Burnout auf der betrieblichen Ebene: Praxisrelevante Punkte für einen Unternehmensleitfaden


Masterarbeit, 2012

97 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Verzeichnis der Darstellungen

Abkürzungsverzeichnis

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit
1.2 Inhalt und Vorgehensweise

2 Burnout Grundlagen
2.1 Definitionsproblematik und Abgrenzungen
2.2 Phasen und Symptomatik
2.2.1 Burnout-Zyklus nach Freudenberger und North
2.2.2 Burnout-Symptomatik nach Burisch
2.3 AktuellerForschungsstand
2.4 Mögliche Einflussfaktoren im Arbeitskontext
2.4.1 Arbeitsfeld-Faktoren nach Kernen und Meier
2.4.2 Ursachen nach Maslach und Leiter

3 Burnoutauf der betrieblichenEbene
3.1 Ansatzmöglichkeiten für Prävention auf der betrieblichen Ebene
3.2 Gesundheitsförderung und Risikoschutz
3.2.1 Ebeneder Schnittstelle
3.2.2 StrukturelleEbene
3.3 Früherkennung und Entgegenwirken
3.3.1 Ebeneder Schnittstelle
3.3.2 StrukturelleEbene
3.4 Reintegration und Rückfallvermeidung
3.4.1 Ebeneder Schnittstelle
3.4.2 StrukturelleEbene

4 Burnout auf der betrieblichen Ebene - Empfehlungen aus der Praxis
4.1 Zielder Expertenbefragung
4.2 Methodik der empirischen Forschung
4.3 Darstellung der Befragungsergebnisse
4.3.1 Allgemeiner Bereich des Fragebogens
4.3.2 Bereichder Burnout-Primärprävention
4.3.3 Bereich der Burnout-Sekundärprävention
4.3.4 Bereich der Burnout-Tertiärprävention
4.4 Praxisrelevante Punkte für einen Unternehmensleitfaden
4.4.1 Burnout-Primärprävention
4.4.2 Burnout-Sekundärprävention
4.4.3 Burnout-Tertiärprävention

5 Fazit

Literatur- und Quellenverzeichnis

Anhang

Verzeichnis der Darstellungen

Abbildung 1: Burnout-Phasen-Modell nach Freudenberger und North (1992)

Abbildung 2: Kurzübersicht über die zusammengefasste Burnout-Symptomatik nach Burisch (2010)

Abbildung 3: Burnout fördernde Faktoren verschiedenerBereiche

Tabelle 1: Methoden und Strategien der Burnout-Präventionsstufen in einer Übersicht

Tabelle 2: Methoden und Strategien der Burnout-Primärprävention in einer Übersicht

Tabelle 3: Methoden und Strategien der Burnout-Sekundärprävention in einer Übersicht

Tabelle 4: Methoden und Strategien der Burnout-Tertiärprävention in einer Übersicht

Abbildung 4: Zugehörigkeit der befragten Unternehmen zu den Wirtschaftszweigen56

Abbildung 5: Übersicht befragter Experten nach den Altersklassen 57

Abbildung 6: Aktuelle Relevanz von Burnout auf der betrieblichen Ebene58

Abbildung 7: Primärprävention von Burnout - Eingestufter Einfluss/Wirksamkeit61

Abbildung 8: Primärprävention von Burnout - Bewerteter Umsetzungsaufwand63

Abbildung 9: Primärprävention von Burnout - Gegenüberstellung beider Faktoren64

Abbildung 10: Sekundärprävention von Burnout - Gegenüberstellung beider Faktoren im Bereich Früherkennung66

Abbildung 11: Sekundärprävention von Burnout - Gegenüberstellung beider Faktoren im Bereich Entgegenwirken68

Abbildung 12: Tertiärprävention von Burnout - Eingestufter Einfluss/Wirksamkeit71

Abbildung 13: Tertiärprävention von Burnout - Bewerteter Umsetzungsaufwand72

Abbildung 14: Tertiärprävention von Burnout - Gegenüberstellung beider Faktoren73

Abbildung 15: Burnout-Primärprävention: Praxisrelevante Punkte für einen strategischen Unternehmensleitfaden77

Abbildung 16: Burnout-Sekundärprävention im Teilbereich Früherkennung: Praxisrelevante Punktefür einen strategischen Unternehmensleitfaden78

Abbildung 17: Burnout-Sekundärprävention im Teilbereich Entgegenwirken: Praxisrelevante Punkte für einen strategischen Unternehmensleitfaden78

Abbildung 18: Burnout-Tertiärprävention: Praxisrelevante Punktefür einen strategischen Unternehmensleitfaden79

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

Die Medien berichten zunehmend über verstärkt gestresste, überlastete und unter Druck arbeitende Menschen, welche nicht mehr in der Lage sind richtig abzuschalten und sich zu regenerieren. Kommen weitere Einflüsse hinzu wie bspw. mangelnde Anerkennung, so kann der Weg in den Burnout-Prozess bereits begonnen haben. Die Folgen können alle Lebensbereiche treffen und beträchtliche Schäden verursachen. Spätestens seit den alarmierenden Be­richten der Krankenkassen über die stetig ansteigenden Raten für psychische Krankheiten und den ersten Hochrechnungen von Burnout-Kosten sowie Produktivitätseinbußen schenken dieser Thematik nach und nach auch Un­ternehmen Gehör. Immer mehr Experten appellieren an die Arbeitgeber mehr Verantwortung für ihre Arbeitnehmer zu übernehmen, als die bloße Unterstützung durch Beratung, Kurse zur Entspannung oder Stressmanage­ment, welche in erster Linie den Mensch an die Arbeitssituation anpassen sollen und nicht andersherum. Denn diese Experten sehen insbesondere die Arbeits- bzw. Rahmenbedingungen im Unternehmen ursächlich für Burnout, ohne deren Veränderung lediglich an der Oberfläche des eigentlichen Prob­lems gekratzt wird. Die Expertenstimmen werden immer lauter und verlan­gen nach Professionalität im Umgang mit der Burnout-Thematik. Es wird ein Paradigmenwechsel verlangt, der die Mitarbeiter und ihre Gesundheit in den Mittelpunkt stellt.

