Analyse und Interpretation von Friedrich Schillers "Der Handschuh"


Hausarbeit (Hauptseminar), 2009

15 Seiten, Note: 11


Leseprobe


Einleitung

In der folgenden Arbeit werde ich Friedrich Schillers Ballade „Der Handschuh“ (1797) unter Berücksichtigung unterschiedlicher Aspekte formal und inhaltlich analysieren.

1. Handlungsabfolge und Strophenform

König Franz und die Hofgesellschaft sind die Zuschauer des erwarteten Kampf-Spiels im Löwengarten (1. Strophe, Vers 1-6). Mit seinem Handzeichen treten die Spieler auf die Bühne (2-4. Strophe, Vers 7-43): Beim ersten kommt ein Löwe sich streckend und legt sich nieder (2. Strophe, Vers 7-16). Beim zweiten rennt ein Tiger aus dem Tor, wild mit Gebrüll umkreist er den Löwen (3. Strophe, Vers 17-32). Mit dem letzen Zeichen stürzen zwei Leoparden aus dem Zwinger auf den Tiger. Stille bringt der Löwe (4. Strophe, Vers 33-43).

Und der Augenblick: Das Fräulein Kunigunde lässt ihren Handschuh zwischen die Raubtiere fallen (5. Strophe, Vers 44-47). Verspottend verlangt sie von Ritter Delorges den Handschuh als Liebesbeweis zurückzubringen (6. Strophe, Vers 48-52). Unbekümmert und kühn läuft er zwischen die Tiere und vollbringt die Probe (7. Strophe, Vers 53-57). Das Publikum bewundert ihn, Kunigunde blickt lieblich und glückverheißend. Dagegen wirft er ihr den Handschuh ins Gesicht und beendet das Schauspiel, indem er die Dame verlässt (8. Strophe, Vers 58-67).

2. Form/Metrische Ebene/ Wortebene

2.1. Gedichtform: Ballade

Schiller selbst bezeichnet sein Gedicht nicht als Ballade, sondern als eine Erzählung.[1] Was zeichnet aber „Den Handschuh“ als eine Ballade aus? Liepach Martin gibt folgende Definition: „Die Ballade war ursprünglich ein Tanzlied im italienisch-provenzalischen Raum. Im 14./15. Jahrhundert entwickelte sich in Frankreich eine strenge lyrische Form. Die in England verbreitete volkstümlich-epische Liedform („ballad") wurde im letzten Viertel des 18. Jahrhunderts in Deutschland übernommen. Inhalt der Ballade ist meist ein ungewöhnliches, geheimnisvolles, oft tragisches Geschehen aus Geschichte, Sage und Mythos, das, häufig durch Rede und Gegenrede verschärft, neben dem episch erzählenden Anteil und der lyrischen Gestimmtheit auch dramatische Elemente enthält. Strophenform und Versmaß wechseln.“[2]

In „Der Handschuh“ ist außer dem variierendem Vers- und Strophenbau und dem wechselnden Versmaß auch der Syntax anders als in Erzählungen. Durch Parataxen, Inversionen und andere Stilmittel (siehe 3.2. Rhetorik: Satzfiguren) erlangt die Ballade „hohe stilistische Raffinesse“. Ergänzt durch die Anordnungen der Verse und Strophen erwächst „emotionale Wirkungsintensität“ (siehe 3.1. Organisiertheit von Sätzen).

Die Erzählung eines ungewöhnlichen Ereignisses, dass ein Kampfspiel zwischen Löwe, Tiger und Leoparden zur Mutprobe eines Ritters wird; die wörtliche Rede zwischen der Dame und dem Ritter; das tragische Ende und vor allem die treffende Wortwahl zeichnen die Ballade aus. Somit findet man Elemente aus allen drei Gattungen - Epik, Lyrik und Dramatik - vor. „Die von Anfang bis Ende durchziehende Ironie bewirkt die Einheit von Schillers Ballade“ laut Piedmont.[3] Inhaltlich wird sie nämlich durch Ironie zusammengehalten: der unerwartete Wechsel der Handlungen, die Sprünge und Parallelen zwischen Menschen- und Tierwelt und die ganz plötzliche Wende im Finale schaffen eine Ganzheit.

2.2. Metrum

Die ersten drei Verse sind im Jambus geschrieben. Die Fortsetzung dieses Metrums wird erwartet, doch von Schiller nicht erwidert. „Der Handschuh“ ist geprägt von unerfüllten Erwartungen. So wie das angekündigte Kampfspiel zu einem ganz anderen verläuft, wird das Versmaß abrupt verändert, die Kadenz wechselt. Der daktylisch- trochäische Takt der Schlussstrophe wird mit der Zurückweisung der Edeldame (Vers 66) ebenfalls beendet.

2.3. Reimschema

Das Reimschema ist wechselnd: Die Eingansstrophe (Vers 1-6) ist im Schweifreim geschrieben. Die drei Tierstrophen (Vers 7-43) werden durch Paarreime, speziell die Reimworte „nieder und wieder“ (Verse 16, 17, 32, 33) zusammengehalten und bilden eine Einheit. Unterbrochen wird der Reim als der Handschuh zwischen die Raubtiere fällt (Vers 46/47). Das eigentliche „Kampfspiel“, gezeichnet von teils Kreuz-, teils Paar- oder Strophen übergreifenden Reimbindungen, ereignet sich in den letzten drei Strophen (Vers 48-67).

2.4. Klanganalyse

Lange a, o und ö- Laute der ersten Strophe erzeugen eine klangliche Einheit passend zur Eleganz der adeligen Welt. Sie verbinden die bedeutungstragenden Versglieder: Löwengarten- König- Gr0ßen der Kronehohem Balkone- Damen in schönem Kranz.

König Franz winkt mit dem Finger (Vers 7), der Rhythmus wechselt. Eine Häufung von einsilbigen Wörtern in langen Versen steigert das Sprechtempo und löst die Handlung aus: Ein Löwe betritt die Arena. Damit werden die Verse kürzer, die Worte wiederum sind gedehnt und beschreiben die langsamen schläfrigen Bewegungen des Löwen lautmalerisch. Die Umlaute, das Dehnungs-h und -i in „Gähnen- Mähnen, Glieder- nieder“ (Vers 13-16) „vertonen“ gewissermaßen sein prächtiges Wesen.

[...]


1 Vgl.: Neis, Edgar: Interpretation von 66 Balladen, Moritaten und Chansons. Analysen und Kommentare.

S. 52

2 Siehe: Liepach,Martin - Abitur-Wissen - Deutsch-PruFungswissen Oberstufe

3 Siehe: Moritz, Karl: Deutsche Balladen. Analysen für den Deutschunterricht. S. 61

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Analyse und Interpretation von Friedrich Schillers "Der Handschuh"
Hochschule
Philipps-Universität Marburg
Veranstaltung
Theorie und Praxis der Gedichtanalyse
Note
11
Autor
Jahr
2009
Seiten
15
Katalognummer
V195176
ISBN (eBook)
9783656213116
ISBN (Buch)
9783656213420
Dateigröße
490 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Der Handschuh, Gedichtanalyse, Friedrich Schiller, Ballade
Arbeit zitieren
Nermin Bastug (Autor:in), 2009, Analyse und Interpretation von Friedrich Schillers "Der Handschuh", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/195176

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