Der Anschlag vom 11. September 2001


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

24 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhalt

1. Prolog

2. Die Zäsur des Anschlages vom 11. September

3. Terrorbekämpfung für andere Ziele instrumentalisiert

4. Ist Saudi -Arabien die wichtigste Quelle des neuen globalen Terrors?

5. Der Krieg gegen den Terrorismus in Afghanistan

6. Ein neuer Irak-Krieg, ein Krieg gegen den Terror?

7. Terrorismusbekämpfung mit friedlichen Mitteln

Literatur:

1. Prolog

Tagelang berichteten die Medien fast ununterbrochen über den Terroranschlag in Amerika. Es ist gar keine Frage, ein solches Ereignis muß in seiner menschlichen Tragik festgehalten werden, in der Dimension des Trauerns widergespiegelt werden. Die Verantwortlichen der ca. 3000 Opfer sind zu bestrafen. Dies hätte vor ordentlichen Gerichten zu geschehen. Jedoch die wochenlange Totalpräsenz des Themas sowie die Einseitigkeit und Eindimensionalität in der Darstellung besonders im Fernsehen erinnerte beinahe an die Verlautbarungskünste früherer DDR-Medien.

In Deutschland gab es viele öffentliche Bekundungen, die den Angehörigen der Opfer ihr Beileid aussprachen. Die Politik erklärte eine unumschränkte Solidarität mit dem amerikanischen Volk. Zugleich wurden in Ostdeutschland etliche Lehrer von Schulen verwiesen, weil sie von der gleichgeschalteten öffentlichen Meinung abgewichen waren. Tagesthemen-Moderator Ulrich Wickert griff man scharf via Presse an, weil er kritische Äußerungen von Arundhati Roy außerhalb direkter medialer Öffentlichkeit angeführt hatte. Eine fundamentalistisch proamerikanische Stimmung drohte jeden kritischen Reflexionsgeist in Frage zu stellen, jedoch zeigt die nachträgliche Pressedurchsicht, es gab viele Stimmen, die diesem einseitigen Bild nicht folgen wollten. Sie spielten aber nur eine Nebenrolle. In den USA wurden schon unmittelbar nach den Anschlägen Kommentatoren und Moderatoren, die sich differenziert und nachdenklich zu den Ursachen des Anschlages äußerten, von den Bildschirmen verbannt.[1]

An vielen Orten der Welt dürfte nicht ausschließlich die Trauer über die Opfer im Blickpunkt gestanden haben bei der Wahrnehmung des Anschlages, sondern zudem oft eine Haltung anzutreffen gewesen sein, die in dem Akt auch eine Quittung für die aggressive, militärisch gestützte Politik der USA gegenüber anderen Staaten gesehen hat. Viele haben die amerikanischen Gewaltakte und Einflußnahmen von Vietnam über Nicaragua bis Grenada gut in Erinnerung. Überdies unterstützen die USA eine globale ökonomische Politikkonzeption im Kontext der Globalisierung, die vielen Menschen über IWF-Anpassungsprogramme oder die krisenverursachende spekulative Finanzmarktarchitektur schwere soziale Nachteile bescherte.

Ohne die Existenz solcher Blickwinkel wäre der Terroranschlag völlig sinnlos gewesen für die Attentäter und ihre Hintermänner. Ihm würde der „Resonanzboden“ in der Weltbevölkerung gefehlt haben. Die Botschaft des Anschlages wäre nicht angekommen. Nebenbei bemerkt ist dies einer der wichtigsten Punkte, warum der RAF-Terrorismus in der Bundesrepublik zum Erliegen gekommen ist. Die radikale Bezogenheit des neuen Präsidenten Bush auf die Eigeninteressen der amerikanischen Plutokratie schaffte für den Anschlag das optimale kulturell-geistige Klima.

