Bulgakovs „Sobač’e serdce“ auf der Leinwand

Eine Verfilmung von Vladimir Bortko


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

30 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1.Einleitung

2.Literaturverfilmung allgemein
2.1. Formen der Literaturverfilmung
2.1.1. Transposition
2.1.2. Adaption
2.1.3. Transformation
2.1.4. Transfiguration
2.2. Ekranizatcija - Literaturadaptionen in der Sowjetunion

3. Die Erzählung „Sobač`e serdce“ von Michail Bulgakov
3.1. Michail Bulgakov
3.2.“Sobač`e serdce“

4. Analyse des Films „Sobač`e serdce“ von Vladimir Bortko
4.1. Filmographie
4.2. Analyse des Narrativen
4.2.1. Erzählen und Darstellen
4.2.2. Montage und Schnitt
4.3. Analyse des Visuellen
4.3.1. Figuren
4.3.1.1. Šarikov
4.3.1.2. Preobraženskij
4.3.1.3. Bormental’
4.3.2. Orte des Geschehens
4.3.3. Kameraperspektive
4.3.5. Beleuchtung
4.4. Analyse des Auditiven
4.4.1. Monologe und Dialoge
4.4.2. Ton und Musik

5. Schlussbemerkung

6. Bibliographie
6.1. Primärliteratur
6.2. Filmnachweis
6.3. Sekundärliteratur
6.4. Internet
6.5. Abbildungsnachweis

7. Anhang
7.1. Filmprotokoll

1.Einleitung

Der häufig gestellte Vergleich zwischen Verfilmung und Literaturvorlage beruht wohl sehr stark in der Natur des Rezipienten. Denn hier äußert sich das menschliche Bedürfnis die Eindrücke, welche ein Buch hinterlässt, mit anderen zu teilen bzw. über andere Eindrücke zu erfahren. Die Literaturkritik kann eine Arena für diesen Austausch bilden. Doch eine Literaturadaption ist viel mehr als eine Kritik, sie ist auch immer eine produktive Rezeption und somit Interpretation des Stoffes. Sie transferiert den Stoff aus einem Medium in ein anderes und da eine Übertragung 1:1 bei verschiedenen Medien unmöglich ist, unterliegt eine Verfilmung nicht nur bestimmten Regeln der Transformation, sondern auch der Rezeption ihrer Produzenten.

Literarische Werke von Michail Bulgakov sind bereits seit den 1970er Jahren in der Sowjetunion mehrfach verfilmt worden (unter anderem in „Beg“, „Ivan Vasil’evič menjaet professiju“, „Dni Turbinych“). Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion wurden weitere Teile Bulgakovs Werk (z.B. Master i Margarita) filmisch umgesetzt.

Seine bekanntesten Bücher Master i Margarita und Sobač`e serdce sind aber erst mehrere Jahrzehnte nach seinem Tod in der Sowjetunion publiziert worden. Die Erzählung Sobač`e serdce diente, soweit bekannt, zweimal als Vorlage für einen Film. Es entstanden die deutsch-italienische Produktion „Cuore di cane“ (1975) unter der Regie von Alberto Lattuada und eine sowjetische Verfilmung durch Vladimir Bortko.

Gegendstand der folgenden Analyse ist die filmische Umsetzung Vladimir Bortkos „Sobač`e serdce“.

2. Literaturverfilmung allgemein

Das Phänomen der Literaturverfilmung oder Literaturadaption ist fast genauso alt wie der Film selbst. Bereits 1896, kurz nach der Erfindung des Kinematographen, nutze Louis Lumière Goethes Faust für eine Verfilmung. Das noch junge Kino bediente sich in dieser Zeit sehr häufig der Literatur als Stofflieferant. So stellten Literaturadaptionen in den ersten Jahren einen Großteil der filmischen Produktion dar.

Zuerst wurden nur Ausschnitte aus Werken auf die Leinwand gebracht, denen später komplette Adaptionen folgten, wobei manchmal ein Film auch bis zu acht Stunden dauern konnte. Eine gewisse „Werkstreue“ war für das Publikum besonders wichtig. Gingen doch die meisten Zuschauer zum Vergleich der beiden Kunstformen in die Kinos.

Mit der Zeit wandelte sich auch hier das Bild und die Literaturverfilmung löste sich teilweise von der Bebilderung der Texte und nutzte sie zunehmend nur als Inspiration (Gollub 1984: 20ff). Vor allem mit der Einführung des Tonfilms bewegte sich die Literaturadaption hin zu einer Literaturinterpretation in Bildern. Der Literaturstoff wurde immer freier interpretiert und abgewandelt.

