Umweltbildung durch Naturerfahrungen. Konzeption eines Klassenzimmers zum Thema "Wald" in einer Grundschule


Examensarbeit, 2008

34 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 EINLEITUNG

2 NATURERFAHRUNGEN ALS BEITRAG ZUR UMWELTBILDUNG
2.1 Umweltbildung
2.2 Bedeutung von Naturerfahrungen
2.3 Veränderte Kindheit in Bezug zu Naturerfahrungen
2.4 Möglichkeiten zur Intensivierung von Naturerfahrungen
2.4.1 Naturerfahrungen durch sinnliche Wahrnehmung
2.4.2 Naturerfahrungen durch Gestalten
2.4.3 Naturerfahrungen durch Spiel
2.4.4 Der Wald als Möglichkeit für Naturerfahrungen

3 PLANUNGEN UND VORÜBERLEGUNGEN ZUM KONZEPT
3.1 Relevanz in der Grundschule
3.2 Einordnung in den Lehrplan
3.3 Ausgangssituation an der Schule
3.3.1 Materialangebot der Schule
3.3.2 Hinweise zur Lehrerbefragung
3.3.3 Auswertung der Lehrerbefragung
3.3.4 Konsequenzen für die Umsetzung

4 ORGANISATION DER EINRICHTUNG DES KLASSENZIMMERS
4.1 Ziele des Konzepts
4.2 Anschaffung nötiger Materialien
4.3 Gestaltung und Einrichtung des Klassenzimmers zum Wald
4.3.1 Die Projektmethode
4.3.2 Gründe für die Projektmethode
4.3.3 Ziel der Projektwoche
4.3.4 Vorbereitung der Projektwoche
4.3.5 Umsetzung der Projektwoche
4.3.6 Ausblick

5 UMSETZUNG
5.1 Bereitstellung der Materialien
5.2 Stationsarbeit
5.2.1 Stationen

6 EVALUATION
6.1 Evaluation der bisherigen Konzeptumsetzung
6.2 Möglichkeit der zukünftigen Evaluation
6.3 Weiterentwicklung des Klassenraums

7 ANHANG
7.1 Literaturverzeichnis

1 Einleitung

„Du wirst mehr in den Wäldern finden als in den Büchern. Die Bäume und Sträucher werden dich Dinge lehren, die dir kein Mensch sagen wird.“

(Bernard von Clairvaux)

(BERTHOLD/ZIEGENSPECK, 2002, 5)

