Humor in der Interventions- und Beratungspraxis Sozialer Arbeit


Diplomarbeit, 2011

104 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltverzeichnis

Vorwort

I. Was ist Humor?
I. 1. Die historische Begriffsentwicklung bis zur heutigen Verwendung
1.1. Die gegenwärtige Verwendung des Humorbegriffes
1.2. Humor wie er in dieser Arbeit verstanden werden soll
I. 2. Humor aus physiologischer und psychosozialer Sicht
2. 1. Zusammenhang von Lachen und Humor
2. 2. Zur physiologischen Sicht des Humors
2. 2. 1. Die Funktion des Lachens
2. 2. 2. Neurophysiologische Vorgänge beim Lachen
2.2.3. Bio- und neurophysiologische Folgen für die Gesundheit
2. 3. Psychosoziale Aspekte des Lachens/Humors
2. 3. 1. Psychosoziale Humorentwicklung beim Kind
2. 3. 2. Die Humorentwicklung hin zum Erwachsenen
2. 4. Beitrag aus physiologischer und psychosozialer Sicht zum Verständnis von Humor

II. Humor in relevanten Fachgebieten
II. 1.Salutogenes
II. 2.Humor im Gesundheitswesen
2.1. Klinikclowns
2. 2. Gericlowns
II. 3. Humor in der Pädagogik
II. 4.Humor in der Psychotherapie
4. 1. Der provokative Stil in der Psychotherapie
II. 5. Humorarten
5. 1. Guter Humor
5. 1. 1. Der Witz
5. 1. 2. Der Galgenhumor
5. 1. 3. Die Komik
5. 1. 4. Die Ironie
5. 1. 5. Die Selbstironie
5. 1. 6. Die Satire
5. 1. 7. Die Clownerie
5. 2. Schlechter Humor
5. 2. 1. Der Sarkasmus
5. 2. 2. Der Zynismus
5. 3. Grenzgänger
5. 3. 1. Schwarzer Humor
5.3.2. Aggressive Varianten des Humors
5.3.3. Die Schadenfreude und die Verhöhnung

III. Humor in der sozialen Arbeit
III.1.Humor fördert die Entwicklung sozialer Kompetenz
III.2. Zur Entwicklung des Humors in der sozialen Arbeit
III.3. Humor als Mittel in der sozialen Arbeit
III.4. Humorintervention innerhalb der Sozialen Arbeit

IV. Resümee

Literaturverzeichnis

Anhang

Hinweis!

Der Anhang Humorrelevante Internetadressen auf der letzten Seite (nach der Eidesstattlichen Erklärung) war nicht Bestandteil der Original Diplomarbeit. Der Vollständigkeit und der besseren Orientierung halber wurde er von mir anschließend eingefügt.

Michael Höllerhage

Vorwort

Humor in der Sozialen Arbeit?

Soll das etwa witzig sein? Nicht zwingend.

Es macht zumindest Spaß, sich mit dem Phänomen Humor auseinander zu setzen, ist zugleich aber ein ernsthaftes Thema, wie sich im Verlaufe der Arbeit zeigen wird. Und noch eine Kleinigkeit: Humor ist umsonst, aber kostbar. Jeder von uns besitzt ihn, mehr oder weniger. Er ist also in Unmengen vorhanden. Man muss ihn nicht kaufen und nicht beantragen, man kann ihn leicht mit sich herum tragen. Und! er ist in vielen Fällen hochwirksam, wie sich herausstellen wird.

In meinem Berufsalltag als Krankenpfleger in der mobilen Krankenpflege hatte das Team einen depressiven Mann zu versorgen. Er bekam von uns eine Lachtherapie verordnet, indem er sich mindestens zwei bis drei Stunden täglich mit lustigen Sachen beschäftigen sollte, Komödien ansehen, witzige Cartoons lesen. Besorgniserregende mediale Inhalte wurden ausgeschlossen. Nach einigen Wochen fand er zunehmend Gefallen an dieser Vorgehensweise. Er bemerkte, dass er weniger grübelte, besonders, wenn er sich Komödien anschaute. Er lernte wieder zu lachen, sein Blick richtete sich zunehmend weg von seiner Krankheit und deren einengenden Auswirkungen. Nach einigen Monaten verfasste er wieder Pläne für seine Zukunft, arrangierte sich mit den durch die Erkrankung einhergehenden Einschränkungen, schloss diese Umstände in seine Pläne mit ein.

Aufgrund dieser und ähnlicher Erfahrungen setze ich mich in dieser Arbeit mit dem Humor in der sozialen Arbeit auseinander und möchte herausfinden, ob der Humor innerhalb dieses Tätigkeitsbereichs ähnlich positive Wirkungen entfalten kann.

Angesichts gegenwärtiger globaler ökonomischer Krisen, wie weltumspannende Finanzdesaster, drohender finanzieller Bankrott von Staats-Systemen, sich in der gesamten Welt verbreitende lebensbedrohende Krankheiten, dazu noch die Armut im eigenen Land, die Menge an Menschen in schwierigen Lebenssituationen, uns plastisch dargeboten bereits beim Frühstück durch die Medien, da kann es nicht weiter verwundern, wenn unser inneres Bedürfnis nach Beständigkeit, Sicherheit und Frieden, gesellschaftlicher und innerer Ordnung kräftig ins Wanken gerät. Vor allem, weil wir dem wenig bis gar nichts direkt und persönlich entgegenzusetzen haben. Das schafft bei Manchem Ohnmachtgefühle und sicher auch Wut. Es gibt aber auch eine Welt der Zufriedenheit, des Glücks, des Wohlstands, der Gesundheit, der Humanität, der christlichen Nächsten-Hilfe, der Liebe und der Freude. Daraus können wir positive Energie für unser Leben ziehen, denn wir haben in uns selber ein wichtiges Hilfsmittel zur Verfügung, den Humor und die durch ihn entstehende Heiterkeit. Durch Humor können wir uns innerlich einen Gegenstandpunkt erarbeiten, der uns an all dem oben geschilderten nicht verzweifeln lässt. Mit Humor im Verbund mit anderen positiven menschlichen Eigenschaften können wir unser Leben weiter nach unseren Vorstellungen gestalten, ohne in Lethargie zu verfallen oder innerlich zugrunde zu gehen. Humor ist unabhängig von Status oder den uns zur Verfügung stehenden materiellen Mitteln. Mit Hilfe des Humors kann man mehr tun, als nur den Kopf zu schütteln, wie hierzulande immer gern gesagt wird. Humor kann helfen, Situationen zu entschärfen und uns allgemein handlungsfähiger zu machen und uns dadurch die Motivation zu geben, uns in irgendeiner Form zu engagieren, um Missstände abzumildern oder sie gar beseitigen zu helfen.

Der Titel der Arbeit bezieht sich auf das alltägliche berufliche Handeln des Sozialarbeiters, der sowohl intervenieren als auch beraten muss. Und manchmal beides zusammen. Hier wird von mir keine ausführliche Arbeit über eine spezielle Methodik der sozialen Arbeit geschrieben. Die Arbeit dient der Untersuchung, ob Humor als Grundhaltung in der Sozialarbeit von nutzen sein kann, oder eher nicht, vielleicht sogar schädlich ist.

Des Weiteren wird in dieser Arbeit aufgezeigt, inwieweit aufgrund heutiger Erkenntnisse Aussagen über den Humor und seine Bedeutung in unserer Gesellschaft gemacht werden können. Außerdem wird der Frage nachgegangen, ob es notwendig sein könnte, den Humor als zu lernendes Instrument im Sozialen Bereich zu etablieren.

Ich stelle folgende Thesen auf:

- Humor erweist sich bereits ab der Geburt als Mittel der sozialen Interaktion und Kompetenz.
- Humor hat einen grundlegenden und steuernden Einfluss auf den Lebensweg eines Menschen.
- Humor als Methode wird bereits in der Psychotherapie und im Gesundheitswesen als Bewältigungsform von Krankheiten und als hilfreiche Methode, z.B. in Form von Klinikclowns, angewandt.