In dieser Arbeit soll es darum gehen näher zu erörtern, welche Hintergründe und Auswirkungen hat der Anschlag? Inwieweit ist der Weg militärischer Vergeltung, der eingeschlagen wurde, problematisch? Wie sind der Anschlag vom 11. September und die durch ihn ausgelösten Militärschläge politisch zu bewerten? Welche Punkte wären für eine nichtmilitärische Alternative zu beachten? Betrachtet werden sollen vor allen Dingen die weltpolitischen Bezüge, während innenpolitische Bezüge, wie die Verschärfung von Sicherheitsgesetzen und in diesem Kontext auftretende repressive Maßnahmen hier nicht eingehender erörtert werden.

Im Abschnitt zwei wird eine Analyse des Terroraktes selbst vorgenommen. Danach wird näher betrachtet wie dieses Ereignis durch die USA instrumentalisiert wurde, um ihre eigene globale Hegemonie zu erweitern und kriegerische Aktivitäten zu legitimieren. Im Abschnitt fünf wird analysiert, inwieweit der Afghanistankrieg in seinen Formen kaum dem Antiterrorkampf dienen konnte. Dort aufgenommen sind auch die fragwürdigen Formen der Kriegsführung der USA. Bereits zuvor ist darauf hingewiesen, der gesellschaftliche Ausgangspunkt des Anschlages vom 11.9.2001 dürfte eher in Saudi-Arabien oder anderen arabischen Staaten zu finden sein. Im Anschluß wird aufgewiesen, der geplante Krieg gegen den Irak dient ebenso keineswegs der Terrorismusbekämpfung. Zum Schluß wird noch mal vermerkt, daß unter anderem globale Armutsbekämpfung ein wichtiger Punkt ist, um globalpolitische Terrorakte in Zukunft weniger wahrscheinlich zu machen.

2. Die Zäsur des Anschlages vom 11. September

Arundhati Roy erklärt, der 11. September mit den Anschlägen auf die beiden Türme des Welthandelszentrum in New York und das Pentagon in Washington sei durch nichts zu rechtfertigen. Um aber wenigstens eine Wiederholung zu vermeiden, sei es notwendig, das Geschehene zu verstehen, zu ergründen, warum dies passiert ist. Diesen Schritt zu gehen, sei nicht dasselbe, wie die Tat zu entschuldigen oder gar zu rechtfertigen.[2]

Die Attentate auf das Welthandelszentrum und das Pentagon am 11. September 2001 zielten auf zentrale Insignien der globalen amerikanischer Militär- und Wirtschafts­herrschaft. Sie sollten ins Mark treffen. Offensichtlich ging es darum, die imperiale Allmacht amerikanischer Interessenlagen vor der Weltöffentlichkeit in Frage zu stellen. Ein solcher barbarischer Akt ist selbst für Terroristen nur sinnvoll, wenn die in ihm intendierte Botschaft, über das Verbrechen selbst hinausweist. Er setzt voraus, in erheblichen Teilen der Weltbevölkerung registriert man neben dem mörderischen Grauen des Terroraktes den, wenngleich mehr als zwiespältige Hinweis: Hier steht zugleich von amerikanischer Seite begangenes Unrecht am Pranger. Ohne diese Wirkung bekommt der Anschlag keinen Sinn, wäre wohl nie in dieser Form durchgeführt worden. Etwa ein Angriff auf eine Chemiefabrik oder eine Atomanlage hätte einen deutlich anderen Charakter gehabt.

Der Terrorismusforscher Peter Waldmann stellte 1998 fest, es gehe dem Terroristen nicht um den eigentlichen Zerstörungseffekt seiner Aktionen. Vielmehr sei dieser nur ein Mittel, eine Art Signal, um einer Vielzahl von Menschen etwas mitzuteilen. Terrorismus sei primär eine Kommunikationsstrategie.[3]

Udo Steinbach führt aus, wenn die Tat besonders im arabischen Raum Anklang fand, dann deshalb, weil es als ein befreiender Akt gegen die politische Dominanz der USA wahrgenommen wurde, die in der vom Islam geprägten Welt als weithin erdrückend empfunden wird. Ausschlaggebend seien dabei nicht religiöse Motive.[4] Amr Hamazawy weist darauf hin, viele islamische Intellektuelle würden die klammheimliche Freude über die Anschläge und die vermeintliche Beliebtheit Bin Ladens bei den arabischen Massen darauf zurückführen, mit diesem Akt hätten die Terroristen den „arroganten“ Amerikanern eine Lektion erteilt.[5]

