USA - Russland und der Jugoslawienkrieg


Magisterarbeit, 2002

101 Seiten, Note: 3,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Veränderung der Rahmenbedingungen
2.1 Die Beziehungen der Sowjetunion zu Jugoslawien vor Kriegsbeginn
2.2 Die Beziehungen der USA zu Jugoslawien vor Kriegsbeginn

3. Russland und der Jugoslawienkonflikt
3.1 das russische Interesse an Jugoslawien
3.2 Die Parallelen zwischen der russischen und der serbischen Situation
3.3 Die schwierige russische Balancepolitik
3.4 Schwindender russischer Einfluss
3.5 Die Behandlung des Balkankonflikts auf der innerstaatlichen Ebene Russlands

4. Die USA und der Jugoslawienkonflikt
4.1 Das Verhalten der USA vor Ausbruch des Konfliktes
4.2 Zwei Lager in der amerikanischen Jugoslawienpolitik
4.3 US – Auslandshilfe für Jugoslawien
4.4 Die USA und der Krieg in Kroatien
4.4.1 Waffenembargo und Wirtschaftssanktionen
4.4.2 Die Zurückhaltung der USA
4.4.3 Die Hilflosigkeit der amerikanischen Jugoslawienpolitik
4.5 Die USA und der Krieg in Bosnien – Herzegowina
4.5.1 Ursachen für das amerikanische Einlenken
4.5.2 Die USA verstärken den Druck auf Serbien
4.5.3 Erste Aktionen seitens USA
4.5.4 Der Druck auf Präsident Bush
4.5.5 Die anhaltende Passivität der USA
4.6 Die amerikanische Jugoslawienpolitik unter Clinton
4.6.1 Die passive Haltung Clintons
4.6.2 Der Militärplan “Lift and Strike”
4.6.3 Endphase des Krieges

5. Das Zusammenspiel Russlands und der USA im Jugoslawienkonflikt
5.1 Die Kontaktgruppe

6. Fazit

7. Zeittafel

8. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Zum ersten Mal seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges wurde Europa wieder von einem Krieg heimgesucht. "Die gewaltsame Desintegration des Vielvölkerstaates Jugoslawien hat Intoleranz, Fanatismus, Hass und Eroberungsstreben in einem Ausmaß zu Tage treten lassen, das nach 45 Jahren Frieden in Europa viele nicht mehr für möglich gehalten hatten."1 "Innerhalb weniger Monate haben die Nachrichten über Massaker an der Zivilbevölkerung, Internierungslager und "ethnische Säuberungen" die Hoffnung auf eine "neue Weltordnung" nach der Überwindung des Kalten Krieges zerstört.“2

Die Internationale Staatengemeinschaft traf dieser Krieg völlig überraschend. Sie benötigte einige Zeit, um eine Anzahl von Maßnahmen anzuordnen. Dabei wurden die Menschen- und Minderheitenrechte durch unabhängige Beobachter überwacht. Darüber hinaus wurden diplomatische, wirtschaftliche und militärische Sanktionen verhängt. Zu einem späteren Zeitpunkt beriet man über Waffenstillstands- und Friedensverhandlungen. Bis zum heutigen Tage dauern diese Maßnahmen an. Einige Kriegsverbrecher standen bereits

vor dem Kriegsverbrechertribunal von Den Haag.

„Zu Recht ist darauf hingewiesen worden, dass die Erfolgschancen der externen Vermittlung vor allem aufgrund der Komplexität der Konfliktkonstellation und der unvereinbaren Interessen und Ziele der Konfliktparteien von Anfang an begrenzt waren.“3

Erst aufgrund der Drohungen und Maßnahmen seitens der NATO und der Diplomatie von Russland und Amerika seit Anfang des Jahres 1994, konnten die Kämpfe weitreichend eingestellt werden.

Die Magisterarbeit beschäftigt sich mit der Rolle der USA und Russlands im Jugoslawienkonflikt.

Kapitel 2 stellt die Veränderungen dar, die sich zwischen den drei Ländern abspielten. Dazu wird zuerst einmal die Sonderrolle Jugoslawiens, bezogen auf die sich verändernden Beziehungen zu den USA und den damit verbundenen sich verschlechternden Beziehungen zu der Sowjetunion, dargelegt. Die geopolitische Situation spielte hier für die guten Beziehungen zu den USA eine große Rolle. Die sowjetischen Interessen an Jugoslawien waren beständig. Begründet wurde dies mit den Wurzeln der beiden Länder und den historischen Verbindungen.

Kapitel 3 beschäftigt sich mit der Balkanpolitik Russlands. Dabei werden im ersten Teil die Grundlagen des sowjetisch – jugoslawischen Verhältnisses erörtert. Dargestellt werden die Beziehungen der beiden Länder vor Kriegsausbruch. Dabei wird auf die besonderen Interessen, die Russland an Jugoslawien hatte, verwiesen. Es sollen Kontroversen und Konflikte, die bestanden, vor dem Hintergrund der jugoslawisch – amerikanischen Beziehungen erklärt werden. In Kapitel 3.5 wird die innenpolitische Situation in Russland, die ausschlaggebend für das russische Handeln war, näher untersucht. Schließlich wird die indirekte und direkte Beteiligung Russlands am Kriegsgeschehen betrachtet. Die direkte Zurückhaltung und die indirekte Einflussnahme auf das Konfliktgeschehen. Es wird hier der Frage nachgegangen, inwieweit das russische Engagement für Jugoslawien nur der außenpolitischen Profilierung als Großmacht diente.

Kapitel 4 erläutert die Jugoslawienpolitik der USA. Nachdem am Anfang die Beziehungen vor dem Kriegsausbruch erklärt wurden, wird nun auf die amerikanische Konfliktbeteiligung eingegangen. Hauptthese dieses Teils der Arbeit ist, dass es sich bei der Jugoslawienpolitik der USA, um einen Neutralitätskonflikt handelte.

Betrachtet wird hier, bezogen auf die Jugoslawienpolitik der USA, zuerst der Zeitraum, in dem sich die Jugoslawienkrise zunehmend verschärfte, bis hin zur Unabhängigkeitserklärung von Slowenien und Kroatien.

Dabei werden die entscheidenden Defizite der amerikanischen Diplomatie herausgearbeitet, die den Einfluss der USA auf das Konfliktgeschehen stark beeinträchtigten. Dazu gehören neben dem Missmanagement, Unbeweglichkeit, fehlende Sanktionsdrohungen und mangelnde Prävention.