Unter Bezug auf die oben genannten Thesen ergibt sich daraus für die Sozialarbeit meiner Ansicht nach folgendes:

- Humor ist eine Sinn machende Haltung in der sozialen Arbeit.
- Humor fördert den Prozess der Hilfeleistung.
- Humor unterstützt die Beratung und die Intervention.
- Das Berufsbild sozialer Arbeit kann sich ein besseres Profil durch den Einsatz von Humor verschaffen. Gleichzeitig kann Humor auch beim Adressaten, neben der Problemsicht eine andere, positivere Sichtweise von sich selbst herbeiführen.
- Humor ermöglicht eine sehr gute, eigene Psychohygiene für den Sozialarbeiter.
- Humor ist daher für die Zukunft der Sozialarbeit ein unentbehrliches Instrument. Deshalb sollten sich diese Erkenntnisse in der Lehre, an Hand einer erweiterten Studienordnung und Forschung wieder finden.

Im ersten Schritt des ersten Kapitels wird ein grundlegendes Begriffverständnis von Humor erarbeitet, daran schließt sich an wie Humor sich ausdrückt und was er im Menschen im Einzelnen bewirkt. Hier wird der Blick vor allem auf die physiologischen und psychosozialen Aspekte des Humors gelenkt, da diese grundlegend die positiven und stärkenden Auswirkungen darstellen helfen und es die Absicht von sozialer Arbeit ist, den Adressaten zu stärken und ihn zur Herstellung einer stabileren Lebenslage zu befähigen. Im zweiten Kapitel soll deshalb zuerst dargestellt werden wie im allgemeinen Humor funktioniert und welche Vorteile ihm in der Gesellschaft zukommen können. Danach wird aufgezeigt, dass in berufsverwandten Fachgebieten bereits gelingende Interventionsmöglich-keiten existieren. Im dritten Kapitel werden diese Erkenntnisse im ersten Schritt auf die soziale Arbeit übertragen und daran anschließend wird aufgezeigt wie der einzelne Sozialarbeiter sich eine humorvolle Haltung erarbeiten und diese in den praktischen Berufsalltag übertragen kann. Abschließend werden die Erkenntnisse aus den drei Kapiteln auf die Eingangs aufgestellte Hypothese, dass Humor ein durchaus geeignetes Mittel der Intervention in der sozialen Arbeit sein kann, zusammengefasst.

Ich vermeide den Begriff Klient, weil diese Bezeichnung ursprünglich, laut Duden Definitionen u.a. (clientis) Höriger oder Abhängiger (eines Patrons) bedeutet. (vgl. Duden 2007b) Das erscheint mir als eine abwertende Bezeichnung. Stattdessen verwende ich für die Menschen, die Hilfen in besonderen Lebenslagen erhalten den Begriff Leistungsem-pfänger oder Hilfeempfänger. Es fließen Zitate, Witze und Sprüche mit in die Arbeit ein. Sofern diese nicht einer inhaltlich speziellen Beweisführung dienen, sind die Quellen zum Teil nicht explizit angegeben. Teilweise sind diese Inhalte dazu da, etwas zu veranschaulichen, oder einfach zum innezuhalten, nachzudenken und vielleicht sogar zum Schmunzeln anzuregen. In diese Arbeit fließen selbstverständlich Inhalte der Seminare und Vorlesungen mit ein, die ich an der Ev. FH-Bochum besucht habe. Einiges ist auch aus der Erinnerung heraus abgespeichertes aus Gesprächen, wo keine genauen Quellenangaben möglich sind.

Bei der Nennung der Geschlechter gebe ich das männliche an. Es sind alle Geschlechter gemeint; Männer, Intersexuelle, Frauen, Transsexuelle. Nur wenn sich die Texte explizit auf ein bestimmtes Geschlecht beziehen, werde ich das übernehmen.

I. Was ist Humor?

„Humor ist, was man nicht hat, sobald man ihn definiert.“

(Presber 2002, S.17).

In diesem Kapitel soll der Begriff Humor in seiner Vielgestaltigkeit und von der begrifflichen Bedeutung her erfasst werden, um ein grundlegendes Begriffsverständnis für diese Diplomarbeit voraussetzen zu können. Dabei wird dieser zuerst im Wandel seiner historischen Bedeutung und der Auseinandersetzung mit verschiedenen Definitionen dargestellt und zusammengefasst.

In einem weiteren Schritt wird versucht die wichtigsten physiologischen, sowie psychosozialen Aspekte des Lachens mit Blick auf die Thematik dieser Arbeit darzustellen.

I. 1. Die gegenwärtige Verwendung des Humorbegriffes und seine historische Entwicklung

Der Humorbegriff, wie er uns in der heutigen Zeit geläufig ist und wie wir ihn verwenden, hat sich im Laufe der Zeiten stark in seiner Bedeutung und in seinem Kontext verändert und entwickelt.

Schaut man sich unter diesem Aspekt die Geschichte der menschlichen Kulturen an, die über Formen der Aufzeichnung verfügten, begegnet man dem Phänomen Humor fast überall. Es ist anzunehmen, dass es auch in den vorschriftlichen Zeitaltern des Menschen Spielarten des Humors gegeben hat, da dieses scheinbar ein zum Menschen gehörendes Ausdrucksmittel zu sein scheint.

Zuerst erscheint Humor und das Lachen scheinbar eher im Bild von Spott, Hohn und dem Gefühl sich dadurch von einem anderen als Überlegen abgrenzen zu können.

In der Kultur der griechischen Antike beispielsweise wurde im öffentlichen Bereich, in Theatern, bei Festen und in den Straßen gelacht. Einflussreiche Personen oder Passanten wurden von schlagfertigen Männern öffentlich verspottet. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Humor, 5.1.2012)

Gegenstand der eher aggressiven Formen des Humors ist laut Aristoteles das Lächerliche. Verhöhnung eines anderen und die gegen sich selber gerichtete Ironie bezeichnete Aristoteles als zwei verschiedene Arten des Lächerlichen. Laut Aristoteles war es im Kampf der Geister von Nutzen, wie man Lächerliches hervorrufen oder vermeiden kann, um die Würde des Gegners zunichte zu machen. (vgl. Titze/Eschenröder 2003, S.41)

Der Philosoph Hobbes führte das Lächerliche auf ein Gefühl der Überlegenheit zurück, welches entsteht, wenn die schwachen Seiten anderer sichtbar werden. (ebd.) Die großen Philosophen der Antike forderten die Zähmung des groben Lachens zugunsten von feinerem Witz und kultivierter Ironie. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Humor, 5.1.2012)

Im Mittelalter taucht der Begriff Humor in Verbindung mit Gesundheit und körperlichem Wohl auf. Im weiteren Verlauf des Mittelalters veränderte sich das Begriffsverständnis.

In der mittelalterlichen Medizin wurde der lateinische Begriff humores für die vier Körpersäfte Blut, Phlegma, Cholor (gelbe Galle) und Melancholie (schwarze Galle) verwendet. (vgl. Robinson 1991, S. 9f) Daraus leitet sich der heute verwendete Begriff Humor ab. Man glaubte im Mittelalter, dass das Verhältnis zwischen diesen Körperflüssigkeiten für die Gesundheit, den Charakter und die Gemütslage eines Menschen maßgeblich waren. Wenn alle Humores (Körpersäfte) gleich stark vertreten waren, sprach man von gutem Humor, war ein Saft dominierend sprach man vom schlechtem Humor. (ebd.)

In diesen Zusammenhängen wurde ein Ungleichgewicht der Körpersäfte für labiles Verhalten, gesundheitliche Probleme und dann später für Stimmungen und Launen verantwortlich gemacht. Der Begriff Humor entwickelte sich hin zur Bezeichnung einer seelischen Gestimmtheit. Somit wechselte er vom rein stofflichen in den geistigen Bereich. (vgl. Rißland 2002, S. 18)

Scheinbar traten aber das Lachen, um sich über andere zu erheben und der Humorbegriff weiterhin nebeneinander auf. Wendet man sich den Veränderungen im 17. Jahrhundert zu wird dies deutlich. Im Allgemeinen wurde in dieser Zeit über Abnormitäten von Personen gelacht. (ebd.) In dieser Zeit wurden vor allem Behinderungen und abnorme Merkmale von Menschen Auslöser von Humor. Die Menschen zur damaligen Zeit nutzten Abweichungen vom Normalzustand, wie Behinderungen, Abnormitäten oder Missbildungen zu übertriebener Nachahmung. Diese wurden in Theatern, Varietés und im Zirkus besonders zur Schau gestellt. (Maruhn 2007, S.14)

Um die Andersartigkeit ins eigene Weltbild zu integrieren, weil das was man da sah erschreckte, nicht passte und ein komisches Gefühl erzeugte stellte das Lachen sozusagen einen Ausgleich her. Doch im weiteren Verlaufe dieses Jahrhunderts änderte sich die Sichtweise. Es wurde unmoralisch über die Gebrechen anderer Menschen zu lachen, stattdessen richtete sich der Blick auf ungeschicktes Verhalten bei Mensch und Tier. Etwa von dieser Zeit an unterschied man zwischen dem good humour und dem bad humour. (ebd.)

