Interaktion im politischen System - Eine systemtheoretische Betrachtung der politischen Kommunikation unter Anwesenden


Magisterarbeit, 2001

168 Seiten, Note: sehr gut


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Einleitung und Problemstellung

I. Grundlagen einer Systemtheorie der Interaktion

1. Interaktion: Eine begriffstheoretische Fixierung

2. Konstitutions- und Grenzbildungsprinzipien von Interaktionssystemen
2.1 Anwesenheit
2.2 Reflexive Wahrnehmung
2.3 Themen

3. Interaktion und Kommunikation
3.1 Kommunikation als elementare Operation alles Sozialen
3.2 Interpenetration: Zum Verhältnis von Kommunikation und Bewußtsein

4. Die Sinndimensionalität von Interaktionen
4.1 Die Sachdimension
4.2 Die Sozialdimension
4.3 Die Zeitdimension
4.4 Die Raumdimension

5. Gesellschaftstheoretische Perspektiven
5.1 Die Nichtidentität von Gesellschaft, Organisation und Interaktion
5.2 Rollendifferenzierung

II. Formanalytische und funktionssystemspezifische Dimensionen politischer Kommunikation

6. Macht als symbolisch generalisiertes Kommunikationsmedium

7. Politische Codierung und Programmierung

8. Die Funktion und die Binnendifferenzierung des politischen Systems

III. Interaktion im politischen System der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft

9. Parteienkommunikation

10. Politische Wahlen

11. Verwaltungskommunikation
11.1 Gesetzgebungsverfahren
11.2 Parlamentskommunikation
11.3 Regierungskommunikation
11.4 Kommunikation in der öffentlichen Verwaltung

12. Die Lobby und der Runde Tisch

Fazit und Ausblick

Literaturverzeichnis

Einleitung und Problemstellung

Politik wird im allgemeinen als ein zentraler (der zentrale?) Bestandteil des gesellschaftlichen Lebens begriffen, von dem alle Bürger gleichermaßen betroffen sind und dessen Entscheidungen man verpflichtet ist. Dabei ist den theoretischen wie alltagspraktischen Annahmen über Politik gemeinsam, daß sie allesamt durch eine lange Tradition bestimmt sind, die ihren markanten Ausgangspunkt in der griechischen Antike findet. Dort scheint sich zum ersten Mal ein Verständnis und ein Bewußtsein für das Gemeinschaftliche, das Öffentliche, das Städtische, eben das Politische entwickelt zu haben. In der Stadt vollzog sich das gesellschaftliche, das öffentliche Leben, dessen Sphäre die Politik war, während das private und normale Zusammenleben weiterhin in den Haushalten stattfand. Die Zentralunterscheidung von oikos/polis bildete den entsprechenden differenzlogischen Beobachtungsmodus, der es ermöglichte, eine Privatsphäre zu pflegen, die nicht mit den öffentlichen Angelegenheiten kollidierte.[1]

Heutzutage ist diese Differenz nicht mehr durchzuhalten, denn Politik ist ein gesellschaftliches Phänomen, daß sich gerade im Hinblick auf die Ausdifferenzierung der unterschiedlichen Politikfelder einen Zugriff auf alle Teilbereiche des Sozialen und des Privaten gesichert hat.[2] Die Omnipräsenz des Politischen dokumentiert sich aber auch durch seine massenmediale Verbreitung in Tages- und Wochenzeitungen, durch die permanente Nachrichten- und Berichterstattung in Hörfunk und Fernsehen sowie die zentrale Plazierung politischer Themen auf der Agenda der Redaktionen. Das hat nicht zuletzt zur Folge, daß politische Entscheidungen und Angelegenheiten das Thema alltäglicher Diskussionen, Unterhaltungen und Pausengespräche sind. Des weiteren sind Begriffe wie politische Willensbildung, politische Sozialisation, politische Aufklärung, politische Kultur usw. ebenfalls Ausdruck für die gesellschaftliche Signifikanz des Politischen.

Politik hat zudem ein schlechtes Ansehen, weil man zunehmend den Eindruck gewinnt, daß die politischen Akteure inkompetent, willkürlich, gleichgültig und erhaben sind. Diese Ansicht wird weiterhin durch die vielfach herrschende Vorstellung genährt, der Staat sei die Zentralinstanz der Gesellschaft, in dessen Händen sich das Machtmonopol konzentriert. Politik wird als Anwendung von Macht verstanden, und Macht ist das Bewirken von Zuständen gegen möglichen Widerstand, dem man hilflos ausgeliefert ist oder dem man sich nur unter Sanktionen widersetzen kann. Wir kommen darauf an entsprechender Stelle zurück und werden sehen, daß dies unserer Ansicht nach einem zu einseitigen Verständnis von Politik entspricht.

Die Thematisierung des Politischen unter theoretischen Gesichtspunkten ist nach wie vor die Domäne der Politikwissenschaft, wenngleich die Ausdifferenzierung wissenschaftlicher Disziplinen dazu geführt hat, daß auch andere Fachbereiche das politische Handlungsfeld unter Bezugnahme auf andere Problem- und Fragestellungen thematisieren. Diese „multidisziplinäre“ Perspektivenvielfalt hat zur Konsequenz, daß unterschiedliche Disziplinen auch entsprechende Unterschiede in den Zugriffs- und Beobachtungsweisen wählen, die untereinander nicht immer kompatibel sind. Die Politische Philosophie hat ein anderes Verständnis vom Politischen als die Politikwissenschaften, medientheoretische Ansätze ein anderes als die Rechts- oder die Wirtschaftswissenschaften. Dabei offenbaren sich auch immer wieder Schwächen hinsichtlich einer adäquaten Beschreibung der Wirklichkeit in dem Sinne, daß die gesellschaftsstrukturellen Veränderungen nicht selbstverständlicherweise zugleich von einer Veränderung ihrer Semantik begleitet sind. Die theoretischen Ansätze und Modellvorstellungen passen sich oftmals nicht dem Tempo des sozialen Wandels an und laufen Gefahr, diesen obsoleten Beschreibungen weiterhin Validität zu bescheinigen. „Die Ideenevolution folgt anderen Bedingungen als die sozialstrukturelle Evolution der Gesellschaft. Sie läßt ,alte Namen‘ fortleben, auch wenn das, was damit bezeichnet wird, sich ändert.“[3]

So fragt die Politische Philosophie weniger nach den kommunikativen Aspekten des Politischen, als vielmehr nach den Bedingungen der Konstitution eines gerechten Staates (Platon), dessen ethischen Grundprinzipien (Aristoteles), den Möglichkeiten unumschränkter Macht- und Herrschaftsausübung (Machiavelli, Bodin) sowie den Normen und Strukturen einer politischen Ordnung, die ein Zusammenleben der Menschen ermöglicht (Hobbes, Locke, Rousseau). Interessanterweise hat es von Beginn der politischen Ideengeschichte an Einrichtungen gegeben, die eine intensive politische Kommunikation betrieben haben. „Jedes politische Gemeinwesen hat Institutionen politischer Kommunikation eingerichtet: von der altathenischen ,ecclesia‘ über das römische ,forum‘ bis zum modernen Parlament.“[4] Jedoch sind solche prozessualen Kommunikationszusammenhänge theoretisch weder berücksichtigt noch adäquat aufgearbeitet worden. Die Thematik der staatsphilosphischen Untersuchungen und Entwürfe konzentrierte sich auf Fragen nach der Staatsbildung sowie der Kontrolle und Ausübung physischer Gewalt. Allenfalls die Frage nach der Stellung des einzelnen zum Ganzen hat ein Problembewußtsein für das Wechselverhältnis von Staat und Individuum geschärft, aber dies auch nicht im Hinblick auf die politischen Kommunikationsprozesse, sondern als Frage nach den Möglichkeiten der Integration und Unterwerfung des einzelnen unter die politischen Verhältnisse respektive unter einen Staats- und Gesellschaftsvertrag. Letzten Endes hat die philosophische Tradition keinen brauchbaren Begriff von politischer Kommunikation ausgebildet.

Sondiert man die medientheoretischen und publizistischen Modelle und Ansätze, so fällt auf, daß sie ihren Untersuchungsverlauf auf das reziproke Abhängigkeitsverhältnis von Politik und Medien fokussieren. Im Vordergrund steht dabei die Frage, inwiefern die Kommunikation der Massenmedien in den politischen Prozeß eingreift und Einfluß auf das politische Geschehen nimmt. Vielfach bilden die politischen Wahlen den Kristallisationspunkt des medientheoretischen Interesses mit der Fragestellung, welche politische Funktion den Massenmedien zukommt und welchen Beitrag sie zu den Wahlentscheidungen leisten. Mit den Forschungsfeldern der Zweistufenkommunikation (two-step-flow), der Agenda-Setting-Hypothese, dem transaktionalen Ansatz oder dem „Third-Person“-Effekt werden Erklärungsmodelle geliefert, die sich explizit dem Forschungsgegenstand „Politik und Medien“ zuwenden. Kommunikation wird dort vielfach immer noch ganz im Sinne der mathematischen Informationstheorie als zweistufiger Übertragungsvorgang aufgefaßt, der vom Sender bzw. Kommunikator zum Empfänger bzw. Rezipienten läuft.[5]

Formanalytisch wie differenzlogisch wird keine strikte Trennung zwischen dem politischen System und dem System der Massenmedien gezogen. Die Nachrichten- und Berichterstattung politischer Themen wird als politische Kommunikation der Massenmedien deklariert. Aus Sicht des Theorems der funktionalen Differenzierung der Gesellschaft in autopoietisch operierende Teilsysteme muß diese Annahme dahingehend korrigiert werden, daß auch das System der Massenmedien ein autonomes Funktionssystem ist, das nach Maßgabe eigener Kriterien operiert und das politische Geschehen irritieren und beeinflussen kann, aber letztendlich nicht in der Lage ist, politische Entscheidungen vorbereiten, treffen und ausführen zu können. Ihre Kommunikation ist und bleibt als Form eine massenmediale, die lediglich politische Themen traktieren und über das politische System kommunizieren, aber nicht als Subsystem an der Reproduktion des politischen Systems partizipieren kann.[6]

Die Politikwissenschaft ist ihrem Selbstverständnis nach die Lehre zur Analyse von politischen Systemen und hat zu diesem Zweck ihren Untersuchungsgegenstand systematisch dreifach differenziert in die Dimensionen der Polity, der Politics und der Policy. Die Polity-Dimension befaßt sich mit der institutionellen und normativen Grundordnung eines politischen Systems; in der Politics-Dimension ist der politische Prozeß der Interessenartikulation und Willensbildung von Bedeutung; die Policy-Dimension widmet sich der Untersuchung der verschiedenen Politikfelder.[7] Die politikwissenschaftlichen Untersuchungen erfassen den Prozeß der politischen Kommunikation in seiner Bedeutung allerdings äußerst selten. Thematisch fokussiert werden die politischen Strukturen, das organisationale und institutionelle Gefüge, die Handlungsfelder und Aufgabenbereiche sowie die Verflechtungen zu anderen gesellschaftlichen Teilbereichen. Die Analyse der kommunikativen Ereignisse innerhalb der politischen Organisationen sowie zwischen dem politischen und anderen Teilsystemen ist ein eher randständiges Thema. Von Interesse ist allenfalls der Einfluß der Massenkommunikation auf das politische Geschehen. Noch weniger Beachtung findet der Aspekt der Prozessualität von Kommunikation als zeitpunktfixiertes Ereignis, an das zwecks Reproduktion des Systems beständig angeschlossen werden muß.[8]

Die politikwissenschaftliche Zugangsweise laboriert des weiteren nach wie vor an einem grundlegenden Mißverständnis, das zum Theorem der funktionalen Differenzierung im Widerspruch steht. Gemäß dem Prinzip der Gewaltenteilung betrachtet sie nicht nur die Rechtsetzung, sondern auch die Rechtsprechung und Rechtsanwendung als politische Funktionen und infolgedessen die Justiz als Teilsystem des politischen Systems.[9] Auch hier wird die funktionale Ausdifferenzierung der autonomen Teilsysteme der Politik und des Rechts torpediert, indem die rechtsförmige Kommunikation als Sonderform der politischen Kommunikation klassifiziert wird. Die Entscheidung über Recht oder Unrecht wird dem Kompetenzbereich des Politischen zugerechnet, ohne die Autonomie und operative Geschlossenheit des Politik- wie des Rechtssystems zu beachten.