Danach wird auf die zurückhaltenden Reaktionen der Amerikaner auf den slowenisch – serbischen Konflikt und den anschließenden Krieg in Kroatien eingegangen. Die Haltung der USA wurde zu dieser Zeit von zwei zentralen Faktoren bestimmt. Zum einen schienen aus der Sicht der Bush–Administration auf dem Balkan keine strategischen Interessen bedroht und zum anderen wurden die Auswirkungen der Desintegration Jugoslawiens auf die Einheit der Sowjetunion und das politische Überleben Gorbatschows befürchtet.

In den Jahren 1993/ 1994 folgte dann eine aktivere Jugoslawienpolitik der USA. Hier wird die Eskalation des Krieges in Bosnien–Herzegowina und die Erfolglosigkeit der europäischen Diplomatie dargelegt.

Die amerikanische Präsidentschaftswahl brachte schließlich den neuen amerikanischen Präsidenten Clinton hervor. Gezeigt werden soll, wie sich dessen Jugoslawienpolitik anfangs kaum von der seines Vorgängers Bush unterschied. Dabei wird auch auf den Sechs – Punkte – Plan von Clinton und seine Haltung zu den Vance–Owen–Verhandlungen eingegangen. Schließlich reaktivierten die Vorschläge des Waffenembargos, die amerikanische Rolle bei den Drohungen der NATO mit Luftangriffen, sowie die strategischen Implikationen der ersten Monate des Jahres 1994, die amerikanische und russische Balkandiplomatie. Es folgte ein aktiverer Einsatz der USA, die aufgrund von Fernsehbildern in der Öffentlichkeit Akzeptanz fanden. Im Zuge dieses neuen Engagements spielten die USA bei den NATO Drohungen zu Beginn des Jahres 1994 eine Schlüsselrolle und erreichten mit Vermittlungen zwischen den bosnischen Kroaten und Muslimen im Frühjahr 1994 ihren bislang größten diplomatischen Erfolg.

Gegen Ende der Arbeit wird das Zusammenspiel der USA und Russlands dargestellt. Es wird veranschaulicht, wie es zur Zusammenarbeit der beiden Länder kam und wie schließlich die Federführung des Konfliktes in die Hände Russlands und Amerikas fiel.

Dabei spielte die Gründung der Bosnien – Kontaktgruppe, welche die Vermittlungsversuche koordinieren sollte eine wesentliche Rolle.

Untersucht werden soll hier, ob die aus globalen Erwägungen erfolgte Einbindung Russlands seitens der USA, der Lösung des Konfliktes förderlich oder eher hinderlich war.

Die Schlussbetrachtung greift die in der Einleitung formulierten und im weiteren Verlauf der Arbeit erhärteten Thesen auf, um sie zusammenfassend zu werten.

Ein kurzer Blick auf die Literaturlage zum Thema der Magisterarbeit. Betrachtet man das Literaturverzeichnis am Ende dieser Arbeit, so stellt man fest, dass viele Zitate aus Zeitschriften und Serien entnommen wurden. An direkter Literatur speziell zu den Themen Russland und der Jugoslawienkonflikt und die USA und der Jugoslawienkonflikt, mangelt es ein wenig. Es findet sich hier trotzdem sehr gute Literatur. Zum Beispiel das Buch von Thomas Paulsen „Die Jugoslawienpolitik der USA 1989-1994“. Der Autor hat alle wichtigen Ereignisse neutral beschrieben und erklärt. Neben den mehr aus Fakten angereicherten Werken, gibt es auch Bücher, die mit viel Hintergrundwissen entstanden. Zum Beispiel das Buch von Marie – Janine Calic „Krieg und Frieden in Bosnien-Herzegowina. Die Autorin, die selbst aus dem ehemaligen Jugoslawien stammt, lässt Erfahrungen mit einfließen. Die Fakten werden von der Schriftstellerin ebenfalls neutral, aber sehr genau durchleuchtet.

Tagespresse und Wochenzeitschriften haben während der Zeit des Konfliktes regelmäßig Informationen gedruckt. Wobei bei diesem Thema mehr auf die amerikanische Tagespresse zurückgegriffen wurde. Jedoch erwiesen sich Medien nur nützlich, wenn es sich um konkrete Einzelereignisse handelte. Es wurden aus den Medien nur Tatsachen und Fakten und keine Spekulationen und Kommentare entnommen. Dies schien zu spekulativ, da sich Kommentare nach einem gewissen zeitlichen Abstand, als inkorrekt erweisen könnten.

2. Veränderung der Rahmenbedingungen

2.1 Die Beziehung der Sowjetunion zu Jugoslawien vor Kriegsbeginn

„Von 1945 bis 1985 erweist sich Ostmittel- und Südosteuropa mit der Formulierung von Stephen Xydis als ein „testing ground, a laboratory for international politics“ ohne Gleichen.“4 In keinem anderen Teil der Welt hat sich die Teilung der Welt zwischen Sowjetunion und den USA so hautnah und facettenreich niedergeschlagen.

Im vergangenen Jahrhundert erreichte die russische Balkanpolitik weltpolitische Bedeutung. „Russland, das im Vergleich mit den anderen Mächten sowohl wirtschaftlich als auch militärisch unterlegen war – die industrielle Revolution hatte in Russland gerade erst begonnen -, kompensierte jene fehlenden Machtfaktoren mit territorialer Expansion.“5 Dazu gehörte auch der Balkan.

Die Beziehungen zwischen den Russen und den Jugoslawen waren nicht durchweg positiv. Es zeichnet sich in der Geschichte der beiden Völker ein Bild ab, das geprägt war von dem jeweiligen Eigeninteresse der beiden Staaten. Dennoch verbindet man immer noch, wenn man an die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und Jugoslawien denkt, den Mythos der Brudervölker. „So wurde Russland im Balkankonflikt von der internationalen Gemeinschaft wie selbstverständlich aus den historischen Verbindungen heraus, als Verteidiger serbischer nationaler Interessen betrachtet.“6

Eine Annährung der beiden Staaten ereignete sich durch die Anerkennung Jugoslawiens seitens der UdSSR am 26. Juni 1940. Schließlich kam es 1941 zur Unterzeichnung eines Freundschafts- und Nichtangriffspaktes.

Während des Zweiten Weltkrieges verhalf Stalin Tito zur Machtübernahme, um sich dadurch einen weiteren Verbündeten gegen das Deutsche Reich zu sichern.