Menschliches, warmherziges, freundliches und tolerantes Lachen bedeutete good humour und daraus entwickelte sich langsam der moderne Begriff des heutigen Humors. Bad humour dagegen bedeutete Spott und Hohn. (Maruhn 2007, S. 14)

Humor und Lachen werden nun anders bewertet und beginnen vermehrt als Form einer menschlichen Grundhaltung oder inneren Eigenschaft aufzutreten. So scheint der moderne Humorbegriff im 18. Jahrhundert geprägt worden zu sein. Ein Hauptmerkmal wurde das Wohlwollen sowohl einem anderen, als auch sich selbst gegenüber. Humor wird seitdem als eine Gemütskraft betrachtet, „der Unzulänglichkeit der Welt und des Menschen, den Schwierigkeiten und Missgeschicken des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen“ (Duden, Etymologie1997, 295; zitiert in Rißland 2002, S.19).

Humor beschreibt aufgrund dieser Prägung die menschlichen Fehler und Schwächen unbedingt mit Mitgefühl und Sympathie.

Diesen Aspekt verdeutlicht auch nochmals die Tradition der Ästhetik im 18. Jahrhundert. Auch hier gilt für Humor der uneingeschränkt wohlwollende Sinninhalt. Man wollte lächelnd und wohlwollend dem Leben und dessen Widersprüchlichkeiten begegnen. In der Ästhetik wird Humor als Haltung, statt als Verhalten angesehen. Eine humorvolle Haltung besitzt derjenige, der die Fähigkeit besitzt, die Schattenseiten des Lebens mit heiterer Gelassenheit, geistiger Überlegenheit, heiterer seelischer Grundhaltung und überlegener Heiterkeit zu betrachten . (Wahrig-Burfeind 2000, 662; in: Rißland 2002, S. 20)

1.1. Die gegenwärtige Verwendung des Humorbegriffes

Der Züricher Psychologie Professor Dr. Willibald Ruch, einer der führenden Humorforscher in Europa, stößt sich an der Fragestellung, was denn Humor nun genau sei. Er hält die Frage für irreführend, weil sie angeblich suggeriere, es gäbe eine Antwort darauf. (vgl. Siegel 2005, S. 24) Trotzdem soll hier eine Darstellung mit Hilfe verschiedener Quellen erfolgen um dem Wesen des heutigen Humorverständnisses näher zu kommen.

Im Duden finden sich unter dem Stichwort Humor folgende Einträge:

„¹ Hu|mor, der; -s, -e (Pl. selten) [älter engl. humour = literarische Stilgattung des Komischen, eigtl. = Stimmung, Laune < afrz. humour < lat. (h)umores = (Temperament u. Charakter bestimmende) Körpersäfte, zu: (h)umor = Feuchtigkeit, Flüssigkeit]:“ (Duden 2007a).

1. (ohne Plur.) Gabe eines Menschen, über bestimmte Unzulänglichkeiten lächeln zu können u. den Schwierigkeiten des Alltags mit heiterer Gelassenheit zu begegnen.

2. sprachliche, künstlerische o.ä. Äußerung einer von Humor (1) bestimmten Geisteshaltung, Wesensart, z.B. der rheinische Humor;

schwarzer Humor: Humor, der das Grauen, das Grauenhafte einbezieht.

3. (ohne Plur.) gute Laune, fröhliche Stimmung“ (Duden 2007b)

Daraus folgt, dass wir Menschen den Humor zur Alltagsbewältigung nutzen und wir durch Humor in der Lage sind, Schwierigkeiten im Leben zu relativieren. Humor bezieht dabei auch die Situationen ein, die uns in Angst und Schrecken versetzen können.

Der Humor ist eine dem Menschen innewohnende Eigenschaft, eine Ausdrucksform des Denkens, des Handelns und der Selbstbewusstheit, die jedoch bisher nicht allgemeingültig erklärt werden konnte. (vgl. Robinson 2002, S.3f)

Wie viele andere menschliche Verhaltensweisen auch, ist der Humor komplex und von vielschichtiger Natur. Er wird geprägt von so wichtigen Faktoren wie den verschiedenen Kulturen, der Individualität des Menschen, der Erziehung und dem jeweiligen Umfeld in dem sich jeder Einzelne bewegt. (vgl. Robinson 2002, S.130) Die verschiedenen Ebenen in denen der Mensch sich aus soziologischer Sicht bewegt, nehmen wechselseitig Einfluss auf seine Haltung, seine Einstellungen und sein Handeln, dies lässt sich ebenso auf den Humor beziehen. (ebd.) So gibt es laut Gilmore in jeder Kultur „eine spezielle Definition und ein besonderes Gefühl dafür, was Sinn macht und wo die Grenzen einer Person liegen. Innerhalb dieser Grenzen ist der Sinn für Humor eine sehr intime Angelegenheit, den man ganz erfassen muss, um dazuzugehören.“(Gilmore 2007, S.98).

Humor ist ein Mittel der Auflehnung gegen Regeln und Grenzen der Gesellschaft. (vgl. Reinelt 2004, S. 21)

„Witz und Humor leben von den Widersprüchen des Lebens, haben immer Enttäuschungen, Probleme und Konflikte zum Inhalt. Und die Entfaltung einer humorvollen Lebenseinstellung fördert trotz aller Misere in der großen Welt und in den kleinen Welten von uns Erdkrustenbewohnern den Sinn für befreiendes Lachen, für Kindlichkeit und Toleranz, Konfliktfähigkeit und Lebensfreude.“ (Kirchmayr 2006, 7f. zitiert in Effinger 2008a, S. 30)

Humor kann demnach ein persönliches Hilfsmittel sein, um eine innere Auflehnung gegen einengende Regeln und Grenzen in Gang zu setzen. Humor ist dadurch ein Mittel von großem Beziehungsreichtum. (vgl. Reinelt 2004, S.20f)

Der im deutschen Sprachgebrauch geläufige Ausspruch: Humor ist, wenn man trotzdem lacht, dessen Formulierung Otto Julius Bierbaum zugesprochen wird, wird einmal näher betrachtet. Das Trotzdem bewirkt, dass durch Humor Schwäche und Stärke verknüpft werden. Lachen wir in Situationen in denen wir nicht zurechtkommen, oder wo die Peinlichkeit des Scheiterns droht, hilft uns der Humor nur darüber hinweg, wenn noch ein Ausblick auf eine erfolgreiche Meisterung des Problems vorhanden ist. Dieses Trotzdem akzeptiert auch makabere Gegebenheiten. Kommen zu den Fehlern, die wir bereits begangen haben neue hinzu kann man sich durch Humor bewusst dümmer darstellen als man in Wirklichkeit ist. Das besondere Herausstellen der eigenen Schwäche durch Humor, kann symbolisch zur Überwindung einer bedrohlichen Situation beitragen. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki /Humor, 5.1.2012) In den verschiedenen Ausführungen wird deutlich, dass Humor scheinbar eine Stärke darstellt, mit der ein Mensch, wenn er über diesen verfügt Schwierigkeiten besser begegnen kann.