Von vorstehenden Ungenauigkeiten inspiriert, wollen wir im folgenden unser Verständnis von Politik und politischer Kommunikation genauer akzentuieren und versuchen, den disziplinenübergreifenden Untersuchungsgegenstand „Politische Kommunikation“ zunächst aus kommunikationstheoretischer Perspektive formanalytisch einzugrenzen und im Anschluß daran zu studieren, inwiefern politische Interaktionen in die Aufrechterhaltung der Autopoiesis des politischen Systems eingebunden sind und welche Funktion sie wahrnehmen, sprich: in welcher Hinsicht Interaktionen für das Gesamtsystem von Relevanz sind. Als Referenzadresse und Theoriegrundlage dient uns dabei die Systemtheorie in der Version, wie sie von Niklas Luhmann vorgelegt worden ist. Damit ist zugleich die Feststellung verbunden, daß es inhaltlich um die Herleitung eines bestimmten Politikverständnisses geht, welches nicht nahtlos an traditionelle Vorstellungen anknüpft. Wir wollen das kurz an zwei Beispielen belegen.

Erstens trifft das vor allem auf die immer noch kultivierte, aber obsolete Vortstellung der im 19. Jahrhundert insbesondere von Hegel fixierten Trennung von Staat und Gesellschaft zu. Dieser Konzeption entspricht eine Auffassung, die den Staat als ein Gebilde konstruiert, daß der Gesellschaft gegenübersteht. Jedoch ist der Staat, wie wir noch sehen werden, keine außergesellschaftliche Entität, sondern Teil des politischen Systems der modernen Gesellschaft. Er dient dem System als Selbstbeschreibung und findet sein Pendant nicht mehr in der Gesellschaft, sondern in der Politik[10] Zweitens wird mit der Vorstellung zu brechen sein, der Staat bzw. die Politik firmiere als Zentralorgan an der Spitze der Gesellschaft, um diese zu verwalten. Die damit einhergehende These einer politischen Steuerung der Gesamtgesellschaft ist aus systemtheoretsicher Sicht nicht haltbar, denn einerseits ist jeder Steuerungsversuch mit dem Problem der Gleichzeitigkeit konfrontiert, also damit, daß alle System- und Umweltereignisse koinzidieren, andererseits ist jede konkrete Steuerung ein Moment der Minderung von Differenzen, während die moderne Gesellschaft es geradewegs zu ihrer Kardinalsaufgabe erkoren hat, die Differenzierung zu steigern.[11]

Wenden wir uns nunmehr dem Luhmannschen Werk zu. Als allgemeine Theorie selbstreferentieller, sozialer Systeme konzipiert, die sich nach oben hin von einer allgemeinen Systemtheorie und nach unten von einer je eigenständigen Gesellschafts-, Organisations- und Interaktionstheorie abgrenzt[12], ermöglicht die Systemtheorie eine umfassende Beschreibung und Analyse alles Sozialen unter der Prämisse, daß alles Soziale aus Kommunikation besteht, sich durch Kommunikation generiert und reproduziert und Kommunikation als der alle sozialen Bereiche durchdringende fundamentale Prozeß verstanden wird.[13]

Einem Anliegen unserer Fassung bietet das diverse Vorteile: Zum einen schafft die als Universaltheorie angelegte Systemtheorie die Voraussetzung, sie interaktionstheoretisch auszuarbeiten und diesen Ansatz als Anwendungsfall einer allgemeinen Theorie sozialer Systeme zu erproben. Zum zweiten verfügen wir über ein Begriffsinstrumentarium, das es ermöglicht, Prozesse und Strukturen auf der mikro-, meso- und makrologischen Gesellschaftsebene im Sinne einer einheitlichen Gesamttheorie zu erfassen. Begriffe wie Autopoiesis, Sinn, Komplexität, operative Geschlossenheit, strukturelle Kopplung, um nur einige herauszugreifen, können keine exklusive Reservierung für die Beschreibung eines sozialen Teilbereichs beanspruchen. Schließlich haben wir mit der Kommunikation als basic unit alles Sozialen einen Begriff zur Hand, mit dem die Konstitution, die Prozessualität sowie die zeitpunktfixierte Ereignishaftigkeit sozialer bzw. gesellschaftlicher Vorgänge theoretisch beschrieben werden kann. Mit diesem Fundament ausgestattet, zielen wir direkt ins Zentrum unserer Frage- und Problemstellung.

Unser erstes (recht triviales) Anliegen ist es, die Systemtheorie in Anwendung zu bringen. Ihr selbst formulierter Universalitätsanspruch, alles Soziale beschreiben zu können, soll exemplarisch am Fall der politischen Kommunikation unter Anwesenden vorgeführt werden. Dabei handelt es sich um eine Formanalyse, die politische Kommunikation als eine spezifische Kommunikationsform etikettiert, die sich z. B. von geselliger, intimer, wissenschaftlicher, wirtschaftlicher oder erzieherischer Kommunikation unterscheidet und aufzeigt, welche Bedingungen erfüllt sein müssen, um eine Kommunikation als politisch deklarieren zu können. Ziel ist es, die mikrologischen Prozesse im politischen System mit Hilfe des systemtheoretischen Begriffsapparates zu rekonstruieren und zu reformulieren, da hier primär die Anknüpfungspunkte für eine kommunikationswissenschaftliche Perspektive, die einen Schwerpunkt in der Untersuchung von interaktionsförmigen Kommunikationsprozessen gebildet hat, liegen. Wir blenden damit explizit die gesellschaftstheoretische Analyse aus, da diese gesondert auf dem Feld der Soziologie zu entwickeln wäre. Im übrigen würde dies unsere Problemstellung umkehren und uns veranlassen, nach der Relevanz und Funktion des politischen Systems für die Gesellschaft zu fragen mit der Konsequenz, den Gesellschaftsbegriff ins zentrale Blickfeld der Betrachtung zu rücken.

Das politische System hat die Funktion, Entscheidungen zu treffen, die eine kollektive Verbindlichkeit beanspruchen.[14] Zu diesem Zweck ist es auf die Ausdifferenzierung von Organisationen angewiesen, die diese Entscheidungen nach formalen Bedingungen und programmatischen Vorgaben treffen. Unser Erkenntnisinteresse liegt im Sinne der Ebenendifferenzierung allerdings noch eine Stufe darunter und fragt nach der Relevanz von Interaktionen im politischen System. Die zentrale Fragestellung unserer Arbeit lautet: Welchen Beitrag leistet und welche Funktion hat die politische Kommunikation unter Anwesenden für das politische System? In diesem Zusammenhang ist obendrein von Interesse, inwiefern politische Interaktionen in die Selbstproduktion sowie die Aufrechterhaltung der Autopoiesis des Gesamtsystems eingebunden sind. Dabei verweist der bloße Vollzug von Kommunikation lediglich auf die gesellschaftliche Relevanz eines Teilsystems. Jedes Funktionssystem ist zu seiner Ausdifferenzierung, autopoietischen Reproduktion und Selbstschließung aber darauf angewiesen, eine spezifische Kommunikationsform auszubilden, die nur in dem jeweiligen Funktionssystem Verwendung findet und anhand dessen es sich von anderen Funktionssystemen unterscheiden läßt. Das Letztelement des politischen Systems ist die kollektiv verbindliche Entscheidung und „die Autopoiesis besteht in der Reproduktion (= Produktion aus Elementen) der elementaren Operationen des Systems, also zum Beispiel (...) von kollektiv bindenden Entscheidungen.“[15] Dahinter steckt die für diese Arbeit wichtige These, daß das politische System sich nicht allein auf der Basis von organisationsförmigen Entscheidungskommunikationen reproduziert, sondern auf Interaktionen angewiesen ist, die Entscheidungen vorbereiten und ausführen. Das betrifft schlicht die Selbstproduktion des Systems. Wir fragen aber auch danach, ob politische Interaktionssysteme ebenfalls kollektiv verbindliche Entscheidungen treffen, die dadurch die Aufrechterhaltung der Autopoiesis des politischen Systems sicherstellen. Es wären dann keine Entscheidungen einer Organisation, sondern Entscheidungen, die interaktional zugerechnet und verantwortet werden und als Entscheidungen über Entscheidungsprämissen fungieren.

Vorab verhelfen uns zwei systemtheoretische Grundbegriffe dazu, das politische System sowie das Phänomen der „Politischen Kommunikation“ eindeutig zu bestimmen und für eine kommunikationswissenschaftliche Sichtweise attraktiv zu machen: Differenzierung und Operation. Wenn wir im folgenden von Differenzierung sprechen, ist damit immer der Aspekt der Systemdifferenzierung gemeint, also die Tatsache, daß innerhalb eines sozialen Systems weitere Systeme ausdifferenziert werden, die ein weiteres System/Umwelt-Verhältnis konstituieren.[16] Begreift man ferner die Gesellschaft als das umfassende soziale System, das als Form nichts anderes ist als die Differenz von System und Umwelt und somit alle anderen sozialen Systeme einschließt[17], kommt man nicht umhin, auch das politische System als ein Teilsystem der Gesellschaft zu beschreiben. Innerhalb der funktional ausdifferenzierten Gesellschaft ist das politische System dann ein Teilsystem, das gleichrangig neben dem Recht, der Wissenschaft, der Kunst, der Erziehung, der Wirtschaft usw. nach Maßgabe eigener Kriterien operiert und existiert.

Entscheidend für den Bestand eines sozialen Systems und seiner identifizierbaren Differenz zur Umwelt ist seine Operationsweise.[18] Die Systemtheorie geht bekanntermaßen davon aus, daß die Basisoperation der Gesellschaft Kommunikation ist. Die Gesellschaft besteht aus Kommunikation, sie produziert und reproduziert sich durch Kommunikation und grenzt sich auf diese Weise von allen nicht-sozialen Phänomenen ab. Dies geschieht immer autopoietisch, also dadurch, daß jede Kommunikation rekursiv an eine vorherige Kommunikation anschließt.[19] Das bedeutet für die Problemstellung unserer Arbeit,

„daß auch die Teilsysteme auf die Operationsweise des Gesamtsystems angewiesen sind, in unserem Falle also auch das politische System auf die Operationsweise Kommunikation; und daraus folgend, daß auch die Teilsysteme operativ an der Reproduktion des Gesamtsystems teilnehmen, daß also politische Kommunikation Gesellschaft vollzieht.“[20]

Diese einleitenden Bemerkungen mögen genügen, um eine grobe Vorstellung der dieser Arbeit zugrunde liegenden Intention zu skizzieren. Der Schwerpunkt liegt auf der systemtheoretischen Reformulierung interaktionsförmiger politischer Kommunikation mit dem Ziel, deren Funktion und Relevanz für die autopoietische Produktion und Reproduktion des politischen Systems zu untersuchen. Jeder Anwendungsfall einer allgemeinen Theorie sozialer Systeme sollte neben den allgemeinen Begrifflichkeiten seine spezifischen Theoriebausteine ausflaggen, um sich von anderen Anwendungsfällen unterscheiden zu können. Beispielsweise muß eine eigenständige Interaktionstheorie sich nicht um den Tatbestand formaler Mitgliedschaftsregeln kümmern, so wie eine eigenständige Organisationstheorie den Aspekt der reflexiven Wahrnehmung vernachlässigen kann. Deshalb ist es notwendig, den konkreten Verlauf der Arbeit in drei Teile aufzugliedern.

