Die slavischen Urschriften Glagolica und Kyrillica

Die Ursprünge slawischer Schriftlichkeit im Rahmen der Christianisierung Südosteuropas


Hausarbeit, 2011

16 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Einleitung

Auf dem Weg in die Literalität stellt die Balkanhalbinsel im Frühmittelalter eine Besonderheit im Kontext alt-europäischer Schriftlichkeit dar. Eng verbunden ist hier die Kirchenzugehörigkeit der Region mit der Verschriftlichung der Sprache slawischer Völker. Noch heute, im 21. Jahrhundert, herrscht in der „Slavia Orthodoxa“ eine eigene Schriftform vor, dessen Ursprünge im 9. Jahrhundert durch die Slavenlehrer Kyrill und Method zu finden sind. Durch deren Slawenmission im Jahre 863 fand die slawische Literalität ihren Anfang.

Geschehen ist dies durch die Einführung zweier, auf die slawische Phonetik abgestimmte, graphischer Medien: der glagolitischen und kyrillischen Schrift.Die ältere der beiden, die Glagolica, wurde zum Zwecke der Slawenmission nach Mähren getragen, als Instrument der Slawenlehrer Kyrill und Method bei ihrer Mission.

Der Werdegang beider Schriftsysteme ist von einigen Widrigkeiten gekennzeichnet, die in dieser Hausarbeit näher betrachtet werden sollen. Es wird die Frage im Raum stehen, ob die Glagolica ihre missionarische

Zweckbestimmung erfüllen , und warum sie durch ihr Nachfolgesystem, die Kyrillica, abgelöst werden konnte.

Die Herangehensweise wird sich vornehmlich an kulturhistorischen Aspekten orientieren und unterschwellig die Anlehnung an die Inhalte des Studienbriefes zur alteuropäischen Schriftkultur G2 der Fernuniversität Hagen suchen. Dabei soll nicht nur der historische Rahmen der Verschriftung und Verschriftlichung betrachtet, sondern auch ein besonders interessantes Beispiel altkirchenslawischer Schriftkultur erörtert werden, anhand dessen das Wechselspiel von Sprache und Schrift in diesem Zusammenhang näher beleuchtet werden kann.

1. Der Weg zur slawischen Schriftlichkeit

1.1 Das Frankenreich und Byzanz vor der Slawenmission

Untrennbar stehen Klerus und weltliche Herrscher zusammen, bei den (kirchen)politischen Entscheidungen und Entwicklungen des Frühmittelalters, der Entstehungszeit slawischer Schriftlichkeit. Bedeutsam ist in diesem Zusammenhang die Historie des Wechselspiels Byzanz´ mit der fränkischen Großmacht.

Das fränkische Reich erlebte unter Karl dem Großen seine Blütezeit, die im Jahre 800 in seiner Krönung zum Kaiser ihren Höhepunkt fand. Möglich war dies durch die enge Verbindung zur römisch-katholischen Kirche, welche noch aus der „Pippinischen Schenkung“ herrührte[1] (Elm 1980, S. 354). Karl war ein erfolgreicher Eroberer und weitete Ende des 8. Jahrhunderts durch die Zerschlagung des Awarenreichs sein Hoheitsgebiet im Südosten Europas weiter aus. Ohne das Einholen eines päpstlichen Einverständnisses teilt er 796 das eroberte Gebiet im Zuge einer Bischofsversammlung in Missionsgebiete, und wies diese den bestehenden Metropoliten zu (Eggers 1996, S. 26). Demnach fielen die Regionen südlich des Flusses Drau in die Jurisdiktion Aquileias, jene nördlich der Drau[2] in die der Salzburger. Mit dieser Einteilung schuf Karl ein Konfliktpotential, das sich einige Jahre später im Werdegang eines der Slavenlehrer, nämlich Method, bemerkbar machen wird.