Nachdem ich die Mitteilung über die Zuordnung zu der Grundschule X vor Beginn meiner Referendariatszeit per Post erhalten hatte, habe ich die Homepage meiner zukünftigen Schule besucht und dort das Motto „Natürlich lernen“ entdeckt1. Ich war sofort begeistert von diesem Schulkonzept und dem, was sich − meiner damaligen Vermutung nach − dahinter verbirgt. Nach einem Besuch der Schule ging ich davon aus, dass Umweltbildung im Unterricht groß geschrieben wird, was sich bei einer solch naturnahen Umgebung auch anbieten würde. Da ich selbst sehr naturverbunden bin und gerne mit Kindern draußen auf Entdeckungstour gehe, begann ich voller Motivation und mit freudiger Erwartung auf ein hohes Maß an Lernen in und mit der Natur den Vorbereitungsdienst. Doch die von mir angestellten Erwartungen und Vermutungen wurden im Laufe meiner Zeit an der Schule nicht in diesem Umfang bestätigt. Eher selten konnte ich entdecken, dass Lehrpersonen im Freien unterrichteten bzw. originale Natur-Begegnungen ermöglichten. Lediglich ein Besuch eines Waldlehrers aus der Stadt Y der Tierpräparate und seinen Jagdhund mitbrachte, konnte ich im weitesten Sinne unter unmittelbar erlebbaren umweltpädago- gischen Themen verbuchen. Ansonsten erfuhr ich durch Gespräche und Hospitationen, dass der Schwerpunkt auf „Arbeitsblatt-Unterricht“ und Textarbeit gelegt wird. Als dann die Themenfestlegung im Rahmen der Zweiten Staatsarbeit anstand, entschloss ich mich, ein Konzept zur Umweltbildung − genauer mit dem Ziel der Intensivierung von Naturerfahrungen − für die Grundschule X zu entwickeln. Dabei möchte ich weg von dem an der Schule größtenteils praktizierten textlastigen Unterricht und hin zu einem sinnlichen Erfahren der Natur. Dem Kollegium sollen Möglichkeiten und Anregungen für einen solchen Zugang aufgezeigt werden. Nach einigen Vorüberlegungen und fachlichen Recherchen entstand der Gedanke, einen didaktisierten Lernraum, ein Klassenzimmer zum Wald einzurichten und zu gestalten. Dieser Raum sollte mit praktischen Materialien ausgestattet werden, die dem Kollegium jederzeit ohne lange Vorbereitungszeit bzw. ohne Vorwissen zum Thema zur Nutzung im Unterricht bereitstehen. Dieses Klassenzimmer soll − neben einigen zusätzlichen waldpädagogischen Angeboten − Hauptbestandteil des Konzepts und somit ein lokal an der Schule umgesetzter Beitrag zur Umweltbildung sein. Weiterhin soll es als Antrieb und Anregung für Schulleiter und Kollegium dienen, um die Intensivierung von Naturerfahrungen mit dem Ziel einer positiven Umweltbildung als festen Bestandteil auszuweiten und in den schulischen Alltag zu integrieren. Nur so kann nämlich eine nachhaltige Wirkung an der Schule erzielt werden.

Das Klassenzimmer wird passend zum Lebensraum Wald eingerichtet. Die aktuellen Sturmschäden durch „Kyrill“ und „Emma“ sowie das immer wieder in den Medien genannte Waldsterben rücken die Thematik in die unmittelbare Lebenswelt der Schülerinnen und Schüler und untermauern die Bedeutung nachhaltigen Lernens in der Schule. Als Hauptgrund für die Wahl des Lebensraums Wald als Grundlage für das Klassenzimmer lässt sich aber die waldreiche Schulumgebung nennen. Zum einen gehört der Wald zwar zum Alltag der Kinder, sie haben jedoch keinen intensiven Bezug dazu und machen selten Naturerfahrungen (siehe Kapitel 2.3). Diese stellten jedoch einen sehr bedeutsamen Ausgleich zu der Hektik ihrer unmittelbaren Umwelt dar. Durch ein Konzept zum Wald kann Kinder der ihnen zwar bekannte, aber nicht emotional verbundene Lebensraum näher gebracht werden. Ihnen können Anregungen für eine naturnahe, direkt zu Fuß erreichbare, kostenlose, aber schöne Freizeitgestaltung geboten werden. Zum anderen besteht durch die räumliche Nähe zum Wald die Möglichkeit, benötigte Naturmaterialien ohne zeitlichen und kostspieligen Aufwand unter Mithilfe der Kinder zu besorgen.

In der folgenden Arbeit werde ich das von mir erstellte Konzept zur „Intensivierung von Naturerfahrungen mit Hilfe eines Klassenzimmers zum Wald als Beitrag zur Umweltbildung“ darstellen. Hierfür werde ich im 2. Kapitel die zugrunde liegenden fachlichen Aspekte näher ausführen. Dabei wird das Bildungskonzept Umweltbildung kurz umrissen, die aktuelle Bedeutung von Naturerfahrungen sowie Möglichkeiten zur Intensivierung derselbigen aufgezeigt. Im 3. Kapitel lege ich Vorüberlegungen und Planungen des von mir erstellten Vorhabens vor. Dabei werden die Schulform, die Ausgangslage der Schule und lehrplanorientierte Forderungen mit berücksichtigt und dazugehörige Entscheidungen begründet. Im anschließenden Kapitel wird die Intention und die Umsetzung der Einrichtung und Gestaltung des Klassenzimmers zum Wald durch eine Projektwoche schrittweise dokumentiert. Im letzten Kapitel wird die konkrete Umsetzung und die zukünftige Handhabung der Raumnutzung vorgestellt. Abschließend findet eine Evaluation der bisherigen Ergebnisse sowie das Aufzeigen von Möglichkeiten einer detaillierten Evaluation für die Zukunft statt. Zuletzt informiert ein Ausblick, inwiefern das gesamte Vorhaben weiter variiert und modifiziert werden kann.

