einzigartig. Die Einmaligkeit verweist auf Vergänglichkeit. Sie kann aufgehoben werden, indem die Sinnmöglichkeit verwirklicht und damit ins Vergangensein hineingerettet wird. Die Einzigartigkeit zeigt sich darin, dass die Sinnmöglichkeit vom Wesen her nicht überlieferbar, ständig neu und personenbezogen ist.
- Der „Wille zum Sinn“ wird auf einen Übersinn zurückgeführt, denn das Streben nach Sinn muss selbst auch einen Sinn haben. Der Übersinn liegt auf einer Dimension, die wissenschaftlich nicht erforscht werden kann.
- Das Sinnlosigkeitsgefühl, welches momentan vermehrt anzutreffen ist, kann durch den Reduktionismus verstärkt werden. Eines seiner Anzeichen ist die Redewendung „nichts als“.
- Frankl ist der Begründer der Logotherapie, die sich mit dem menschlichen “Willen zum Sinn“ und dem Glauben an einen Übersinn befasst.

1.1.4 Ein Vergleich

Unabhängig davon, auf welcher Grundlage der Mensch sich selbst zu verwirklichen sucht, Selbstverwirklichung geschieht immer auf der Basis der Umwelt - nach dem Verständnis der humanistischen Psychologie, in dem Sinne, dass die Quelle des Selbstwerdens im Menschen liegt oder, wie es Frankl hervorhebt, dass der Mensch sich durch und an der Umwelt verwirklicht - Selbstverwirklichung wäre absurd, wenn nicht ein Bezugsfeld vorhanden wäre, das sie ermöglicht.

Maslows Bedürfnisse, vor allem die nach Annerkennung und Liebe können nicht ohne die Umwelt befriedigt werden und diese stellen die Voraussetzungen zum Erreichen des Selbstverwirklichungsniveaus dar.

Indem Rogers beschreibt, dass zum Wachsen auch Informationen vorhanden sein müssen und dass Entwicklung auf wechselseitigen Wirkungszusammenhängen beruht, kann man ihm unterstellen, dass er die Umwelt immer auch im Blickfeld hat. Selbst wenn sich die Perspektiven von Maslow und Rogers ganz besonders auf den einzelnen Menschen konzentrieren, bestreiten sie nach Auffassung der Verfasserin keinesfalls die Wechselbeziehung mit der Umwelt.

Hinsichtlich des Ursprungs der Motivation und der Methoden zur Selbstverwirklichung unterscheiden sich die Ansätze der humanistischen Psychologie zweifelsohne von dem, den Frankl beschreibt. Während Maslow und Rogers die Entfaltung der dem Menschen innewohnenden Potentiale fokussieren, kommt Frankl zu dem Schluss, dass der Mensch durch Selbsttranszendenz zur Sinnerfüllung gelangt. Diese Selbsttranszendenz zeichne sich aber gerade dadurch aus, dass sich der Mensch durch eine Aufgabe selbst vergisst. Hier entsteht ein grundsätzlicher Widerspruch.

Die Verfasserin beschrieb in der Einleitung, dass sie nach Wegen sucht Zwangsausübung in der Sozialen Arbeit zu verhindern und die Eigenverantwortlichkeit der Person zu fördern. Wenn dies erreicht werden soll, muss sich der Sozialarbeiter auch an den Zielvorstellungen des Klienten orientieren. Die vorgestellten Theorien zur Selbstverwirklichung zeigen auf wonach Menschen im allgemeinen streben. Sie geben Auskunft über das Eigeninteresse der Person.

1.2 Verantwortung

Die vorangegangenen Deutungen zur Selbstverwirklichung bilden einen Grundstein für selbstverantwortliches Handeln.

Darauf aufbauend soll der Aspekt beleuchtet werden, dass jeder Mensch in Beziehung zu anderen Subjekten steht, für die er mitverantwortlich ist.

Es wird sich erst mit dem Begriff der Verantwortung näher auseinandergesetzt, um dann später zu einer Klärung des Begriffs der Selbstverantwortung zu gelangen.

Im Brockhaus wird der Begriff der Verantwortung „zur Bezeichnung einer selbst eingegangenen und von anderen zugewiesenen moralischen Verpflichtung zur gewissenhaften Pflichten- und Folgenabwägung in konflikthaften Entscheidungen“[30] definiert.