„Der Humor hat nicht nur etwas Befreiendes wie der Witz und die Komik, sondern auch etwas Großartiges und Erhebendes, welche Züge an den beiden anderen Arten des Lustgewinns aus intellektueller Tätigkeit nicht gefunden werden. Das Großartige liegt offenbar im Triumph des Narzissmus, in der siegreich behaupteten Unverletzlichkeit des Ichs. Das Ich verweigert es, sich durch die Veranlassungen aus der Realität kränken, zum Leiden nötigen zu lassen, es beharrt dabei, dass ihm die Traumen der Außenwelt nicht nahe gehen können, ja es zeigt, dass sie ihm nur Anlässe zu Lustgewinn sind.“ (Freud 1927b)

Eine der bedeutsamsten Eigenschaften des Humors drückt sich dadurch aus, dass er uns befähigt, das Absurde an einer Situation zu erkennen, sich nicht davon bezwingen zu lassen und stattdessen darüber lachen zu können. (vgl. Höfner/Schachtner 2006, S. 54)

So kann man Humor als Haltung zusammenfassen wie sie von Erich Kästner im Folgenden beschrieben wird:

„Der Humor rückt den Augenblick an die richtige Stelle. Er lehrt uns die wahre Größenordnung und die gültige Perspektive. Er macht die Erde zu einem kleinen Stern, die Weltgeschichte zu einem Atemzug und uns selber bescheiden.“ (Erich Kästner, zitiert in Michel 2009, S.6)

1.2. Humor wie er in dieser Arbeit verstanden werden soll

- Humor verändert die Blickrichtung

Um das Absurde des Menschseins im ganz Allgemeinen und das des Individuums im Speziellen erkennen zu können, muss der Einzelne sich quasi selber von außen betrachten können. (vgl. Höfner/Schachtner 2006, S. 54)

Nach bisherigem Wissensstand ist der Mensch höchstwahrscheinlich das einzige Lebewesen auf der Erde, das in der Lage ist, über sich selbst nachzudenken. Dies gibt ihm die Möglichkeit sich selber reflektieren zu können und daraus entsteht die Freiheit bewusst Verhalten zu steuern. (ebd.)

- Humor ist erlernbar

Diese Fähigkeit ist eine wichtige Grundvoraussetzung für Humor. (Höfner/Schachtner 2006, S.55.) Sie sei jedoch keinesfalls angeboren und somit genetisch transportiert, sondern sie wird im Sozialisationsprozess erworben und ist erlernbar, sogar z.B. in der Schule. (ebd.) Die Möglichkeit sich selbst und seine Umwelt mit Humor zu relativieren gründet für sie auf den Fähigkeiten zu Einsicht, Toleranz und Reife, wobei Höfner/Schachtner Reife und Lebensalter nicht gleichgesetzt sehen wollen. (ebd.) Manchmal stellen wir staunend fest, dass schon ein Vierjähriger weise Einsichten und Humor haben kann und [...]mancher Vierzigjährige mit sich und seinen Mitmenschen [...] humorlos und verbissen umgeht.“ (Höfner/Schachtner 2006, S. 55)

- Humor relativiert

Humor bringt die Fähigkeit zu relativieren mit sich. Man gewinnt durch ihn innerlichen Abstand zu sich selber oder auch zu den Problemen anderer. (vgl. Höfner/Schachtner 2006, S. 55 ff)

So kann durch eine humorvolle Grundhaltung in scheinbar ausweglos erscheinenden Situationen, der Blick durch den gewonnen inneren Abstand freier werden es. Es werden Lösungen sichtbar und Ressourcen können aktiviert werden. (vgl. ebd.)

- Humor macht das Denken und Handeln freier

So passen nach Höfner und Schachtner Gefühle wie Hoffnungslosigkeit und Hilflosigkeit nicht mit der Grundhaltung Humor überein. Ein humorbegabter Mensch kann ihrer Ansicht nach über sich selbst lachen und ist sich dessen bewusst, nicht alles in seinem Leben kontrollieren bzw. beeinflussen zu können. Durch diese innere Freiheit erlebt der humorvolle Mensch sich als frei handelndes Subjekt, als Mitgestalter seines Lebens. (vgl. ebd.) Gelingt einem Menschen dieser innere Abstand, das in Frage stellen von absoluten Wahrheiten, das neben sich treten nicht, so kann dies zu Hilflosigkeit, Resignation und zunehmender innerer Verstrickung ins eigene Unglück führen. (vgl. ebd.) Diese Menschen empfinden sich als Opfer des Schicksals und als ohnmächtig Ausgelieferte. (vgl. ebd.)

Wie oben dargestellt, kann man das Lachen über sich selbst im Laufe seines Lebens erlernen, und „an so gut wie jedem Objekt unseres Daseins auch die absurde und damit komische Seite [...] entdecken“ (ebd.S.54). Auch wenn es einfacher sei über andere Menschen zu lachen. (vgl. ebd)

- Humor ist/macht gesund

Gleichzeitig greifen sie (Höfner/Schachtner) neben der befreienden Wirkung des Lachens auf die Psyche auch den Punkt auf, dass Lachen auch für die Körpersäfte und somit für die Physis gesund sei. (ebd. S.57) Dazu mehr im folgenden Kapitel Physiologie des Lachens.

2. Humor aus physiologischer und psychosozialer Sicht

Der Mensch hat nur eine wirkliche Waffe:

Das Lachen.

In dem Moment wo es entsteht, entschwindet all unser Kummer weichen Verwirrung und Verbitterung und eine sonnige Stimmung macht sich breit.

(Mark Twain)

„Die Gesundheit ist ein Zustand des vollständigen körperlichen, geistigen und sozialen Wohlbefindens und ein wesentlicher Bestandteil des alltäglichen Lebens.“ (WHO 1986 in: http://de.wikipedia.org/wiki/ Weltgesundheitsorganisation, 5.1.2012)

Mit dem Eingehen auf die physiologischen Aspekte des Humors bzw. des Lachens soll unterstrichen werden, wie diese Aktivität entsteht bzw. wie sich diese Haltung auf den ganzen Menschen (Körper und Geist) auswirkt und inwieweit dadurch sein Verhalten beeinflusst wird. Dazu soll ihre Gesundheitsfördernde Wirkung dargestellt, ihre sozialen Auswirkungen beschrieben und die physische Notwendigkeit herausgearbeitet werden.

Dazu trägt neuerdings die Gelotologie bei. Sie ist eine Wissenschaft, die sich mit den Auswirkungen des Lachens auf den Körper und das Gemüt (Psyche) beschäftigt. Führende Gelotologen sind u.a. Ilona Papousec, Willibald Ruch und Barbara Wild. Als therapeutische Anwendungen, die aus den Erkenntnissen der Gelotologie entwickelt wurden, gelten die Humor - Therapie bzw. die Lachtherapie. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/ Gelotologie, 10.12.2011) Der Begriff ist deutlich zu unterscheiden von der Gelotophobie. Die von der Gelotophobie betroffenen Menschen haben Angst davor ausgelacht zu werden und sind nicht in der Lage, das Lachen in seiner affektiv positiven Bedeutung Wert zu schätzen. Trifft man also in der sozialen Arbeit auf solche Personen, ist Lachen contraindiziert. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gelotophobie, 12.12.2011) Verhaltensforscher haben herausgefunden, dass zwischen 18 unterschiedlicher Arten von Lachen zu unterscheiden ist. Einzig eine Variante ist der Ausdruck spontanen und ehrlichen Vergnügens. Ein ehrliches Lächeln zeigt sich immer so, dass es symmetrisch beginnt. Gleichzeitig beide Mundwinkel ziehen sich dabei nach oben, im Verbund mit einhergehenden Krähenfüßchen um die Augen. Sozial abgeschwächtere Formen des Lächelns sind zu Beginn regelmäßig leicht asymmetrisch. Nach bisheriger Kenntnislage ist der Mensch nicht dazu fähig, das komplexe Muster Lächeln ganz bewusst, ohne humorig-freudigen Auslöser auf Knopfdruck zum Ausdruck zu bringen. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Gelotologie, 9.1.2012) Im wesentlichen werden die Erkenntnisse aus der Gelotologie in den anderen Kapiteln dieser Arbeit mit einfließen. Forschungsergebnisse von Gelotologen führten zur Etablierung der Rote- Nasen oder Klinik-Clowns. Ziel dieser Klinik-Clowns ist die Lockerung der in vielen Fällen wenig abwechslungseichen und wenig erheiternden Klinikatmosphäre. Ihr Beitrag zur schnelleren Genesung der Patienten ist es, sie zum (echten) Lachen zu bringen. Mittlerweile leisten Klinik-Clowns global und erfolgreich gute Arbeit, vor allem in den USA und Europa. (vgl. http://de.wikipedia. org/ wiki/Gelotologie, 9.1.2012)

2.1. Zusammenhang von Lachen und Humor

Aufgrund der engen Verbundenheit dieses Begriffpaares, als auch seines zum Teil wechselseitigen Gebrauchs, ist es notwendig, hier kurz auf das Lachen als Erscheinungsform in Zusammenhang mit dem Humorbegriff einzugehen.