2 Naturerfahrungen als Beitrag zur Umweltbildung

2.1 Umweltbildung

Das Fundament dieser Arbeit basiert auf dem Konzept der Umweltbildung. Im Folgenden soll darum der Begriff der Umweltbildung kurz definiert und anhand einiger geschichtlicher Eckdaten umrissen werden.

Umweltbildung ist ein in den siebziger Jahren aufgekommenes Bildungskonzept, welches zum einen den verantwortungsvollen Umgang mit der Natur und den natürlichen Ressourcen2, zum anderen das Vermitteln von Sachwissen3 zum Ziel hat. In den achtziger Jahren erreichte die Umweltbildung durch Horrormeldungen über das Waldsterben ihren bisherigen Höhepunkt. Im Jahr 1992 wurde auf einer Konferenz der Vereinten Nationen für Umwelt und Entwicklung in Rio de Janeiro die Agenda 21 verabschiedet. Im 36. Kapitel dieses Handlungsprogramms wird die Bedeutung der Umweltbildung im Sinne einer zukunftsfähigen und nachhaltigen Entwicklung betont4 (vgl. CORLEIS, 2006, 91f). Trotz der aktuellen Brisanz global ökologischer Probleme wie das Abschmelzen der Polkappen, ist die Umweltbildung innerhalb der letzten Jahre in den Hintergrund der schulischen Bildungsarbeit gerückt und besitzt meist lediglich eine Randposition innerhalb des Unterrichts. Aktuell sind Begriffe wie „Kompetenzen“, „Bildungsstandards“, aber auch Themen wie Medienerziehung, Gewaltprävention oder neue Technologien in den Focus der Bildungspolitiker und Bildungspolitikerinnen getreten. Um Kinder für die in Zukunft immer stärker ans Tageslicht tretenden ökologischen Folgen der Umweltverschmutzung handlungsfähig zu machen, muss die Umweltbildung jedoch ein Schwerpunkt heutiger Bildungsarbeit sein. Dabei sollte diese Aufgabe nicht allein dem Fach Sachunterricht zugeschrieben werden, sondern eine fächerübergreifende Auseinandersetzung stattfinden (vgl. MITZLAFF, 1997). Weiterhin bedarf es einer kontinuierlichen und nicht nur temporären Umweltbildung. Zur Verwirklichung der für unsere Zukunft so wichtigen Bildungsziele muss man „[...] Kindern Lebens- und Lernräume [...] bieten, in denen sie mit vielen Sinnen die Natur und Umwelt positiv erleben können [...]“ (WILKEN, 2002, 6). Dieses positive Erleben kann durch unmittelbare und regelmäßige Naturerfahrungen initiiert und fundiert werden (vgl. WILKEN, 2002).

2.2 Bedeutung von Naturerfahrungen

Die Bedeutung von Naturerfahrungen für die Entwicklung des Kindes sowie Maßnahmen zur Initiierung bzw. Fundamentarisierung einer positiven Umweltbildung werden im folgenden Kapitel dargestellt.

Kinder besitzen den natürlichen Drang, sich die Welt durch aktive Umwelterkundung zu erschließen, wodurch sie von Geburt an über eine Bindung zur Umwelt und Natur verfügen (vgl. GEBAUER, 1994, 39). Damit dieser positive Drang für die Umweltbildung genutzt werden kann, indem Kinder ihn einfach ausleben, muss sich der Unterricht der Schule auf ganzheitliche Primärerfahrungen in der Natur stützen. Kinder müssen sich handelnd und sinnlich mit der Natur auseinandersetzen, um diese als etwas Schönes und Faszinierendes erleben zu können. Durch positive Naturerfahrungen wird ein emotionaler Zugang geschaffen, wodurch Umweltbewusstsein und Verantwortungs- bzw.