Hier wird eine moralische Komponente hervorgehoben. Sie ist von besonderer Bedeutung, da sich Menschen eine gemeinsame Sphäre teilen, durch die jeder auf den anderen angewiesen ist. Um das Verhältnis des Menschen zu seiner Umwelt näher zu bestimmen, wird nachstehend auf Gedanken von Martin Buber, Herbert Mead, Paul Watzlawick und Maslow Bezug genommen.

Buber befasste sich mit der Bezogenheit des Menschen. Er beschreibt, dass ein Individuum nicht allein existiert. „Es gibt kein Ich an sich, sondern nur das Ich des Grundwortes Ich – Du und das Ich des Grundwortes Ich – Es“.[31]

In der gemeinsamen Sphäre handelt jedes Subjekt entsprechend seiner Identität. Diese Identität versteht sich immer auch als eine soziale. Identität basiert auf sozialen Bezügen und zeichnet sich durch eine Ich-Stärke aus. Mead spricht bei der Identitätsentwicklung vom Symbolischen Interaktionismus, der besagt, dass sich das Selbst durch ein ständiges Ausbalancieren von Selbst- und Fremdbildern aufbaut. Die Interaktion mit der Umwelt stellt demnach eine Voraussetzung für das persönliche Wachstum und die Identitätsausbildung dar.

Die Wirklichkeit lässt sich für ein Individuum in Auseinandersetzung mit der Außenwelt erschließen. Dieser Transfer vollzieht sich auf der Grundlage der Kommunikation und lässt sich deshalb an ihr deutlich zeigen. Watzlawick entwickelte ein Axiom, das beschreibt, dass menschliche Kommunikation immer kreisförmig verläuft, d.h., dass jedes Verhalten innerhalb der Interaktion Ursache und Wirkung zugleich ist. Hier kommt die wechselseitige Bezogenheit von Mensch und Umwelt zum Ausdruck.

Auch Maslow führt an, dass menschliches Verhalten als eine Dreierkompromiss-formation von äußerer Situation, Kultur und Charakter zu werten ist.[32] In diesem Sinne ist für ihn das menschliche Verhalten, im Gegensatz zur Selbstverwirklichungs-motivation, durch die wechselseitigen Interaktionen mit der Umwelt mitbestimmt.

Durch das eben beschriebene Aufeinanderbezogensein ist der Mensch gezwungen, sich bei seinen Entscheidungen und Handlungen an der Gemeinschaft zu orientieren. Diese Gemeinschaft hält ein Regel- und Normengefüge bereit, welches die verschiedenen Ansprüche ordnet und damit jedem die größtmögliche Freiheit zukommen lässt. Zumindest ist dies der ideelle Grundgedanke hinter dem demokratischen Ordnungssystem. Es bleibt anzuzweifeln, ob solche Ordnungssysteme gleichzeitig in der Lage sind, Ungleichheit zu eliminieren, denn ein Regelgefüge sagt noch nichts aus über die Potentiale und Ressourcen des Einzelnen.

Festzuhalten bleibt hier, dass jedem eine Verantwortung für die Gemeinschaft zukommt, in der er lebt - vor allem um für sich Freiheit zu sichern.

Verantwortung trägt der Mensch jedoch auch für seine Lebensführung und seine persönliche Entwicklung.

Reinhard K. Sprengler beschäftigt sich mit dem Thema Verantwortung. Er unterscheidet die Rechenschafts- von der Aufgabenverantwortung.[33] Erstere deutet auf Haftung hin. Sie hält am Gefüge von Pflichterfüllung und –verletzung fest. Die Rechenschaftsverantwortung entsteht dabei aus den Zuschreibungen Dritter, d.h eine übergeordnete Instanz kontrolliert einen von ihr abhängigen Teil und sanktioniert Fehlverhalten.

Im Gegensatz dazu bezieht sich die Aufgabenverantwortung auf Ermessensspielräume eigener Entscheidungen: Sie bietet individuelle Entfaltungs- und Bewährungschancen.

Auch Frankl bringt die Aufgabenverantwortung zum Ausdruck. Er versteht Verantwortung als die Verpflichtung, die jeweiligen Lebensfragen zu beantworten. In der Situation werden dem Menschen Sinnmöglichkeiten angeboten, in denen er Sinn verwirklichen kann.

