Wie ist die Trennung von siamesischen Zwillingen moralisch zu beurteilen?


Facharbeit (Schule), 2012

17 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Warum habe ich das Thema gewählt?
1.2 Zur Vorgehensweise dieser Arbeit

2. Medizinische Aspekte
2.1 Was sind siamesische Zwillinge?
2.2 Wie entsteht die Missbildung?
2.3 Welche Ausprägungsformen gibt es?
2.4. Welche Operationsmöglichkeiten gibt es?

3. Pro und Contra Trennung
3.1 Gründe für eine Trennung
3.2 Gründe gegen eine Trennung

4. Ethische Aspekte
4.1 Was ist Moral und was ist moralisch gut?
4.2 Ethik Kants
4.3 Ethik Singers

5. Resümee

6. Fazit

7. Literaturverzeichnis

8. Unterschriebene Erklärung

1. Einleitung

1.1 Warum habe ich das Thema gewählt?

Nachdem wir im Philosophieunterricht mehrfach über Moral, verschiedene Ethiken und deren Vertreter, sowie über Fallbeispiele mit der kritischen Nachfrage, ob denn nun auch moralisch gut gehandelt wurde, gesprochen haben, bekam ich die Idee meine Facharbeit über eben jenes moralisch gute Handeln zu schreiben.

Doch welche Handlung sollte ich hinterfragen?

Da meine Mutter Hebamme ist, gab sie mir das Buch „Tabea und Lea – die siamesischen Zwillinge aus Lemgo“ von Nelly Block und Constanze Nolting zum Lesen. Beim Lesen des Buches erfuhr ich, wie sehr die Diagnose „Siamesische Zwillinge“ die Eltern belastet, und wie schwierig es ist, über Leben und Tod, oder Verwachsung und Trennung zu entscheiden. Doch was genau eine solche Trennungsoperation für die Eltern bedeutet und die Tatsache ob diese denn auch, unabhängig von Ausgang der Operation, als moralisch gut getätigte Handlung gilt, wird nicht ganz klar.

Außerdem handelt es sich bei dem Buch ja lediglich um einen Einzelfall.

Daher kam mir der Gedanke, zu hinterfragen, ob die Trennung von siamesischen Zwillingen im Allgemeinen als moralisch gut angesehen wird.

1.2 Zur Vorgehensweise dieser Arbeit

In meiner Facharbeit möchte ich also untersuchen, ob eine Trennung an sich als moralisch gut angesehen werden kann, oder ob z.B. eine spezielle Ethik eine solche eher als richtig beurteilt, als eine Andere.

Weiterhin ist es wichtig erst einmal genaueres über das Phänomen „siamesische Zwillinge“ zu wissen, um dann kritisch urteilen zu können. Unter Anderem, da es beispielsweise Vertreter von Ethiken gibt, welche das größte Glück als moralisch wertvoll ansehen. Dementsprechend muss erst genau definiert werden, ob eine Trennung überhaupt Glück bedeutet, oder mit welchen Auswirkungen der OP oder mit welchem Grad an Verwachsung sich noch ein glückliches Leben führen lässt.

Es ist mir also wichtig, erst die medizinischen Aspekte aufzugreifen, um weitreichende Konsequenzen von spezifische Faktoren, wie Entstehung der Missbildung, Ausprägungsformen und Operationsmöglichkeiten genau zu verdeutlichen.

Anschließend beleuchte ich welche Gründe für, bzw. welche Gründe gegen eine Trennung sprechen. Daraus resultierend komme ich auf meine Leitfrage zurück und untersuche zunächst die Ethik Kants und Singers, um abschließend festzustellen, ob diese eine Trennung als moralisch gut bewertet hätten.

Abschließend werde ich im Gesamtkontext meiner Arbeit meine gewonnen Erkenntnisse zusammenfassen und in Form eines persönlichen Gesamturteils auf die Leitfrage zur moralischen Richtigkeit der Trennung siamesischer Zwillinge zurück kommen.

2. Medizinische Aspekte

2.1Was sind siamesische Zwillinge?

Das Phänomen der Missbildung „Siamesische Zwillinge“ hat seinen Namen den beiden Zwillingsbrüdern Eng und Chang Bunker zu verdanken. Sie wurden 1811 in Siam (heutiges Thailand) geboren, 1827 von einem englischen Kapitän entdeckt und auf Jahrmärkten in den USA als Attraktion zur Schau gestellt.[1]

Siamesische Zwillinge lösen auch heute noch im medizinischen, wie auch ethischen Bereich eine sehr große Faszination aus.