Handlungsbereitschaft im Sinne der Umweltbildung angebahnt werden können. „Man schützt das, was man liebt und man muß [sic.] kennen, was man schützt“ (KALFF, 1997, 61). Kinder müssen demnach ihre Umwelt wertschätzen und kennen lernen, um sie überhaupt schützen zu wollen.

Naturerfahrungen sind jedoch nicht nur für die Erziehung zur Nachhaltigkeit bedeutsam, sondern viel mehr essentiell für die Ausbildung emotionaler, kognitiver, sozialer und psychomotorischer Kompetenzen. Die gesamte Persönlichkeitsentwicklung des Kindes ist somit davon abhängig, inwieweit es Möglichkeiten zur Naturerfahrungen geboten bekommt (vgl. WILKEN, 2002). An dieser Stelle muss die moderne Kindheit näher beleuchtet werden, um mögliche Probleme des Industriezeitalters in Bezug auf die Entwicklung von Kindern zu erkennen.

2.3 Veränderte Kindheit in Bezug zu Naturerfahrungen

Aufgrund gesellschaftlicher Veränderungen wachsen Kinder heute unter völlig anderen Lebensumständen auf als noch vor 20 Jahren. Der Begriff der „veränderten Kindheit“ steht für all diese Veränderungen und wurde innerhalb der letzten Jahre umfassend erforscht und untersucht5.

Der moderne Alltag ist hektisch, mediengesteuert, hochtechnisiert und motorisiert. Komplexe Prozesse wie z.B. die Verarbeitung von Holz zu einem Möbelstück kann meist lediglich als passiver Zuschauer im Fernsehen als gestückelter Vorgang gesehen werden.

„Konkrete Arbeit ist den Blicken der Kindern entzogen, Staunen, Bezug und Betroffenheit gehen verloren“ (BERTHOLD/ZIEGENSPECK, 2002, 49) und zum eigenen Herstellen wird nur noch selten angeregt.

Kinder erhalten somit eine zersplitterte Weltwahrnehmung und werden nur noch selten selbst aktiv, was zu einem Mangel an Selbsterfahrung führt. Naturerfahrungen kommen durch die hohe Automatisierung und Technisierung in der heutigen Zeit meist zu kurz. Eine Entfremdung von der Natur ist die Folge. Der frühere Einklang der Menschen mit der Natur sowie die Abhängigkeit des Menschen von derselbigen sind heute fremd. Die so wichtige positive Einstellung gegenüber der Natur fehlt daher. Hedwig Wilken verweist auf das oft negative Bild, das Kinder von dem Begriff Umwelt haben. „Sie reden beim Thema Umwelt von Müll, Verschmutzung, Bedrohung, Angst [...]“ (WILKEN, 2002, 9). Dieses Bild wird beeinflusst von der Katastrophenpädagogik innerhalb der Schule und den Katastrophenmeldungen der Medien. Um dieses negative Bild zu verändern, bedarf es der Anbahnung eines positiven Fundaments innerhalb der Umweltbildung.

„Grundschulkinder, die jetzt nicht auch Zuneigung, Verantwortung, Kenntnisse und Erlebnisse in und mit ihrer Umwelt erfahren, werden nicht die von unserer Generation geschaffenen und sich weiter auftürmenden Probleme bewältigen könne.“ (MITZLAFF, 1988, 171). Auch die für die physische und kognitive Entwicklung so wichtigen ganzheitlichen sinnlichen Erfahrungen sind zu einseitig. Hör- und Sehsinn erhalten eine Überdosis an Außenreizen6, während die anderen Sinne wie z.B. Fühlen und Riechen verarmen. Das Resultat ist ein Abstumpfen von Eindrücken. Bewusstes Wahrnehmen und ein Sich-Einlassen auf Ruhe und Besinnung sind oft nicht mehr möglich. Konzentrationsmangel und Ermüdung sind die Folgen. Außerdem kann die einseitige Dosis von Außenreizen neurophysiologische Konsequenzen nach sich ziehen. Gerade sensorische und motorische Aktivitäten spielen bei der Entwicklung intellektueller Leistungsfähigkeit eine große Rolle. Um dieser Verarmung der Sinne entgegen zu wirken, müssen sie wieder belebt, sensibilisiert und intensiviert werden. Nur so ist eine Rückführung an die Natur und Umwelt möglich.