Diese Art der Interpretation löste aber auch lautstarke Kritik aus. Nicht selten wird in diesen Fällen der Begriff „verfilmen“ mit „verwursten“ gleichgestellt (Kleber 2002: 19). Die Kritiker übersehen dabei, dass es sich hier um zwei unterschiedliche Medien handelt und beide nach unterschiedlichen Zeichenmustern funktionieren. Wenn die Literatur durch das Signifikantensystem Sprache auf eine außersprachliche Signifikate verweist, so ist es beim Film eine Kombination von Zeichensystemen. An erster Stelle steht hier die Bildsprache gefolgt von der gesprochenen Sprache (Neuhaus 2008: 11).
„Die Umsetzung einer Buchvorlage, der literarischen Vorlage im engeren Sinn, in ein visuell-kinetisches Medium bedarf der Zwischenformulierungen, die selbst wiederum als Kunstwerke verstanden werden können.“ (Schanze 1996: 75)

Erwähnung in der Filmwissenschaft finden Literaturverfilmungen nicht selten nur dann, wenn ihr Autor zur „Weltliteratur“ gezählt wird und sie sich deshalb für Werbezwecke gut vermarkten lassen Dies hat häufig Synergieeffekte, die sich dadurch äußern, dass die Verkaufszahlen der Literaturvorlage deutliche Sprünge nach oben machen.

In der Filmwissenschaft haben sich verschiedene Begriffe für Literaturverfilmungsformen entwickelt. Diese sollen hier aber nur kurz vorgestellt werden.

2.1. Formen der Literaturverfilmung

2.1.1. Transposition

Bei der Transposition beschränkt man sich auf zwei Grundverfahren: selektive Dramatisierung und selektive Perspektivierung. Dies bedeutet, dass aus einem Werk nur Textpassagen entnommen und umgesetzt werden. Sie werden, wenn nötig dialogisiert und aus einer bestimmten Perspektive präsentiert. Es handelt sich häufig um Studio-Produktionen mit definierten Kamerastandorten oder gar um reine Übertragungen aus dem Theater. Eine Bearbeitung findet in den seltensten Fällen statt, so dass das endgültige Produkt bereits mit der Aufnahme feststeht (Schanze 1996: 86).

2.1.2. Adaption

Die Adaption ist im Vergleich zur Transposition ein ausgearbeitetes Konzept. Das auffälligste Merkmal ist die Werktreue. Dialoge und Perspektiven werden von der Literaturebene auf die filmische Ebene übertragen. Schanze nennt hierfür als Beispiele das Erzählkino und den „anspruchsvollen Literaturfilm“ (Schanze 1996: 87).

2.1.3. Transformation

Man betrachtet den Film als ein vom Buch autonomes Zeichensystem, bei dem die Vorlage auf ihren konzeptionellen Kern reduziert wird. Wenn in der Adaption der Text als unantastbar gilt, so bildet er in der Transformation nur einen Teil des visuellen-kinetischen Systems (Schanze 1996: 87). Das Episieren wird mit einer eigenständigen und unwiederholbaren Symbolisierung unterstrichen.

2.1.4. Transfiguration

In der Transfiguration sind die literarischen Vorlagen, wenn dann nur vage erkennbar. Sie bedient sich der Literatur als allgemeines Inspirationsmittel, indem sie z.B. Figuren und Stoffe der Weltliteratur einer Metamorphose unterzieht und sie in teilweise neue Kontexte einbringt. Sie ist dem „eigenständigen Film“ am nächsten (Schanze 1996: 88).

2.2. Ėkranizacija - Literaturadaptionen in der Sowjetunion

Die russische Filmgeschichte ist eng verbunden mit der Literaturadaption. Viele frühe russische Filme basierten auf der Literatur des 19. Jahrhunderts (Hutchings/Vernitski 2005: 12). So fiel das Aufblühen des Kinos mit dem Aufblühen des Nationalstolzes zusammen. Hierzu verfilmte man gerne bekannte Klassiker von Dostojewskij, Lermontov, Gogol’ und anderen. Mit der Revolution zog auch der Bolschewismus in die Literaturadaptionen ein. Verfilmungen wurden dahingestaltet, dass sie den Vorstellungen der Bolschewiki entsprachen. Zahlreiche Literaturwerke wurden in dieser Zeit im Kino derart umgedeutet, dass sie die Sichtweise und das Agieren des stalinistischen Regimes legitimierten (Hutchings/Vernitski 2005: 14f). Besonders aus Werken des 19. Jahrhunderts wurde nach Aussage von Hutchings und Vernitski alles mit großer Genauigkeit beleuchtet, was auch nur dem Anschein nach zarenkritisch war. Gerne wurden zu runden Jubiläen bestimmter Schriftsteller zahlreiches Literaturmaterial verfilmt, wie zum Beispiel 1941 zum hundertsten Todestag von Michail Lermontov die „Maskarade“ (Engel 1999: 85). Erwähnenswert ist auch die „Gor’kij-Triologie“ von Mark Donskoj aus den Jahren 1938-40, nach dem gleichnamigen Romanzyklus des Autors (Engel 1999: 86f).

In den 1940er ging die Kanonisierung der so genannten „korrekten Texte“, also Texte, die den sozialistischen Realismus widerspiegelten und verherrlichten, weiter. Die Notwendigkeit, die Sowjetbürger unter dem Sowjetpatriotismus zu vereinen, um gegen den Faschismus anzukämpfen, ließ auch zunehmend russische Folklore und sogar individuellen Heroismus zu.