Der erste Teil dient der Einführung in das systemtheoretische Vokabular und startet mit einer begriffstheoretischen Fixierung von Interaktion (Kapitel 1). Das dient uns als Basis, um ihm weiteren Verlauf die für das Programm einer eigenständigen Interaktionstheorie notwendigen Begriffsgrundlagen zu erarbeiten.[21] Zunächst werden die für eine Interaktion erforderlichen Konstitutions- und Grenzbildungsprinzipien der Anwesenheit, der reflexiven Wahrnehmung und der Themenbildung erläutert (Kapitel 2). Dem schließt sich die Rekonstruktion des Kommunikationsbegriffs an mit der zusätzlichen Fokussierung auf das wechselseitige Abhängigkeitsverhältnis von sozialen und psychischen Systemen (Kapitel 3). Beide Systemtypen operieren im Medium Sinn und aktualisieren momenthaft sinndimensionale Differenzen in sachlicher, zeitlicher und sozialer Hinsicht. Die Bedeutung der Sinndimensionen, vor allem als Zurechnungskategorien und Schemata für interaktionale Zusammenhänge, steht im Mittelpunkt des nächsten Kapitels (Kapitel 4). Ergänzt wird dieses Kapitel durch die Einführung der Raumdimension, die zunächst als Spezialfall für Interaktionssysteme plausibilisiert wird. Die anschließenden Überlegungen (Kapitel 5) bilden bereits die Brücke zum zweiten Hauptteil und fragen nach den gesellschaftstheoretischen Gesichtspunkten von Interaktionen. Genauer geht es um die Abgrenzung und Ausdifferenzierung der drei Gesellschaftsebenen (Interaktion, Organisation und Gesellschaft) sowie die Ausdifferenzierung und Funktionalität von sozialen Rollen.

Der zweite Teil nähert sich unserer eigentlichen Problem- und Fragestellung und rückt das politische System der Gesellschaft ins Blickfeld des Interesses. Bevor wir aber konkret auf die unterschiedlichen Interaktionskonstellationen zu sprechen kommen, beschäftigen wir uns zwecks Hinführung zum Kernthema mit dem symbolisch generalisierten Kommunikationsmedium Macht (Kapitel 6), dem politischen Code und den politischen Programmen (Kapitel 7) sowie der Funktion und Binnendifferenzierung des politischen Systems (Kapitel 8). Diese Vorarbeiten sind notwendig, um den Untersuchungsgegenstand „Politische Kommunikation“ formanalytisch spezifizieren und von anderen Kommunikationsformen abgrenzen zu können. Zudem sollen diese Ausführungen den Effekt erzielen, einen Überblick hinsichtlich des Aufbaus und der Strukturen des politischen Systems zu liefern. Dieses Hintergrundwissen ist nicht unerheblich, um ein Verständnis für die Relevanz von Interaktionen im politischen System zu entwickeln. Der dritte Teil (Kapitel 9 - 12) der Arbeit thematisiert dann schließlich selektiv unterschiedliche politische Interaktionen und versucht, deren Funktion und Bedeutung für die autopoietische Produktion und Reproduktion des Gesamtsystems herauszuarbeiten.

Zum Abschluß dieser einleitenden und den konkreten Gang der Arbeit kennzeichnenden Bemerkungen wollen wir nun die Schnittstellen bestimmen, an denen unser Themenfeld eine Anbindung an die Kommunikationswissenschaft bietet und für diese eine affirmative Relevanz entwickelt. Die Kommunikationswissenschaft ist darum bemüht, „sich für den generellen Bereich aller als Kommunikation auftretenden Phänomene sowie für deren Rahmenbedingungen zu interessieren.“[22] Zu diesem Zwecke, und in bezug auf ein eigenständiges Profil und Erklärungspotential, greift sie parasitär auf Erkenntnisse anderer wissenschaftlicher Teildisziplinen zurück, um sie selektiv auf ihren kommunikationstheoretischen Gehalt zu überprüfen und sich davon zu nähren. Sie gewinnt dadurch als Einzelwissenschaft eine Identität, indem sie sich nicht von Fachgrenzen, sondern vielmehr von spezifischen Themenkomplexen und Problemstellungen leiten läßt, soweit diese eine kommunikationstheoretische Bewandtnis beanspruchen können.

Insbesondere die Essener Kommunikationswissenschaft hat sich ihrem Selbstverständnis nach darauf konzentriert, den Phänomenen der zwischenmenschlichen Verständigung verstärkte Aufmerksamkeit zu widmen. Sie schließt damit keineswegs ab ovo Fragen nach kognitiven, anthropologischen, affektiven und technischen Bedingungen von Kommunikation aus, fokussiert ihr Forschungsinteresse aber exklusiv auf den Bereich sozialer Kommunikationsprozesse. Kommunikation ist grundsätzlich als ein zusammenhängendes Ereignis zu begreifen, an dem das mindestens zwei Individuen teilnehmen, die wechselseitig aufeinander Bezug nehmen. Speziell für das formulierte Ziel der Ausarbeitung einer Kommunikationstheorie bzw. der Bestimmung eines adäquaten Begriffs von Kommunikation sind infolgedessen jegliche Definitionen ausgeklammert, die auf dem weiten Feld der Naturwissenschaften entwickelt worden sind und biologische, chemische, physikalische, neurophysiologische u. ä. Austauschprozesse als Kommunikation behandeln. Zudem wird diese Spezifikation auf den Phänomenbereich des Sozialen nochmals re-spezifiziert, indem sich die Essener Kommunikationswissenschaft primär für die mikrologischen Prozesse, also den Bereich der face-to-face-Kommunikation interessiert. Forschungsschwerpunkte bilden dabei Fragen nach den Bedingungen von Kommunikation, der Binnenstruktur, der Prozessualität, den Zeichen- und Symbolsystemen, den Kommunikationsmedien sowie den brauchbaren Resultaten für die Weiterentwicklung einer kommunikationswissenschaftlichen Theorie und Methodik.

Genau hier liegen die Anknüpfungspunkte, die es erlauben, die Systemtheorie Luhmannscher Prägung für kommunikationstheoretisch relavant zu erachten und es zudem rechtfertigen, mit seinem Begriffsinventar das politische Terrain unter vorliegender Fragestellung zu betreten. Luhmanns Gesellschaftstheorie basiert darauf, neben den Ansätzen einer allgemeinen Differenzierungstheorie und einer allgemeinen Evolutionstheorie, ebenfalls eine allgemeine Kommunikationstheorie auszuarbeiten, um alle drei Theoriekomplexe für eine soziologische Analyse zugänglich und nutzbar zu machen.[23] Die kommunikationstheoretisch zentrale Aussage lautet: „Gesellschaft ist nicht ohne Kommunikation zu denken, aber auch Kommunikation nicht ohne Gesellschaft.“[24] Für unser Vorhaben ist wichtig festzuhalten, daß Luhmann Kommunikation als selbstreferentiellen Prozeß qualifiziert und sein Konzept es ermöglicht, sowohl die Charakteristika der unterschiedlichen Systemebenen von Interaktion, Organisation und Gesellschaft als auch die binnenstrukturellen und formanalytischen Merkmale verschiedener Systemtypen zu erfassen und zu beschreiben. Insofern ist es legitim, sich dem Bereich der politischen Interaktion unter einer spezifischen Fragestellung systemtheoretisch zu nähern, um ihn für eine kommunikationswissenschaftliche Perspektive gewinnbringend in Anschlag zu bringen.

Noch eine letzte Bemerkung: Es sei darauf hingewiesen, daß die zur Analyse ausgewählten Interaktionen sich ausschließlich auf das politische System der Bundesrepublik Deutschland beziehen. Unterstützt man die These eines weltpolitischen Systems, daß sich als Teilsystem der Weltgesellschaft ausdifferenziert hat und sich intern in Territorialstaaten differenziert[25], so ließe sich unser Anliegen zweifelsohne auch an anderen Staaten exemplarisch vorführen. Im übrigen widerspricht die segmentäre Differenzierung des weltpolitischen Systems in Regionalstaaten weder dem Theorem der funktionalen Differenzierung noch dem einer Weltgesellschaft. Vielmehr macht es im Falle der Politik sogar Sinn, von konkreten Staats- und Raumgrenzen auszugehen, denn zum einen sind die regionalen Verhältnisse hinsichtlich der kulturellen, wirtschaftlichen und demographischen Faktoren zu unterschiedlich, als daß das weltpolitische System zentral verwaltet und regiert werden könnte, zum anderen reduziert die Segmentierung des weltpolitischen Systems in erheblichem Maße die Gefahr, daß andere Funktionssysteme politisiert, das heißt in ihrer Eigendynamik gestört werden. Diese Autonomie gestattet es jedem einzelnen Funktionssystem darüber zu entscheiden, inwieweit es Globalisierungs- und Regionalisierungstendenzen mitträgt und verantwortet.

„Im weltpolitischen System der Gegenwart ist Politik eine weltgesellschaftlich notwendige Funktion kollektiv bindenden Entscheidens. Segmentäre Differenzierung dieses Systems in Territorialstaaten dient dazu, diese Funktion an die regional extrem unterschiedlichen Bedingungen heranzuführen; und zwar an Unterschiede, die kulturelle, klimatische, ökologische, vor allem aber weltwirtschaftliche Ursachen haben und insofern durch die Weltgesellschaft selbst erzeugt werden. Segmentäre Differenzierung muß aber immer ein Mindestmaß an ,Ähnlichkeit‘ der Segmente voraussetzen können. Daraus ergibt sich das Problem, Verschiedenheit und Gleichheit zugleich zu garantieren. Das geschieht durch Reduktion der Gleichheit auf ,Staatlichkeit‘ und der Staatlichkeit auf organisierte Kommunikationskompetenz.“[26]

Mit hinreichend methodischem und begrifflichem Rüstzeug ausgestattet, können wir im folgenden unseren Gedankengang weiter verfolgen und konkretisieren.

I. Grundlagen einer Systemtheorie der Interaktion

Als elementare und einfachste soziale Einheit stellt die Interaktion einen Grenzfall dar, da sie keine weitere interne Ausdifferenzierung von Subsystemen zuläßt, aber dennoch einen Komplexitätsgrad erreicht und eine eigenständige Ordnung ausbildet, die eine gesonderte Untersuchung ihrer Strukturen und Prozesse sinnvoll erscheinen läßt.[27] Konzeptionell erfordert das zunächst eine Konkretisierung dessen, was unter Interaktion zu verstehen ist, um daran weitergehende Überlegungen anschließen zu können.

Interaktion ist nicht identisch mit Kommunikation, wenngleich Interaktion die vielleicht ursprünglichste Form eines sozialen Gebildes darstellt und keine Interaktion ohne Kommunikation zustande kommt. Sie ist ebensowenig repräsentativ für Sozialität schlechthin, sondern stellt lediglich den Fall eines spezifischen sozialen Systems dar, der die sozio-kulturelle Evolution von Beginn an begleitet hat. Weniger denn je ist im übrigen die moderne Gesellschaft als Konglomerat von Interaktionen zu begreifen, da sich die Gesellschaft zu ihrer Reproduktion zunehmend in Abhängigkeit von anderen Typen sozialer Systeme und anderen Kommunikationsformen begeben hat. Zugleich ist ihr Bestand aber nicht ohne die Existenz von einfachen sozialen Systemen zu gewährleisten. „Gesellschaft ist daher nicht ohne Interaktion und Interaktion nicht ohne Gesellschaft möglich.“[28] Im Zuge dessen wollen wir uns dem Forschungsgegenstand Interaktion zunächst auf begrifflichem Wege nähern, um daran anschließend ein system- bzw. kommunikationstheoretisches Verständnis aufbauen zu können.

1. Interaktion: Eine begriffstheoretische Fixierung

Der Begriff Interaktion ist ein durchaus weitläufig abgewandelter und in unterschiedlichen Kontexten verwendeter Begriff. Das bedeutet, daß diejenigen Prozesse, die heute als Interaktion begriffen und beschrieben werden, schon lange Gegenstand der wissenschaftlichen Auseinandersetzung sind, der Begriff Interaktion aber erst in der Nachkriegszeit des 20. Jahrhunderts Einzug in die Wissenschaft respektive die Soziologie und die Massenkommunikationsforschung gehalten hat.[29]

Wir wollen diese Arbeit nicht dazu nutzen, eine wissenssoziologische Rekonstruktion vorzulegen, die erkennen läßt, unter welchen Randbedingungen sich dieser Themenkomplex als eigenständiger Forschungsbereich innerhalb der soziologischen und kommunikationswissenschaftlichen Theoriebildung etabliert hat. Hierzu mögen wenige Bemerkungen genügen, die als Orientierungshilfe zu verstehen sind. Vielmehr geht es uns vordergründig darum, zunächst die Konstitutionsbedingungen von Interaktion zu akzentuieren, um in einem zweiten Schritt, Interaktionen als soziale Systeme zu definieren, die sich durch Kommunikation unter anwesenden Personen produzieren und reproduzieren.[30] Oder anders ausgedrückt: „Wenn Interaktion stattfindet, findet immer auch Kommunikation statt. Kommunikation kann auch ohne Interaktion stattfinden.“[31] Diesen Sachverhalt gilt es im folgenden genauer zu konturieren.