Neben den Sinnesleistungen haben sich auch die Spielmöglichkeiten von Kindern im Freien innerhalb der letzten 20 Jahren gravierend modifiziert. Während sich früher spontan auf der Straße getroffen wurde − vor allem auch in Feld, Wald und Flur − und ohne Anleitung Erwachsener frei gespielt wurde, bleibt heute kaum noch Zeit zum Spielen. Die Freizeit ist meist durchgeplant und lässt, wenn überhaupt, nur noch Raum für feste Verabredungen. Auch spielt der Großteil der Kinder innerhalb der Wohnung mit vorgefertigtem Spielzeug. Dies baut den Bewegungsdrang nicht ab, führt zu einem Mangel an Kreativität und Fantasie. Es bleibt kein Raum für Naturerfahrungen (vgl. SCHMIDBAUER/HEDERER, 1991).

Um die modernen Begleiterscheinungen der technisierten Welt wie Gesundheitsschäden und den Verlust von Umweltbewusstsein bzw. Naturverbundenheit einzudämmen, muss vor allem in der für den Menschen so bedeutsame Entwicklungszeit der Kindheit interveniert werden (siehe Kapitel 3.1).

2.4 Möglichkeiten zur Intensivierung von Naturerfahrungen

Im Folgenden möchte ich Möglichkeiten aufzeigen, welche kindliche Naturerfahrungen intensivieren, die Bindung zur Natur verstärken und gleichzeitig negative Begleiterscheinungen unserer technisierten Welt eindämmen können.

2.4.1 Naturerfahrungen durch sinnliche Wahrnehmung

„Eine konzentrierte und differenzierte Wahrnehmungsfähigkeit ist die Basis für ein umfassendes Umweltverständnis“ (WILKEN, 2002, 17). Gut entwickelte Sinne sind darum essentiell für den Umgang mit der Mitwelt bzw. der Umwelt. Eine rein kognitiv ausgelegte Beschäftigung mit umweltpädagogischen Inhalten wäre nutzlos. Wichtig ist vielmehr, Kindern die Möglichkeit zum unmittelbaren Erleben und Erfahren zu bieten. „Der Weg zum Wissen erfolgt über die Sinne. Je umfangreicher die sinnliche Wahrnehmung eines Objekts erfolgen kann, umso eindrucksvoller bleibt sie im Gedächtnis und erhöht den Lernerfolg“ (SCHMIDBAUER/HEDERER, 1991, 37). Mit Hilfe von Naturerfahrungen durch sinnliche Wahrnehmung werden zum einen die einzelnen Sinne geschult, zum anderen können ökologische Inhalte besser verständlich gemacht und gespeichert werden. Somit erhalten die Kinder eine positive Grundhaltung zur Natur und Umwelt, da sie schöne sinnliche Erlebnisse mit ihr verbinden. Die fünf klassischen Sinne des Menschen sind Hören, Sehen, Riechen, Schmecken und Fühlen. Die moderne Physiologie zählt jedoch weitere Sinne wie z.B. den Gleichgewichtssinn, den kienästhetischen Sinn7 oder den Temperatursinn mit hinzu (vgl. BERTHOLD/ZIEGENSPECK, 2002, 54). Durch Naturerfahrungen werden meist mehrere Sinne gleichzeitig angesprochen. Innerhalb pädagogischer Arbeit kann der Schwerpunkt aber auch auf das Bewusstmachen und Sensibilisieren einzelner vernachlässigter Sinne gelegt werden (z.B. Geräusche der Natur wahrnehmen).

