Die Freiheitlichen - Nazistische Reinkarnation oder politische Erneuerung?

Die Entwicklung der FPÖ im politischen System Österreichs


Magisterarbeit, 2001

161 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhalt

1 Einleitung
1.1 Diagnose Problemfeld
1.2 Erkenntnisinteresse
1.3 Vorgehen

2 Theoretische Grundlagen zur politischen Ortsbestimmung
2.1 Die extreme Rechte
2.1.1 Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus
2.1.2 Neue Rechte
2.2 Radikaler Rechtspopulismus und New Radical Right (NRR)
2.2.1 Populismus - Ideologie oder Strategie?
2.2.2 Der Aufstieg radikal rechtspopulistischer Parteien und der Neoliberalismus
2.2.3 New Radical Right, neuer Populismus und Wahlfahrtschauvinismus
2.3 Diskussion und Schlussfolgerungen

3 Zwischen national und liberal - Die Entwicklung der FPÖ
3.1 Ursprünge der Freiheitlichen
3.1.1 Drei-Lager-Theorie: Das historische Konfliktlinienmodell
3.1.2 Deutschnationalismus als Einigungsfaktor des Dritten Lagers
3.1.3 Das Dritte Lager und der Nationalsozialismus
3.1.4 Rekonstituierung und Isolierung des Dritten Lagers: Der VdU
3.2 Entwicklungsphasen der FPÖ 1956-1999/2000
3.2.1 Phase I: 1956 bis 1964 - Deutschnationalismus, Ordoliberalismus und Protest
3.2.2 Phase II: 1964 bis 1973 - Der Weg von der Isolation in die politische Mitte
3.2.3 Phase III: 1973 bis 1986 - Liberale Phase und Krise
3.2.4 Phase IV: 1986 bis 1999/2000 - „Haider-Partei“ und radikaler Rechtspopulismus
3.2.5 Die „Wende“ 1999/2000 - Taktik und „natürliche Koalition“
3.3 Diskussion und Schlussfolgerungen

4 Die Binnenebene zwischen Protest und Mitgestaltung - Die Politik der FPÖ
4.1 Fundamental- versus Realpolitik: Die Strategie der FPÖ gegen „Proporz- und Parteibuchwirtschaft“
4.1.1 Protest und Populismus gegen Proporz und Sozialpartnerschaft
4.1.2 Verfassungsalternative „Dritte Republik“
4.1.3 Die Selbsteinschätzung der FPÖ und der radikale Rechtspopulismus
4.1.4 Protest und Populismus in der Regierungspartei FPÖ
4.1.5 Radikalismus und „ Under Dog “-Verständnis in der Regierungspartei FPÖ
4.1.6 Immer noch die „Haider-Partei“?
4.2 „Bürgerliche Emanzipationsbewegung“: Die FPÖ und Ideologie
4.2.1 Von der „Volksgemeinschafts“-Ideologie zur Österreich-Partei
4.2.2 Die FPÖ und die Rechte
4.2.3 Die FPÖ und der Liberalismus
4.3 Die politische Agenda der FPÖ
4.3.1 Wirtschafts- und sozialpolitische Standpunkte der FPÖ
4.3.2 Die FPÖ und Europa
4.3.3 Innere Sicherheit und Ausländerpolitik
4.4 Diskussion und Schlussfolgerungen

5 Die Außenwirkung zwischen „Rechtsextremismus“, „Neoliberalismus“ und „Hysterie“ - Die Wahrnehmung der FPÖ
5.1 Österreich und die FPÖ
5.1.1 Die „DÖW-Schule“: Rechtsextremismus und Neoliberalismus im Visier
5.1.2 Die „Czernin-Schule“: System-Sklerose und FPÖ-Populismus im Visier
5.2 Europa und die FPÖ
5.2.1 Europa und die Wahrnehmung der FPÖ 2000 - antifaschistischer Konsens?
5.2.2 Der „Weisenbericht“: Institutionalisierte Einordnung der FPÖ
5.3 Diskussion und Schlussfolgerungen