Als nach dem 2. WK Europa unter den Siegermächten aufgeteilt wurde, stellte Südosteuropa für die Sowjetunion eine sicherheitspolitische Pufferzone, im Hinblick auf die Bedrohung durch die NATO, dar. „Stalin forcierte seit 1947 die Umstrukturierung der Volksdemokratien nach sowjetischem Modell und ihre Einbindung in das sozialistische Lager, um die Eindämmung des Westens zu garantieren.“7

Damit trennten sich die Wege Jugoslawiens und der Sowjetunion. Tito wollte sowohl innenpolitisch, als auch außenpolitisch seinen eigenen Weg gehen.

Das jugoslawisch – russische Verhältnis wurde schließlich charakterisiert, als eine Beziehung zwischen „feindlichen Brüdern“.8 Diese Formel beschrieb die unterschiedlichen politischen Ziele und Interessen Jugoslawiens und Russlands.

Nach dem Tode Titos geriet Jugoslawien in ökonomische Engpässe, ausgelöst durch die Weltwirtschaftskrise und den Golfkrieg. So geriet der Staat zunehmend in die Abhängigkeit der Sowjetunion, insbesondere was den Exportmarkt und die Energielieferung betraf.

„Die endgültige Desintegration des sozialistischen Lagers und die damit verbundene Verringerung des Konfliktpotentials zwischen Russland und dem jugoslawischen Staat begann mit der Wendezeit der Sowjetunion seit 1985 unter dem damaligen Generalsekretär der KPDSU, Michail Gorbatschow.“9 Er verlangte von den Staaten Eigenverantwortlichkeit und gewährte ihnen Souveränität. Als sich schließlich die Lage international entspannt hatte, war Jugoslawien und seine strategische Position für die Sowjetunion weniger bedeutend.

2.2 Die Beziehungen der USA zu Jugoslawien vor Kriegsbeginn

Stillschweigende Alliierte – Aktive Gegner, mit diesem Begriff beschrieb 1977 der amerikanische Botschafter in Belgrad, Silbermann, die typische Ambivalenz von Konflikt und Kooperation im Verhältnis zwischen den USA und Jugoslawien.

„Zunächst aber ist die in der Formel ausgedrückte Ambivalenz von Konflikt und Kooperation im Verhältnis zwischen Jugoslawien und den USA nicht überraschend, handelt es sich doch um das Verhältnis zwischen dem Land, das als Inbegriff der Blockfreiheit gilt, und einer der beiden Supermächte, deren Rolle in der internationalen Politik gerade durch die blockfreie Konzeption internationaler Beziehungen sowohl prinzipiell herausgefordert wurde, als auch in ihrer außenpolitischen Praxis immer wieder im Zentrum blockfreier Kritik stand.“10

Die jugoslawischen Beziehungen zu Amerika änderten sich, als es zum Bruch zwischen der Sowjetunion und Jugoslawien kam. Jugoslawien suchte nun einen neuen wirtschaftlichen Partner. „Nach Ende des Zweiten Weltkrieges und Titos Bruch mit Stalin im Jahre 1948 sind die Beziehungen der beiden Länder zunächst von intensiver politischer, wirtschaftlicher und militärischer Zusammenarbeit geprägt.“11

Dabei hat sich die amerikanische Jugoslawienpolitik primär von strategisch – sicherheitspolitischen Betrachtungen, vor dem Hintergrund des Ost – West – Konfliktes, führen lassen. „Da Jugoslawien der Sowjetunion den direkten Zugang zur Adria verwehrt, hat es als Nicht – Mitglied des Warschauer Pakts hohen geostrategischen Wert für die USA.“12

Damit sollte eine Verstärkung der militärischen Position der Sowjetunion, im östlichen Mittelmeerraum, abgewendet werden.

Diesem Interesse entspricht die immer zitierte offizielle Formulierung zur Beschreibung des jugoslawisch – amerikanischen Verhältnisses. Danach waren die USA bestrebt, Jugoslawien Alternativen zur Abhängigkeit von der Sowjetunion und osteuropäischen Staaten anzubieten und Jugoslawien dadurch beim Aufbau seiner Unabhängigkeit entschieden zu unterstützen.

Vor dem Hintergrund des Ost – West – Konfliktes zielten diese strategisch – sicherheitspolitischen Überlegungen der USA darauf ab, das Einflussgebiet der Sowjetunion zu reduzieren. Diese „Containment-Politik“ der USA versuchte bis zum Ende des Kalten Krieges den Feind Russland in Schach zu halten. Jugoslawien war jedoch nicht bereit, sich den USA politisch anzuschließen. Tito sagte in einer Rede im Dezember 1968, dass die Beziehungen zu den USA keinen Schritt in Richtung Westen darstellten. Es ginge lediglich darum, die wirtschaftlichen Beziehungen zu intensivieren und damit einen Teil zur friedlichen Koexistenz beizutragen.

„Es entbehrt jedoch nicht einer gewissen Ironie, dass es nach dem Bruch mit der einen Supermacht und der Entscheidung für eine blockfreie Politik, die „andere“ Supermacht war, bei der Jugoslawien durch massive wirtschaftliche Hilfe und umfangreiche Waffenlieferungen den entscheidenden Rückhalt fand, um seine gerade errungene blockfreie Position zu konsolidieren.“13

Das Ziel Tito war es, sein Land unabhängig von der Sowjetunion zu führen. Dabei konnte er voll auf die US-Regierung zählen, die sich für die Souveränität, Unabhängigkeit und die territoriale Integrität Jugoslawiens stark machte. Amerika unterstützte Jugoslawien mit Wirtschaftshilfen und darüber hinaus auch mit Waffenlieferungen. Als sich zum Beispiel die amerikanische Wirtschaft 1976 von den Auswirkungen der weltweiten Rezession in den 70 er Jahren erholte, flossen jugoslawische Exporte verstärkt auf den US-Markt. Amerika wollte damit die durch die Rezession bedingten fehlenden Absatzmöglichkeiten der jugoslawischen Wirtschaft ausgleichen. Die USA akzeptierten auch die Blockfreiheit Jugoslawiens, vor dem Hintergrund der Spannung zwischen Jugoslawien und der Sowjetunion.

Jedoch führte die Hinwendung Titos zur Blockfreiheit wieder zur Entzweiung und Trennung von den USA. Grund war die Kritik Titos an den bipolaren Blockstrukturen und die Supermächte.

