Entwicklung des Singens


Seminararbeit, 2003

20 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung

1. Entwicklung der Singstimme und des Stimmumfangs

2. Bedeutung und Grundlagen des Singens

3. Frühkindliche Vokalisation

4. Entwicklungstheorien des Singens
4.1. Sprachdominante Sequenztheorie
4.2. Intervallerwerbsabfolgetheorie
4.3. Melodie – Konturen – Theorie
4.4. Entwicklungssequenzen nach Stadler Elmer

Zusammenfassendes

Literaturverzeichnis

Einleitung

Viele Wissenschaftler und Forscher haben sich insbesondere während der vergangenen Jahrzehnte bemüht herauszufinden, wie sich die Entwicklung des Singens vollzieht und beschreiben lässt. Einige von Ihnen haben sich dabei vorrangig den physiologisch-anatomischen Schwerpunkten gewidmet, andere wiederum eher den psychologisch-soziologischen. Der letztere Ansatz gewann besonders in den letzten Jahren mehr und mehr an Bedeutung.

Wenn man von der Entwicklung des Singens spricht, sollte zunächst der Begriff des Singens genau definiert werden. Denn so banal und einfach das Wort „singen“ erscheinen mag, wann sprechen wir von Gesang und was grenzt ihn so wesentlich von der Sprache ab?

Stefanie Stadler Elmer, die mit ihren Forschungsansätzen, u.a. in ihrem im Jahre 2000 erschienenen Buch „Spiel und Nachahmung“ einen neuen Meilenstein legt, stellt eine Gemeinsamkeit zwischen Singen und Sprechen fest. Sie sieht deren unmittelbaren Ursprung in der Lautbildung. Dies lässt sich durch ein einfaches Experiment darstellen. Verlängert man beim Sprechen die Vokale und Selbstlaute und verringert das Sprechtempo, so stellt man fest, dass sich die Tonhöhe mehr in den Vordergrund stellt.

Man beobachtet quasi einen fließenden Übergang , bei dem sich nicht immer eindeutig eine Differenzierung von Singen und Sprechen ausmachen lässt. Eine Unterscheidung von Gesang und Sprache ist in solchen Grenzbereichen nicht immer möglich. Bestätigend dazu sei hier Molino (1990) erwähnt. Er setzte Musik und Sprache einem semiotischen System gleich, welches sich vorrangig als Werkzeug zum Ausdruck von Emotionen und Bedeutungen bedienen lässt.

Geht man konform mit Stefanie Stadler Elmers Definition, dann handelt es sich beim Sprechen um kurze Silben und einen geringen Umfang der Sprachmelodie. Kriterien für das Singen im Gegenzug dazu sind lange Silben und Vokale mit einem größeren Tonhöhenumfang und einem mehr oder weniger regelmäßigen Zeitverlauf. Dabei wird die Melodie unter Zuhilfenahme von Text und Silben erzeugt. Eine Zwischenform bezeichnet Stadler Elmer als Sprechgesang. Hier sind längere Silben und Vokale im geringen Tonhöhenumfang maßgebend sowie eine Skandierung, also ein Herausheben metrischer Merkmale von Versen.

1. Entwicklung der Singstimme und des Stimmumfangs

Während der ersten Jahre im Leben eines Menschen vollzieht sich der wesentliche Entwicklungsabschnitt. Dies liegt nicht zuletzt in der anatomisch-physiologischen Entwicklung begründet, denn mit dieser geht jede andere Entwicklung eines Individuums einher.

An dieser Stelle sei ein allgemein gültiges Entwicklungsprinzip zitiert, das eine breite Anwendung findet. „Dieses Prinzip besagt, dass sich eine Person, ausgehend von ihren angeborenen Verhaltensmöglichkeiten, aktiv mit ihrer sozialen und dinglichen Umwelt auseinandersetzt. Durch diese Auseinandersetzung bildet die Person laufend neue Handlungs- und Denkstrukturen, die ihr ermöglichen, immer komplexere Erkenntnisse, Wissen und Bewusstsein über sich und ihre Umwelt zu konstruieren.“[1]

Es ist fast überflüssig zu bemerken, dass besonders in der frühen Kindheit, wo keinerlei Erkenntnisse, Wissen und Bewusstsein beim Nullpunkt, also bei der Geburt eines Menschen, vorhanden sind, eine schnelle Aneignung einer minimalen Basis unabdingbar für das Überleben eines Individuums ist. Dieser Aneignungswille bzw. Instinkt ist uns allem Anschein nach in die Wiege gelegt. Zu den angeborenen Verhaltensmöglichkeiten zählen wir unter dem Gesichtspunkt der Entwicklung bzw. Weiterentwicklung die Kommunikation. Diese ist essentiell zur Wissensübertragung zwischen dem Neugeborenen und den Eltern, also zwischen Wissensnehmer und Wissensträger.

Zum Kommunizieren bedarf es einem reflexiven Austausch der Kommunikationspartner. Dazu senden und empfangen beide Parteien insbesondere visuelle, haptische und akustische Reize. Diese grundlegenden Fähigkeiten des Reizaustausches sind ebenfalls angeboren. So könnte man den ersten Schrei eines Neugeborenen als die erste akustische aktive Kommunikation mit seiner Umwelt bezeichnen. Es ist in der Regel die überhaupt erste menschliche Lautäußerung. Sie liegt bei circa 500 Hz also einem zweigestrichenen „c“. Führt man auf den umseitig genannten Ursprung von Sprache und Gesang in der Lautäußerung nach Stadler Elmer zurück, so kann sowohl von der ersten Nutzung der Sprechstimme, als auch von der ersten Nutzung der Singstimme gesprochen werden.