Mit Lachen verleiht der Körper einer Gefühlsempfindung Ausdruck, die auf vielerlei Auslöser zurückgeführt werden kann. So kann es körperliches Wohlbefinden ausdrücken, ebenso wie das akustisch deutlich machende Erkennen einer witzigen Pointe oder auch des situativen Humors. (vgl. Maruhn 2007, S. 18 ff) Gleichzeitig scheint es evolutionsgeschichtlich ein Ausdruck des Aggressionspotentials eines Menschen einem anderen gegenüber zu sein, wobei damit deutlich gemacht werden soll: ich kann dich angreifen/ bezwingen wenn ich wollte, aber da ich dich anerkenne, ich mich mit dir wohl fühle - so wie du bist, tue ich das nicht. Hierbei wird das Lachen als Affektausdruck einer Mundbewegung verstanden, die auf das Zeigen der Zähne als Ausdruck von Macht und Stärke zurückzugehen scheint. (ebd.)

Erwachsene lachen etwa 15 Mal täglich, Kinder dagegen kommen auf bis zu 400 Lacher am Tag, Kichern, Wiehern, Gröhlen und andere Formen des Lachens mitgezählt. Gelotologen finden es bedenklich, dass das Lachen bei Erwachsenen stark zurückgeht. (http://www.3sat.de/page/?source=/nano/ natwiss/156918/index.html, 5.1.2012)

Immer mehr Menschen suchen ihr Lachen wieder zu finden, indem Lachclubs gegründet werden, Lachyoga betrieben wird und Weltlachtage veranstaltet werden. (vgl. http://www.lgipa.lu/IPG/seele-gesundheit.htm, 5.1.2012) Menschen können an bestimmten Bewegungen der Gesichtsmimik erkennen, ob ein Lachen echt ist. So fand der Berliner Biologe Karsten Niemitz heraus, wenn eine bestimmte Mimik und Körpersprache vorhanden ist, wird echtes Lachen erkannt und die Person erscheint dem Gegenüber dann sympathisch. Beispielsweise, wenn beim Lachen die Augen kurz geschlossen werden, soll dies mitteilen, ich bedrohe dich nicht. (http://www.3sat.de/page/?source=/nano/natwiss/156918/index.html, 5.1.2012) Dem folgend steht Lachen in engem Zusammenhang mit sich Wohlfühlen, wozu ja wie oben auch Humor beitragen soll.

Neuere Forschungsergebnisse haben gezeigt, dass auch Affen lachen können, wie z.B. Schimpansen oder Gorillas. Junge Schimpansen kitzeln sich gegenseitig und stoßen dabei Laute aus, wie Kleinkinder, wenn sie lachen. Dabei zeigte sich, dass diejenigen Affenarten die am nahesten mit dem Homo sapiens verwandt sind, die höchste Ähnlichkeit mit dem Lachen des Menschen aufweisen. Es gibt jedoch signifikante Unterschiede in diesen Vergleichen. Menschen können andere laut auslachen und damit ausgrenzen. Beim Menschen wird das Lachen von akustischen Signalen begleitet, dies steht im Zusammenhang mit dem kommunikativen Vorteil, den der Mensch dadurch erlangt hat. Der Witz als evolutionäre Neuentwicklung, hat den Vorteil, dass jemand aus der Logik der Erwachsenen aussteigen kann und dazu beiträgt, etwas völlig unerwartetes zu produzieren. Wie z.B. Woody Allen: "Es mag sein, dass es kein Leben nach dem Tod gibt, aber versuchen Sie erst mal, einen Klempner am Wochenende zu kriegen." (http://www.3sat.de/page/?source=/nano/bstuecke/65069/index.html, 5.1.2012)

Lacht ein Mensch über einen Witz, wird er über die Ohren in die Sprachbereiche des Gehirns befördert und dort analysiert. Die eigene Logik löst sich widerstrebende Emotionen aus, welche vom rechten Stirnhirn registriert werden. Dieser Bereich übernimmt ab jetzt die Vorherrschaft und aktiviert das motorische Gebiet, denn dort befindet sich das Programm für den Bewegungsablauf des Lachens, Muskeln werden in Aktion versetzt. Kein Wissenschaftler kann zur heutigen Zeit genau nachweisen, warum unser Gehirn Wortspiele lustig findet. Ebenso wenig kann die Frage vollständig beantwortet werden, warum es Menschen gibt, die Sinn für Humor haben und welche nicht. (ebd.)

2.2. Zur physiologischen Sicht des Humors

2.2.1. Die Funktion des Lachens

Damit Lachen entsteht, zieht sich das Zwerchfell zusammen und es kommt zu einer stoßartigen, vertieften Atmung, die meist eine Vokalisation nach sich zieht, z.B.: „ha,ha,ha“. Es kann mit individuell erscheinenden Gesten kombiniert auftreten, wie zum Beispiel mit sich auf die Knie klatschen, oder einem angedeuteten sich nach hinten werfen. Bei den meisten Menschen entsteht ein individuelles, reichlich stabiles und ein sich wiederholendes Lach-Muster. Man kann somit jemanden an seinem Lachen erkennen.

Nach Wild erzeugt Lachen eine Abfolge körperlicher Veränderungen. Das vegetative Nervensystem wird positiv beeinflusst, wie auch das folgend genannte unterstreicht. (vgl. Wild 2008, S.77) Lachen wird als Schwerstarbeit für den Körper beschrieben, weil es den gesamten Körper bzw. 135 Muskeln desselben erfasst. Eine Minute Lachen soll der Wirkung von 45 Minuten Entspannungstraining entsprechen. Bereits nach etwa zwei Minuten kann ein Muskelkater entstehen.

Es hat eine enorme, messbare Wirkung auf den Körper, der Blutdruck steigt, das Herz schlägt schneller und durch das unbewusst tiefere Atmen wird mehr Sauerstoff in die Lungen gepumpt. Nach dem Lachen senkt sich der Blutdruck. Durch die Aktivität des Lachens werden zusätzlich Stresshormone abgebaut. Das hat den weiteren Effekt, dass das Immunsystem gestärkt wird. (http://www.3sat.de/page/?source= /nano/natwiss/156918/index.html, 5.1.2012)

2.2.2. Neurophysiologische Vorgänge beim Lachen

Eine Züricher Forschergruppe unter dem Psychologen Professor Willibald Ruch, einer der in Europa führenden Humorforscher, hat herausgefunden, dass herzhaftes, echtes Lachen die Empfindlichkeit für Schmerzen bis zu 30% senken kann. (http://www.3sat.de/page/?source=/ nano/ natwiss/156918/index.html, 5.1.2012)

Beim Lachen schüttet der Körper eigene Rauschsubstanzen wie z. B. Endorphine und Serotonine aus, die zu einem Wohlgefühl führen. Menschliches Verhalten ist auf das Herstellen eines ausgeglichenen Zustandes auch im Bereich der Gefühle ausgerichtet und der Mensch strebt danach, diesen immer wieder herzustellen. Effinger gibt an, dass der Humor eine vollkommen unterschätzte Ressource ist, die in Stressberufen nicht ausreichen zur Bewältigung genutzt wird. (vgl. http://www.3sat.de/ page/?source=/nano/natwiss/156918/index.html, 6.1.2012)

Barbara Wild spricht u. a. vom mesolimbischen Belohnungssystem, dass beim Menschen lächeln auslöst. (vgl. Wild 2008, S. 81)

Das mesolimbische System ist ausschlaggebend an der Entstehung der Emotion Freude beteiligt. Es bewirkt modulatorisch eine Verschaltung mit anderen Bereichen des limbischen Systems, wie z.B. eine positive Verstärkung eines Verhaltens. Die Aktivierung des limbischen Systems trägt an der Entstehung von Lustgefühlen bei, die wiederum zu einem Wohlgefühl und Ausgeglichenheit führen. Das limbische System ist ein Netzwerk von Hirnregionen, welches für die Verarbeitung emotionaler Stimuli notwendig ist (wird dieses Areal beschädigt, treten, je nachdem wo diese Schädigung lokalisiert ist, Apathie, Lustlosigkeit und Enthemmungen auf). Sind humorvolle Stimuli vorhanden, aktiviert sich dadurch das limbische System, der Mandelkern (Amygdala) und angrenzende Bereiche im basalen Schläfenlappen, sowie das gesamte mesolimbische Belohnungssystem. Dieses Wirksystem tritt in Funktion, wenn sich Ereignisse besser als erwartet entwickeln. Es aktiviert sich auch durch die Einnahme von z. B. Kokain und aktiviert sich, wenn sich der Mensch z.B. an witzigen Cartoons erheitert. (vgl. Wild 2008, S. 80)

Zwischen limbischem System und Hirnstamm existieren direkte Verbindungen. Dadurch schließt sich ein Kreis. Ein wahrgenommener Witz, sofern er als solcher erkannt wird, löst Lächeln aus und kann somit getriggert werden.

