Hans Werner Henzes Funkoper "Ein Landarzt"


Magisterarbeit, 2008

114 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das Libretto: Franz Kafkas Erzählung Ein Landarzt
2.1. Die Rezeption Kafkas nach dem 2. Weltkrieg bis 1951
2. 2. Die Rezeption ab den 1950er Jahren
2. 3. „Kunst bedeutet Vorgefühl“: Henzes Anknüpfung an das Werk Kafkas und Schönbergs

3. Zur Entstehung und Wirkung der Funkoper Ein Landarzt

4. Ein Landarzt als Literaturoper

5. Ein Landarzt als Funkoper
5.1. Die Funkoper von ihren Anfängen bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs
5. 2. Die Funkoper nach 1945
5. 3. Hans Werner Henze und die Funkoper: „Eine Art Mondschiff“

6. Hans Werner Henzes Funkoper Ein Landarzt. Beobachtungen zur Komposition
6.1. Die Textvorlage und Henzes Bearbeitung
6. 2. Form und Struktur
6.2.1. Aufbau
6. 2. 2. Musikalische Formen
6. 2.2.1. Rondoformen
6. 2. 2. 2. Variationsformen
6. 2. 2. 3. Tanzsätze und Fugato
6. 2. 3. Die Zwölftontechnik
6. 3. Das Zitat
6. 4. Das „Funkische“ der Oper
6.4.1. Das Orchester und der Sprechgesang
6. 4. 2. Die funktechnischen Mittel
6. 5. Die Fassungen von 1951 und 1996 im Vergleich

7. Schlusswort und Ausblick

8. Anhang
8.1. Literaturverzeichnis
8. 2. Abkürzungen
8. 3. Franz Kafka: Ein Landarzt

1. Einleitung

Die Rundfunkoper Ein Landarzt nach der gleichnamigen Erzählung von Franz Kafka aus den Jahren 1916/17 wurde 1951 als Auftragswerk des damaligen NWDR von Hans Werner Henze geschrieben. Für den 25jährigen Komponisten war es das dritte musiktheatralische Werk, nach dem Einakter Das Wundertheater und Henzes erster abendfüllender Oper Boulevard Solitude.2 Die Uraufführung von Ein Landarzt fand am 19. November 1951 im Hamburger Rundfunksaal an der

Rothenbaumchaussee statt, wobei „Uraufführung“ in diesem Falle die Vorführung des fertig produzierten Tonbandes bedeutete. 10 Tage später ging die Funkoper zum ersten Mal beim NWDR auf Sendung. Henze arbeitete das speziell für den Rundfunk konzipierte Werk in den 1960er Jahren für die Bühne um: Am 30. November 1965 ging die Bühnenfassung des Landarztes in Frankfurt a.M. in Szene,1 2 3 nachdem im Monat zuvor in Berlin die Monodramfassung, auf Anregung von, für und mit Dietrich Fischer-Dieskau aufgeführt wurde.4 Fast dreißig Jahre nach diesen Umarbeitungen holte Henze die Partitur der Funkopernfassung nochmals auf seinen Schreibtisch und verfasste eine revidierte Fassung des Landarztes als Funkoper, um „alle Schwächen aus[zu]merzen“.5 Der WDR produzierte die Uraufführung der revidierten Fassung; sie fand - zusammen mit der ebenfalls revidierten Fassung der Funkoper Das Ende einer Welt - am 27. September 1996 konzertant in Köln statt. Im selben Jahr erschien die bis dahin nicht publizierte Partitur des Landarztes im Schott-Verlag6 und 2005 veröffentlichte der WERGO-Verlag die Kölner Uraufführung auf CD.7 Damit ist das Werk erstmals einer breiteren Öffentlichkeit zugänglich und auch der Forschung stehen die nötigen Quellen nun, leicht erreichbar, zur Verfügung.8

In meiner Arbeit stelle ich die Funkoper „Ein Landarzt“ zunächst in den Kontext ihrer Zeit. In einem ersten Schritt werde ich die Wahl des Librettos beleuchten. Franz Kafka und seine Werke wurden nach dem 2. Weltkrieg in breiten Kreisen der Forschung wiederentdeckt und fanden einen großen Leserkreis. Die Hintergründe dieser neu einsetzenden Kafka-Rezeption, einige Ansätze der Lesarten und Interpretationen, die die vieldeutigen und rätselhaften Erzählungen und Romane Kafkas in der Zeit um die Entstehung der Funkoper erfuhren - mit besonderem Gewicht auf Auslegungen der Landarzt-Erzählung - sowie die Wirkung dieses wiederentdeckten Autors und dessen Rezeption auf Hans Werner Henze, soweit sie aus Äußerungen des Komponisten rekonstruiert werden kann, werden Gegenstand des folgenden ersten thematischen Kapitels sein.

In einem nächsten Schritt gehe ich der Frage nach dem Typus der Komposition nach. Zunächst wird das Werk - ausgehend vom vorherigen Kapitel, in dem die literarische Vorlage auch in ihrer zeitgeschichtlichen Bedeutung als conditio sine qua non für die Entstehung des Henzeschen Werkes vorgestellt wurde - unter dem umstrittenen Label9 der Literaturoper verhandelt: Diese Bezeichnung spielt in der Musiktheaterforschung des 20. Jahrhunderts eine besondere Rolle, da sie zum einen das Phänomen der „Literarisierung“ der Oper - seit Debussys Pelléas et Mélisande und Strauss’ Salome eine unübersehbare Tendenz des vergangenen Jahrhunderts - zu kennzeichnen versucht, es auf der anderen Seite aber auch erforderlich ist, zu klären, was die Spezifika einer solchen Literaturoper sind.

Im Anschluss wird die Komposition in ihrer Eigenschaft als Funkoper bzw. Rundfunkoper näher beleuchtet. Diese die Kategorie der Literaturoper natürlich nicht ausschließende Erscheinungsform der Oper kam in Deutschland gegen Ende der 1920er Jahre auf, nur wenige Jahre, nachdem die ersten Rundfunkanstalten ihren Sendebetrieb aufgenommen hatten. Ihre Blütezeit waren die vierziger und fünfziger Jahren, in denen eine ganze Reihe solcher Funkopern, meist als Auftragswerke der Sendeanstalten, entstanden. Bei der Komposition und Produktion dieser neuartigen Kunstform waren die Beteiligten dazu angehalten, ganz genuin die Besonderheiten der Rundfunkübertragung zu beachten - und zu nutzen. Die Geschichte sowie Anforderungen und Möglichkeiten der Funkoper werden in diesem Kapitel der Arbeit ausführlich erörtert.

Im sechsten Kapitel, dem zweiten großen Block der Arbeit, gehe ich dann ausführlich auf das Werk Ein Landarzt ein. Betrachtungen der Form und Struktur bilden den Anfang: Traditionelle Formschemata sowie die zwölftönige Struktur der Komposition werden hier anhand einiger Beispiele nachgewiesen und erläutert. Dann wird der Verwendung von musikalischen Zitaten untersucht, bevor ich auf die funkspezifischen Eigenschaften des Landarztes zu sprechen komme: der Einsatz des Sprechgesangs bzw. die graduellen Abstufungen zwischen Sprechen und Singen für die Vokalparts und die Zusammensetzung des Orchesters gehören ebenso dazu wie die verwendeten funktechnischen Mittel sowie klangsymbolische Verständnishilfen aufder Ebene der Komposition. Die

Frage, wie das Werk als Rundfunkoper konzipiert wurde, wird anhand dieser Untersuchungen geklärt werden. Ein Vergleich der beiden, mehr als vierzig Jahre auseinanderliegenden Fassungen der Funkoper bildet den Abschluss der Arbeit. Als Grundlage für die ausführlichen Betrachtungen dient die spätere Fassung, doch in diesem letzten Kapitel komme ich - zumindest kursorisch - doch aufdie Unterschiede zwischen den beiden Fassungen zu sprechen.

Die Forschung widmete sich bislang nur sehr zögerlich der Funkoper Henzes. Die einzige Arbeit, die sich bisher monographisch dem Werk widmet, ist die unveröffentlichte Magisterarbeit Elisabeth Wendorffs, die den Landarzt zusammen mit der Funkoper Das Ende einer Welt vor allem unter radiophonen Aspekten untersucht.10 11 Die Arbeit hat als Grundlage die frühe Fassung der Henzeschen Funkopern; die im selben Jahr erschienene revidierte Fassung lag Wendorff noch nicht vor. 2006 erschien außerdem im Hans Werner Henze gewidmeten Musik-Konzepte-Band ein Aufsatz von Klaus Oehl über die Funkoper Ein Landarzt1 Darin behandelt Oehl einzelne Aspekte der Entstehung sowie der Vertonung, wie z.B. die Verwendung der Reihentechnik, der Einsatz der Stimme und das Mittel des Zitats. Michael Mäckelmann verfasste für einen Sammelband über den Operneinakter einen Artikel, in dem er den Landarzt, zusammen mit dem Ende einer Welt und dem Wundertheater, allerdings nur skizzenhaft, in seiner Eigenschaft als Einakter untersuchte.12 Noch kürzer und oberflächlicher handelt Ulrich Müller das Werk in seinem Aufsatz über Kafka-Vertonungen ab.13 Darüber hinaus ist noch die Arbeit Deborah Hochgesangs zur Rezeptionsgeschichte der Opern Hans Werner Henzes zu erwähnen, in der auch Ein Landarzt ausführlich behandelt wird und in der Hochgesang einen interessanten Überblick über die Aufnahme der Funkoper in der Musikkritik bietet14 - ein Aspekt, der nicht Hauptgegenstand dieser Arbeit bildet und der doch immer wieder dort in die Arbeit einfließen wird, wo es um den Landarzt als Funkoper geht, da die zeitgenössischen Rezensionen zumindest einen Eindruck davon geben, wie dieses neue Phänomen auf das Publikum wirkte und sie darüber hinaus auch einige Hinweise zur Entstehung des Landarztes bieten, wie sie sonst nicht zu finden sind.

Ähnlich schlecht bestellt wie um Arbeiten zum Landarzt ist es um die musikwissenschaftliche Forschung zur Funkoper. Mit dem Ende des Genres nahmen auch die Publikationen zur Funkoper merklich ab, während zuvor, besonders in den fünfziger Jahren, die Diskussion um die neue Kunstform in den fachspezifischen Musikzeitschriften und -periodika eine sehr lebendige war.15 In den Artikeln, die in den sechziger Jahren über die Funkoper geschrieben wurden, wird bereits die Stagnation der Funkopernproduktion beklagt und das Aussterben des Genres vorausgesagt.16 Die einzige Monographie zum Thema wurde von Klaus Blum bereits 1951 geschrieben und stellt freilich mehr einen „Zwischenbericht“ zur „neuen Kunstgattung“ dar, da auch nach 1951 noch einiges geschah auf dem Feld der Funkoper.17 Dennoch ist die Leistung Blums nicht zu unterschätzen, was die systematische Erfassung aller bis dahin verfassten Funkopern sowie die ausführlichen grundsätzlichen Gedanken über die Charakteristika des Phänomens betrifft. Aus einer gewissen zeitlichen Distanz heraus widmete Siegfried Goslich 1971 ein Kapitel seines Buches Musik im Rundfunk der Funkoper. Dort zeichnet er zumindest die Entwicklung bis zum Ende der sechziger Jahre nach und registriert die rückläufigen Zahlen der genuin für den Rundfunk konzipierten Opern.18 Mehr Aufmerksamkeit erfuhr hingegen der Typus der „Literaturoper“ in der Wissenschaft. Hervorzuheben ist dabei der Sammelband Für und wider die Literaturoper, darin besonders die Beiträge von Leo Karl Gerhartz und Carl Dahlhaus19, sowie die Arbeit Peter Petersens, der sich an einer Definition des Terminus versucht.20 Petersen behandelt in diesem Aufsatz auch Henzes Ein Landarzt, weshalb er für diese Untersuchung von besonderer Wichtigkeit ist. Ebenfalls über den Landarzt als Literaturoper handelt ein Abschnitt in Karen Achbergers Buch Literatur als Libretto, in dem sie nicht nur auf die Kafkasche Textvorlage eingeht, sondern auch die Vertonung Henzes bewertet und das Werk in seiner Eigenschaft als Funkoper betrachtet.21

2. Das Libretto: Franz Kafkas Erzählung Ein Landarzt

Franz Kafka22 verfasste die Erzählung Ein Landarzt zwischen Mitte Dezember 1916 und Mitte Januar 1917. Sie erschien erstmals im Januar 1918 im Almanach Die neue Dichtung des Kurt Wolff Verlags.23 „Bereits im Februar 1917, als einige von ihm als gelungen empfundene Texte vorliegen, denkt Kafka offenbar an eine Sammelpublikation“24, welche schließlich im Frühjahr 1920 unter dem Titel Ein Landarzt. Kleine Erzählungen veröffentlicht wurde.25 Zu Lebzeiten wurde Kafkas Werk wenig rezipiert. Nach seinem Tod 1924 begannen Literaten und Gönner aus dem Kreis um Kafka, das Werk einer breiteren Masse nahe zu bringen, wobei Max Brod besondere Verdienste zukommen, der 1935 im Berliner Schocken-Verlag und 1936-37 in Prag bei Heinrich Mercy Sohn eine erste Gesamtausgabe der von ihm bis dahin zusammengetragenen Werke veröffentlichte26 - was allerdings gegen Kafkas ausdrücklichen Willen geschah, der die Vernichtung eines Großteils seiner Schriften verfügt hatte. Während des Regimes der Nationalsozialisten wurde Kafkas Werk verboten, und erst die erneute Herausgabe der Gesammelten Werke im Jahre 1946 durch Brod führte zu einer Wiederentdeckung des Kafkaschen Werkes in Deutschland.27

Auf eine inhaltliche Wiedergabe der Erzählung Ein Landarzt wird an dieser Stelle verzichtet,28 stattdessen soll im Folgenden die Rezeption und Interpretation des Kafkaschen Werkes und natürlich insbesondere der Erzählung referiert werden.