6 Diskussion der Ergebnisse, Schlussfolgerungen und Ausblick

7 Dokumente, Quellen und Literatur

Abbildungen und Tabellen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abkürzungen und abweichende österreichische Bezeichnungen

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einleitung

1.1 Diagnose Problemfeld

Etwa ein Jahr nach dem Machtantritt ihrer Freiheitlichen Partei, nach der verheerenden Nie- derlage bei der Wiener Gemeinderatswahl am 25. März 2001, erklärte die Bundesobfrau Su- sanne Riess-Passer, die FPÖ müsse sich ändern: Man brauche eine „sehr umfassende Partei- reform“1. Nein, hieß es, ihr heftig umstrittener Vorgänger Jörg Haider werde nicht zurück an die Spitze der Partei kommen. Währenddessen brachten die Medien erneut Berichte, nach de- nen die FPÖ-Regierungsriege um Riess-Passer, Finanzminister Karl-Heinz Grasser und So- zialminister Herbert Häupl sich den Plänen des Kärntner Landeshauptmanns widersetzt hätte. Diese Pläne, so hatte es wiederholt in den Tageszeitungen „Die Presse“ und „Der Standard“ geheißen, bedeuteten vor allem die Besinnung auf die freiheitliche „Fundamentalpolitik“ der 80er und 90er Jahre: eine Protestpolitik für den „kleinen Mann“, des sozialen Populismus.2 Denn der eher pragmatische (Spar-) Kurs der neuen Regierungspartei FPÖ schien sie in ihre tiefste Krise seit dem Antritt Haiders 1986 gebracht zu haben: Vor Wien verlor die Partei bei den Landtagswahlen im Burgenland und in der Steiermark.

Anderthalb Jahre zuvor noch, zur Nationalratswahl vom 3. Oktober 1999, hatte dieser Haider-Populismus der FPÖ den größten Erfolg in ihrer Geschichte eingebracht. Mit 26,91 % der Stimmen wurde sie zweitstärkste Partei im österreichischen Parlament (vgl. Abb. 1.1, S.2). Damit war das vorläufige Ende jener Großen Koalition aus Sozialdemokratischer Partei (SPÖ) und Volkspartei (ÖVP) besiegelt, die die Freiheitlichen über Jahre hinweg attackiert hatten. Nach dem Ringen um eine Koalition zwischen SPÖ und ÖVP sowie Kooperations- überlegungen zwischen SPÖ und FPÖ entschieden sich die Christlich-Sozialen schließlich, das Experiment einer schwarz-blauen Regierung zu wagen. Am 4. Februar 2000 trat zum zweiten Mal in der zweiten österreichischen Republik eine Regierung unter Beteiligung der FPÖ ihr Amt an. Es war das erste Mal, dass eine rechtspopulistische Partei derartige Verant- wortung übernahm. Die folgende internationale Reaktion war in der Europäischen Union bei- spiellos: Die anderen 14 EU-Staaten verhängten bilaterale „Sanktionen“ gegen Österreich. „Ein neuer Hitler in Österreich?“ fragten nicht wenige, oder eine „erdrutschartige Normali- sierung“ des Landes?3 Während die einen Parallelen zu 1933 zogen, vermuteten andere hinter den Reaktionen auf die „Wende“ eine Hysterie von „beinahe pathologischer Qualität“4. Was für einige die lang ersehnte politische Erneuerung des in Korporatismus und Parteienproporz erstarrten Landes bedeutete, war für die anderen die Bedrohung von sozialem Frieden und Demokratie. Wähnten manche nun Rechtsextremisten an der Macht, hofften andere auf die „Entzauberung“ des Phänomens Haider-FPÖ.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1.1