Unsere Zugangsweise ist, wie eingangs erläutert, eine primär kommunikationstheoretische und weniger eine allgemein soziologische. Damit wird natürlich nicht im mindesten bestritten, daß das Phänomen Interaktion vor allem für die Soziologie ein höchst interessantes und bevorzugtes Forschungsfeld ist. Jedoch zielt unsere Suchbewegung vordergründig darauf ab, die kommunikativen Aspekte von Interaktionssystemen zu sondieren und die gesellschaftstheoretischen Bezüge nur am Rande zu herzustellen.

Ein bereits kurzer Blick auf die soziologische Theorielandschaft dokumentiert, daß nach wie vor kein gemeinsames Grundverständnis darüber erzielt worden ist, was Gesellschaft respektive Interaktionen konstituiert und was die Letztelemente alles Sozialen sind: Individuen, Handlungen oder Kommunikation. Auf der mikrologischen Ebene von Sozialität ist es vielfach zunächst plausibel, mit allen drei Alternativen begründet arbeiten zu können. Wir stehen demnach vor dem zu lösenden Problem, die eigene Theoriewahl überzeugend legitimieren zu müssen mit dem Hinweis, daß die zur Verfügung stehenden Alternativen die Komplexität des Untersuchungsbereichs nicht adäquat erfassen. Die Einleitung hat bereits grob schattiert, weshalb die Systemtheorie von Niklas Luhmann als Arbeitsgrundlage für unser Vorhaben fungiert. Ihre Universalität sowie die Entscheidung, Kommunikation als Letztelement alles Sozialen zu sehen, sind in diesem Begründungszusammenhang die ausschlaggebenden Argumente. Nichtsdestotrotz wollen wir selektiv auf einige Autoren zugreifen, denen ein beträchtlicher Anteil an der (Weiter-)Entwicklung dieses Forschungsbereichs zugute kommt. Nicht zuletzt bieten diese Arbeiten einen reichhaltigen Erkenntnisfundus, den man ausschöpfen kann, um ihn auf seine Brauchbarkeit für die eigenen Zwecke hin zu prüfen.

Georg Simmel kommt das Verdienst zu, Gesellschaft in ihrer Dynamik und Prozessualität erfaßt zu haben als etwas, das sich momenthaft verändert und immer dann entsteht, wenn mindestens zwei Individuen in Wechselwirkung zueinander stehen. Dieser Tatbestand findet insbesondere darin seinen Ausdruck, daß Simmel den Begriff der Gesellschaft, der Konnotationen von Statik in sich trägt, durch den der Vergesellschaftung ersetzt.[32] Vergesellschaftung und Wechselwirkung firmieren somit innerhalb der Simmelschen Formensoziologie als Grundbegriffe, die der Erfassung des Sozialen dienen. Den Wechselwirkungsbegriff als Reproduktionsmechanismus von Gesellschaft zu nutzen, bringt im übrigen entscheidende Vorteile mit sich. Zum einen lassen sich dadurch nonverbale wie verbale Ausdrucksformen als sozial wirksam beschreiben, die den Aufbau von sozialen Prozessen initiieren. Zum anderen läßt sich mit Hilfe des Wechselwirkungsbegriffs, die Bildung von mikro-, meso- und makrologischen Vergesellschaftungsformen beobachten.[33]

Die Differenz von Form und Inhalt ermöglicht ihm darüber hinaus, die Differenz von Individuum/Gesellschaft für die soziologische Denkweise fruchtbar zu machen. Die psychischen Dispositionen der Individuen, also ihre Triebe, Zwecke und Interessen, sind die Inhalte der Vergesellschaftung. Diese Inhalte entfalten bestimmte Wirkungen auf andere Individuen und generieren so zu unterschiedlichen Vergesellschaftungsformen.[34] So läßt sich jede interaktionale Vergesellschaftungsform auf unterschiedliche Wechselwirkungen hin durchleuchten, die sich dann weiterhin unterschiedlichen Neigungen, Trieben, Zwecken und Wünschen des einzelnen verdanken. Ist für Luhmann Gesellschaft die Summe aller Kommunikationen, so ist Gesellschaft für Simmel die Summe aller Wechselwirkungen.[35]

Auch George Herbert Mead hat weniger als Soziologe denn als Sozialpsychologe zur Fundierung eines mikrosoziologischen Forschungsansatzes wesentliche Impulse beigetragen. Sein zentrales Konzept der symbolisch vermittelten Interaktion hat insbesondere den Zusammenhang von Bewußtseinsaktivitäten und sozialen Handlungen sowie den Prozeß der Rollenübernahme genauer konturiert. Von einer sozialen Handlung spricht Mead, wenn das Verhalten bzw. Handeln eines Individuums als stimulierender Reiz für das Handeln eines anderen Individuums fungiert.[36] Hier ist sogleich erkennbar, daß Handeln nur dann sozialer Natur ist, wenn mindestens zwei Personen anwesend sind, die sich wechselseitig Aufmerksamkeit schenken. Das, was den Menschen vom Tier unterscheidet, ist seine Fähigkeit, über die Stufe der bloß gebärdenvermittelten Interaktion hinaus signifikante Symbole bzw. vokale Gesten auszutauschen. Die Signifikanz einer Geste ist dadurch charakterisiert, daß sie im ausführenden Individuum die gleiche Reaktion auslöst wie bei dem Individuum, an das sie gerichtet ist. Erst die signifikante Symbolik, die mit Hilfe der Sprache übermittelt wird, ermöglicht im Laufe der menschlichen Sozialisation den Prozeß des Denkens und die Ausbildung von Geist und Intelligenz.[37]

Seine rollentheoretischen Überlegungen zielen indes darauf ab, die Abhängigkeit zwischen sozialen Prozessen der Interaktion und der Ausbildung von Identität jedes einzelnen zu analysieren. Die für uns wichtige Kernthese lautet: Durch die Fähigkeit jedes einzelnen die Rolle des anderen zu übernehmen, wird gemeinsames Handeln und somit Inter aktion möglich. Der einzelne versetzt sich in die durch sein Handeln hervorgerufene Haltung des anderen, um so das zukünftige Verhalten bzw. Handeln seines Gegenüber antizipieren zu können.[38]

Meads spezifische Leistung, die für eine Theorie der Interaktion von hohem Nutzen ist, fußt auf zwei Erkenntnissen: Der Einsatz von Gesten, Symbolen und der Sprache ist unentbehrlich für den Ablauf von Interaktionen. Ohne Verwendung dieser Kommunikationsmittel wäre eine wie immer geartete Verständigung nicht möglich und würde auf der Stufe tierischer Kommunikation verharren. Die Fähigkeit die Rolle des anderen einnehmen zu können, wenngleich in typisierter und generalisierter Form, ermöglicht sodann den Aufbau einer „geregelten“ Interaktion, in der die Beteiligten sich wechselseitig aneinander orientieren und reflexiv ihr Handeln steuern.

Erving Goffman kommt das Verdienst zu, face-to-face-Interaktionen als eigenständigen Forschungsbereich etabliert zu haben und „die Interaktionsordnung als einen Gegenstand in eigenem Recht zu betrachten.“[39] Interaktionen sind soziale Einheiten, an denen mehrere Individuen teilnehmen, die sich wechselseitig aneinander orientieren und aufeinander reagieren. Die Leistung Goffmans besteht vor allem darin, nicht nur auf die Vielfalt an alltäglichen Interaktionssituationen hingewiesen zu haben, sondern diese auch hinsichtlich ihrer Bedeutung, ihren Regeln und Organisationsprinzipien analysiert zu haben. Interaktionen unterliegen einer bestimmten Rahmung. Diese primären (sozialen und natürlichen) Rahmen sind Organisationsprinzipien, die es den Teilnehmern ermöglichen, die jeweilige Situation zu deuten und zu definieren sowie ihnen eine gemeinsame Orientierung zu liefern.[40]

Wir haben selektiv auf Simmel, Mead und Goffman zurückgegriffen, um einen ersten Eindruck über die unterschiedliche Herangehensweise an mikrologische Gesellschaftsprozesse zu vermitteln. Für uns gilt es an diesem Punkt folgendes festzuhalten: Interaktionen sind als soziale Systeme zu definieren, die eine eigenständige Ordnung ausbilden und sich durch Kommunikation unter Anwesenden reproduzieren. Im weiteren Verlauf werden wir uns nunmehr den Konstitutionsbedingungen von Interaktionen widmen, um ein konkretes Bild dieses besonderen Typus sozialer Systeme zu gewinnen.

2. Konstitutions- und Grenzbildungsprinzipien von Interaktionssystemen

Die Systemtheorie stellt an sich selbst den Anspruch, alles Soziale erfassen und alle Typen von sozialen Systemen beschreiben zu können. Sie geht davon aus, daß es Interaktions-, Organisations- und Funktionssysteme gibt, die sich im Zuge der sozio-kulturellen Evolution ausdifferenziert und als eigenständige Teilbereiche der Gesellschaft etabliert haben.[41] Im folgenden ist es unsere Aufgabe zu zeigen, was diese Ebenen voneinander unterscheidet bzw. unter welchen Bedingungen Interaktionen zustandekommen. Wenn soziale Systeme sich generell durch Kommunikation autopoietisch produzieren und reproduzieren, sich operativ schließen und strukturell koppeln, im Medium Sinn operieren und soziale Formen erzeugen, muß es ebenfalls eigenständige Konstitutionsbedingungen und Prinzipien der Grenzbildung geben, die es einem Beobachter ermöglichen, die jeweiligen Ebenen differenzieren und entsprechend identifizieren zu können.[42]

Im Falle der Beschreibung von Interaktionssystemen stößt man auf eine durchaus nicht unerhebliche Problematik. Die Konstitutionsbedingungen und Grenzbildungsprinzipien müssen ausnahmslos an jeder Interaktion nachweisbar sein.[43] Auf der makrologischen Ebene läßt sich innerhalb der modernen, funktional ausdifferenzierten Gesellschaft induktiv eine Liste der einzelnen Funktionssysteme gewinnen, die man beobachten und differenztheoretisch analysieren kann. Im mikrologischen Bereich steht man dagegen gleichsam vor nahezu „chaotischen“ Verhältnissen. Zum einen sind Interaktionen immer zeitlich befristete Episoden des Gesellschaftsvollzugs[44], die sich ständig auflösen, neu formieren und sich gerade deshalb nicht quantifizieren lassen, zum anderen sind sie prinzipiell für jedes Thema offen[45] und generieren so die mannigfaltigsten Interaktionskonstellationen. Neben der thematischen Bindung ist auch der Ort der Zusammenkunft, die Anzahl und Disposition der Teilnehmer sowie der situative Kontext entscheidend für die Bildung bestimmter Interaktionsformen. Die nachstehenden Ausführungen müssen demnach sachlich, zeitlich und sozial generalisierbar sein und für jede Interaktion, sei es ein flüchtiges Partygespräch, ein Streit unter Eheleuten, eine wissenschaftliche Diskussion, eine Ausschußsitzung oder eine Unterhaltung im Bahnabteil, zutreffen.