2.1. Die Rezeption Kafkas nach dem 2. Weltkrieg bis 1951

Als Hans Werner Henze sich 1951 an die Vertonung der Kafkaschen Erzählung machte, war diese Entscheidung nicht in einem luftleeren Raum gefallen. Kafkas Werken kam in den Nachkriegsjahren in kulturellen Kreisen eine überdurchschnittlich hohe Aufmerksamkeit zu, was sich besonders in den vielen Publikationen in Zeitschriften, Zeitungen sowie in literaturwissenschaftlichen Organen zeigt: Nicht nur Artikel über Kafka waren dort regelmäßig zu finden, auch die Werke selbst wurden regelmäßig in den Journalen, die nach dem Krieg mit großem Eifer gegründet worden waren, abgedruckt.29 Zum einen ist dies damit zu erklären, dass „bei der jungen Generation ein Nachholbedarf an Kafka-Texten“30 bestand: Man suchte nach künstlerischen Anknüpfungspunkten in der Zeit vor 1933, man war fasziniert von dem bisher verbotenen, geheimnisvollen Werk Kafkas, man wollte nachholen, was vorenthalten und wiedergutmachen, was geschehen war. Zum anderen war man bestrebt, an die in anderen europäischen Ländern - vor allem England, Frankreich und USA - mittlerweile gut etablierte Kafka-Forschung anzuschließen. Dieser Hintergrund, vor dem auch eine Komposition wie Henzes Ein Landarzt entstanden ist, soll hier zunächst skizziert und einige vorherrschende Rezeptionsansätze vorgestellt werden, um dann mögliche Bezugspunkte zur Komposition Henzes zu finden.

Vor dem Dritten Reich, also in der Frühphase der Kafka-Rezeption nach dessen Tod, war die Aufnahme des schwer zugänglichen Werkes besonders von religiösen Deutungen geprägt: Von Max Brods Einordnung seines verstorbenen Freundes als „homo religiosus“31 bis hin zu einer „Kafka­Vergötterung“, die „das Werk insgesamt als Heilige Schrift wertet“,32 reichte die Rezeption. In den dreißiger Jahren gesellte sich eine psychoanalytische Auslegungsrichtung hinzu, die damals aber nicht über ihre Anfänge hinauskam33 und erst in den sechziger und siebziger Jahren in großem Maße die Forschungsdiskussion zu bestimmen begann.

In den Jahren ab 1945, als in Deutschland die zweite Phase der Kafka-Rezeption begann, knüpfte man zum einen an die theologische Ausdeutung Kafkas in den Vorkriegsjahren an, zum anderen begannen im großen Stile existentialistische Deutungen die Kafka-Debatte zu bestimmen.

In ihnen ging es weniger um den Dichter und Künstler Kafka als um einen Kronzeugen moderner Existenzerfahrung, um die Aktualität Kafkas als eines Repräsentanten der Absurdität der Welt. In dem Schlagwort „kafkaesk“ wurden die Grundvorstellungen des Existentialismus (Angst, Ekel, Geworfenheit ins Nichts, Tod Gottes) zusammengefaßt [...j.[34]

Nach der Existenzphilosophie - im Sinne Heideggers - kann der Mensch, auf sich selbst zurückgeworfen und nicht geborgen in der Gewissheit um die Existenz einer rettenden oder über allem wachenden höheren Macht, sein Dasein nur durch das Gefühl der Angst und in der Gewissheit des Todes definieren. In diesem Sinne wurde auch von vielen das wiederentdeckte Werk Kafkas gelesen. In der „Stunde Null“, im Entsetzen über zerstörte Städte und Millionen von Toten, mit der Schuldfrage ringend, sahen viele die Situation darin prophezeit. Die Kafka-Verehrung nach dem Krieg sieht Walter Muschg darin begründet, dass Kafka „gnadenlos leidend wie Trakl das Kommende vorauswußte“35:

Er hört keine Engel singen wie Rilke und weiß nichts von Georges Führertum. Er wittert die Wahrheit: er sieht Dämonen, er ahnt die unendliche Schuld des Menschen und zittert vor dem Urteil über sich. Eine namenlose Trauer des Vergeblichen und Sinnlosen, ein aschfahles Licht des Grauens liegt über seiner Welt. Der Weg ins Jenseits, in die Gewißheit der Erlösung ist ihm verlegt. Gott thront unerreichbar fern, die Nachricht von ihm ist fraglich, unverständlich [,..].Der Glaube kann sich nur noch als Verzweiflung empfinden. [...]

Was den ersten Lesern Kafkas noch als der Alptraum eines Kranken erschien, ist heute Wirklichkeit geworden. Die Menschen, die Häuser, die Regierungen sehen im zerstörten Europa so aus, wie dieser gequälte Träumer sie sah.36

Noch früher definierte James Burnham in der Amerikanischen Rundschau das bei Kafka vorherrschende Gefühl als „universale, allumfassende Angst“37 und bezieht sie auf die konkrete Situation der Nachkriegsjahre, indem er die Verbindung mit den großen Themen der Zeit herstellte:

Alles, oder nahezu alles, vereinigt sich in dieser abgründigen Angst: die ängstliche Unsicherheit der neurotischen Psyche; die Heimatlosigkeit der Juden; die Leere der durch die modernen wissenschaftlichen Ideologien geschaffenen metaphysischen Wüste; die kosmische Angst oder „Sorge“ Kierkegaards und der Existentialphilosophie; die Verlorenheit des Individuums in dem bürokratisierten Sozialmechanismus; die Unruhe des seinen Weges unsicheren Wanderers, des Denkers, der seine Grundsätze verloren hat.38

Zwei Jahre später fasste Heinz Günther Oliass die Auslegung dreier Kafka-Erzählungen unter Verwendung weiterer existentialistischer Topoi so zusammen:

Den Sinn des Universums ist uns zu erkennen nicht vergönnt; er ist für uns, die wir zu sehr uns dem Eigenschicksal ergeben haben, verloren gegangen. Die Welt hat sich mechanisiert, wie Marionetten pendeln Menschen fast beziehungslos durcheinander. [...] Was bliebt, sind Angst und Einsamkeit.39

Differenzierter wollte Max Brod den „Existentialismus“ Kafkas behandelt wissen, als er 1947 Kafka weiter weg von Heidegger zu rücken versuchte, sei doch „Kafka ein echter Schüler Kierkegaards - und, noch tiefer angefaßt, ein völlig selbständiger Denker. [...] Die denkerische Haltung Franz Kafkas ist nur scheinbar eine nihilistische in ungefährer Heidegger-Nähe, in Wirklichkeit eine lebensbejahende; freilich lebensbejahend auf eine sehr zaghafte, vorsichtige, gleichsam in fernste Dunkelheiten hineinspähende Art.“40

Einfluss auf die deutschsprachige existentialistische Kafkaauslegung hatte die Deutung von Albert Camus, die 1949 in deutscher Übersetzung in der Zeitschrift Die Wandlung erschien und in der er dem blanken Entsetzen, das viele Exegeten in Kafkas Werk erkannten, um die Dimension der „Hoffnung“ ergänzte. Er erkannte in den Widersprüchen und Paradoxien, der Vergeblichkeit des Handelns der Kafkaschen Figuren das „absurde Kunstwerk“, vernahm dort zugleich aber „ eine sonderbare Art von Hoffnung“ und stellte Kafka deshalb in eine Reihe mit anderen existentiellen Künstlern, „die ganz und gar dem Absurden und dessen Folgen zugewandt sind [und] schließlich doch mit einem gewaltigen Hoffnungsschrei enden. Sie umarmen den Gott, der sie verschlingt.“41 Der Einfluss Camus’ lässt sich auch am folgenden Gedanken Walter Jens’ aus dem Jahr 1951 zur nihilistisch geprägten Auslegung Kafkas ablesen, der die Camus’sche „Hoffnung“ durch das Bild des Zieles ersetzt:

Die Verzweiflung, die Kafkas ganzes Werk durchzieht, [ist] nicht deshalb so groß, weil es kein Ziel gibt, sondern gerade weil dieses Ziel vorhanden ist, nur ist es so schwer zu erkennen, daß die furchtbare Frage auftaucht, ob der Endpunkt nicht schon in unserem Rücken liegt und wir, unwissend, verspottet und gefoppt, immer tiefer in das Dickicht der Sinnlosigkeit hineinstürzen[,]42

Dass Henzes Komposition in großem Maße von den existentialistischen Lesarten des Kafkaschen Werkes beeinflusst ist, soll im nächsten Kapitel dargelegt werden. Dabei soll untersucht werden, inwieweit sie gewissermaßen als eine zu Klang gewordene Interpretation der Erzählung im Sinne der „Modephilosophie des Existentialismus“43 gedeutet werden kann.

Neben den vielfältigen existentialistisch geprägten Deutungsversuchen und den theologischen Ansätzen, die sich allerdings mehr und mehr in eine Richtung der Negierung der Möglichkeit einer Existenz Gottes bewegten und sich damit den existentialistischem Kafka-Verständnis annäherten,44 sind in den Jahren bis 1951 noch Tendenzen zu psychologischen, gesellschaftskritischen sowie surrealistischen Auslegungen zu beobachten.45

Obwohl die letztgenannte Richtung in Deutschland eine geringe Rolle spielte - auch deshalb, weil der Surrealismus in Deutschland weniger Anhänger gefunden hatte als in anderen Ländern - möchte ich doch einige Aspekte dieses Rezeptionszweiges erwähnen, da auch im Zusammenhang mit

Henzes Funkoper über den Landarzt immer wieder der Begriff des „musikalischen Surrealismus“ und der „surrealen Oper“ auftauchen.46

Parker Tyler nannte Kafka in einem 1948 publizierten Aufsatz einen „Prä-Surrealisten“ und definierte die Sphäre, die Kafka mit den Surrealisten um und nach Breton teilt als „„eine Welt, in der ein eingebildetes Motiv mit ihm innewohnender Logik über eine äußerlich unlogische Erfahrungsreihe von Einzelheiten gesetzt wird. Der gleichen Sphäre gehört der Traum an. Dem Künstler aber werden diese Zustände bewußt.“47 Dass eine konsequente Zuordnung Kafkas zu den Surrealisten jedoch problematisch ist, darauf weist beispielsweise Oliass hin, wenn er auf das Fehlen des entscheidenden Stilcharakteristikums der Surrealisten hinweist: „Kafkas Sprache steht jenseits des literarischen Experiments, ist nie entdeckerisch, stößt nie absichtsvoll in tiefenpsychologische Bereiche vor. Sie ist nüchtern, präzise, kalt, ja mitunter fast entseelt, ist Alltagssprache [,..].“48 Nur wenn man den Surrealismus auf das Streben nach der Erkenntnis der hinter der rational erfassbaren Wirklichkeit liegenden Bereiche des Traums und der Phantasie verkürzt49 und politische, weltanschauliche und technische Dimensionen außer Acht lässt,50 lassen sich einige Parallelen zwischen der Bewegung und dem Dichter ziehen.