2.4.2 Naturerfahrungen durch Gestalten

Ein zweiter wichtiger Bestandteil des Entwicklungsprozesses von Kindern ist das eigene Bauen, Gestalten und Verändern wie z.B. das Bauen im Sandkasten oder am Strand. Insbesondere die Natur bietet vielfältige Möglichkeiten, dem natürlichen Drang freien Lauf zu lassen und fördert die Kreativität- und Fantasiefähigkeit. Außerdem machen selbstgebaute Dinge stolz. „Der Vorgang selber ist meistens interessanter als der spätere Umgang mit dem fertigen Produkt“ (ebd., 50). Vorgefertigte Gegenstände reizen das Kind daher weniger.

Die Natur verfügt über keine künstlich produzierten Dinge. Kinder können mit Hilfe von Naturmaterialien in Bezug auf ihre Gestaltungsfähigkeit angeregt werden. Die ästhetische Bildung, also der Sinn für das Schöne, ist ebenso Aufgabe der ganzheitlichen Umweltbildung. Ein zusätzlicher pädagogischer Aspekt des Gestaltens mit Naturmaterialien liegt darin, dass Blätter usw. in die Hand genommen, gerochen und gesehen werden können8. Weiterhin findet eine geistige Auseinandersetzung mit dem Naturgegenstand statt9 (vgl. WILKEN, 2002).

2.4.3 Naturerfahrungen durch Spiel

„Das Spiel ist eine wichtige Form der Auseinandersetzung des Kindes mit seiner Umwelt.“

(KERSBERG/LACKMANN, 1994, 11) und nimmt in dessen Leben eine bedeutende Rolle ein. Aus sozialisationstheoretischer Sicht werden im Spiel Entwicklungs-, Lern- und Sozialisationsprozesse in Gang gesetzt. Es können Erfahrungen gesammelt, unterschiedliche Verhaltensmuster − auch im sozialen Kontakt − erprobt und geübt sowie Kreativität und Fantasie freigesetzt und meist dem Bewegungsdrang freien Lauf gelassen werden. Spiele im pädagogischen Umfeld sind zielgerichtet und zweckorientiert, was mit dem natürlichen „Spontanspiel“ des Kindes wenig zu tun hat, aber trotzdem meist mit positiven Emotionen verbunden ist.

Spiele zur Naturerfahrung dienen vor allem dem Zweck, die Beobachtungsgabe zu fördern, die unmittelbare Umwelt − in einem Raum oder im freien Gelände − affektiv zu erleben, sich intensiver mit ihr zu beschäftigen und bestehendes Wissen zu wiederholen bzw. zu vertiefen. Ethische oder ökonomische Fragen in Sinne des Anbahnens eines Umweltbewusstseins spielen dabei keine Rolle. Vielmehr soll die Wahrnehmung mit allen Sinnen gefördert werden. Spiele haben den Vorteil, dass sie mit einfachen Mitteln durchgeführt und nach den Bedürfnissen der Gruppe10 abgewandelt werden können (vgl. KERSBERG/LACKMANN, 1994).

2.4.4 Der Wald als Möglichkeit für Naturerfahrungen

Das Thema Wald ist im Schulunterricht fest etabliert. Während innerhalb des letzten Jahrhunderts das Hauptaugenmerk auf die Vermittlung naturkundlichen Wissens gelegt wurde, hat die Umweltbildung innerhalb der letzte Jahre ihre Gestalt modifiziert. Aktuell ist aufgrund gesellschaftlicher und ökologischer Veränderungen die Anbahnung einer nachhaltigen Entwicklung das Hauptbildungsziel11. Der Wald kann hierbei exemplarisch für weitere Naturphänomene stehen. Komplexe Zusammenhänge wie Stoffkreisläufe sind übertragbar auf weitere Lebensräume wie z. B. Wiese oder Teich.

