Mach’s mit oder nicht! – Die Wirksamkeit der Anti-AIDS-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung

Werbewirkung aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht


Diplomarbeit, 2006

139 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Fragestellung und Begründung des Themas
1.2. Aufbau der Arbeit

2. Forschungsstand
2.1. Grundlagen von Kampagnen
2.1.1. Kampagnendefinition
2.1.2. Die Wirksamkeit einer Kampagne
2.1.3. Die Botschaft für die Zielgruppen
2.1.4. Information oder Aufklärung?
2.2. Der Präventionsbegriff
2.2.1. Definition
2.2.2. Einflussfaktoren und Effektivität
2.2.3. Prävention im Rahmen von Kampagnen

3. Die mach’s mit Kampagne
3.1. Entstehung und Geschichte der Kampagne
3.2. Die Aufmachung der Kampagne
3.2.1. Die Slogans
3.2.2. Plakatwerbung als Hauptstrategie
3.2.3. Sonstiger Medieneinsatz
3.2.4. Aktionen
3.2.5. Internet

4. Die Wirksamkeit von Kampagnen am Beispiel von mach’s mit
4.1. Modelle der Verhaltensänderung
4.1.1. AIDA-Modell
4.1.2. Transtheoretisches Modell
4.1.3. Gesundheits-Erwartungsmodell
4.2. Die drei Sichtweisen der Werbewirkung
4.2.1. Sicht des Marketing
4.2.2. Psychologische Sicht
4.2.3. Kommunikationswissenschaftliche Sicht
4.3. Die Wahrnehmung der mach’s mit Kampagne
4.3.1. Definition der Wahrnehmung
4.3.2. Aufmerksamkeit
4.3.3. Einstellungs- und Verhaltensänderung
4.3.4. Zusammenwirken emotionaler und kognitiver Faktoren
4.3.5. Emotionen
4.4. Qualitative Befragung
4.4.1. Erhebungstechnik
4.4.2. Operationalisierung
4.4.3. Einzelbetrachtung
4.4.4. Gesamtbetrachtung
4.4.5. Befragungs- und Auswertungseffekte
4.4.6. Fazit der Untersuchung

5. Ergebnisdiskussion

6. Literatur

7. Anhang

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Funktionen von Informationen

Tab. 2: Aspekte der Botschaft

Tab. 3: Aufbau des Health-Belief-Modells, erläutert an der Krankheit Aids

Tab. 4: Gefährliche Krankheiten

Tab. 5: Gründe für mehr Aids Erkrankungen in Deutschland

Tab. 6: Ansprache auf das Thema Aids bei einer neuen Beziehung/beim Kennen

lernen

Tab. 7: Gedanken über Verhütung und Geschlechtskrankheiten beim ersten Mal

Tab. 8: Gedanken an Gefahr einer HIV-Infektion bei sexuellen Begegnungen

Tab. 9: Verhaltensweise, wenn neuer Partner keine Kondome benutzen will

Tab. 10: Verhalten bei Geschlechtsverkehr mit neuem Partner

Tab. 11: Verhaltensweise beim Platzen eines Kondoms

Tab. 12: Schulaufklärung zum Thema Aids

Tab. 13: Sonstige Beschäftigung mit dem Thema Aids

Tab. 14: Vertrauensvolle Quellen, um Informationen über Aids zu erhalten

Tab. 15: Internetquellen bei der Suche nach Aids

Tab. 16: Slogan der Aufklärungskampagne

Tab. 17: Begründung und Auslegung der mach’s mit Kampagne

Tab. 18: Vergleich der Einschätzung, ob Aids als gefährlichste Krankheit genannt wurde mit der Frage, wie die Aids-Aufklärungskampagne in Deutschland heißt

Tab. 19: Vergleich der Einschätzung, ob Aids als gefährlichste Krankheit genannt wurde mit der Frage, wann zuletzt ein Motiv der Kampagne gesehen wurde

Tab. 20: Vergleich der Einschätzung ob Aids als gefährlichste Krankheit genannt wurde mit der Schulaufklärung über Aids.

Tab. 21: Fragebogenleitfaden

Tab. 22: Schulaufklärung über Aids nach Schultypen

Tab. 23: Verantwortlichkeit für die Aufklärungskampagne

Tab. 24: andere Aufklärungskampagnen

Tab. 25: Zeitpunkt, wann ein Motiv der mach’s mit Kampagne zuletzt gesehen wurde

Tab. 26: Altersverteilung der Stichprobe nach Bildung und Geschlecht

Tab. 27: Religionszugehörigkeit und Gläubigkeit der Probanden

Tab. 28: häufig genannte Motive der mach’s mit Kampagne

Tab. 29: weitere genannte Motive der mach’s mit Kampagne

Tab. 30-63: Antworten der Probanden (gekürzt)

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Der Kommunikationsprozess

Abb. 2: Elemente eines mach’s mit Plakats

Abb. 3: AIDA-Modell

Abb. 4: Prozess der Verhaltensänderung in Anlehnung an das transtheoretische Modell

Abb. 5: Von der Aidsprävention zur Werbewirkung

Abb. 6: Indikatoren für die mach’s mit Kampagne

Abb. 7: Motiv Schäferstündchen

Abb. 8: Kampagnenmotiv 2006

1. Einleitung

Seit Anfang der 80er Jahre hat sich Aids als schwerwiegende Krankheit auf der ganzen Welt verbreitet (Koch, 1991). Im öffentlichen Interesse stand diese bislang immer noch unheilbare Krankheit zwar schon von Anfang an, doch erst 1985 begann die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung (BZgA) in Deutschland auf das Thema Aids nicht nur aufmerksam zu machen, sondern auch den Umgang mit der Krankheit und von ihr betroffenen Menschen zu verbessern (BZgA, 2005).

Bereits seit zwei Jahrzehnten versucht man dies mit verschiedenen Kampagnen, wobei mit Gib Aids keine Chance begonnen wurde. Besonderes Aufsehen erregte jedoch die Kampagne mach ’ s mit, die 1993 startete (BZgA, 2003). Hierbei wurde durch das immer wiederkehrende Motiv des Präservativs in Verbindung mit einem zweideutigen Spruch, vor allem mittels Plakaten, auf das Thema Aids aufmerksam gemacht. Durch die mehr als zwölfjährige Präsenz der mach ’ s mit Kampagne ergibt sich die Notwendigkeit, diese genauer auf ihre Wirksamkeit hin zu überprüfen und ihre Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft zu untersuchen. Auch die Tatsache, dass wieder vermehrt Infizierungen in Deutschland auftreten (Vgl. Marcus & Starker, 2006), macht eine Überprüfung der Wirksamkeit im Hinblick auf die Zielerreichung notwendig.

1.1. Fragestellung und Begründung des Themas

Aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht ist das Thema der Prävention besonders interessant, denn gerade durch Maßnahmen wie die Massenkommunikation und die personale Kommunikation kann vor allem der Bereich der Primärprävention profitieren. Der Fokus liegt also in erster Linie auf der Kommunikationspolitik, während die drei anderen Instrumente des Marketing (Produkt-, Distributions- und Preispolitik) für diese Arbeit nur eine untergeordnete Rolle spielen. Zudem ist die Frage, ob und wie Werbung - beziehungsweise eine Werbekampagne - wirkt, eine der bedeutendsten Fragen der Mediaplanung und -forschung. Bezogen auf das Thema Aids muss sich zeigen, inwieweit man mit den Möglichkeiten der Kommunikation davor warnen und darauf aufmerksam machen kann und ob letztlich auch das Ziel der Kommunikationspolitik, also eine Einstellungs- und Verhaltensänderung zu bewirken, erreicht werden kann.

Ausgangspunkt für diese Arbeit ist die Frage, was die mach ’ s mit Kampagne überhaupt erreichen will und inwieweit sie wirksam ist. Um diese Frage zu klären muss der Begriff der Wirksamkeit erschlossen und definiert werden. In Bezug auf die Kampagne wird ein wichtiger Aspekt sein, inwiefern sich die Aufklärung auch in darauf folgenden Verhaltensänderungen zeigt. Es stellt sich dabei z.B. die Frage, ob es ausreicht, dass die Menschen die Kampagne wieder erkennen und daraus ihre Lehre ziehen (können). Oder ob sie die Kampagne zwar recht ansprechend finden, die Botschaft und den Hintergrund aber übersehen und somit der Bekanntheitsgrad zwar hoch ist, die Inhalte aber nicht konkret vermittelt werden können. Dabei müssen entsprechende Werbewirkungsmodelle ebenso berücksichtigt werden, wie die Definition der relevanten Zielgruppe. Hierbei darf nicht nur das Alter und die Bildung beachtet werden, sondern man muss auch zwischen direkt, indirekt oder nicht betroffenen Personengruppen unterscheiden, die mit der Kampagne auf verschiedenen Wegen angesprochen werden müssen.