Ab dem dritten Monat hat der Säugling nach Fox 1990 immerhin einen Stimmumfang von etwa zwei Oktaven, andere Forscher sprechen sogar von vier Oktaven, die von a bis f4 reichen. Nach Untersuchungen von Seidner und Wendler liegt die frühkindliche Vokalisation zwischen dis und dis1. Bei diesen Untersuchungen ergaben sich keinerlei Unterschiede zwischen Jungen und Mädchen. Hingegen fand Habermann 1986 heraus, dass das Schreien bis zum sechsten Lebensjahr im Durchschnitt bei Mädchen tiefer als bei Jungen sei. Dieser kleine Exkurs in die verschiedenen Ergebnisse, die hier nur angedeutet werden können, erlauben den Schluss, dass bis dato keine eindeutigen Befunde über den tatsächlichen Stimmumfang von Säuglingen und Kleinkindern existieren. Das hängt sicher nicht zuletzt mit dem Wie, dem Wann und Wie lange der jeweiligen Forschungen zusammen.

Man muss sich bei Untersuchungen mit Kindern und Kleinkindern darüber im Klaren sein, dass die scheinbar eindeutigen Anweisungen der Forscher von den Probanden oft nicht erfüllt werden können, weil sie zu gewissen Dingen nicht in der Lage sind, sondern weil sie die Anweisungen aufgrund ihres geringen Alters, also ihrer nicht ebenbürtigen Wahrnehmungs- und Verständnisfähigkeit, nicht ausführen können.

Zur Erforschung der Entwicklung des Singens bedarf es zunächst einer grundlegenden Definition der einzelnen Singarten. Stefanie Stadler Elmer gibt uns dazu einige Definitionen mit dem Hinweis an die Hand, dass in der Vergangenheit oft nur von einer Art zu Singen ausgegangen wurde. So sei man oft durch eine mangelnde Begriffsklärung auf falsche bzw. uneindeutige Forschungsergebnisse gekommen. Sie unterscheidet neben dem Sprechen, dem Sprechgesang und dem Singen zwei weitere Ausdrucksweisen - das Lieder-Singen und das präkonventionelle Singen.

Beim Lieder-Singen spielt bei der kindlichen Entwicklung zunächst das einfache Strophenlied eine Rolle. Diese Form finden wir oft bei Wiegen- und Kinderliedern. Dabei sind Melodie und Sprache sehr deutlich miteinander verbunden. Eine Besonderheit ist, dass diese musikalische Form, der unausgesprochene Regeln zugrunde liegen, schon vor dem instrumentalen Musizieren erlernt werden kann und auch erlernt wird.

Vom präkonventionellen Singen wird gesprochen, wenn das Singen des Kindes ohne Konventionen, also ohne das Einhalten von Regeln geschieht. Bevorzugt wird der Begriff präkonventionelles Singen benutzt, wenn man das frühe Singen eines Kindes bezeichnet, das die Regeln und Vereinbarungen unserer Kultur kaum berücksichtigt. Bjorkvold bezeichnet diese Form als amorph also als formlos.[2] Beim genaueren Hinhören bemerkt man jedoch eine Form - die Wiederholung.

Weiterhin ist festzustellen, dass je nach Kontext die Konventionen über das Singen verschieden sind. Während es sich beim Liederwerb (Lieder-Lernen) um eine Reproduktion von Regeln handelt, finden wir beim spontanen Gesang eine Art des Singens vor, die ohne einen formellen Rahmen und ganz ohne Aufforderung geschieht. Es kann sich dabei um Reproduktionen des bereits bestehenden Liedrepertoires handeln oder es werden neue Lieder erfunden. Es ist eine Art Phantasiespiel und zeigt das Wohlbefinden des Kindes. Schünemann sprach bereits von einer Reichhaltigkeit an emotionaler und semiotischer Ausdrucksgestaltung.[3] Oft kommt es vor, dass dieser Gesang unterschätzt wird. Beim spontanen Singen werden vorhandene Strukturen bestätigt, verändert und damit weiterentwickelt. Typisch sind Glissandi, ein wellenförmiger Tonhöhenverlauf, mikromelodische Wendungen sowie ein geringer Tonumfang. Das Metrum ist stellenweise regelmäßig bis monoton. Allgemein ist der spontane Gesang ziemlich unerforscht.

[...]


[1] Stefanie Stadler Elmer „Spiel und Nachahmung“. S.140. Ch-Aarau. 2000.

[2] Björkvold: Canto – ergo sum. Musical child cultures in the United States, the Soviet Union and Norway. In F.R. Wilson & F.L. Roehmann (eds.). Music and child development. Proceedings of the 1987 Denver Conference (pp. 117-135). St. Louis, Missouri: MMB Music, Inc.

[3] Schünemann: Musikerziehung. Kistener & Siegel. Leipzig 1930.

Ende der Leseprobe aus 20 Seiten

Details

Titel
Entwicklung des Singens
Hochschule
Folkwang Universität der Künste  (Musikhochschule)
Veranstaltung
Ansätze und Theorien zur Entwicklung musikalischer Fähigkeiten
Autor
Jahr
2003
Seiten
20
Katalognummer
V19471
ISBN (eBook)
9783638235891
ISBN (Buch)
9783640731183
Dateigröße
503 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Entwicklung, Singens, Ansätze, Theorien, Entwicklung, Fähigkeiten
Arbeit zitieren
Joan-Ivonne Bake (Autor:in), 2003, Entwicklung des Singens, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19471

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