„Insgesamt zeichnet sich die amerikanische Jugoslawienpolitik während des Kalten Krieges durch eine große Kontinuität aus: Bis in die 80er Jahre hinein bleibt es das zentrale Ziel der USA, „to support Yugoslavia in its goal of maintaining complete independence and, through political, commercial, and cultural involvement,...to offer Yugoslavia alternatives to dependence on the Soviet Union.“14

Diese Haltung der USA gegenüber Jugoslawien änderte sich auch nicht nach dem Tode Titos im Jahre 1980. „Als führender reformsozialistischer und blockfreier Staat, dessen Stabilität wesentlich zum geopolitischen Gleichgewicht in Europa beiträgt, erfreut sich Jugoslawien weiterhin einer privilegierten Behandlung durch den Westen.“15

Auch als in den Jahren 1989/90 Menschenrechtsverletzungen im Kosovo bekannt wurden, waren andere Faktoren für die USA bedeutender. Ein Beispiel der Menschenrechtsverletzung war ein Gesetzesentwurf, der den Albanern verbot von Serben Immobilien zu kaufen. Die Situation in Jugoslawien erschien noch liberaler als die schwierige Situation im sowjetischen Machtbereich. Der russische Präsident Jelzin hatte zu dieser Zeit erhebliche Differenzen mit der Opposition, die ihn aus seinem Amt entfernen wollte.

Anfang der 80er Jahre konzentrierte sich Amerika auf die drängenden ökonomischen und

finanziellen Probleme des Landes. Gleichzeitig versuchten die USA jedoch, Belgrad weiter in Richtung Demokratisierung und Einhaltung der Menschenrechte zu drängen.

Diese amerikanisch – jugoslawische Beziehung verlor sich schließlich im Laufe der 80er Jahre, als die Ost – West – Konfrontation sich allmählich abbaute. „Mit dem Ende des Kalten Krieges verliert Jugoslawien seine zentrale geostrategische Bedeutung für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik des Westens.“16 Damit entfällt aber auch die

Hauptmotivation für die westlichen Finanz- und Wirtschaftshilfen.

Als schließlich die kommunistischen Regime von Polen, Ungarn und der Tschechoslowakei stürzten, verlor Jugoslawien seine Stellung als reformsozialistisches Mutterland.

„In Weiterführung der „traditionellen“ amerikanischen Jugoslawienpolitik bleiben die USA auch Ende der 80er Jahre den Zielen Demokratie, Marktwirtschaft, Menschenrechte, Stabilität, Einheit, territoriale Integrität und Unabhängigkeit verpflichtet.“[1]

Trotz des immer deutlicher werdenden Konfliktpotentials auf dem Gebiet des ehemaligen Jugoslawiens, treten die USA immer noch für die Einheit Jugoslawiens ein. Besonders kritisiert wurde der serbische Nationalismus von Slobodan Milosevic. Trotzdem wurde zu dieser Zeit noch kein gravierendes Problem, das von Milosevic ausging, erkannt. Obwohl Amerika den Nationalismus Milosevics ablehnte, war man im State Department der Meinung, man müsse sich aus realpolitischen Gründen mit Milosevic arrangieren.

„Dass die politischen Aktionen des serbischen Kommunistenführers kein großes Engagement für Demokratie und Marktwirtschaft erkennen lassen und bestenfalls auf einen autoritären Zentralismus hinauslaufen, macht das Dilemma, dem sich die USA gegenübersehen, um so deutlicher.“[2] „Mit diesen Widersprüchlichkeiten im Zielsystem der amerikanischen Jugoslawienpolitik sind schon Ende der 80er Jahre die Grundlagen für die Fehleinschätzungen und Enttäuschungen des Jahres 1991 bereitet.“[3]

3. Russland und der Jugoslawienkonflikt

3.1 Das russische Interesse an Jugoslawien

„Die These von den strategischen russischen Interessen in der Region ist ein Versuch, die traditionelle imperiale expansionistische Politik Russlands wiederzubeleben, sie dient der Begründung einer großen slawischen Allianz als Gegengewicht zur von den USA und Europa propagierten "Neuen Weltordnung" und als Keil gegen die Pläne zur NATO - Osterweiterung."[4]

"Das strategische Interesse an Jugoslawien, insbesondere an Serbien, wird von Moskau mit einer Vielzahl an Stereotypen, ethnischen, religiösen und historischen Gemeinsamkeiten begründet."[5] Mit diesen Stereotypen unterlegte Russland seine proserbische Haltung.

Die ethnischen und religiösen Stereotype zwischen den Serben und den Russen sind, obwohl beide Völker orthodoxe Slawen sind, so unterschiedlich wie bei anderen Völkern. Der russische Politologe Sergej Romanenko kritisierte diesen Mythos der serbisch-russischen Verwandtschaft.

"So seien die Russen, die sich heute lauthals als "Glaubensbrüder" der Serben bezeichnen und ihnen zu Hilfe eilen wollen, mit der Warnung vor dem "jugoslawischen Revisionismus" aufgewachsen, während die serbischen Generäle, die vehement die militärische und politische Unterstützung von Russland einfordern, in der Angst vor der sowjetischen Aggression ausgebildet worden."[6]

Nun fragt man sich zurecht, wieso Russland dann nicht die von Serbien bedrohten slawischen Völker unterstützte, sondern gerade die Serben.

Zum einen wird hier auf die russisch-serbische Schicksalsgemeinschaft verwiesen.

Die beiden Vielvölkerstaaten Sowjetunion und Jugoslawien seien mit dem Niedergang des Kommunismus zerbrochen, unter dem sie gelitten hätten.

Hierbei vergleichen die Russen gerne die Stellung Serbiens im ehemaligen Jugoslawien, mit der Stellung Russlands in der Sowjetunion.

"Russen wie Serben erkennen im vergangenen kommunistischen Staat heute weniger ein Instrument ihrer Vorherrschaft als eines zur Verhinderung der ihnen zukommenden Machtstellung."[7]

Sie seien jetzt neuen Bedrohungen ausgesetzt. Die Vision von der "Balkanisierung" des eigenen Landes, der Weg vom Zerfall zum Krieg, erscheint als neues Schreckensbild.

Die Aufgabe der beiden Länder sei es nun, um die Integrität ihrer Staaten zu kämpfen und die geflüchteten Landsleute in ihrer neuen Heimat zu schützen.

Die Kritik vieler Russen richtet sich unter anderem gegen die USA, die sich ihrer Meinung nach als "Weltpolizist" aufspielt. Dabei würde der Westen ein Exempel für Russland statuieren, in dem es die Sanktionen gegen Serbien verhänge und zuschauen, wie die Amerikaner auf dem Balkan eine neue Ordnung einrichten.

Außerdem kann Russland den Niedergang als Weltmacht nur schwer ertragen. Hier dient

die Anlehnung an die Geschichte als Kompensation der nationalen Demütigung in der Gegenwart. Dies wiederum verbindet die Russen mit den Serben, die sich ebenfalls gedemütigt fühlen.