Die Forschungsfrage kann also bereits an dieser Stelle festgehalten werden. Es soll herausgefunden werden, ob mach ’ s mit die Menschen wirklich erreicht und was für eine Wirkung sie dabei erzielt. Resultiert die Kampagne also in Verhaltens- und/oder Einstellungsänderungen und können diese gefestigt werden? Oder wird die Kampagne erst gar nicht wahrgenommen und damit ihre Aufforderung, zum Schutz vor Aids Kondome zu verwenden, nicht befolgt? Gibt es dabei Unterschiede zwischen den Geschlechtern und bezüglich der Religion und Bildung? Und zu guter letzt, kann man erwarten, dass ausschließlich durch die Kampagne das Bewusstsein, sich vor Aids zu schützen, entsteht?

1.2. Aufbau der Arbeit

Die vorliegende Arbeit teilt sich in drei große Abschnitte auf. Im ersten Teil werden die Grundlagen von Kampagnen und der Prävention auf Basis des aktuellen Forschungsstandes aufgezeigt. Der zweite Teil befasst sich mit der mach ’ s mit Kampagne selbst. Hierbei ist neben der Entstehung der Kampagne vor allem die Umsetzung dieser von großer Bedeutung, die auch mit den theoretischen Grundlagen aus dem ersten Teil verglichen wird. Im dritten Teil der Arbeit geht es vor allem um die Untersuchung der Wirksamkeit der Kampagne. Dazu werden zuerst die theoretischen Überlegungen zur Werbewirksamkeit anhand der mach ’ s mit Kampagne abgearbeitet, um erörtern zu können, ob die BZgA die Kampagne auch entsprechend umgesetzt hat. Danach folgt eine qualitative Erhebung, die zum Inhalt hat, nicht nur die Werbeerinnerung zu messen, sondern auch das dahinter liegende Handeln und Verhalten zu erfassen. Zum Schluss werden die Ergebnisse zusammengefasst und diskutiert.

2. Forschungsstand

Während zur Krankheit Aids selbst unzählige Studien und Bücher existieren, gibt es bislang nur wenig darüber, inwieweit die Kampagne mach ’ s mit der BZgA wirksam ist. Zwar gibt es im Rahmen einer jährlichen quantitativen Untersuchung der BZgA über Gib Aids keine Chance auch einige Fragen zu mach ’ s mit, allerdings ist dies viel zu wenig, um wirklich detaillierte Aussagen über die Wirksamkeit zu treffen. Dennoch wurde das Thema von Präventionskampagnen besonders auch im Ausland diskutiert und eine Reihe von Studien durchgeführt, die regionale und nationale Aids-Präventions- Kampagnen zum Inhalt haben. Diese Erkenntnisse können erste Ansätze für die anstehende Erhebung liefern, auch wenn dabei auf gesellschaftliche und kulturelle Unterschiede zu achten ist.

2.1. Grundlagen von Kampagnen

Die folgenden Kapitel sollen den Begriff der Kampagne definieren und charakterisieren. Dazu gehört nicht nur eine Definition, sondern auch die Klärung der Fragen, wie eine Kampagne wirken kann, welche Botschaft sie beinhalten sollte und was sie leisten soll, also z.B. ob sie die Rezipienten nur informieren oder auch aufklären soll.

2.1.1. Kampagnendefinition

Eine Kampagne kann abgegrenzt werden als gezielter Versuch, durch die Hilfe von organisierten Kommunikationsaktivitäten die Öffentlichkeit oder zumindest einen Teil davon über bestimmte Kanäle zu informieren, zu überzeugen und zu motivieren (Devine & Hirt, 1989).

Töppich (1995) geht bei seiner Definition etwas mehr ins Detail, da er bei einer Kampagne von einem langfristigen Kommunikationsangebot spricht, das klare Ziele und daraus abgeleitete Botschaften aufweist und durch verschiedene, aber aufeinander abgestimmte personalkommunikative und massenmediale Maßnahmen verbreitet wird (Vgl. dazu auch Rugg et al., 1993).

Jede Kampagne sollte im Rahmen weitgesteckter und strategischer Ziele entwickelt und umgesetzt werden. Dies ist auch bei der Gesundheitsförderung der Fall. Die Umsetzung dieser Ziele erfolgt vom so genannten Kampagneninitiator, also der Institution, die auch für die Initiierung der Kampagne verantwortlich ist. Im Fall der mach ’ s mit Kampagne handelt es sich dabei um die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung.

Nach Rogers und Storey (1987) haben Kampagnen im Besonderen vier elementare Eigenschaften.

Die Kampagne …

1. … ist zweckdienlich und versucht Individuen zu beeinflussen
2. … ist auf eine große Personenmenge ausgerichtet
3. … hat ein mehr oder weniger speziell definiertes Zeitlimit
4. … beinhaltet ein organisiertes Set an Kommunikationsaktivitäten.

Diese Aspekte zeigen, dass gerade bei Aufklärungskampagnen eine Fülle von Aspekten berücksichtigt werden müssen. Zunächst muss in Erfahrung gebracht werden, wie man die Menschen überhaupt erreicht, mit was sie sich beschäftigen, also beispielsweise was sie lesen, hören oder sehen und wie gut sie bei der Informationsaufnahme sind (Vgl. Süssmuth, 1987). Aus diesem Grund muss eine Kampagne den Sprachgebrauch der Zielgruppe berücksichtigen, wobei die Botschaften unter keinen Umständen widersprüchlich sein dürfen, um somit z.B. Abwehrreaktionen zu vermeiden (Vgl. Süssmuth, 1987).

Begrifflich zu unterschieden ist die Informations- von der Kommunikationskampagne. Erstere ist enger gefasst und soll nur Informationen liefern, während es bei einer Kommunikationskampagne auch um die Veränderung von Verhalten geht (Bonfadelli & Friemel, 2006). Dennoch werden die Begriffe in dieser Arbeit synonym verwendet, da ja letztlich auch durch Informationen Einstellungen und Verhaltensweisen beeinflusst werden können.

2.1.2. Die Wirksamkeit einer Kampagne

Kommunikationskampagnen versuchen eine Wirkung im Bewusstsein, in den Einstellungen und im Verhalten der Zielgruppe zu erzielen. Dies können sie z.B. dann erreichen, wenn sie kreativ umgesetzt werden, sodass sie sich gegen andere beworbene Produkte durchsetzen und aus dieser Vielzahl herausstechen. Doch was wird denn nun genau unter der Werbewirkung verstanden? Dieser Frage ist unter anderem Steffenhagen (1996) nachgegangen, der äußerst treffend formuliert:

„Grundsätzlich … ist mit Werbewirkung jede Art von Reaktion bezeichnet, mit der ein Adressat auf einen Werbereiz antwortet. ‚Antworten‘ ist dabei nicht wörtlich zu nehmen: Vielmehr kann die Reaktion äußeres (offenes) oder inneres Verhalten umfassen bzw. beobachtbarer oder nicht-beobachtbarer Natur sein. Jegliche Dimension innerer oder äußerer Vorgänge beim Adressaten wird folglich ... als potentielle Wirkung der Werbung eingestuft“ (Steffenhagen, 1996, S. 6).