2.1 Anwesenheit

Das fundamentale Abgrenzungs- und Konstitutionsprinzip jeder Interaktion ist die physische Kopräsenz von mindestens zwei Menschen.[46] Dabei ist es für das Zustandekommen einer Interaktion unerheblich, unter welchen Umständen und Bedingungen sich diese Zusammenkunft ereignet und welchen Zeitrahmen sie dafür beansprucht. Sowohl eine willentliche Verabredung unter Freunden als auch eine zufällige Begegnung im Supermarkt konstituieren eine Interaktionssequenz. Auch ist es nicht erforderlich, daß die an der Interaktion Beteiligten einander bekannt sind, einen gemeinsamen Erfahrungs- und Wissenshorizont teilen oder wechselseitig aneinander Gefallen finden.[47] Interaktionssysteme kommen zunächst einmal dadurch zustande, „daß sie körperlich anwesende menschliche Personen als ihr basales Trägermedium benutzen.“[48] Die Körper fungieren hierbei quasi als materielles Substrat, durch das sich Interaktionen ihrer Existenz, aber auch mitunter ihrer Identität, versichern können.[49] Interaktionen sind für die Dauer ihres Bestehens und Prozessierens darauf angewiesen, daß mindestens zwei Teilnehmer anwesend sind, wie hochgradig auch immer abwesende Personen über Macht und Mechanismen der sozialen Kontrolle und des sozialen Drucks verfügen, die zwar indirekt Einfluß haben, aber nicht in die konkrete Situation eingreifen können.[50]

Dem Tatbestand der Anwesenheit sind zwei grundlegende Qualitäten inhärent: Sie ist einerseits nicht negierbar, das bedeutet die teilnehmenden Personen können sich wechselseitig nicht ihrer Anwesenheit berauben und diese in Zweifel ziehen. Selbst der Sachverhalt, daß man anwesende Personen als abwesend behandeln kann,[51] ist letztendlich nur dadurch möglich, daß der als abwesend Behandelte auch tatsächlich anwesend ist. Anwesenheit ist andererseits aber auch ein inhaltsleerer und kontextfreier Sachverhalt, der nicht zusätzlich expliziert oder nachdrücklich belegt werden muß.[52] Erst die sich anschließende Kommunikation wird entscheiden, ob die Anwesenheit einer Person erwünscht ist, ob sie als störend empfunden wird, ob man sich selbst zurückzieht oder den anderen auffordert, dieses zu tun.

Anwesenheit und Abwesenheit können im Rahmen einer Interaktion durchaus statusfördernd in Anschlag gebracht werden.[53] Geser hat in diesem Zusammenhang davon gesprochen, daß physische Präsenz zu einem knappen Gut werden kann und ein dementsprechendes „Anwesenheitsmanagement“ erforderlich wird. Personen, denen (vorgeblich) wenig Zeit zur Verfügung steht, versuchen gerade durch ihr Erscheinen an bestimmten Orten und zu bestimmten Zeiten ihr Profil zu schärfen und sich einen exklusiven Status zu erarbeiten.[54] Sie steigern ihr Ansehen dadurch, daß sie trotz Zeitmangel Zeit gefunden haben, dem aktuellen Anlaß beizuwohnen.[55] Ebenfalls kann Abwesenheit statusfördernd sein, wenn man die Teilnahme an Veranstaltungen vermeidet, deren Stattfinden in anderen Situationen nicht toleriert oder akzeptiert wird.

Die Differenz von anwesend/abwesend erlaubt es demnach, Interaktionen als einfache Sozialsysteme zu definieren, da die Gesamtsituation unmittelbar für alle teilnehmenden Personen überschaubar ist und nicht hinterfragt werden muß.[56]

2.2 Reflexive Wahrnehmung

Die gleichzeitige physische Präsenz von mindestens zwei Menschen im gleichen Raumabschnitt führt fast immer unmittelbar zu Kommunikation und somit zur Konstitution einer Interaktion. Anwesenheit ist aber kein absolut sicherer Garant und auch keine ausreichende Bedingung mehr dafür, daß dies auch tatsächlich geschieht. Die moderne Ge-sellschaft eröffnet zunehmend Möglichkeiten, Kommunikation nicht nur unabhängig von Anwesenheit stattfinden zu lassen, sondern auch Anwesenheit ohne Kommunikation zu erlauben. Der Einsatz moderner Massenverkehrsmittel führt oftmals zu der eigentlich ungewöhnlichen Situation, daß reisende Menschen in Flugzeugen und Eisenbahnzügen zwar gleichzeitig einen bestimmten Raumausschnitt teilen, sich aber kommunikationsvermeidend verhalten und jeglichen sozialen Kontakt unterbinden. Die gesteigerte Beobachtung dieses Phänomens führt zwangsläufig dazu, Anwesenheit nicht mehr als hinreichende geschweige denn als ausreichende Bedingung der Konstitution und des Bestands von Interaktionen anzuerkennen.[57] Interaktionen sind des weiteren darauf angewiesen, daß sich die anwesenden Personen wechselseitig Aufmerksamkeit schenken, die Interaktion sich also entsprechend auf den Modus der reflexiven Wahrnehmung der Beteiligten verlassen muß.

Wir wollen dieses Themenfeld in zwei Teilen untersuchen und zeigen im folgenden die Operationsweise sowie die unterschiedlichen Formen der Wahrnehmung auf. In einem der nächsten Kapitel greifen wir dieses Thema noch einmal unter einem anderen Gesichtspunkt auf, wobei dann die Leistungen der Wahrnehmung im Vordergrund stehen, um sie kontrastiv dem Prozeß der Kommunikation gegenüber zu stellen. Sich einstellende Redundanzen sind einerseits nicht vermeidbar, andererseits durchaus gewollt, um den Plausibilitätsgrad zu erhöhen.

Interaktionssysteme sind hinsichtlich ihres Zustandekommens und Bestehens auf die reflexive Wahrnehmung von physisch kopräsenten Personen angewiesen, also darauf, daß sie sich wechselseitig wahrnehmen, aber auch, daß sie die eigenen und fremden Wahrnehmungen wahrnehmen.[58] Wahrnehmung stellt eine spezifische Kompetenz des Bewußtseins dar, das sich durch umweltliche Eindrücke dauerhaft faszinieren läßt und dadurch Informationen gewinnt.[59]

Zweifelsohne ist die visuelle Wahrnehmung die unmittelbarste, expressivste und somit wichtigste Perzeptionsleistung. „Unter den einzelnen Sinnesorganen ist das Auge auf eine völlig einzigartige soziologische Leistung angelegt: auf die Verknüpfung und Wechselwirkung der Individuen, die in dem gegenseitigen Sich-Anblicken liegt.“[60] Das Auge des einzelnen kann sein Gegenüber im Ganzen erfassen, kann seinen Körper, sein Verhalten, seine Gestik, seine Mimik erfassen, kann durch das Anblicken feststellen, daß auch er angeblickt wird. Visuelle Wahrnehmung ist reflexive Wahrnehmung par excellence, denn „das Gesicht bewirkt, daß der Mensch schon aus seinem Anblick, nicht erst aus seinem Handeln verstanden wird.“[61] Das Gesicht ist der aussagekräftigste Teil des Körpers, der die meiste Auskunft über das Individuum erteilt. „In ihm ist abgelagert, was von seiner Vergangenheit in den Grund seines Lebens hinabgestiegen und zu beharrenden Zügen geworden ist.“[62] An der Mimik, aber auch an der Körperhaltung und der Gestik des Interaktionspartners lassen sich seine Gemütsverfassung, Stimmung und Haltung ablesen und interpretieren. Sehen und gesehen werden, das ist hier der entscheidende Vorgang.

Wenngleich die Wahrnehmung durch den Gesichtssinn der wichtigste Perzeptionsakt ist, da er mir einen ersten Eindruck von dem/den anderen verschafft[63], ist jede auf Dauer angelegte Interaktion darauf angewiesen, daß auch auditiv wahrgenommen wird. Letztendlich müssen die sprachlichen Entäußerungen des/der anderen gehört werden. Das, was das Ohr vom Auge grundlegend unterscheidet, ist die fehlende Reziprozität. „Das Auge kann seinem Wesen nach nicht nehmen, ohne zugleich zu geben, während das Ohr das schlechthin egoistische Organ ist, das nur nimmt, aber nicht gibt.“[64] Diese „bloße“ Rezeptionsleistung hat in ihrer Einseitigkeit aber den Vorteil, daß meine Reaktion auf das Gehörte nicht sogleich offenbar wird, zumal wenn ich mich außerhalb des Blickfelds des anderen befinde. Das Hörbare unterscheidet sich vom Sichtbaren auch darin, daß es im Moment des Auftauchens schon wieder vergangen ist, während man die visuellen Eindrücke durchaus in seinen geistigen Besitz aufnehmen kann.[65] Diese Eigenschaften können, je nach Stärke des Wahrnehmungsgrads, entweder belastend oder entlastend sein.

Die visuelle und auditive Wahrnehmung sind in ihrem Zusammenwirken eine unersetzliche Bewußtseinsleistung, die sowohl für die Orientierung des einzelnen als auch für die Strukturierung der Interaktion konstitutiv sind. „Demnach bilden Auge und Ohr eine Einheit bzw. eine Doppelrolle, um für eine Wahrnehmungssituation das Gehörte mit dem Gesehenen und vice versa zu koordinieren und zu interpretieren, wobei vornehmlich das Auge etwas feststellt, was durch das Gehör kommentiert wird.“[66] Die Relevanz der anderen Sinnesleistungen ist damit nicht dezimiert oder in Frage gestellt, für eine Theorie der Interaktion sind aber der Seh- und Gehörssinn die generalisierten Perzeptionsleistungen, die keine Interaktion ersatzlos entbehren kann.[67] Insofern läßt sich für soziale Kontexte eine Hierarchie der Sinne fixieren, die für andere Bereiche keine unbedingte Geltung einklagen kann. Der Geruchs- und Geschlechtssinn (Simmel) wird für eine Intimkommunikation neben dem Sehen und Hören mitunter ausschlaggebend sein, wird aber bei der Wahl des Bundespräsidenten, während einer wissenschaftlichen Podiumsdiskussion oder im innigen Gespräch zu Gott keine Rolle spielen.

2.3 Themen

Anwesenheit und reflexive Wahrnehmung reichen jedoch als Grenzbildungs- und Selbstschließungskriterien nicht aus, um die Kommunikationszusammenhänge einer laufenden Interaktion zu ordnen und zu strukturieren. Daher sind Interaktionssysteme auf ein weiteres wesentliches Konstitutions- und Grenzbildungsprinzip angewiesen: das Thema. Themen fungieren als Strukturen und Programme des Kommunikationsprozesses, die es den Interaktionspartner ermöglichen, entsprechende Beiträge auf das aktualisierte Thema zu beziehen.[68]

„Mit Hilfe eines Themas der Kommunikation kann das System sich gegenüber der Vielfalt von Wahrnehmungsprozessen, die es konstituieren, nochmals selektiv verhalten. Thematische Konzentration dient als Bestimmung und Reduktion systemeigener Komplexität, als Prinzip der Verknappung zugelassener Möglichkeiten, das dann als Voraussetzung dient für alle höheren Ordnungsleistungen im System. Thematische Konzentration ermöglicht Vereinfachungen dadurch, daß jeweils nur ein Thema anerkannt und in Bewegung gehalten wird, so daß sich eine serielle Ordnung der Systemereignisse ergibt und Verschiedenheiten im Nacheinander ausgedrückt werden müssen.“[69]

Insofern haben Themen neben dem sachlichen immer auch einen sozialen und zeitlichen Aspekt. Die thematische Konzentration der Interaktion ermöglicht die soziale Integration der Beteiligten, indem sie ihre Aufmerksamkeit gemeinsam auf das Thema hin kanalisieren und zwecks Aufrechterhaltung der inneren Ordnung, ihre jeweiligen Beiträge sequentiell plazieren müssen. Dabei unterliegt die Strukturhaftigkeit von Themen einer relativ geringen Stabilität, da Themen spontan wechseln und abgelehnt werden können bzw. aufgrund ihrer Brisanz zur Auflösung der Interaktion führen können. Gerade peinliche, moralisch behaftete, unkonventionelle oder taktlose Themen können das Interaktionssystem kollabieren lassen, weil einer der anwesenden Partner nicht bereit ist, die aktuelle thematische Engführung mitzutragen.