2.2 Wie entsteht die Missbildung?

Bei siamesischen Zwillingen handelt es sich um eineiige Zwillinge. Sie sind also immer gleichgeschlechtlich, die Eizelle spaltet sich jedoch erst extrem spät, wodurch dann die

Missbildung entsteht. Für gewöhnlich findet die Trennung des Eis bei gesunden Zwillingen zwischen dem dritten und achten Tag nach der Befruchtung statt. Im Fall der Missbildung findet sie erst zwischen dem dreizehnten und fünfzehnten Tag statt.[2]

Je später diese Trennung, desto stärker die Verwachsung.

In Folge dessen können Stunden entscheidend über Ausprägungsart der Verwachsung sein.

2.3 Welche Ausprägungsformen gibt es?

Die Zwillinge bleiben also miteinander verbunden, teilweise lediglich mit äußerem Gewebe, teilweise aber auch mit ganzen Organen.

Es wird nach Art und Ausmaß der Verwachsung unterschieden.

Eine Verwachsung im Brustbereich (Thorakopagus) tritt bei etwa 70% der Fälle ein.

Ebenso ist eine Verwachsung im Bauchbereich (Omphalopagus), Hüftenbereich (Ischiopagus) und Steißbereich (Pygopagus) nicht auszuschließen.[3]

Seltener sind jedoch Verwachsungen am Kopf (Kephalopagus), bei denen zwischen zwei unterschiedlichen Ausprägungsformen unterschieden wird, und die fetale Inklusion, ein Phänomen, bei dem ein Zwilling den Anderen am oder im Körper trägt, oder Körperteile mehrfach vorhanden sind.[4]

Eine Trennung kann zudem nur dann zustande kommen, wenn sich das Zwillingspaar keine lebenswichtigen Organe teilt und der Stoffwechsel- und Blutkreislauf nicht zu eng miteinander verbunden ist.

Ein siamesisches Zwillingspaar kommt etwa einmal bei einer Zahl von 100 000 Geburten vor. Dies liegt vor allem daran, dass durchschnittlich schon drei von zehn Zwillingen pränatal[5] sterben. Ein weiteres Drittel gilt oftmals nach der Geburt als nicht überlebensfähig.

Folglich entsteht daraus, die Wahrscheinlichkeit von einem lebensfähigen siamesischen Zwillingspaar auf einer Million Geburten.[6]

2.4 Welche Operationsmöglichkeiten gibt es?

Generell ist zu sagen, dass eine Trennung kurz nach der Geburt eine Überlebenswahrscheinlichkeit beider Zwillinge von etwa 50 Prozent mit sich bringt. Erfolgt die Trennung einen Monat nach der Geburt, liegt diese Wahrscheinlichkeit nur noch bei zehn Prozent.

Weiterhin kommt es auf den Schweregrad der Missbildung an, und die daraus resultierende Entscheidung, ob es (noch) sinnvoll ist, das Zwillingspaar zu trennen.

Unterschieden wird zwischen der elektiven Trennungsmethode, bei der die Trennung genau geplant und vorbereitet wird, und eventuell Voroperationen stattfinden, und der Not-OP, bei der die Trennung erzwungen wird, wenn eins der Kinder zu sterben droht.

Das Sterben eines Zwillings, um dem anderen das Leben zu ermöglichen wird bei der letztgenannten Methode durchaus in Kauf genommen.[7]

3. Pro und Contra Trennung

3.1 Gründe für eine Trennung:

Durch Pränataldiagnostik, Gentechnik und Klonen hat sich die Medizin in den letzten Jahren stark gewandelt. Dies hat zu einer Verschiebung der ethischen Grundsätze geführt.

Der Kodex der ethischen Grundsätzen für die medizinische Forschung am Menschen besagt: „Der Arzt soll bei der Ausübung seiner ärztlichen Tätigkeit im besten Interesse des Patienten handeln.“[8] Abgeleitet wurde dieser Kodex von dem Eid des Hippokrates, welcher als erste und grundlegende Formulierung einer ärztlichen Ethik gilt. Er enthält unter anderem die ärztliche Schweigepflicht, das Gebot Kranken nicht zu schaden und das Verbot eines Schwangerschaftsabbruchs oder aktiver Sterbehilfe.[9]

Nach diesem Grundsatz spricht doch nichts gegen eine Trennung, wenn das Zwillingspaar

sich den Risiken bewusst war und es dennoch in ihrem Interesse lag getrennt zu werden.