1.1 Problemstellung und Ziel der Arbeit

Es existiert beachtlich viel Literatur, welche die individuelle Ebene der Burn- out-Prävention beleuchtet. Auch ist dies der Fokus der meisten Burnout- Forschungen. Weniger erfreulich sieht es bei Ansätzen aus, welche die Präventions- und Interventionsmöglichkeiten der betrieblichen Ebene in den Fokus stellen. Also jene Ansätze, die Methoden und Strategien im Kampf gegen Burnout seitens der Unternehmen systematisch betrachten. Dement­sprechend finden sich hierzu kaum validierte Wirksamkeitsstudien. Nicht verwunderlich bei dem Gedanken, dass die Ursache für ein Burnout eine lange Zeit ausschließlich in dem Individuum gesehen wurde.

Das Hauptziel dieser Masterarbeit ist es, etwas Licht in die noch wenig beleuchtete betriebliche Ebene zu bringen, indem erfahrene Experten in Unternehmen, welche in Bezug auf Burnout bzw. psychische Gesundheit bereits aktiv sind, um ihre Meinung gebeten werden. Mit dieser Unterstüt­zung strebt diese Arbeit praxisrelevante Punkte für einen strategischen Unternehmensleitfaden an. Inhaltlich geht es hierbei um bewährte Strategien und Methoden der Burnout-Prävention auf der betrieblichen Ebene für Ver­antwortliche im Personal- bzw. Gesundheitsmanagement. Diese sollen den Unternehmen erleichtern eine systematische Burnout-Prävention im Rahmen eines umfassenden Gesundheitsmanagements sowie Personal- und Organisa­tionsentwicklung zu betreiben.

1.2 Inhalt und Vorgehensweise

Die vorliegende Arbeit wird mit dem zweiten Kapitel zunächst die Grundla­gen zu dem Thema Burnout behandeln. Diese umfassen die Definitionsprob­lematik, den bisherigen Forschungsstand, Phasen und Symptome sowie mögliche Einflussfaktoren im Arbeitskontext. Ziel ist es, den Begriff „Burnout" möglichst fassbar zu machen.

Das dritte Kapitel wird Burnout auf der betrieblichen Ebene betrachten, indem die in der Literatur vorgestellten Ansatzmöglichkeiten für die Burnout- Prävention von Seiten der Unternehmen näher beleuchtet werden. Um die Ganzheitlichkeit und Systematik sicherzustellen, werden die empfohlenen, möglichen Methoden und Strategien gegen Burnout in die Primär-, Sekundär- und Tertiärprävention aufgegliedert.

Im vierten Kapitel erfolgt die Praxisbetrachtung von Burnout. Auf der Basis des Vorkapitels werden die Empfehlungen zu der Burnout-Prävention von Experten aus dem Personal- und Gesundheitsbereich durch eine quantitative Forschungsmethode erfragt. Im Anschluss daran werden die Befragungser­gebnisse, unterteilt in die drei Präventionsstufen, vorgestellt. Als Ergebnis dient die Ableitung praxisrelevanter Punkte für einen strategischen Unter­nehmensleitfaden zur Burnout-Prävention für Verantwortliche im Personal- bzw. Gesundheitsbereich eines Unternehmens. Schließlich findet die Master­arbeit in dem Fazit ihren Abschluss.

Da sich diese Masterarbeit ausschließlich auf den Unternehmenskontext konzentriert, ist eine Betrachtung der reinen individuellen Ebene nicht vorge­sehen. Auch da dieser Bereich bereits über hinreichend Informationen und Ratgeber in der fachlichen und weniger fachlichen Literatur verfügt und zu­sätzlich auf Seiten der Forschung dominiert. Stattdessen soll möglichst breit behandelt werden, was in Bezug auf Burnout aus Unternehmensseite möglich sein kann. Aufgrund fehlender, relevanter Untersuchungen zu dem komple­xen Bereich der Unternehmenskultur wird diese Ebene lediglich in dem Theo­riebereich angeschnitten. Ferner wird auf die Inhalte einer ärztli­chen/therapeutischen Behandlung von Burnout nicht eingegangen. Die Terti­ärprävention wird in diesem Sinne insoweit behandelt, wie ein Unternehmen auf diese Präventionsstufe relevanten Einfluss nehmen kann.

2 Burnout Grundlagen

Historisch betrachtet prägte insbesondere der Psychoanalytiker Herbert Freudenberger bereits 1974 und später die Sozialpsychologin Christina Maslach den Begriff „Burnout". Die internationale Burnout-Forschung fokus­sierte zunächst ausschließlich die sozialen Berufe. Später kam der Lehrerbe­ruf hinzu, mit der Gemeinsamkeit einmal für etwas „gebrannt" zu haben. Zwischenzeitlich wird Burnout in vielen verschiedenen Berufen diagnostiziert und kann auch Arbeitslose, Hausfrauen und Hausmänner sowie Studierende treffen. (Fengler, 2011) Die starke Medienpräsenz, die kontinuierlich steigen­de Popularität des Burnout-Begriffs und seine unscharfe Verwendung sorgen jedoch für übereilte Diagnosen und tragen nicht unbedingt zu der Professio­nalität der Burnout-Thematik bei. Der Anteil an Fehl-diagnosen im Burnout- Bereich wird auf 50 % geschätzt. (Kernen & Meier, 2008) Hierunter fallen bspw. auch ausweichende Diagnosen wie die einer Depression oder Neuras­thenie (Kaschka, Korczak, & Broich, 2011).