Frankl beschreibt das Übernehmen von Verantwortung als beängstigend, da sich die Person zwischen mehreren Sinnmöglichkeiten entscheiden müsse und nur eine erfüllen könne. Dieser Umstand schließe mit ein, dass andere Sinnmöglichkeiten nicht umgesetzt werden können und für immer verloren sind.[34]

Als fruchtbar werde das Tragen von Verantwortung erlebt, weil der Mensch durch das Verwirklichen der Sinnmöglichkeit, diese in die Wirklichkeit hineinrettet und die Zukunft dadurch verändert.[35] Hierzu ein Zitat: „Doch herrlich ist es: zu wissen, dass die Zukunft, meine eigene Zukunft und mit ihr die Zukunft der Dinge, der Menschen um mich, irgendwie - wenn auch in noch so geringem Maße - abhängig ist von meiner Entscheidung in jedem Augenblick. Was ich „in die Welt schaffe“, wie wir sagten - das rette ich in die Wirklichkeit hinein und bewahre es so vor der Vergänglichkeit“.[36]

Es stellt sich die Frage, welcher Instanz gegenüber der Mensch verantwortlich ist. Frankl führt hier aus, dass es weniger auf die Instanz an sich ankommt, vielmehr darauf, dass es eine solche gibt. Er erläutert, dass die Menschen, die er während der Gefangenschaft im KZ traf, verschiedene Instanzen, wie das Gewissen, Gott oder dritte Personen hatten, denen gegenüber sie sich verantwortlich fühlten: „Jeder von ihnen wusste jedenfalls darum, dass irgendwie, irgendwo, irgendwer da war, der unsichtbar auf ihn sah, der von ihm verlangte, dass er seiner ‚Qual würdig’ sei…“.[37]

Zusammenfassung Verantwortung

- Es handelt sich bei Verantwortung, um einen Begriff, der das Vorhandensein einer moralischen Verpflichtung zu gewissenhafter Pflichten- und Folgenabwägung thematisiert.
- Verantwortung trägt der Mensch immer auch für die Gesellschaft, da er auf sie angewiesen ist und schon um der eigenen Freiheit willen für sie Sorge tragen muss.
- Es lassen sich zwei Arten von Verantwortung unterscheiden. Rechenschafts-verantwortung wird zugewiesen und der zuweisenden Instanz wird Rechenschaft geschuldet, der Bereich für die Aufgabenverantwortung ist selbst gewählt genauso wie die Rechenschaftsfordernde Instanz.

1.3 Selbstverantwortung

Die vorliegende Arbeit befasst sich mit der Straffälligkeit von Jugendlichen. Mit diesem Bezug reicht es nicht aus nur am Begriff der Selbstverwirklichung festzuhalten, der vor allem eine Aufgabenverantwortung thematisiert. Die Verantwortung für die Gesellschaft muss mit einbezogen werden, denn durch den Begriff der Straffälligkeit wird ein gesellschaftlicher Aspekt formuliert. „Einer Strafe fällig zu werden“, verkörpert einen Status von außen, den sich die betreffende Person durch Handlungen erworben hat, welche die Rechtsnormen verletzten. Die Schuld als solche steht hier im Vordergrund und die betreffende Person hat die rechtliche Verantwortung für diese zu tragen. Ein umfassenderer Begriff ist der der Selbstverantwortung.

1.3.1 Ein Klärungsversuch

Selbstverantwortung ist eng mit dem Begriff der Autonomie verwandt ist. In Autonomie steckt „autos“ (Selbst) und „nomos“ (das Gesetzte, das Rechte). Er beinhaltet die Selbsteinbindung in das Rechte.[38] Das Rechte ist nicht zwangsläufig gleichzusetzen mit den Gesetzen, vielmehr bezieht es sich auf Prinzipien, die hinter den Gesetzen stehen und vom Individuum reflektiert und von ihm als bedeutsam erkannt wurden. Die Gesetze sind Ausdruck allgemein ethischer Prinzipien, können letzteren in Ausnahmefällen aber auch zuwider laufen. Die Verfasserin stützt sich hier vor allem auf Lawrence Kohlberg und seine Niveaus der moralischen Entwicklung, die im vierten Kapitel näher beschrieben werden (vgl. 4.3).

Selbstverantwortung deutet auf das Bindeglied zwischen individuellen Interessen und den Anforderungen der Sozialen Wirklichkeit. Selbstverantwortliches Handeln zeichnet sich demnach durch die Interaktion zwischen dem sich-selbst-verwirklichen-wollenden Subjekt und den Gegebenheiten des Raumes aus, den es sich mit anderen Subjekten teilt. Der Schutz dieses Raumes, in dem alle Subjekte nach Verwirklichung streben, garantiert die eigene Freiheit.