„Eine ,Kafka-Welle’ geht durch die Länder des Westens“,51 stellt bereits 1945 Franz Carl Weiskopf fest, und bereits 3 Jahre später warnt Richard Drews vor dem „Kafkakult [...], der sich seuchengleich in den Literaturzirkeln der halben Erde ausbreitet“,52 und dereine Gefahr für „das stille, absonderliche und marktfeindliche Werk und Wesen dieses Mannes“ darstelle. Er prophezeit: „Man wird einen gründlich mißverstandenen Dichter [...] zu Tode hetzen.“53

Doch war diese Kafka-Begeisterung nicht die fast konsequente Reaktion auf das herausfordernde Werk dieses Dichters? „Ein vielfordernder Geist von einer Tiefe, die kein Senkblei mißt, sucht er seine Leser.“54 Er hat sie endlich gefunden und viele haben sich vorgewagt in die Tiefen von Kafkas Werk, aber es hat nicht merklich gelitten hat unter dieser ersten Phase der Kafka-Exegese, die von einer geradezu überschwänglichen Lust auf das bisher Verbotene angetrieben wurde und zu deren Folgen eben auch jene künstlerischen Aneignungen des Werkes zu zählen sind wie die Vertonung Kafkas durch Henze. Wie sich die Kafkaforschung, nicht weniger facettenreich, aber freilich mit sich ständig veränderten Schwerpunkten und neuen Methoden nach dem in diesem Kapitel behandelten Zeitraum fortentwickelte, möchte ich im folgenden Kapitel darlegen: Ich werde den Fortgang der Interpretationswege kurz anreißen, etwas länger jedoch bei der streng textimmanenten, strukturalistischen Analyse des Landarztes von Hans H. Hebel verweilen, da einige seiner Beobachtungen, lässt man sie in Dialog treten mit der über 30 Jahre früher entstandenen Vertonung Henzes, diese auf interessante Weise zu beleuchten vermögen.

2.2. Die Rezeption ab den 1950erJahren

Dass es im vorherigen Kapitel nicht um die Rezeption der Erzählung Ein Landarzt ging, sondern ganz allgemein um die Aufnahme des „Phänomens“ Kafka nach dem Krieg, hat seinen einfachen Grund darin, dass die Erzählung bis dahin in der Forschung praktisch nicht beachtet wurde. Hans Hiebel stellte fest: „Bis zu Wilhelm Emrichs Monographie von 1958 gibt es weder in Deutschland noch in den USA eine eingehendere Besprechung zum ,Landarzt’ [,..].“55 Dies kann insbesondere im Hinblick auf die existentialistischen Lesarten der Kafkaschen Werke mit einer Beobachtung Marthe Roberts begründet werden, die bei der Auslegung Kafkas durch die französischen Existentialisten eine „Unverantwortlichkeit gegenüber dem Text“ feststellt: „Dieser wurde in der Tat niemals zur Bekräftigung oder Überprüfung einer Behauptung herangezogen; das war auch nicht nötig, da der Text in eine reine geistige, abstrakte Welt gebannt war, wo seine äußerliche Beschaffenheit, das heißt schließlich seine Kunst, so gleichgültig war, daß man sie übersehen oder nach Belieben handhaben konnte, ohne ihm wesentlich zu schaden.“56 Ähnliches bestätigt sich auch bei den referierten Auslegungen in deutscher Sprache: Textbelege sind eine Ausnahme, meist begnügt man sich mit stichwortartigen Verweisen und Umschreibungen der betreffenden Passagen. Diese „Belegstellen“ beziehen sich darüber hinaus meist auf die Romane, die im Gegensatz zu den Erzählungen stärker rezipiert wurden.

Die Sorge um eine philologisch exakte Lektüre wird erstmals Anfang der fünfziger Jahre laut und Kafka-Exegeten wie Friedrich Beißner und Martin Walser fordern einen Neuansatz, dessen Grundlage die Erkenntnis, „dass Kafkas Texte hermetisch sind und sich in ihren Seinsbezügen den konkretene Zeitbezügen verschließen“,57 ist.

Wilhelm Emrich ist dieser „neuen Werkimmanenz“ zuzuordnen, steht jedoch selbst gegen Ende der fünfziger Jahre noch im Bezugsfeld der existentialistischen Kafkarezeption nach dem Krieg: Er deutet den Landarzt als existentielle Parabel. Der Landarzt scheitere hierin, den Patienten zu retten, weil er nicht die Rolle des Priester anzunehmen gewillt ist. Stattdessen bleibe er bei einer medizinischen Heilung des Patienten und bei seinen ganz irdischen Wünschen: Er will sich selbst und seine „blühende Praxis“58 retten.59 Ebenfalls zur existentialistischen Rezeptionslinie gehören noch Arbeiten, die in den sechziger und siebziger Jahren entstanden, wie die von Paul Konrad Kurz, der das Bild der Wunde symbolisch deutet: „Die Existenzwunde erweist sich als Geburtswunde, die Geburtswunde als Todeswunde.“60 Gleichzeitig schlägt Kurz auch eine psychoanalytische Deutung ein und deutet Figuren, mit denen der Arzt in Kontakt tritt, als Abspaltungen des Landarzt-Ichs. Der Patient sei „das unschuldige Ich, das von Geburt her verwundet, im Grunde pflegebedürftig und zum Tode vorherbestimmt ist.“61 Die vom Landarzt hervorgebrachte Beschreibung der Wunde als „Im spitzen Winkel mit zwei Hieben der Hacke geschaffen“62 deutet er als Umschreibung des Zeugungsaktes; dort habe „die Wunde und mit ihr de[r] Tod“63 ihren Ursprung.

Die psychoanalytische Deutung der Werke Kafkas reicht, wie oben angerissen, in die Vorkriegsjahre zurück, wobei diese frühen Auslegungen oft reduktiv-biographisch verfuhren, wenn sie sich etwa „auf die Analyse des gespannten Verhältnisses Kafkas zu seinem Vater [stützten], wobei spekulative Überhöhungen einzelner Symptome nicht ausgeschlossen waren.“64 Psychoanalytische Interpretationen, die sich von der Fixierung auf den Autor lösen, waren dann erstmals Ende der fünfziger Jahre entstanden und machen seither auch ein großes Feld der Forschung am Landarzt aus. Das liegt vor allem am Traumcharakter der Erzählung, der die Interpreten an die Fährte der Freudschen Traumtheorie lockte. Während Richard H. Lawson noch recht oberflächlich schlicht davon ausgeht, „daß wir im ,Landarzt’ den desillusionierten Psychoanalytiker vorgeführt bekommen“,65 sieht Herman Salinger das Freudsche Modell von Ich, Über-Ich und Es in der Erzählung verdichtet und ordnet den Ruf der Nachtglocke der autoritären Instanz des Über-Ichs und die wilden Pferde der triebgesteuerten Instanz des Es zu, während das Ich die einzige Instanz ist, dem der Landarzt gehorchen sollte. Salinger bescheinigte dem „Ich“ des Landarztes aufgrund seiner Passivität, seiner hinnehmenden Haltung gegenüber den falschen Befehlen des Über-Ichs und des Es eine Schwachheit:66

Neben diesen existentialistischen und psychologischen Deutungen sind noch hermeneutisch­biographische Ansätze wie die von Heinz Politzer und Walter Sokel zu nennen.67 Politzer sieht die Erzählung als „Stenogramm eines Angsttraums“,68 Sokel interpretiert den Ruf der Nachtglocke als Symbol für die Berufung Kafkas zum Dichter und die Pferde - mit Tendenzen zur eben referierten psychologischen Ausdeutung Salingers - als das Unbewusste, das der Dichter nun herbeirufe und das ihn von seinem „Hof“, also seinem bürgerlichen Leben, entferne.69 Bemerkenswert ist außerdem, dass Sokel als erster von einer Subjektdissoziation des Landarztes spricht, wenn er darauf hinweist, dass das Ich des Landarztes gespalten ist „zwischen den ,unirdischen’ Pferden und dem allzuirdischen, ja unterirdischen Pferdeknecht. Zusammen steigen die beiden Verkörperungen der inneren Tendenzen des Landarztes aus dem Schweinestall.“70 Diese Interpretation wurde im Fortgang der Landarzt-Rezeption, wie oben im Zusammenhang mit Paul Konrad Kurz erwähnt, auch auf die Person des Patienten und in einzelnen Arbeiten sogar auf alle Personen der Erzählung ausgeweitet und wurde zur Grundannahme vieler psychoanalytischer Auslegungen, ist aber interessanterweise auch bereits mit musikalischen Mitteln in Henzes Landarzt-Vertonung vorweggenommen, was später noch aufzuzeigen sein wird. Walter Sokel geht in seiner Arbeit darüber hinaus auch den später in der Forschung vielbeschrittenen Weg, literarisch-kulturelle Kontexte im Werk Kafkas aufzuspüren, etwa wenn er das Motiv des Pferdegespanns mit dem antiken Mythos des Wagenlenkers in Verbindung bringt: Es erscheint schon bei Platon als das Bild der menschlichen Seele. Der Wagenlenker, der seine Pferde nicht meistern kann, ist wie Kafkas Landarzt der Mensch, der seines Inneren nicht Herr werden kann. [...] Das Bild ist wahrscheinlich aus Platons Phädros entlehnt worden, ein Werk, das Kafka in seiner Bibliothek besaß. [...] Bei Platon stellen die Pferde die Leidenschaften dar, das eine die edleren und das andere die niedrigeren, bei Kafka aber sind sie der Teil der Seele, der das Ich zur Krankheit und zum Leiden, zur Wunde, zum Geheimnis und zum Tod beruft.71

Diese Interpretation nimmt auch Kurt J. Fickert in seiner kulturkritischen Interpretation der Erzählung auf und deutet „die Pferde und den Knecht wieder als Sinnbilder des Triebhaften, und das heißt für Fickert aber auch: der Fremdbestimmung, der über Äußerlichkeiten vermittelten Begierde“72, da der Knecht durch seinen Angriff auf Rosa zum einen zum Rivalen des Arztes werde, zum anderen damit aber auch dessen Wünsche verkörpere und auslebe.73

Immer wieder wurde auf die gesellschaftliche Isolation des Landarztes hingewiesen, was im Rahmen von psychoanalytischen Ansätzen als ein „,Ausweichen vor der Wirklichkeit“74 gelesen werden kann, im Rahmen von biographischen Ansätzen, die sich den Schreibprozessen Kafkas widmen, jedoch auch als Ausdruck „des Schreibens als Ausweg nach dem Scheitern der Lebensbindungen“ Kafkas.75 „Im Zentrum der Erzählung, darin stimmen alle Interpretationen überein, steht das Sprachzeichen ,Rosa’“,76 schließt Hans Helmut Hiebel sein Kapitel zur Rezeption der Erzählung Ein Landarzt. Indem Kafka das Dienstmädchen Rosa mit der rosa Wunde überblendet,77 findet eine merkwürdige Verbindung zwischen diesen beiden Elementen der Erzählung statt. Als „[symbolische Initiation zu einer endlosen semiotischen Metamorphose, deren grundlegender Signifikant [...] eine Wunde ist, eine rosa Wunde, die Wunde Rosa“,78 umschreibt Detlef Kremer das Spiel mit den Homonymen; als symbolische Parallelschaltung der Entdeckung der rosa Wunde und des Brechens der Rose Rosas79 deutet es Frank Möbius;80 Rosa als „Gewaltspur“, die in Form „der roten Zahnreihe, der roten Wange, dem roten Blut, zur Findung des Namens Rosa und weiter zum blutigen Handtuch und zur roten ,Blume’“ den Text durchläuft und die „vor jeder Bedeutungssetzung zögert“,81 erkennt Walter Busch darin; als Verknüpfung der beiden Bereiche, zwischen denen der Landarzt sich zu entscheiden hat, „das Ja oder Nein zu familialer oder sozialer Realisation“, in Form des Sprachzeichens Rosa „als Zeichen der zur Sexualität verführenden Frau hier, als Zeichen der zum Tod führenden Wunde, der Todesblume in der ,Hüftgegend’ des Jungen dort“82 fasst es Gerhard Neumann zusammen.