3.2 Parallelen zwischen der russischen und der serbischen Situation

„Die zentrifugalen Tendenzen im ehemaligen Jugoslawien werden von der überwiegenden Mehrheit der russischen Eliten vorrangig als Analogie für künftige Entwicklungen auf russischem Territorium und dem Territorium der GUS gesehen.“[8] Die Parallelen zwischen der russischen und der serbischen Situation zeigen sich darin, dass beide Staaten neue Nationalstaatsgebilde sind, gleichsam Rumpfterritorien, die vormals ein eine größere föderale Struktur eingebunden waren. Große Teile der russischen und der serbischen Bevölkerung lebten außerhalb des Nationalstaates. Dort stellten sie eine ethnische Minderheit dar. Diese Situation sehen die Russen als eine Verbundenheit mit den Serben. Sie erkennen hier ihre eigene Situation, nur in extremeren Formen. Entscheidend für die Situation ist jedoch der Verlust der nationalen Identität durch territoriale Aufteilung. Mit dieser territorialen Abspaltung verbanden die russischen wie auch die serbischen Minderheiten einen Verlust ihrer nationalen Identität.

„Das Bemühen um territoriale Integrität und die Eindämmung einer eventuellen Ausbreitung des ethnischen Konflikts in Jugoslawien auf den gesamten Balkan und darüber hinaus auf das Gebiet der ehemaligen Sowjetunion können als erste Beweggründe des sowjetischen und später russischen Engagements in EX – Jugoslawien angeführt werden.“[9]

Beispiel für die territoriale Integrität in Russland stellt das Gebiet der Tschetschenen dar. Auch sie wollten sich von Russland abspalten, was ihnen jedoch nicht gelang. Daraus resultierte schließlich ebenfalls ein grausamer Bürgerkrieg.

3.3 Die schwierige russische Balancepolitik

"Bereits Anfang 1991 äußerte die Sowjetregierung zusammen mit den Westmächten ihre tiefe Besorgnis über die Auflösungserscheinungen in Jugoslawien wegen der möglichen Rückwirkungen auf die UdSSR und andere Länder.“[10] Deshalb unterstützte der russische Außenminister die Bestrebungen des Westens, den Staat Jugoslawien zu erhalten.

"Der Zerfallsprozess in der Sowjetunion und in Jugoslawien rief eine gewisse Interessensgemeinsamkeit der Führungseliten hervor, die beiden Vielvölkerstaaten und ihre politische Machtstellung zu erhalten."[11] Das war einer der Gründe weshalb Gorbatschow die westlichen Vermittlungsbemühungen auf dem Balkan unterstützte. Auf dem Gipfeltreffen in Moskau am 31. Juli 1991 verurteilten Bush und Gorbatschow die Gewalttaten in Jugoslawien. Gleichzeitig traten sie aber für die Wahrung Jugoslawiens und dessen Grenzen ein.

Wie die USA, so lehnte auch die Sowjetunion die Unabhängigkeit der beiden Republiken ab, auch wegen der Befürchtung einer Internationalisierung des Konfliktes. Dies machte die Sowjetunion auch auf der KSZE – Sitzung im Juli 1991 deutlich, in dem sie klar machte, dass eine internationale Einmischung in die Balkankrise zu verhindern sei. Notfalls wolle sie dies, durch das Einlegen eines Vetos im UN – Sicherheitsrat verhindern.

Zugleich nahmen Militärkreise in der Sowjetunion und im ehemaligen Jugoslawien Kontakt auf. Nach Informationen des kroatischen Generals Spegelj, der zu dieser Zeit noch im Dienste der Jugoslawischen Volksarmee (JVA) stand, wurden in Moskau Geheimgespräche über Waffenlieferungen geführt. Ziel war es, gemeinsame Putschversuche durchzuführen. In Russland scheiterten jedoch diese Pläne, wobei sie jedoch im ehemaligen Jugoslawien realisiert wurden. Die Folge war die Intervention der jugoslawischen Armee in Slowenien und schließlich der Krieg in Kroatien und in Bosnien.

Noch im Herbst 1991 wurden die Aktionen der Jugoslawischen Armee in Kroatien von Russland verurteilt.

Dabei geriet Jelzin unter den Druck der national - kommunistischen Opposition, die ihm Servilität gegenüber dem Westen und Verrat am serbischen "Brudervolk" vorwarf. Auf einer Reise durch Jugoslawien im Mai 1992 versuchte Außenminister Kosyrew vergeblich, zwischen den Kriegsparteien zu vermitteln.

„Bis Mitte 1992 folgte Russland weitgehend der westlichen Politik: Höhepunkt der Zusammenarbeit war die Zustimmung Russlands zu den am 29. Mai 1992 verhängten Wirtschaftssanktionen, die Belgrad sich selbst zuzuschreiben habe.“[12]

Anfang des Jahres 1992 schloss sich Russland der Politik der internationalen Staatengemeinschaft an. Im Februar 1992 erkannte auch Russland die Unabhängigkeit Kroatiens und Sloweniens an. Das Außenministerium begründete dies mit den Worten:“ To respect political realities and not to lag behind partners in European processes“.[13]

Die Zusammenarbeit Russlands mit dem Westen gegen Serbien ergab sich aus den schlechten persönlichen Beziehungen, die zwischen Milosevic und Jelzin bestanden. Während Jelzin dem Ziel eines demokratischen Russland nachging, verfolgte Milosevic immer noch das Ziel eines großserbischen Reiches.

Die Annäherung an den Westen erreichte seinen Höhepunkt, als Russland den Sanktionen gegen Restjugoslawien im Mai 1992 zustimmte. Dem Ausschluss Rest-Jugoslawiens aus der KSZE und die Einfrierung der Beziehungen, gab die Regierung schließlich unter dem wachsenden Druck der Bevölkerung ihre Zustimmung. Jedoch setzte Russland die Mineralöllieferungen und die Gaslieferungen trotz verhängter Handelssanktionen fort.

"Unter dem Druck der kommunistischen und national-patriotischen Opposition versuchten die Außenminister Kosyrew und Primakow zunehmend, das russische Eigeninteresse zu demonstrieren, ohne den Westen zu brüskieren."[14]

Die russische Regierung versuchte immer wieder phasenweise, seine Balkanpolitik zu ändern. Jedoch immer darauf bedacht, die Kooperation mit der internationalen Staatengemeinschaft nicht zu gefährden.