Selbstverantwortung nimmt demnach auf Aufgaben- und Rechenschaftsverantwotung Bezug.

Die Aufgabenverantwortung lässt sich aus dem Sich-selbst-verwirklichen-Wollen ableiten. Es stehen Ermessensspielräume zur Verfügung und die Instanz, vor der sich die Person verantwortet, ist selbst gewählt.

Die Rechenschaftsverantwortung hingegen lenkt den Blick auf die Konsequenzen des Handelns. Die Bewertung des Verhaltens wird auf der Grundlage eines allgemein akzeptierten Konsens über die Regeln des Zusammenlebens, d.h. Normen und Gesetze, vollzogen. Da alle Subjekte ihren Freiraum schützen wollen, werden sie vom Konsens abweichendes Verhalten kritisch beobachten und ggf. intervenieren. Jedes Individuum muss sein Handeln an diesen Standards messen lassen.

Die Spannung zwischen der Rechenschaftsverantwortung soll bei der Stärkung von Selbstverantwortung durch Identifikation aufgelöst werden. Indem sich das Subjekt als einen Teil der Gesellschaft versteht, es das Gesetz und die Gesellschaftsmitglieder achtet bzw. sich auf der Grundlage selbstreflektierter Prinzipien in das Rechte einbindet, vollzieht sich die Übernahme von Selbstverantwortung.

Das bloße Konzentrieren auf die Rechenschaftsverantwortung, also das ausschließliche Orientieren an Normen der Gesellschaft, stellt einen Gegensatz zu selbstverantwort-lichem Handeln dar. Hierzu ein Zitat von Otto Speck: „Verantwortung übernehmen oder ausüben ist ein origineller Akt des autonomen Subjekts; das heißt: Ich, der ich bin, der ich vor meinem Gewissen bin, der ich mich unter Maximen und Verpflichtungen stelle, also autonom – in Abhängigkeit – ich entscheide und handle in einer bestimmten Situation gegenüber einem anderen oder für andere so, wie ich überzeugt bin, und prinzipiell jedermann überzeugt ist, dass es gut recht und notwendig ist (…) Ich handle nicht einfach so, wie es eine verfasste Regel oder Vorschrift an sich gebietet. Natürlich richte ich mich auch nach solchen Regeln. Wenn diese aber immer kleinere Ausschnitte meines Funktionsbereiches erfassen, (…) brauchte ich immer weniger meine ganz persönliche Entscheidung als Subjekt. (…) Wer sich auf die bloße Einhaltung von Vorschriften bezieht, kann deshalb eigentlich nicht Verantwortung reklamieren sondern Haftung“.[39] Das Selbsteinbinden in das Rechte geschieht demnach auf der Grundlage einer eigenen Position. Ob sich die Person an einem äußeren Sinn orientiert oder ihre Haltung auf den ihr innewohnenden Potentialen aufbaut, spielt dabei eine untergeordnete Rolle. Wichtig ist der Umstand, dass sie eine eigene Position bezieht, die von der Verantwortung für die Gesellschaft gekennzeichnet ist.

Zusammenfassende Gedanken zur Selbstverantwortung:

- Die Übernahme von Selbstverantwortung vollzieht sich durch die Selbsteinbindung in das Rechte. Dies geschieht auf der Grundlage einer eigenen Haltung und eigener Maximen, sowie durch die Identifikation mit der Gesellschaft und der grundlegenden Akzeptanz ihrer Regeln.
- Die Übernahme von Selbstverantwortung birgt zum einen das Tragen der Verantwortung für die eigene Aufgabe, sich selbst zu verwirklichen, und stellt zum anderen den Versuch dar, die Spannung der Rechenschaftsverantwortung durch Identifikation zu lösen.
- Neben selbstgewählten Instanzen empfindet sich das selbstverantwortliche Subjekt auch der Gesellschaft gegenüber verantwortlich.