Hans Helmut Hiebei wollte mit seiner 1984 vorgelegten Wort-für-Wort-Analyse der Erzählung den oben referierten verschiedenartigen Tendenzen, den Text „auf ein ursprüngliches Objekt des Vergleichs, eine feste Aussage, ein fixierbares Signifikat“83 festzulegen, eine andere Methode entgegensetzen. Denn ihm missfällt, dass „die Konstruktion einer geschlossenen Interpretation, einer reduzierten geschlossenen Übersetzung, auf Kosten der Integration der Fülle weiterer Implikationen, Allusionen, logischer Relationen“, die der Text enthält, gehe.84 Er wendet dabei die von Roland Barthes entwickelte strukturale Erzählanalyse an, wonach er die Erzählung in kleinste Einheiten segmentiert, diese kommentiert und sie untereinander in Beziehung setzt, so dass die „das Erzählen zusammenhaltenden Momente“85 in Form von immer wiederkehrenden Funktionen aufgedeckt werden. Hiebels Hauptthese ist dabei die Reversibilität des Textes, also die Umkehrbarkeit, „d.h. Ungerichtetheit, Räumlichkeit, Synchronie“.86 Strukturen, z.B. korrespondierende Elemente wie die oben erwähnte „Gewaltspur“, die sich aus blutigen, roten und rosafarbenen Zeichen zusammensetzt, treten vor dem Ablauf der Geschichte hervor. Erstere nennt Hiebel das „Paradigma“, das sich „sozusagen wie auf einer Partitur - vertikal oberhalb der linearen Folge des Textes zusammenfindet“ und die Eigenschaft der Atemporalität hat, letzteres bezeichnet er als „Syntagma“, das sich „in horizontaler [...] Weise - als lineare Folge der Ereignisse darstellt“ und die Eigenschaft der Zeitlichkeit, des Nacheinanders hat.87 Von paradigmatischer Art sind auch die kreisenden Metaphern, die zirkulär aufeinander verweisen, ohne dass sich ein eindeutiger Sinn ergäbe - stattdessen verschiebt sich die Bedeutung: Herausstechendstes Beispiel ist das „Metaphern-Knäuel“ um die „rosa Wunde“ und die „Wunde Rosa“88, die gleichzeitig die „vorhandene und nicht vorhandene Wunde“, Symbol für „Leben und den Tod im Leben“ ist, symbolisch und real zu nehmen ist.89 Die von Hiebel aufgezeigte Reversibilität des Textes ist nun hier von besonderer Bedeutung, da Henze bei seiner Vertonung des Landarztes auch musikalische Mittel der Reversibilität heranzieht: Zum einen die Verwendung von Reihen, deren Umkehrung und Krebsgestalt, zum anderen die elektronische Umkehrung von Klangmaterial in der Nr. VIII seiner Funkoper.90 Dass es keine zufällige Konstellation ist, dass der „reversible Text“ Ein Landarzt auf „reversible Klänge“ in Henzes Vertonung trifft, legt Roland Barthes These, bis zum 20. Jahrhundert herrschte das „Denken in Kategorien der Repräsentation“,91 während die „bewußte Reversibilität [...] das Charakteristikum der Moderne“92 sei, nahe. Kafka als einer der „Heroen der Moderne“93 wird mit seiner Erzählung in der Form der Funkoper rezipiert, ein in hohem Maße „modernes“ Medium, das die technischen Fortschritte des frühen 20. Jahrhunderts und die damit sich veränderten Wahrnehmungsprozesse prototypisch widerspiegelt, und trifft darin auf die genuinen Mitteln der Musik der Moderne wie die Zwölftontechnik oder die elektronische Manipulation von Klängen. „Der reversible Text ist quasi wie ein Akkord strukturiert, der traditionell-irreversible wie eine Melodie“94, so fasst Hiebel Barthes Kapitel Die Partitur zusammen, wo dieser die sich im Laufe der Geschichte von syntagmatischer zu paradigmatischer Ordnung veränderten Textstrukturen mit diesen musikalischen Vergleichen in Verbindung bringt. Dass er hierfür ausgerechnet eine musikalische Metapher verwendet, ist für die Betrachtungen zur Vertonung der Erzählung Ein Landarzt besonders aufschlussreich. Barthes parallelisiert dabei explizit die „progressive^] Ordnung der Melodie“ und die „ebenso progressive^] der Erzählsequenz“, deren sequentieller, irreversibler Charakter er als Einschränkung für die Pluralität, die den modernen Text auszeichnet, bewertet. In diesem Zusammenhang ist doch kennzeichnend, dass in der Musik des 20. Jahrhunderts lineare Verfahrensweisen, also „traditionell­irreversible“ wie thematische Entwicklung, Melodien und ihre Variationen95 oder die Tonalität als das dem konditionierten Gehör Vertraute und es Leitende96 sowie der regelmäßige Rhythmus mit Wiederholungsstrukturen zugunsten von „reversiblen“ Parametern wie die Atonalität oder der Zwölftontechnik, die „die Rückläufigkeit, das Palindrom, zum vollwertigen Strukturelement“97 machte und die mit ihren Krebsformen „das Problem der Zeitdimension“ der Musik „akut“ werden ließ,98 oder auch die Verkomplizierung der metrischen Verhältnisse bis hin zu deren Aufhebung im „amorphen Zeitraum“99 in Form von rhythmischen Clustern. Eine „tonale Instabilität“100 bescheinigt Barthes dem modernen Text auch insofern, als dessen Pluralität hinsichtlich der Unentscheidbarkeit der Frage, wer spricht und wo der Ursprung einer Aussage liegt, zum Markenzeichen wird; diese Instabilität gehe „im modernen Text [...] bis zur Atonalität [...], die aus ihm ein brillierendes Moiré ephemerer Ursprünge macht.“101

Dass Hiebei diese nach Barthes ganz spezifischen Merkmale der Moderne so exemplarisch an der Erzählung Ein Landarzt nachweisen kann, und dass eben diese Erzählung sich in einer so spezifisch modernen musikalischen Form in der Henzeschen Vertonung wiederfindet, in der er eben diese „reversiblen“ musikalischen Mittel anwendet, wie die die Dimension der musikalischen Zeit revolutionierenden Strukturen wie Krebsformen und rückwärts laufende Tonbänder, aber auch die Aushebelung des traditionellen Taktgefüges mit asymmetrischen oder ständig wechselnden Taktordnungen, ist bezeichnend. Diese Beobachtungen sind die Grundlage meiner These, dass es sich bei der Vertonung Henzes insofern um eine höchst angemessene Annäherung an sein Libretto handelt, als sie auf die spezifisch moderne Form der Erzählung mit spezifisch modernen musikalischen Mitteln reagiert. Die Komposition zwängt der quasi unausdeutbaren Schrift Kafkas keine Interpretation im Medium der Musik auf, sondern sie formt die ihr innewohnenden Charakteristika in musikalische Zeichen um, begegnet ihr damit sozusagen „auf Augenhöhe“ und vermag so der Erzählung einen Spiegel vorzuhalten; ein reflektierendes, zwischen Text und Musik oszillierendes Kunstwerk entsteht, das die Stimmen, die die Unvertonbarkeit Kafkas verkünden, wie die des harsch argumentierenden Adornos, der meint, „sobald man Kafka unter Musik setzt, wird er vorweg verfälscht und in eine symbolistische Stimmungssphäre zurückgenommen, die seine Härte gerade zerschlug“,102 doch sehr relativiert.

Nach diesem Exkurs über die ausführliche Lektüre des Landarztes durch Hans Helmut Hiebel, die methodologisch einer Durchdringung von psychoanalytischer und dekonstruktiver Lesart zugeordnet werden kann, könnte noch eine Skizzierung des Fortgangs der Landarzt-Rezeption erwartet werden. Doch mit dem Verweis auf das Zitat Waldemar Fromms: „Man kann erleichtert feststellen, dass es keinen neueren Forschungsansatz in den Philologien gibt, der nicht auch auf Kafkas Texte appliziert worden wäre“,103 und der Feststellung, dass dies auch für die Erzählung Ein Landarzt gilt, möchte ich dies nur in sehr kurzer Form tun. Zu den neueren Forschungsansätzen zählen neben den bereits genannten unter anderem: Kafka und das Judentum,104 Kafka und das uneigentliche Sprechen bzw. die Sprachkritik, Kafkas Dichtungstheorie.105 Els Andringa beobachtet, ebenfalls im neuen Kafka­Handbuch, dass „gerade in den letzten fünfzehn Jahren [...] eine internationale Forschungsproduktion zu beobachten [ist]“ und zählt in diesem Zusammenhang „neue Interpretationsmuster wie ,gender’, ,race’ oder ,der Orient’“ auf.106 Ein Landarzt wurde in den letzten Jahren auf der Folie des aus der Gender-Thematik erwachsenen Körperdiskurses gelesen, wobei wieder die Wunde, und zwar unter dem Motto „Verwundungen im Text - Verwundungen des Textes“,107 ins Zentrum des Interesses rückte.108

Dieser Abriss der Rezeptionsgeschichte muss unvollständig bleiben, da eine komplette Darstellung den Rahmen dieser Arbeit sprengen würde. Hinzuweisen war in diesem Kapitel auf Interpretationen, die für die Entstehung und Deutung der Henzeschen Vertonung von Bedeutung sind. Dies waren zum einen Lesarten, die einen direkten oder indirekten Einfluss auf die Entstehung der Funkoper hatten, nämlich die Rezeption des Kafkaschen Oeuvres nach 1945, zum anderen Lesarten, die keinen direkten Einfluss haben konnten auf die Art und Weise, wie Henze die Erzählung mit Musik versah, weil sie nach der Komposition niedergeschrieben wurden, die aber ähnliche Rezeptionsmuster mit Worten umschreiben, die in der Vertonung mit musikalischen Mitteln angelegt erscheinen. Dieser Rezeptionskontext soll im folgenden Kapitel mit Erläuterungen zu Äußerungen des Komponisten selbst ergänzt werden, in denen Henze Auskunft über seine Erfahrungen mit der Lektüre Kafkas gibt und diese auch vor dem Hintergrund der Erfahrungswirklichkeit der Nachkriegsjahre erläutert.

2.3. „Kunst bedeutet Vorgefühl“: Henzes Anknüpfung an das Werk Kafkas und Schönbergs

In den fünfziger Jahren hatte die Musik Schönbergs auf die jungen Künstler in Europa eine bestürzende Wirkung. Man könnte sagen, daß diese Wirkung mit der Franz Kafkas in der Literatur vergleichbar war. Es traten Weltbilder und Gefühlssphären erneut hervor, die uns die Geschichtsfälschung der Faschisten vorenthalten hatte: Seismographen kulturellen Unbehagens wie Kafka und Schönberg mußten im Faschismus zum Stillstand gebracht werden. Es war nicht opportun, dem Volk wirklichkeitsgetreue und prophetische Darstellungen von Panik, Angst und Untergang zum Lesen und Hören zu überlassen. Der Wahrheitsgehalt dieser Werke, die in ihr enthaltenen Botschaften und Verfeinerungsformen des späten Bürgertums müssen für die Pfleger von Blut-und-Boden-Ideologien die Gefährlichkeit von Explosivstoff gehabt haben.109

So Hans Werner Henze in seiner Schrift Exkurs über Populismus, die in dem 1979 erschienen ersten Band in der von ihm herausgegebenen Schriftenreihe Neue Aspekte der musikalischen Ästhetik abgedruckt ist. Hier wird deutlich, welchen Stellenwerte die Wiederentdeckung „dieser alten, aber für uns neuen Kunst“110 für die Identitätsfindung der jungen Künstler hatte, der Generation, die 1945 „aus der faschistischen Nacht entlassen wurde, in einen Morgen voller neuer Dinge, Fakten Probleme“ und zunächst „bestürzt, geblendet, verstört“111 nach Anknüpfungspunkten im Neubeginn suchte. Sowohl Schönberg als auch Kafka konnten vor dem Krieg in Deutschland nicht recht Fuß fassen. Der - bereits dargelegten - sehr raschen Zuwendung Kafkas nach dem Krieg steht die etwas verzögerte Rezeption Schönbergs entgegen: „Zwölftonmusik erschien vielfach als letzter Auswuchs des Expressionismus, als gescheiterter Versuch, Atonalität auf ,intellektualistischem’ Weg verbindlich zu etablieren.“112 Hindemith galt vielen als der Anknüpfungspunkt, von wo aus die Musikgeschichte weitergeschrieben werden konnte, was sich exemplarisch an den ersten Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik zeigte, wo in Wolfgang Fortners Kompositionskursen der Schwerpunkt auf Analysen von Werken Hindemiths und Strawinskys lag und Schönberg, Berg und Webern - auch bei den dortigen Aufführungen - unberücksichtigt blieben.113 Zu den Teilnehmern dieser Ferienkurse sowie zu den folgenden beiden bis 1948 gehörte auch Hans Werner Henze. Der zweite Satz seiner ersten Sinfonie sowie die Sonatine für Flöte und Klavier, die im Rahmen der Ferienkurse 1947 aufgeführt wurden, belegen auch den Einfluss dieser frühen Neuorientierung an neoklassizistischen Vorbildern auf Henzes Schaffen; Inge Kovács bezeichnet sie als „ein Musterbeispiel für die frühe Hindemith- Rezeption in Darmstadt“.114 Nicht vor 1948 erklangen in Darmstadt erstmals zwölftönige Kompositionen Schönbergs und Weberns114115 und René Leibowitz gab im selben Jahr eine Einführung in die Dodekaphonie „als Schönbergs Abgesandter und Stellvertreter“.116 In ihm begegnete auch Henze zum ersten Mal einem „echten Experten“, der als Webern-Schüler und Botschafter der Pariser Dodekaphonisten höchste Autorität als „authentischer“ Zwölfton-Lehrer, -Komponist und -Dirigent genoss. Henze bezeichnet den Kontakt zu Leibowitz als seine wichtigste künstlerische Begegnung in jenen Jahren [...]. Ich lernte verstehen, daß die Reihentechnik als eine Weiterentwicklung, eine Fortsetzung der Idee von der mit Motiven und ihrer Entwicklung arbeitenden Kompositionskunst ist, wie sie uns aus der deutschen Klassik, aus der Musik der Wiener Klassik überliefert wurde. Leibowitz brachte den hellen Lichtschein der Erkenntnis des Erkennens in mein junges, suchendes Nachwuchskomponistenleben.117