Ab dem Sommer 1992 strebte die russische Führung danach, ihre Außenpolitik unabhängiger vom Westen zu gestalten, ohne sich jedoch vom Westen abzusetzen. Ziel des Außenministeriums war es, einen Kompromiss zwischen den Interessen des Westens und denen der Opposition zu finden. Dabei unterstützte es die westliche Sanktionspolitik, hob aber gleichzeitig auch die serbischen Belange hervor. Die Unterstützung der serbischen Belange wollte sie durch die Ablehnung militärischer Interventionen betonen. Russland wollte eine Jugoslawienpolitik, gestützt von Sanktionen und humanitären Hilfslieferungen.

Dieser Balanceakt der Russen wurde auch vom Westen unterstützt. Die USA wollten die Serben zu anfangs nicht gewaltsam stoppen, auch im Hinblick auf die Stellung Jelzins. "So gelang es der russischen Diplomatie, die wegen ständiger Missachtung der UN - Resolutionen und Fortsetzung des Eroberungsfeldzuges in Bosnien angedrohte Militäraktion gegen Serbien zu hintertreiben und die von der Londoner Konferenz vom August 1992 vorgesehene Verschärfung der Sanktionen bis April 1993 zu verzögern.“[15]

Die Unentschlossenheit der internationalen Staatengemeinschaft über den militärischen Einsatz in Bosnien kam Russland zu gute. Die russische Regierung stellte dies als einen außenpolitischen Erfolg gegenüber der eigenen Opposition dar.

„Das russische Außenministerium konnte seinen Umschwung in der Balkanpolitik durch den innenpolitischen Druck und die schwierige innenpolitische Lage in Russland begründen, die es zur Kurskorrektur veranlasst hatte.“[16] Im Westen zeigte man Verständnis für die schwierige Lage, in der sich Jelzin befand. Die russische Außenpolitik konzentrierte sich nun vermehrt auf die Wahrung der eigenen Großmachtinteressen. Die Regierung in Russland begann schließlich, sich der Tatsache zu bedienen, dass sie der internationalen Staatenwelt als Vermittler unentbehrlich schienen.

Russland setzte sich für eine Verschärfung des Waffenembargos für alle Kriegsparteien ein. Darüber hinaus sicherte es Restjugoslawien die Aufhebung der Sanktionen zu, wenn sie den Vance-Owen-Plan einhalten würden. Kroatien drohte Russland mit Sanktionen, falls sie die Kämpfe in der Krajina und Bosnien nicht einstellen würden. Durch die militärischen Aktionen der Kroaten und Bosnier, mussten die Russen nicht mehr nur die Serben für die Gewalttaten im ehemaligen Jugoslawien verantwortlich machen.

Wie sehr der Westen sich an Russland orientierte, sieht man daran, dass die UN-Resolution über verschärfte Sanktionen erst in Kraft trat, als die russische Regierung in einem Referendum am 25. April 1993 ihre Zustimmung erteilte. Moskau stimmte der Verschärfung zu. Im Mai 1993 verfolgten die USA den Plan einer militärischen Intervention. Diesen verwarf sie jedoch wegen der Einwände Russlands, Englands und Frankreichs. "Ende Mai kamen die USA und Russland überein, den Vance-Owen-Plan fallen zulassen und eine Teilung Bosniens zu befürworten, was eine Berücksichtigung der serbischen Eroberungen implizierte."[17]

Daraufhin wurde der Militäreinsatz im Sommer 1993 auf einen rein humanitären Einsatz beschränkt. Am 29. Juni wurde der Antrag der USA auf Aufhebung des Waffenembargos gegen die Moslems im UN-Sicherheitsrat von Russland, China, Großbritannien, Frankreich und Spanien mit dem Hinweis auf die Gefährdung der UNO-Soldaten abgelehnt. Nach dem Russland die Lockerung oder die völlige Aufhebung der Sanktionen gefordert hatte, beschloss die EG den Serben entgegen zu kommen, falls diese im Gegenzug zu territorialen Zugeständnissen bereit waren.

„All diese Erfolge russischer Diplomatiedienste mit westlichem Zutun, diente der Profilierung gegenüber der inneren Opposition und trug dazu bei, ein entschiedeneres Vorgehen des Westens im Jugoslawienkrieg zu verhindern."[18]

"Trotz des für Jelzin günstigen Ausgangs im Machtkampf mit dem Parlament im Herbst 1993 blieb nach dem Wahlsieg von Shirinowskijs Ultranationalisten und den Kommunisten sowie kurz darauf von Milosevics Sozialisten in Serbien im Dezember 1993 die russisch serbische Konstellation bestehen."[19] Im Anschluss forderten amerikanische Parlamentarier die Aufhebung der Sanktionen und warnten vor Luftangriffen ohne die Zustimmung des UN-Sicherheitsrates. Erst nach dem brutalen Massaker auf dem Marktplatz in Sarajevo am

6. Februar 1994 lenkte die russische Regierung ein und tolerierte das Ultimatum der NATO.

Die Russen veranlassten den Rückzug serbischer Truppen rund um Sarajevo und verhinderten damit die Luftangriffe des Westens. Der Rückzug der serbischen Armee wurde unter anderem von russischen Blauhelm-Truppen überwacht. Erstmalig waren hier wieder russische Truppen in Jugoslawien.

"Stärkeres amerikanisches Engagement, beginnend im Frühjahr 1994 mit der von Washington forcierten muslimisch-kroatischen Annäherung, führte zu einer Marginalisierung der russischen Politik, die vergeblich durch ein Militärabkommen mit Belgrad zu kontern suchte."[20] Jedoch erfolgten trotz der russischen Bedenken Luftangriffe der NATO gegen die bosnischen Serben.

"Ohne Beteiligung Russlands wurde von Deutschland und den USA die Wiederannäherung von Kroaten und Moslems forciert, die zu einem Waffenstillstand und dem Washingtoner Abkommen im März 1994 über die muslimisch-kroatische Förderation und deren Konföderation mit Kroatien führte.“[21] Mit diesem Abkommen konnten nun die Russen auf die Serben Druck ausüben, sie verhalfen den Serben zu einem "Sieg durch Rückzug". Auch die Russen waren nun neben dem Westen an einem Frieden auf dem Balkan interessiert und versuchten durch ihren Druck auf die Serben ihre Großmachtstellung zu bestätigen.

"Den Serben erleichterten sie Konzessionen und Gesichtswahrung, denn dem großen Bruder nachzugeben ist keine Schande."[22]

Dadurch wurden die Russen wieder zu einem Ordnungsfaktor im Jugoslawienkonflikt. Russland machte daraufhin auf den Konflikt zwischen Zagreb und den Krajina Serben aufmerksam. Jelzin forderte im April 1994 ein Gipfeltreffen zur entgültigen Lösung des Jugoslawienkonfliktes. Daraufhin wurden Russland und die USA, um künftige Zwiespälte zu vermeiden, in die Kontaktgruppe für Bosnien und die Untergruppe für Kroatien aufgenommen. Nachdem der Friedensplan im Juli 1994 von den bosnischen Serben abgelehnt wurde, forderte Russland Belgrad auf, auf Pale, und damit auf die bosnischen Serben, Druck auszuüben.