Jedes Thema verweist auf die jeweilige Umwelt und dient der Interaktion als Externalisierung.[70] Jede Interaktion ist deshalb immer Teil und Vollzug von Gesellschaft und notwendig an diese gebunden, da nur sie die unwahrscheinliche Kontingenz an Themen bereitstellen kann, aus denen die Interaktion auswählt, sich selbst strukturiert und dadurch eine eigene Identität gewinnt. Man redet über die aktuellen politischen Ereignisse und nicht über die Fußballergebnisse des letzten Wochenendes, nicht über die anstehenden Urlaubspläne und auch nicht über den letzten Museumsbesuch. Die Interaktion konzentriert sich auf ein bestimmtes Thema und die Beteiligten erwarten in der Regel entsprechende und nicht beliebige Beiträge der anwesenden Personen. Als Struktur von Interaktionssystemen schränken Themen die Beliebigkeit und die Willkür der nachfolgenden Anschlußmöglichkeiten ein und transformieren somit die unbestimmbare Weltkomplexität in eine bestimmbare Komplexität.

„Im Grunde genommen trägt jede Kommunikation unter Anwesenden zur Bestimmung des Interaktionsthemas bei.“[71] Das Thema muß daher nicht schon vorab feststehen, sondern bestimmt sich in dem Moment, in dem mindestens zwei Personen den gleichen Wahrnehmungsraum betreten. Dann benötigt die Interaktion die Kommunikation und die Kommunikation ein Thema. Der weitere Verlauf ist dann, wenn nicht vorab vereinbart, prinzipiell offen und die Kommunikation selbst legt fest, inwiefern angeschlossen wird und thematische Veränderungen vollzogen werden (können).

„Die strukturierende Funktion des Themas zeigt sich vor allem daran, daß es doppelstufige Selektion ermöglicht, also Reduktion von Komplexität auf verschiedenen Ebenen, nämlich einerseits die Wahl und Veränderung des Themas selbst und dann im Rahmen des Themas die Wahl der Beiträge. Bemerkenswert ist ferner, daß das Thema auch bewußt zur Kontrolle des Systems eingesetzt werden kann, indem man auftretende Störungen oder Probleme ,formuliert‘, das heißt sprachlich auf den Kontext des Sprechens bezieht, oder gar ,thematisiert‘, das heißt ins Zentrum gemeinsamer Aufmerksamkeit bringt“[72]

3. Interaktion und Kommunikation

Interaktion ist nicht gleichbedeutend mit Kommunikation, denn gerade die moderne Gesellschaft stellt die unterschiedlichsten Modalitäten zur Verfügung, um Kommunikation in Gang zu setzen. So ist die schriftliche Kommunikation keineswegs interaktional angelegt, da hier die konstitutiven Bedingungen der physischen Kopräsenz zweier Individuen sowie deren reflexive Wahrnehmung nicht gegeben sind.[73] Das gilt ebenso für die (Entscheidungs-)Kommunikationen von Organisationen oder für die Kommunikation der Massenmedien.[74] Da Gesellschaft respektive Interaktionssysteme sich durch Kommunikation autopoietisch produzieren und reproduzieren, müssen wir diesen Prozeß genauer in Augenschein nehmen. Wir fragen also nun nicht mehr nach den Konstitutionsbedingungen von Interaktionen, sondern nach der Operationsweise, durch die Interaktionssysteme ihren Bestand garantieren.

3.1 Kommunikation als elementare Operation alles Sozialen

Wir haben bis dato durchgehend betont, daß soziale Systeme aus Kommunikation bestehen, ohne diesen Anspruch entsprechend zu legitimieren. Dieses soll nun nachgeholt werden. Alternativ betrachten wir zuvor noch die individualtheoretische sowie die handlungstheoretische Perspektive, um ihre jeweiligen theoretischen Defizite zu beleuchten und unseren theoretischen Standpunkt begründen und plausibilisieren zu können.

Die individualtheoretisch fundierte Behauptung die Gesellschaft bestünde aus Menschen, Individuen oder Personen, postuliert in letzter Konsequenz, daß eine bloße Ansammlung von Menschen Gesellschaft darstelle und repräsentiere bzw. daß mit der rein hypothetischen Möglichkeit, die gesamte Menschheit zu versammeln, Gesellschaft in toto zu beobachten wäre. Aber was würde man beobachten? Augenscheinlich wohl nicht mehr als die Summe von Lebewesen, deren individuellen wie sozialen Qualitäten keinerlei Bedeutung zugemessen würde. Eine solch anthropologisch reduzierte Sichtweise blockiert vor allem die Möglichkeit, psychische und soziale Prozesse exakt differenzieren zu können.

„Die Gesellschaft wiegt nicht genausoviel wie alle Menschen zusammen und ändert auch nicht mit jeder Geburt und jedem Tod ihr Gewicht. Sie wird nicht etwa dadurch reproduziert, daß in den einzelnen Zellen des Menschen Makromoleküle oder in den Organismen der einzelnen Menschen Zellen ausgetauscht werden. Sie lebt also nicht. Auch die selbst für das Bewußtsein unzugänglichen neurophysiologischen Prozesse des Gehirns wird niemand ernstlich als gesellschaftliche Prozesse ansehen, und das gleiche gilt für all das, was sich im aktuellen Aufmerksamkeitsbereich des Einzelbewußtseins an Wahrnehmungen und an Gedankenfolgen abspielt.“[75]

Vor allem versperrt eine derartige Sichtweise den theoretischen Blick auf den dynamischen und prozessualen Charakter sowie die Veränderungen und den Wandel der Gesellschaft.

Dagegen ermöglicht der Handlungsbegriff als irreduzibles Letztelement alles Sozialen eine Erweiterung des Theoriehorizonts, denn dann läßt sich Gesellschaft nicht als statisches, sondern vielmehr als ein dynamisches Gebilde beschreiben. Der Handlungsbegriff laboriert hingegen daran, die Ebene des Sozialen bisweilen zu unterlaufen, da es eine Vielzahl an Partikularhandlungen gibt, die weder soziale Merkmale aufweisen noch soziale Auswirkungen nach sich ziehen. Daher hat die soziologische Theoriebildung sich stets bemüht, diesem Dilemma durch Hinzufügung einzelner Attribute zu entfliehen. Seither gelten gesellschaftsrelevante Handlungen als sozial oder kommunikativ. Sozial sind Handlungen immer dann, wenn sie nicht nur subjektiv sinnhaft erscheinen, sondern in ihrer Abfolge zudem noch am Verhalten anderer Personen orientiert sind.[76] Kommunikativ sind Handlungen, wenn sie in der Interaktion von mindestens zwei sprach- und handlungsfähigen Individuen zum Zweck der Verständigung eingesetzt werden, die auf diesem Wege versuchen, ihre Handlungsentwürfe durch Orientierung am anderen zu koordinieren.[77]

Mit diesem Verständnis kann man geschickt die Komplexität des Sozialen kaschieren, denn der Handlungsbegriff kann zwei wesentliche Problemlagen nicht eliminieren. Zum einen suggeriert der Begriff der Handlung oftmals einen Übertragungsprozeß, in dem Sinne, daß ein Sender einem Empfänger, ein Sprecher einem Hörer oder ein Kommunikator einem Rezipienten etwas übermittelt, was im Moment der Übertragung von dem einen Teilnehmer auf den anderen übergeht.[78] Zum anderen kann eine Theorie sozialer bzw. kommunikativer Handlungen nicht die Emergenz einer sozialen Situation erfassen. Handlungen sind Zurechnungen, sind Attributions- und Anknüpfungspunkte, sind eine notwendige Selbstsimplifizierung sozialer Systeme, die der laufenden Kommunikation gerade im Hinblick auf ihre Anschlußfähigkeit als Orientierung dienen.[79] Auf der Ebene der organisationalen, der schriftlichen oder der massenmedialen Kommunikation sind Handlungen kaum noch identifizierbar, da hier oftmals überhaupt nicht mehr beobachtbar ist, wer als Handelnder auftritt. Jede Zurechnung nimmt Züge der Willkür an. Aber selbst auf interaktionalem Niveau ist dies nicht immer möglich. Kurze Gespräche, die das Format von Frage/Antwort-Sequenzen haben, sind handlungstheoretisch noch erfaßbar. Im Rahmen einer Interaktion, in der z. B. die Geselligkeit ihren Lauf nimmt, ist es nach einer gewissen Zeit nicht mehr möglich nachzuvollziehen, wer welche Themen zu welchem Zeitpunkt initiiert hat. Die Kommunikation hat sich verselbständigt, und die Beteiligten sind nur noch das dazu notwendige Trägermedium. So lassen sich Interaktionsysteme, und erst recht Organisations- und Funktionssysteme, als emergente Ordnungen begreifen, die Formen ausbilden, aber nicht durch die Eigenschaften und Qualitäten ihrer Inhalte (Gedanken, Intentionen, Einzelhandlungen) erklärbar sind. Der Grad der Systemkomplexität läßt sich nicht mehr auf die Einzelkomponenten reduzieren und dekomponieren.[80]

Kommunikation als basic unit alles Sozialen verfügt dagegen über die erforderlichen Attribute, um alle gesellschaftlichen Vorgänge erfassen und beschreiben zu können. Sie ist von Natur aus ein soziales Phänomen.[81] Das genuin Soziale dokumentiert sich dadurch, daß Kommunikation auf die Mitwirkung von mehreren informationsverarbeitenden Psychen angewiesen ist, aber nicht in der Lage ist, ein Kollektivbewußtsein zu erzeugen, das womöglich noch konsensuell zur Einheit gebracht werden kann.[82] Sie ist kein intra-psychischer oder intra-organischer Vorgang, sondern eine Operation mit eigenständigem Charakter, die mit ihrem Auftreten die Entstehung eines sozialen Systems generiert.

Kommunikation kommt durch die Synthese dreier Selektionen zustande: Information, Mitteilung und Verstehen. „Keine dieser Komponenten kann für sich allein vorkommen. Nur zusammen erzeugen sie Kommunikation. Nur zusammen – das heißt nur dann, wenn ihre Selektivität zur Kongruenz gebracht werden kann.“[83] Ego muß im Rahmen einer interaktionsförmigen Kommunikation aus einer Vielzahl von Sinnverweisungen etwas thematisieren, daß als Information Eingang in die Kommunikation findet und zugleich anderes marginalisiert. Ferner muß er dazu einen Verhaltensmodus wählen, der es den anderen Teilnehmern ermöglicht, sie als Information beobachten und qualifizieren zu können. Auf interaktionaler Ebene wird dazu gewöhnlicherweise die Mitteilungsform der Mündlichkeit gewählt.[84] Diese Erläuterungen sind gegenüber den handlungstheoretischen Erklärungen, die Handlungen im allgemeinen als mitteilende Informationskundgabe definieren, insoweit nichts Neues. Die ausschlaggebende Neuerung verbirgt sich hinter der dritten Selektion. Ego hat durch die Mitteilung einer Information Alter Ego eine Kommunikationsofferte gemacht, die an diesem Punkt noch dem Anspruch von Kommunikation gerecht wird. Erst die sich daran anschließende Entäußerung von Alter Ego vollendet die Kommunikation. Er muß die zuvor offerierte Differenz von Information und Mitteilung beobachten und in irgendeiner Art und Weise verstehen.[85]

„Erst wenn die Mitteilung einer Information verstanden wird, kommt Kommunikation als neue, emergente Ebene zustande, die weder allein dem Mitteilenden noch allein dem Verstehenden zugerechnet werden kann. Das Verstehen jedoch sichert erst den Anschluß einer neuen Kommunikation, es ist sozusagen der Garant für die Autopoiesis des sozialen Systems.“[86]

Nicht nur die Kommunikation, sondern auch der Verstehensbegriff unterliegt insofern einer systemtheoretischen Reformulierung, als er keine privilegierte Selektion des Bewußtseins ist, daß für sich in Anspruch nimmt, den subjektiv gemeinten Sinn der Kommunikationsofferte erklärend verstehen zu können.[87] Der Verstehensbegriff ist vielmehr differenzlogisch zu denken, indem er psychisches wie soziales Verstehen einschließt. Ob Alter Ego wirklich (psychisch) verstanden hat, was Ego gemeint hat, spielt für den bloßen Sachverhalt des Zustandekommens von Kommunikation nicht so sehr eine Rolle, wie die Tatsache, daß er überhaupt (sozial) verstanden hat, daß Ego etwas mitgeteilt hat.