Hier tritt die Traditionsverbundenheit, die in Henzes Musikästhetik eine große Rolle spielt und die er auch in Schönbergs Musikdenken erkannte, deutlich hervor. Schönberg als konsequente Fortführung der Musikgeschichte, in der neue Techniken aus der Tradition hervorgingen, war der Aspekt der Schönberg-Rezeption, an dem auch Henze anknüpfte. Auf Distanz ging Henze freilich an den Punkten des Schönbergschen Musikverständnis, an denen dieser „darauf bestanden hat, daß das aristokratische und großbürgerliche Prinzip seines Musikdenkens das einzig Heilsame und ästhetische Korrekte sei“ sowie „auf die Unmöglichkeit hingewiesen [hat], ein anständiges Kunstwerk zu machen, das Elemente der Volksmusik in die Strukturen der Arbeit einbrächte.“118 Als Gegenbegriff zu diesem elitären Musikverständnis prägte Henze den Begriff der „musica impura“, die er für sein eigenes Kunstschaffen beansprucht: „Meine Musik hat diese menschlichen, allegorischen, literarischen Involvements. Meine Musik ist,impura’, wie Neruda von seinen Gedichten sagt. Sie will nicht abstrakt sein, sie will nicht sauber sein, sie ist ,befleckt’: mit Schwächen, Nachteilen und Unvollkommenheiten.“119 Von dieser Ästhetik spricht auch seine Äußerung über das Erlebnis von Kafka und Schönberg nach 1945 aus der oben bereits zitierten Schrift Exkurs über Populismus, wenn erschreibt:

Wir begannen zu lernen: Kunst bedeutet Ahnung, Vorgefühl, Miterleben, bedeutet den Goetheschen Augenschmerz. Wir [...] lernten, daß Parodie und Ironie Gestaltungsmittel sein können und daß Genauigkeit ein erster Schritt ist in Richtung Wahrheit. Daß Musik nichts Abstraktes an sich hat. Daß die Künstler eine Verantwortung haben, nicht sich gegenüber oder der Kunst in abstracto, sondern ihrer Gesellschaft gegenüber, und daß ihre gesellschaftliche Verantwortung künstlerische Folgen haben wird.120

Das „ungewohnte Licht“,121 das von Kafka und Schönberg auf die Augen und Ohren des jungen Hans Werner Henze einwirken und ihm diesen - angenehmen - Schmerz bereitete, erläutert er im Fortgang dieser Schrift näher, indem er auf die spezielle Wirkung der beiden Künstler separat eingeht. Zunächst schreibt er über Kafka:

In den Figuren Kafkas werden mythische Abgründe der menschlichen Psyche sichtbar, ganz wie in der Musik seiner Zeit, die Verletzbarkeit, die Verletzung. Keine dieser Figuren tritt als Sieger vor uns hin. Wir sind Verfolgte, die nicht leben können, denen Ruhe und Gleichgewicht versagt sind. Wir schlagen den schwierigsten Weg ein, um ein Stück weiter zu kommen, um ein Glück zu erobern, von dem wir nicht wissen, wie es beschaffen ist. Absurdität und Aussichtslosigkeit scheint unser Tun zu bezeichnen.

Sehr bezeichnend in dieser Äußerung ist der unvermittelte Übergang der Beschreibung der Kafkaschen Figuren zur Beschreibung eines „Wir“: Was für die fiktiven Personen gilt, bezieht Henze durch diesen Bruch unmittelbar auf sich und seine Generation. Die Verletzungen, das ganz konkrete Gefühl des Besiegt-Sein nach dem Krieg, die Unruhe und Ungewissheit der späten vierziger und frühen fünfziger Jahre werden hier umschrieben, die Begriffe „Absurdität und Aussichtslosigkeit“ weisen ganz konkret auf ein existentialistisches Lebensgefühl hin, das, wie oben erläutert, ganz eng mit der Kafka-Rezeption nach dem Krieg verbunden ist.

Seine Schönberg-Rezeption konkretisiert Henze folgendermaßen:

Unter dem oben beschriebenen Eindruck der Musik Schönbergs und seiner Schüler entstand für den jungen Komponisten eine Tendenz, die ganz symptomatisch wurde für das Komponieren in den späten vierziger Jahren. Es war die Tendenz, die Klanglichkeit der Zwölftonmusik als Grundmaterial für das große Expressivo, ein großes auf die Erfahrungen jener Jahre sich berufendes Pathos, zu betrachten und zu formulieren.122

Für Henze ist dort der Keim jener Entwicklung eines Musikdenkens zu finden, „das von Anfang an ,politisch’ war.“123 Weiter erläutert Henze:

Die Ordnungprinzipien der Dodekaphonie waren nichts als eine notwendige Basis zur Erreichung von Klarheit und Transparenz der Strukturen, niemals aber Selbstzweck in dem Sinne, wie es in den folgenden Jahren wurden, bei der Majorität der Komponierenden, Selbstzweck in einem solchen Ausmaß, daß jede Möglichkeit von Sprache und Ausdruck und Mitteilung verloregehen mußte. Vorerst aber, um 1950 herum, schien es möglich, die Lehre Schönbergs ganz im Sinne einer Fortsetzung der symphonischen Tradition zu verstehen und seine Anregung aufzugreifen, wonach Musik gestisch war, gestaltenreich und mit Redeweisen versehen.124

Wenn Henze hier von expressiven, politischen und traditionellen Tendenzen spricht, die von Schönbergs Musik aufseine Generation der Komponisten wirkten, ja Schönberg zusammen mit Berg und Webern im Fortgang des Aufsatzes „in das spirituelle Feld der großen Gefühlskunst“125 stellt - übrigens zusammen mit Kafka, Freud, Mahler und Robert Walser - und sich gegen die Verabsolutierung des rein technischen Aspekts ausspricht, die zu einer Sprach- und Emotionslosigkeit der Musik wurde, grenzt er sich damit von der seriellen Aneignung der Schönbergschen und vor allem Webernschen Musik ab, wie sie sich von 1948 an in Darmstadt zu entwickeln begann. Dass er eben in Folge der Verweigerung, „aus Schönberg oder Webern ein mechanistisch-abstraktes Musikdenken abzuleiten“,126 ein Werk wie die Funkoper Ein Landarzt schrieb, ist eng mit dieser Rezeptionshaltung Henzes verbunden. Sie trägt insofern das Schönbergsche Erbe in sich, als sie die Dodekaphonie als Technik „zum Hervorbringen neuer musikalischer Gestalten“127 verwendet, sie jedoch nicht streng und isoliert behandelt, sondern in tonale Kontexte stellt und die strikte Reihenbindung auch zugunsten freieren musikalischen Ideen des Komponisten aufgegeben wird. Neben dem Moment der Klangfarbe als strukturelles Element der Komposition, der auch Schönberg und seine Schule immer besondere Aufmerksamkeit geschenkt haben, ist in Henzes Komposition auch die Weiterführung der von Schönberg und Berg betriebenen Neuerungen bei der Sprachvertonung von herausragender Bedeutung: Die von Henze eingesetzten fünf Abstufungen zwischen Singen und Sprechen gehen auf Bergs Textvertonung in seiner Oper Lulu (1935) und damit mittelbar auf den innovativen Einsatz der Stimme in Schönbergs Pierrot Lunaire - Vertonung von 1912 zurück. Dieser Rekurs auf die Klangästhetik und Vokalmusik der Zweiten Wiener Schule unterstreicht Henzes Anliegen, eben an das Expressive, auch auf außermusikalische Inhalte Verweisende dieser Musik anzuknüpfen. Wie explizit der Aspekt des Sprachlichen, Expressiven und Unformalistischen der Musik Schönbergs und seinen Schülern in der Henzeschen Musiksprache anverwandelt erscheinen, erläutert Henze eben am Beispiel seiner Funkoper Ein Landarzt:

Jeder Ton ist von den Stimmungen der Angst und Betroffenheit erfüllt, die der Text schon andeutet. Aber die Musik „begleitet“ hier nichts, sie stellt Hintergründe dar, sie unterstreicht, gibt uns die musikalische Seite der Landarzt-Geschichte. [...] Nie wird ein Intervallsprung als zufällig und reihenlogisch aufgefaßt. Alles ist Audrucksversuch, Klageruf, Landschaft, physische Bewegung. Es zeichnet sich schon ein musikdramatisches Denken ab, das in späteren Arbeiten deutlicher ans Licht treten wird. Realismus, nicht der Naturalismus der Elektronik, nicht das Ornamentale des Serialismus.128

Die Abgrenzung gegenüber einer naturalistischen Verwendung von elektronischen Klängen verweist auf Stellen, an denen er zur Versinnlichung der Erzählung dort ausdrücklich erwähnte Geräusche hätte elektronisch erzeugen - und damit verdoppeln - können, es aber nicht tut.129 Auf dieses „naturalistische“ Mittel verzichtet Henze ebenso konsequent wie auf einen „traditionelleren“ Naturalismus der Vertonung, wo explizit musikalische Elemente des Textes mit musikalischen Mitteln dargestellt werden.130 Die Abgrenzung gegenüber einem „ornamentalen Serialismus“ verweist neben der bereits erläuterten Abneigung, musikalische Parameter selbstreferentiell einzusetzen, ohne sie als Mittel zum Zweck, als Technik zur Darstellung zu gebrauchen, auch auf die Konzentration der musikalischen Mittel, der Verzicht auf alles Beiläufige und Überflüssige, die an die Musiksprache Anton Weberns erinnern und die auch ein Merkmal von Henzes Landarzt-Vertonung ist. Dort ist sie wohl dem Umstand geschuldet, dass Henze bei der Komposition auf die Anforderungen der Funkoper zu reagieren angehalten war und die Partitur sowohl in ihrer horizontalen als auch vertikalen Dimension auf ein Minimum der Mittel zu beschränken hatte.131 Was Henze mit den musikalischen Werkzeugen, die er sich von seinen geistigen Vätern geliehen hat, beschwören will, ist eben jener Geist Kafkas, den seine Leser um die Jahrhundertmitte zu entdecken glaubten. „Seelenzustände [...] hörbar und mitvollziehbar zu machen“ gibt er als sein Ziel an, und das heißt hier auch, symbolistische Seelenzustände wie das Mondlicht „zu hören und damit zu sehen, und damit all das, was den Landarzt in diesem Augenblick bewegt an Furcht, in weiße Helligkeit gebadete Ahnung.“132 Wie eng die Musik Henzes mit der existentialistischen Rezeption Kafkas zu jener Zeit zusammenhängt, zeigt das Vokabular, das Henze in diesen Zeilen verwendet, sehr deutlich: „die Musik fürchtet sich, ihr Herz schlägt in Beklommenheit“, „Rezitativ, Arie, Kanon, Parodie, Aufschrei, Weinen, Lachen, das alles erscheint in Fetzen, schemenhaft, isoliert, zusammengehalten nur durch den Fortgang der Erzählung“ - hier wird außerdem expressionistisches Vokabular laut -, „Die Expressivi, die Zeichen, die kurzen, aus wenigen Intervallen zusammengestellten Rufe, Motivkerne, Melodie-Fetzen, noch stehen sie in dieser Partitur isoliert, vereinzelt, in hilflos stammelndem Schweigen und Verstummen in der Schneewüste des Landarztes.“133