Obwohl unser Land waldreich ist − der Wald demnach zum direkten Alltag gehört − haben die meisten Menschen kaum eine Beziehung zum Wald. In diesem Punkt hat die Bevölkerung einen Nachholbedarf an „Walderfahrungen“ und „Waldwissen“. Für Kinder bietet der Wald und die ganzheitliche Beschäftigung mit seinen Pflanzen und Tieren jedoch die Möglichkeit, ihre vielfältigen Bedürfnisse zu befriedigen (siehe Kapitel 2.3). Durch unmittelbare Naturerfahrungen anhand sinnlicher Wahrnehmung und der forschend- entdeckenden Zugangsweise können sie der natürlichen Bindung zu ihrer Umwelt nachgehen. Aus den genannten Gründen ist die Einbeziehung des Waldes in den alltäglichen Unterricht der Schule äußerst wichtig. Diese Tatsache wird immer häufiger in Form von waldbezogenen Bildungseinrichtungen wie Waldkindergärten oder Waldschulen umgesetzt12 (vgl. CORLEIS, 2006). Auch in der Bevölkerung ist das Interesse am Wald gestiegen. Dies äußert sich durch einen Anstieg waldpädagogischer Angebote der Nationalparks, Umwelt- bzw. Forstverbänden, aber auch kommerzieller Anbieter (vgl. ebd. 7ff).

3 Planungen und Vorüberlegungen zum Konzept

Die bisher dargestellten fachlichen Grundlagen dienen der Untermauerung meines Konzeptgedankens und dessen Umsetzung. Werden keine fachlichen Quellen genannt, stammen die Ideen von mir selbst bzw. aus Anregungen innerhalb meiner bisherigen pädagogischen Ausbildung.

3.1 Relevanz in der Grundschule

Kinder im Grundschulalter befinden sich in einer wichtigen Entwicklungsphase. Sie sind interessiert an ihrer Umwelt und lassen sich leicht durch Naturphänomene faszinieren. Setzt einige Zeit später die Pubertät ein, spielen andere Dinge wie die Zugehörigkeit zur peer-group bzw. die Beschäftigung mit dem eigenen Ich eine bedeutendere Rolle. Die Motivation, sich mit der unbelebten und belebten Natur auseinanderzusetzen, lässt gewöhnlich in dieser Entwicklungsphase nach.

[...]


1 siehe Hompage der Schule

2 kann auch mit dem Begriff Umwelterziehung bezeichnet werden

3 kann auch mit dem Begriff Naturkunde bezeichnet werden

4 Begriff der Nachhaltigkeit aus der Waldwirtschaft

5 aus diesem Grund wird er hier nicht näher erläutert (siehe ROLFF/ZIMMERMANN, 2001) 4

6 audiovisuelle Medien wie Fernsehen, PC

7 Körperwahrnehmung, Steuerung der Körperbewegung

8 sinnlicher Zugang

9 Bestimmen des Gegenstandes: Was ist das für eine Frucht,...

10 Zahl der Teilnehmer, Zeitvorgabe

11 siehe Agenda 21

12 Im Jahr 1904 wurde die erste Waldschule in Charlottenburg gegründet. Damals war die Intention eine Verbesserung der Gesundheit der Schülerinnen und Schüler. Heute steht der naturkundliche Unterricht und die Umwelterziehung im Focus solcher Einrichtungen (vgl. BERHOLD/ZIEGENSPECK, 2002, 99).

Ende der Leseprobe aus 34 Seiten

Details

Titel
Umweltbildung durch Naturerfahrungen. Konzeption eines Klassenzimmers zum Thema "Wald" in einer Grundschule
Autor
Jahr
2008
Seiten
34
Katalognummer
V194011
ISBN (eBook)
9783668258280
Dateigröße
724 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
umweltbildung, naturerfahrungen, konzeption, klassenzimmers, thema, wald, grundschule
Arbeit zitieren
Stefanie Eckhardt (Autor:in), 2008, Umweltbildung durch Naturerfahrungen. Konzeption eines Klassenzimmers zum Thema "Wald" in einer Grundschule, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/194011

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