Dies war z.B der Fall bei den iranischen Zwillingen Laleh und Ladan Bijani, die nur noch den Wunsch hatten endliche eigene Wege gehen zu können.

Die beiden, am Kopf verwachsenen Zwillinge waren gesund und fähig ein unabhängiges Leben führen zu können. Von einer Operation wurde auf Grund dessen von vielen Ärzten abgeraten, dennoch hatten die Schwestern nur den Wunsch, endlich ein normales Leben führen zu können. Der Neurochirurg Keith Goh war gewillt die Beiden zu trennen, obwohl die Erfolgschancen der OP lediglich bei 50 Prozent lagen. Die Stimmung im Operationssaal war angespannt, die Trennung des Knochenbandes, welches beide Schädel zusammenhält hat zu viel Zeit gekostet. Nach kurzem Zögern wurden dennoch Adern und Gewebe zwischen den Gehirnen getrennt, um dem Wunsch der beiden Zwillinge nachzukommen.[10] Doch die OP war zu komplex und in so schneller Zeit nicht zu bewältigen. Etwa 53 Stunden nach dieser starb erst Ladan und dann Laleh Bijani an hohem Blutverlust.[11]

Die Trennung der Bijani Zwillinge kann also nicht als ein Bruch des Eids des Hippokrates angesehen werden, da es ja im Interesse der beiden Schwestern lag getrennt zu werden und „ihr Wunsch nach zwei getrennten Leben größer war, als die Angst vor dem dabei einkalkulierten Tod.“[12]

Nach Meinung der Bezugspersonen der Zwillinge sei eine Trennung oftmals die einzige Möglichkeit leben zu retten, beziehungsweise dieses lebenswerter zu machen.

Doch auch der Gesundheitsbegriff hat sich in kürzester Zeit stark verändert.

Laut der Weltgesundheitsorganisation wird Gesundheit heute als ein Zustand des völligen körperlichen, geistigen, seelischen und sozialen Wohlbefindens definiert.[13]

Wieso sollte dann also siamesischen Zwillingen das Recht auf ein individuelles und vor allem eigenständiges Leben verwehrt bleiben, wenn sie durch eine Trennung möglicherweise jenen Zustand erreichen?

[...]


[1] http://www.dieterwunderlich.de (28.02.2012)

[2] http://www.puls.sf.tv (28.02.2012)

[3] http://www.dieterwunderlich.de (18.03.2012)

[4] Tintor, Maja: Siamesiche Zwillinge – Eine Debatte über die Trennung. In: Grin Verlag, 1. Auflage 2006, S. 4

[5] Pränatal bedeutet vor der Geburt und beinhaltet Untersuchungen des ungeborenen Kindes im Mutterleib http://www.hurraki.de (28.02.2012)

[6] Tintor, Maja: Siamesiche Zwillinge – Eine Debatte über die Trennung. In: Grin Verlag, 1. Auflage 2006, S. 3

[7] Tintor, Maja: Siamesiche Zwillinge – Eine Debatte über die Trennung. In: Grin Verlag, 1. Auflage 2006, S. 4

[8] http://www.bundesaerztekammer.de (04.03.2012)

[9] http://www.pmu.ac.at (18.03.2012)

[10] http://www.sueddeutsche.de (18.03.2012)

[11] http://www.sueddeutsche.de (18.03.2012)

[12] Tintor, Maja: Siamesiche Zwillinge – Eine Debatte über die Trennung. In: Grin Verlag, 1. Auflage 2006, S. 5

[13] Tintor, Maja: Siamesiche Zwillinge – Eine Debatte über die Trennung. In: Grin Verlag, 1. Auflage 2006, S. 7

Ende der Leseprobe aus 17 Seiten

Details

Titel
Wie ist die Trennung von siamesischen Zwillingen moralisch zu beurteilen?
Note
1,0
Autor
Jahr
2012
Seiten
17
Katalognummer
V193001
ISBN (eBook)
9783656199090
ISBN (Buch)
9783656199618
Dateigröße
455 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
siamesische Zwillinge, Medizin, Biologie, Immanuel Kant, Peter Singer
Arbeit zitieren
Lea Waskowiak (Autor:in), 2012, Wie ist die Trennung von siamesischen Zwillingen moralisch zu beurteilen?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/193001

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