Dass es sich bei diesen musikalischen und literarischen Bildern der Angst, Isolation, Verzweiflung, Orientierungslosigkeit und Rastlosigkeit um Abbilder von realen Lebenserfahrungen handelt, dass diese Begriffe, auch in Form von Symbolen wie dem kalten Mondlicht, der Schneewüste oder der ziellosen Fahrt, künstlerische Spiegelungen der Nachkriegserlebnisse darstellen, zeigt sich, wenn man einen Essay Henzes über das Jahr 1952 mit dem Titel Nach dem Krieg neben diese Äußerungen, die sich unmittelbarauf die Landarzt-Vertonung beziehen, stellt. Der Essay zeigt, wie er Worte und Bilder für die Versprachlichung seiner Erinnerungen an jene Jahre dem Landarzt zu entnehmen scheint und wie auf diese Weise die Bilderwelt der Kafkaschen Erzählung für Henze geradezu topischen Charakter annimmt:

1952 [...] Man denkt sich eine Wirklichkeit aus unter enfants du paradis, Masken und Larven. Romantik und Schwärmerei, mit denen man lebte, spielten sich vor Berliner Mondlandschaften ab wie auf Bildern von Werner Held - in den dostojewskijschen Schneenächten des zerstörten München. Überall war das Alte noch nicht alt genug, während das Neue in eine Zukunft wies, von der man sich nicht viel versprechen mochte. Die schönen freien Jahre nach dem Kriegsende waren vorüber, man wurde verantwortlich gemacht, sollte gedungen werden, innere und äußere Verhältnisse des öffentlichen Lebens begannen sich zu restaurieren, man bekam es schon mit der Angst. Wir fuhren pausenlos, Müdigkeit nur als einen hektischen Zustand wahrnehmend, in diesem Lande auf und ab, keine Hauptstadt findend, und das, was an Städten vorhanden war, waren Orte, wo in der Hitze der Wind den Trümmerstaub auftrieb, im Winter der Nebel das Nicht-Vorhandensein eines Zentrums verheimlichte. [...] Gesichter erzeugen Angst; das schlechte Gewissen, rüdes, protziges Ableugnen der Schuld, Mitläufer, hinterm Bierglas eingestuft. [...] Kein Gespräch kommt auf, man redet oder schweigt aneinander vorbei. Gemurmel oder auch Tumult von vielen Selbstgesprächen.134

Ein weiteres Dokument, das die Aktualität der Erzählung für Hans Werner Henze in den Nachkriegsjahren belegt und das wiederum ein existentialistisches Denken und Erleben einer ganzen Generation mit der Geschichte des Landarztes engführt, ist der Text ,Variazioni’ von Luigi Nono, den Henze im Oktober 1950 - also noch vor der Arbeit an der Landarzt-Vertonung135 - verfasst hat136 und in dem es über die aufblühende neue Jugend, „welche gezeichnet durch den Verrat, Vergewaltigungen und Bedrohungen, das Wort ,Humanität’ neu zu verstehen sucht“,137 heißt: „Sie lebt wie Kafkas Landarzt und findet die Wege, die sie eingeschlagen hat, nie wieder; verschmäht, zurückgestoßen in den reißenden Totentanz einer unermeßlichen Hölle, beginnt sie leise aktive Verbindungen zum platten Leben in der Alltäglichkeit zu unterhalten.“137138 Auch in einem Gespräch mit Enzo Restagno im Jahr 1986 erinnert er sich nochmals daran, wie die Erzählung zum Abbild seines eigenen Lebensgefühls wurde: „tutta la mia vita è come il destino di quel Landarzt. Così mi sembrava allora, e alle volte ancora oggi mi sembra così: quel medico di campagna gira in eterno con il suo travaglio in un deserto di neve perché è stato tradito.“139

3. Zur Entstehung und Wirkung der Funkoper Ein Landarzt

Die frappierende Wirkung der Kafkaschen Erzählung - in Verbindung mit dem Einschlag der Schönbergschen Musik - auf Hans Werner Henze in der Phase seiner künstlerischen Orientierung ist mit den zitierten Dokumenten gut belegt. Weniger gut zu rekonstruieren sind hingegen die genaueren Umstände, wie Henze auf die Erzählung Ein Landarzt stieß und warum er sich zur Vertonung entschloss. Zu ersterem Punkt liefern die Quellen selbst widersprüchliche Aussagen. Im Programmheft zur Premiere der revidierten Fassung der Funkoper spricht von einer „Stockholmer Ausgabe“ der Werke Kafkas, durch die er den verbrannten Autor entdeckte und aus der er Ein Landarzt auswendig lernte.140 Die einzige Ausgabe der gesammelten Schriften Kafkas zu jener Zeit war jedoch die bereits erwähnte Ausgabe Max Brods aus den Jahren 1935 - 37, deren Neuausgabe 1946 in New York erschien.141 Ein Rezensent der Uraufführung aus dem Jahr 1951 gibt hingegen an, die Novelle habe Henze schon mehrere Jahre bewegt, „nachdem sie ihm ein englischer Soldat, der sie ständig bei sich trug, überlassen hatte.“142 Dies ist insofern möglich, als Henze nach dem Krieg in englischer Kriegsgefangenschaft war und er nach seiner Heimkehr nach Westfalen in der englischen Besatzungszone lebte, wo er bei der Siegermacht als Transporthilfsarbeiter Geld verdiente. Kontakt zu englischen Soldaten hatte er in jener Zeit ohne Zweifel, und einer von ihnen könnte auch den bereits 1945 in englischer Sprache erschienen Landarzt bei sich gehabt haben,143 auf welche Weise Henze die Geschichte durchaus kennen gelernt haben könnte. Welche deutschsprachige Ausgabe des Landarztes Henze für seine Komposition benutzte, kann nicht eindeutig entschieden werden, doch es ist sehr wahrscheinlich, dass er die 1946 erschienene New Yorker Ausgabe von Max Brod

[...]


1 Uraufführung am 7. Mai 1949 in Heidelberg.

2 Fertiggestellt Anfang 1951. S. Hans Werner Henze: Reiselieder mit böhmischen Quinten. Autobiographische Mitteilungen 1926 - 1995, Frankfurt a.M. 1996, S. 120. Die Uraufführung fand jedoch erst am 17. Februar 1952 in Hannover statt.

3 Zusammen mit dem überarbeiteten Wundertheater und der ebenfalls zur Oper umgeschriebenen Funkoper Das Ende einer Welt aus dem Jahr 1953.

4 Im Rahmen der Berliner Festwochen am 12.10.1965.

5 Hans Werner Henze: Anmerkungen. „Ich schreibe Musik für ein erträumtes Volk“, in: Die Glocke, 1.10.1996.

6 In der revidierten Fassung: Hans Werner Henze: Ein Landarzt. Rundfunkoper auf die Erzählung von Franz Kafka (1951, rev. 1995-96). Partitur, Mainz u.a. 1996. Bei der Datierung der Revision stiftet der Umstand Verwirrung, dass im Programmheft der Uraufführung der revidierten Fassung (S. 3), in Henzes Werkverzeichnis (S. 30) sowie in Henzes Autobiographie (S. 597) - alles Dokumente aus dem Jahr 1996 - die revidierte Fassung auf das Jahr 1994 datiert wird, während die Partitur, wie eben zitiert, den Entstehungszeitraum „1995-96“ angibt. Im Folgenden richte ich mich daher nach dem Erscheinen der Partitur und bezeichne die Revision als die „Fassung von 1996“.

7 Hans Werner Henze: Ein Landarzt/Das Ende einer Welt. Rundfunkopern. Ersteinspielung der revidierten Fassungen, CDWERGO, Mainz 2005.

8 Die Partitur der Funkoper in der Fassung von 1951 war bis dahin in einer nicht veröffentlichten Version, schwer zugänglich, beim NDR gelagert. Hans Werner Henze: Ein Landarzt. Funkoper nach der Novelle von Franz Kafka, Partitur der Funkopernfassung, Mainz o.J.1951.

9 Vgl.: Peter Petersen: Der Terminus „Literaturoper-eine Begriffsbestimmung, in: AfMw 56 (1999), S. 52 - 70 sowie: Für und Wider die Literaturoper. Zur Situation nach 1945, hrsg. v. Sigrid Wiesmann, Laaber 1982.

10 Elisabeth Wendorff: Die Funkopern von Hans Werner Henze, Hamburg 1996 (masch.). Für die Überlassung ihrer Arbeit, und die Erlaubnis, daraus zu zitieren, danke ich Elisabeth Wendorff herzlich; ebenso für die Bereitstellung der schwer zugänglichen Partitur und Aufnahme der frühen Fassung der Funkoper Ein Landarzt.

11 Klaus Oehl: Oper auf der Couch. Hans Werner Henzes Funkoper Ein Landarzt, in: Hans Werner Henze. Musik und Sprache (Musik-Konzepte 132), hrsg. v. Ulrich Tadday, München 2006, S. 81 - 103.

12 Michael Mäckelmann: Hans Werner Henzes frühe Einakter Das Wundertheater, Ein Landarzt und Das Ende einer Welt. Ein Vergleich, in: Geschichte und Dramaturgie des Operneinakters, hrsg. v. Winfried Kirsch und Sieghart Döhring, Laaber 1991, S. 387 -402.

13 Ulrich Müller: Kafka für großes Orchester: Die Kafka-Vertonungen von Gottfried von Einem, Hans Werner Henze und Wladimir Sommer, in: Kafka-Nachlese, hrsg. v. Gerd-Dieter Stein, Stuttgart 1988, S. 281 - 292.

14 Deborah Hochgesang: Die Opern von Hans Werner Henze im Spiegel der deutschsprachigen, zeitgenössischen Musikkritikbis 1966, Trier 1995.

15 Es sei hier insbesondere verwiesen auf die Ausgabe des Musiklebens 8 (1955), die sich auf 12 Seiten dem Phänomen widmet, sowie auf folgende Artikel: Oper im Funk oder Funkoper? Gespräch zwischen dem Funkregisseur Wolfgang Ernst und dem Dramaturgen Paul Walther, in: Melos 17 (1950), S. 211 - 213. Klaus Blum: Die Funkoper wissenschaftlich gesehen, in: Melos 18 (1951), S. 346 - 348. Ders.: Musikdramatische Funkwerke, in: Rundfunk und Fernsehen 1, H. 3 (1953), S. 9 - 18. Ders.: Funkopern als musikdramatische Funkwerke, in: Die drei großen „F“: Film - Funk - Fernsehen, hrsg. v. Heinrich Lindlar (= Musik der Zeit, Neue Folge, 2, 1958), S. 37 -44. Siegfried Goslich: Die Funkoper, in: Musica 14, H. 4 (1959), S. 225 - 228. Winfried Zillig: Epik und Dramatik der Gattung. Dargestellt an einem Beispiel, ebda., S. 228 - 231.

16 Günter Hausswald: Oper in Funkund Fernsehen, in: Musica 18 (1964) S. 115- 119. Kurt Honolka: Wo bleibt die Funk- und Fernsehoper?, ebda., S. 32f. Hans Ulrich Engelmann: Selbstgespräch über die Funk-Oper, in: Melos 35 (1968), S. 418-423.

17 Klaus Blum: Die Funkoper. Phänomenologie und Geschichte einer neuen Kunstgattung, Köln 1951. Ein Landarzt wurde darin von Blum sogar noch berücksichtigt, obwohl er erst im Jahr der Publikation erschien. Vgl. dazu: ebda., S. 65f.

18 Siegfried Goslich: Musikim Rundfunk, Tutzing 1971.

19 Leo Karl Gerhartz: Warum und zu welchem Zweck komponiert man heute noch Opern? Einige provokante Thesen zum zeitgenössischen Musiktheater, Carl Dahlhaus: Traditionelle Dramaturgie in der modernen Oper, ders.: Zur Dramaturgie der Literaturoper; ,Am Text entlang komponiert’. Bemerkungen zu einem Schlagwort, in: Für und Wider die Literaturoper. Zur Situation nach 1945, hrsg. v. Sigrid Wiesmann, Laaber 1982. Die beiden Schriften von Dahlhaus auch enthalten in: ders.: Vom Musiktheater zur Literaturoper. Aufsätze zur neueren Operngeschichte, München und Salzburg 1983, S. 229 -255.

20 Peter Petersen: Der Terminus „Literaturoper - eine Begriffsbestimmung, in: AfMw 56 (1999), S. 52 - 70. Der Aufsatz basiert auf den Gedanken über die Literaturoper in: Büchner-Opern. Georg Büchner in der Musik des 20. Jahrhunderts, hrsg. v. Peter Petersen und Hans-Gerd Winter (= HJbMw 14), Frankfurt a.M. 1997.

21 Karen Achberger: Literaturals Libretto. Das deutsche Opernbuch seit 1945, Heidelberg 1980.

22 * 3. Juli 1883 in Prag, j 3. Juni 1924 Kierling bei Wien.