Dabei besteht ein breiter Konsens darüber, dass Werbung bereits als Erfolg angesehen wird, wenn sich Probanden an ein Werbemotiv, einen Spot oder an Details aus der Werbung erinnern können (Koeppler, 2000). Dies würde aber streng genommen nur dann den Erfolg von Werbung zeigen, wenn das Ziel war, das Produkt durch den Spot oder die Anzeige nur bekannt zu machen. Im Normalfall werden jedoch mehrere Ziele verfolgt. Dazu gehört neben der Vermittlung einer Aussage letztlich (im besten Fall) auch das Herbeiführen einer Verhaltensänderung. Das ist aber nicht mit Hilfe eines einfachen Rekognitionstest (z.B. das Wiedererkennen einer Anzeige) oder einer Recallmessung (Erinnerung, mit und/oder ohne Vorlage eines Werbeobjektes) ermittelbar, denn die Erinnerung hat als Indikator Mängel, da es die Aufgabe der Kampagne ist inhaltliche Ziele, also beispielsweise Überzeugungen zu vermitteln und nicht die Erinnerung an diese Werbung zu steigern (Chattopadhyay & Alba, 1988). In den einfachsten Fällen werden oft nur die Markenbekanntheit, die Kaufbereitschaft und die Werbeerinnerung gemessen. Kampagnengegenstand soll in der Regel aber gerade auch eine Veränderung von Einstellungen und Verhalten sein, was bei dieser Betrachtung aber nicht wirklich erfasst wird (Chattopadhyay & Alba, 1988). Der Kampagnenerfolg lässt sich aber letztlich auch nur dann messen, wenn man weiß, was mit der Kampagne erreicht werden sollte. Dazu ist es nötig einerseits vergleichbare Indikatoren zu finden, die auf der anderen Seite möglichst viele Facetten kommunikativer Ziele abdecken können. Betrachtet man verschiedene Kampagnen, so erkennt man deren Primärziele, die direkt erreicht werden sollen, und auf der anderen Seite die dahinter liegenden Sekundärziele, die immer miterreicht werden (sollen). Die mach ’ s mit Kampagne „wirbt“ für Schutz vor Aids durch Präservative, das primäre Ziel ist also die Vermittlung dieser Information aber auch Aufmerksamkeit diesbezüglich zu schaffen (kognitive Ebene). Zudem muss sich dann im zweiten Schritt auch das Verhalten verändern. Wenn dies nicht erfolgt, so sollte sich zumindest auf der affektiven Ebene die Einstellung Kondomen gegenüber verändern. Bonfadelli und Friemel (2006) sprechen dabei vom Sensibilisieren und Motivieren. Sollte sich auch diese Änderung nicht ergeben, dann hat die Kampagne offenbar keine nachweisbare Wirkung erzielt. Selbst wenn man sich zwar an die Kampagne erinnern kann, so sollte das ja nicht der Zweck der Werbung sein, denn die Erinnerung alleine reicht, wie erwähnt, nicht aus. Bei einer Produktkampagne soll ebenso nicht nur eine höhere Markenbekanntheit bei den Konsumenten entstehen, sondern auch ein besseres Image und eine verbesserte „Neigung“, dieses Produkt zu kaufen.

Aus diesen Überlegungen wird ersichtlich, dass die Frage nach der Werbeerinnerung nicht wirklich den bewussten Kontakt mit der Kommunikationskampagne misst, sondern vielmehr eine Art von allgemeiner Bekanntheit der Kampagne, also eine Mischung der Bekanntheit z.B. der mach ’ s mit Motive und eben nur der Vermutung des Befragten, woher seine Kenntnis über die Aidsprävention eigentlich stammen könnte. Vergleicht man dies mit einem Produkt, so stellt dabei die Vertrautheit einen wichtigen Aspekt dar. Bei einer Befragung geben die Probanden z.B. an, dass sie ein bestimmtes Produkt so gut kennen, dass sie beispielsweise einem Bekannten die Vor- bzw. Nachteile des Produkts erklären können. Auch die mach ’ s mit Kampagne kann dies in ähnlicher Weise bewirken, allerdings hat sie in diesem Sinne eher eine unterstützende Funktion des eigenen Wissens über Aids, indem sie versucht, durch die ständige Präsenz das Thema Aids aktuell zu halten und die Menschen immer wieder an die Vorbeugungsmöglichkeiten erinnert und sie damit konfrontiert.

Im Gesundheitsbereich kommen aber im Gegensatz zur kommerziellen Werbung noch weitere Aspekte hinzu, die berücksichtigt werden müssen. Gesundheitskampagnen können im Grunde nur dann Wirkung zeigen, wenn sie in einem gesellschaftlichen Klima eingebettet sind, dass den Kampagnenzielen nicht widerspricht und dabei auch Schuldzuweisungen vermeidet (Süssmuth, 1987; Vgl. dazu auch Maibach et al., 1993). Deshalb müssen alle Mittel der Massenkommunikation und der personalen Kommunikation eingesetzt werden, um so viel wie möglich präsent zu sein (Maibach et al., 1993; Backer et al., 1992). Süssmuth formuliert die Wirkung von Kampagnen für diese Kommunikationsbereiche besonders treffend:

„Die Massenkommunikation über Presse und Funk, Plakate oder Broschüren wird zumindest bewirken, daß Gespräche zwischen Menschen ausgelöst und aufrechterhalten werden. Sie ist Grundlage dafür, daß unausgesprochene Verhaltensnormen überprüft und Hemmschwellen abgebaut werden. Weicht aber die gesundheitliche Aufklärung entschieden von der Lebenswirklichkeit und von tatsächlichem Verhalten ab, ist ihre Durchsetzungschance nicht sehr groß. Informationen, die Verhaltensänderungen bewirken wollen, müssen glaubhaft sein und konkrete Bezüge zur sozialen Situation der Angesprochenen haben.“ (Süssmuth, 1987, S. 74)

In der bisherigen Werbewirkungsforschung kam allerdings die Beachtung der persönlichen Merkmale der Rezipienten zu kurz, besonders dann, wenn es um die humorvolle Darstellung einer Botschaft geht, wie es bei der mach ’ s mit Kampagne der Fall ist (Geuens & Pelsmacker, 2002). In ihrer Studie mit humorvollen TV-Spots zeigen Geuens und Pelsmacker (2002) jedoch, dass sich Humor in der Werbung sowohl bei den gering Involvierten, also jenen, die nicht das Bedürfnis haben sich mit dem Thema zu befassen, als auch bei den höher Involvierten, die sich intensiver damit beschäftigen, positiv auswirkt. Zu den persönlichen Merkmalen gehört auch, in was für einer Stimmung sich die Rezipienten befinden. Aus einer Studie mit Radiospots von Stewart et al. (2004) geht hervor, dass sich besonders die schlecht gestimmten Probanden zwar besser an die Werbeinhalte erinnern konnten, diese aber auch kritischer beurteilten, während die hoch erregten Probanden sich nur schwer auf die Inhalte konzentrieren konnten. Dies deutet bereits darauf hin, dass es in einer intimen sexuellen Situation schwierig ist, sich an die von der mach ’ s mit Kampagne kommunizierte „Regel“ zu halten.

Zusammengefasst heißt dies, Kampagnen wirken allgemein dann am besten, wenn sie einerseits sachliche Informationen - unter Umständen in einem humorvollen Kontext - bieten und andererseits eine akzeptable Lösung aufzeigen. Dies muss jedoch einhergehen mit der Selbstständigkeit der Menschen, da sie über ihr Handeln frei entscheiden können.

2.1.3. Die Botschaft für die Zielgruppen

Über die Ausrichtung der Kampagne wird deutlich wie die Kampagnenziele erreicht werden sollen und welche Zielgruppe(n) die Kampagne ansprechen soll. Die Zielgruppe(n) können sehr groß sein, wie z.B. die gesamte Öffentlichkeit, es ist aber auch möglich, gleichzeitig mehrere Zielgruppen anzusprechen (Flay & Burton, 1990; Backer et al., 1992). Deshalb muss geklärt werden, welche Relevanz die Kampagne für die Zielgruppe(n) hat und wie die Kampagnenbotschaft mit den Werten der Zielgruppe(n) zusammenhängt. Bei der kreativen Gestaltung der Kampagne muss deshalb von vorneherein entschieden werden, wie die Botschaft konkret aussehen soll und wie sie am effizientesten verbreitet werden kann. Damit einher geht die Frage der Ansprache der Zielgruppe. Die mach ’ s mit Kampagne spricht die Menschen eher emotional an (BZgA, 2005), da sie ihr Verhalten ändern sollen. Solch eine Kampagnenbotschaft gründet auf den Forschungsarbeiten, die vor der Kampagne durchgeführt wurden (BZgA, 2005). Laut BZgA (2005) wurde beispielsweise vor Beginn der mach ’ s mit Kampagne ein Kreativwettbewerb über einige deutsche Universitäten in Auftrag gegeben und man entschied sich daraufhin für einen Vorschlag von Düsseldorfer Studenten, der die Kampagne noch bis heute prägt.