Humor ist ein wesentlicher Faktor bei der Auslösung von Lachen und Lächeln. Mit Hilfe Bild gebender Verfahren, wie z.B. Magnetresonanztomographie, die Aufnahmen aus dem Körperinneren liefern , sind an gesunden Testpersonen, denen Anreize u.a. mittels witziger und weniger witziger Cartoons dargeboten wurden, Untersuchungen durchgeführt worden. Die Stimuli sollten sich möglichst nur in einem Punkt unterscheiden, wie etwa Witzigkeit. Währenddessen wurde die Hirndurchblutung fortwährend aufgezeichnet sowie die speziell aktivierten Hirnregionen. (vgl. Wild 2008, S.79) In den angesprochenen Hirnarealen fanden zusätzlich Aktivitäten statt, wie in weiteren Bildgebungsstudien festgestellt wurde, während die Probanden versuchen sollten, die Absicht anderer einzuschätzen, oder logische Zusammenhänge zu erkennen. Als zweites Ergebnis wurde festgestellt, dass sich in der Nähe des motorischen Sprachzentrums im linken Stirnhirn auffallende Hirnaktivitäten entfalten. (ebd.)

Diese Hirnbereiche werden bei der Suche nach passenden Wörtern und bei der Auflösung mangelnder sprachlicher Übereinstimmung auffallend aktiviert. (Martin/Chao 2001, in Wild, S. 79) In einem Witz muss zuerst eine Inkongruenz wahrgenommen werden - die Pointe des Witzes ist nicht gleichzusetzen mit der logischen Fortführung des Witzbeginns, hier lauert die eigentliche Überraschung. Anschließend muss wieder ein Zusammenhang, eine Kohärenz, vorgefunden werden, wenn nicht, wurde der Witz nicht verstanden. Es findet ein Blickrichtungswechsel statt, nachdem die Pointe wieder zu der Gesamtheit des Witzes passt. (vgl. Wild, S.79) Der erste Schritt, Inkongruenz, wird somit nachweisbar im Grenzgebiet zwischen Hinterhauptslappen, der Zweite, Kohärenz, im linken Stirnhirn geleistet. Es folgen aber noch weitere feststellbare Reaktionen. Der Psychologe Ruch fügt diesen Modellen einen weiteren von ihm beobachteten Aspekt hinzu: das Erkennen, dass es sich um einen Witz, um positiven Unsinn handelt, der Spaß macht und der den Gefühlszustand Erheiterung mit sich bringt und dieser sich wiederum im limbischen Systems beobachten lässt. (Ruch/Hehl 1998 in Wild, S. 79)

2.2.3. Bio- und neurophysiologische Folgen für die Gesundheit

Norman Cousins wird in den Untersuchungen über die heilenden Eigenschaften von Humor immer wieder als Beispiel einer gelungenen, wissenschaftlich begründeten Heilung durch den Einsatz von Humor erwähnt.

Cousins, ein Wissenschaftsjournalist, der 1977 an einer schweren, schmerzhaften Erkrankung, einer Spondylarthritis litt, gilt als Mitinitiator der Gelotologie (Lachforschung). Er versuchte (erfolgreich) seine Krankheit, die eine Überlebenschance von 1:500 aufwies mit den Mitteln des Humors zum Stillstand zu bringen. (vgl. Titze/Eschenröder, S.21ff) Er kannte Veröffentlichungen aus wissenschaftlichen Zeitschriften, die den ungünstigen Einfluss von bedrückenden Gemütszuständen auf das innersekretorische System beschrieben. (ebd.) Er beschäftigte sich fortan damit, seinen Gemütszustand stetig zu verbessern, um herauszufinden, ob diese Vorgehensweise einen günstigen Einfluss auf seine Krankheit nehmen konnte. (ebd.) Dabei stellte Cousins fest, dass seine Schmerzen spürbar nachließen, nachdem er ungefähr zehn Minuten gelacht hatte. (vgl. http://de.wikipedia.org/ wiki/Norman_Cousins, 6.1.2012) Norman Cousins las in verschiedenen wissenschaftlichen Zeitschriften, dass negative Gemütszustände einen äußerst ungünstigen Einfluss auf das innersekretorische System des Menschen haben. (vgl. Papousek, S.94)

Bei chronischen Schmerzen ist der ungünstige Einfluss negativer Grundstimmungen unbestritten. Schmerzen sind belastender, weniger aushaltbar und die Furcht davor steigt. In der neueren psychologischen Forschung gelten Sorgen, Depressionen, Ängste und Einsamkeit als Schmerzverstärkende Faktoren. Zuwendung, Sicherheit Verständnis von nahe liegenden Menschen und Freude, all diese Faktoren helfen, das Empfinden von Schmerzen zu verringern. (vgl. Pflege heute 2000, S.529) Auch Cousins nutzte die Erkenntnis für sich, dass Freude als schmerzlindernd gilt. Infolgedessen war es das logische Ziel von Cousins, sich systematisch zum Lachen zu bringen. Er las witzige Bücher, oder ließ sie sich vorlesen, sah komische Filme und stellte dabei fest wenn er ungefähr zehn Minuten lang intensiv gelacht hatte, seine Schmerzen weitgehend nachließen. Ein weiterer positiver Effekt war der, dass er anschließend mindestens zwei Stunden schlafen konnte. Zusätzlich trieb er auch, trotz seiner schmerzhaften Erkrankung mit schlechter Prognose, fast jeden Tag mit dem Pflegepersonal in dem Krankenhaus, wo er behandelt wurde, seine Späße. (vgl. Titze/Eschenröder 2003, S. 21)

Seine subjektiven Wahrnehmungen der positiven Auswirkung des Humors wurden bald danach durch spezifische Tests zur Ermittlung der Entzündungswerte im Bereich seiner Wirbelsäule bestätigt. (vgl. Titze/Eschenröder 2003, S. 21ff) Cousins ist der bisher einzige dokumentierte Fall, in dem nachgewiesen werden konnte, dass durch Lachen eine Heilung durchgeführt wurde. (vgl. Robinson 2002, S. 27) Bei Cousins wurde nach jeder seiner Lachsitzungen eine Blutkörperchensenkung durchgeführt. Es stellte sich heraus, dass sich die Werte, die eine Entzündung anzeigen, stetig verbesserten, bis sie schließlich einen Normalwert erreichten.(vgl. Robinson 2002, S.28)

Gelotologen haben mittlerweile herausgefunden, dass beim Lachen körpereigene Hormone, wie z.B. Adrenalin und Noradrenalin vermehrt in den Blutkreislauf ausgeschüttet werden. Dieser Vorgang löst wirksam Entzündungshemmungen aus. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Norman_Cousins, 6.1.2012) Beim Lachen wird die Menge an T-Zellen, die zu den Lymphozyten gehören, erhöht, ebenso steigt der Spiegel von Immunglobulin A, einem so genannten Antikörper, die beide im Körper zuständig für die Immunabwehr sind. (vgl. Titze /Eschenröder 2003, S. 22) (vgl. Pflege heute 2000, S. 970ff)

Die Geschichte um Cousins ist nicht unumstritten, obwohl sie in vielen Arbeiten als Beispiel dafür dient, wie eine humorvolle Einstellung und Lachen die Genesung von einer schweren Erkrankung unterstützen kann. Papousec stellt den Wahrheitsgehalt der Untersuchungen über Cousins erst einmal in Frage. (vgl. Papousek, S. 90) Ihre Untersuchungen ergaben, dass keine ihr bekannte Studie bestätigt hätte, dass Humor für sich allein genommen eine dauerhafte gesundheitsfördernde Wirkung hat, sondern letztendlich nur eine kurze Wirkung, zum Beispiel auf die Schmerzempfindlichkeit aufweist. Ernste Erkrankungen können nicht einfach weggelacht werden. (ebd.) Sie nimmt an, dass Lachen am ehesten kurzfristig von Schmerzuständen ablenken könne, indem die Aufmerksamkeit vom Schmerz auf die jeweilige humorvolle Stimmung auslösende Aktion gelenkt würde. Heiterkeit ist grundsätzlich als Grundstimmung gezielt und langfristig zu fördern, erst dann werden ihrer Meinung nach gesundheitsfördernde Auswirkungen dauerhaft etabliert. Es reicht jedoch nicht aus, beispielsweise zweimal die Woche ins Kabarett zu gehen. Es entstehen nur dann positive Zusammenhänge und gesundheitsfördernde Faktoren, wenn häufiges Lachen oder Witze machen mit Heiterkeit einhergeht und wenn daraus eine dauerhaft positive Grundstimmung erwächst und sich daraus eine stabile konstante heitere Lebenseinstellung entwickelt. (vgl.Papousec 2008, S. 91f)

Anders ausgedrückt: „Nicht Lachen oder Erheiterung, sondern nur dauerhafte Heiterkeit ist gesund“ (Papousek 2008, S.93).