Das byzantinische Reich erlebt mit dem Ikonoklasmus[3] und der parallelen finanziellen Not im 8. Jahrhundert eine ihrer schwersten Zeiten. Nach Überwindung der Krise und finanzieller Stabilisierung entwickelte sich in Byzanz unter der Herrschaft Michael III. (und zuvor seiner Mutter Theodora) allerdings ein neues Selbstbewusstsein, was nicht zuletzt einer Art Autonomie der byzantinisch-orthodoxen Kirche von Rom und seinem Papst geschuldet war (Lilie1999, S. 60). Verschärft wurde die Kluft zwischen West- und Ostkriche durch das „Zweikaiserproblem“ (Ludat 1980, S. 485), welches durch die Krönung Karls des Großen im Jahre 800 entstand. Byzanz Kaisermonopol als

„Kaiser der Römer“ wurde durch diese Krönung relativiert. Diese Entwicklung beeinträchtigte nicht nur die Beziehungen Byzanz zur römischen Kirche, sondern auch die Beziehungen zum Fränkischen Reich, welches somit in direkter Konkurrenz zu Byzanz stand. Vor allem in den missionarischen Tätigkeiten standen sich die beiden Reiche konkurrierend gegenüber. Ein Umstand, der die spätere Slawenmission der Brüder Method und Kyrill und deren Einführung der Glagolica auf dem Balkan maßgeblich beeinflussen wird. Nachdem nun ein grobes Bild kirchenpolitischer Umstände zu Anfang des 9. Jahrhundert gezeichnet wurde, sollen die Urheber der ersten slawischen Schrift näher betrachtet werden.

1.2 Method und Kyrill

Kyrill, dessen richtiger Name Konstantin war, wird die Haupturheberschaft der Glagolica nachgesagt. Er gilt als Schöpfer der ersten Slawenschrift, und wird als stiller, aber sehr wissbegieriger Mensch beschrieben (Schütz 1985, S. 29) . Sein beruflicher Werdegang führte ihn über das Studium diverser geistes- wissenschaftlicher, philologischer und theologischer Disziplinen, bis zu einer Anstellung als Archivar und Bibliothekar des byzantinischen Patriarchen (1985, S 31). Dank seiner Nähe zum Kaiserhaus und seiner hohen Stellung als Geistlicher und Gelehrter der damaligen Zeit, wurde er von Kaiser Michael III mit missionarischen Aufträgen bedacht, die ebenso diplomatischen Charakter hatten. So reiste er nicht nur nach Samarra an den Hof des arabischen Kalifen sondern auch in das chasarische Reich, um dort die Beziehungen zwischen diesem und dem byzantinischen Reich zu festigen und um das Wort Gottes zu verkünden (Schramm 2007, S. 81, 1994 S. 93) Konstantin übersetzte einige theologische Texte und Grammatiken, und auch seine Missionstätigkeit war nicht völlig erfolglos, blieb jedoch hinter seinen Erwartungen zurück (Schramm 2007, S. 83). Konstantin war also ein bereister Gelehrter, der nicht nur seine sprachlichen und theologischen Kenntnisse anbringen konnte, sondern auch sein philologisches Interesse an fremden Schriftsystemen nährte und wahrscheinlich daraus für die Entwicklung der Glagolica schöpfte. Erst kurz vor seinem Tod in Rom im Jahre 869 nimmt er den Namen Kyrill (von Saloniki) an.

Sein Bruder Method hingegen war ein Organisationstalent und durch seine Rechtsgelehrsamkeit eine hohe Kompetenz in administrativen Aufgaben (Schaeken, Birnbaum 1999, S. 44). Er trat in den Staatsdienst, und Kaiser Michael III. machte ihn zum Statthalter eines slavisch besiedelten Verwaltungsbezirkes (Schütz 1985, S. 90). Doch er fühlte sich in dieser Funktion nicht sonderlich wohl, legte das Amt nach einigen Jahren nieder, und ging in ein Kloster am bithynischen Olymp, wo er 856 die Mönchsweihe empfing und den Namen Method annahm. Nach dem Tod Kyrills führt Method die kyrillomethodistische Tradition fort.