Ohne Kommunikation gäbe es keine Interaktion, keine Organisation und überhaupt wäre Gesellschaft weder vorstellbar noch existenzfähig. Der systemtheoretische Kommunikationsbegriff ist so konstruiert, daß er grundsätzlich jede Form von Nonverbalität miteinbezieht. Auch ein wechselseitiger Austausch von Blicken, Gesten und anderen Körperbewegungen kann als Kommunikation im obigen Sinne beschrieben werden. Im Normalfalle begleiten diese Mechanismen die laufende Interaktion, dienen der Emphase, der Abschwächung, der Täuschung, der Andeutung oder werden auf andere Art und Weise versuchen, die Kommunikation zu manipulieren. Nonverbale Kommunikation kann durchaus ein soziales System konstituieren, ist aber nicht in der Lage seinen dauerhaften Bestand zu sichern oder ein umfassend komplexes Gesellschaftssystem evolutionär auszudifferenzieren. „Das grundlegende Kommunikationsmedium, das die reguläre, mit Fortsetzung rechnende Autopoiesis der Gesellschaft garantiert, ist die Sprache."[88] Sie ist aber vor allem das Interaktionsmedium schlechthin.

Zunächst präsentiert die Sprache sich als Prototyp eines Codes, da sie für jede sprachliche Entäußerung eine positive und eine negative Fassung bereithält. Im Hinblick auf ihre Wertigkeit reduziert sie sich freilich auf den Tatbestand der Binarität hin, stattet aber gleichzeitig jedes Thema mit einem Auswahlbereich an kontingenten Möglichkeiten aus.[89] Das bietet nicht nur Ego die Chance, seine Offerte in eine positive oder negative Hülle einzubetten, sondern bietet Alter Ego ebenfalls die Gelegenheit, darauf positiv oder negativ zu reagieren. Des weiteren ist die Codierung der sprachlichen Kommunikation wertneutral strukturiert, denn sie „enthält als solche keine Präferenz für Ja-Fassungen bzw. Nein-Fassungen, so wie die Sprache als solche ja auch nicht dazu da ist, ein Annehmen der Kommunikation gegenüber einem Ablehnen zu begünstigen.“[90]

Diese grundlegenden Eigenschaften der Sprache sind für die Bildung von sozialen Systemen ungemein von Nutzen, denn Sprache ist dadurch in der Lage, das Problem und die Unwahrscheinlichkeit des Verstehens zu lösen. Ohne den Einsatz von Sprache ist es unwahrscheinlich, daß selbst in einer dyadischen Beziehung der eine annähernd versteht, was der andere gemeint haben könnte.[91] Worte und Sätze sind immer mit einem Bedeutungsinhalt versehen, der sich aus einem gemeinsamen kulturellen Wissensvorrat (Schütz) rekrutiert und dessen Bekanntsein die Beteiligten wechselseitig unterstellen, um auf diesem Wege einer „intersubjektiven Verständigung“ näher zu kommen. Nichtsdestoweniger zieht die Lösung des einen Problems das Aufkommen eines anderen Problems nach sich. Jede an der Interaktion beteiligte Person sieht sich mit der komplexen Problemsituation konfrontiert, sich abwechselnd in der Rolle des Sprechers und des Hörers wiederzufinden. Als Mitteilender muß dann das Problem der Selektivität gelöst werden, das durch die Differenz zwischen einem offenen Horizont an potentiellen Themen und der geringen Aktualisierbarkeit derselben resultiert. Als Verstehender muß indessen das Problem der Unvorhersehbarkeit bzw. Unberechenbarkeit gelöst werden, das durch die kaum zu prognostizierenden selbstselektiven Kommunikationsangebote seitens des Sprechers entsteht.[92]

Halten wir an dieser Stelle zusammenfassend fest: Die Sprache ist das fundamentale Kommunikationsmedium, das es Interaktionssystemen ermöglicht, sich autopoietisch zu produzieren und zu reproduzieren. Ohne die evolutionäre Errungenschaft der Sprache könnte keine Interaktion komplexe Strukturen aufbauen, eine eigene Systemgeschichte generieren, eine Themenvielfalt bereitstellen und zeitbeständig operieren. Auch die Ontogenese des Bewußtseins wäre im übrigen ohne sprachliche Leistungen nicht evolutionsfähig gewesen.

3.2 Interpenetration: Zum Verhältnis von Kommunikation und Bewußtsein

Der vor uns liegende Themenkomplex schließt unmittelbar an die vorstehenden Überlegungen an und beschäftigt die Philosophie und später die Soziologie in je eigener Blickrichtung seit ihren Anfängen unter der Fragestellung: In welchem Verhältnis stehen Individuum und Gesellschaft zueinander? Beide Traditionslinien zeichnen sich dadurch aus, daß die Auseinandersetzung mit dieser Fragestellung bis heute kein kongruentes Resultat hervorgebracht hat. Dieser Umstand verdankt sich weniger dem Mangel an erkenntnistheoretischer Blickschärfe, sondern vielmehr der Komplexität der beiden Seinsausschnitte sowie ihrer wechselseitigen Interdependenz. Insoweit betritt die Systemtheorie lediglich altbestelltes Terrain, versucht aber mit einer alternativen Zugangsweise, diese Problemlage genauer zu konturieren. Die folgenden Ausführungen dienen vor allem dazu, nochmals die Differenz von sozialen und psychischen Systemen sowie die Autonomie des Sozialen zu verdeutlichen.

Selbstreferenz und Autopoiesis als Grundbegriffe markieren das eigentlich innovative Potential der neueren Systemtheorie[93], die es ermöglichen, die Differenz von Individuum und Gesellschaft theoretisch besser zu fixieren. Sowohl soziale als auch psychische Systeme (Bewußtsein) sind selbstreferentiell bzw. autopoietisch operierende Systeme, die ihre jeweiligen Letztelemente (Kommunikationen oder Gedanken bzw. Vorstellungen), aus denen sie bestehen, mit Hilfe dieser Elemente selbst produzieren und reproduzieren. Kein System kann außerhalb seiner selbstgezogenen Grenzen operieren, kein Gedanke kann in der Gesellschaft kommunizieren, keine Kommunikation im Bewußtsein sprechen. Beide Systemarten sind operativ geschlossen.[94] Operative Geschlossenheit bedeutet aber keineswegs Isolierung oder Autarkie, sondern ausschließlich Autonomie. Kommunikation und Bewußtsein sind genuin aufeinander angewiesen und stehen in einem direkten Abhängigkeitsverhältnis. Kein System ist originär wichtiger als das andere.

„Ohne Bewußtsein ist Kommunikation unmöglich. Kommunikation ist total (in jeder Operation) auf Bewußtsein angewiesen – allein schon deshalb, weil nur das Bewußtsein, nicht aber die Kommunikation selbst, sinnlich wahrnehmen kann und weder mündliche noch schriftliche Kommunikation ohne Wahrnehmungsleistungen funktionieren könnte. Außerdem ist Kommunikation, zumindest in ihrer primären mündlichen Form, darauf angewiesen, daß schon im Wahrnehmungsbereich der beteiligten Bewußtseinssysteme Reziprozität hergestellt werden kann, und zwar in der Form der Wahrnehmung des Wahrgenommenwerdens.“[95]

Diese existentielle Beziehung zwischen Individuum und Gesellschaft, also zwischen sozialen und psychischen Systemen, wollen wir mit dem Begriff der Interpenetration beschreiben.

„Von Interpenetration soll immer dann die Rede sein, wenn die Eigenkomplexität von Umweltsystemen als Unbestimmtheit und Kontingenz für den Aufbau eines mit ihnen nicht identischen Systems aktiviert wird. Solche Umweltsysteme bezeichnen wir im Hinblick auf das System, das sie ermöglichen (aber nicht sind) als interpenetrierende Systeme.“[96]

[...]


[1] Vgl. dazu auch die Hinweise von Luhmann 2000b, S. 7ff.

[2] Vgl. dazu den anschaulichen Überblick von Beyme/Schmidt 1990. Diese Betrachtungsweise des politischen Eingriffs in alle öffentlichen und privaten Bereiche ist im übrigen nicht neu, und wir werden im Laufe der Arbeit noch deutlich herausstellen, daß dieser Sachverhalt, wie es das Alltagsverständnis oftmals nahelegt, nicht einfach als Steuerungs-, Kontroll- oder Eingriffsmechanismus zu begreifen ist

[3] Luhmann 1995g, S. 103.

[4] Münkler/Llanque 1998, S. 66.

[5] Vgl. ausführlich zu den verschiedenen Ansätzen Schönbach 1998, S. 114ff.

[6] Vgl. hierzu grundlegend Luhmann 1995f.

[7] Vgl. dazu Alemann 1994, S. 109 und Rudzio 1993, S. 20.

[8] Eine Ausnahme bildet die Einführung von Rudzio 1987, der insbesondere die Bedeutung der interaktionalen Kommunikation für das politische System herausstellt.

[9] Vgl. dazu exemplarisch Beyme 1979, Hesse/Ellwein 1997, Rudzio 1987 und Sontheimer/Bleek 1971. Auffällig ist, daß auch Luhmann anfangs noch die Justiz als Teilsystem des politischen Systems ansieht und nach deren politischer Funktion fragt. Vgl. Luhmann 1971d.

[10] Vgl. dazu exemplarisch die Ausführungen in Böckenförde 1976, die sich redlich darum bemüht, die Differenz von Staat/Gesellschaft zu konservieren und zu legitimieren.

[11] Vgl. dazu auch die Anmerkungen von Luhmann 1989.

[12] Vgl. dazu Luhmann 1984, S. 16ff. und Göbel 2000, S. 11.

[13] Vgl. grundlegend zum Kommunikationsbegriff Luhmann 1984, S. 191ff. und Luhmann 1997, S. 78ff.

[14] Vgl. Luhmann 2000b, S. 84. Wir kommen darauf noch ausführlich zurück.

[15] Luhmann 1997, S. 752. Analog trifft das auf die Zahlung im Wirtschaftssystem zu (Vgl. Luhmann 1988), die Publikation im Wissenschaftssystem (Vgl. Luhmann 1990) oder die Urteilsverkündung im Rechtssystem zu (Vgl. Luhmann 1993).

[16] Vgl. dazu grundlegend Luhmann 1984, S. 34ff. und 242ff. Dieser Gedanke steht in traditionsreicher Linie, denn schon Anfang des 20. Jahrhunderts gewann die differenztheoretische Perspektive, vor allem durch Durkheim, Simmel und Weber, Konturen innerhalb der Soziologie.

[17] Vgl. Luhmann 1997, S. 78f.

[18] Diese Bedingung ist ebenfalls für psychische Systeme ausschlaggebend, die sich durch Gedanken- und Vorstellungsoperationen dauerhaft produzieren und reproduzieren.

[19] „Als autopoietisch wollen wir Systeme bezeichnen, die die Elemente, aus denen sie bestehen, durch die Elemente, aus denen sie bestehen, selbst produzieren und reproduzieren.“ Luhmann 1995e, S. 56.

[20] Luhmann 2000b, S. 16.

[21] Um Mißverständnissen vorzubeugen: Wir haben es uns im Rahmen dieser Studie nicht zur Aufgabe gemacht, eine eigenständige und grundlegende Interaktionstheorie zu entwickeln, sondern lediglich die notwendigen interaktionstheoretischen Begrifflichkeiten vorzuführen und zu erläutern.

[22] Ziemann 1997, S. 29.

[23] Vgl. dazu auch Luhmann 1975f.

[24] Luhmann 1997, S. 13.

[25] Vgl. Luhmann 2000b, S. 222.

[26] Luhmann 2000b, S. 227.

[27] Vgl. hierzu auch Goffman 1994, S. 50ff., Kieserling 1999, S. 32ff. und Luhmann 1975, S. 21.

[28] Luhmann 1984, S. 566. Auf die Bedeutung dieses Sachverhalts gehen wir im Kapitel 5.1 detaillierter ein.

[29] So die Erkenntnis von Kieserling, der wir uns ausnahmslos anschließen wollen. Vgl. Kieserling 1999, S. 15.