Um zu vertiefenderen Erkenntnissen zu den o.a. Feststellungen zu gelangen, muss angeschaut werden, welche Abläufe dafür verantwortlich sind.

Das innersekretorische System bezieht sich auf das fein abgestimmte Zusammenspiel des Hormonkreislaufes; auch das Endokrine System genannt. In den dazugehörenden Drüsen, den Nebennieren, Teilen der Geschlechtsorgane und in bestimmten Teilen des Gehirns werden vielfältige Hormone gebildet, die an einer großen Zahl von aufeinander abgestimmten Funktionen im menschlichen Körper beteiligt sind. (vgl. Pflege heute 2000, S. 756 ff) Ernstzunehmende Auswirkungen auf dieses vielschichtige Zusammenspiel, können unter anderem durch psychische Störungen, bzw. durch negative Grundeinstellungen entstehen. Humor, der auch für eine gelassene Grundstimmung verantwortlich ist, kann dafür stehen, dass es solchen Störungen aus mentalen und seelisch günstigen inneren Einstellungen eben schwerer gemacht wird, überhaupt erst zu entstehen. Auch bei Siegel wird die Auswirkung auf z.B. die Immunabwehr unterstrichen. Des weiteren beschreibt sie zusätzliche Auswirkungen auf die Produktion von Hormonen. Humor ist an der erhöhten Ausschüttung von Neuroendorphinen beteiligt, diese sind wiederum an der Schmerzregulation beteiligt. (vgl. Siegel 2005, S.32)

Das im Folgenden beschriebene Experiment schildert eindruckvoll die Wirkung von Humor auf die Schmerzempfindung:

Wild beruft sich im Folgenden auf ein Experiment von Zweyer . (vgl. Wild 2008, S.81 in Bezug auf Zweyer u.a. 2004) Zweyer führte einen Test durch, indem er die Hände von Testpersonen in Eiswasser halten ließ, während sie sich witzige Filme anschauten. Der Test sollte Effekte von Lachen untersuchen. Es stellte sich heraus, dass nur echtes Lachen zu einem verminderten Schmerzgefühl führte. Wurden die Probanden aufgefordert viel zu lachen und zu lächeln, trat dieser Effekt nicht in Erscheinung. Das heißt, echtes Lachen ist sehr viel stärker wirksam, wie hier aufgeführt bei Schmerzempfindungen, als die Imitation desselben.

2.3. Psychosoziale Aspekte des Lachens/Humors

In diesem Teil soll dargestellt werden wie sich Humor im Menschen entwickelt und wozu er den Menschen befähigt. Deshalb soll zuerst die Entwicklung des Humor im Kindes- bis Jugendalter beschrieben werden und dann beim Erwachsenen.

2.3.1. Psychosoziale Humorentwicklung beim Kind

In der Säuglingsforschung kommt man zu dem Ergebnis, dass das Lachen des Babys in den ersten Wochen einen eher unspezifischen Reflex seines inneren Wohlgefühls darstellt, z. B. nachdem es gestillt wurde, es gesättigt ist und damit seine Zufriedenheit zeigt. Daraus entwickelt sich dann das Lächeln beim Erkennen vertrauter Reize, wie z. B. dem Erkennen der Gesichtszüge der Mutter, ihrer Stimme, zärtlicher Zuwendung. (vgl. Titze/Eschenröder 2003, S.26ff) Dabei geht die psychologische Wissenschaft davon aus, dass ein Säugling nicht nur aufgrund einer erlernten Reaktion lächelt, sondern das er durchaus in der Lage ist selbsttätig aktiv Lächeln zu erzeugen um dem Gegenüber, z. B. der zugewandten, versorgenden Mutter einen positiven Reiz zu vermitteln um letztlich wiederum positiv behandelt zu werden. (vgl. ebd.) So sind „Lächeln und Lachen für den Aufbau und die Pflege der ersten Sozialbeziehungen bedeutsam.“ (Wicki 2002, S. 73) Laut Bindungstheorie haben Babys die häufiger Lachen einer sicherere Bindung zur Mutter und sind z.B. im Schulalter sozial kompetentere Kinder. (ebd.)

Als eine weitere und damit erste soziale Kompetenz entwickelt sich das Lachen beim Säugling in den ersten Lebenswochen.

Neben diesen, eher als kommunikativ zu bezeichnenden Aspekten des Lachens beim Säugling entwickelt sich eine weitere wichtige Ausdrucksform. Das ist der Moment in dem der Säugling den Genuss zum Ausdruck bringt, den er erfährt nachdem bereits Bekanntes (Mutter, verinnerlichte Objekte, Beziehungskonstanz, erste Worte, Verhaltenserwartungen etc.), spielerisch in Frage stellen darf und bei dem er Beständigkeit überprüft und bestätigt bekommt. Dies findet seinen Ausdruck z. B. im ersten Versteck-Spiel: Kuckuck wo bin ich ebenso wie in ersten Laut- und Wortmalereien. Titze bezeichnet diesen Aspekt des Lachens beim Kleinkind als „die Wahrnehmung inkongruenter Reizkonfigurationen“ (Titze/Eschenröder 2003, S.27) und der Lust an deren Entdeckung. Es entsteht eine Abweichung von dem was eigentlich erwartet wird, bzw. von dem was bekannt ist, wenn dieses erfasst wird entsteht das Lachen, welches auch von Freud als Ausdruck des „Inkongruenzerlebnisses“ (Titze/Eschenröder 2003, S.45) bezeichnet wird.

Verschiedene bekannte Psychologen, die sich mit der Beschreibung der Entwicklung des Kindes beschäftigt haben, entwickelten dazu unterschiedliche Vorstellungsmodelle, diese hier im Einzelnen zu vertiefen würde den Rahmen dieser Arbeit übersteigen. Trägt man deren Arbeiten zusammen ergibt sich folgendes Gesamtbild:

Die Hauptaufgabe von Erziehung und im weiteren der Sozialisation beim Kind besteht darin dieses mit der ihn umgebenden sozialen Umwelt vertraut zu machen, diese beim Kind zu verinnerlichen, sowie deren Verhaltensregeln und -normen zu vermitteln. Das Ziel hierbei ist, das Kind zu einem gesellschaftstauglichen und -stützenden Individuum heranzureifen zu lassen. Diese Entwicklung vollzieht sich in verschiedenen Stufen. Das Kind macht sich mit allen Sinnen die Umwelt zu Eigen. Es verinnerlicht diese in Form von inneren Bildern, sobald diese Bilder als relativ stabil abgespeichert sind, wird dies als Objektkonstanz bezeichnet. (vgl. McGhee1979, S.66f) In einem weiteren Schritt seiner Entwicklung beginnt es diese inneren Bilder wiederum nach Außen zu transportieren, mit seiner Sprache, indem es erste Wörter als Bezeichnung für seine vertraute Umwelt ausspricht. Dabei gilt Sprache insgesamt als Spiegel der jeweiligen individuellen Wirklichkeit. (vgl. Titze/Eschenröder 2003, S.18) Laut Titze, Helmers und Mc Ghee begründet sich ein wesentlicher psychologischer Aspekt des Humors in dem Erkennen von der Abweichung eines Bildes von der bekannten Realität, die Infragestellung des verinnerlichten Objektes. Dies kann Lachen hervorrufen, wenn das Kind diese Abweichung bei jemandem anderen bemerkt, es kann diese allerdings auch selbst herbeiführen. (vgl. Titze/Eschenröder 2003, S. 28f; Helmers 1971, S.105ff; McGhee 1979, S.75ff)

