Gustav Bauernfeinds Wechsel von der Architektur zur Orientmalerei

im Spiegel seines Tagebuchs Die Reise nach Damaskus und seines Selbstbildnisses Straßenszene in Damaskus


Term Paper (Advanced seminar), 2012

22 Pages, Grade: 1,3


Excerpt


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Gustav Bauernfeind: Architekt und Orientmaler
2.1 Der Weg zum Architekten
2.2 Die Entscheidung für die Orientmalerei
2.3 Die Reise nach Damaskus 1888/89

3 Gustav Bauernfeind zeigt sich und seine Welt
3.1 Das Tagebuch Die Reise nach Damaskus
3.2 Das Selbstbildnis Strassenszene in Damaskus
3.3 Welche Rolle spielten Tagebuch und Selbstbildnis?

4 Schluss

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Einleitung

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts bestand in Europa ein breites Interesse an der Erkundung der orientalischen Welt. Nachdem die Kenntnisse über die fremde Welt bisher lediglich aus den Berichten von Forschungsreisen oder Prestige-Reisen der adligen Gesellschaft gewonnen werden konnten, bildete sich eine Form des „bürgerlichen Tourismus" heraus.[1] Durch die zunehmende Vernetzung des Reiseverkehrs und durch festgelegte Routen wurde das Reisen mehr und mehr erleichtert[1], Reiseführer wie der Baedeker gaben zudem Auskunft über die verschiedenen Reiseziele. Eine besondere Gruppe unter den Orientreisenden stellten die Künstler dar, denn sie schlossen sich selten den Reisegruppen an, sondern erforschten den Orient meist als Individualreisende. Zudem hielten sie sich häufig längere Zeit in der Ferne auf und hatten durch die Suche nach Modellen und Motiven engeren Kontakt zu Einheimischen.[2] Derartige Reisen waren allerdings sehr kostspielig und auch nicht ungefährlich, sodass nur wenige Künstler die Möglichkeit dazu hatten. Zu diesen wenigen Künstlern zählt der deutsche Orientmaler Gustav Bauernfeind, der sich auf mehreren Reisen abseits der touristischen Pfade im Orient bewegte und später sogar ganz dorthin übersiedelte. Als studierter Architekt hatte er im Laufe seines Lebens die Liebe zur Malerei wie die Liebe zum Orient entdeckt und schließlich beschlossen, in das Fach der Orientmalerei zu wechseln.

Auf seiner dritten Reise in den Orient dokumentierte er seinen Alltag als Reisender und Künstler in Damaskus in Form von einem Tagebuch. Seine Aufzeichnungen bilden eine interessante Quelle für die geschichtswissenschaftliche Forschung anhand von Selbstzeugnissen, denn Bauernfeind zeichnet ein Bild von sich und seiner Wahrnehmung einer Welt, die zu dieser Zeit noch wenig durch den Kontakt mit der europäischen Zivilisation geprägt war. Somit gibt Die Reise nach Damaskus Aufschluss über eine - wie die Historikerin Anke Stephan es nennt - „Wechselwirkung zwischen Individuen und Strukturen, zwischen Mikro- und Makroebene", und dient somit der Beleuchtung von historischen Prozessen aus der Sicht des Individuums.[3]

Gustav Bauernfeind hielt seine Erlebnisse in Damaskus aber nicht nur in Form eines Tagebuchs fest, sondern schuf auch ein Selbstbildnis[4], welches ihn in Damaskus zeigt. Meiner Ansicht nach eignet sich die künstlerische Selbstdarstellung Bauernfeinds ebenso als Gegenstand der geschichtswissenschaftlichen Selbstzeugnisforschung, da sie der oben genannten Wechselwirkung lediglich in anderer Form Ausdruck verleiht. Eine Betrachtung der Definition für „Selbstzeugnisse", welche die Historikerin Benigna von Krusenstjern in den 1990er Jahren explizit herauszuarbeiten versuchte[5], zeigt meiner Ansicht nach, dass diese auf das Tagebuch und auf das Gemälde Bauernfeinds gleichermaßen anzuwenden ist: Nach Krusenstjern liegt ein Selbstzeugnis vor, wenn „die Selbstthematisierung durch ein explizites Selbst geschieht", während das „implizite Selbst" in sämtlichen Handlungen einer Person zu finden sei. Das explizite Selbst zeige sich dadurch, dass der Urheber „selbst handelnd oder leidend in Erscheinung" tritt und dabei in unterschiedlich stark ausgeprägtem Maße auf sich selbst und seine Umwelt Bezug nimmt.[6]