Ein Jahr später, zu Beginn dieser Arbeit, schien die Lage zwiespältig. Die internationalen Be- ziehungen Österreichs waren normalisiert, die Sanktionen aufgehoben. Einerseits tauchten selbst in sonst FPÖ-kritischen Publikationen moderate Töne gegenüber dem quantitativ be- achtlichen Reformkurs der Regierung auf.5 Andererseits deuteten Äußerungen auf ein nach wie vor latentes Spannungsverhältnis in Politik, Medien und Wissenschaft hin: „Die Zuspit- zung ist viel schärfer geworden, als ich mir das vorgestellt habe“6, sagte der Politologe Anton Pelinka Ende 2000 dem Magazin „Profil“. Manche sprachen von der Ruhe vor dem Sturm: „Das Bild der FPÖ in Wien bestimmen im Moment Liberalkonservative wie der Vizepräsi- dent Thomas Prinzhorn oder der junge Finanzminister Karl-Heinz Grasser. Sollten die Wäh- ler diese neue, zahme Ausstrahlung der Protestpartei nicht mögen, könnte Haider als Retter bereitstehen.“7

Wie die Gemeinderatswahl in Wien zeigte, mochten die Wähler die „neue“ FPÖ tatsächlich nicht. Es stellte sich also die Frage, wohin Riess-Passers Änderungen gehen sollten: „Entweder, [die FPÖ] geht wieder in die Opposition, um ihren Mythos zu pflegen, oder sie macht ihre politischen Repräsentanten realitätstauglich, indem sie sich von der Identifikationsfigur Jörg Haider löst. Derzeit erleben wir den Versuch, beides zugleich zu tun: Eine 'Realo'-Regierungsfraktion übt sich wacker im Enttäuschungsmanagement, der Kärntner Landeshauptmann befriedigt derweil die radikaloppositionellen 'Fundis'. Die Lebensfähigkeit einer derart fragilen Konstruktion ist allerdings fraglich.“8

Die Freiheitlichen - eine Art nazistische Reinkarnation also, deren „wahres Gesicht“ noch verborgen ist, oder eine politische Erneuerung für das Land, wie sie sich selber sieht? Eine Partei im Umbruch zwischen den ihr immer wieder zugerechneten Polen Rechtsextremismus, Populismus und Neoliberalismus? Wie kam es überhaupt zu diesen verschiedenen Wahrnehmungen, wie berechtigt sind sie? Wo steht die Partei ein Jahr nach der „Wende“ von 1999/2000, in welche Richtung könnte die Entwicklung gehen?

1.2 Erkenntnisinteresse

Ein Jahr nach der „Wende“ zur ÖVP/FPÖ-Regierung in Wien stellte sich die Frage: Was ist geschehen? Hat sich das politische System Österreichs oder gar Europas verändert aufgrund einer Partei, deren Aufstieg auch in fundamentalen Umschichtungen in den politischen Kräf- teverhältnissen der 70er und 80er Jahre des 20. Jahrhunderts gesehen wurde - eine Partei, die ja eben mit dem erklärten Ziel angetreten war, das politische System zu verändern? In dieser geringen zeitlichen Distanz scheint diese Frage kaum zu beantworten. Noch ist nicht einmal eine halbzeitliche Bilanz des Regierungswirkens der FPÖ möglich, ein Termin, den die Ver- treter der politischen Klasse gern nutzen, um auf Geleistetes zurückzuschauen. Doch es ist möglich, Prognosen zu stellen. Die Vermutung, dass ein Jahr nach ihrem Amtsantritt die Freiheitliche Partei offenbar eine Partei mit tiefen inneren Brüchen und Konflikten darstellt, legt nahe, die Analyse auf eben jenen kritischen Faktor der politischen Wende in Österreich zu fokussieren. Denn davon, welchen Weg die FPÖ einschlägt, zu welchen inhaltlichen Kon- stellationen und strategischen Akzentuierungen sie fähig ist, hängt sehr wahrscheinlich ab, welchen Verlauf die politische Entwicklung in Österreich, und damit vielleicht auch in Euro- pa, nimmt: Kann es diese Partei schaffen, über eine Legislaturperiode hinaus weiter das Kräf- tegefüge in Österreich mitzuprägen? Wenn ja, wie muss diese Partei aussehen: Ist es die po- pulistische Haider-Partei oder die gezähmte Regierungspartei? Aus der Entwicklung, die sie bislang vollzogen hat und den Konfliktlinien, die sie konstituieren, lässt sich möglicherweise ableiten, was Österreich und was Europa, unter dessen nicht deklarierter Beobachtung sich die FPÖ sicherlich weiterhin befinden wird, von dieser und ähnlichen Parteien zu erwarten hat.