[30] Interaktion als „Kommunikation unter Anwesenden“ zu begreifen, hat zunächst Vorteile der Grenzziehung und Unterscheidung. Ausgeschlossen sind demnach Formen des Schriftverkehrs, des Buchdrucks, der Tele- und Massenkommunikation, die allesamt dem Erfordernis der Anwesenheit zuwiderlaufen. Interaktion kann somit als ein Sonderfall von Kommunikation präzisiert werden, der sich insbesondere der Mündlichkeit verdankt und durch parallellaufende reflexive Wahrnehmungen sowie durch Themenbindungen unterstützt wird. Wir werden darauf sogleich ausführlicher eingehen. Vgl. hierzu die grundlegenden Bemerkungen von Kieserling 1999, S. 24ff.

[31] Jäckel 1995, S. 467.

[32] Vgl. Simmel 1992, S. 17f.

[33] Auf die Fruchtbarkeit der Soziologie Simmels für eine umfassende Gesellschaftstheorie, die ihr eigenständiges Profil u. a. dadurch gewinnt, daß der Wechselwirkungsbegriff für die Beschreibung der verschiedenen Gesellschaftsebenen angesetzt werden kann, hat Ziemann explizit hingewiesen. Vgl. Ziemann 2000a, S. 59.

[34] Vgl. Simmel 1992, S. 17f.

[35] Vgl. hierzu nochmals Ziemann 2000a, S. 57.

[36] Vgl. Mead 1980, S. 210.

[37] Vgl. Mead 1968, S. 85f.

[38] Vgl. Mead 1968, S. 300f. Wir verzichten an dieser Stelle bewußt auf die Darstellung des Wechselspiels von I und Me sowie die damit zusammenhängenden Prozesse des play und game. Für eine sozial-psychologisch fundierte Arbeit wären sie hochrangig von Interesse, und ihre Bedeutung sollte diesbezüglich nicht unterschätzt werden. Für unser Anliegen ist aber mehr die Rollentheorie im allgemeinen relevant und weniger die für Mead damit verbundenen identitätstheoretischen Überlegungen.

[39] Goffman 1994, S. 55.

[40] Vgl. Goffman 1977, S. 19.

[41] Vgl. hierzu noch einmal die einführenden und für die systemtheoretische Sichtweise grundlegenden Bemerkungen von Luhmann 1984, S. 15ff.

[42] Letztendlich erfordert die Logik der Systemtheorie selbst eine solches Vorgehen, denn eine Theorie, die ausschließlich mit Unterscheidungen beobachtet, kann Gemeinsamkeiten nur dann beobachten, wenn es auch Differenzen zu beobachten gibt.

[43] Um jeden Einwand sogleich abzuwehren, sei darauf hingewiesen, daß das Erfordernis der Nachweisbarkeit von Konstitutionsbedingungen und Grenzbildungsprinzipien auch auf Organisations- und Funktionssysteme zutrifft.

[44] Vgl. Luhmann 1984, S. 553.

[45] Diese prinzipielle thematische Offenheit impliziert natürlich Einschränkungen. Organisations- und funktionssystemspezifische Interaktionen unterliegen thematischen und programmatischen Vorgaben, die nicht mehr alles erlauben und jede Abweichung mit großer Irritation registrieren. Eine Haushaltsdebatte im Bundestag, die der Bundeskanzler nutzt, um über seinen letzten Sommerurlaub zu berichten, würde sehr schnell an Glaubwürdigkeit verlieren und an Absurdität gewinnen. Selbiges gilt für eine Gerichtsverhandlung, in der Richter, Anwälte, Kläger und Angeklagte sich plötzlich zu einem Kartenspiel entschließen, für eine Unterrichtsstunde, in der ein Lehrer seine Schüler zum Drogenkonsum motivieren würde oder für eine sozialwissenschaftliche Publikation, in der nebenbei Kochrezepte präsentiert werden.

[46] Vgl. dazu selektiv Goffman 1971, S. 28; Goffman 1983, S. 18 und Goffman 1994, S. 55. Vgl. auch Luhmann 1975, S. 22 und Luhmann 1984, S. 560. Vgl. des weiteren Geser 1990, S. 208 und Kieserling 1999, S. 17.

[47] Wenngleich diese Tatbestände für den dauerhaften Bestand einer Interaktion ohne Zweifel förderlich sind.

[48] Geser 1990, S. 208.

[49] Wir sprechen hier absichtlich von einem materiellen Substrat, um jeder Unstimmigkeit aus dem Wege zu gehen. Soziale Systeme bestehen aus Kommunikation und aus nichts anderem, auch nicht aus den physisch anwesenden Menschen. Sie sind lediglich die Bedingung der Möglichkeit von Kommunikation und stellen den materiellen Unterbau dar. Nichts anderes soll an dieser Stelle behauptet werden. Folgendes Zitat mag diesen Sachverhalt nochmals verstärkt herausstellen: „Aus der Perspektive des Sozialsystems bedeutet die unselektive und unkontrollierte Einflußnahme singulärer Individuen eine Quelle exogener Abhängigkeit, die es ihm erschwert, seinen Bestand, seine innere Struktur und seine Zielsetzungen unabhängig von der Teilnahme konkreter Einzelpersonen zu fixieren.“ Geser 1980, S. 211.

[50] Vgl. Kieserling 1999, S. 17.

[51] Was im übrigen voraussetzt, daß sich bereits ein System konstituiert hat und über gewisse Strukturen disponieren kann. Vgl. Luhmann 1975, S. 22.

[52] Goffman hat diesbezüglich von einer „folgenschweren Offensichtlichkeit“ gesprochen, die durch die physische Kopräsenz zweier Individuen bedingt ist. Vgl. Goffman 1994, S. 58.

[53] Vgl. hierzu Kieserling, der gegenteiliger Meinung ist: „Anwesenheit und Abwesenheit sind denn auch keine Statusmerkmale von Personen, die sie aus der einen Interaktion in die andere mitnehmen können, sondern bloße Effekte der Interaktion selbst.“ Kieserling 1999, S. 18, Fn. 7.

[54] Vgl. Geser 1990, S. 210.

[55] Es ist fast schon absurd, daß chronisch überlastete Manager tatsächlich in ihrem Terminkalender nach freier Zeit suchen müssen und oftmals nicht fündig werden.

[56] Vgl. Luhmann 1975, S. 21.

[57] Vgl. Berger 1995, S. 106f.

[58] Vgl. Luhmann 1975, S. 23 sowie Luhmann 1984, S. 560.

[59] Vgl. Luhmann 1995, S. 14f.

[60] Simmel 1992, S. 723.

[61] Simmel 1992, S. 725.

[62] Simmel 1992, S. 725.

[63] Wenngleich es Situationen gibt, in denen einzelne sich lautstark ankündigen, bevor sie den Interaktionsraum sichtbar betreten, nehme ich im Normalfall den anderen zuerst einmal visuell wahr, bevor ich ihn höre.

[64] Simmel 1992, 729f.

[65] Vgl. Simmel 1992, S. 730.

[66] Ziemann 1998, S. 64.

[67] Blinde und Gehörlose haben vermeintlicherweise Schwierigkeiten, sich der Komplexität einer „normalen“ Interaktion anschließen zu können. Sowohl die Wahrnehmungsbeeinträchtigten als auch die voll Wahrnehmungsfähigen müssen die Ersatzmechanismen der Blinden- und Taub-Stummen-Spra-che erst einmal erlernen, um sich in der jeweiligen Situation souverän behaupten zu können.

[68] Vgl. Luhmann 1984, S. 213 und Kieserling 1999, S. 180.

[69] Luhmann 1975, S. 24.

[70] Vgl. Kieserling 1999, S. 194.

[71] Kieserling 1999, S. 195, Fn. 30.

[72] Luhmann 1975, S. 24f.

[73] Man könnte die Kommunikation via Telefon, Brief und Internet als Spezialfall von Interaktion behandeln, auf Parallelitäten und Unterschiede eingehen. Zumindest entsprechen diese Kommunikationsformen nicht unseren Anforderungen einer face-to-face-Interaktion.

[74] Vgl. hierzu die kritischen Bemerkungen von Jäckel 1995.

[75] Luhmann 1997, S. 26.

[76] Vgl. Weber 1972, S. 1. Die Spezialdiskussion, ob bei Weber das soziale Handeln oder erst die soziale Beziehung als Grundelement von Gesellschaft fungiert, ist für unsere grundlagentheoretischen Überlegungen unerheblich.

[77] Vgl. Habermas 1981, S. 128 und 385f.

[78] Vgl. hierzu auch Luhmann 1984, S. 193f. Man stelle sich die Dramatik dieses Umstands vor, wenn jegliche Übertragungsleistung mit einem Verlust auf der Seite des Gebenden korrelierte. Der Gebende müßte permanent Wissensverluste hinnehmen, würde möglicherweise emotionale Bindungen nicht mehr aufrechterhalten können und stünde am Ende als tabula rasa dar.

[79] Vgl. Heidenescher 1992, S. 442.

[80] Vgl. dazu auch Luhmann 1984, S. 43 und 157 sowie Luhmann 1997, S. 134.

[81] Diese Aussage hat durchaus den Charakter eines analytischen Urteils im Sinne von Kant. Vgl. zur Differenz von analytischen und synthetischen Urteilen Kant 1974, A6f./B10f.

[82] Vgl. Luhmann 1997, S. 81f. Durkheim war bekanntermaßen davon überzeugt, daß insbesondere für archaische Gesellschaften ein Kollektivbewußtsein die Objektivität des sozialen Geschehens gegenüber den individuellen Dispositionen zum Ausdruck bringt. Das Kollektivbewußtsein stellt die Gesamtheit der gemeinsam vorhandenen Gefühle und religiösen Denkweisen einer Gesellschaft dar. Vgl. Durkheim 1992, S. 128.

[83] Luhmann 1995a, S. 115.

[84] Vgl. dazu grundlegend Luhmann 1984, S. 194f.

[85] Vgl. Luhmann 1984, S. 196.

[86] Kneer/Nassehi 1991, S. 349.

[87] Wie dies insbesondere Max Weber in seiner Methodenlehre der Verstehenden Soziologie unterstellt hat. Vgl. dazu Weber 1972, S. 3ff.

[88] Luhmann 1997, S. 205.

[89] Vgl. Luhmann 1987, S. 13f.

[90] Luhmann 1997, S. 227.

[91] Vgl. Luhmann 1981, S. 26ff.

[92] Vgl. Geser 1990, S. 223.

[93] So Kneer/Nassehi 1991, S. 345.

[94] Vgl. grundlegend Luhmann 1984, S. 59ff. sowie ergänzend Luhmann 1990, S. 26 ff. und Luhmann 1997, S. 65f.

[95] Luhmann 1997, S. 103.

[96] Luhmann 1981a, S. 156. Interpenetration ist ein Spezialfall von struktureller Kopplung, der für das Verhältnis von sozialen und psychischen Systemen reserviert ist. Luhmann hat diesen Begriff, nebst dessen er ihn im Zuge seiner Theorieentwicklung zunehmend vernachlässigt hat, zuletzt weiter gefaßt, um ihn überdies auf Fälle anzuwenden, in denen Systemverhältnisse sich wechselseitig koevolutiv entwickeln und keines der beteiligten Systeme ohne das andere existieren kann. Das würde seiner Meinung nach dann auch z. B. für das Verhältnis von neuronalem System und dem Gehirn gelten. Vgl. Luhmann 1997, S. 108. Wir optieren an dieser Stelle allerdings für die eingangs artikulierte Version und fassen ausschließlich das Verhältnis von Bewußtsein und Kommunikation als Interpenetrationsverhältnis auf.

Ende der Leseprobe aus 168 Seiten

Details

Titel
Interaktion im politischen System - Eine systemtheoretische Betrachtung der politischen Kommunikation unter Anwesenden
Hochschule
Universität Duisburg-Essen
Note
sehr gut
Autor
Jahr
2001
Seiten
168
Katalognummer
V19126
ISBN (eBook)
9783638233163
ISBN (Buch)
9783638681063
Dateigröße
1305 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Interaktion, System, Eine, Betrachtung, Kommunikation, Anwesenden
Arbeit zitieren
Magister Artium Jörg Frehmann (Autor:in), 2001, Interaktion im politischen System - Eine systemtheoretische Betrachtung der politischen Kommunikation unter Anwesenden, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19126

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