Das östliche Hinterpommern und seine wirtschaftliche Entwicklung nach 1945


Wissenschaftliche Studie, 2002

165 Seiten


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Vorwort

I. Einführung
I.1. der Begriff "östlicher Teil Hinterpommerns",
I.2. der Begriff der wirtschaftlichen Entwicklungen,
I.3. der Begriff der zeitlichen Begrenzung,
I.4. Zielstellung

II. Ausgewählte äußerliche Einflüsse auf die Wirtschaft Ostpommerns
II.1. Die Zugehörigkeit Ostpommerns zu polnischenVerwaltungseinheiten,
II.2. Die Wirtschaftssysteme der Nachkriegszeit in Polen und ihr Einfluß auf die Wirtschaft Ostpommerns,

III. Ostpommern in den ersten Nachkriegsjahren (1945-1949)
III.1. Die Bestandaufnahme,
III.2. Die Verhinderung weiterer Verluste,
III.3. Die Wiederaufnahme des Wirtschaftslebens.

IV. Entwicklungsprobleme der Landwirtschaft Ostpommerns
IV.1. Probleme der Neubesiedlung in den Landgemeinden,
IV.2. Die Neuordnung der Landwirtschaft,
IV.3. Der Übergang zur Marktwirtschaft und seine Konsequenzen für die Landwirtschaft

V. Die Forstwirtschaft

VI. Die Fischerei.
VI.1. Die Binnenfischerei,
VI.2. Die Küstenfischerei,
VI.3. Die Hochseefischerei

VII. Der Industrialisierungsprozeß in Ostpommern (1950-1975)
VII.1. Einführung,
VII.2. Die Methoden des Industrialisierungsprozesses,
VII.3. Die Lebensmittelindustrie,
VII.4. Die anderen Industriezweige,
VII.5. Die Industrie Ostpommerns nach 1975

VIII. Das Handwerk

IX. Das Bauwesen

X. Veränderungen im Verkehrswesen Ostpommerns
X.1. Die Richtungsveränderungen der Hauptwirtschaftswege,
X.2. Wesentliche Veränderungen in den Hauptverkehrszweigen,

XI. Probleme der städtischen Entwicklung Ostpommerns

XII. Zusammenfassung
XII.1. Die Beurteilung der wirtschaftlichen Entwicklung Ostpommerns unter den verschiedensten Wirtschaftssystemen der Nachkriegszeit,
XII.2. Perspektiven der zukünftigen, wirtschaftlichen, Entwicklung Ostpommerns.

XIII. Beilagen:
A. Aufstellung der im Text angeführten Ausdrücke und Abkürzungen in polnischer Sprache,
B. Aufstellung der im Text zitierten Literatur,
C. Aufstellung der angeführten Ortsnamen in Deutsch und Polnisch,
D. Tabellen, Karten

Vorwort

Die vorliegende Abhandlung ist Teil eines größeren Vorhabens, das die Wirtschaftsgeschichte des östlichen Hinterpommerns von der Urzeit bis in die Gegenwart behandeln wird. Um eine aktuelle Informationslńcke zu schließen, entschloß ich mich, den Text über die wirtschaftliche Entwicklung im östlichen Hinterpommern nach 1945 als ersten Teil dieses Vorhabens zu vollenden. Ein Auszug aus diesem Teil wurde im Sammelband „ Pommern zwischen Zäsur und Kontinuität“ von B. Becker und K.T. Inachin im T. Helms Verlag, Schwerin, 1999, veröffentlicht. Dies war mir nur möglich durch freundliche Hilfe der Ernst Moritz Arndt Universität in Greifswald, insbesondere seitens Prof. Dr. Werner Buchholz vom Historischem Institut, dem mein besonderer Dank gilt.

Dr. Wincenty Raczkowski

Tymień/ Timmenhagen im Juli 1999

I. Einführung

Jede Abhandlung bedingt ihre räumliche, zeitliche und thematische Begrenzung.

In diesem Falle bezieht sich die

- räumliche auf den östlichen Teil von Hinterpommern,
- die thematische auf die wirtschaftliche Entwicklung in dieser Region und
- die zeitliche auf den Zeitraum von März 1945 bis in die Gegenwart.

Außerdem sollte ihre Zielstellung klar umrissen werden.

I.1. Der Begriff "östlicher Teil von Hinterpommern"

Gegenstand der Abhandlung ist ein Teil jener Kulturlandschaft, die, zwischen Rügen und Leba gelegen, als Pommern bezeichnet wird. Die Oder teilt dieses Gebiet in Vor- und Hinterpommern. [1] Hinterpommern teilte sich vor 1945 verwaltungsgemäß in die Regierungsbezirke Stettin und Köslin auf. Diese Abhandlung bezieht sich auf das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirkes Köslin in seinen Grenzen nach dem Stande Oktober 1938 und bemüht sich, die wirtschaftliche Entwicklung auf diesem Gebiete nach 1945 darzustellen.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Um jedoch die Umschreibung "östlicher Teil von Hinterpommern" im Text zu vermeiden, wurde als gewisser Arbeitsbegriff die Formulierung "Ostpommern" angewandt, unter der stets das Gebiet des ehemaligen Regierungsbezirks Köslin verstanden werden sollte. Die Bezeichnung "Ostpommern" wird hier nicht in jenem geo-politischem Sinne gebraucht wie sie zur NS-Zeit angewandt wurde sondern in demselben Sinne wie sie von M. Wehrmann angewendet wurde, der Hinterpommern in Mittel- und Ostpommern (östlich der Persante) aufgeteilt sah. [5]

Warum habe ich Ostpommern zum Gegenstand dieser Abhandlung gemacht, und nicht Hinterpommern? Weil Hinterpommern u.a. die Stadt Stettin und ihren Einzugsbereich umfaßt. In der bisherigen wirtschaftlichen Entwicklung Pommerns besaß Stettin immer eine außergewöhnliche Bedeutung und vereinigte auf sich den Großteil des wirtschaftlichen Potentials Pommerns überhaupt. Die Problematik Stettins würde in einer Abhandlung über Hinterpommern absoluten Vorrang haben. Aber in einiger Entfernung von Stettin nehmen seine "Anzugskräfte" ab, und es verbleibt die wirtschaftliche Eigenständigkeit jener, peripheren gegenüber Stettin, Gebiete, die sich in ihrer, überwiegend agrarischen Struktur widerspiegelt und die ich als Ostpommern bezeichne. Ostpommern entwickelt sich wirtschaftlich seit Jahrhunderten im "Schatten" dreier Agglomerationen, nämlich Stettin, Danzig und Posen.

Es ist wie ein "Fluch" für Ostpommern, daß es gegen die Anziehungskraft jener natürlichen Ballungsgebiete nie aufkam, nicht aufkommt und wahrscheinlich nie aufkommen wird. Und darum habe ich als Gegenstand meiner Untersuchungen Ostpommern gewählt: die Region , die mit sich selber fertig werden muß.

Seit Ostpommern 1945 in das polnische Staatsgebiet übernommen und in seine Verwaltungsgebiete eingegliedert wurde, heißt Pommern - Pomorze, Hinterpommern - Pomorze Zachodnie und Ostpommern - Pomorze Srodkowe.

Nach 1945 wurden die ehemaligen deutschen Gebiete, die an Polen fielen, in Wojewodschaften aufgeteilt. Die ehemaligen Kreise Ostpommerns wurden zwar einbehalten, wechselten jedoch, des öfteren ihre Zugehörigkeit zu verschiedenen Wojewodschaften.

Alle Ortsnamen und geografischen Bezeichnungen wurden 1945 ins polnische geändert: [2]

- manchmal wurde die deutsche Bezeichnung wörtlich ins Polnische übernommen wie z.B. Kujan-Kujan, Bonin-Bonin, Rega-Rega,
- öfters wurden phonetisch beinahe identische Bezeichnungen eingeführt wie z.B. Bütow-Bytów, Zetthun-Cetuü, Zanow-Sianów,
- seltener waren Namensänderungen, die phonetisch anders klangen, aber den Sinn der Bezeichnung wiedergaben wie z.B. Neustettin-Szczecinek, Bauernhufen-Chłopy,
- wo es nur irgend Ansätze dafür gab, kehrte man zu den historisch belegten polnischen Ortsnamen zurück, wie z.B. Człuchów-Schlochau-Człuchów, Bobolice-Bublitz-Bobolice, Kołobrzeg-Kolberg-Kołobrzeg.

Im Text werden alle Orts- und geographischen Bezeichnungen, soweit sie eine deutsche Bezeichnung hatten, in der deutschen Sprache angeführt. [3] Im Anhang befindet sich eine Aufstellung dieser Bezeichnungen in deutsch und polnisch.

I.2. Der Begriff der wirtschaftlichen Entwicklung

Als wirtschaftliche Entwicklung im Sinne dieser Abhandlung versteht man den zeitlichen Ablauf von menschlichen Aktivitäten, deren Ziel es ist, materielle Werte und Dienstleistungen herzustellen. Die Ergebnisse dieser Aktivitäten sind mit dem Brutto Inland Produkt gleichzusetzen. Daraus ergibt sich der Umfang jener Wirtschaftsbereiche, die mit dem Begriff der wirtschaftlichen Entwicklung zusammenhängen:

- die Land- und Forstwirtschaft,
- die Industrie und das Handwerk,
- das Fischereiwesen,
- das Transportwesen,
- das Bauwesen,
- die technischen, städtischen Infrastrukturen (z.B. Wasser- und Gasversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung).

In diesem Sinne muß auch die wirtschaftliche Entwicklung eines Gebietes nicht immer, und nicht ausschließlich, als eine positive Bewegung vestanden werden. Der zeitliche Verlauf kann durchaus fortschrittliche, stagnierende und rückgängige Aspekte aufweisen. Die wirtschaftliche Entwicklung ist im allgemeinen keine aufwärtsgerichtete Gerade, sondern eher das Abbild einer Fiebertabelle.

I.3. Der Begriff der zeitlichen Begrenzung

Wirtschaftliche Aktivitäten in einer begrenzten Region erfolgen im Zeitablauf. Der Zeitraum März 1945 - 1995 wurde aus folgenden Erwägungen gewählt:

1) die Festlegung des Beginns des ausgewählten Zeitraums auf März 1945 erfolgte auf Grund der Tatsache, daß ab diesem Datum Ostpommern formell in das polnische Staatsgebiet einbezogen wurde. [4]
2) der ausgewählte Zeitraum endet mit dem Jahre 1995, weil damit 50 Jahre nach Kriegsende vergangen sind.
3) maßgebende Veränderungen in Wirtschaftsbereichen lassen sich erst in längeren Zeiträumen feststellen und belegen. Aus dieser Sicht ist der Zeitraum von 50 Jahren eher ein Minimum an Zeitablauf.

I.4. Zielsetzung

Diese Abhandlung ist ein Versuch der Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Ostpommerns als Teil des polnischen Staates nach 1945 bis in die Gegenwart.

Die wirtschaftliche Entwicklung Ostpommerns vor 1945 , und besonders vor 1939, ist bisher in der deutschsprachigen Fachliteratur vielseitig analysiert und beschrieben worden. Der Zeitraum nach 1945 ist jedoch in der Fachliteratur in nur sehr begrenztem Ausmaße der wirtschaftlichen Entwicklung Pommerns gewidmet, wobei ostpommersche Probleme nur in Bruchstücken Darstellung fanden, und das aus folgenden Gründen:

- zum ersten ist es die sprachliche Barriere die den Zugang zu polnischen Quellen und ihre Verwertung erschwert,
- zweitens betreffen statistische Angaben überwiegend Hinterpommern als solches und erlauben selten den Einblick in kleinere Verwaltungseinheiten (Wojewodschaften, Kreise),
- drittens war in der ehemaligen DDR eine wissenschaftliche Beschäftigung schon allein mit dem Begriff "Pommern" verpönt,
- und letztens war auch vor der Wende in Deutschland selbst das Interesse nach dem "verlorenem" Pommern ziemlich gering. Erst als nach der Wende, in immer größerem Umfange, ehemalige vertriebene Pommern Heimatbesuche machten und sich bei dieser Gelegenheit persönlich davon überzeugen konnten, daß Pommern beileib nach 1945 nicht "abgebrannt" war, wuchs das Interesse nicht nur für die nachkriegliche Vergangenheit, sondern auch für die potentiellen Entwicklungsmöglichkeiten nicht nur Pommerns überhaupt, sondern auch insbesondere Ostpommerns.

Was soll diese Arbeit sein? Ein Handbuch über die wirtschaftliche Entwicklung Ostpommerns, das außer den wichtigsten Kennziffern, auch die Hintergründe dafür angibt, warum sie sich so, und nicht anders, gestaltete. Es soll :

- weder eine Geschichte Ostpommerns über die letzten 50 Jahren sein,
- noch ein Adressenbuch, in dem alle Unternehmen zu finden sind, die nach Kriegsende in Ostpommern bestanden,
- aber auch keine Heimatchronik.

Vielleicht könnte sie Wege weisen, die wirtschaftliche Entwicklung anderer, ehemals deutscher Gebiete Polens nach dem Kriege darzustellen.

Ziel der Abhandlung ist es allen an Ostpommern Interessierten, Vertriebenen und ihren Nachkommen, Mitgliedern der Landsmanschaft Pommern und vor allem Geschäftsleuten, die sich in Ostpommern wirtschaftlich betätigen wollen, einen Einblick zu gewähren, was in den letzten 50 Jahren dort geschah und aus welchen Gründen. Da es nur noch eine Frage der Zeit ist, bis Polen (mit Pommern und Ostpommern) zur Europäischen Gemeinschaft gehören wird, wäre es gut zu wissen, was auf uns zukommt. Diese Abhandlung vesteht sich auch als Beitrag zur gegenseitigen besseren Verständigung zwischen den ehemaligen und heutigen Bewohnern Ostpommerns und bemüht sich, eine Informationslücke auszufüllen.

[1] Fenske, H.: Die Verwaltung Pommerns 1815 -1945, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Pommern, Reihe V: Forschungen zur pommerschen Geschichte, Band 26, Böhlau Verlag, Köln 1993.

[2] Mazurkiewicz,M.: Zmiany w nazewnictwie miejscowości Pomorza Zachodniego po 1945 r. (cz.II, woj. koszalińskie) wraz z indeksem nazw przejściowych dla całego Pomorza Zachodniego, Stettin 1972 (Veränderungen in der Bennennung Hinterpommerscher Orte nach 1945 (Teil II, Wojewodschaft Köslin) mitsamt dem Index von zeitweiligen Namen fńr ganz Hinterpommern).

[3] gemäß Information des "Sekretariates der Ständigen Konferenz der Kultusminister der Länder der Bundesrepublik Deutschland" Aktenzeichen IV B - 1221-53 vom 26.6.1992.

[4] Uchwała Rady Ministrów z dnia 14 marca 1945 r. (Beschluß des polnischen Ministerates vom 14.März 1945).

[5] Wehrmann,M., Geschichte von Pommern, Wńrzburg 1919, Reprint 1982.

II. Ausgewählte äußerliche Einflüsse auf die Wirtschaft Ostpommerns

Die Wirtschaft einer Region im Rahmen des gesamten Staatsgebietes entwickelt sich unter dem Einfluß äußerlicher und innerlicher Entscheidungen. Zu den äußerlichen Entscheidungen, die Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung Ostpommerns nach dem Kriege im Rahmen des polnischen Staatsgebietes hatten, gehören u.a.:

- die wechselnde Zugehörigkeit zu den größeren Verwaltungseinheiten,
- die verschiedenen Wirtschaftssysteme, unter denen die wirtschaftliche Entwicklung erfolgte.

Diese äußerlichen, also von der Wirtschaft vor Ort unabhängigen Entscheidungen hatten sowohl negative wie auch positive Einflüsse. Im folgenden sollen diese äußerlichen Einflüsse näher besprochen werden.

II.1. Die Zugehörigkeit Ostpommerns zu polnischen Verwaltungseinheiten

Der Kampf um Ostpommern begann Anfang Januar 1945 mit der Einnahme Flatows und endete am 18. März mit dem Fall von Kolberg. [1]

Am 14. März 1945 wurden die ehemaligen deutschen Ostgebiete durch Beschluß des polnischen Ministerrates in das polnische Verwaltungswesen eingegliedert. Hinterpommern bildete den III. Okręg Pomorze Zachodnie (III. Bezirk Hinterpommern) der sich in obwody aufteilte. Im Gegensatz zu den , in Polen üblichen, Bezeichnungen für Kreise (powiat) wurde hier die Bezeichnung "obwód" etwa "Distrikt" angewandt und statt der Bezeichnung "województwo" benutzte man den Begriff "okręg", also Bezirk. Diese Abweichungen sollten die anderen Kompetenzen von Kreis- und Bezirksvorsteher, als allgemein in Polen üblich, unterstreichen. [2] Danach wurden am 17. März die polnischen Truppeneinheiten angewiesen, provisorische Verwaltungseinheiten hinter der Frontlinie zu bilden. [3] Zu jener Zeit gehörten alle Kreise Ostpommerns zum III. Verwaltungsbezirk "Okręg III Pomorze Zachodnie", der das ehemalige Hinterpommern im Ganzen umfaßte. [4]

Von der Zentralverwaltung wurden sog. Einsatzgruppen in die neuen Gebiete entsandt, die die eigentlichen Verwaltungsbehörden schaffen sollten. Die erste solcher Gruppen reiste am 18.4.45 nach Ostpommern an, und bis zum 9.5.45 waren in allen ehemaligen Kreisen Ostpommerns solche Gruppen tätig. [5] Als vorläufige Vertreter der polnischen Verwaltung sollten sie kontinuierlich Orte und wirtschaftliche Unternehmen von den jeweiligen sowjetischen Ortskommandanten übernehmen und durch Polen verwalten lassen. Die Übergabe der einzelnen Ortschaften durch die sowjetischen Besatzungstruppen an Vertreter der polnischen Verwaltung zog sich jedoch in die Länge, und bis Juli 1945 wurden nur 40 Orte von über 300 übernommen. [1]

Am 7. Juli 1945 wurde Ostpommern durch Anordnung des Regierungsbeauftragten für den Bezirk Pomorze Zachodnie in neue Verwaltungsgebiete eingeteilt: [5] (siehe Karte 1)

- die Kreise Bütow, Rummelsburg, Schlawe und Stolp fielen zum Bezirk Danzig,
- die Kreise Flatow und Schlochau wurden zur Wojewodschaft Pomorze mit Sitz in Bromberg
überwiesen,
- alle anderen Kreise verblieben im Bezirk Pomorze Zachodnie, der seien Sitz nacheinander in Schneidemühl, Stargard, Köslin (vom 25.5.45 bis 17.2.46) und endlich in Stettin hatte.

Am 29. Mai 1946 wurde die Województwo Szczecin einberufen und von da an wurden die Begriffe "Okręg" und "obwód" nicht mehr angewendet. So wie in ganz Polen war nun wieder die Rede von Województwo und powiat. Ganz Ostpommern wurde einheitlich (mit Lauenburg, Bütow, Stolp, Rummelsburg, Schlochau und Flatow) der Wojewodschaft Stettin zugeordnet. [6].

Im Juni 1950 wurde im Rahmen einer Verwaltungsreform in ganz Polen die selbständige Wojewodschaft Köslin einberufen. [7], {Karte 2} Zu jener Zeit war der Gebietsumfang der einzelnen Kreise weitgehend identisch wie zur Vorkriegszeit. /Tab. 1/ Die einzige Änderung bestand darin, daß der ehemalige Stadtkreis Kolberg und Landkreis Kolberg/Körlin in einen einheitlichen Landkreis Kolberg zusammengelegt wurden. Am 1.10.1954 wurde aus Gebietsteilen der bisherigen Kreise Belgard und Kolberg der neue Kreis Schievelbein einberufen. [8] Bis 1954 bestanden in den einzelnen Kreisen 121 Gemeinden, die nun in 282 kleinere Verwaltungseinheiten, gromady = Dorfgemeinschaften, aufgeteilt wurden. Da diese Verwaltungseinheiten wirtschaftlich viel zu schwach waren, um gemeinsame Lokalprobleme zu lösen, wurde ihre Anzahl kontinuierlich zwischen 1955 bis 1958 auf letztlich 120 begrenzt. [4] Am 1.1.1973 wurden im Rahmen einer weiteren Verwaltungsreform [9] die bisherigen 120 Dorfgemeinschaften durch 89 Gemeinden ersetzt, was mit etlichen Veränderungen verbunden war, die den Gebietsumfang der einzelnen Kreise (außer den mit der Erstellung des Kreises Schievelbein verbundenen) betrafen: /Tab. 4/

- um mehr als 100 km2 vergrößerten sich die Kreise Bütow, Köslin Land, Rummelsburg, Dramburg und Flatow,
- um mehr als 100 km2 verkleinerten sich die Kreise Schlawe, Stolp Land, Schlochau und Deutsch-Krone.
- Das Gebiet der Wojewodschaft Köslin wurde im Rahmen einer weiterenVerwaltungsreform im Juni 1975 in drei Wojewodschaften aufgeteilt: [10], {Karte 3 }
- es enstand die selbständige Wojewodschaft Stolp mit den Kreisen Bütow, Schlochau, Rummelsburg, Lauenburg, Schlawe und Stolp,
- die bisherige Wojewodschaft Köslin behielt die Kreise Belgard, Schievelbein, Dramburg, Kolberg, Neustettin und Köslin,
- die Kreise Deutsch-Krone und Flatow wurden der neuen Wojewodschaft Schneidemühl zugeteilt.

Zum gleichen Zeitpunkt wurden die bisherigen Kreise als Verwaltungseinheiten abgeschafft. Als niedrigste Verwaltungseinheit blieben die Gemeinden bestehen.

Bei der Neueinteilung wurden: gravierende Fehler begangen so verblieb beispielsweise Rügenwalde in der Woj. Köslin, während Schlawe der Woj. Stolp zugeordnet wurde.

Jedoch nicht alle Verwaltungsaufgaben ließen sich auf Gemeinde- oder Wojewodschaftbasis lösen. Das zeigte sich besonders im Gerichts- und Postwesen, wie auch in den Tätigungsbereichen von Verkehrs- und Arbeitsämtern wie auch Versicherungsunternehmen. Filialen dieser Strukturen ließen sich im Laufe der Zeit in allen ehemaligen Kreisstädten nieder. Diese Tendenz wurde auch von der staatlichen Verwaltung letztlich anerkannt und durch die Berufung von sog. urzędy rejonowe = Gebietsämtern geregelt. Dies sind jedoch keine selbstständigen Kreisämter, sondern nur Niederlassungen der Wojewodschaftsverwaltung, und nur vor ihr sind sie verantwortlich. Diese Bezirksämter wurden in allen ehemaligen Kreisstädten lokalisiert und trugen dazu in gewissem Sinne bei, 1975 verlorene Verwaltungsfunktionen als städtische Entwicklungsfaktoren zu reaktivieren. In einzelnen Fällen entstanden auch Verwaltungseinheiten, die mehrere Wojewodschaften betreuen, wie z.B.:

- die AWRSP (Agencja Własności Rolnej Skarbu Paüstwa = Agentur für das landwirtschaftliche Eigentum des Fiskus), eine der Treuhand ähnlichen Verwaltungseinheit mit Sitz in Köslin, verwaltet ehemalige staatliche Güter in den beiden Wojewodschaften Köslin und Stolp.
- die Stromversorgung dieser beiden Wojewodschaften erfolgt über eine Zentrale mit Sitz in Stolp.

Der Wechsel der Verwaltungszugehörigkeit Ostpommerns hatte weitreichenden Einfluß auf das wirtschaftliche Leben dieser Region:

1. Im Zeitraum des Jahres 1945 lag die Verwaltung dieser Gebiete in gewissem Maße
2. ausschließlich in den Händen sowjetischer Ortskommandanten. Da bis zum Potsdammer Treffen die politische Zukunft Hinterpommerns ungewiß war (es gab ja Vorschläge, nach denen ganz Ostpommern zur SBZ gehören sollte) [11], (Karte 4 ) wurden alle wirtschaftlichen Anlagen und Kapazitäten in erster Linie durch die Besatzungsmacht genutzt, die in vielen Fällen die Demontage von Industrie- und infrastrukturellen Anlagen (z.B. Bahngleisen) als sogenannte Reparationslieferungen vollzug, bevor sie den polnischen Behörden übergeben wurden.
3. Im Zeitraum der Zugehörigkeit Ostpommerns zu verschiedenen Wojewodschaften lag dieses Gebiet außerhalb des direkten Interessenbereiches derer Verwaltungen. So hatten z.B. die Probleme der Neubesiedlung von Stettin selbst und seines eigenen Einzugsgebietes (mit Stargard) Vorrang vor den Belangen der peripher gelegenen Ostgebiete dieser Wojewodschaft.
4. Erst mit der Berufung der selbständigen Wojewodschaft Köslin entstanden Möglichkeiten, die Bedürfnisse dieser Region gegenüber der Zentralverwaltung kompetent zu vertreten und eine rationelle Bewirtschaftung der einzelnen Kreise, Orte und Wirtschaftsbereiche zu beginnen.

5. Der Zerfall der bisherigen Wojewodschaft Köslin in zwei kleinere hatte besonders für die "neue" Wojewodschaft Stolp vorerst negative Ergebnisse:

- erstens mußte eine neue Verwaltungsmannschaft erstellt werden, die sich ihre eigenen Prioritäten schuf (die oft von den bisherigen "Kösliner" abwich), was eine Verlangsamung der wirtschaftlichen Entwicklung nach sich zog, und
- zweitens legte man größeren Wert auf die Belange der Stadt Stolp selbst, was eine Konzentrierung von Investitionsmitteln in dieser Stadt nach sich zog, die dann für andere Orte nicht mehr zur Verfügung standen.

6. Der Verzicht auf die bisherigen Kreise als Verwaltungseinheiten verminderte den Einfluß und die Bedeutung bisheriger Kreisstädte in ihrem natürlichem Umfeld und stellte einen Verlust wichtiger Impulse ihrer weiteren Entwicklung dar.

7. Die wechselnde Zugehörigkeit Ostpommerns zu den größeren polnischen Verwaltungseinheiten hatte also großen Einfluß auf die wirtschaftliche Entwicklung dieser Region in der Nachkriegszeit.

Im Zuge einer Neuregelung der administrativen Aufteilung Polens nach der Wende wurde Ostpommern so wie etwa 1946 dreigeteilt. Siehe Karte 5

Quellenhinweise:

[1] Źródła do dziejów Ziemi Koszalińskiej w latach 1945-1950 [Quellen zur Geschichte des Kösliner Landes in den Jahren 1945-1950], Koszaliński Ośrodek Naukowo-Badawczy, Köslin 1976.

[2] Uchwała Rady Ministrów z dnia 14.marca 1945 r. [Beschluß des polnischen Ministerrates vom 14.3.1945].

[3] Rozkaz dzienny dowódcy I Armii Wojska Polskiego Nr.012 z 17.3.1945 [Tagesbefehl des Befehlshabers der I Armee der Polnischen Streitkräfte Nr. 012 vom 17.3.1945].

[4] Koszalińskie w Polsce Ludowej [Das Kösliner Land in Volks Polen], Wydawnictwo Poznańskie, Posen 1975.

[5] Podziały administracyjne Pomorza Zachodniego w latach 1800-1970 [Die Verwaltungseinteilung Hinterpommerns in den Jahren 1800-1970], Instytut Zachodnio-Pomorski, Stettin 1970.

[6] Rozporządzenie Rady Ministrów z 29.5.1946 r. o tymczasowym podziale administracyjnym Ziem Odzyskanych. [Erlaß des polnischen Ministerrates vom 29.5.1946 über die vorläufige verwaltungsmäßige Aufteilung der Wiedergewonnenen Gebiete], Dziennik Urzędowy RP, 1946, nr. 28, poz. 177.

[7] Ustawa z 28.6.1950 r. o zmianach w podziale administracyjnym państwa. [Gesetz vom 28.6.1950 über die Verwaltungsaufteilung des Staates], Dziennik Urzędowy RP, 1950 Nr. 28 poz. 255.

[8] Rozporządzenie Rady Ministrów z 11.8.1954 r. [Erlaß des polnischen Ministerrates vom 11.8.1954], Dziennik Urzędowy RP, 1954, nr. 49, poz. 238.

[9] Ustawa o zmianie Konstytucji PRL i o zmianie ustawy o radach narodowych z 22.11.1973 r. [Gesetz vom 22.11.1973 über Änderungen des Grundgesetzes der VRP und des Gesetzes über die Volksräte].

[10] Ustawa z 28.5.1975 r. o dwustopniowym podziale administracyjnym Państwa oraz o zmianach ustawy o radach narodowych [Gesetz vom 28.5.1975 über die zweistufige Verwaltungseinteilung des Staates und über Veränderungen des Gesetzes über die Volksräte].

[11] Neuhoff, W.: Die drei Großen "waren der Ansicht". Die Pommersche Zeitung, Folge 6/95.

[12] Polityka Nr. 11 vom 16.3.1996.

II.2. Die Wirtschaftssysteme der Nachkriegszeit in Polen und ihr Einfluß auf die Wirtschaft Ostpommerns

Im Zeitraum von 1944 bis in die Gegenwart wurden in Polen, und damit auch in Ostpommern, drei verschiedene Wirtschaftssysteme angewandt:

1. die Zwangswirtschaft,
2. die Planwirtschaft,
3. die freie Marktwirtschaft.

1. Die Zwangswirtschaft war Konsequenz der Kriegsereignisse. Ihr Ziel war es, möglichst schnell und unter Nutzung aller zur Verfügung stehenden Mittel die direkten Kriegsfolgen zu beseitigen und die Versorgung der Bevölkerung sicher zu stellen.Dazu bediente sich dieses System vorwiegend unbürokratischer Methoden, die sich stark an militärische Befehlsanordnungen lehnte und den Einsatz von Arbeitskräften, die Versorgung von Betrieben und den Absatz ihrer Produkte reglementierte. Jede Methode, die das Systemziel zu sichern schien, war einsatzwert. In gewissem Sinne war es auch eine Fortsetzung der Kriegswirtschaft, die in den Jahren 1941-1945 die Wirtschaft Ostpommerns bestimmte.

Was die Zwangswirtschaft in Ostpommern von den übrigen polnischen Gebieten unterscheidet, war die Fortsetzung von Zwangsarbeit unter geänderten Vorzeichen: waren es bis März 1945 ausländische Fremdarbeiter und Kriegsgefangene, so wurden danach bis in die 50er Jahre Deutsche als Zwangsarbeiter eingesetzt, denn in der großräumigen Landwirtschaft war die Versorgung von Vieh und die Bestellung der Landflächen ohne den Zwangseinsatz deutscher Arbeitskrfte über lange Zeit unmöglich. Deshalb wurde vielen Deutschen die Ausreise verweigert, obwohl andere zu Tausenden im selben Zeitraum vertrieben wurden.

Nach polnischen Angaben betrug die Anzahl der in Ostpommern verbliebenen Deutschen im : [1]

- Juni 1945 375.000 Personen,
- Dezember 1945 339.600 "
- Februar 1946 342.000 "
- Dezember 1948 22.000 "

Von diesen 22 Tsd. Deutschen wurden 98 % auf dem Lande eingesetzt.

In Ostpommern dauerte die Periode der Zwangswirtschaft von März 1945 bis Anfang 1947, als stufenweise die Planwirtschaft eingeführt wurde. Jedoch wurden Elemente der Zwangswirtschaft auch in späteren nachfolgenden Systemen angewandt,so z.B.

- wurden die Zwangsabgaben in natura der landwirtschaftlichen Betriebe erst 1975, während der Planwirtschaft, abgeschafft,
- wurden Lebensmittelkarten wieder 1982, nach Ausruf des Kriegszustandes 1981, eingeführt,
- bestand die Arbeitsverpflichtung für Schulabgänger bis 1989.

2. Die Planwirtschaft begann in Polen und damit auch in Ostpommern, Anfang 1947, als der sogenannte Dreijahresplan 1947-1949 eingeführt wurde und dauerte formell bis 1989 an, als sie von der freien Marktwirtschaft abgelöst wurde.

Die Planwirtschaft sah ihre wesentlichen Ziele in:

- der Deckung des gesellschaftlichen Bedarfs, unter dem besonders der gemeinsame Konsum mehr als der individuelle Konsum beachtet wurde,
- der Bilanz zwischen Nachfrage und Angebot aufgrund vorgeschriebener Normen,
- dem Übergang von Produktionsmitteln von Privat- in Staats- oder Volkseigentum.

Natürlich unterlag der Begriff Planwirtschaft und die damit verbundenen Methoden zur Erreichung ihrer Ziele im Verlaufe der Zeit Veränderungen.

In den Jahren bis etwa 1965 überwog eine dogmatische Auslegung der Ziele und der Einsatz von zwangswirtschaftlichen Methoden wie z.B.:

- willkürliche Erhöhung von technischen Arbeitsnormen, was u.a. zum bekannten Posener Aufstand im Juni 1956 führte,
- Zwangsbekenntnisse von Bauern zum Eintritt in eine LPG, durch Androhung von direkter Lebensgefahr, was nach Aufdeckung der sog. Greifenberger Vorfälle zu politischen Eingeständnissen führte.

Im Zeitraum zwischen 1957-1970 wurden die Ziele der Planwirtschaft pragmatischer ausgelegt. Ein Beispiel dafür war die grundsätzliche Bereitschaft, die unbeliebten LPG's aufzulösen, wenn sich die Mitglieder dazu entschlossen.

Es wurden jedoch in weit größerem Ausmaße als bisher bürokratische Methoden eingesetzt. Nach 1970 wurden in immer größerem Ausmaße reformistische Tendenzen merkbar, deren Ziel es war:

- innerhalb der sozialistischen Planwirtschaft eine begrenzteMarktwirtschaft zuzulassen,
- den Spielraum der Mitverwaltung von Belegschaften in VE Betrieben zu vergrößern,
- wirtschaftliche Entscheidungen im Kosten/Nutzen Vergleich zu treffen.

Diese Bestrebungen wurden zeitlich durch die Einführung des Kriegszustandes unterbrochen, jedoch nach 1985 kontinuiert und endeten 1988 mit der Befreiung der Preise für landwirtschaftliche Produkte und industrielle Waren für die Landwirtschaft.

3. Die Marktwirtschaft wurde in Polen und damit auch in Ostpommern, Anfang 1990 proklamiert. Verschiedene Elemente wurden jedoch schon während der Planwirtschaft eingeführt. Obwohl eine "soziale" Markwirtschaft angestrebt wurde, wurde tatsächlich eine "reine" Marktwirtschaft mit sehr dogmatischer Auslegung praktiziert. Ihre Ziele sieht sie in der ausschließlichen Anwendung der Gesetze von Nachfrage und Angebot und Kosten/Nutzen Vergleich in der wirtschaftlichen Praxis durch, im Prinzip, private Wirtschaftseinheiten. Das bedingte die Privatisierung der Wirtschaft im allgemeinen.

Die Marktwirtschaft wurde praktisch in Polen über Nacht eingeführt, indem ab den 1.1.1990 die Bankzinsen der Inflationsrate angepaßt wurden ohne Rücksicht auf vorher abgeschlossene Kreditverträge. Auch wurde mit sofortiger Wirkung der eingeschränkte Devisenkurs eingeführt. Die bisher obligatorische Durchführung von Import- und Exportgeschäften ausschließlich über staatliche Außenhandelsorganisationen wurde aufgehoben und jeder Wirtschaftseinheit gestattet, Im- und Exportgerschäfte zu tätigen. Dies führte in ganz Polen zu:

- plötzlichem Verlust von Kreditwürdigkeit der Mehrzahl aller Unternehmen, die aus ihren Einkommen nicht mehr die fälligen Kreditraten zahlen konnten und somit in die sog. Kreditfalle fielen, was kurzfristig in den Konkurs führte,
- enormen Absatzschwierigkeiten, da es keine Übergangszeit gab, um sich den grundsätzlich veränderten Zuständen anzupassen, die durch die Auflösung des RGW und der DDR entstanden,
- Bemühungen um eine möglichst schnelle Privatisierung von staatlichen Unternehmen, die jedoch, wegen Androhung oder Eintritt des Konkurses oft zu Schleuderpreisen verkauft wurden.

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[1] Koszalińskie w Polsce Ludowej [ Das Kösliner Land in Volks Polen ], Wydawnictwo Poznańskie, Posen 1975.

III. Ostpommern in den ersten Nachkriegsjahren (1945-1949)

In den Jahren 1945-1949 entwickelte sich die Wirtschaft Ostpommerns unter verschiedenen Systemvorraussetzungen:

- 1945 bis 1946 war es die Kriegswirtschaft, die durch Einsetzung militärischer Macht- und Verwaltungsmittel vorgesetzte Ergebnisse erreichbar machen wollte,
- im Jahre 1947 wurde mit dem Dreijahresplan (1947-1949) in Polen die Planwirtschaft eingeführt, die jedoch in Ostpommern aufgrund der gegebenen Zustände nicht voll zum Einsatz kam.

Die Belegung wirtschaftlicher Betätigungen zu dieser Zeit ist sehr schwierig. Im Zeitraum 1945-1949 wurden ausschließlich Statistische Jahrbücher für ganz Polen herausgegeben, die nur in wenigen Bereichen Angaben für die einzelnen Wojewodschaften enthielten. Zahlenangaben, die sich auf die einzelnen Kreise bezogen, waren überhaupt nicht zugänglich. Da Ostpommern zu dieser Zeit verschiedenen Wojewodschaften zugehörte, konnten diese Jahrbücher nicht verwendet werden. Nur in vereinzelten Fällen war es möglich, aus ihnen Zahlenmaterial zu entnehmen, wie z.B. Angaben über die Seefischerei und Hafenumschläge, die in Statistischen Jahrbüchern namentlich für Kolberg, Rügenwalde und Stolpmünde ausgewiesen wurden. Aus diesem Grunde sind im Text statistische Angaben sehr spärlich vorhanden und wurden fast ausschließlich publizistischen Werken entnommen, die wiederum auf interne Zahlenbelege von Verwaltungsorganen basierten.

Die wichtigsten wirtschaftlichen Probleme der polnischen Verwaltungsorgane nach Beendigung der Kriegshandlungen bestanden darin:

1. eine Bestandsaufnahme des übernommenen wirtschaftlichen Potentials aufzustellen,
2. weitere Verluste am Wirtschaftspotential, durch Demontage und Raub, weitgehend zu verhindern oder zu verringern.
3. alle wirtschaftlichen Einrichtungen so weit wie möglich wieder instand zu setzen und ihre Weiterführung aufzunehmen.

III.1. Die Bestandsaufnahme

Während der dreimonatigen Kämpfe um Ostpommern und in der direkt nachfolgenden Zeit entstanden in Ostpommern im Bereichseines wirtschaftlichen Potentials Verluste materieller Güter. Die Gründe dafür waren objektiver und subjektiver Art.

Aus objektiven Gründen:

- kam es aufgrund von Wettereinwirkungen auf nicht entsprechend geschützte Bauwerke zu Zerstörungssymptomen,
- verrosteten, ungenügend konservierte Maschinen und Anlagen,
- wurden durch kriegsbedingte Rohrbrüche usw. weitere Schäden verursacht.
- Der Großteil von Verlusten an Gütern nach Beendigung der direkten Kriegshandlungen ist jedoch auf subjektive Gründe zurückzuführen:
- so brachen fast pausenlos unkontrolierte Brände in Orten und Wäldern aus, die entweder vorsätzlich gelegt wurden oder fahrlässig entstanden,
- in vielen Fällen wurden Güter, insbesondere Hausrat, mutwillig vernichtet,
- bei Plünderungen, wie es nach Frontabzug überall vorkommt, besonders unter Alkoholeinfluß, wurde oftmals von Waffen (z.B.Handgranaten) Gebrauch gemacht, was zu böswilligen Zerstörungen führte, [1]
- Einwohner, der direkt an Pommern grenzenden polnischen Gebiete, kamen scharenweise, um herrenloses Gut (insbesondere Vieh, Landmaschinen und Hausrat) an sich zu nehmen und in ihre Heimatorte zu bringen. [1]

Im zweiten Halbjahr 1945 mehrten sich gezielte "Hamsterreisen" von unternehmerischen Leuten aus ganz Polen in die ehemals deutschen Gebiete, die ebenfalls herrenloses Gut in die polnischen Großstädte brachten, um sie dort zu Wucherpreisen abzusetzen. Immer mehr "Abgesandte" polnischer Betriebe aus Zentralpolen versuchten in Ostpommern Motore, Transmissionsbänder, Maschinen und gesuchte Produkte aufzutreiben und wegzuführen. [1]

Auf diese Art und Weise verlor die Wirtschaft Ostpommerns in kurzer Zeit beträchtliche Güterbestände, die vor Ort die Kriegseinwirkungen verhältnismßig schadlos überstanden hatten. Diese Vorgänge, denen man kaum Einhalt gebieten konnte, hatten verschiedene Hintergründe:

- da war erstmal ein gewisses Rachegefühl unter den russischen Soldaten und Polen, das sich gegen jeden Deutschen, als kollektive Schuldner, richtete und das sich nicht nur in Gewalttätigkeiten gegenüber einzelnen Personen, sondern auch gegen ihr materielles Gut richtete,
- dazu kam das Bedürfnis Polens, sich für von Deutschen erfahrenen Schaden, nicht nur moralischer und körperlicher, sondern auch materieller Art im Alleingang, hier und jetzt, zu entschädigen,
- in vielen Fällen war es aber auch Habgier und Raub, ohne daß der Täter größeren und langzeitigen Nutzen davon hatte.

Alle wirtschaftlichen Betriebe (Landgüter, Industrie- und Gewerbebetriebe) wurden sofort nach Beendigung der Kriegshandlungen von sowjetischen Einheiten besetzt, die sie für Verpflegungszwecke ihrer Truppen nutzten. Anträge polnischer Verwaltungsbeauftragter um Übergabe vereinzelter Objekte wurden oft abgeschlagen. [1]

Erst nach formeller Übernahme der einzelnen Ortschaften und größerer Betriebe durch Vertreter der polnischen Verwaltung von den sowjetischen Besatzungsbehörden konnte eine Bilanz dessen, was übernommen wurde, aufgestellt werden. In diesem Bereich stehen nur ausschließlich polnische Angaben zur Verfügung.

Unter den Industrieanlagen wurde der allgemeine Verlust des Potentials auf etwa 70 % des Vorkriegsstandes geschätzt. [2] Einzelne Beispiele illustrieren diese allgemeinen Angaben:

- so wurden die Verluste in der holzverarbeitenden Industrie u.a. aufgrund der Zerstörungen in den ehemaligen Papierfabriken in Köslin und Hammerstein auf 60% geschätzt, [2]
- so waren die Gebäude der Zündholzfabrik in Zanow nur in etwa 30 % zerstört, jedoch fehlte die maschinelle Ausrüstung, [3]
- in der Stolper Landmaschinenfabrik waren die Gebäude in etwa 20 % beschädigt, die technischen Anlagen in 40 %, und der Maschinenpark fehlte entweder ganz oder war stark beschädigt, [3]
- in der ländlichen Kleinindustrie betrugen die Verluste etwa 60 % u.a. waren 192 Brennereien zerstört. [2]
In der Landwirtschaft stellte man fest: [6]
- eine Beschädigung der bäuerlichen Gebäude im Umfang von etwa 25 %,
- daß rund 50 % des Bestandes von landwirtschaftlichen Maschinen nicht vorhanden war
- der Bestand an Vieh bei etwa 10 % des Vorkriegsstandes lag,
- rund 600 Meliorationsanlagen zerstört waren, darunter 39 Pumpstationen,was zur völligen Überflutung von 15.000 ha landwirtschaftlicher Nutzfläche führte.

In den Wäldern brachen immer wieder lokale Brände aus. Die Waldwege waren teilweise vermient. Kriegsmaterial, u.a. größere Munitionslager, lagerten herrenlos herum und gefährdeten die Aufnahme normaler Förstertätigkeiten. Es gab keine Unterlagen, die für eine rationelle Nutzung der Wälder benötigt wurden.

Im Transportwesen waren über 80 % der Brücken gesprengt und besonders die Zufahrtstraßen zu den größeren Orten durch Panzersperren oder Barrikaden unpassierbar gemacht. Etwa 300 km Eisenbahnlinien wurden gänzlich (Kleinbahnen nach Pollnow, Bublitz und Baldenburg) oder teilweise (z.B. ein von zwei Schienensträngen der Linie Belgard-Stargard) abgebaut. Kraft- und Schienenfahrzeuge wurden im Verlauf der Kriegshandlungen in den Westen zurückgezogen. Die Hafenanlagen in Kolberg, Rügenwalde und Stolpmünde waren von See aus durch Versenkungen unzugänglich gemacht worden, die Landausstattung war zerstört. Überlandleitungen der Telefonzentralen waren zu 69 % gekappt.

In den Städten Ostpommerns betrugen die Kriegsschäden im allgemeinen rund 40 % der Bausubstanz. In Einzelfällen lag die Zerstörungsrate noch höher (über 80 %) wie z.B. in Kolberg, Pollnow, Bublitz und Baldenburg. In den Städten lagerten 5 Millionen m3 Trümmerschutt. [2]

Des weiteren wurde festgestellt :

- den Verlust von etwa 25 % (62.000 Wohnräume) der Wohnungssubstanz. [2] So betrug z.B. die Wohnsubstanz in Stolp im Jahre 1939: 43.354 Wohnräume, während es 1945 nur noch 35.593 waren,
- bedeutende Beschädigungen der Gaswerke in Kolberg, Körlin, Deutsch-Krone und Falkenburg, sowie der Wasser-, Abwasser-, Gas- und Stromleitungen in allen Städten, die damit ausgestattet waren.

Es sei in diesen Ausführungen dahingestellt, wie es zu diesen Vernichtungen und Zerstörungen kam. Den größten Anteil daran hatten, wie z.B. in Kolberg, bestimmt die direkten Kriegseinwirkungen. Einen weiteren Anteil daran hatten Brandschatzungen gleich nach dem Fall eines Ortes wie z.B. in Bublitz. Doch gehen hier die Meinungen, selbst bei Augenzeugen unter den Vertriebenen, manchmal weit auseinander: so soll Köslin ohne Kampf eingenommen worden sein, und erst nach Einstellung der direkten Gefechte teilweise wurden Brände gelegt. Andere Augenzeugen behaupten, Köslin hätte schon vor seiner Einnahme gebrannt. [4]

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[1] }Źródła do dziejów Ziemi Koszalińskiej w latach 1945-1950 [Quellen zur Geschichte des Kösliner Landes in den Jahren 1945-1950], Koszaliński Ośrodek Naukowo-Badawczy, Köslin 1976.

[2] Koszalińskie w 20-leciu PRL [Das Kösliner Land in den 20 Jahren der VRP], Wydawnictwo Poznańskie , Posen 1966.

[3] SIMP - 35 lat na Pomorzu Środkowym [SIMP = Stowarzyszenie Inüynierów Mechaników Polskich = Verband polnischer Mechaniker Ingenieure - 35 Jahre in Ostpommern], OW SIMP, Köslin 1989 r.

[4] Schulz ,H. P.: "Die Stadt brannte bereits lichterloh" in: Die Pommersche Zeitung, Folge 12/95 vom 25.3.1995.

III.2. Die Verhinderung weiterer Verluste

Einen gewissen und bestimmt nicht kleinen Einfluß hatte auf diese Vorgänge die politisch labile Lage in bezug auf Ostpommern:

- wie schon erwähnt, beabsichtigte man, Ostpommern als SBZ zu betrachten. So wurden von den russischen Besatzungseinheiten Demontagen von Industrie- und Verkehrsanlagen aus Reparationsansprüchen durchgeführt. Von Seiten vieler Deutschen wurde immer wieder die Überzeugung demonstriert, daß die sowjetische und polnische Besatzung schnell beedet sein würde: "Unser Glück dauerte 4 ½ Jahre, aber Euer wird in 3 Monaten beendet sein". [1] In der Umgebung von Rügenwalde verhinderten deutsche Dorf- und Gemeindevorsteher die Besetzung freier Gehöfte durch Polen. [1] Diese Vorgänge verunsicherten viele Neusiedler, die sich nach einiger Zeit wieder zurückzogen.
- wie ebenfalls schon erwähnt wurde, zog sich die formelle Übernahme der Ortschaften durch die polnische Verwaltung bedeutend in die Länge. Das führte oftmals zu vorsätzlichen Zerstörungen und Raubabbau, ehe das übernommene Gut gesichert werden konnte. Im Juli 1945 wurden viele Landgüter geplündert, weil man sie nicht besetzen konnte. [1]
- von Anfang an bestand unter der in Ostpommern angesiedelten polnischen Bevölkerung andauernde Unsicherheit über das Verbleiben der ehemaligen deutschen Ostgebiete im polnischen Staatsbereich. Da ja die Mehrzahl der Ansiedler aus den noch heute zu Polen gehörenden Gebieten kam, wurde vieles Gut, besonders aus der Landwirtschaft und dem handwerklichem Gewerbe, möglichst schnell in polnische Gebiete gebracht, um da die wirtschaftlichen Zustände zu verbessern. In gewissem Sinne war das auch eine Art von Gerechtigkeit, indem man auf diesem Wege versuchte, Kriegsverluste durch die Deutschen gut zu machen.

Nach der formellen Übernahme von wirtschaftlichen Bestandteilen durch die polnische Verwaltung, begann sie weiteren Verlusten im wirtschaftlichen Potential Ostpommerns entgegen zu wirken. Die Ausmaße dieser "wirtschaftlichen Plünderung" waren so groß und beeinträchtigten die Wiederbelebung der Ostpommerschen Wirtschaft derart, daß im Februar 1946 das damalige Ministerium der wiedergewonnenen Gebiete (MZO= Ministerstwo Ziem Odzyskanych) ein Verbot zur Ausführung von Gütern jeder Art aus diesen Gebieten, also auch aus Ostpommern, ausgab. Aus verständlichen Gründen war jedoch seine Einhaltung sehr lückenhaft. [1]

In vielen Fällen nahmen korrumpierte Vertreter der Streitkräfte und Verwaltung an diesen "Streifzügen" teil oder ermöglichten, trotz bestehender Verbote, die Ausfuhr dieser Güter. [1]

Entgegen von Vermutungen, die Polen hätten sich in Ostpommern nach 1945 in "warme Nester gesetzt", sah die Wirklichkeit ziemlich anders aus. Ostpommern war tatsächlich in vielen Fällen "abgebrandt".

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[1] }Źródła do dziejów Ziemi Koszalińskiej w latach 1945-1950 [Quellen zur Geschichte des Kösliner Landes in den Jahren 1945-1950], Koszaliński Ośrodek Naukowo-Badawczy, Köslin 1976.

III.3. Die Wiederaufnahme des Wirtschaftslebens

Die Umstände der Wiederbelebung des Wirtschaftslebens Ostpommerns waren äußerst schwer. Die bisherige Bevölkerung war entweder vor der Front geflohen, blieb teilweise außerhalb ihrer bisherigen Wohnsitze zurück oder wurde zu Zwangsarbeiten eingesetzt, die nicht immer der Berufsausbildung entsprachen, was die Wiederaufnahme von wirtschaftlichen Betätigungen erschwerte. Nach Übernahme der Verwaltung durch polnische Behörden, begann die gezielte Vertreibung der deutschen Bevölkerung, was weiterhin Fachkräfte der Wirtschaft entzog.

Die Wiederbesiedlung Ostpommerns war eines der größten Probleme der ersten Nachkriegsjahre. Die Neuansiedlung polnischer Bevölkerung ging langsam voran. So standen u.a. im Küstengebiet die Bauernhöfe größtenteils leer [1]. Die erste Einwohnerzählung fand im Juni 1945 statt. Nach ihren Ergebnissen lebten in Ostpommern 415,7 Tsd. Personen, davon 40,7 Tsd. Polen. [2] In den einzelnen Orten überwog noch die deutsche Bevölkerung. Im Kreis Kolberg/Körlin befanden sich z.B. im Juni 1945 44.000 Deutsche und 150 Polen. [1] Auf einer Zusammenkunft im April 1945 von Dorfschulzen,Gemeindevorstehern und Bürgermeistern im Kreise Neustettin waren von den 48 Anwesenden: 32 Deutsche, 1 Franzose, 1 Ukrainer und 14 Polen. [1] Am Ende des Jahres 1945 zählte man 541,3 Tsd. Einwohner davon 201,7 Polen. [2] Die Einwohnerzählung vom 14.2.1946 ergab eine Einwohneranzahl von 585,0 Tsd. Personen, davon in den Städten 157,9 und auf dem Lande 427,1 Tsd. Personen. Das ergab eine Siedlunsgdichte von 33,2 Personen je 100 km2. [2]

Für die Wiederaufnahme wirtschaftlicher Aktivitäten fehlten alle schriftlichen Unterlagen technischer und technologischer Art, was die Aufnahme und den normalen Verlauf der Produktionsvorgänge erschwerte. Aus diesem Grunde mußten u.a. auch verschiedene Betriebe eingestellt werden, die man vordem instand setzte wie z.B. eine Dachpappenfabrik in Bütow (1948), drei Ziegeleien in Köslin (1949), sowie Gerbereien in Bärwalde, Kallies und Falkenburg. [3] Die Stromversorgung unterlag öfteren Störungen.

In vielen Betrieben war der Maschinenpark dezimiert. Man bemühte sich dem auf verschiedene Art und Weise nachzuhelfen: in den Stolper Möbelfabriken setzte man Maschinen aus Stettiner Vororten ein, und für die Zündholzfabrik in Zanow fand man Maschinen in Niederschlesien. Schrottplätze in den Städten wurden zu "Fundgruben" für fehlendes Inventar. [3] Wenn der Maschinenpark im großen Ganzen vorhanden war, so fehlte es an Motoren und Hilfsmitteln wie Transmissionsbändern, Schmierfett usw. Kaum wieder Instand gesetzt mußte die Seifenfabrik in Köslin schließen, weil es an Hilfsmaterialien fehlte. [3]

Das schon vordem erwähnte Ausfuhrverbot von Gütern hatte jedoch auch manchmal unerwartet negative Auswirkungen für die Wiederaufnahme der lokalen Wirtschaft: so mußten 1947 die Ziegeleien in Dramburg, Virchow und Falkenburg ihre Produktion einstellen, weil man wegen des Ausfuhrverbotes die gefertigten Ziegeln nicht versenden konnte und wegen zu hoher Fertiggutbestände in finanzielle Schwierigkeiten geriet. [3]

Die Wiederbelebung des Wirtschaftslebens Ostpommerns war weitgehend auch vom Einsatz von Fachkräften abhängig:

- so wurde im April 1945 berichtet, daß : "die Brennereien kaum zerstört seien, große Vorräte von Kartoffeln vorhanden sind, aber keine Fachkräfte sind, um sie zu betreiben". [3]
- viele polnische Fachkräfte kamen mehrnmals zum Einsatz in verschiedenen Betrieben wie z.B. Ing. Jerzy Piekutowski der, im Mai 1945 zuerst eine Fahrzeugfabrik in Köslin wieder in Betrieb brachte, um danach im Juni 1945 die Wiederinstandsetzung der Kommunalbetriebe zu leiten. [3]
- in großem Ausmaße wurden deutsche Fachkräfte bei der Wiederaufnahme der Produktion nicht nur in der Landwirtschaft eingesetzt, aber auch z.B. in der Flachsrösterei in Köslin im Oktober 1945. Etwa 100 Deutsche führten unter polnischer Aufsicht den Bahnverkehr bis 1946. [1]

In erster Linie wurden kleinere Gewerbebetriebe, besonders im Bereich der täglichen Versorgung der Bevölkerung (Bäckereien, Schlächtereien und Kommunalbetriebe) wieder hergestellt. Im April 1945 wurde u.a. der Betrieb in 12 Mühlen im Kreis Bütow aufgenommen. [1] So hatten schon im Juli 1945: 84 Bäckereien,12 Schlächtereien und 20 Lebensmittelgeschäfte, zum Großteil in Privatbesitz, ihre Tätigkeit aufgenommen. [2] Im Juli 1945 nahmen auch 198 Kleinbetriebe der Industrie wieder ihre Arbeit auf, darunter waren: [2]

112 Betriebe der Lebensmittelherstellung,

16 Betriebe der Energieversorgung,

34 Betriebe aus der Metallbranche.

Unter diesen Betrieben waren u.a. auch:

- eine staatliche Klosettdeckelfabrik (!) in Schloppe,
- eine staatliche Kisten- und Fässerfabrik in Schievelbein,
- die staatliche Parkettfabrik in Belgard,
- eine staatliche Tran(!)- und Konservenfabrik in Köslin.

Große Probleme waren mit der Einbringung der Ernte 1945 verbunden. So waren im August 1945 etwa 80 % des Getreides gemäht, aber nur 30 % eingefahren. [1]

Im Verlauf des Jahres 1946 nahmen ihre Produktion wieder auf:

- die Essigfabrik in Schievelbein.
- Konservenhersteller in Kolberg und Stolpmünde,
- in der Textilindustrie wurde die Herstellung von Decken in Bublitz und Tuche in Dramburg ,und Ratzebuhr aufgenommen,
- eine Landmaschinenfabrik und eine Möbelfabrik in Stolp.

Im Jahre 1946 gab es schon rund 300 Handwerksbetriebe, die 1.200 Personen beschäftigten. [2]

Aber nicht alle Versuche, ehemalige Industriebetriebe wieder herzustellen, gelangen, das betraf insbesondere z.B. alle beiden ehemaligen Kachelfabriken in Belgard. Auch in Textilbetrieben in Dramburg und Rummelsburg mußte die Produktion eingestellt werden. Ihr Maschinenpark wurde nach Falkenburg gebracht. Aus Rummelsburg wurde eine wieder instandgesetzteSchreinerei nach Stolp für die dortigen Möbelfabriken verlegt. Im Jahre 1948 wurde die bereits aufgenommene Produktion in der Rügenwalder Werft eingestellt. [3]

Das Tempo der Wiederaufnahme der Industrieproduktion ist aus folgenden Angaben ersichtbar: [2]

1946 1949

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Ende 1949 waren im, weitgehend privaten, Handwerk 3.740 Personen beschäftigt. [2]

In der Landwirtschaft wurden Versuche einer Bodenreform aufgenommen, sie mit der Neubesiedlung zu verbinden. Im Juli 1945 konnten Güter nicht parzelliert werden, da die Neusiedler vorwiegend leerstehende Bauerngehöfte bevorzugten und kein Bedarf an Gutsland bestand. [1] Erst 1946 wurden 89 Güter zur Aufteilung bestimmt, davon jedoch nur 58 tatsächlich parzelliert. Auf ihnen wurden 951 Familien angesiedelt. 1947 wuchs die Anzahl der aufzulösenden Güter auf 179, wobei man dazu überging, ganze Gruppen anzusiedeln, also die Güter nicht in Bauernhöfe aufzuteilen, sondern sie durch Genossenschaften bewirtschaften zu lassen. So entstanden 41 Genossenschaften und 138 Parzellationsgruppen. [4] Der Rest, der nicht aufgeteilten Güter, wurde dann 1948 vom Staat übernommen. Aus diesem Grunde kam es auch zu keiner größeren Auswirkung der sog. Bodenreform, wie sie in anderen Teilen Polens eintrat. Die Güter der ehemaligen Großbesitzer wurden als Staatseigentum behandelt unter wechselnden Bezeichnungen:

UZ - Urzędy Ziemskie (Landämter) - 1945-1947

PNZ - Państwowe Nieruchomości Ziemskie (Staatliche Landwirtschaftliche Liegenschaften) -1948-1949

Am Anfang setzte man, oft willkürlich, 2-8 Vorwerke und Güter als sog. Klucze (Schlüssel) zusammen, später wurden die Großbetriebe in sog. Zespoły (Gruppen) eingeteilt.

Ein für sich bedeutendes Kapitel war der Zustand und die zukünftige Nutzung der vielen Herrenhäuser der ehemaligen Großgrundbesitzer. Die angesiedelte polnische Bevölkerung hatte zu diesen Gebäuden keine positive emotionelle Verbindung. Aus ideologischen Gründen (sie wurden als Brutnester kapitalistischen Ausbeuter und militaristischer, preußischer Junker angeprangert) unterstanden sie keinem besonderem Schutze von seiten der Bevölkerung wie auch der Behörden. Unter den veränderten gesellschaftlichen Bedingungen verloren sie ihre ehemaligen Funktionen. Als Verwaltungssitz der nun staatlichen Güter waren sie zu groß, um optimal ausgenutzt zu werden. Der notwendige Aufwand von Konservierungs- und Heizkosten überstieg die reellen Möglichkeiten. Eine Aufteilung in Wohnräume für mehrere Familien war entweder aus baulichen Gründen nicht möglich oder hätte Unsummen gefordert. Aus diesen Gründen wurden diese Bauwerke teils als Verwaltungssitz, teils als Wohnräume genutzt und verfielen im Laufe der Zeit mangels Obhut bis zum Verlust ihrer Substanz. Im Verlauf der 50er Jahre wurden viele von ihnen abgebaut, weil sie als Ruinen ohnehin kein Schmuck der Landschaft waren. Mit ihnen verfielen auch die gewöhnlich um sie bestehenden Parkanlagen. Nur in wenigen Fällen, wo sich eine neue Nutzungsform fand, blieben Herrenhäuser bestehen und wurden, manchmal mit großem Aufwand, in gutem Zustand gehalten wie z.B. in:

- Warzin, wo im ehemalige Sitz des Fürsten von Bismarck eine Forstschule eingerichtet wurde,
- Wusseken bei Köslin, wo das Herrenhaus als Ferienheim der Bezirksverwaltung umgebaut wurde und später, in den 70er Jahren Stätte alljährlicher Künstlertreffen war,
- Nassow, wo das Herrenhaus als Schulungszentrum der Wojewodschaftverwaltung eingerichtet wurde.
- in Zethun wurde das kleine Schlößlein als Altenheim eingerichtet.

Um 1949 begannen die ersten Versuche, die bisher in Privatbesitz verbleibenden, Bauernhöfe in Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften (LPG's, auf polnisch Rolnicze Spółdzielnie Produkcyjne) zusammen zu führen. Ende 1949 entstanden die ersten neun LPG's in Ostpommern. [2] Über die ersten Ergebnisse der Landwirtschaft nach 1945 sind verläßliche Angaben erst für 1947 vorhanden. [2] Danach verteilte sich die Landwirtschaftliche Anbaufläche wie folgt:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Erträge in Doppelzentner pro Hektar erreichten bei:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Langsam wurden die Viehbestände, unter Beihilfe der UNRRA, aufgestockt. [2]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In den ersten Nachkriegsjahren war der Bedarf an Bau- und Grubenholz besonders akut. Um den Bedarf zu decken, wurden die ostpommerschen Wälder besonders dazu herangezogen. Die Holzgewinnung erfolgte unter sehr primitiven Bedingungen: nur 5 % der Fällungen erfolgten unter Einsatz von Motorsägen, und der Abtransport erfolgte in 85 % durch Gespanne. [2]

Im Transportwesen wurden bis 1949 die wichtigsten Brücken, mit Beihilfe von Pioniereinheiten, wieder aufgebaut und alle Hindernisse auf den Landstraßen entfernt. Außer den Armeeeinheiten hatten zivile Unternehmen kaum Kraftfahrzeuge zur Verfügung. Erst nach 1947 kamen immer mehr Kraftfahrzeuge, aus dem Demobil, vorzüglich bei staatlichen Einrichtungen zum Einsatz. Im allgemeinen verlief der Transport jedoch mittels Pferdegespanne.

Um die Versorgung zu sichern, wurden die Bahnlinien in Nord-Südrichtung ziemlich schnell wieder instand gesetzt. Der Verlauf dieser 1945 aufgenommenen Verbindungen führte z.B. auf Umwegen von Belgard über Stargard nach Schneidemühl. [1] Jedoch erst im Verlaufe des Jahres 1948 verkehrten die Eisenbahnen wieder fahrplanmäßig teilweise unter Einsatz deutscher Eisenbahner. [3] Aus wahrscheinlich Reparationsgründen wurden rund 300 km Schienenstränge, besonders der Kleinbahnen, demontiert und entführt. Die eigentlichen Gründe dafür und Umstände, unter denen dies erfolgte, sind bis heute nicht ganz aufgeklärt. Auf diese Weise verloren den Anschluß an das Eisenbahnnetz, und damit wichtige Wirtschaftsimpulse, die Städte Bublitz, Pollnow, Bärwalde und Baldenburg.

Die Wiederaufnahme des Seegütertransportes in den Ostpommerschen Häfen erfolgte: [5]

- am 17. Juni 1947 in Stolpmünde, durch m/s Viscan aus Schweden. Dieser Hafen mit Beckentiefe von 5-6 m hatte 2430 m befestigte Anlegekais und Getreidespeicher von 16 Tsd. Tonnen Ladevermögen.
- Im Januar 1948 in Rügenwalde, mit s/s Helene aus Dänemark. Hier betrug die Tiefe des Hafenbeckens 5,5 m, die Länge der Anlegekais 1162 m und das Lagervermögen der Getreidespeicher 18 Tsd. t.
- Am 20. März 1948 in Kolberg. Das Hafenbecken hatte eine Tiefe von 4 m. Die Anlegekais zogen sich über 2790 m.

Es folgte ein stetiger Anstieg der Anzahl von abgefertigten Schiffen und des Volumens der Güterumschläge. [2] Die Anzahl der abgefertigten Schiffe betrug:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Die Umschläge betrugen: (in Tausend Tonnen)

1948 1950

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Damit überschritten die Umschläge aus dem Jahre 1948 weit die Ergebnisse aus dem Jahre 1938 (532,6 Tsd. t) [3] und erstellten somit praktische Hinweise über die potentiellen Umschlagraten für die einzelnen Häfen:

Kolberg um 200 Tsd. t

Rügenwalde um 150 " "

Stolpmünde um 450 " "

Die Umschläge in Kolberg betrugen z.B. 1949: 390,3 Tsd. t, davon waren:(in Tsd. t) [6]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Großteil der Umschläge war der Export polnischer Kohle nach Skandinavien. Die Hafenwirtschaft war der einzige Wirtschaftsbereich Ostpommerns, der in den ersten Nachkriegsjahren wieder komplett hergestellt wurde und sogar Vorkriegsergebnisse übertraf. Diese Werte wurden jedoch nach 1950 nie mehr erreicht.

Im Bereich des Kommunalwesens wurden bis 1949 23.000 Wohnräume überholt und in 15.000 weiteren größere Überholungen durchgeführt. [2] In den 18 Städten, die Wasserleitungsnetze hatten, wurden sie wieder in Betrieb genommen. Von den 15 Gaswerken wurden bis 1949 10 in Betrieb genommen. Die Versorgung mit Gas war schwierig und öfters unterbrochen, weil es an laufender Versorgung mit Kohle fehlte. [2] In Stolp wurde der Straßenbahnverkehr auf 6 km Strecke aufgenommen. [7]

Zusammenfassung:

Die wirtschaftliche Entwicklung Ostpommerns in den ersten Nachkriegsjahren (1945-1949) hatte folgende Bilanz zu verzeichnen:

1. Eine fast vollständige Auswechslung der bisherigen durch eine, aus verschiedentlichen Kulturlandschaften stammenden, neuen Bevölkerung. Von der im Dezember 1948 erfaßten Einwohnerzahl von 496,9 Tsd. Personen entfielen nur 22,8 Tsd. auf Deutsche. Die Bevölkerungsdichte zählte mit 29 Personen je km2 zu den niedrigsten in Polen. [2]
2. Große, in Zahlen unausdrückbare, Verluste an materiellen Gütern durch willkürliche Zerstörungen oder Transfer außerhalb Ostpommerns.
3. Sicherung der täglichen Ver- und Entsorgung für die Bevölkerung und Wirtschaftsunternehmen auf niedrigem Niveau.
4. Das eigentliche Ziel des Dreijahresplanes (1947-1949), den Vorkriegsstand in der Industrieproduktion wieder zu erreichen, wurde in Ostpommern nicht erfüllt. In der Holzindustrie erreichte man etwa 50 %, in der Textilindustrie knapp 40 % und in der Metall- und Baumaterialienindustrie je 30 % des Vorkriegsniveau. [3]
5. Wiederaufnahme des Güterumschlages in den kleinen Häfen mit hohen Zuwachsraten, aber kurzer Zeitdauer.

[1] }Źródła do dziejów Ziemi Koszalińskiej w latach 1945-1950 [Quellen zur Geschichte des Kösliner Landes in den Jahren 1945-1950], Koszaliński Ośrodek Naukowo-Badawczy, Köslin 1976.

[2] Koszalińskie w 20-leciu PRL [Das Kösliner Land in den 20 Jahren der VRP], Wydawnictwo Poznańskie , Posen 1966.

[3] SIMP - 35 lat na Pomorzu Środkowym [SIMP = Stowarzyszenie Inüynierów Mechaników Polskich = Verband polnischer Mechaniker Ingenieure - 35 Jahre in Ostpommern], OW SIMP, Köslin 1989 r.

[4] Koszalińskie, rozwój województwa w Polsce Ludowej [Kösliner Land, die Entwicklung der Wojewodschaft in Volkspolen], Warschau, 1970.

[5] Fenger, J., Małe porty Pomorza Zachodniego, ich znaczenie i rozwój [Die kleinen Häfen Hinterpommerns, ihre Bedeutung und Entwicklung], in: Rocznik Informator Pomorza Zachodniego 45-48, Stettin 1948.

[6] Rocznik statystyczny gospodarki morskiej 1945-1968 [Statistisches Jahrbuch der Seewirtschaft 1945-1968], Warschau 1969.

[7] Rocznik statystyczny 1955 [Statistisches Jahrbuch 1955], GUS, Warschau, 1955.

[...]

Ende der Leseprobe aus 165 Seiten

Details

Titel
Das östliche Hinterpommern und seine wirtschaftliche Entwicklung nach 1945
Autor
Jahr
2002
Seiten
165
Katalognummer
V19174
ISBN (eBook)
9783638233552
Dateigröße
944 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Umfangreiche und komplexe Darstellung der wirtschaftlichen Entwicklung Ostpommerns im polnischem Staatsgebiet.
Schlagworte
Hinterpommern, Entwicklung
Arbeit zitieren
Wincenty Raczkowski, Dr. (Autor:in), 2002, Das östliche Hinterpommern und seine wirtschaftliche Entwicklung nach 1945, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19174

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