Der aktuelle Bericht des Health Technology Assessment (HTA) liefert die zent­rale Erkenntnis, dass es bisher keine standardisierte Vorgehensweise gibt, ein Burnout zu diagnostizieren. Es obliegt alleine dem Arzt zu entscheiden, wann es sich um ein Burnout handelt und wann nicht. Die bisher verwendeten Messinstrumente wie bspw. das Maslach Burnout Inventory (MBI) erfassen zwar verlässlich die drei bekannten Dimensionen emotionale Erschöpfung, Depersonalisierung (Negativität, Gleichgültigkeit, Zynismus), reduzierte Leis­tungsfähigkeit bzw. -bereitschaft. Sie erfüllen jedoch nicht die Ansprüche an ein wissenschaftlich validiertes Testinstrument. (Korczak, Kister, & Huber, 2010)

Medizinisch betrachtet ist Burnout noch keine eigenständige Krankheit (Rösing, 2008). Die DSM-IV der American Psychiatric Association (APA) vergibt aus mangelnder Konsensfähigkeit bislang noch keine Verschlüsselung

an Burnout (Burischi 2010). Indirekt ist die Verschlüsselung 68.20 „Probleme im Beruf" vorstellbar (Fengler, 2011, S. 19). Der Begriff Burnout ist jedoch im Kapitel XXI des ICD-10-Krankheitsklassifizierungssystems der Weltgesund­heitsorganisation (WHO) im Unterkapitel Z-73.0 als einer der Faktoren, welche den Gesundheitszustand beeinflussen und zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führen unter „Probleme mit Schwierigkeiten bei der Lebensbewältigung" zu finden. Das Unterkapitel „Z" umfasst dabei relativ neuartige, anderen Störungsgruppen nicht zuordnungsfähige Krankheiten. (WHO online, 2010) Somit kann der Schluss folgen, dass Burnout aktuell zu­mindest ein Krankheitswert zugeschrieben wird.

Es besteht die Möglichkeit, dass Burnout in die noch nicht fertig erstellte ICD-11 nicht mehr als Zusatz-Diagnose sondern als eine eigenständige, psychische Krankheit des Kapitels V (F) aufgenommen wird (Fengler, 2011). Das Resultat bleibt abzuwarten. Doch aufgrund der anschließend erläuterten Definitionsproblematik und der Kritik an der Forschungsqualität scheint für Optimismus wenig Raum zu bleiben. Hierzu werden die nachfolgenden Un­terkapitel nähere Informationen bieten.

2.1 Definitionsproblematik und Abgrenzungen

Die Zusammenstellung von vielfachen Versuchen in der Vergangenheit eine geeignete Definition zu finden ist in der vorliegenden Arbeit nicht vorgese­hen. Jedoch scheint es unerlässlich auf die Definitionsproblematik von Burn­out einzugehen.

Bis heute sind selbst die relevantesten Definitionsversuche entweder zu allgemein oder zu speziell gehalten. Es existiert noch keine einheitliche, allgemeingültige, wissenschaftliche Definition von Burnout (Korczak et al., 2010). So beinhalten viele Definitionen lediglich bestimmte Berufsgruppen oder stellen einen „Topf aus Allerlei" dar. Meist wurden entweder eigene

Definitionen verwendet oder an die bekanntesten angelehnt. Die Zustands­definitionen scheitern bspw. an der Tatsache, dass nicht klar ist, ab wann sich jemand in einem Burnout konkret befindet. Selbst wenn der Endzustand ge­meint sein soll, muss Klarheit herrschen, ab wann dieser eintrifft. Etwas tref­fender scheinen Prozessdefinitionen zu sein. Sie beinhalten jedoch bislang wenig fundierte Ursachenbehauptungen und zielen oft ausschließlich auf die Arbeitswelt ab. Selbst die umfassende Arbeitsdefinition von Schaufeli und Enzmann (1998) wird aus selbigen Gründen in Frage gestellt, auch weil inzwi­schen bekannt ist, dass u. a. Arbeitslose und Hausfrauen von Burnout betrof­fen sein können. Demnach ermöglicht auch diese vielversprechende Definiti­on keine saubere Differentialdiagnostik. (Burisch, 2010)

Das Fehlen einer allgemeingültigen Burnout-Definition trägt dazu bei, dass dieses Phänomen kaum zu erfassen ist und viel Unterschiedliches hierunter verstanden, bedauerlicherweise auch erforscht, wird (Albrecht, 2010). Was eine einheitliche Definition von Burnout angeht, scheint die Schweiz einen Schritt voraus zu sein. Das „Swiss Expert Network on Burnout" hat eine lan­desweite Definition etabliert, welche auch als Grundverständnis des Begriffes Burnout im Rahmen dieser Masterarbeit dienen soll:

Burnout ist eine arbeitsassoziierte Stressreaktion, die zu einem anhal­tenden negativem Gefühlszustand bei normalen Individuen führt. Primär ist Burnout charakterisiert durch Erschöpfung, die begleitet ist von chronischem Stress, reduzierter Effizienz und Motivation und der Entwicklung von gestörter Einstellung und Verhalten am Arbeitsplatz. Burnout ist auf der somatischen Ebene gekennzeichnet durch eine Störung des neuroendokrinen Regulationsmechanismus, die sich in vegetativen Symptomen äussern kann. Dieser Zustand entwickelt sich allmählich und kann vom betroffenen Individuum über lange Zeit un­bemerkt ablaufen. Es ist das Resultat eines nicht Zusammenpassens von Arbeitsplatz und Mitarbeiter in den sechs Bereichen: Arbeits­menge, soziales Umfeld, Unterstützung, Werte, Fairness und Kontrol­le. Besteht ein Ungleichgewicht in einem oder mehreren dieser Be­reiche, reichen die Ressourcen des Individuums nicht mehr, um mit den Bedingungen am Arbeitsplatz richtig umzugehen. Oft ist Burnout sich selbst unterhaltend, indem die Bewältigungsstrategien zuneh­mend inadäquat werden und somit Teil des Syndroms bilden. (Albrecht, 2010, S. 8)

Diese umfangreiche Definition zeigt, wie schwer es ist, Burnout zu konkreti­sieren und lässt deutliche Einflüsse der Definitionen von sowohl Maslach und Leiter (2001), als auch Schaufeli und Enzmann (1998) vermuten. Deshalb scheint die selbige Kritik angebracht zu sein. Trotzdem erscheint die Vorstel­lung dieser detaillierten Definition für die vorliegende Masterarbeit als inte­ressant und geeignet.

In die Vielfalt der Burnout-Definitionen gewährt u. a. Rösing (2008) Einblicke und generiert auf dieser Basis die Kernelemente einer Burnout-Definition. Zu dieser zählen ihrer Meinung nach die „innere Erschöpfung, Desillusionierung, Negativierung der Arbeitseinstellung und Verlust an Selbstvertrauen, Mut und Hoffnung" (Rösing, 2008, S. 68).

Was die Abgrenzung von Burnout zu ähnlichen psychischen Zuständen betrifft, so gelten die bekannten MBI-Dimensionen emotionale Erschöpfung, Depersonalisation und reduzierte Leistungsbereitschaft/-fähigkeit für eine Burnout-„Erkrankung" als kennzeichnend. Diese, wenn über einen längeren Zeitraum vorhanden, können bspw. eine Abgrenzung von Burnout und Stress ermöglichen. Es kann festgehalten werden, dass eine dauerhafte Stressein­wirkung, besonders aufgrund fehlender Balance zwischen den Anforderun­gen und Ressourcen, zu Burnout führen kann. (Awa, Plaumann, & Walter, 2010a) Das Gesamtbild Burnout von einer Depression zu unterscheiden, be­darf einer gründlichen Analyse inklusive der Betrachtung von auslösenden Schlüsselmomenten, dem Verlauf der Symptome und der inneren Vorgänge im Menschen (Geuenich, 2010). Die enge Beziehung zwischen Burnout und Arbeit erlaubt eine Differenzierung von Burnout zu einer Depression, die alle Lebensbereiche betrifft ohne sich auf einzelne zu spezifizieren (Maslach & Leiter, 2001). Für eine Abgrenzung von Depression und Burnout wird eben- falls die Tatsache als wichtig erachtet, dass keine Depression in der Vergan­genheit bestand (Braun et al., 2010).

Nachdem derzeit keine allgemeingültige und wissenschaftlich anerkannte Definition von Burnout existiert, wird in den nachfolgenden Kapiteln versucht aufzuzeigen, was Burnout alles umfassen kann.

2.2 Phasen und Symptomatik

Eine Burnout-„Erkrankung", die in komplexer Wechselwirkung verschiedener Lebensbereiche entsteht, kann eine längere Zeit unbemerkt verlaufen. Psychosomatische Reaktionen werden ignoriert oder andere Erklärungen hierfür gefunden. Ab einem bestimmten Punkt leidet hierunter neben dem Individuum auch dessen privates und berufliches Umfeld. So bekommt der unmerkliche Prozess allmählich ein sichtbareres Bild. (Kernen & Meier, 2008)

In der Literatur ist man sich zwischenzeitlich überwiegend einig, dass Burnout ein schleichend einsetzender und lang anhaltender Prozess ist. Es existiert eine Vielzahl von Phasentheorien zum Verlauf von Burnout. Diese beruhen jedoch weniger auf empirischen Studien. Oft räumen die Autoren ein, die Abgrenzungen der Stadien eines „typischen" Burnout-Verlaufs intuitiv gewählt zu haben. Ferner ist zu erwähnen, dass diese Modelle auf bestimmte Berufsgruppen ausgerichtet sind, wie z. B. auf wirtschaftliche oder helfende Berufe. (Burisch, 2010) Die Symptomatologie von Burnout wird als recht komplex und umfangreich bezeichnet (Kaschka et al., 2011).

Ein Burnout-Prozess wird von den Betroffenen zumeist unterschiedlich und dessen Verlauf in einer individuellen Reihenfolge wahrgenommen bzw. erlebt. Dieses subjektive Erleben lässt sich kaum mit einer Typisierung in Einklang bringen, weshalb Burnout-Phasen-Modelle des Öfteren kritisiert werden. Nichtsdestotrotz wird solch ein Modell auch als hilfreich angesehen. Es kann damit aufgezeigt werden, welche Stadien Burnout-Betroffene theo- retisch durchlaufen können. Ein Entstehungsmodell kann bspw. bei der Diag­nose, dem Erkennen des Verlaufs und der Suche nach geeigneten Interventi­onen unterstützen. (Kernen & Meier, 2008)

2.2.1 Burnout-Zyklus nach Freudenberger und North

Im Folgenden wird das vermutlich bekannteste Burnout-Phasen-Modell nach Freudenberger und North aus dem Jahr 1992 kurz vorgestellt. Dieses wird in der Literatur nach wie vor als besonders anschaulich erachtet und richtet sich auf in der Wirtschaft Tätige. Aus diesen Gründen soll in der vorliegenden Ar­beit auf solch einen Klassiker nicht verzichtet werden.