Der wichtigste Aspekt der Botschaft besteht darin, dass der jeweils entsprechenden Zielgruppe durch die Botschaft ein Wert vermittelt wird, der dazu motiviert, sich Gedanken über das Thema zu machen und im besten Fall das Verhalten zu ändern. Da mit der Kampagne, gewollt und ungewollt, eine besonders große Zielgruppe erreicht wird, müssen kleinere und spezifischere Untergruppen aufgegliedert werden (Vgl. Backer et al., 1992). Für diese Untergruppen, die sich vor allem durch das Alter unterscheiden, aber auch durch verschiedene Bildungsstände und Lebensstile, gelten unterschiedliche Schlüsselwerte (BZgA, 2005; Vgl. dazu auch Marková & Power, 1992). Dies erklärt den Fakt, dass es nicht nur die mach ’ s mit Kampagne gibt, sondern auch die etwas ältere Gib Aids keine Chance Kampagne, die mit dem Thema etwas „konservativer“ umgeht und eher etwas ältere Menschen anspricht. Zudem gibt es im Rahmen der Arbeit der BZgA eine Reihe von kleineren Aktivitäten, die nochmals verschiedene Untergruppen ansprechen, wie z.B. Sportler oder Reisende (BZgA, 2005). Auch wenn für jede dieser „Subkampagnen“ unterschiedliche Botschaften verwendet werden, wird durch das Logo/Motiv Gib Aids keine Chance ein gemeinsamer Schlüsselwert zum Ausdruck gebracht, da dieses Motiv sozusagen als Dachkampagne fungiert und bei jeder Untergruppe daran erinnert, dass sich der Rezipient vor Aids schützen sollte (BZgA, 2005). Die Unterteilung in verschiedene Unterkampagnen macht vor allem auch deshalb Sinn, da sich die Zielgruppen in einem ständigen Wandel befinden (Vgl. Atkin, 2001; Maibach et al., 1993). Dieses Vorgehen soll eine möglichst große Wirkung erzielen. Je nach anvisierter Zielgruppe kann die Wirkung stark variieren, denn auch die Befindlichkeit der Zielgruppe zu dem Zeitpunkt, zu dem sie mit der Kampagne in Kontakt kommt, kann von entscheidender Bedeutung für den Erfolg sein (Maibach et al., 1993). Es kommt z.B. darauf an, ob die Zielgruppe sich gerade mit dem Thema befassen muss und somit offener für die Botschaften ist. Hierbei haben auch das Werbeumfeld bzw. der Werbeträger der Kampagne einen entscheidenden Einfluss, deshalb muss das Werbeumfeld der Zielgruppe angepasst werden, was man bei der mach ’ s mit Kampagne vor allem durch die Nutzung von Plakaten erreicht hat.

Auch die Neuartigkeit und Innovationsfähigkeit ist sehr wichtig für Kampagnen, deshalb sollten nach einer gewissen Zeit neue Materialien herausgebracht werden und nicht immer wieder dieselben Kommunikationskanäle benutzt werden (Vgl. Snyder & Cistulli, 2005). Das ist unter anderem auch ein Grund für die Änderung der mach ’ s mit Kampagne im Jahr 2006 (siehe Kapitel 3.1).

2.1.4. Information oder Aufklärung?

Die Werbung hat vor allem für die BZgA eine Informationsfunktion. Die Kommunikationskampagne soll die Bürger also in erster Linie informieren, versucht aber auch den Entscheidungsspielraum der Menschen zu beeinflussen (Mayer, 2005). Informationskampagnen wie mach ’ s mit zielen darauf ab, durch Kommunikation, Werbung und/oder Überzeugungsarbeit zuerst die Einstellungen und dann das Verhalten zu verändern. Das ist zum Teil dadurch begründet, dass es beispielsweise nicht alleine ausreicht Kondome herzustellen und zu verkaufen, um Änderungen im Verhalten zu bewirken, sondern dass die Menschen auch davon überzeugt werden müssen diese in der entsprechenden Situation einzusetzen. Eine Schlüsselbedeutung dieser weichen Maßnahmen besteht jedoch meist einfach darin, Menschen zu informieren. Personen, die sich nicht genau damit beschäftigen, haben häufig falsche Vorstellungen vom Einsatz eines Präservativs und wenden es vielleicht falsch an, z.B. besonders dann, wenn sie vorher noch keine sexuellen Erfahrungen sammeln konnten. Auch Informationen über weitere Vorteile der Kondomnutzung müssen gegeben werden, schließlich schützt es ja nicht nur vor Aids sondern auch vor vielen anderen Krankheiten und natürlich vor einer ungewollten Schwangerschaft. Deshalb ist neben der Information auch ein Appell (z.B. „mach’s mit“) wichtig (Mayer, 2005).

Diese Wissenslücke muss deshalb mit zielgerichteten Informationen und Dienstleistungen geschlossen werden. Die Kampagnen der BZgA vermitteln nicht nur Informationen darüber, wie man sich nachhaltig vor Aids schützt, sondern sie können auch dabei helfen, die Akzeptanz für die Verwendung des Kondoms zu verbessern.

Krause et al. (1989) geben zum Thema Informationsaufnahme einen guten Überblick, denn sie zeigen, dass es nicht einfach ausreicht zu informieren, sondern dass diese Informationen darüber hinaus einige Funktionen erfüllen müssen (siehe Tab. 1).

Tab. 1: Funktionen von Informationen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

eigene Darstellung nach Krause et al. (1989)

Vergleicht man die Funktionen mit den Modellen der Verhaltensänderung (siehe Kapitel 4.1.), so zeigt sich eine starke Abhängigkeit einer bis aufs kleinste Detail geplanten und gestalteten Kampagne mit diesen Modellen. Dies sit jedoch noch nicht ausreichend, worauf Masters et al. (1988) hinweisen, denn sie fordern auch ein umfassendes, pädagogisches und intensives Aufklärungsprogramm, um die Ausbreitung von Aids zu kontrollieren. Dabei soll die Aufklärung v.a. das Sexualverhalten ändern. Dies kann nur geschehen wenn die Aufklärung nicht nur informiert, sondern auch motiviert (Masters et al., 1988).

Hierfür schlagen die Autoren u.a. vor, einen Lehrplan zur Aidsaufklärung aufzustellen, ausführliche Spezialprogramme für Risikogruppen anzubieten, eine breite Kampagne in allen Medien durchzuführen, sowie Beratungsstellen an Hochschulen zu schaffen (Masters et al.,1988). Des Weiteren sollen die Allgemeinärzte ihre Patienten aufklären und es soll eine Sonderabteilung geschaffen werden, die sich nur mit dem Thema Aids beschäftigt (Masters et al., 1988). Jene Forderungen aus den späten 1980er Jahren wurden so auch mehr oder weniger im Laufe des letzten Jahrzehnts umgesetzt. In Deutschland wurde vor allem die BZgA mit dieser Aufgabe betraut, langfristig bestehende Beratungsstellen an Hochschulen hat es allerdings in Deutschland jedoch nicht oder nur durch einzelne Informations- und Aktionstage gegeben.

2.2. Der Präventionsbegriff

Im Folgenden werden häufig Begriffe wie „Prävention“ oder „präventive Maßnahme“ gebraucht. Was genau deren Bedeutung ist und welche Unterscheidungen dabei getroffen werden müssen soll das folgende Kapitel zeigen, um im Anschluss daran näher auf die Aspekte der Einflussfaktoren und Effektivität eingehen zu können. Des Weiteren werden die bisherigen Erkenntnisse der Präventionsforschung zusammengefasst, um bereits erste Aufschlüsse über die Vorgehensweise und Auswertungsmöglichkeiten der sich anschließenden Untersuchung zu gegeben.

2.2.1. Definition

Der Begriff der Prävention leitet sich aus dem lateinischen Wort „praeveniere“ ab, welches schlicht und einfach „zuvorkommen“ bedeutet. Bei der Prävention im Gesundheitsbereich kann man grundsätzlich drei verschiedene Arten unterscheiden. Hurrelmann (2000) spricht dabei von Strategiestufen, der primären, sekundären und tertiären Prävention (Vgl. auch Caplan, 1964). Bei der ersten Stufe soll schon im Vorfeld das Auftreten einer Krankheit vermieden, beziehungsweise die Verbreitung gering gehalten werden. Diese Präventionsform richtet sich meist an die gesamte Bevölkerung und ist oft unspezifisch, d.h. sie liefert nur allgemeine Informationen. Die sekundäre Prävention richtet sich nur an jene, die zu Gefahrengruppen gehören oder erste Anzeichen einer Erkrankung zeigen und soll entweder die Krankheitsdauer reduzieren oder deren Ausbreitung verhindern. Die dritte und letzte Stufe bildet die tertiäre Prävention, die sich nur an Personen richtet, die bereits an der Krankheit leiden. In dieser Stufe soll die Krankheitsschwere reduziert oder wenigstens nicht verschlimmert werden. Gerade die Krankheitsprävention beinhaltet Strategien, die neben dem Gesundheitsverhalten auch personale Faktoren versucht zu verändern, also z.B. Lebensgewohnheiten oder das Risikoverhalten (Hurrelmann, 2000). Der Begriff der Prävention lässt sich abgrenzen von der Gesundheitsförderung. Beide Strategien sollen zwar die Gesundheit verbessern und erhalten, jedoch setzt die Prävention im Gegensatz zur Gesundheitsförderung an den Risiken an und nicht an den Gesundheitsressourcen (Waller, 2002). Prävention will also die Ursachen von Krankheiten bekämpfen, beziehungsweise diese vermeiden, die Gesundheitsförderung hingegen fördert gesundheitsrelevante Lebensweisen und -bedingungen.

Für die mach ’ s mit Kampagne ist die primäre Prävention am wichtigsten, da die Krankheit Aids noch nicht geheilt werden kann und die Behandlung mit Medikamenten oft mit schweren Nebenwirkungen verbunden ist. Für die zweite und dritte Stufe sind eher örtliche Einrichtungen und die Aidshilfe zuständig (BZgA, 2005; Vgl. dazu auch Marcus & Starker, 2006).

2.2.2. Einflussfaktoren und Effektivität

Die Bestimmung der Effektivität einer Präventionsmaßnahme hängt in erster Linie von ihren Zielen ab. Kampagnenziele beziehen sich in der Regel auf das Bewusstsein (z.B. Stärkung des Bewusstseins über das Problem einer möglichen Aidsinfektion), die Einstellungen (z.B. Einstellung zum Kondom) und das Verhalten (z.B. ausschließliche Nutzung des Kondoms beim Geschlechtsverkehr zum Schutz vor Aids). Diese drei Hauptziele müssen bei einer Befragung über die Wirksamkeit einer Kampagne gleichermaßen berücksichtigt werden, denn ohne diese durchaus messbaren Kriterien kann es problematisch werden die Kampagneneffektivität zu bewerten, vor allem weil ein Vorher-Nachher-Vergleich nicht mehr möglich ist.

Betrachtet man die Präventionskampagne im Kommunikationsprozess, so ergeben sich viele Möglichkeiten, die die Effektivität der Präventionsmaßnahmen verhindern können.

Abb. 1: Der Kommunikationsprozess

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

eigene Darstellung, nach Pepels (1994, S. 6)

Der Sender, also beispielsweise die BZgA will die Botschaft verbreiten und verschlüsselt diese durch Wort und Bild. Dieser Sender muss gerade bei der Aids Prävention bekannt, vertraut und vertrauenswürdig sein (Vgl. Rosenbrock, 1987). Über das Sendegerät, wie z.B. Plakate oder Anzeigen soll diese Botschaft verbreitet werden, wozu allerdings mindestens ein Transmissionskanal (z.B. Zeitschriften, TV/Radio-Sender, Außenwerbeflächen) erforderlich ist. Bis hierhin kann der Sender den Prozess noch beeinflussen, die restlichen Teile des Kommunikationsablaufs liegen ausschließlich auf der Seite des Empfängers. Dieser kann die Botschaft nur durch ein Empfangsgerät, womit vor allem die Sinne wie Sehen und Hören gemeint sind, aufnehmen. Es folgt die Wahrnehmung, also die Decodierung der Botschaft durch den Empfänger, der möglichst auch die Zielperson sein soll (Vgl. Pepels, 1994). Es werden mit einer Kampagne also auch Menschen erreicht, die nicht erreicht werden müssen (z.B. Rentner) oder sollen (z.B. Kleinkinder). Deshalb sollte die Werbung für die Prävention auch nur in einem bestimmten und akzeptablen Rahmen erfolgen, um z.B. nicht für öffentliche Empörung zu sorgen oder durch die Abschreckung Albträume zu verursachen.

Mit jedem Prozessschritt verringert sich die Wahrscheinlichkeit, dass das, was der Sender erreichen will, beim Empfänger ankommt. Pepels (1994) spricht dabei von Störmöglichkeiten, die wie eine Art hintereinander geschaltete Filter auftreten. So gibt es z.B. den Umsetzungsfehler, d.h. es werden falsche Symbole wie z.B. Bilder oder Wörter verwendet. Außerdem kann ein Übermittlungsfehler, also z.B. die falsche Wahl der Werbemittel zu einem Kontaktfehler führen, die Zielperson wird also nicht erreicht. Auf Seite des Empfängers kommt es vor allem zu Verarbeitungs-, Verwertungs- und Speicherfehlern, d.h. die Botschaft wird falsch interpretiert, unzureichend umgesetzt oder einfach vergessen (Pepels, 1994). Rosenbrock (1987) fordert deshalb: „Die Kommunikationswege (‚Sendekanäle’) müssen zu den Adressaten hinführen, sie müssen die Adressaten geradezu aufsuchen, die Präventionsbotschaft ist eine Bringschuld der Gesundheitspolitik“ (Rosenbrock, 1987, S. 13).

Besonderes Augenmerk muss auf den Empfänger gerichtet werden, denn er ist geprägt „von individuellen, sozialen und situativen Faktoren“ (Miller, 2004, S. 74). Je nach Handlungsweisen, persönlicher Entfaltung aber auch rationalen Entscheidungen der Menschen, nehmen sie die Präventionskampagne unterschiedlich wahr. Will der Sender herausfinden, ob die Zielgruppe die Kampagne und ihre Botschaft wahrgenommen hat, wird in der Regel die Frage nach den Kampagnenkontakten gestellt. Um dies herauszufinden wird der so genannte Recall eingesetzt, bei dem geprüft wird, ob sich jemand an die Elemente einer Kampagne erinnert beziehungsweise sie wieder erkennt (Koeppler, 2000). Hierbei kann es aber vorkommen, dass Menschen die Kampagnenbotschaft zwar sehen oder hören und deren Informationen auch ins Unterbewusstsein aufgenommen haben, sich aber nicht bewusst daran erinnern können. So kann es sein, dass diese Personen ihr Bewusstsein, ihre Einstellungen und ihr Verhalten ändern, ohne sich jedoch an die Kampagnenbotschaft erinnern zu können. Dieser Punkt macht es schwierig, festzustellen, inwieweit die Kampagne die Zielgruppe tatsächlich erreicht hat. Dennoch muss der Kampagnen-Recall gemessen werden (Koeppler 2000; Pepels, 1994).

2.2.3. Prävention im Rahmen von Kampagnen

Für Präventionskampagnen werden vor allem die Massenmedien - und zwar schon seit sehr vielen Jahren - benutzt. Über Fernsehen, Kino, Radio, Zeitungen, Zeitschriften, Plakate und Broschüren wurde versucht Menschen dazu zu bringen sich im Auto anzuschnallen (Vgl. u.a. Robertson et al., 1974), das Rauchen aufzuhören (Vgl. u.a. Flay, 1987), empfängnisverhütende Mittel zu verwenden (Vgl. u.a. Udry, 1974), „Nein“ zu Drogen zu sagen und bezüglich AIDS vor allem Kondome zu verwenden (Vgl. u.a. Backer, 1988). Die Vielzahl von Kampagnen und die ausführliche wissenschaftliche Beschäftigung damit deuten darauf hin, dass die Massenmedien effektiv sein können, wenn die Aufmerksamkeit über solche gesundheitsgefährdenden Probleme erhöht werden soll. Außerdem können Massenmedien effektiv sein bei der Änderung von Verhalten und Einstellungen (Atkin, 1979; Flay, 1987; Lau et al., 1980; Solomon, 1982). Ein entscheidendes Problem all dieser Präventionsbemühungen ist mit der Frage verbunden, mit Hilfe welcher Methoden die Adressaten erreicht werden können, die auf den üblichen Kommunikationskanälen nicht angesprochen werden (Belschner & Rohner, 1990). In der kommerziellen Werbung handelt es sich dabei z.B. um die Frage, wie man diejenigen erreicht, die zwar viel Geld haben, aber keine Zeit, um Werbung zu sehen, um für die beworbenen Produkte Geld auszugeben.

Präventionsprogramme sind meist auf das individuelle Verhalten gerichtet, d.h. es soll durch eine Verhaltensänderung bei einer Einzelperson ein bestimmtes riskantes Verhalten nicht oder nur mit geringer Häufigkeit auftreten (Belschner & Rohner, 1990). Bei diesem auf personale Risikofaktoren ausgerichteten Präventionsansatz besteht das Problem, dass die Bedeutung der Situation der einzelnen Personen vernachlässigt wird (Belschner & Rohner, 1990), die aber wichtig ist, um die Präventionskommunikation auf alle möglichen Gesellschaftsgruppen und deren Lebensumstände auszurichten. Deshalb versucht die BZgA auf vielen verschiedenen Wegen die Rezipienten anzusprechen.

Ausgehend von den verschiedensten Lebensumständen der einzelnen Bevölkerungsgruppen, gibt es auch eine Reihe von unterschiedlichsten Faktoren, ob sich Sexualpartner schützen oder nicht. Diese Faktoren können soziale und psychologische Merkmale der Personen sein, es kann aber auch die Situation selbst sein oder direkt der Ablauf der Interaktionen und der Aushandlungen über die Verwendung des passenden Verhütungsmittels. Diese situationsbezogenen „Bestimmungsgründe“ des Schutzverhaltens wurden in der im Auftrag der BZgA durchgeführten Studie „Intime Kommunikation“ von Gerhards und Schmidt (1992) untersucht. Dabei stellte sich heraus, dass eine wesentliche Voraussetzung für das Schutzverhalten die grundsätzliche Bereitschaft ist sich zu schützen, die die Partner von vornherein mit in die jeweilige sexuelle Situation hineinbringen müssen. Dazu gehört auch die intime Kommunikation mit dem Partner. Bei einer Studie von Morr und Mongeau (2004) kam man zu dem Ergebnis, dass besonders die jungen Männer bei einem ersten Date relativ hohe sexuelle Erwartungen haben und Alkohol diese nochmals erhöhen. Kommt es dann tatsächlich zum Geschlechtsverkehr und hält man sich nicht ausreichend an den in dieser Situation angemessenen Schutz, kann dies problematisch werden. Im Umkehrschluss heißt das, dass zunächst einmal dafür gesorgt werden muss, dass generell in der Bevölkerung positive Einstellungen zum Schutz vor Aids entstehen, damit sich möglichst jeder in riskanten Situationen angemessen schützt (Gerhards & Schmidt, 1992). Diese Einstellung sollte schon im Jugendalter etabliert werden. Als Ausgangspunkt für die Aidsprävention kann deshalb durchaus der Unterricht in der Schule angesehen werden. Dort fängt das Problem der Aidsprävention schon an, denn einerseits wird das Thema zu spät und/oder zu kurz angesprochen, andererseits sehen es die Schüler einfach als weiteren Lernstoff an, der nach kurzer Zeit wieder vergessen wird, insofern sie überhaupt zugehört und etwas daraus gelernt haben (siehe Kapitel 4.4.3. und 4.4.4.). Doch genau hier muss die Aidsprävention schon ansetzen, indem sie das Thema von Anfang an z.B. mit Hilfe von Zeitungen, Broschüren, Fernsehen und/oder Plakaten im Bewusstsein der jungen Menschen wach hält und verankert. Aus diesem Grund ist eine Kampagne wichtig, die die Jugend auch tatsächlich anspricht (Maibach et al., 1993), wie es die mach ’ s mit Kampagne tut. Es reicht aber nicht, wenn die Kampagne auf viele Bevölkerungsschichten ausgerichtet ist, sondern sie muss auch einzelne Untergruppen mit Hilfe von Unterkampagnen ansprechen, genau so, wie es die BZgA zusätzlich zur mach ’ s mit Kampagne versucht (siehe Kap. 3.2.5). Auch Rosenbrock (1987) sieht dies als wichtigen Punkt an, allerdings dürfen auch einheitliche Botschaften für die gesamte Bevölkerung nicht fehlen, was wiederum durch das einheitliche Auftreten des Logos von Gib Aids keine Chance gewährleistet ist. Durch die Möglichkeit, eine Kampagne in andere Initiativen einzubinden bzw. sie zu verknüpfen, können sich die Kampagnenwirkung und Synergieeffekte verstärken und somit auch die Akzeptanz steigern (Vgl. Kluge & Sonnenmoser, 2002). Wie versucht wird dieses Problem bei der Aids-Prävention in Deutschland zu lösen, wird nochmals in Kapitel 3.2.3. aufgegriffen. Die Aidsprävention strebt eine Beeinflussung des privaten Verhaltens durch die öffentliche Gesundheitspolitik an (für eine Übersicht von Kommunikationskampagnen zur Aidsprävention in Europa vgl. Wellings & Field, 1996). Analog dazu gibt es Kampagnen die sich z.B. gegen das Rauchen aussprechen oder für das Anlegen des Sicherheitsgurtes beim Autofahren werben. Auch hierbei wird in den Kampagnen meist darauf geachtet, dass nicht das potentiell riskante individuelle Verhalten verboten wird, denn dies würde einen „tiefgreifenden Einschnitt in die konkrete Lebensweise und einen Verlust des privaten Gestaltungsspielraums bedeuten“ (Belschner & Rohner, 1990, S. 18). D.h. man kann das individuelle Verhalten nicht einfach vorgeben oder gar vorschreiben, denn dies käme einer Reduzierung der Freiheitsrechte gleich. Ein sprichwörtlicher „Wink mit dem Zaunpfahl“ muss hierfür ausreichen.

Stellvertretend für das Ergebnis einzelner Kampagnen wird an dieser Stelle nur auf eine Metaanalyse von Snyder (2001) hingewiesen, bei der sich zeigte, dass bei über etwa 50 verschiedenen untersuchten Kampagnen im Durchschnitt zirka fünf bis zwölf Prozent der Zielgruppe ihr Verhalten durch die Kampagnen veränderten. Ein weiterer für diese Arbeit wichtiger Aspekt ist das Ergebnis, zu dem Benard und Schlaffer (1990) kommen. Demnach erwies sich die Kommunikation über die Risiken von Rauchen generell als ineffektiv, wenn nicht ganz spezifische Bevölkerungsgruppen gezielt angesprochen wurden (Benard & Schlaffer, 1990). Ein weiteres Problem ist, dass es mehr Slogans und Broschüren gibt als Gesundheitsprogramme, die bei den Rezipienten für Verwirrung sorgen könnten (Smith, 2002). Kotler und Roberto (1991) fordern in diesem Zusammenhang für Kampagnen dieser Art eine „Monopolstellung in den Medien“ (Kotler & Roberto, 1991, S. 22), damit sie die harte Konkurrenz anderen Kampagnen gegenüber besteht.

3. Die mach’s mit Kampagne

Bei der mach ’ s mit Kampagne handelt es sich um eine der wichtigsten Aktionen, die die BZgA bezüglich der Prävention von Aids durchführt, wobei die Bundeszentrale dabei schwerpunktmäßig die Aufklärung der Allgemeinbevölkerung übernimmt, während die Hauptbetroffenengruppen vorrangig von der Deutschen AIDS-Hilfe angesprochen werden (Vgl. Süssmuth, 1987). Im Folgenden soll die Kampagne etwas genauer erläutert werden, wobei der Schwerpunkt vor allem bei der Aufmachung der Kampagne und ihrem Medieneinsatz liegt. Zunächst wird jedoch die Entstehung und Geschichte der Kampagne näher beschrieben.

3.1. Entstehung und Geschichte der Kampagne

Die Wurzeln der Kommunikationskampagne liegen in einem Faltblatt der BZgA aus dem Jahr 1985, welches an über 27 Millionen Haushalte verteilt wurde und damit eine sehr hohe Aufmerksamkeit erzielte (Müller, 1996; BZgA, 2005). Zu diesem Zeitpunkt war die Krankheit Aids bereits weit verbreitet, weshalb auch in Deutschland ein hohes Informationsbedürfnis bestand. „Das Klima war durch irrationale und übertriebene Befürchtungen über Übertragungswege von den Mücken, über das Schwimmbad, bis hin zu Tempotaschentüchern in Abfallkörben gekennzeichnet, teilweise gab es phobisch überzogene Angstreaktionen in der Bevölkerung und sogar bei einigen Fachleuten“ (Müller, 1996, S. 175).

Die Bundesregierung erließ 1987 ein Sofortprogramm, das den Start der Kampagne „Gib Aids keine Chance“ beinhaltete, deren Konzeption von Anfang an äußerst umfangreich und komplex war und bis heute ist (Müller, 1996). Bis 1995 wurden über 60 verschiedene Faltblätter, 110 verschiedene Anzeigen, 40 Plakate, 50 Kino und Fernsehspots und einige Filmproduktionen zum Thema Aidsprävention entwickelt und verbreitet (Müller, 1996).

Als finanzielle Mittel standen bereits im Jahr 1985 5,5 Millionen DM (ca. 2,8 Mio. Euro) zur Verfügung (Süssmuth, 1987), auch in den folgenden Jahren konnte man Beträge im einstelligen Millionenbereich1 verwenden, um folgendes zu erreichen:

- „einen hohen Informationsstand sowohl bei der breiten Bevölkerung als auch bei den derzeit noch Hauptbetroffenen, um Wissenswirrwarr, Falschinformationen und Unsicherheiten abzubauen;
- die Entwicklung und Stabilisierung von verantwortungsbewusstem Verhalten, das beidseitigen Schutz vor Ansteckung sichert;
- den Abbau von Tabus, Ängsten, Verdrängungen und Hysterie;
- die Schaffung eines Gefühls, daß AIDS jeden angeht,

Zwangsmaßnahmen nicht als erforderlich gelten, solidarisches Verhalten gestärkt wird und die Ausgrenzung Betroffener als negativ gilt.“ (Süssmuth, 1987, S.76)

Die eigentliche mach ’ s mit Kampagne startete erst im Jahr 1993, erregte aber trotz der zeitlichen Differenz ein großes Aufsehen in der Öffentlichkeit, da sie mit ihrem klaren und eindeutigen Erscheinungsbild für ein solches Thema völlig neuartig war (Vgl. BZgA, 2005). Angelegt wurde die Kampagne vor allem für den jüngeren Teil der Bevölkerung, wobei sie zuerst nur als Anzeige zu sehen war, da die Plakatierung zu teuer gekommen wäre (BZgA, 2003). Erst als über eine Außenwerbefirma einige tausend Plakatstellen kostenlos bereitgestellt wurden, konnte sich die Kampagne in der breiten Öffentlichkeit etablieren und wurde ein voller Erfolg (BZgA, 2003).

Geht man nach Müller (1996), so steckt die Kampagne auf Grund des bisherigen Erfolges aber in einer Präventionsfalle (Vgl. auch BZgA, 2003). D.h. den nachwachsenden Generationen und Gefahrengruppen muss immer wieder von neuem klar gemacht werden, wie hoch die tatsächliche Gefahr ist und wie man sich adäquat schützen kann. D.h. aber auch, dass sich die BZgA nicht auf den bisherigen Erfolgen ausruhen darf, weshalb immer wieder Lernimpulse und Verhaltensanreize vermittelt werden müssen, denn sonst kommt es zum Vergessen und das heißt, dass sich die Krankheitsfälle nochmals erhöhen (Vgl. Müller, 1996).2 Ab Mitte des Jahres 2006 hat sich die Kampagne auch deshalb ein wenig geändert. Zentrales Objekt sind nicht mehr „lustige“ Skizzen, in denen ein oder mehrere Kondom(e) eingebaut sind, sondern es wird ein Kondom gezeigt, dass über verschiedene Obst oder Gemüsesorten gezogen ist (siehe Abb. 8 im Anhang)3.

3.2. Die Aufmachung der Kampagne

Die Kampagne ist minimalistisch gehalten und enthält neben dem Schriftzug mach ’ s mit auch das „Gib Aids keine Chance“ Logo. Zu einer humorvollen Botschaft wird immer mindestens ein Kondom in einer zur Botschaft passenden Skizze dargestellt (siehe Abb. 2 & 7, sowie die Abb. in Tab. 22 & 23). Genau das fordert auch Rosenbrock (1987), für den die Präventionsbotschaft durch kurze Schlagwörter sehr einfach und nur wenig komplex sein soll. Im Gegensatz zu einigen anderen Kommunikationskampagnen wird nicht auf Furchtappelle, sondern auf Humor gesetzt und auf den Faktor Angst verzichtet, da Studien gezeigt haben, dass humorvolle Kampagnen gerade bei Jungen Menschen positiver aufgenommen werden (Wellings & Field, 1996; Vgl. dazu auch die Ausführungen von Barth et al., 1998). Bonfadelli und Friemel (2006) merken dazu jedoch an, dass Humor zu sehr von der Botschaft ablenken kann und zweideutige bzw. ironische Inhalte auch nicht von jedem verstanden werden.

Der Hintergrund der mach ’ s mit Kampagne bleibt immer weiß und dient damit nicht nur dem Wiedererkennungswert, sondern ist auch die Grundlage für eine positive Botschaft. Laut einer Studie mit 1900 Personen aller Altersgruppen, bei der u.a. Begriffe zu Farben zugeordnet werden sollten, wurde die Farbe Weiß von 88 Prozent der Probanden als Reinheit, von 86% als Unschuld, von 63% als Neutralität, von 48% als Wahrheit, von 47% als das Gute und von 45% als die Ehrlichkeit angesehen (Heller, 1998). All diese Eigenschaften helfen der mach ’ s mit Kampagne aufgrund des weißen Hintergrundes einen positiven Effekt zu erhalten. Der Kampagne kommt ebenfalls zu gute, dass sie zwar einerseits sehr schlicht gemacht ist, aber andererseits gerade deshalb gegenüber anderen Werbungen heraus sticht. Durch die jahrzehntelange Aufrechterhaltung ähnlicher Motive weiß fast jeder bei einem kurzen Blick, um was es sich für eine Kampagne handelt und was damit gemeint ist (siehe Kapitel 4.4.3. und 4.4.4., Vgl. auch Rosenbrock, 1987; Flay & Burton, 1990).

3.2.1. Die Slogans

Slogans und Symbole können an eine komplizierte Botschaft kurz und knapp erinnern, vor allem dann, wenn man sich bereits mit dem Thema beschäftigt hat (Snyder & Cistulli, 2005). Da sich der Wert einer Message ausschließlich aus Sicht der potentiellen Empfänger definiert, heißt dies, dass nicht das Bedürfnis des Absenders im Vordergrund stehen darf, sondern die Bedarfe der Adressaten (Pepels, 1994). Das versucht die BZgA zu erreichen, indem sie nicht zeigt, wie viele Neuinfektionen es jedes Jahr gibt oder was passiert, wenn die Krankheit ausgebrochen ist, sondern in dem sie die Botschaft, Kondome zu verwenden, positiv und motivierend vermittelt (Vgl. BZgA, 2003). Die Botschaft muss von der Zielgruppe natürlich verstanden und als glaubwürdig angesehen werden, sie muss aber auch plausibel und nachvollziehbar sein (Vgl. Kirchmaier & Niehenke, 2004).

Betrachtet man die Motive der Kampagne, so zeigt sich, dass sie die vier Aspekte der Botschaft widerspiegeln (Krause et al., 1989).

Tab. 2: Aspekte der Botschaft

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

eigene Darstellung nach Krause et al. (1989)

Allerdings stellt sich die Frage, was denn nun eigentlich der Slogan ist, denn alle geschriebenen Elemente auf dem Plakat könnten es sein, da ein Slogan nichts weiter ist als ein Werbespruch. Deshalb wurde versucht, die einzelnen Schriftelemente zu kategorisieren (siehe Abb. 2).

In der oberen linken Ecke befindet sich gewissermaßen die Headline, die kurz gehalten und oftmals doppeldeutig ist. In den beiden unteren Ecken befinden sich die Schriftzüge „Gib Aids keine Chance“ und „mach’s mit“. Ersteres ist als Logo abgebildet und tritt sozusagen als Dachkampagne auf, unter der die mach ’ s mit Kampagne läuft. Den eigentlichen Slogan mach ’ s mit könnte man auch als Motto bezeichnen, das sozusagen höflich darauf hinweist, sich doch auch mit Kondomen vor Aids zu schützen.

Abb. 2: Elemente eines mach’s mit Plakats

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

3.2.2. Plakatwerbung als Hauptstrategie

Wie bereits angesprochen wurde fast von Anfang an versucht auf eine großflächige Plakatierung zu setzen. Hilfreich für diese Kampagne war dabei, dass die Plakatflächen kostenlos zur Verfügung gestellt wurden und somit nur Druckkosten verursachten, wobei dies allerdings immer nur dann möglich war und ist, wenn keine Gewerbetreibenden Kunden die Flächen mieteten und mieten (BZgA, 2005). Dadurch kann es passieren, dass über lange Zeit keine Plakate zu sehen sind oder dass an besonders stark frequentierten Plätzen nur selten ein Motiv der Kampagne zu finden ist. Trotzdem erreichen gerade die Plakate in der Bevölkerung eine hohe Aufmerksamkeit und wurden auch deshalb schon öfter ausgezeichnet (BZgA, 2005). Entworfen wurden die Plakate zu Beginn der Kampagne von zwei Studenten aus Düsseldorf, die insgesamt über 60 verschiedene Motive entwickelten (BZgA, 2005). Ab 1999 wurden jedoch auch Kreativwettbewerbe durchgeführt, die zu so einem Erfolg wurden, dass weit über 100.000 Ideen gesammelt werden konnten (BZgA, 2005). Im Jahr 2002 wurde ein Workshop mit Experten durchgeführt, um die Kampagnenmotive weiter zu verbessern - mit dem Ergebnis, dass die Kondom- Motive noch auffälliger und realistischer wurden (BZgA, 2005). Mitte des Jahres 2006 wurden weitere Änderungen der Motive vorgenommen (siehe Kapitel 3.1.).

3.2.3. Sonstiger Medieneinsatz

Die Botschaft der BZgA kann dann besser wahrgenommen werden, wenn diese einerseits auf die Zielgruppen abgestimmt ist und andererseits diese Zielgruppen auch über die Medien erreicht werden, die sie nutzen (Mayer, 2005). Deshalb ist bei der relativ großen Zielgruppe ein sehr vielfältiger Medieneinsatz nötig. Eine wichtige Form zur Unterstützung der Kampagne sind Kooperationen. So wurde beispielsweise ein Verlag gewonnen, der immer wieder Postkarten und Aufkleber der Kampagne in seinen Reiseführer für Homosexuelle beilegt (BZgA, 2003). Auch auf Messen, wie der Tourismusbörse werden die Plakate und Postkarten verteilt, da man z.B. auch auf Reisen auf den richtigen Schutz achten soll (BZgA, 2003). Um den Erfolg der Kampagne zu verstärken, wurde sie aber auch mit ähnlichen, von lokalen/regionalen Behörden und öffentlichen Einrichtungen initiierten Aktivitäten verknüpft (BZgA, 2005). Auch diese Zusammenarbeit hat eine Verstärkung der Kampagnenwirkung zur Folge.

Eine für die breite Öffentlichkeit jedoch noch wichtigere Möglichkeit sind neben den Plakaten noch die anderen Massenmedien. So gab es bereits einige Spots, die kostenfrei im öffentlich rechtlichen Fernsehen gesendet wurden (Müller, 1996). Außerdem konnten Radiosender gefunden werden, die die Plakatmotive als „Comedy-Hörfunk-Spots“, gesprochen von (bei Jugendlichen) bekannten Comedians (BZgA 2003, S. 17) ausstrahlen.

3.2.4. Aktionen

Die BZgA versucht neben den Massenmedien über möglichst viele Wege mit den Menschen in Kontakt zu treten (Vgl. BZgA, 2005; Vgl. auch Flay & Burton, 1990). Sehr förderlich sind dabei verschiedenartige Aktionen wie z.B. Kreativwettbewerbe (siehe Kapitel 3.2.2), persönliche anonyme Telefonberatung und personal-kommunikative Maßnahmen wie lokale Aktionswochen und -tage. Besonders große Anerkennung haben die Mitarbeiter der mach ’ s mit Kampagne für die Initiierung der JugendFilmTage erhalten, bei denen jährlich in einigen deutschen Großstädten kostenlos Filme und Spots zum Thema Aids, Sexualität und Liebe für 11 bis 17-Jährige Schüler ausgestrahlt werden (BZgA, 2003).

Seit dem Valentinstag 2004 werden jährlich auch immer wieder neue Blumensträuße zusammengestellt, die neben dem Motto „ Mit Liebe schenken “ auch die mach ’ s mit Botschaft beinhalten. Als weitere wichtige Aktionen wären z.B. der Welt-Aids-Tag zu nennen, der auch durch die mach ’ s mit Kampagne unterstützt wird und beispielsweise die Unterstützungsaktion „ Go for Gold “ für die olympischen Spiele (BZgA, 2005).

3.2.5. Internet

In den letzten Jahren hat sich der Trend entwickelt, den Menschen mit Hilfe des Internet zu helfen. Um möglichst viele Zielgruppen ansprechen zu können nutzt auch die BZgA diese Möglichkeiten indem sie eine ganze Reihe von unterschiedlichen Websites veröffentlicht. So gibt es beispielsweise Internetseiten, die sich allgemein mit dem Thema Aids beschäftigen, wie z.B. www.machsmit.de oder www.gib-aids-keine-chance.de, aber auch ganz spezielle Seiten, die das Aidsproblem nur aus einem bestimmten Blickwinkel beleuchten und somit nur einzelne Untergruppen ansprechen, wie z.B. www.sportaids.de oder www.bzga-reisegesundheit.de.

Die Internetseite von mach ’ s mit beinhaltet vor allem das Tool zur Gestaltung eigener Motive für den Kreativwettbewerb. Zudem gibt es eine Reihe interaktive Elemente, die speziell für die jüngeren Surfer eingerichtet wurden. Dazu gehören Spiele, Comics und ein Quiz. Zudem besteht die Möglichkeit einzelne Motive und Spots der Kampagne herunter zu laden oder sie können in Form von Aufklebern oder Postkarten kostenlos bestellt werden (BZgA, 2006). Jeden Monat werden die Seiten von mach ’ s mit von über 300.000 Menschen besucht (Vgl. BZgA, 2003).

4. Die Wirksamkeit von Kampagnen am Beispiel von mach’s mit

Die Kommunikationskampagne mach ’ s mit verfolgt das Ziel, dass sich Menschen mit Kondomen vor einer Infektion mit HIV und somit vor der Krankheit Aids schützen. Diese Aufforderung kann aber nur dann umgesetzt werden, wenn die Kampagne die Zielpersonen erreicht und diese dann auch danach handeln. Dass es sich dabei nicht um einen einfachen, sondern relativ komplizierten Prozess handelt zeigt das folgende Kapitel über die Modelle der Verhaltensänderung. Dabei kann unterschieden werden nach der kommunikationswissenschaftlichen und psychologischen Sicht, sowie der des Marketings. Jede einzelne Sichtweise hat unterschiedliche Anforderungen an eine Kampagne wie mach ’ s mit. Diese werden im sich anschließenden Kapitel dargestellt. Besonderes Augenmerk muss auch auf die Wahrnehmung der Kampagne gelegt werden, bevor die eigentliche Untersuchung über die Wirksamkeit der mach ’ s mit Kampagne folgen kann.

4.1. Modelle der Verhaltensänderung

Um die Wirksamkeit einer Kampagne betrachten zu können, wurden in den letzten Jahrzehnten immer wieder verschiedene Modelle angewandt, entwickelt und/oder erweitert (für eine Übersicht zur Medienwirkungsforschung vgl. Jäckel, 2005). Am Anfang der achtziger Jahre wurden beispielsweise sehr komplexe globale Wirkungsmodelle konstruiert, die alle denkbaren Einflussfaktoren branchenübergreifend einbezogen (Gerloff, 1983). Jedoch sind diese Modelle oftmals mechanistisch und ignorieren komplexe Interaktionen (Gerloff, 1983). Ein großer Nachteil dieser Modelle ist auch, dass der hohe Abstraktionsgrad oft zu Lasten einer brauchbaren Erklärungskraft geht, d.h., es wird schwierig, aus den komplizierten Modellen Handlungsempfehlungen abzuleiten, was aber genau das ist, was z.B. die Mediaplanung fordert und benötigt.

[...]


1 Laut BZgA lagen die finanziellen Mittel um einiges höher, beispielsweise für die Jahre 1987/88 jeweils bei etwa 50 Millionen Mark (BZgA 2005, S. 10)

2 Tatsächlich ist die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland mit 2490 im Jahr 2005 so hoch wie seit Anfang der 90er Jahre nicht mehr (Vgl. Mayer, 2006; Marcus & Starker, 2006).

3 Da sich diese neue Entwicklung der Kampagne (öffentlich) erst nach der Erstellung der Fragebögen ergeben hat, kann darauf - vor allem im Bezug auf die Studie - leider nicht weiter eingegangen werden.

Ende der Leseprobe aus 139 Seiten

Details

Titel
Mach’s mit oder nicht! – Die Wirksamkeit der Anti-AIDS-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung
Untertitel
Werbewirkung aus kommunikationswissenschaftlicher Sicht
Hochschule
Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg
Veranstaltung
Medien, Kommunikationswissenschaft, Publizistik
Note
2,0
Autor
Jahr
2006
Seiten
139
Katalognummer
V190640
ISBN (eBook)
9783656994428
ISBN (Buch)
9783656994442
Dateigröße
1533 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Werbewirkung, Werbekampagne, Aids, BZGA, Kommunikationswissenschaft, Prävention, Mediaplanung, Mediaforschung, machs mit, Kommunikation Psycholgie, Wirkung, Kondome
Arbeit zitieren
Dipl. Sozialwirt Martin Weiß (Autor:in), 2006, Mach’s mit oder nicht! – Die Wirksamkeit der Anti-AIDS-Kampagne der Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/190640

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