Beide Brüder verband ihre slawischen Sprachkenntnisse, die sie seit ihrer Kindheit besaßen. Dies verdankten sie dem Umstand, dass unweit ihres Geburtsortes eine slawisch-makedonische Enklave existierte. Slawische Sprache war also in der Kindheit der beiden Brüder allgegenwärtig. Diese Kenntnisse sollten für die Entwicklung des ersten slawischen Alphabets und ihre spätere Mission in Mähren von großer Bedeutung sein.

1.3 Der Missionsauftrag und seine (kirchen)politischen Umstände

Aus dem von Karl dem Großen zerschlagenen Awarenreich bildeten sich Ende des 8. /Anfang des 9. Jahrhunderts neue Fürstentümer: u. a. eines in Südmähren unter Mojmir I. Unter dem Nachfolger Mojmirs, Fürst Ratislav, festigte sich Mähren weiter, was zu Verschlechterungen in der Beziehung zum fränkischen Reich führte. Dieses hatte eigene Ansprüche auf das Territorium Mährens geltend gemacht, und stand einer Erweiterung und Etablierung des mährischen Reiches ablehnend gegenüber. (Avenarius 2000, S. 54). Ratislav war sich dessen bewusst, dass er, um sein Reich weiter zu stabilisieren, eine Unabhängigkeit anstreben musste. Den Schlüssel dazu sah er in einer kirchlichen Autonomie, einer eigenen Kirchenorganisation, weshalb er zunächst den Papst in Rom um die Entsendung christlicher Würdenträger bat. Diese sollten ihm dabei helfen, eine eigene Kirche in seinem Land aufzubauen, doch der Papst lehnte dieses Ersuchen ab. Ratislav wandte sich daraufhin an den byzantinischen Kaiser Michael III., der die Brüder Method und Kyrill mit dieser Mission betraute.

[...]


[1] In frühmittelalterlicher Zeit gesetztes Schutzbündniss zwischen fränkischem Königshaus und päpstlicher Kurie; Im Gegenzug für die Schenkung der eingenommen Territorien (das Dukat Rom, das Exarchat Ravenna, die Pentapolis, Tuszien, Venetien, Istrien, Spoleto und Benevent) durch Karls Vater Pippin III erhielt das karolingische Geschlecht das vom Papst bestätigte Königsrecht. Die „Pippinische Schenkung“ gilt als Grundstein des „Kirchenstaates“ (als weltliches Königreich des Papsthauses).

[2] Nebenfluss der Donau, der durch das heutige Kroatien, Südungarn, Slowenien und durch Österreich bis an das östliche Tirol fließt.

[3] Der Bilderstreit: um 726 beginnt unter Kaiser Leon III. Der Ikonoklasmus, bei dem sich Leon, wohl auch im Zuge ähnlicher Wandlungen im Islam, stark gegen die Anbeten von Ikonen ausspricht; wohl um den Kaiserkult zu festigen, und das Mönchtum dadurch zu schwächen. Dieser Streit zwischen den sog. Ikonoklasten und den Ikonodulen dauert an bis zum Amtsantritt Michael III. und wird durch einen Kompromiss (Verehrung soll dem Abgebildeten, nicht dem Bild dienen) im Jahre 843 beigelegt.(Hiestand 1980, S. 385f )

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Die slavischen Urschriften Glagolica und Kyrillica
Untertitel
Die Ursprünge slawischer Schriftlichkeit im Rahmen der Christianisierung Südosteuropas
Hochschule
FernUniversität Hagen  (Historisches Institut)
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
16
Katalognummer
V192478
ISBN (eBook)
9783656174486
ISBN (Buch)
9783656174943
Dateigröße
432 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Zu Modul G2
Schlagworte
Glagolica, Kyrillica, G2, Geschichte der Schriftkultur
Arbeit zitieren
Natasa Pejcinovic (Autor:in), 2011, Die slavischen Urschriften Glagolica und Kyrillica, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/192478

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