Durch die völlig überzogene Art und Weise, wie mit dem Terrorakt medial umgegangen wurde, erhöhte man die Wahrscheinlichkeit, daß es zu neuen Anschlägen kommen kann. Indem man dem Terror soviel Aufmerksamkeit schenkt und mit Kriegserklärungen beantwortet, die auch Weltkriegsgefahr in sich bergen, so Arundhati Roy, gibt man den Terroristen recht. Man läßt potentielle Attentäter erkennen, ein hervorragend geplanter Anschlag reicht aus, um gezielt weltweit das eigene Anliegen zu vermitteln.[6]

Eine Selbsteinschätzung des Anschlags durch die Verursacher ist nicht vorhanden. Bekennerbriefe liegen nicht vor, und es nahm niemand die Verantwortung dieses Anschlages auf sich. Dies gilt auch für Osama Bin Laden und die Organisation Al-Kaida. Eindeutige Beweise für deren Urheberschaft konnten in der Öffentlichkeit bisher nicht vorgelegt werden.[7] Aber selbst wenn Bin Laden die Attacken nicht geplant haben sollte, so wird er versuchen, seinen Nutzen daraus zu ziehen.[8]

Der Journalist Robert Fisk befragte Osama Bin Laden selbst, ob er an diesem Anschlag beteiligt war. Dieser antwortete, er habe nicht die Ehre gehabt, an dieser Operation teilzunehmen. Eine Beteiligung am Anschlag verneint er, verurteilt ihn aber nicht.[9]

Der Islamexperte Peter Scholl-Latour geht davon aus, es stand im Kalkül der Terroristen, die USA reagieren auf kriegerische Weise. Sie würden dabei in einen „Abnutzungskrieg“ verwickelt werden, in deren Verlauf die islamische Staatenwelt erschüttert wird. Dabei geht es darum, nicht nur die proamerikanischen islamischen Staaten, sondern auch alle „nicht gottgefälligen“ Regierungen, zu denen auch Saddam Husseins Baath-Regime zählt, zu destabilisieren. Dahinter stünde die Idee des Gottesstaates.[10] Zwar ist schwer einzuschätzen, ob die Absichten des Anschlages so weit kalkuliert waren durch die Attentäter, dennoch enthält diese Stellungnahme von Scholl-Latour vom 21.9.2001 eine hohe Plausibilität, gerade in Bezug auf die Gefahr eines „Abnutzungskrieges“ seitens der Amerikaner, wie die aktuellen Entwicklungen in Bezug auf den beabsichtigten Waffengang im Irak zeigen. Ein Regimewechsel dort könnte das weltlich orientierte Regime Husseins durch ein neues stärker islamisch religiös ausgerichtetes ersetzen. Dazu paßt auch der in den Fernsehnachrichten präsentierte Umstand, daß mitten in den Kriegsvorbereitungen der USA gegen den Irak ein Video auftaucht, in dem Osama Bin Laden Verbindungen zwischen dem Irak und Al-Kaida herstellt. Soweit das Video nicht gefälscht ist, um die US-Strategie zu untermauern, wäre dies ein wichtiges Indiz, um nachzuweisen, daß die These von Scholl-Latour zutrifft.