23 Franz Kafka: Ein Landarzt, in: Die neue Dichtung. Ein Almanach, Leipzig 1918, S.17 - 26.

24 Wolf Kittler, Hans-Gerd Koch, Gerhard Neumann: Überlieferung, druck- und entstehungsgeschichtliche Anmerkungen, editorische Eingriffe und Varianten: Ein Landarzt, in: Franz Kafka. Drucke zu Lebzeiten. Apparatband, hrsg. v. dens., Frankfurt a.M. 1996, S. 278 - 386, hier: S. 288.

25 Franz Kafka: Ein Landarzt. Kleine Erzählungen, München und Leipzig 1919. Die titelgebende Erzählung Ein Landarzt findet sich auf S.6 - 33.

26 Franz Kafka: Gesammelte Schriften, hrsg. v. Max Brod und Heinz Politzer, Berlin 1935 (Bd. 1 - 4) und Prag 1936/37 (Bd. 5 - 6). Die Erzählung Ein Landarzt erschien dabei in Band 1: Erzählungen und kleine Prosa.

27 Franz Kafka: Gesammelte Werke, hrsg. v. Max Brod, 2. Ausgabe, New York 1946.

28 Im Anhang dieser Arbeit istdie kurze Erzählung zu finden. S. S.108 -111.

29 Vgl. hierzu die Aufzählung der Drucke kafkascher Werke seit 1924 bei Bert Nagel: Geschichte der Kafka-Rezeption, Die Aufnahme in den einzelnen Ländern, a) Deutschland, aa) Wirkung auf Kritik und Wissenschaft, in: Kafka-Handbuch in zwei Bänden, hrsg. v. Hartmut Binder, Stuttgart 1979, Band 2: Das Werk und seine Wirkung, S. 624 - 646. Allein für die Zeit zwischen 1945 und 1950 zählt Nagel 38 Veröffentlichungen von Erzählungen, Fragmenten, Tagebucheinträgen und Auszügen aus den Romanen Franz Kafkas außerhalb der Gesamtausgaben. S. 641f.

30 Reiter, Sabine: Die Wiederentdeckung Kafkas, in: Zur literarischen Situation 1945 - 1949, hrsg. v. Gerhard Hay, Kronberg 1977, S. 252 - 269, hier: S. 253.

31 Nagel: Geschichte der Kafka-Rezeption, S. 626.

32 Ebda., S. 625.

33 Vgl. ebda., S. 626.

34 Ebda., S. 628.

35 Walter Muschg: Tragische Literaturgeschichte, Zürich 2006 ( = Neuauflage der zweiten, umgearbeiteten und erweiterten Ausgabe Bern 1953.1. Ausgabe: Bern 1948), S. 168.

36 Ebda., S. 343f.

37 James Burnham: Bemerkungen über Kafka, in: Amerikanische Rundschau, 3. Jg., 1947, H. 15, S. 44 - 53, hier: S. 50.

38 Ebda.

39 Heinz Günther Oliass: Franz Kafka, in: Welt und Wort 4,1949, S. 52 - 56, hier: S. 54.

40 Max Brod: Kierkegaard -Heidegger-Kafka, in: Prisma, 1947, H.11, S.17 -20, hier: S. 19.

41 Albert Camus: Die Hoffnung und das Absurde im Werk von Franz Kafka, übersetzt von Hans Georg Brenner und

Wolfdietrich Rasch, in: Die Wandlung, 4. Jg., 1949, H. 8, S. 792 - 803, hier: S. 799f.

42 Walter Jens: Franz Kafka. Eine vorläufige Analyse seiner Welt und seines Werkes, in: Deutsche Universitätszeitung 6, 1951, Nr. 1, S.13 - 17, hier: S. 16.

43 Hans-Günter Klein: Aktuelle Realität in Opern der 50er Jahre, in: Musik 50er Jahre, hrsg. v. Hanns-Werner Heister und Dietrich Stern, Berlin 1980, S. 123 - 149, hier: S. 136.

44 Vgl. die oben zitierte Passage Walter Muschgs oder auch folgende Äußerung Oliass’: „Kafkas Werk ist von abgründiger Religiosität und stellt wie kaum ein zweites das geheime Gewissen unserer Existenz dar. Es ist dazu in der traumhaft­überdeutlichen Sprache eines Seherisch-Begnadeten geschrieben: nur daß die Gnade hier ein Fluch sein mußte, der ernst und still, mit der gültigen Bescheidenheit eines über alle Verzweiflung Einsichtigen getragen wurde.“ Oliass: Franz Kafka, S. 52.

45 Vgl. hierzu: Reiter: Die Wiederentdeckung Kafkas.

46 Vgl. Klaus Oehl: Oper auf der Couch, S. 92. Eine genauere Untersuchung, um was es sich beim „musikalischen Surrealismus“ überhaupt handelt und inwiefern Henzes Landarzt als „surrealistische Oper“ betrachtet werden kann, kann diese Arbeit nicht leisten. Es wäre aber sicherlich lohnenswert, dies in Hinblick auf Henzes Surrealismus-Ästhetik und eventuell auf das verworfene Konzept einer Theorie des musikalischen Surrealismus von Theodor W. Adorno zu untersuchen. Vgl. dazu auch Gerhard Scheit: Zwischen Engagement und Verstummen. Surrealismus als regulative Idee des Ästhetischen bei Hans Werner Henze, in: Hans Werner Henze. Die Vorträge des internationalen Henze-Symposions am Musikwissenschaftlichen Institut der Universität Hamburg 28. bis 30. Juni 2001, hrsg. v. Peter Petersen, Frankfurt a.M. 2003, S. 205-214.

47 Parker Tyler: Kafka und die Surrealisten, in: Das Lot, Bd. 2,1948, S. 75 - 82, hier: S. 79.

48 Oliass: Franz Kafka, S. 56.

49 Nach: Art. Surrealismus, in: Der Literatur Brockhaus in 8 Bänden, hrsg. v. Werner Habicht, Wolf-Dieter Lange und der Brockhaus-Redaktion, grundlegend überarbeitete und erweiterte Taschenbuchausgabe, Mannheim 1995, Band 8, S. 9f.

50 Etwa die Zusammenarbeit mit der kommunistischen Partei, das ganz konkrete Ziel der Zerstörung von Gewohnheiten, Werten und Verhaltensweisen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene sowie die Methode der Ecriture automatique. Vgl. ebda.

51 Franz Carl Weiskopf: Franz Kafka und die Folgen. Mythos und Auslegung (1945), in: ders.: Gesammelte Werke, Bd. 8:

Über Literatur und Sprache, hrsg. v. der Deutschen Akademie der Künste zu Berlin, Berlin 1960, S. 282 - 286, hier: S. 282.

52 Richard Drews: Die große Kafka-Mode, in: Die Weltbühne. Wochenschrift für Politik, Kunst, Wissenschaft 3 (1948), H. 21, S. 589 - 591, hier: S. 589.

53 Ebda., S. 590.

54 Gerhard F. Hering: „Ein Buch muß Axt sein“. Zur Lektüre Kafkas und seiner Tagebücher, in: Die Neue Zeitung, 11. 08. 1950, S. 4.

55 Hans Helmut Hiebel: Franz Kafka:„Ein Landarzt“, München 1984, S. 137.

56 Marthe Roberts: Geschichte der Kafka-Rezeption, Die Aufnahme in den einzelnen Ländern, c) Frankreich, aa) Wirkung aufKritikund Wissenschaft, in: Kafka-Handbuch (1979), Band 2, S. 686f.

57 Waldemar Fromm: Kafka-Rezeption, in: Kafka-Handbuch. Leben - Werk - Wirkung, hrsg. v. Bettina von Jagow und Oliver Jahraus, Göttingen 2008, S. 250 - 272, hier: S. 258.

58 Kafka, Franz: Ein Landarzt, in: ders.: Erzählungen (= Gesammelte Werke, Bd. 4), hrsg. v. Max Brod, 2. Ausgabe, New York 1946, S. 146 - 153, hier: S. 153. Im Folgenden wird diese Ausgabe mit LA(Ka) abgekürzt.

59 Wilhelm Emrich: Franz Kafka. Das Baugesetz seiner Dichtung. Der mündige Mensch jenseits von Nihilismus und

Tradition, Bonn und Frankfurt a.M. 1958. Nach Hiebel: Ein Landarzt, S. 138.

60 Paul Konrad Kurz: Verhängte Existenz. Franz Kafka s Erzählung „Ein Landarzt“, in: ders.: Über moderne Literatur.

Standorte und Deutungen, Frankfurt a.M. 1967, S. 177 - 202, hier: S. 191.

61 Ebda., S. 192.

62 LA(Ka), S. 152.

63 Kurz: Existenz, S. 191f.

64 Reiter: Die Wiederentdeckung Kafkas, S. 264.

65 Hiebel: Ein Landarzt, S. 140. Richard H. Lawson: Kafka’s „Der Landarzt“, in: Der Deutschunterricht 10, 1958, H. 6, S. 36-46.

66 Herman Salinger: More Light on Kafka’s „Landarzt“, in: Monatshefte für den Deutschunterricht 53, 1961, Nr. 3, S. 97 -

104.

67 Heinz Politzer: Franz Kafka. Der Künstler, Frankfurt a.M. 1965 (= Übersetzung von ders.: Franz Kafka. Parable and

Paradox, Ithaca und New York 1962). Walter H. Sokel: Franz Kafka - Tragik und Ironie. Zur Struktur seiner Kunst,

München und Wien 1964.

68 Vgl. Politzer: Kafka, S.142.

69 Nach Hiebel: Ein Landarzt, S. 138f.

70 Sokel: Kafka, S. 257.

71 Ebda., S. 260.

72 Ebda., S. 142.

73 Kurt J. Fickert: Fatal Knowledge. Kafka’s „Ein Landarzt“, in: Monatshefte 66,1974, S. 381 - 386, vgl. S. 384.

74 Kraft, nach: Peter U. Beicken: Franz Kafka. Eine kritische Einführung in die Forschung, Frankfurt a.M. 1974, S. 300.

75 Hartmut Binder und Karl-Heinz Fingerhut, nach: Beicken: Franz Kafka, S. 300.

76 Hiebel: Ein Landarzt, S. 144.

77 Diese semiotische Verschiebung wird besonders durch die Stellung des Adverbs an den Satzanfang durch Kafka hervorgehoben, wenn der Landarzt die Wunde beschreibt: „Rosa, in vielen Schattierungen, dunkel in der Tiefe, hellwerdend zu den Rändern, zartkörnig, mit ungleichmäßig sich aufsammelndem Blut, offen wie ein Bergwerk obertags.“ LA(Ka), S. 149. Es wird aus dieser Kafka-Ausgabe Brods zitiert, da sie vermutlich die Vorlage für Henzes Vertonung darstellt.

78 Kremer, Detlef: Ein Landarzt, in: Interpretationen. Franz Kafka. Romane und Erzählungen, hrsg. v. Michael Müller, (1.

Auflage 1994), 2. erweiterte Auflage, Stuttgart 2003, S. 197 - 214, hier: S. 206.

79 Als Metapherfürdie angedeutete Vergewaltigung Rosas durch den Pferdeknecht.

80 Möbus, Frank: Sünden-Fälle. Die Geschlechtlichkeit in Erzählungen Franz Kafkas, Göttingen 1994, S. 133.

81 Busch, Walter: Die Krankheit der Metaphern. Über die Wunde in Kafkas ,Ein Landarzt’, in: Franz Kafka. Ein Landarzt. Interpretationen, hrsg. v. Elmar Locher und Isolde Schiffermüller, Bozen 1999, S. 23 - 40, hier: S. 30.

82 Neumann, Gerhard: Die Arbeit im Alchimistengäßchen (1916 - 1917), ff) Die Erzählung Ein Landarzt, in: Kafka­

Handbuch (1979), S. 313 - 349, hier: S. 346.

83 Hiebel: Ein Landarzt, S. 22

84 Ebda., S. 142.

85 Hiebel: Ein Landarzt, S. 24.

86 Hans Helmut Hiebel: Der reversible Text und die zirkuläre „Différance“ in „Ein Landarzt“, in: Franz Kafka. Neue Wege

der Forschung, hrsg. von Claudia Liebrand, Darmstadt 2006, S. 62 - 74, hier: S. 63 (Erstdruck in: ders.: Franz Kafka.

Form und Bedeutung, Würzburg 1999, S. 164 - 180.) Bei diesem Aufsatz handelt es sich um eine Zusammenfassung der Landarzt-Analysevon 1984.