Am 4. August brach Milosevic den Kontakt zu den bosnischen Serben ab. Das jedoch nicht ohne Hintergedanken, denn er erhoffte sich dadurch eine Lockerung der Sanktionen. Auf der Gipfelkonferenz der Präsidenten von Serbien, Kroatien und Bosnien ersehnte man sich einen Einfluss Russlands auf die Serben. Jedoch schien dieser Einfluss eher als eine Art Zusammenarbeit. "Paradoxerweise erreichte die russische Führung in Ex-Jugoslawien einen Grad an Einfluss, der alles übertraf, was die Sowjetunion je hätte erreichen können."[23] Moskau hatte am Ende, mit dem Einvernehmen des Westens, einen erheblichen Einfluss auf die strategischen Entscheidungen der NATO. Letztlich haben die USA und die westeuropäischen Verbündeten Russland geradezu animiert, die Rolle einer Groß- und Ordnungsmacht an seiner Peripherie zu übernehmen und internationale Arrangements in Ostmitteleuropa und auf dem Balkan mitzubestimmen. "Die übermäßige Rücksichtsnahme des Westens auf Russland hatte die Konsensmöglichkeit weiter minimiert und zum damals erfolglosen Krisenmanagement beigetragen."[24]

Bei dem Waffenstillstand zu Anfang des Jahres 1995 versuchte Russland die Position Serbiens durch ein Militärabkommen mit Restjugoslawien zu stärken.

"Trotz des wachsenden Drucks auf Sarajevo, Geiselnahme von UN-Soldaten und serbischen Angriffen gegen die Schutzzonen von Srebrenica und Zepa wandte sich die russische Führung strikt gegen jegliche Militärinterventionen (auch aus der Luft) und eine "unabhängige Rolle der NATO ", da dies Russlands Position gegenüber den Serben schmälern und von der eigenen Öffentlichkeit angeprangert würde."[25]

Als die Kämpfe rund um Sarajevo eskalierten, bot Kosyrew an, die russischen UNO-Soldaten zu verstärken. Kurz darauf beschloss der UN – Sicherheitsrat die Gründung einer „Schnellen Eingreiftruppe“, um die UNO - Soldaten zu schützen. Russland und China enthielten sich bei der Abstimmung.

Als am 11 Juli, die Einnahme von Srebrenica und die dort stattfindenden Massaker an der Bevölkerung auch nicht durch NATO – Luftangriffe verhindert werden konnten, befand das russische Außenministerium die ganze Aktion als sinnlos. Noch am Tag darauf wurde in der Duma eine Resolution verabschiedet, in der sie forderte, dass die Wirtschaftssanktionen gegen Serbien aufgehoben werden sollten. Daneben wurden die Luftangriffe verurteilt und der NATO vorgeworfen, dass sie für eine Seite Partei nehmen würde. Der Misserfolg kam der russischen Politik gerade entgegen. Sie behauptete, dass das Eingreifen von außen die Verhandlungen nur behindere. Gorbatschow und Kosyrew rühmten sich sogar damit, einen Luftangriff gegen die bosnischen Serben und die Intervention zur Sicherung der verbliebenen Schutzzonen verhindert zu haben. Man konnte sich schließlich nicht einigen, welche Maßnahmen nötig seien, um die Angriffe der Serben auf die Schutzzonen zu verhindern.

3.3 Schwindender russischer Einfluss

Die ausschlaggebende Wende, was die Einflussnahme Russlands auf den Krieg betrifft, verursachte die kroatische Blitzoffensive gegen die bosnischen Serben im Sommer 1995. Hier verschwand das serbische Problem. Zugleich veränderte sich auch die Rolle Russlands. Dadurch, dass Russland zuständig war für die Serben, die aber nicht mehr da waren, gab es auch für Russland keine Aufgabe mehr. Russland beschuldigte den Westen, die Kroaten begünstigt zu haben.

Diese Offensive wurde von Moskau kritisiert und von den USA unterstützt. Das Ergebnis war, dass Russland nun kaum noch gebraucht wurde. Die eigentlichen Friedensvermittlungen führten die Amerikaner und die NATO durch, jedoch wurde versucht, Russland stärker in die Sicherung des Friedens mit einzubeziehen. Russland durfte sich an der NATO Friedenstruppe IFOR beteiligen. Russland versuchte sich anzupassen, jedoch immer mit der Absicht, doch eine eigene Linie fahren zu können.

Um jedoch nicht ins Abseits gedrängt zu werden, lud Jelzin den kroatischen und serbischen Präsidenten für den 10. August 1995 zu Friedensgesprächen nach Moskau. Beide Präsidenten waren zuerst sehr angetan von der Einladung. Jedoch sagte Tudjman

kurze Zeit später wieder ab. Grund war seine und die amerikanischen Bedenken. Darüber hinaus kritisierte er auch, dass der bosnische Präsident Izetbegovic nicht eingeladen worden war. Daraufhin fand das Treffen nur zwischen Milosevic und Jelzin statt. Jelzin ergriff sofort Partei für die serbische Friedensbereitschaft und verurteilte die Kroaten. Er drohte sogar mit einseitiger Aufhebung der Sanktionen. Durch das Treffen Jelzins mit Milosevic, sonderte er sich von den anderen Mitgliedern der Kontaktgruppe ab.

„Ein neues Massaker auf dem Marktplatz in Sarajevo am 28. August nahm die NATO zum Anlass für die Aufnahme von Luftangriffen am 30. August, ohne die Zustimmung des UN-Sicherheitsrats und damit Russlands abzuwarten.“[26]

Die Nato wollte dadurch den serbischen Ring um Sarajevo herum aufbrechen und gleichzeitig die Serben dazu bewegen, wieder an Verhandlungen teilzunehmen. Die amerikanische Seite begann mit Hilfe des Sondergesandten Richard Holbrooke, mit Vermittlungsbemühungen, während Russland die Aktion der NATO verurteilte und damit drohte, die Serben zu beschützen.