Der in der Abbildung 1 dargestellte Burnout-Zyklus kann sich Freudenberger und North (1992) zufolge über mehrere Monate oder Jahre erstrecken. Die Reihenfolge der Phasen ist nicht als zwingend zu verstehen. So können Stadi­en bspw. übersprungen werden oder mehrere Stadien parallel verlaufen. Auch die Verweildauer in einer Phase ist von einem Betroffenen zum anderen unterschiedlich. Viele der aufgeführten Symptome und Verhaltensweisen können durchaus in unserem modernen Leben als normal und gesund erach­tet werden. Die ersten Stadien werden viele mehr oder weniger aus eigenen Erfahrungen kennen, konnten jedoch den Kreislauf frühzeitig wieder verlas­sen. Auch vorübergehend aufkommende Symptome und Ungleichgewicht bspw. durch belastende Ereignisse, Krisen u. ä. können im Normalfall bewäl­tigt und wieder ausgeglichen werden. Wann die Symptome auf einen Burn­out weisen, hängt davon ab, wie umfangreich, intensiv und langanhaltend diese auftreten bzw. verbleiben. (Freudenberger & North, 1992)

Nachfolgend werden die zwölf Burnout-Stadien nach Freudenberger und North (1992) kurz beschrieben.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Burnout-Phasen-Modell nach Freudenberger und North (1992)

Quelle: Freudenberger & North, 1992, S. 123, veränderte Darstellung.

Stadium 1: Die Betroffenen zeichnen sich besonders durch hohen Ehrgeiz und hohe Erwartungen an die eigene Person aus. Sie wollen sich und anderen beweisen, wie viel sie leisten können. Dies führt zu einem verbissenen Leis­tungszwang. Die eigenen Grenzen werden dabei unrealistisch eingeschätzt.

Stadium 2: Betroffene verstärken ihren Arbeitseinsatz, um den eigenen überhöhten Erwartungen weiterhin gerecht werden zu können. Oft führt dies zu Überstunden und zusätzlichem Arbeiten von Zuhause aus. Delegieren wird zunehmend als unnütz empfunden.

Stadium 3: Persönliche Bedürfnisse erscheinen unwichtig und werden kaum noch wahrgenommen. Betroffene arbeiten beinahe durchgehend, lassen Er­holung und Entspannung aus, fühlen sich unentbehrlich und haben das Ge­fühl nie Zeit zu haben.

Stadium 4: Es treten nun Fehlleistungen in Erscheinung, doch Betroffene verdrängen ihre Konflikte und Bedürfnisse. Sämtlicher Energieeinsatz geht ausschließlich zu Gunsten der Arbeit. Ein Energiemangel macht sich bemerk­bar.

Stadium 5: Die Verdrängung der Bedürfnisse und Konflikte führt zu einer Umdeutung der (Grund-)Werte. Was bisher wichtig erschien, wie bspw. das Privatleben, wird entwertet. Das Arbeitsleben wird zum Lebensinhalt. Wahr­nehmung und Emotionen stumpfen ab.

Stadium 6: Auftretende Probleme werden verleugnet, um weiterhin „funkti­onieren" zu können. Das soziale Umfeld wird als sehr belastend empfunden, auf welches häufig mit Zynismus, Aggressivität und Intoleranz reagiert wird. Leistungseinbrüche und körperliche Beschwerden treten deutlich hervor.

Stadium 7: Dieses Stadium zeichnet sich durch den Rückzug der Betroffenen in allen Lebensbereichen aus. Orientierungs-, Hoffnungslosigkeit und Entfremdung machen sich breit. Ersatzbefriedigungen treten in den Vorder­grund.

Stadium 8: Nun wird die Veränderung der Betroffenen für andere besonders deutlich, während diese sich weiter verschließen und zurückziehen. Jede Aufmerksamkeit des Umfelds wird als Angriff gedeutet.

Stadium 9: Diese Phase ist durch den physischen und emotionalen Gefühls­verlust in Bezug auf die eigene Person und gegenüber anderen gekennzeich­net. Betroffene haben das Gefühl lediglich irgendwie zu funktionieren.

Stadium 10: Innere Leere und Mutlosigkeit machen sich breit. Besonders in der Nähe von Menschen fühlen sich Betroffene ängstlich und unsicher, werden teilweise auch panisch. Das Leben wird zunehmend negativ wahrge-

nommen.

Stadium 11: Sämtliche Symptome einer Depression können in dieser Phase auftreten, bis hin zu Suizidgedanken und -absichten. Betroffene empfinden ihr Leben als sinnlos.

Stadium 12: Diese (End-)Phase beschreibt eine psychische, physische und emotionale Erschöpfung, welche zu einem vollkommenen Zusammenbruch des Betroffenen führt.

2.2.2 Burnout-Symptomatik nach Burisch

Burisch (2010) hat den Versuch unternommen, die in Studien jahrelang und vielfach untersuchte Symptomatik von Burnout, trotz ihrer Unschärfe und beachtlicher Vielfalt, wie folgt zu einer geclusterten Symptomliste aus 202 Veröffentlichungen zusammenzufassen.