Ziel dieser Arbeit soll es nun sein, das Tagebuch und das Selbstbildnis Gustav Bauernfeinds zu untersuchen und einander gegenüberzustellen. Der Schwerpunkt der Untersuchung soll dabei seine Hinwendung zur Orientmalerei sein, zugunsten derer er seinen eigentlichen Beruf als Architekt aufgab. Inwiefern beide Quellen Auskunft über diese wesentliche Entscheidung seines Lebens geben, gilt es herauszuarbeiten.

2 Gustav Bauernfeind: Architekt und Orientmaler

2.1 Der Weg zum Architekten

Gustav Bauernfeind schuf im Laufe seines Lebens zahlreiche Gemälde von außerordentlicher künstlerischer Qualität, dazu unzählige Skizzen, Aquarelle, Fotografien und nicht zuletzt das Reisetagebuch als Dokumentation seiner Reise nach Damaskus 1888/89. Doch trotz dieser großen Fülle an Zeugnissen seines Schaffens blieb Gustav Bauernfeind selbst in Fachkreisen beinahe ein Jahrhundert lang ein Unbekannter. Geschuldet ist dieser Umstand unter anderem der Tatsache, dass Bauernfeind zu Lebzeiten besonders in seinem Heimatland Deutschland kaum Erfolg als Künstler hatte und seine Bilder hauptsächlich an Amerikaner und Engländer verkaufen konnte.[7] Darüber hinaus veranstaltete seine Ehefrau Elise nach seinem frühzeitigen Tod einen regelrechten Bazar, um durch den Verkauf der Werke den Lebensunterhalt für die Familie zu sichern.[8] Im Jahr 1905 waren die Werke Gustav Bauernfeinds somit bereits in Privathaushalte auf der ganzen Welt verstreut und der Künstler geriet in Vergessenheit. Erst Ende der 19^er Jahre stieß der Heimatforscher Hugo Schmid aus Sulz auf den Künstler und begann, dessen Nachlass auszuwerten. Im Laufe der 1980er Jahre beschäftige sich zudem der Historiker Alex Carmel mit Bauernfeind. Carmel erläutert, dass sich die Kindheit und Jugendzeit Bauernfeinds nur aus amtlichen Dokumenten sowie aus einem späteren Lebenslauf rekonstruieren ließen.[9]

Johann Gustav Adolf Bauernfeind wurde am 4. September 1848 in Sulz am Neckar als sechstes von insgesamt neun Kindern geboren. Drei weitere Söhne und zwei Töchter der Familie waren bereits im Kindesalter verstorben, Gustav verblieb den Eltern als einziger männlicher Nachkomme.[10] Der Vater Johann-Baptist Bauernfeind besaß eine Apotheke in Sulz, wo die Familie bis 1853 lebte, danach zog sie nach Stuttgart. Als Grund für den Umzug vermutet Alex Carmel einige Haftstrafen, die der Vater in den Jahren 1849 bis 1852 verbüßen musste.[11] Die Abwesenheit des Vaters und die damit sicherlich verbundenen finanziellen und sozialen Belastungen für die Familie prägten die frühe Kindheit Gustav Bauernfeinds. Seine schulischen Leistungen waren nicht herausragend, lediglich im geometrischen Zeichnen und im Freihandzeichnen konnte er die Noten gut bis recht gut vorweisen. Im Hinblick darauf, dass Bauernfeind als einziger Sohn einer bürgerlichen Familie aufwuchs, ist der elterliche Wunsch nach einer höheren Ausbildung anzunehmen.[12] So nahm er 1864 schließlich das Studium der Architektur im Polytechnikum zu Stuttgart auf.