„Die Duma forderte sogar die Aufkündigung der NATO-Partnerschaft für den Frieden sowie die Ablösung von Außenminister Kosyrew wegen des „Balkan-Debakels.“[27] Die Liberalen in Russland dagegen boykottierten die Sitzungen der Duma und bezeichneten die Worte als Wahlkampfgetöse. Die Zwiespälte im eigenen Land gefährdeten auch die Zusammenarbeit mit dem Westen. Der russische Präsident Jelzin unterstützte die humanitäre Hilfe des Westens, aber gleichzeitig war er gegen die Aufhebung der Sanktionen gegen die Serben. Auch im eigenen Land kritisierte er die Beschlüsse der Duma.

[...]


1 Thomas Paulsen, Die Jugoslawienpolitik der USA 1989-1994, Nomos Verlagsgesellschaft,

Baden – Baden 1995, S. 11.

2 Ebd., S. 11.

3 Vgl., Düstere Aussichten für Bosnien – Herzegowina. In: Europa Archiv 49 (1994)3, S, 71-79.

4 Vgl. Klaus – Detlev Grothusen, Weltpolitische Rahmenbedingungen und Voraussetzungen des politischen

Wandels in Ostmittel- und Südosteuropa, Hamburg. In: Klaus – Detlev Grothusen (Hrsg.), Ostmittel-

und Südosteuropa im Umbruch, Südosteuropa – Jahrbuch 24, Südosteuropa – Gesellschaft, München 1993,

S, 46.

5 Regina Heller, Russische Interessen im Balkankonflikt, Osteuropa: Geschichte, Wirtschaft, Politik,

Band 20, LIT Verlag, Hamburg 1998, S. 75.

6 Vgl., Ebd., S. 76.

7 Vgl., Heller, S. 72 – 73.

8 Vgl., Dr. Curt Gasteyger, Die feindlichen Brüder, Jugoslawiens neuer Konflikt mit dem Ostblock 1958, Swiss

Eastern Institute Ltd, Bern 1960.

9 Vgl., Heller, S. 73.

10 Annemarie Große - Jütte/Rüdiger Jütte: Die außenpolitischen Beziehungen zwischen Jugoslawien und den

USA 1968-1978, in: Klaus-Detlev Grothusen/Othmar Nikolai Haberl/Wolfgang Höpken (Hrsg.),

Jugoslawien am Ende der Ära Tito, Bd.1: Außenpolitik, München/Wien 1983 (Südosteuropa- Jahrbuch,

Bd.12), S.59.

11 Beatrice Heuser, Western „Containment“ Policies in the Cold War: The Yugoslav Case 1948-53,

New York 1989, S. 82.

12 Vgl., V .P. Gagnon, Yugoslavia: Prospects for Stability. In: Foreign Affairs, 70 (1991)3, S. 17-35.

13 Vgl., John C. Campbell, Tito’s Separate Road, America and Yugoslavia in World Politics, Council on

Foreign Relations New York 1967, S. 166.

14 F. Oldenburg, Konsens und Dissenz in den jugoslawisch – sowjetischen Beziehungen. In: Beiträge zur

Konfliktforschung 3. 1977, S. 77 – 128.

15 Vgl., Paulsen, S. 20

16 Marie – Janine Calic, Jugoslawienpolitik am Wendepunkt. In: Aus Politik und Zeitgeschichte. Beilage zur

Wochenzeitung das Parlament, (1993) B 37, S. 14.

[1] Vgl., Paulsen, S. 22.

[2] Ebd., S. 22, 23.

[3] Ebd., S. 23.

[4] Vgl., Peter Bonin, Historische Mythen und die rußländische Balkanpolitik. In: Osteuropa, A- 169ff.

[5] Hans – Joachim Hoppe, Russland und der Jugoslawienkonflikt, Bundesinstitut für ostwissenschaftliche

und internationale Studien, Köln 1997, S. 7.

[6] Vgl., Segodnja, 15.9.1995, S. 9.

23 Hans – Joachim Hoppe, Russland und der Jugoslawienkonflikt, Berichte des Bundesinstitutes für

ostwissenschaftliche und internationale Studien, Köln 1997, S. 8.

[8] Vgl., Heller, S. 88.

25 Ebd., S. 89.

[10] Vgl., Hoppe, S. 12.

[11] Vgl., Hoppe, S. 4.

[12] Vgl., Hans – Joachim Hoppe, Der Jugoslawienkrieg in der internationalen Politik. In: Zwischen Krise und

Konsolidierung, Jahrbuch 1994/ 95, hrsg. V. BIOst, München/ Wien 1995. S. 393 – 405.

29 Pavel Vologuev/ Ludmila Tuagunenko, Realities or Lack of Independence. On the occasion of the

regognition of Slovenia and Croatia by Russia. In: Review of International Affairs 1002 (1992) Jg. 63, S.4.

30 Vgl., Hoppe, Rußland und der Jugoslawienkonflikt, S. 4.

[15] Ebd., S. 13.

[16] Vgl., Heller, S. 117.

[17] Vgl., Hoppe, Rußland und der Jugoslawienkonflikt, S. 4.

34 Ebd., S. 14.

35 Vgl., Allen Lynch/Renea Lukic. Russian foreign policy and the wars in the former yugoslavia. In: Rfe/

Rlreasaerch report, vol. 2, no.41, 15.10.1993, S. 25-32.

36 Vgl., Hoppe, Rußland und der Jugoslawienkonflikt, S. 14.

37 Vgl., Ebd., Hoppe, S. 15.

38 Wolf Oschlies, Konföderation in Bosnien – Herzegowina? In: Aktuelle Analysen des BIOst, 14/1994, S. 18.

[23] Vgl., Hoppe, Rußland und der Jugoslawienkonflikt, S. 16.

40 Vgl., Allen Lynch, Politics without government. In: Transition, the year in review: 1994 part II, 15.2.95,

S. 2-4.

41 Vgl., Hoppe, Rußland und der Jugoslawienkonflikt, S. 16.

42 Vgl., Hoppe, Rußland und der Jugoslawienkonflikt, S. 17.

43 Vgl., Ebd., Hoppe, S. 18.

44 Vgl., Scott Parrish, Twisting in the wind: Russia and the Yugoslav Conflict. In: Transition, 20, 3.11.1995,

S. 31.

Ende der Leseprobe aus 101 Seiten

Details

Titel
USA - Russland und der Jugoslawienkrieg
Hochschule
Albert-Ludwigs-Universität Freiburg  (Wissenschaftliche Politik)
Note
3,0
Autor
Jahr
2002
Seiten
101
Katalognummer
V19409
ISBN (eBook)
9783638235495
ISBN (Buch)
9783638700467
Dateigröße
850 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Russland, Jugoslawienkrieg
Arbeit zitieren
Simone Konstanzer (Autor:in), 2002, USA - Russland und der Jugoslawienkrieg, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19409

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