Die Abbildung 2 zeigt die Kurzübersicht der Burnout-Symptomatik.[1]Im Anschluss an diese wird auf die einzelnen Symptom-Kategorien nach Burisch (2010) kurz eingegangen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Kurzübersicht über die zusammengefasste Burnout-Symptomatik nach Burisch (2010)

Quelle: Burisch, 2010, S. 24ff., veränderte Darstellung.

Warnsymptome der Anfangsphase: Zwar konnten neuere Untersuchungen das weit verbreitete Klischee „man muss gebrannt haben, um ausbrennen zu können" nicht bestätigen, doch kann von einem freiwilligen, vermehrten Einsatz von Energie in dieser Phase gesprochen werden. Dass Menschen nicht mehr in der Lage sind nach getaner Arbeit abzuschalten, kann hierbei als ein verlässliches Warnsignal dienen und sich in Form von ersten Erschöpfungszu­ständen zeigen.

Reduziertes Engagement: Auf den überhöhten Energieeinsatz folgt in der zweiten Kategorie eine emotionale, kognitive und verhaltensbedingte Selbst­distanzierung. Erst zieht man sich gegenüber Klienten/Patienten, oft auch gegenüber anderen wie Freundinnen und Kolleginnen sowie von der Arbeit an sich zurück. Die Einstellung zur Arbeit entwickelt sich gegenläufig und mündet in einen veränderten Lebensstil. Befriedigung scheint nur noch nach dem Feierabend möglich zu sein, was auch unter der Bezeichnung „innere Kündigung" bekannt ist.

Emotionale Reaktionen; Schuldzuweisung: Charakteristisch für die dritte Kategorie ist das Auftreten von überdauernder depressiver bzw. aggressiver Reaktionen. Erstere treten eher hervor, wenn sich selbst die Schuld für den unbefriedigenden Zustand gegeben wird und führen zu einer Erniedrigung des Selbstwertgefühls. Aggressiv reagieren in dieser Phase eher Menschen, welche der Umwelt die Schuld zuweisen. Nörgeln, Pessimismus, Reizbarkeit, Wutausbrüche und Zynismus sind für diese dann typisch.

Abbau: In dieser Phase nimmt zusätzlich die Leistung aber auch die Motivati­on und die Kreativität ab. Fehler häufen sich, Termine werden vergessen und die Arbeitsdevise lautet in diesem Stadium nicht selten „Dienst nach Vor­schrift". Um kognitive Entlastung sicherzustellen, werden die einfachsten und bequemsten Wege eingeschlagen. Soweit den Betroffenen der Abbau bewusst wird, entsteht eine sich verstärkende Wechselwirkung zwischen emotionalen Reaktionen der Vorstufe und dem Abbau an sich.

Verflachung: Während die Symptome der Abbau-Phase weiter vorherrschen kann es nun zu einer allgemeinen Verflachung des emotionalen, geistigen und sozialen Lebens kommen. Kennzeichnend für diese Phase des Burnout- Prozesses können das Desinteresse, die Gleichgültigkeit und die daraus resul­tierende Einsamkeit sein. Spätestens jetzt ziehen sich auch Freunde zurück, was wiederum Einsamkeit und Aussichtslosigkeit verstärkt.

Psychosomatische Reaktionen: Analog zu den Warnsymptomen der Anfangsphase reagiert nun auch der Körper eindeutig. Psychosomatische Reaktionen wie Infektionskrankheiten, Störungen des Schlafs, der Verdauung und des Kreislaufs, aber auch Gewichtszunahme durch verändertes Essver­halten treten nun häufiger in Erscheinung. Ersatzbefriedigungen wie bspw.

Zigaretten-, Alkohol- und Drogenkonsum nehmen zu. Herzerkrankungen und Magen-Darm-Geschwüre können folgen.

Verzweiflung: Sollte der Burnout-Prozess nicht vorher unterbrochen werden, kommt es zu einer von Burisch (2010, S. 34) bezeichneter „existentieller Ver­zweiflung". In diesem Endstadium entwickelt sich das andauernde Gefühl hilflos zu sein zu einer manifesten Hoffnungslosigkeit. Das Leben verliert in dieser Phase scheinbar jeden Sinn. Suizidgedanken machen sich breit. Nicht selten folgen diesen auch Taten.

Wie bereits erwähnt, ist das bloße Vorhandensein einzelner Symptome keine notwendige Bedingung für eine Burnout-„Erkrankung". Es herrscht in der Literatur Uneinigkeit, welchen Symptomen welche Gewichtung zugeschrie­ben wird. Manche Symptome schließen sich gegenseitig aus und nicht jeder Betroffene erreicht zwangsläufig die Endstufe (Verzweiflung). Die zeitliche Abfolge der Stufen kann durchaus anders verlaufen als dargestellt. So können psychosomatische Reaktionen bspw. bereits zu Beginn auftreten. Trotz vieler Versuche einen Ablauf der Burnout-Symptome darzustellen, muss betont werden, dass jeder Burnout-Verlauf durch Individualität gekennzeichnet ist und von vielen inneren und äußeren Faktoren beeinflusst wird. Wichtig scheint die Erkenntnis, dass der Ablauf zu jedem Zeitpunkt gestoppt werden kann. Folgeschäden können dabei nicht immer verhindert werden. (Burisch, 2010)

2.3 Aktueller Forschungsstand

Was die Burnout-Forschung angeht, hat sich dieser Bereich bereits etabliert, jedoch noch nicht institutionalisiert. Dies bedeutet einerseits, dass Burnout bspw. in wichtigen Wörterbüchern, Nachschlagewerken und Handbüchern vorkommt sowie einige Forscher und Dissertationen sich seit Jahren mit diesem Bereich intensiv auseinandersetzen. Andererseits gibt es z. B. keine spezielle Zeitschrift, regelmäßig stattfindende Konferenzen, Universitätslehr­stühle und Studiengänge für diesen Bereich. Gründe hierfür können u. a. an der fehlenden eigenständigen Krankheitsanerkennung, der breiten umgangs­sprachlichen Begriffsverwendung, den Überschneidungen mit anderen Berei­chen der Forschung sowie dem Interesse an Berufsgruppen-Spezifika liegen. (Rösing, 2008)