Etwa ein Jahr nach dem Beginn seines Studiums verunglückte Gustav Bauernfeinds Vater tödlich - Der siedende Dampf einer Dampfmaschine hatte ihm derart starke Verbrennungen zugefügt, dass er etwa eine Stunde nach dem Unfall starb.[13] Es ist anzunehmen, dass dieser Vorfall für den damals siebzehnjährigen Sohn ein Schock war, und dass sich dadurch auch seine Rolle in der Familie änderte. Welche konkreten Auswirkungen der frühe Tod des Vaters auf Bauernfeinds Leben hatte, geht aus seinem Nachlass offenbar nicht hervor.

2.2 Die Entscheidung für die Orientmalerei

1869 absolvierte Gustav Bauernfeind sein Studium und bestand im darauffolgenden Jahr die erste Staatsprüfung im Baufach}[14] Zunächst arbeitete er im Architektur-Büro von Professor Wilhelm Bäumer, mit dem er 1871 nach Wien zog. Bäumer ging allerdings kurz darauf zurück nach Stuttgart und Bauernfeind arbeitete fortan für Professor Adolf Gnauth, welchen er „als Menschen, Maler und Lehrer" sehr schätzte.[15] 1872 reiste Bauernfeind in die Schweiz und erhielt dort gemeinsam mit einem Kollegen den ersten Preis für den Bau einer Kuranlage. Er war als Architekt also durchaus erfolgreich und wurde für seine Arbeit geschätzt. Dennoch zeigte sich hier bereits sein Interesse an der Malerei: Während seines Aufenthaltes in der Schweiz fertigte er einige künstlerische Skizzen und Aquarelle an und beschäftigte sich zudem mit kunsthistorischer Literatur. Wie die Kunsthistorikerin Karin Rhein herausgearbeitet hat, entstand Bauernfeinds Interesse an der Malerei offenbar
hauptsächlich)aus)der)Begegnung)mit)Adolf)Gnauth,)der)die)Arbeit)als)Architekt)mit künstlerischer)Gestaltung)verband.[16] )

Nach seiner Rückkehr verhalf Adolf Gnauth ihm zu einem Auftrag des Stuttgarter Kunstverlages Engelhorn. Dafür reiste Bauernfeind 1873-1874 nach Italien, um Landschaftsaquarelle zu malen. In einem Brief an Gnauth berichtet er ausführlich von den Qualen, die ihm das italienische Klima bereiten würde, am Ende fügt er jedoch hinzu: „Es gehört eine große Begeisterung für die Kunst dazu, wenn man das alles mit Gleichmuth ertragen will [...]".[17] Offenbar spielte er schon zu dieser Zeit mit dem Gedanken, die Architektur zugunsten der Malerei aufzugeben, denn von Italien aus fragte er Gnauth nach dessen Meinung zu dieser Frage. „Sie mögen thun was sie wollen, es wird sie beides reuen "[18], lautete Gnauths uneindeutige Antwort. Dennoch riet er Bauernfeind, einer möglichen Verlängerung der Italienreise durch einen weiteren Auftrag Engelhorns zuzustimmen. Als bereits feststand, dass die Reise um ein halbes Jahr verlängert werden sollte, verließ Bauernfeind urplötzlich Italien und kehrte nach Stuttgart zurück.[19] Ein halbes Jahr später schrieb er in einem Brief an seine Mutter und an seine Schwester: „Ich habe meinen Theil dabei gelernt [...]. Das Mehr wäre von Uebel weil ich kein Maler von Landschaften oder malerischer Architektur werden will, sondern von jetzt an mich ganz mit der architektonischen Dekoration beschäftigen muss."[20] Alex Carmel weist darauf hin, dass)der)daraus)hervorgehende)Verdruss)sich)unter)anderem)in)folgender)Bemerkung Engelhorns begründet haben könnte: „Herr Cloß lässt sie bitten, die Bäume recht charakteristisch zu zeichnen (resp[ective] keine sog[enannten] Architektenbäume zu zeichnen.) "[21] Für den sensiblen Bauernfeind könne dies durchaus Anlass genug gewesen sein, den Wert seiner Arbeit derart anzuzweifeln, dass er sich erst einmal komplett zurückzog.[22] Deutlich wird in jedem Fall die innere Zerrissenheit über die Frage, welche Art von Karriere er einschlagen sollte und auch wollte.