Mit dem Tod Stalins setzte nicht nur politisches, sondern auch ein filmisches Tauwetter ein. Der literarische Kanon wurde umgeformt bzw. neu interpretiert und schlug sich daher auch in den verfilmten Werken nieder. Man entdeckte wieder komplizierte und uneindeutige Charaktere der klassischen Literatur von Dostojewskij, Cervantes, Shakespeare, Tolstoj, Čechov unter anderem für das Kino (Engel 1999: 141).

Nach dem Sturz Chruschtschows ebbte aber die Welle der Verfilmungen nicht ab, sondern erlebte sogar fast einen neuen Anschub. Gerade während Breschnews Amtszeit entstanden als Gegenpart zum verstärkten Einfluss westlicher Massenkultur zahlreiche Adaptionen russischer Klassiker. Um dennoch die große Neugier nach westlicher Kultur zu befriedigen bediente man sich z.B. Figuren von Mark Twain, Arthur Conan Doyle, J.K. Jerome u.a. (vgl. Hutchings/Vernitski 2005: 19). Diese wurden besonders in Fernsehfilmen umgesetzt.

In den frühen 1980er änderte sich bei den Literaturverfilmungen wenig. Erst Ende des Jahrzehnts bediente man sich zunehmend tabuisierter Themen wie Kriminalität, Sex und unsoziales Verhalten (vgl. Hutchings/Vernitski 2005: 20).

Erneut kam der Ėkranizacija die Aufgabe zu, den Literaturkanon an die jeweiligen politischen Realitäten anzupassen. Gerade in diese Zeit fällt auch die filmische Umsetzung der sowjetsatirischen Erzählung „Sobač`e serdce“ von Michail Bulgakov.

3. Die Erzählung „Sobač`e serdce“ von Michail Bulgakov

3.1. Michail Bulgakov

Der 1891 in Kiew geborene Michail Afanas’evič Bulgakov begann im Jahre 1909 sein Medizinstudium an der Kiewer Universität. Zwei Jahre zuvor verstarb sein Vater Afanassij Bulgakov, der Professor an der Kiewer Geistlichen Akademie gewesen war. Nach dem Abschluss seines Studiums arbeitete er zunächst als Landarzt und unter anderem auch in der Weißen Garde, wohin er 1919 als Militärarzt einberufen wurde.

Schon während dieser turbulenten und vom Krieg gezeichneten Zeit begann Bulgakov seine journalistische und literarische Tätigkeit. 1921 zog er mit seiner ersten Frau Tatjana nach Moskau, um sich dort ganz seiner literarischen Arbeit zu widmen. In der ersten Zeit in Moskau veröffentlicht er zahlreiche Reportagen, Theaterstücke, Erzählungen und Romane u.a.: Die Weiße Garde (1923-1924), Die verhängnisvollen Eier (1925), Die Teufeliade (1924).

Schon früh setzten die staatlichen Repressalien gegen den Schriftsteller ein. Zahlreiche seiner alltagskritischen Werke durfte er weder veröffentlichen noch aufführen, genauso war ihm die Ausreise ins Ausland verwährt. Besonders durch seine Erzählung Hundeherz (1925), die erst gar nicht veröffentlicht wurde, geriet Bulgakov in Misskredit. Zahlreiche Bitten und Bemühungen an Stalin und andere Machthaber, ihm endlich eine Arbeitsstelle zu geben oder ihn aus der Sowjetunion ausreisen zu lassen, scheiterten. Im April 1930 wurde er persönlich von Stalin angerufen, der ihm eine Stelle als Regisseur im Moskauer Chudožestvenyj Teatr zusicherte. Doch auch diese Arbeit brachte Bulgakov nicht die nötige Befriedigung. Zunehmend geschwächt verfiel er in Depressionen.

Das wohl bekannteste Werk des Schriftstellers „Der Meister und Margarita“ entstand zwischen den Jahren 1930 und 1940. Bulgakov hat es mehrmals umgeschrieben und zwischenzeitlich sogar verbrannt. Trotzdem schaffte er es nicht, schwer erkrankt, den Roman vor seinem Tode im März 1940 komplett zu überarbeiten, wie er es ursprünglich vorhatte.

[...]

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Details

Titel
Bulgakovs „Sobač’e serdce“ auf der Leinwand
Untertitel
Eine Verfilmung von Vladimir Bortko
Hochschule
Universität Potsdam  (Institut für Slavistik)
Veranstaltung
Hauptseminar: Die Ästhetik des Phantastischen in Michail Bulgakovs Prosa
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
30
Katalognummer
V191914
ISBN (eBook)
9783656175919
Dateigröße
1107 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Bulgakov, Bulgakow, Hundeherz, russische Verfilmung, Sowjetische Literatur, Sobač’e serdce, Filmanalyse, Vladimir Bortko, Transposition, Adaption, Transformation, Transfiguration, Literaturadaptionen in der Sowjetunion
Arbeit zitieren
Johann Strese (Autor:in), 2010, Bulgakovs „Sobač’e serdce“ auf der Leinwand , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191914

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