1.3.2 Die Handlungsebene

An dieser Stelle wird Bezug auf das Handeln genommen, da der Sozialarbeiter an der Handlung erkennen kann inwieweit der Klient Selbstverantwortung übernimmt. Das Handeln unterliegt der Messbarkeit

Zudem bezieht sich die Stärkung von Selbstverantwortung auf einen Wachstumsprozess. Wird Entwicklung als Handeln im Kontext verstanden und Selbstverantwortung mit Selbsteinbindung gleichgesetzt, dann wird deutlich, dass der Handlungsaspekt hier große Bedeutung hat. In diesem Zusammenhang ist es sinnvoll, den Handlungsprozess näher aufzugliedern. Nach Heinz Heckhausen erfolgt dieser Prozess in vier Ereignisstadien: Situation, Handlung, Ergebnis, Folge.[40]

Für Selbstverwirklichung und Selbsteinbindung sind vor allem die Situation und der Übergang zur Handlung relevant. Es kommt hier zu einer Selbstbewertung und Situationsanalyse bzw. zur Festlegung von Handlungsstrategien. Von größter Bedeutung ist es an diesem Punkt, dass die Auswahl der Handlungsstrategien mit der Entwicklung der Persönlichkeit zunehmend durch eigene Vorstellungen gesteuert und verstärkt von der Verantwortung für die Gesellschaft getragen wird.

Für das methodische Vorgehen des Sozialarbeiters bei der Stärkung von Selbstverantwortung beim Klienten wählt die Verfasserin einen Zugang, der sich am Handlungsprozess des Klienten orientiert. Es ergeben sich nachstehende drei Aspekte. Auf die damit in Verbindung stehenden Fragestellungen wird dann im vierten Kapitel gesondert eingegangen.

1. Die Förderung von Orientierung, 2 Ebenen:

Einerseits bezieht sich dieser Punkt auf die Unterstützung der Entwicklung eines ausgeprägten Selbstverständnisses: Welche Vorraussetzungen und Hilfestellungen sind nötig, damit sich die Person ihrer selbst bewusster wird? Wie kann der Mensch seine Bedürfnisse erkennen, Ziele entwickeln und eine Transparenz seiner Wünsche erreichen? Wie kann er seinen Sinn erfassen? Durch welche Mittel lässt sich der Aufbau eigener Prinzipien fördern?

Andererseits ist mit diesem Punkt auch die Förderung eines umfangreichen Situations-verständnisses verknüpft: Wie kann die Person zu einer realistischen Einschätzung der Wirklichkeit gelangen? Wodurch kann das Erkennen der Möglichkeiten, Chancen und Hindernisse, die sich aus den Normzusammenhängen der Gesellschaft, ihrer Sub-systeme und der Situation ergeben, gefördert werden?

Orientierung unterstützt hier das Sich-Klarwerden über die eigenen Ziele und prüft ihre Umsetzbarkeit.

2. Das Stärken von Selbstinitiative:

Welche Voraussetzungen und Hilfestellungen sind nötig, um die Handlungsmotivation zu fördern. Wie kann es erreicht werden, dass sich die Person für sich selbst auch tatkräftig einsetzt?

3. Unterstützung der Identifikation mit der Gesellschaft:

Welche Voraussetzungen und Hilfestellungen fördern das Zugehörigkeitsverständnis? Wodurch kann die grundlegende Akzeptanz des Gesetzes erreicht werden. Vertiefend, wie kann eine aktive verantwortliche Auseinandersetzung mit der Gesellschaft initiiert werden? Wodurch lässt sich die Verantwortung einerseits für den Erhalt der Gesellschaft und andererseits für ihre Weiterentwicklung vermitteln?

Anhand der folgenden Kapitel soll die Relevanz der Stärkung von Selbstverantwortung für das Jugendalter und Delinquenz geprüft werden.

2. Das Jugendalter

„Ich bin nicht, was ich sein sollte, ich bin nicht, was ich sein werde, aber ich bin nicht mehr, was ich war“.[41]

Dieses Zitat, das ursprünglich an der Wand einer Cowboy-Bar stand, beschreibt das Lebensgefühl Jugendlicher sehr gut, denn sie befinden sich in einer Phase des Übergangs.

Die Adoleszenz umfasst die Zeitspanne zwischen Kindheit und dem reifen Erwachsensein.

Eine genaue Festlegung einer Altersgrenze für Jugendliche lässt sich nicht ohne weiteres ziehen, da jede Entwicklung einzigartig verläuft, d.h. dass der Eintritt ins Erwachsenalter bei verschiedenen Jugendlichen zu unterschiedlichen Zeitpunkten vollzogen wird.

Das BGB nimmt hier eine recht starre Abgrenzung vor. Jugendliche sind dem Gesetz nach alle Personen im Alter zwischen 14 und 17 Jahren. Jedoch wird der Jugendliche nach Vollendung des 17. Lebensjahres noch nicht mit dem Erwachsenstatus bedacht, bis zum 21. Lebensjahr gilt er als Heranwachsender und bekommt noch nicht alle Rechte und Pflichten eines Erwachsenen zugesprochen.