[...]


[1] Rhein, Karin: Deutsche Orientmalerei in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Entwicklung und Charakteristika. Diss., Berlin 2003. S. 50.

[2] Vgl. Rhein, S. 50.

[3] Vgl. Rhein, S. 49.

[4] Stephan, Anke: Autobiographien, Memoiren und Oral-History-Interviews als historische Quellen. München 2005, S. 2.

[5] Gustav Bauernfeind Straßenszene in Damaskus, Öl auf Holz (51,4 x 68 cm), Privatbesitz. Siehe Abbildung 1

[6] Krusenstjern, Benigna von: Was sind Selbstzeugnisse? Begriffskritische und quellenkundliche Überlegungen anhand von Beispielen aus dem 17. Jahrhundert, in: Historuische Anthropologie 2 (1994) 3, S. 463.

[7] Krusenstjern, S. 463-464.

[8] Vgl. Rhein, S. 82.

[9] Vgl. Carmel, A., Schmid, H.: Gustav Bauernfeind: 1848-1904. Leben und Werk. Das künstlerische WerkgesammeltundvorgestelltvonHugo Schmid. Stuttgart 1990. S. ?2-?3.

[10] Vgl. Carmel, S. ?.

[11] Vgl. Carmel, S. ?.

[12] Vgl. Carmel. S. ?. Johann-Baptist Bauernfeind war der Mitwirkung an den gewaltsamen Abänderungen der Landesverfassung verdächtigt worden, wie aus der Anklageschrift vom 28.08.1849 hervorgeht. Zudem schrieb er zwischen 1849 und 1852 verschiedene Briefe aus der Haft an seine Frau.

[13] Vgl. Carmel, S. 7.

[14] Vgl. Carmel, S. 7.

[15] Carmel, S. 8.

[16] Carmel S. 8.

[17] Vgl. Rhein, S. 82

[18] Gustav Bauernfeind aus Vicenza am 24.7.1873. Zitiert aus: Carmel, S. 10.

[19] Gnauth an Bauernfeind am 26.10.1873. Zitiert aus: Carmel, S.11.

[20] Aus einem Brief eines engen Freundes geht hervor, dass Bauernfeind nicht einmal diesen über seine umgestürzten Pläne informierte. Vgl. dazu Carmel. S.11.

[21] Bauernfeind an seine Mutter und Schwester am 5.2.1874. Zitiert aus: Carmel, S.11.

[22] Engelhorn an Bauernfeind am 20.10.1873. Zitiert aus: Carmel, S. 11. Engelhorns Aussage bezog sich auf den Holzstecher Adolf Cloß, der nach Bauernfeinds Vorlage Holzstiche anfertigen sollte.

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Details

Title
Gustav Bauernfeinds Wechsel von der Architektur zur Orientmalerei
Subtitle
im Spiegel seines Tagebuchs Die Reise nach Damaskus und seines Selbstbildnisses Straßenszene in Damaskus
College
University of Hamburg  (Historisches Seminar)
Course
Hauptseminar: Selbstzeugnisse als Quellen für die Geschichtswissenschaft
Grade
1,3
Author
Year
2012
Pages
22
Catalog Number
V195248
ISBN (eBook)
9783656211624
File size
476 KB
Language
German
Keywords
Gustav, Bauernfeind, Orientalismus, Selbstzeugnis, Damaskus, Reiseberichte, Reisetagebuch, Selbstbildnis
Quote paper
Stefanie Begerow (Author), 2012, Gustav Bauernfeinds Wechsel von der Architektur zur Orientmalerei , Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195248

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