87 Ebda., S. 62.

88 Hiebel: Ein Landarzt, S. 83.

89 Ebda., S. 83f.

90 Allerdings nur in der Fassung von 1951.

91 Hiebel: Ein Landarzt, S. 129.

92 Hiebel: Der reversible Text, S. 66. Vgl. Roland Barthes: S/Z (1970), Übersetzung von Jürgen Hoch, Frankfurt a.M. 1976, S. 33 - 35. Zu weiteren Entsprechungen im Denken der Epoche bei Derrida und Freud siehe Hiebel: Ein Landarzt, S. 130f.

93 Wiebrecht Ries: Nietzsche/Kafka. Zur ästhetischen Wahrnehmung der Moderne, München 2007, S.57.

94 Hiebel: Der reversible Text, S. 63.

95 Barthes parallelisiert dieses Phänomen mit dem sogenannten „hermeneutischen Code“, also inhaltlichen Ver- und Enträtselungen auf der inhaltlichen Ebene einer Erzählung: „Was da singt, sich abspult und bewegt, durch Zufälle, Arabesken und gelenkte Verzögerungen, entlang einem intelligiblen Werden (gleich der Melodie, die oft von den Holzblasinstrumenten getragen wird) das ist die Folge der Rätsel, ihre zurückgehaltene Enthüllung, ihre verzögerte Auflösung: die Entwicklung eines Rätsels ist ganz die eine Fuge.“ (Barthes: S/Z, S. 33)

96 Barthes Entsprechung ist hier der lesbare Text, die Logik der Erzählsequenzen, „dessen Vertrautheit eine Lektüre erzeugt, die ebenso konditioniert istwie das Hören“. Ebda., S. 34.

97 Hans Vogt: Neue Musik seit 1945, 3., neubearbeitete und erweiterte Auflage, Stuttgart 1982 (1. Auflage: 1972), S. 172.

98 Vgl. ebda.

99 Ebda., S.179.

100 Barthes: S/Z, S. 46.

101 Ebda.

102 Theodor W. Adorno: Fragen des gegenwärtigen Operntheaters (1966), in: ders.: Musikalische Schriften VI (= Gesammelte Schriften, Bd. 19), Frankfurt a.M. 1984, S. 488. Eine frühere Fassung erschien erstmals 1957 in den Neuen Deutschen Heften. Wahrscheinlich bezieht sich Adorno in diesem Zitat ausdrücklich auf Henzes Ein Landarzt; der dem Zitat vorausgehende Satz lautet: „Der Glaube, man hätte schon etwas geleistet, wenn man aus einem Kafka-Roman ein Textbuch zieht und eine mehr oder minder versimpelte Zwölfton-Partitur dazu schreibt, ist kindlich.“ (Ebda.) Das Stichwort „Kafka-Roman“ könnte auch auf Gottfried von Einems Oper Der Prozeß von 1953 hinweisen. Dagegen spricht jedoch, dass man die Komposition von Einems kaum als eine „Zwölftonpartitur“ bezeichnen kann, ja nicht mal eine „versimpelte“, da sie die „die Grenzen einer erweiterten Tonalität nicht überschreitet“ (Müller: Kafka-Vertonungen, S. 281). Deborah Hochgesang ordnet das Zitat, ohne die Unstimmigkeit anzusprechen, als sich „offensichtlich“ auf den Landarzt beziehend ein. Vgl. Hochgesang: Opern, S. 26. Ironisch mutet bei dieser Diskussion der Umstand an, dass Adorno selbst zu den ersten gehörte, die Kafka vertonten: 1942 komponierte er das von Flucht und Vertreibung handelnde Lied Trabe, kleines Pferdchen nach einem Text von Kafka als fünftes seiner Sechs Bagatellen für Singstimme und Klavierop. 6.

103 Fromm: Kafka-Rezeption, S. 260.

104 Ein Landarzt wurde vor diesem Hintergrund als moderne Adaption der „Ahasver-Mythologie als ewiges Umherirren des Arztes in der Winterlandschaft“ gelesen. Bettina von Jagow: Der Landarzt-Band, in: Kafka-Handbuch (2008), S. 504 - 517, hier: S. 508.

105 Vgl. zur Rezeption von Ein Landarzt hierzu: Thorsten Valk: ,Und heilt er nicht, so tötet ihn!’ Subjektzerfall und

Dichtertheologie in Kafkas Erzählung ,Ein Landarzt’, in: Hofmannsthal. Jahrbuch. Zur Europäischen Moderne 11 (2003), S. 351 -373.

106 Els Andringa: Die Facetten der Interpretationsansätze, in: Kafka-Handbuch (2008), S. 317 -335, hier: S. 317.

107 Iris Hermann: ,Blutende Fenster’: Bilder verwundeter Körper bei Jean Paul, Franz Kafka und in der Psychoanalyse, in: Wahrnehmen und Handeln. Perspektiven einer Literaturanthropologie, hrsg. v. Wolfgang Braungart, Klaus Ridder und FriedmarApel, Bielfeld 2004, S. 175- 192, hier: S. 187.

108 Vgl. dazu: Hermann: Blutende Fenster. Marianne Schuller: Wunde und Körperbild. Zur Behandlung der Wunde bei

Goethe und Kafka, in: BildKörper. Verwandlungen der Menschen zwischen Medium und Medizin, hrsg. v. Marianne

Schuller, Hamburg und Münster 1995, S. 19 -35. Zu Körperund Krankheit in der Erzählung: Rochelle Tobias: A Doctor’s Odyssey: Sickness and Health in Kafkas’s ,Ein Landarzt’, in: The Germanic Review 75, Nr. 2, Spring 2000, S. 120 -131.

109 Hans Werner Henze: Exkurs über Populismus, in: Zwischen den Kulturen. Neue Aspekte der musikalischen Ästhetikl, hrsg.v. HansWerner Henze, Frankfurta.M. 1979, S.7-31, hier: S. 15.

110 Ebda., S. 16.

111 Ebda.

112 Gottfried Eberle: Die Götter wechseln, die Religion bleibt die gleiche. Neue Musik in Westdeutschland nach 1945, in: Musik50er Jahre, S. 45.

113 Vgl. Peter Cahn: Wolfgang Fortners Kompositionskurse in Darmstadt (1946 - 51), in: Von Kranichstein zur Gegenwart. 50Jahre Darmstädter Beiträge zur Neuen Musik, hrsg. v. Rudolf Stephan u.a., Stuttgart 1996, S. 37 -43, hier: S. 38.

114 Inge Kovács: Neue Musik abseits der Avantgarde? Zwei Fallbeispiele, in: Im Zenit der Moderne. Die Internationalen Ferienkurse für neue Musik Darmstadt 1946 - 1966, hrsg. v. Gianmario Borio und Hermann Danuser, Bd. 2, Freiburg i. Br. 1997, S. 13-61, hier: S. 19.

115 Schönbergs Klavierkonzert op. 42, Klavierstücke op. 23 und Suite op. 25 sowie Weberns Variationen op. 27.

116 Reinhard Kapp: René Leibowitz in Darmstadt, in: Von Kranichstein zur Gegenwart, S. 77 - 85, hier: S. 77.

117 Hans Werner Henze: Zuerst das Freiheits-Glück. Musikdenken gelernt, in: Von Kranichstein zur Gegenwart, S. 56f., hier: S. 56.

118 Henze: Exkurs über Populismus, S. 19.

119 Hans Werner Henze: Musica impura - Musik als Sprache (1972), in: Henze: Musik und Politik. Schriften und

Gespräche 1955- 1975, hrsg. v. Jens Brockmeier, München 1976, S.186 - 195, hier: S. 187.

120 Henze: Exkurs über Populismus, S. 16.

121 Johann Wolfgang Goethe: Zum Shakespeares-Tag, in: ders.: Werke. Hamburger Ausgabe, Bd. 12: Schriften zur Kunst. Schriften zur Literatur. Maximen und Reflexionen, Hamburg 1953, S. 224 - 227, hier: S. 225. Goethe spricht hier im Zusammenhang mit seiner ersten Shakespeare-Lektüre vom „Augenschmerz“, die ihm diese neue, unbekannte Erfahrung, dieses „ungewohnte Licht“, bereitete.

122 Henze: Exkurs über Populismus, S. 17.

123 Ebda.

124 Ebda.

125 Ebda.

126 Ebda.

127 Henze in: Hubert Kolland: Die Schwierigkeit, ein bundesdeutscher Komponist zu sein. Neue Musik zwischen Isolierung und Engagement. Gespräch mit Hans Werner Henze, in: Musik 50er Jahre, hrsg. v. Hanns-Werner Heister und Dietrich Stern, Berlin 1980, S. 50 - 77, hier: S. 58.

128 Henze: Exkurs über Populismus, S. 18.

129 Interessant hierbei ist der Vergleich zwischen der Fassung von 1951 und der von 1996: In letzterer eliminiert er klangmalerische Elemente wie der Einsatz des Rumbaholzes bei der Stelle „der Wagen wird fortgerissen wie Holz in der Strömung“ in T. 100, während er zwei Takte zuvor in der späteren Fassung das im Text erwähnte Handklatschen des Pferdeknechtes durch ein ganz „naturalistisches“ Handklatschen aller Schlagzeuger versinnlicht (wo in der früheren Fassung nur das Becken als perkussives Element zum Einsatz kam).

130 So lässt Henze z.B. den Kinderchor nicht die von Kafka vorgesehenen Worte singen; diese gibt der Landarzt als Erzählerwieder, während der Chor Nonsenssilben singt.

131 Auf die Begrenzung der Dauer einer Funkoper sowie auf die geforderte kleine Besetzung wird im Kapitel zur Funkoper noch näher einzugehen sein.

132 Henze: Exkurs über Populismus, S. 18.

133 Alles ebda.

134 Henze: Nach dem Krieg, in: ders.: Musik und Politik (1976), S. 23f. Erstdruck in: Hans Werner Henze: Essays, Mainz 1964. Hier wird übrigens ein weiterer Aspekt laut, der Henze - wie vielen anderen - Unbehagen bereitete in jenen Jahren des Wiederaufbaus und der für ihn einer der Gründe war, warum er Anfang der fünfziger Jahre Deutschland verließ: die restaurativen Tendenzen, etwa in Form von Rehabilitierungen von Verbrechern des Dritten Reiches oder von einer Wiederaufstellung eines militärischen Apparates für Deutschland.

135 Laut Elisabeth Wendorff erfolgte diese in der Zeit von Februar bis Juni 1951. Als Quelle gibt sie das Titelblatt der Reinschrift der Landarzt-Partitur an, auf der Henze eben diesen Zeitraum vermerkt haben soll. Vgl. Wendorff: Die Funkopern, S. 23.

136 Der Text ist unterschrieben mit dem Datum „18. Oktober 1950“.

137 Hans Werner Henze: Variazioni’ von Luigi Nono, in: Luigi Nono. Texte. Studien zu seiner Musik, hrsg. v. Jürg Stenzl, Zürich 1975, S. 325.

138 Ebda.

139 Una biografia raccontata dall’autore e raccolta da Enzo Restagno [Gespräch Enzo Restagnos mit Hans Werner

Henze, Marino, März 1986], in: Henze, hrsg. v. Enzo Restagno, Turin 1986, S. 3 - 63, hier: S. 27. In diesem Gespräch

bestätigt Henze auch, dass er Kafka erst nach dem Krieg kennenlernte: Vgl. ebda.

140 Hans Werner Henze: Zwei Hörspiele für Musik, in: Programmheft zur Uraufführung der revidierten Fassungen der Funkopern ,Ein Landarzt’ und ,Das Ende einer Welt’ am 27. September 1996 in der Kölner Philharmonie, S. 17-19, hier: S. 18.

141 In Schweden war zu dieser Zeit noch nicht einmal eine Ausgabe in schwedischer Sprache erschienen.

142 [Anonym]: Funkoper oder musikalisches Hörspiel?, in: Der Neue Tag (Weiden), 18.12.1951.

143 Franz Kafka: The Country Doctor. A Collection of 14 Short Stories, übersetzt von Vera Leslie, Oxford 1945 (=Kafka: Ein Landarzt. Kleine Erzählungen, München und Leipzig 1919).

Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Hans Werner Henzes Funkoper "Ein Landarzt"
Hochschule
Eberhard-Karls-Universität Tübingen  (Fakultät für Kulturwissenschaft, Musikwissenschaftliches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2008
Seiten
114
Katalognummer
V192782
ISBN (eBook)
9783656179092
ISBN (Buch)
9783656179238
Dateigröße
2729 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Funkoper;, Rundfunkoper;, Hans Werner Henze;, Zwölftontechnik;, Dodekaphonie;, Franz Kafka;, Literaturoper;, Rundfunk
Arbeit zitieren
Karin Pfundstein (Autor:in), 2008, Hans Werner Henzes Funkoper "Ein Landarzt", München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192782

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Hans Werner Henzes Funkoper "Ein Landarzt"



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden