Fremdsprachenerwerb mit digitalen Medien - Möglichkeiten und Grenzen


Masterarbeit, 2012

83 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

1. Einleitung

2. Digitale Medien – Begriffsbestimmung

3. Historische Dimensionen von Sprachlernsoftware
3.1 Vom Sprachlabor zum digitalen Medienverbund
3.2 Die Anfänge von CALL

4. E-Learning als Oberbegriff für digitales Lernen
4.1 Lernszenarien
4.1.1 Präsenzlernen
4.1.2 Blended-Learning
4.1.3 Vollvirtuelles Lernen
4.1.4 Fernlernen
4.2 Bildungspolitischer Aspekt

5. Fremdsprachenerwerb mit multimedialer Lernsoftware
5.1 Begriffsbestimmung
5.2 Die Bedeutung von Multimedia für das Fremdsprachenlernen
5.3 Interaktivität und Interaktion
5.4 Authentizität
5.5 Kognitivismus als lerntheoretischer Ansatz bei Multimedia
5.5.1 Allgemeine Lerntheorie
5.5.2 Einfluss des Kognitivismus auf die Gestaltung von Lernsoftware

6. Internet und webbasierte Sprachlernanwendungen
6.1 Das Web 2.0
6.2 Medienkompetenz
6.3 Möglichkeiten der Didaktisierung im Internet
6.4 Immersion im World Wide Web
6.5 Formen des Selbstgesteuerten Lernens mit digitalen Medien
6.5.1 Selbststeuerung und Selbstlernen
6.5.2 Kooperatives Lernen
6.6 Konstruktivismus als Lernansatz für Lernen mit Internet
6.6.1 Die Konstruktivistische Theorie des Fremdsprachenlernens
6.6.2 Hypermedia als Ansatz zur Realisierung des Konstruktivismus

7. Computer- und webbasierte Lerninhalte in der Praxis
7.1 Die klassischen computer-basierten Sprachlernprogramme
7.2 Der Trend zu webbasierten Lerninhalten
7.3 Beispiele für WBT-Anwendungen

8. Fazit und Blick auf die Zukunft digitaler Medien

9. Quellenverzeichnis

10. Selbstständigkeitserklärung

1. Einleitung

„Mich beeindruckt die Gläubigkeit, mit der sich die Menschen von jeder neuen Entwicklung die Rettung der Welt erhoffen. Gestern war es Systems Dynamik, heute sind es die Expertensysteme - und immer wieder verspricht man sich von der neuen Technik die Lösung aller Probleme. Das beweist mir, daß die Menschen zur Technik kein vernünftiges Verhältnis haben.“[1]

Multimediale Sprachlernsoftware spielt im heutigen Fremdsprachenerwerb eine zunehmende Rolle, wird dabei aber auch häufig kritisiert. Kritik stammt vor allem von Verfechtern einer „Normalisierung“ der Integration neuer Medien im Fremdsprachenunterricht.[2] Diese gewünschte „Normalisierung“ bezieht sich auf die selbstverständliche Akzeptanz von stetig weiterentwickelten Medienprodukten, welche in unserer Gesellschaft vorherrscht. Diese Kritik ist gestattet, da digitale Medien in der heutigen Wissens- und Informationsgesellschaft bereits allgegenwärtig sind und stetig mit neuen Innovationen aufwarten. Das digitale Zeitalter, in dem wir uns im Jahr 2012 befinden, stellt Anforderungen, welche nicht ohne weiteres eine effektive Nutzung der neuen technischen Möglichkeiten erlauben. Die neuen Technologien und Interaktionsbereiche durchdringen unseren Alltag und zwingen uns unweigerlich zu einer Auseinandersetzung mit der Materie, um Nutzen aus den neuen Möglichkeiten digitaler Medien zu ziehen. Wir leben in einem teils virtuellen, audiovisuellen und durch elektronische Medien geprägten Zeitalter, welches gezeichnet ist, durch eine rasante Entwicklung der Informations- und Kommunikationstechnologie. Kinder wachsen heutzutage, anders als die Generation ihrer Eltern, völlig selbstverständlich mit Computern, Mobiltelefonen und Internet auf. Für diese Kinder gehört der Einstieg in die digitale Welt zu einem natürlichen Lernprozess, da diese Medien dabei, fast schon so selbstverständlich wie TV, Radio oder Telefon, im Haushalt vorhanden sind und vielfältig genutzt werden. Eine Normalisierung dieser rasanten technischen Weiterentwicklung scheint unmöglich.[3]

Auch wenn viele Professoren, Lehrkräfte, Erziehende und Eltern oftmals aus Skepsis die Nutzung der Technik durch Kinder ablehnen, ist der Umgang mit den neuen digitalen Medien ein erforderlicher Bestandteil der Eingliederung in unsere moderne Gesellschaft. Dabei machen die Neuen Medien vermeintlich auch nicht Halt, wenn es um die Einflussnahme auf den Fremdsprachenunterricht in Form von moderner Sprachlernsoftware geht. Die Etablierung in der Gesellschaft und der Multimedia-Boom der letzten Jahre reduzierten die Skepsis und die kritische Haltung unter Medienpädagogen, Eltern und Lehrern gegenüber digitalen Medien und führten zu einer regelrechten Euphorie.[4] Diese Euphorie führte dazu, dass digitale Medien nun scheinbar in allen Bereichen Anklang finden und als Wundermittel gelten. Alltägliche Dinge scheinen durch die neue Art der Kommunikation bequemer und leichter. Vieles ist möglich, was vor 10 Jahren noch unvorstellbar war. Dies schlägt sich konsequenterweise nicht nur im Bereich Unterhaltung und Kommunikation nieder, sondern beeinflusst auch die Pädagogik. Fremdsprachenerwerb scheint, in Theorie, durch die Nutzung digitaler Medien neuerdings einfach, offen und autonom möglich zu sein. Diverse Softwarehersteller werben mit entspanntem Lernen zuhause am PC, mit Laptop auf der Couch oder unterwegs mit mobilen Endgeräten. Diese Verneblung des eigentlichen Lernprozesses führt aber auch dazu, dass wichtige Faktoren, die zum Erfolg einer multimedialen Lernplattform bzw. Lernsoftware beitragen, in den Hintergrund treten. Zwar wird viel Geld im Software- und Hardwarebereich investiert, dennoch werden pädagogisch-didaktische Aspekte oftmals hinten angestellt. Lernprogramme werden von Firmen oft nur aus Profitgier übereilt auf den Markt gebracht und bieten weder ausreichend didaktischen Hintergrund noch Nachhaltigkeit und Nutzen. Die Leistungen von Sprachlernsoftware werden deshalb bislang häufig als auf die Entwicklung strukturzentrierter Fertigkeiten mit bestenfalls unterhaltender Funktion (Edutainment) beschränkt betrachtet.[5] Diese Probleme sind ein Hauptaugenmerk dieser wissenschaftlichen Arbeit und bedürfen einer genauen Betrachtung und Evaluierung.

Multimodale Sprachlernsoftware bietet mittlerweile zwar die Möglichkeit einer verstärkten Beschäftigung mit gesprochener Sprache durch Integration von Audio- und Videodateien, die Besonderheiten mündlicher Kommunikation in spezifischen Handlungszusammenhängen und Situationen werden jedoch häufig noch immer übergangen.[6] Ein Grund dafür könnte sein, dass Sprachlernsoftware, besonders in Bezug auf das Training produktiver Fertigkeiten, bestimmten Einschränkungen unterworfen ist, denn vorprogrammiertes Feedback kann selbstverständlich nicht ernsthaft mit der natürlichen Aushandlung von Bedeutungen oder Bewertung des kommunikativen Verhaltens der Lerner als angemessen oder unangemessen konkurrieren. Aus diesem Grund überwiegen in vielen digitalen Sprachlernprogrammen offensichtlich noch heute sprachsystematisch ausgerichtete Übungen, die nur ein eindeutiges Richtig-Falsch-Feedback erlauben.[7] Zum anderen ist die Vernachlässigung ganzheitlicher, handlungsorientierter Ansätze in Sprachlernsoftware darin begründet, dass Textsortenforschung und Textlinguistik noch nicht umfassend im Fremdsprachenunterricht angekommen sind, obwohl sie sich in der Sprachforschung inzwischen etabliert haben.[8] Dasselbe gilt für die gleichfalls etablierten Bereiche der Gesprächs-, (kritischen) Diskurs- oder Medienkommunikationsforschung. Auch heute noch unterrichten Lehrer nicht nur mit Methoden, mit welchen auch sie unterrichtet wurden[9], auch die Autoren von Sprachlehrbüchern und Sprachlernsoftware scheinen sich nur schwerlich von einer Beschreibung sprachlicher Strukturen zugunsten einer Beschreibung sprachlicher Interaktion lösen zu können.[10] Genau da liegt der Grund dafür, dass Sprachenunterricht und Sprachlernmaterialien häufig dabei versagen, in der Fremdsprache kommunizieren zu können. Sprachlernsoftware enthält oft zwar auch durchaus nützliche spielerische Elemente, welche die Lerner zur Beschäftigung mit der Zielsprache stimulieren können, bereitet jedoch meist nicht auf die interaktive Wirklichkeit in der Zielsprache vor.

Grundsätzlich will diese Abschlussarbeit auf theoretischer Ebene die Möglichkeiten und Grenzen des Arbeitens mit Neuen Medien im Fremdsprachenunterricht und beim selbstständigen Fremdsprachenerwerb diskutieren. Dafür ist es wichtig, Geschichte, Theorie und Wirkungsweise dieser neuen Kommunikationsformen aufzuzeigen. Des Weiteren ist eine Beurteilung der aktuellen Entwicklung von Sprachlernsoftware erforderlich, um objektiv über den Anspruch digitaler Sprachlernprogramme im Fremdsprachenerwerb zu diskutieren. Ebenfalls soll diese Arbeit aufzeigen, weshalb, trotz allgegenwärtiger Präsenz der digitalen Medien in unserer Gesellschaft, die Nutzung und Eingliederung neuer technischer Aspekte in die Fremdsprachendidaktik schwer fällt und oft nur als „Edutainment“ verkannt wird. Dabei ist vor allem der Schritt von traditioneller Lernsoftware zu webbasiertem Fremdsprachenlernen aufgrund der neuen technischen Möglichkeiten des Internets ein Hauptpunkt dieser Arbeit.

Im Kapitel 2 wird der Begriff der digitalen- bzw. Neuen Medien zunächst genau besprochen und definiert. Dabei wird festgestellt, welche Entwicklung der Medien seit den 1970er Jahren stattfand und welche Chancen diese Kommunikationsformen damals boten. Um chronologisch voranzuschreiten, wird in Kapitel 3 eine kurze historische Einordnung genauer thematisiert, beginnend mit den ersten Formen des Sprachlabors, analogen Medien und computergestütztem Sprachlernen (Computer Assisted Language Learning). Dabei ist besonders das Aufkommen technischer Neuentwicklungen bedeutend, so wie das erste Auftreten von Audiovisuellen Medien. Anknüpfend wird in Kapitel 4 das Aufkommen des Begriffs E-Learning erläutert, welche das digitale Zeitalter des Lernens mit Neuen Medien einläutete. Beim Thema E-Learning ist es wichtig den Begriff genau zu definieren und abzugrenzen und dabei die wichtigen Lernszenarien (Präsenzlernen, Blended-Learning, Fernlernen und Vollvirtuelles Lernen) zu diskutieren. In Kapitel 5 werden, bezugnehmend auf die Nutzung von multimedialer Sprachlernsoftware auf CD/DVD, auch Computer-based Training genannt, Aspekte digitaler Medien wie Interaktion, Interaktivität, Multimedialität als auch Authentizität analysiert. Welchen Wert hat Multimedia für das Fremdsprachenlernen, wie wird dieser zentrale Begriff definiert? Auf lerntheoretischer Ebene wird in diesem Kapitel die Theorie des Kognitivismus besprochen, welche eine wesentliche Bedeutung bei der Nutzung von multimedialen Sprachlernprogrammen hat. Darauf folgend wird in Kapitel 6 das Zeitalter des Internet und Web 2.0 diskutiert, welches entscheidende Innovationen mit sich bringt. Dabei sind Begriffe wie Medienkompetenz, Authentizität, Lernerautonomie und Selbstlernen von entscheidender Bedeutung und bedürfen einer genauen Erklärung. Des Weiteren stellt sich die Frage, inwieweit das Internet trotz der schier unbegrenzten Informationsflut die Möglichkeit aufbietet, als Lerner didaktisch wertvolle Materialen zu finden, als auch selbst als authentischer Textproduzent zu fungieren. In diesem Zusammenhang wird die Theorie des Konstruktivismus angesprochen, welche eine zentrale Bedeutung beim Lernen mit Internet aufweist. In Kapitel 7 wird der aktuelle Entwicklungsstand von Computer-based Training (CBT) dargestellt und der Trend zu webbasierten und mobilen Inhalten, Web-based Training (WBT) verdeutlicht. In Kapitel 8 folgen eine zusammenfassende Auswertung und ein Ausblick in die Zukunft der digitalen Medien.

2. Digitale Medien – Begriffsbestimmung

Als Digitale Medien bezeichnet man allgemein elektronische Medien, welche mit einem digitalen Code arbeiten.[11] Digitale Medien können als eine Untermenge der Neuen Medien bezeichnet werden, wobei der Begriff inzwischen auch als Synonym für Neue Medien verwendet werden kann, da praktisch alle Neuen Medien heutzutage einer digitalen Technik zugrunde liegen. Gegenwärtig werden als digitale Medien Träger bezeichnet, die Daten in digitaler Form übermitteln oder auf Daten in digitaler Form zugreifen.[12] Die Computertechnik stellt die Basis für die Arten von Medien dar. Computersysteme basieren in erster Linie auf der Grundlage des sogenannten binären Zahlensystems, wobei Computer diese binären Daten als digitale Informationen interpretieren. In diesem Fall bezieht sich "digital" auf die festen Zustände von "0" und "1" für die Darstellung beliebiger Daten. Vor dem Beginn des Entwicklungsschubs im Bereich von Heimcomputern, Betriebssystemen und Internet, verstand man unter Neuen Medien noch allgemein neue Medientechniken und entsprechend neue Arten und Vorgehensweisen bei der Verbreitung von Informationen.[13] Beispiele dafür sind das Radio und TV. Die modernen digitalen Medien, allen voran das Internet, zeichnen sich vor allem durch das Zusammenspiel von Multimedialität, Multicodalität, Multimodalität und Interaktivität aus.[14]

Um die Entwicklung digitaler Medien zu verstehen, muss man bei der Entstehung der Neuen Medien beginnen. Bereits im Jahr 1982 definierte Dietrich Ratzke in seinem „Handbuch der Neuen Medien“ den Begriff als „alle Verfahren und Mittel (Medien), die mit Hilfe neuer oder erneuerter Technologien neuartige, also in dieser Art bisher nicht gebräuchliche Formen von Informationserfassung und Informationsbearbeitung, Informationsspeicherung, Informationsübermittlung und Informationsabruf ermöglichen.“[15] Zum heutigen Stand der Technik, drei Jahrzehnte später, mag diese Definition immer noch aktuell sein, den Begriff der Neuen Medien aber gilt es aber genauer zu untersuchen, da dieser auf Grund der Digitalisierung unweigerlich komplexer geworden ist. Allein auf Grundlage der neuen Möglichkeiten im Unterricht, bieten die digitalen Medien Anlass zu einer Neudefinition des Begriffs „Lernen im Fremdsprachenunterricht“. Dabei ist die Abkehr von einseitiger Wissensvermittlung und Lehrerzentriertheit hin zu einem interaktiven, lebendigen Lernvorgang ein eminent wichtiger Schritt.[16] Bereits in den 1970er Jahren bezeichnete der Begriff „Neue Medien“ Massen- und Speichermedien. „Heute steht der Begriff vor allem für digitale und computerbasierte Informations- und Medienkommunikationstechnologien.“[17] Darüber hinaus bieten neue Technologien wie Internet- oder Multimediaanwendungen z.B. technische Lösungen für neue Formen von Bildungsangeboten im Unterricht und besonders beim Lehren und Lernen von Fremdsprachen.

Wie Tschirner feststellt, ist es daher verständlich, dass das öffentliche Interesse, welches den Neuen Medien entgegengebracht wird, sehr groß ist.[18] Gleichermaßen hoch sind die Hoffnungen und Erwartungen, die mit diesen Neuen Medien im Fremdsprachenunterricht sowie im Bildungsbereich insgesamt verknüpft sind, denn Neue Medien besitzen, nicht nur auf Grund der Einfachheit und Zugänglichkeit, die besten Voraussetzungen für neue Impulse im Unterricht.[19] Diese hoffnungsvolle Perspektive von Tschirner aus dem Jahr 2000 scheint mittlerweile der Ernüchterung gewichen zu sein, da die digitalen Medien bisher den Fremdsprachenerwerb im Unterricht noch nicht effizient beeinflussen konnten, sondern eher ein Randphänomen darstellen.[20] Ebenfalls kritisch sieht Peters die Nutzung Neuer Medien im Fremdsprachenunterricht:

„Während Bezeichnungen wie Fernsehen, Videorekorder, Tonbandkassette, etc. klar umgrenzte Ausdrücke sind und längst eine sinnvolle Ergänzung der Printmedien im Unterricht darstellen, sind Begriffe wie CD-ROM, DVD, Telekommunikation, Internet oder World Wide Web für viele Pädagoginnen und Pädagogen nach wie vor leere Worthülsen, an denen sie ihre Skepsis festmachen. Daher haben sich auch viele Lehrerinnen und Lehrer noch gar nicht mit dem Gedanken auseinandergesetzt, solche Medien auch in ihren täglichen Unterricht zu integrieren, das heißt, sie nicht zum pädagogischen Belohnungszuckerl, sondern zu einem integrierten Bestandteil pädagogischen Tuns zu machen. Hinzu kommt, dass der Begriff der Neuen Medien ohne Zweifel immer wieder modifiziert werden muss und die immer rascher fortschreitende technische Entwicklung auch einen immer rascheren Begriffswandel notwendig macht. Dies relativiert auch den Begriff „Neue Medien“, denn wenn solche Medien in unsere Schulen und Bildungsstätten Eingang finden, sind sie längst nicht mehr neu.“[21]

Die Aufteilung der Neuen digitalen Medien kann wie folgt dargestellt werden. Unterteilt wird dabei in Speichermedien, Geräte und Netzwerke:[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Der Gebrauch von digitalen Medien wird vor allem gefördert durch die Theorie des Konstruktivismus.[23] Laut Tschirner ist Lernen dabei ein aktiver Konstruktionsprozess von Vorwissen und neuen Daten. Dieser Spracherwerb, unter Verwendung der digitalen Medien, ist deswegen nicht aus einer einzigen Perspektive heraus erklärbar. Es müssen auch strukturalistische und kognitive Positionen in diese neue Theorie integriert werden.[24] Der Unterricht mit „Neuen Medien“ eröffnet zudem die Möglichkeit des selbstbestimmten, erfahrungsgeleiteten und entdeckenden Lernens, der Begriff der Lernerautonomie ist dabei von zentraler Bedeutung, was später in der Arbeit noch genauer diskutiert wird.[25] Ein weiterer wichtiger Punkt bei der Betrachtung von Neuen Medien ist der Fakt, dass fremdsprachendidaktische Fragestellungen nach bewussten Sprachanstrengungen und unbewussten Erwerbsprozessen zum Aufbau kommunikativer Handlungskompetenz beitragen.[26]

Wichtig ist auch die Besonderheiten der digitalen Medien, bzw. die Rolle von Multimedia und Internet beim Fremdsprachenerwerb zu berücksichtigen. Die digitalen Medien zeichnen sich beispielsweise, im Gegensatz zu den „Neuen Medien“, zusätzlich dadurch aus, dass der digitale Code verändert werden kann. Dabei haben digitale Medien laut Manovich fünf besondere Merkmale:[27]

- Numerische Repräsentation:

Alle medialen Medien sind als Objekte mathematisch beschreibbar und damit quantifizierbar. z.B: Ein digitales Foto wird durch seine Auflösung, d.h. die Anzahl Bildpunkte («Pixel») pro Fläche bestimmt, ein Film durch die Anzahl Bilder pro Sekunde. Bei der Photographie bestimmt die Auflösung den photorealistischen Effekt, da mit einer zu geringen Auflösung das Bild vom menschlichen Auge als „pixelig“, somit als nicht-realistisch wahrgenommen wird.[28]

- Modularität:

Digitale Medien basieren auf einzelnen Modulen, die voneinander unabhängig sind und alle einen identischen Aufbau aufweisen und dadurch beliebig kombinierbar sind. Es ist für digitale Medien ausschlaggebend, dass die einzelnen Module oder Einheiten bei der Neukombination zu neuen Einheiten ihre Autonomie nicht verlieren.[29]

- Automation:

Durch die modulare Struktur digitaler Medien ist es möglich, neue Medieninhalte automatisch zu generieren. Eine dynamische Internetseite wird automatisch aus Datenbankinhalten und aufgrund von entsprechenden Formatierungsregeln generiert. z.B: generiert ein Benachrichtigungsdienst regelgestützt aus Datenbankinhalten Nachrichten, die als E-Mail verschickt werden.[30]

- Variabilität:

Digitale Medien bleiben nie endgültig fixiert und sind immer veränderbar. Dies unterscheidet digitale Medien von analogen Medien: Ein Buch, eine Photographie, ein Film oder ein Video lässt sich nicht mehr verändern, ohne das Medium zu zerstören, denn die Inhalte sind mit dem Trägermedium – Papier, Film, Magnetband – verbunden. Digitale Medien lassen sich aber beliebig variieren; so kann z.B. die Darstellung einer Internetseite individuellen Bedürfnissen angepasst werden.[31]

- Transcodierung:

Damit wird die (auch verlustbehaftete) Umwandlung eines Medienobjektes in ein anderes Format beschreiben. z.B. lassen sich Audiodateien einer Audio-CD in das platzsparende MP3-Format transcodieren.[32]

Manovich bezeichnet den Übergang von alten zu neuen, folgerichtig auch den Übergang von analogen zu digitalen Medien, als einen Prozess der Wandlung zwischen Computer und Kultur. „Während die computerisierten Medien auf der einen Seite noch immer noch für Menschen verständliche Strukturen aufweisen, folgt ihre Struktur auf der anderen Seite nun den Konventionen der Organisation von Daten des Computers. Die Computer-Ebene der Neuen Medien beeinflusst die kulturelle Ebene. Kulturelle Kategorien und Konzepte werden auf der Ebene der Bedeutung und Terminologie ersetzt durch neue, die aus der Ontologie, Epistemologie und Pragmatik des Computers stammen.“[33]

3. Historische Dimensionen von Sprachlernsoftware

Die historische Beschreibung des Lernens mit digitalen Medien lässt sich auf zwei Ebenen darstellen. Zum einen gibt es inzwischen, bezogen auf die Arbeit mit den digitalen Medien, eine eigene Entwicklungsgeschichte, die zeigt, wie unterschiedlich digitale Medien im Fremdsprachenunterricht wirken können. Zum anderen sind die digitalen Medien natürlich nicht die ersten Vorkommnisse von Medieneinsätzen im Fremdsprachenunterricht, sondern stellen den aktuellsten technischen Fortschritt dar.

Ein Medium (lat. Medium – Mitte, Mittelpunkt) wird überwiegend als ein Vermittler von Sprache oder Informationen verstanden und definiert als „nicht primär gegenständlich, sondern funktional definiertes Mittel, Mittler, Vermittler, Brücke.“[34] Das wichtigste Medium zwischen den Menschen stellt die Sprache dar, egal ob gesprochen oder in schriftlicher Form.

Wenn man alltagssprachlich über Medien redet, verbindet man damit Hörfunk und Fernsehen ebenso wie Zeitungen und Zeitschriften. Audiovisuelle- und Printmedien stehen demzufolge gleichrangig nebeneinander. Hinzugekommen sind die digitalen Medien, die wie „eine massive Rückholaktion der Interaktivität in das Kommunikationsgeschehen"[35] scheinen. Wenn es um den Einsatz von Medien im Fremdsprachenunterricht geht, ist dagegen bisher meist von statischen, sich bewegenden Bildern und Tondokumenten die Rede. Zwar ist es unbestreitbar, dass es sich auch bei einem Lehrbuch um ein Medium handelt, in dem Fremdsprachliches aufgeschrieben worden ist, aber fokussiert ist die Diskussion des Medieneinsatzes im Fremdsprachenunterricht traditionell auf Audiovisuelles.[36] Daraus kann man (leider) nicht schließen, dass im Fremdsprachenunterricht die eingefangene gesprochene Sprache eine besondere Rolle spielte. Vieles, was im Fremdsprachenunterricht zu hören ist, ist vorgelesene oder vorgespielte Schriftsprache. Und obwohl bewegte Bilder bereits seit über 100 Jahren existieren, sind Filme, die reinweg Sprachverwendung im Kontexten zeigen und von daher sprachliches Material entscheidend fördern könnten, im Unterricht (zu) oft ein Randphänomen; die meisten Sprachkurse haben weiterhin das Lehrbuch und nicht den Film als ihr Ausgangsmedium.[37]

Neben der Entwicklung für Hörfunk und Fernsehen stehen im 20. Jahrhundert jedoch vor allem drei Arten von Medieneinsatz im Fremdsprachenunterricht im Vordergrund: Im Gefolge der audiolingualen Methode gelangt mit dem Sprachlabor zum ersten Mal Technologie in beträchtlichem Ausmaß in die geisteswissenschaftlichen Abteilungen von Bildungsinstitutionen. Mit dem Konzept des analogen Medienverbundes wird zum ersten Mal im großen Stil versucht, den Einsatz verschiedener Medien planvoll miteinander zu koordinieren. Mit dem Einzug des Computers ins Klassenzimmer kommt es schließlich zur Veränderungen bei der Gestaltung des Lehrmaterials ebenso wie bei der Nutzung der neu verfügbaren Kommunikationskanäle.[38]

3.1 Vom Sprachlabor zum digitalen Medienverbund

Das klassische Sprachlabor verbreitete sich in 1950er Jahren erstmals in den USA, später in den 1960er Jahren dann in der Bundesrepublik Deutschland. Im klassischen Sprachlabor arbeiteten Gruppen von Lernenden, die nur scheinbar Gruppen waren, denn eigentlich handelte es sich um getrenntes, nebeneinander stattfindendes Lernen von einzelnen Personen.[39] „Die Individuen waren oft durch halbgeschlossene Kabinen voneinander getrennt, der Lehrer saß meistens erhöht, er konnte sich in die individuellen Arbeitsprozesse einklinken. Erreicht wurde auf diese Weise eine stärkere Auseinandersetzung des einzelnen Lernenden mit Sprachmaterial, z. B. durch Nachsprechübungen im Bereich der Aussprache oder Umformungsübungen im Bereich der sprachlichen Strukturen.“[40] Das Lehren in der audiolingualen Methode stützte sich auf das Reiz-Reaktions-Schema von B.F. Skinner[41], welcher die Auffassung vertrat, Sprache lasse sich wie ein Verhalten erlernen und durch Nachahmen richtiger Antworten positiv steuern.[42] Erst mit der kommunikativen Methode seit den 1970er Jahren, welche zusätzlich Schreiben und Lesen zum Gegenstand hatte, wurde die audiolinguale Methode abgelöst.[43]

Ein wesentlicher Vorteil eines Sprachlabors war die kontinuierliche Sprech- und Übungszeit für Lernende, welche nicht wie im normalen Sprachunterricht auf alle Schüler aufgeteilt werden musste. Somit war es möglich dass alle Schüler gleichzeitig üben konnten. Heute sind Sprachlabore oft Investitionsruinen; sie werden entsorgt und durch Computerlabore ersetzt. Gründe für den Rückgang von Sprachlaboren sind zum einen die wartungsintensive Technik (Kassetten) und hohe Kostenintensivität, zum anderen auch das „Eingeschlossen sein“ in Kabinen.[44] Der wohl wichtigste Grund für den Rückgang der Sprachlabore ist fatalerweise die Überschätzung derer Möglichkeiten gewesen: Statt sie als Teil des Gesamten von unterrichtlichen Maßnahmen und als Ort des individuellen Übens bestimmter Aspekte von Sprache zu sehen, wurden sie mit übertriebenen Erwartungen begleitet, den Fremdsprachenunterricht gar zu ersetzen, was durch den Sprachlaboreinsatz gewiss nicht erfüllt werden konnte.[45]

Das heutige, multimediale Sprachlabor, welches das klassische Sprachlabor ablöste, wird als Computerlabor bezeichnet. In diesem modernen Sprachlabor sind die Schüler-PCs, welche vollwertige Multimedia-Computer mit Tastatur, Maus, Bildschirm und Headset darstellen, über LAN mit einem Lehrer-PC und/oder Server verbunden. Aus einer separaten Audio-Einheit wird der Ton über analoge Leitungen an die Schüler-PCs verteilt. In derartigen Computerlaboren ist ebenfalls möglich, was in den traditionellen Sprachlaboren möglich war, nämlich individualisiertes Arbeiten, nun allerdings nicht mehr mit Tonkassetten, sondern z. B. mit Multimedia-Versionen von Ausspracheerklärungen und -übungen oder CD-ROMs mit Grammatikübungen.[46] Der Vortragende kann den Studierenden Videoclips mit Ton auf ihre Computer schicken; diese können dann selbst dazu sprechen und nachher vergleichen, was sie gesprochen haben und wie der Originalton ist. Unterstützt wird das durch eine optische Anzeige der Sprachmodulation. Der Vortragende kann zu jedem Studierenden hineinhören, mit ihm sprechen, ihm Texte schicken und vieles mehr. Natürlich kann auch alles auf einen Beamer projiziert werden und vor der Klasse präsentiert werden.[47] Selbstverständlich bietet diese Einrichtung auch die Möglichkeit der individuellen Arbeit an Fernlehrmaterial, allerdings kann diese dauerhaft zu einem Problem führen:

„Im Kontext der digitalen Medien wird der Fremdsprachenlernende bisher nur als individualisierter Lernender verstanden. Eine Konsequenz dessen könnte sein, dass Computerlabore dasselbe Schicksal erleiden werden wie die Sprachlabore aus der audiolingualen Phase. Allein aus diesem Grund ist es wichtig das Autonome Lernen mit Sprachlernsoftware genauer zu betrachten.“[48]

Mit dem Aufkommen der digitalen Medien sind zumindest die technischen Probleme des analogen Medienverbundes beseitigt. Der Sprachmix in der enormen Text- und Bildmenge des Internets und das Vorhandensein der vielen Kommunikationskanäle, die ,echte' Kommunikation mit Sprechern der Zielsprache oder anderen Lernenden der Sprache erlauben, könnte, so hofft man, die Wünsche nach authentischem kommunikativen Unterricht auf neue Weise befriedigen.[49] Die Verbesserung von Kommunikationsmöglichkeiten und das Vorhandensein digitalen Multimedia-Materials sind jedoch nur eine Voraussetzung für neue Arten des Lernens, sie selbst produzieren diese nicht. Die Diskussion um die Authentizität von Material im Klassenzimmer hat sich durch das Internet nicht qualitativ verändert; verändert haben sich die Menge des Angebotes und vor allem die leichte Erreichbarkeit von Sprechern an vielen anderen Orten.[50] Genauer wird dazu in Kapitel 5.5 diskutiert. Lernen in multimedialen Lernumgebungen und in den Weiten der Textvielfalt im Netz ist also unter didaktischen Gesichtspunkten kein neuer Gegenstand, sondern lediglich die technologisch neu gestaltete Verlängerung der existierenden Diskussionen um Begegnungslernen und die Rolle von authentischen Texten im Unterricht.

3.2 Die Anfänge von CALL

„Der Begriff „Computer Assisted Language Learning“ beschreibt im Allgemeinen die Nutzung von computergestützten Lernprogrammen, welche einzelnen Lernern alleinstehende Übungen zur Verfügung stellen und präsentieren, anschließend deren Lösungsvorschläge analysieren und korrigieren und das Programm abhängig vom jeweiligen Vorschlag weiterführen.“[51] Der Begriff des Computer-based Training (CBT) kann als neuzeitliches Synonym für CALL verwendet werden, wobei dabei der Fokus vermehrt auf der nicht-akademischen Nutzung von Lernsoftware liegt. Allgemein betrachtet umfasst CALL drei unterschiedliche Typologien. Beim „Behavioristischen CALL“ dient der Computer als Tutor, welcher automatisierte Routinen durchläuft. Dabei ist das Lernen ein sich stets wiederholender Vorgang.[52] Das „Kommunikative CALL“ dagegen geht, so Hess, von einer Grundidee aus, welche eine Kommunikation zwischen Maschine und Lerner entstehen lassen soll.[53] Dabei kann der Computer als Werkzeug dienen, als auch einen Stimulus für den Lerner darstellen. Eine dritte Art des CALL sieht Hess als „Integratives CALL“. Bei dieser Form muss sich der Lerner, auf Grund der komplexen Materien Multimedia und Internet, stärker integrieren, Kompetenzen erlangen und sein Lernen systematisch steuern.[54]

Seit den 1990er Jahren brachten die Entwicklungen der Multimediatechnologien und des Internets auch neue Möglichkeiten zur Gestaltung von Sprachlernumgebungen. Durch die Kombination von audiovisuellen Informationen konnten nun authentischere Kontexte beim Lernen verwendet werden. Die Vielfalt der einsetzbaren Medien ermöglicht seitdem auch die Kombination von verschiedenen Lerneraktiviäten in einer Übung. Dank Hypertext- bzw. Hypermediastrukturen und der Multitaskingfähigkeit der Computer können die Lernenden eigene Lernwege einschlagen und verschiedene Computerprogramme parallel und ergänzend nutzen.[55] Dennoch wurden die Erwartungen an die Multimediatechnologie im Kontext des Sprachenlernens nicht vollends erfüllt. Das „fundamentale Problem“ ist, dass die „Computerprogramme noch nicht intelligent genug sind um wirklich interaktiv zu sein.“[56] denn sie verstehen zum Beispiel nicht die gesprochene Sprache der Nutzer und können ihre Aussprache nicht beurteilen.

„Aus der alleinstehenden Übung wurden Disketten voll mit mehr oder weniger verbundenen Übungen, aus dem Tusch wurde manchmal sinnvolles Feedback mit Hinweisen auf Erklärungen, mit neuen Übungsvorschlägen usw. Aus der Diskette wurde eine CD, aus dem anfänglich oft auf Grammatikvermittlung beschränkten Gegenstand ein zunehmend bunter werdender Strauß von Sprachlerngegenständen. Einen qualitativen Schritt voran machte CALL jedoch erst wieder, als der alleinstehende Computer gesellig wurde, als er zum Vehikel wurde, mit welchem Nutzer mit anderen Nutzern und/oder den Produkten von anderen Nutzern in Kontakt treten konnten, also als das Internet für das Fremdsprachenlernen genutzt wurde.“[57]

Vor dem Hintergrund der vorliegenden Arbeit sind vor allem folgende Eigenschaften des CALL besonders interessant: CALL bietet eine regelmäßige Interaktion der Lernenden untereinander, vielfältige und differenzierte Feedbackmöglichkeiten, eine regelmäßige, verteilte Nutzung und eine Ausrichtung der Technologie an den Bedürfnissen der Nutzer.“[58] Eine vollständige Umsetzung des Integrated CALL ist laut Bax erreicht, wenn CALL zur Normalität in dem Sinne geworden ist, dass die Nutzung von Computertechnologien so selbstverständlich ist, dass sie überhaupt nicht mehr hervorstechen bzw. CALL nicht mehr als eigenständiges Konzept vorhanden ist, da es unvermeidbar zum Fremdsprachenlernen dazu gehört.[59] Ausgehend von behavioristischen „drill-and-practice“-Programmen haben sich über die Jahre mit der Lernpsychologie auch die methodischen Ansätze und mit dem technischen Fortschritt auch die Software weiterentwickelt. Zwar gibt es, gerade auch im Internet, immer noch Lernanwendungen, die nach dem „drill-and-practice“-Prinzip funktionieren. Die vorherrschenden Konzepte orientieren sich aber an neueren technischen Möglichkeiten, vor allem des Internets und lernpsychologischen Trends.[60] Die aktuellen Medien im CALL/CBT unterscheidet man in die Bereiche Internet-Anwendungen, sowie kommerzielle und nichtkommerzielle Programme.[61] Die nichtkommerziellen Programme sind kostenlose Freeware oder zeitlich begrenzt nutzbare Shareware. Professionelle, für den Markt bestimmte Programme sind teurer, aber auch viel umfangreicher und aufwendiger gestaltet. Die Programme sind in der Regel auf CD oder DVD erhältlich. Die inhaltliche Gestaltung von Sprachlernmedien ist selbstverständlich bestimmt von den Lernzielen und den zu bearbeitenden Lerninhalten. So können diese in Form von „drill–and-practice“ gestaltet sein, folglich dem immer wiederkehrenden Wiederholen von bereits erworbenem Wissen, oder als tutorielle Systeme, die in eine Art Dialog mit dem Lernenden treten und dessen Antworten korrigieren, oder zumindest analysieren.[62]

4. E-Learning als Oberbegriff für digitales Lernen

E-Learning ist ein problematischer, nicht klar eingrenzbarer Begriff. Die Tatsache, dass er parallel zu E-Business, E-Politics usw. verwendet und immer mehr zum Marketingbegriff wird, macht eine Definition schwierig. In einem ganz umfassenden Sinne könnte man schon von E-Learning sprechen, wenn in den Lernprozess überhaupt irgendeine Art von digitalem Material oder eine Verwendung von digitalen Kommunikationskanälen eingebracht wird.[63] Da in nicht allzu ferner Zukunft wahrscheinlich jeder Fremdsprachenkurs Begleitübungen auf CD/DVD nutzt, wäre somit theoretisch jedes Fremdsprachenlernen gleichzeitig auch E-Learning. Zu beachten ist also, dass in eine Definition von E-Learning im Kontext des Fremdsprachenlernens, eine tatsächliche Integration der Informations- und Telekommunikationstechnik in den Lernprozess eingeht.[64] Da damit sowohl Phasen des Online-Lernens als auch des Offline-Lernens, synchrone und asynchrone Kommunikation über Kommunikationskanäle und auch die Beschaffung von Lernmaterialien und Informationen verstanden werden kann und muss, bleibt E-Learning immer noch ein sehr weitläufiger Begriff. Die Definitionsversuche müssen also notgedrungen umfassend und wenig konkret bleiben. So verstehen Baumgartner/Häfele/Maier-Häfele E-Learning als „einen übergeordneten Begriff für softwareunterstütztes Lernen" und es „schließt heute sowohl Lernen mit lokal installierter Software (Lernprogramme, CD-ROM) als auch Lernen über das Internet ein."[65]

Grundsätzlich kann man sagen dass E-Learning eine Reihe unterschiedlicher Aspekte umfasst. Dazu gehören die Verteilung (Distribution) von Lernmaterial, die Kommunikation zwischen Lernenden bzw. Lehrenden untereinander sowie verschiedene Arten von Kooperation zwischen Institutionen, größeren Lerngruppen oder kleineren Gruppen wie z. B. Tandems.[66] Diese unterschiedlichen Gebiete, die als Teile des E-Learning begriffen werden, bringen unterschiedlichste Arbeits- und Kommunikationsformen mit sich: Sie reichen von „einem simplen Zur-Kenntnis-Nehmen von landeskundlichen Informationen über das Üben von Grammatik, betreut durch einen menschlichen Tutor am Ende der Leitung oder durch das programmierte Feedback der Software, bis hin zu komplexen Aktivitäten, die größere Kooperationen von Gruppen von Lernenden an verschiedenen Orten enthalten.“[67] Zumindest theoretisch ist, durch die technischen Möglichkeiten, eine größere Differenzierung und Individualisierung des Lernens und gleichzeitig eine Vielfalt an Kooperationen möglich; in der Realität schlägt diese stärkere Lernerzentrierung aber oft um und bringt Lernformen zutage, bei denen die Aktivitäten der Lernenden hinter das zurückfallen, was fremdsprachendidaktisch sinnvoll ist.[68] Für die Fremdsprachendidaktik ist es deshalb von größter Bedeutung, dass Formen des E-Learning in eine allgemeine lernerbezogene Didaktik eingebettet werden, die kooperative Lernformen und exploratives Lernen fördert und sie auch gegen die vermeintlichen Programmiersachzwänge durchsetzt.[69]

„Es ist nicht ausreichend, beim Thema E-Learning Fremdsprachen an einen virtuellen Ort zu denken, an dem Informationen beschafft, Instruktionen durchgeführt und Rückfragen an einen Tutor gestellt werden; E-Learning muss auch der Raum sein, an dem Lernende sich und ihre Arbeitsergebnisse produzieren und darstellen, an dem sie Simulationen durchführen und komplexe Lernwelten im Internet entdecken können und mit anderen Lernenden interagieren.“ Das Internet wäre für das Fremdsprachenlernen „verschenkt, wenn es auf ein Instruktionsmedium reduziert wird.“[70]

4.1 Lernszenarien

Wenn man von E-Learning spricht, ist man, um Missverständnisse zu vermeiden, gezwungen die unterschiedlichen Lernszenarien zu benennen, die sich dahinter verstecken können. Beim E-Learning von Fremdsprachen reichen die Lernszenarien von einem Sprachkurs an einer Schule oder Universität, bei dem ein gedrucktes Lehrwerk den Unterrichtsverlauf bestimmt, bei dem aber eine Online-Komponente oder Datenträger zumindest eine über reines Beiwerk hinausgehende Rolle spielen, über die sogenannten Formen des Blended Learning, bei denen Präsenzlernen und virtuelles Angebot gemischt werden, bis hin zu dem traditionellen Bereich des Fernlernens.[71] „Der Einsatz von digitalen Medien im Fremdsprachenunterricht darf nicht lediglich deshalb erfolgen, weil die digitalen Medien präsent sind und zumindest anfänglich motivierend wirken.“[72] „Der motivationale Anreiz durch die Medienverwendung im Unterricht hat sich zu allen Zeiten in dem Maße relativiert, in dem das Medium ohnehin Teil des Alltags wurde und damit nichts Außergewöhnliches mehr war.“[73] Deshalb ist jedes Medium des Fremdsprachenunterrichts „zunächst auf seinen Mehrwert in Bezug auf das Unterrichtsergebnis zu befragen."[74] Die fremdsprachendidaktische Auseinandersetzung mit dem Lernen mit digitalen Medien muss daher immer wieder fragen, ob „eine bestimmte Vorgehensweise im Hinblick auf bestimmte Lernziele für bestimmte Gruppen von Lernenden auch tatsächlich die sinnvollste ist, selbst wenn die blinkenden Bildschirme mit den schönen Benutzeroberflächen beim Einstieg in eine Lernsoftware einem dies suggerieren.“[75]

[...]


[1] Joseph Weizenbaum (*1923)

<http://www.zitate.de/db/ergebnisse.php?sz=2&stichwort=&kategorie=Technik&autor=>

[2] Bax, Stephen: CALL – past, present and future. 2002, S. 16. <

http://moodle.bracu.ac.bd/mod/resource/view.php?id=820> (10.12.2011)

[3] Vgl. Ebd.

[4] Vgl. Bax 2002, S.18.

[5] Vgl. Ebd.

[6] Vgl. Bax 2002, S.19.

[7] Vgl. Bax 2002, S.19.

[8] Vgl. Fandrych, Christian. Textsortenforschung und Sprachdidaktik. In: Hall, Christopher & Seyferth, Sebastian (Hrsg.) (2008), Finnisch-deutsche Begegnungen in Sprache, Literatur und Kultur. Ausgewählte Beiträge der Finnischen Germanistentagung 2007. Berlin: Saxa. S. 39.

[9] Vgl. Schocker-v. Ditfurth, Marita. Forschendes Lernen in der fremdsprachlichen Lehrerbildung: Grundlagen, Erfahrungen, Perspektiven. Tübingen. Narr. 2001, S. 57.

[10] Vgl. Reuter, Ewald. Mündliche Kommunikation im Fachfremdsprachenunterricht. München: Iudicium. 1997, S. 114.

[11] Vgl. Schädlich, Katy; Anne Link, Markus Schubert: Computernutzung und Medienkompetenz – Kompetenzen

von Kindern und Jugendlichen im Umgang mit Computer und Internet. Leipzig: KONTUR 21, 2008, S.10.

[12] Vgl. Ebd.

[13] Vgl. Ebd.

[14] Vgl. Ebd.

[15] Ratzke, Dietrich: Handbuch der Neuen Medien: Information und Kommunikation, Fernsehen und Hörfunk, Presse und Audiovision, heute und morgen. Deutsche Verlags-Anstalt 1982, S. 13.

[16] Vgl. Ratzke 1982, S. 13.

[17] Vgl. Schädlich, Katy; Anne Link; Markus Schubert 2008, S. 11.

[18] Vgl. Tschirner, Erwin: Deutsch als Fremdsprache im Medienzeitalter. - In: Fremdsprache Deutsch, Sondernummer II/1997: Trends 2000, S. 55-58.

[19] Vgl. Ebd.

[20] Vgl. Bax 2002. S. 18.

[21] Peters, Klaus: Veränderte Unterrichtswelten – Was verstehen wir unter den Neuen Medien? 2000. <http://imst.uni-klu.ac.at/imst-wiki/images/e/e2/Langfassung_Medien_Helm.pdf> (14.12.11)

[22] Universität der Künste Berlin. <http://www.opp.udk- berlin.de/opp/index.php?title=Neue_Medien_im_Musikunterricht> (13.02.12)

[23] Vgl. Tschirner 2000, S. 58.

[24] Vgl. Ebd.

[25] Vgl. Tschirner 2000, S. 58.

[26] Vgl. Ebd.

[27] Vgl. Manovich, Lev: The Language of New Media. 2002, S. 30ff.

[28] Vgl. Ebd.

[29] Vgl. Manovich 2002, S. 43.

[30] Vgl. Manovich 2002, S. 43.

[31] Vgl. Ebd.

[32] Vgl. Ebd.

[33] Vgl. Manovich 2002, S. 45-47.

[34] Decke-Cornill, Helene / Küster, Lutz: Fremdsprachendidaktik – Eine Einführung, Tübingen, 2010, S. 93

[35] Faßler, M: Netzwerke. Einführung in die Netzstrukturen, Netzkulturen und verteilte Gesellschaftlichkeit. München, 2001. S. 104.

[36] Vgl. Rösler, Dietmar: E-Learning Fremdsprachen: eine kritische Einführung. 2. Auflage. Stauffenburg, 2007, S. 206.

[37] Vgl. Faßler 2001, S. 135.

[38] Vgl. Faßler 2001, S. 135.

[39] Vgl. Jung, Udo: Das Sprachlabor, Königstein. 1978, S. 76.

[40] Ebd.

[41] Vgl. Ebd.

[42] Vgl. Ebd.

[43] Vgl. Jung 1978. S. 77.

[44] Vgl. Kranz, Dieter: Multimedia, Internet, Lernsoftware. 1997. S. 111.

[45] Vgl. Jung 1978, S. 79.

[46] Vgl. Kranz 1997, S. 111.

[47] Vgl. Ebd.

[48] Rösler 2007, S. 208.

[49] Vgl. Ebd.

[50] Vgl. Ebd.

[51] Vgl. Rüschoff, Bernd: Elektronische Medien. - In: Bausch, Karl-Richard; Christ, Herbert; Krumm, Hans-Jürgen: Handbuch Fremdsprachenunterricht, 3. überarb. und erw. Auflage.- Tübingen, Basel: Francke, 1995; S. 320- 323.

[52] Vgl . Hess, Hans Werner: DaF-Software in der Anwendung - "Alter Quark noch breiter"? - In: Info DaF, 1, 1998, S. 54-71.

[53] Vgl. Rüschoff 1998, S. 68.

[54] Vgl. Hess 1998, S. 60

[55] Vgl. Rüschoff 1998, S. 70.

[56] Warschauer, Mark: Computer-assisted language learning: An introduction. 1996.

<http://www.gse.uci.edu/markw/call.html> (12.12.11)

[57] Rösler 2007, S. 211.

[58] Vgl. Warschauer 1996.

[59] Vgl. Bax 2002. S. 18.

[60] Vgl. Roche, J: Fremdsprachenlernen online. In L. J. Issing & P. Klimsa, Online-Lernen: Handbuch für Wissenschaft und Praxis. München. 2009, S. 389.

[61] Vgl. Warschauer 1996.

[62] Ebd.

[63] Vgl. Hallet, Wolfgang; Frank G. Königs (Hrsg.): Handbuch Fremdsprachendidaktik. 2010, S. 285.

[64] Vgl. Ebd.

[65] Vgl. Baumgartner, Peter; Hartmut Häfele; Kornelia Maier-Häfele: E-Learning Praxishandbuch. Auswahl von Lernplattformen. 2002, S. 63.

[66] Vgl. Ebd.

[67] Vgl. Baumgartner/Häfele/Maier Häfele 2002, S. 66.

[68] Vgl. Ebd.

[69] Vgl. Ebd.

[70] Rösler 2007, S. 9.

[71] Vgl. Schulmeister, R.: Virtuelle Universität, virtuelles Lernen. München & Wien. 2001. S. 266.

[72] Vgl. Ebd.

[73] Krumm, Hans-Jürgen; Fandrych, Christian; Hufeisen, Britta; Riemer, Christa: Deutsch als Fremd-und Zweitsprache. De Gruyter. 2010, S. 1205.

[74] Ebd.

[75] Ebd.

Ende der Leseprobe aus 83 Seiten

Details

Titel
Fremdsprachenerwerb mit digitalen Medien - Möglichkeiten und Grenzen
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
1,7
Autor
Jahr
2012
Seiten
83
Katalognummer
V191386
ISBN (eBook)
9783656161783
ISBN (Buch)
9783656161868
Dateigröße
704 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
fremdsprachenerwerb, medien, möglichkeiten, grenzen, germanistik, daf, deutsch als fremdsprache
Arbeit zitieren
Master of Arts Dan Reppe (Autor:in), 2012, Fremdsprachenerwerb mit digitalen Medien - Möglichkeiten und Grenzen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/191386

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