Fengler (2011) betont jedoch die Entwicklungen im Bereich Burnout. So berichtet er, dass Burnout bereits Bestandteil von Ausbildungsgängen z. B. der Psychotherapie, Sucht-Therapie und Pflege geworden ist. Ferner wird die Burnout-Prophylaxe zunehmend bei Kongressen als Seminar angeboten. Auch laden zwischenzeitlich Kliniken zu Vorträgen und Seminaren über Burn­out ein. (Fengler, 2011)

Neben wenig vorhandenen hochwertigen und kontrollierten Studien wird insbesondere bemängelt, dass die Perspektive der Fremdbeurteilung nicht berücksichtigt wird. Bei dem aktuellen Wissensstand der Burnout-Forschung wird angeraten, eher sparsam mit dem Begriff „Burnout" umzugehen. (Kaschka et al., 2011) Auch nach Meinung von Rösing (2008) fehlt dem Be­reich Burnout u. a. aus den oben genannten Gründen noch eine bestimmte Forschungsqualität, aber auch neue Impulse und damit einhergehend weite­re, relevante und v. a. widerspruchsfreie Entwicklungen des Forschungs­stands. Jüngere Forschungsergebnisse haben bspw. herausgefunden, dass nicht die hohen Erwartungen grundlegend für Burnout sind, sondern die nicht realistischen Erwartungen. Da diesen Untersuchungen jedoch keine einheitli­chen, zu anderen Forschungen in Beziehung stehenden Definitionen und Messinstrumente zugrunde liegen, stellt sich die Frage, ob es sich hierbei er­neut um Widersprüche handelt oder nicht. Nicht selten sind solche Umstände in der Burnout-Forschung zu finden. (Rösing, 2008)

Interessante und aktuelle Erkenntnisse speziell in Bezug auf die Burnout- Prävention liefert eine Meta-Studie von Awa und Kolleginnen aus dem Jahr 2010. Diese untersuchte 25 nach bestimmten Kriterien selektierte veröffent­lichte Studien zu Interventionen bei der Burnout-Prävention und zeigte auf, dass insbesondere die kombinierten Interventionen, welche sowohl an den Mitarbeitenden als auch an der Organisation ansetzen, eine signifikante und längerfristige Senkung von Burnout ermöglichen können. 80 % aller Aktivitä­ten zeigten einen Erfolg in allen oder einzelnen MBI Burnout-Dimensionen auf. Die nachhaltigste Wirkung wurde bei der Dimension der emotionalen Erschöpfung erzielt. (Awa et al., 2010a) Anzumerken ist, dass es sich bei die­ser Dimension um eine milde Version eines Burnouts handelt, im Gegensatz zur Dimension Depersonalisation (Braun et al., 2010). Maßnahmen, die aus­schließlich an der Person ansetzten, zeigten lediglich einen kurzfristigen Erfolg von weniger als sechs Monaten auf. Wobei den kombinierten Varian­ten Erfolge von einem Jahr und länger nachgewiesen werden konnten. Über die reinen organisationsorientierten Maßnahmen konnte keine Aussage ge­troffen werden, weil es hierzu nur zwei Studien gab, die widersprüchliche Ergebnisse aufzeigten. Ferner wird darauf verwiesen, dass die Wirkung der Maßnahmen zeitlich zwar limitiert ist, jedoch durch Auffrischungsmaßnah­men länger aufrechterhalten werden kann. (Awa, Plaumann, & Walter, 2010b)

Der Bereich der Studien zu organisationsbezogenen Interventionen bei der Burnout-Prävention ist noch deutlich ausbaufähig. Die meisten Studien betrachten lediglich die rein individuelle Ebene. (Awa et al., 2010a)

Ferner kann festgehalten werden, dass in der Burnout-Forschung zu dem komplexen Bereich der Unternehmenskultur noch kaum relevante Untersu­chungen existieren (Rösing, 2008).

2.4 Mögliche Einflussfaktoren im Arbeitskontext

Das Belastungsniveau in der Arbeitswelt hat in den letzten Jahren zugenom­men. Dieses ist u. a. gekennzeichnet durch einen hohen Leistungsdruck und geringe individuelle Gestaltungsmöglichkeiten im Arbeitsprozess. (Schulze, 2009) Während höheres Arbeitstempo und größere Arbeitsverdichtung nun zur Normalität im Arbeitsalltag gehören, werden die Kommunikationsmög­lichkeiten auch außerhalb der Arbeitszeiten nicht nur von Führungskräften ausgeschöpft. E-Mails, soziale Medien, Instant Messenger, Smartphones & Co ermöglichen eine Dauerkommunikation, welche der Notwendigkeit für Ruhe­zeiträume entgegen steht. (Geuenich, Eschweiler, & Müller-Vorbrüggen, 2011)

Die Forschung geht laut Rösing (2008) zwischenzeitlich davon aus, dass viele einzelne Bedingungen aus verschiedenen Bereichen eines Menschen in ihrer Wechselwirkung für die Entstehung eines Burnouts ursächlich sein können. Quantitative Arbeitsbelastung/Zeitdruck, geringe Autonomie, Rollenstress (Rollenüberlastung, Rollenambiguität und Rollenkonflikt), unklare Entschei- dungs- und Zuständigkeitsstrukturen, geringe soziale Unterstützung durch Kolleginnen sowie wenig Rückmeldung und Anerkennung der Vorgesetzten gehören nach Rösings Untersuchungen von älteren und jüngsten Burnout- Forschungen zu den relativ bedeutendsten Faktoren, welche in Wechselwir­kung mit Burnout begünstigenden Bedingungen aus anderen Lebensberei­chen zu Burnout beitragen können. (Rösing, 2008)

Im Anschluss werden die Arbeitsfeld-Faktoren nach Kernen und Meier (2008) sowie die „mismatch-Theorie" von Maslach und Leiter (2001) vorgestellt.