Im Folgenden bezieht sich die Verfasserin auf einen gröberen Zeitabschnitt, da sie Beginn und Abschluss der Adoleszenz weniger am Alter festmacht, sondern vielmehr auf die Erledigung von Entwicklungsaufgaben schaut. Beginn und Ende der Jugendzeit sind daher fließend.

Die Besonderheiten der Adoleszenz stellen sich wie folgt dar. Es kommt zu einem erheblichen Körperwachstum und die Geschlechtsreife setzt ein. Jungen und Mädchen unterliegen einem Wachstumsschub, der bei ersteren im Alter von 14/15 Jahren und bei den Mädchen zwei Jahre früher beginnt.[42] Das Wachstum und die Fortpflanzungs-fähigkeit deuten einerseits auf eine Veränderung nach innen, d.h. des Selbstbildes, auf der anderen Seite erhalten die Jugendlichen auch einen veränderten Status durch die Gesellschaft. Je ähnlicher sie den Erwachsenen werden, desto mehr werden sie auch als solche behandelt.

[...]


[1] Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 1997, S. 815.

[2] Deutscher Verein für öffentliche und private Fürsorge 1997, S. 936.

[3] vgl. Pasquay, N. 2002, S. 50 f.

[4] vgl. Bibliographisches Institut/ F. A. Brockhaus AG 2002, unter dem Begriff: Selbst.

[5] vgl. Bibliographisches Institut/ F. A. Brockhaus AG 2002, unter dem Begriff: Selbstverwirklichung.

[6] vgl. Krech, D./Crutchfield R. 1992, Band 2, S. 54

[7] Scope, URL: http://www.scopeonline.de/maslow.htm, 21.06.

[8] Maslow, A. 1981, S. 71.

[9] Maslow, A. 1981, S. 74.

[10] Maslow, A. 1981, S. 268.

[11] vgl. Maslow, A. 1981, S. 193.

[12] vgl. Maslow, A. 1981, S. 314 f.

[13] vgl. Krech, D./Crutchfield R. 1992, Band 5, S. 36.

[14] vgl. Rogers, C. 1997, S. 72 f.

[15] vgl. Rogers, C. 1997, S. 81 f.

[16] Rogers, C. 1997, S. 83.

[17] vgl. Rogers, C. 1997, S. 83 f.

[18] vgl. Rogers, C. 1997, S. 78.

[19] Rogers, C. 1997, S. 80.

[20] Rogers, C. 1997, S. 72.

[21] vgl. Frankl, V. 1992, S. 46.

[22] Frankl, V. 1992, ebd.

[23] Frankl, V. 1992, S. 59 f.

[24] Frankl, V. 1992, S. 38.

[25] Frankl, V. 1992, ebd.

[26] vgl. Frankl, V. 1992, S. 28.

[27] vgl. Frankl, V. 1992, S. 54.

[28] Frankl, V. 1992, S. 51.

[29] vgl. Frankl, V. 1992, ebd.

[30] Bibliographisches Institut/ F. A. Brockhaus AG 2002, unter dem Begriff: Verantwortung.

[31] Buber, M. 1962, S. 8.

[32] vgl. Maslow, A. 1981, S. 363.

[33] vgl.Gosmann, U. 1998, S. 59.

[34] vgl Frankl, V. 1992, S. 140.

[35] vgl. Frankl, V. 1992, S. 141.

[36] Frankl, V. 1992, ebd.

[37] Frankl, V. 1992, S. 134.

[38] vgl. Speck, O. 1991, S. 147 f.

[39] Speck, O. 1991, S. 147 f.

[40] vgl. URL : http://www.psychologie.uni-bonn.de/sozial/lehre/f1/9bedmoti.pdf, 24.06.2003.

[41] Erikson, E. H. 1973, S. 112.

[42] vgl. Oerter, R./Montada, L. 1987, S. 267.

Ende der Leseprobe aus 121 Seiten

Details

Titel
Stärkung von Selbstverantwortung bei straffälligen Jugendlichen
Hochschule
Katholische Hochschule für Sozialwesen Berlin  (Jugendgerichtshilfe)
Note
1,3
Autor
Jahr
2003
Seiten
121
Katalognummer
V19532
ISBN (eBook)
9783638236300
Dateigröße
926 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Stärkung, Selbstverantwortung, Jugendlichen
Arbeit zitieren
Barbara Hillmann (Autor:in), 2003, Stärkung von Selbstverantwortung bei straffälligen Jugendlichen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19532

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