Eine weitere, früh angelegte und wichtige Funktion des Lachens scheint in der Abwehr von Bedrohung zu liegen. Mögliche, als aggressiv zu verstehende, Verhaltensformen werden durch das Lächeln mit einem friedlichen Sinn aufgeladen, modifiziert und die Situation damit entspannt. (vgl. Titze/Eschenröder 2003, S.27) Dies gilt für den Einzelnen, dessen innere Spannung damit ausgeglichen wird. Dieser Aspekt des Lachens hat jedoch auch einen wichtigen sozialen Aspekt, so signalisiert er dem/den jeweils Anderen, dass man in der Lage ist, eigenen Ärger über ein gemeinsames Ereignis zu überwinden und gleichzeitig mit dem Anderen in positiver Zuwendung verbunden zu bleiben. (vgl. Führ 2002, S. 88f)

In einem weiteren Entwicklungsschritt des Kindes hin zum Jugendlichen entwickelt sich daraus die adoleszente Form des Humors. Das Vermögen Abweichungen herzustellen, diese als lustig einzuordnen und gleichzeitig Lachen als Mittel der Entspannung in angespannten Situationen einsetzen zu können wird hier sozusagen weiter entwickelt und mit einem weiteren psychischen Entwicklungsschritt kombiniert, der Autonomieentwicklung in der Pubertät. Hier stellt der junge Mensch nun auch die für ihn bisher erlernten und verinnerlichten und dabei relativ allgemeingültigen Verhaltensregeln und Normen der Gesellschaft, in der er lebt, in Frage. Diesen Vorgang bezeichnet Helmers mit der dialektischen Beziehung zwischen Integration im Sinn von Normenerwerb einerseits und andererseits der Normenkritik mit dem zunehmenden Erwerben von Emanzipation. (vgl. Helmers 1971, S.9) Helmers geht sogar soweit, dass er aus seinen Untersuchungen schließt, dass Humor, als Form der erlaubten Kritik, unabdingbar ist um gesellschaftliche Veränderungen zu initiieren. (vgl. Helmers 1971, S.140) Nach Führ hat dieser Aspekt des Humors zusätzlich den wichtigen sozialen Wert, sich während der pubertären Entwicklung sowohl mit sich selbst und seinen eigenen Vorstellungen auseinandersetzen zu können, aber sich gleichzeitig dabei von den Eltern allmählich abzulösen und in der Lage zu sein stabile Freundschaften/Bindungen auch außerhalb des engen Bezugsumfeldes der Familie aufzubauen. (Führ 2002, S. 89f) So erfüllt Humor die soziale Funktion der „Sozialisierung des Individuums in eine Gruppe“ (Robinson 2002, S.18) und dient somit zur Pflege sozialer Beziehung überhaupt. (ebd.)

2.3.2. Die Humorentwicklung hin zum Erwachsenen

Der psychologische Faktor, das Infragestellen von Normen und die Spannungsabfuhr durch das Lachen erweist sich im weiteren Kapitel als wichtig für das Verständnis zum Humor des Erwachsen. Deshalb soll im Folgenden das Verständnis vom Instanzenmodell von Sigmund Freud und seine Darstellungen zum Zusammenhang von Humor und dessen psychischer Wirkung dargestellt werden.

Der Mensch, als „physiologische Frühgeburt“ (http://de.wikipedia.org /wiki/ Kinderpsychologie, 8.1.2012) wird von seinen Grundtrieben, biologischen Bedürfnissen und Gefühlen gesteuert, diese verortet Freud im ES. Dieses ES reagiert um die unmittelbare Erfüllung seiner Triebe etc. durchzusetzen, das daraus entstehende Handeln erfolgt vorrangig unbewusst. Im Verlauf der Kindheit lernt der Mensch die Impulse des ES zu steuern und gegebenenfalls sogar zu unterdrücken. Entstehen dadurch unangenehme Empfindungen werden diese in das ÜBER-ICH verschoben und steuern unbewusst den gesellschaftlichen Anpassungsprozess. Mit der Integration in die Gesellschaft verinnerlicht der Mensch die gesellschaftlichen Normen im Gewissen, welches bei Freud im so genannten ÜBER-ICH verortet wird. Er lernt, dass entsprechendes Handeln positiv von seiner Umwelt gewertet wird und erlebt dadurch Lustgewinn. Die Triebunterdrückung in Verbindung mit den Informationen aus dem Gewissen erzeugen Unlustgefühle, wenn das Verhalten/Handeln vom gesellschaftlich erwarteten abweicht. Da Lustgewinn sein innerpsychisches Ziel ist, passt er sein Verhalten an.

Das ÜBER-ICH ist dem Menschen zum Teil bewusst. Das Kind ist zu Beginn stark von der Versorgung und Prägung durch die menschliche Umwelt abhängig und entwickelt sich auf dem Weg zum Erwachsenen zu einem vermehrt unabhängigen, sich selbst steuernden und somit Distanz nehmenden Individuum. Dieser individuelle Anteil ist jedoch als Teil der Erbanlagen in je eigener Ausprägung von Geburt an vorhanden und seine Autonomisierung beginnt sozusagen mit dem Prozess der Geburt und dem Durchtrennen der Nabelschnur. Diesen Teil der Persönlichkeit beschreibt Freud mit dem so genannten ICH. Das ICH ist Ort des bewussten Denkens, der Selbstwahrnehmung und es vermittelt zwischen ES und ÜBER-ICH. (vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Strukturmodell_der_Psyche, 8.1.2012)

Das ICH verfügt über verschiedene Abwehrmechanismen mit denen es die vom Gewissen als unangemessen bewerteten, nach reiner Befriedigung strebenden Bedürfnisse verdrängt. (vgl. Titze 2003, S.56f)

Freud entwickelte als erster Mensch die Grundgedanken der Psychoanalyse. Er untersuchte die dynamischen Zusammenhänge im Strukturmodell, vorrangig im Unbewussten (Verdrängung, Widerstand, Übertragung, Träume und Fehlleistungen). (Titze 2003, S.56).

Droht, ein Affekt oder Impuls, der verdrängt werden soll, ins Bewusstsein zu gelangen, werden Abwehrmechanismen aktiviert, die etwa starke Ängste z. B. vor dem Ausschluss aus der sozialen Gruppe auslösen können. In der Folge kann das ICH das Verhalten unterschiedlich steuern:

a) das Ziel ist Lustgewinn, die Abwehrmechanismen setzen sich durch, das Verhalten wird an die Norm angepasst. Integration in die Gesellschaft ist gesichert. (vgl. Helmers 1971, S. 134ff) Hierbei entsteht ein großer, so genannter Affekt- bzw. Hemmungsaufwand. (vgl. Freud 1969, S.251f)
b) das Ziel ist, das ICH nicht den unbewussten Steuerungsimpulsen zu unterwerfen, Emanzipation ist vorrangig, Unlustgefühle bleiben bestehen und akkumulieren. Dies ist nach heutiger Sichtweise die Voraussetzung einer neurotischen Konfliktentstehung, die eine Menge psychischer Energie erfordert. (vgl. Titze 2003, S. 57)
c) das Ziel liegt in einem geringeren Hemmungsaufwand und wird erreicht mit einem dialektischen Abgleich zwischen Integration und Emanzipation, um Lustgewinn zu erhalten dient der Humor als Vermittler. (vgl. Helmers 1971, S. 134ff; Freud 1969, S. 261)

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Ende der Leseprobe aus 104 Seiten

Details

Titel
Humor in der Interventions- und Beratungspraxis Sozialer Arbeit
Hochschule
Evangelische Hochschule Rheinland-Westfalen-Lippe
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
104
Katalognummer
V190787
ISBN (eBook)
9783656155614
ISBN (Buch)
9783656155386
Dateigröße
820 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Sozialarbeit, Sozialpädagogik
Arbeit zitieren
Michael Höllerhage (Autor:in), 2011, Humor in der Interventions- und Beratungspraxis Sozialer Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190787

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