2.4.1 Arbeitsfeld-Faktoren nach Kernen und Meier

Die Abbildung 3 zeigt ein systemisches Verständnis von Burnout mit den möglichen Einflussfaktoren aus mehreren Bereichen auf, welche zum Entste- hen von Burnout beitragen können. Mit dieser Betrachtung lässt sich die Mitverantwortung der Unternehmen in Bezug auf Burnout kaum leugnen, unberührt der Tatsache, dass jeder Einzelne für die eigene Gesundheit selbst verantwortlich ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Burnout fördernde Faktoren verschiedener Bereiche

Quelle: Kernen & Meier, 2008, S. 211.

Überwiegend soll die Kombination der Einflussfaktoren aus dem personalen und organisationalen Bereich für ein Burnout ausschlaggebend sein. Es kann jedoch angemerkt werden, dass hierbei zwischenzeitlich den Einflussfaktoren aus dem Arbeitsfeld, auch aus Forschungssicht, eine besonders hohe Gewich­tung zugesprochen wird. (Kernen & Meier, 2008)

Nachfolgend werden die Einflussfaktoren des Arbeitskontextes betrachtet. Die Bedeutung der anderen Bereiche soll damit in keinster Weise abgewertet werden.

Bei der Entstehung von Burnout wird der Arbeits- und Organisationsgestal­tung ein maßgeblicher Einfluss beigemessen. Als belastende, organisatorisch bedingte Einflüsse der Arbeitswelt werden bspw. die Schicht- und Nachtar­beit, Arbeit auf Abruf, hoher Zeitdruck, durchgehend verlangte Aufmerksam­keit, ungeeignete Tools, ständige Unterbrechungen, nicht optimale Prozess- abläufe, aber auch schädliche Bedingungen im Arbeitsumfeld wie Hitze, Laut­stärke, mangelnde Ergonomie u. ä. aufgeführt. Diese können zu Stress und in zweiter Ordnung, sowie ihrer Wechselwirkung auch zu Burnout führen. Ferner können fehlende Entfaltungs- und Weiterbildungsmöglichkeiten oder eine mangelnde Kommunikations- und Informationskultur das Entstehen von Burnout fördern. Als besonders kritisch wird die gesamte Sparte der quantita­tiven und qualitativen Über- aber auch Unterforderung („Boreout") bei der Aufgabenerledigung eingestuft. (Kernen & Meier, 2008)

Auch wird dem Sozialkontext der Arbeit wie bspw. fehlende Wertschätzung und Anerkennung besonders durch die Führungskraft ein hoher Einfluss auf Burnout zugesprochen. Ein Gleichgewicht oder Ungleichgewicht bei Beloh­nungsmechanismen unterliegt jedoch der subjektiven Wahrnehmung. So kann eine subjektiv empfundene unzureichende Anerkennung negativen Einfluss auf die Burnout-Entwicklung ausüben. Ein schlechtes soziales Klima, Mobbing u. ä., aber auch eine schlechte Konfliktbewältigung im Unterneh­men, können einen Nährboden für die Entwicklung von Burnout darstellen. Kernen und Meier (2008) stufen auch eine unfaire Behandlung im Unterneh­men als einen belastenden Faktor ein. Zu weiteren negativ beeinflussenden sozialen Bedingungen werden Rollenkonflikte und Rollenunklarheit gezählt. Ebenfalls Bedeutung wird unerfüllten Erwartungen bei Berufseinstieg, auch unter „Realitätsschock" bekannt, aber auch bei späterer Berufsentwicklung beigemessen. Nicht zu unterschätzen ist der Einfluss der Führungskultur und der von Normen und Werten, welche bei der Zusammenarbeit in Teams, Abteilungen, Bereichen und dem ganzen Unternehmen tatsächlich gelebt werden. (Kernen & Meier, 2008) Durch die unterschiedlichen Interessen zwischen Unternehmen und Mitarbeitenden sind Wertekonflikte vorpro­grammiert. Eine Balance ist jedoch nach Möglichkeit anzustreben, um das dann entstehende Gefühl der Sinnlosigkeit bei Mitarbeitenden zu vermeiden. (Fengler, 2011)

[...]


[1]Für die Bewusstseinsschärfung wird auf die detaillierte Ausführung der Burnout-Symptomatik von Burisch (2010) auf die Anhänge 1 und 2 auf den Seiten 87 und 88 verwiesen.

Ende der Leseprobe aus 97 Seiten

Details

Titel
Burnout auf der betrieblichen Ebene: Praxisrelevante Punkte für einen Unternehmensleitfaden
Hochschule
Hochschule Deggendorf
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
97
Katalognummer
V192585
ISBN (eBook)
9783656178613
ISBN (Buch)
9783656179320
Dateigröße
6263 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Burnout
Arbeit zitieren
Marina Bondarenko (Autor:in), 2012, Burnout auf der betrieblichen Ebene: Praxisrelevante Punkte für einen Unternehmensleitfaden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192585

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