Das Neue am 11. September 2001 ist, es handelte erstmals ein gesellschaftlicher Akteur mit einem hohen Gewaltpotential im internationalen System.[11] Die Tat selbst ist eindeutig in die Kategorie des politischen Terrorismus einzuordnen. Terrorismus liegt immer dann vor, wenn gesellschaftliche Akteure direkte physische Gewalt gegen andere gesellschaftliche Akteure oder Angehörige des politischen Systems ausüben.[12] Czempiel meint, dazu gehöre, sie dürften dies nicht mit einem politischen Programm begründen. Ob eine so klare Scheidung wirklich möglich ist, bleibt jedoch zu hinterfragen. Hat Czempiel recht, wären die palästinensischen Anschläge keine terroristische Aktivität zum Beispiel. Insofern müßten weitere Kriterien gefunden werden, um politischen Widerstand und Terrorismus besser voneinander zu scheiden, da die Übergänge sehr fließend sind. Ein wichtiger Punkt ist auch, Terrorismus wird immer von kleinen Gruppen verübt.

[...]


[1] Klaus H. Grabowski; Der 11. September und der öffentliche Diskurs, in: Felicitas von Aretin, Bernd Wannenmacher (Hrsg.); Weltlage. Der 11. September, die Politik und die Kulturen, Opladen, 2002, S.206

[2] Arundhati Roy; Freiheit für die einen ist Sklaverei für die anderen, in: Peter Scholl-Latour, Arundhati Roy, Franz Alt u.a.; Die Tragödie des Westens. Beiträge und Interviews nach dem 11. September 2001, Berlin, 2001, S.95

[3] Franz Alt; Krieg um Öl oder Frieden durch die Sonne, München, 2002, S.19

[4] Udo Steinbach; Islamischer Terrorismus, Internationale Politik, 3/2002

[5] Amr Hamazawy; Die Angst vor der Globalisierung, in: Felicitas von Aretin, Bernd Wannenmacher (Hrsg.); Weltlage. Der 11. September, die Politik und die Kulturen, Opladen, 2002, S.97

[6] Arundhati Roy; Freiheit für die einen ist Sklaverei für die anderen, in: Peter Scholl-Latour, Arundhati Roy, Franz Alt u.a.; Die Tragödie des Westens. Beiträge und Interviews nach dem 11. September 2001, Berlin, 2001, S.101

[7] Ernst-Otto Czempiel; Weltpolitik im Umbruch. Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen, München, 2002, S.42

[8] Arundhati Roy; Freiheit für die einen ist Sklaverei für die anderen, in: Peter Scholl-Latour, Arundhati Roy, Franz Alt u.a.; Die Tragödie des Westens. Beiträge und Interviews nach dem 11. September 2001, Berlin, 2001, S.97

[9] Robert Fisk; Es ist sehr einfach, einen Krieg zu beginnen... es ist eine ganz andere Sache, ihn zu beenden, in: Wolfgang Haug (Hrsg.); Angriff auf die Freiheit? Hintergründe, Analysen, Positionen. Die Anschläge in den USA und die „Neue Weltordnung“, Grafenau, 2001, S.86

[10] Peter Scholl-Latour; Freiheit für die einen ist Sklaverei für die anderen, in:, Arundhati Roy, Franz Alt u.a.; Die Tragödie des Westens. Beiträge und Interviews nach dem 11. September 2001, Berlin, 2001, S.56

[11] Ernst-Otto Czempiel; Weltpolitik im Umbruch. Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen, München, 2002, S.57

[12] Ernst-Otto Czempiel; Weltpolitik im Umbruch. Die Pax Americana, der Terrorismus und die Zukunft der internationalen Beziehungen, München, 2002, S.45

Ende der Leseprobe aus 24 Seiten

Details

Titel
Der Anschlag vom 11. September 2001
Hochschule
Freie Universität Berlin  (OSI)
Veranstaltung
Perspektiven nichtmilitarisierter Gesellschaften nach dem 11. September
Note
2,0
Autor
Jahr
2003
Seiten
24
Katalognummer
V19216
ISBN (eBook)
9783638233958
Dateigröße
457 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Thema der Arbeit: Der Anschlag vom 11. September 2001 und seine militärischen Nachwirkungen Homepage des Autors: www.umweltdebatte.de
Schlagworte
Anschlag, September, Perspektiven, Gesellschaften, September
Arbeit zitieren
Marko Ferst (Autor:in), 2003, Der Anschlag vom 11. September 2001, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19216

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