Beobachtung hat immer etwas mit subjektiver Wahrnehmung zu tun. Deshalb sind es hier vor allem die unterschiedlichen Wahrnehmungen der Freiheitlichen, ob innerhalb oder außer- halb der Partei, ob in Österreich oder den europäischen Partnerländern, die interessieren. Die Frage danach, was die FPÖ ist, was sie war und demnach möglicherweise sein kann, ist schließlich die Frage danach, welche Wertprämissen angelegt werden: Normative Äußerun- gen, Selbstpositionierungen, Strategien im Verbund mit empirischen Erfahrungen mögen hierüber Aufschluss geben. Da die Entwicklung der FPÖ sich zur Zeit der Erstellung dieser Arbeit noch als weitgehend offen erwies, wurde der Schlussstrich der Beobachtung im ersten Quartal 2001, etwa zur Wiener Gemeinderatswahl (März 2001) angesetzt, um nicht völlig in eine wissenschaftlich-analytisch nicht mehr gedeckte Spekulation zu verfallen.

Im Kontext dieser Arbeit stehen mehrere Themenfelder. Ende der 90er Jahre geriet das The- ma Rechtsextremismus vor allem in Deutschland wieder verstärkt ins Blickfeld der Öffent- lichkeit. Die Zunahme rechtsextremistisch motivierter Gewalttaten lenkte die Aufmerksam- keit auch auf Parteien am äußeren Ende des Links-Rechts-Spektrums.9 Es wurde nicht nur das Verbot der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD) beantragt, sondern auch die eventuelle Bedrohung der Demokratie durch Parteien wie die Republikaner (REP) oder die Deutsche Volksunion (DVU) diskutiert. Mit ihnen wurde die FPÖ oft in einem Atemzug genannt.10 Unterdessen war in der Parteientheorie seit längerem das Erstarken fundamenta- loppositioneller Bewegungen festgestellt worden, das mit Veränderungen der westeuropäi- schen Parteiensysteme in den 80er Jahren einherging. Diese Veränderungen wurden unter an- derem in einer institutionellen Erosion, der „Schwächung oder Auflösung stabiler Parteiprä- ferenzen von gesellschaftlichen Gruppen“11, dem so genannten Dealignment der politischen Parteien gesehen.12 Plasser und Ulram nannten als Grund dafür die zunehmende Entfremdung des Bürgers vom Parteiensystem: „Das Fehlen einer Alternative zum etablierten Parteiensys- tem verstärkt die politischen Entfremdungserscheinungen und erhöht die resignative Grund- stimmung.”13 Im Parteiensystem Österreichs spielte die FPÖ lange Zeit nur eine untergeord- nete Rolle neben den beiden Großparteien.14 Sie war, bis auf eine kurze Phase unter einer li- beralen Führung, nur theoretisch regierungsrelevant, weil sie von der Regierungsbeteiligung ausgeschlossen blieb.15 Ihre Regierungsfähigkeit vollkommen einzubüßen schienen die Frei- heitlichen, als sie unter Jörg Haider in die Phase des populistischen Protests wechselten, ver- stärkt auf Systemopposition setzten, sich als „Bewegung“ definierten und die Rolle von Par- teien und Verfassung mit ihrem Konzept der „Dritten Republik“ in Frage stellten. Zumindest in Hinblick auf eine Stimmenmaximierung war genau das aber die Winning Formula, mit der Betz und Kitschelt die erfolgreiche Mischung aus Auflehnung gegen „Proporzdiktatur“16 und „Altparteien“17 einerseits und neoliberalen, wohlstandschauvinistischen und gesellschaftspoli- tisch restriktiven Vorstellungen andererseits umschrieben, derer sich radikal rechtspopulisti- sche Parteien bedienten.18 In Österreich regiert seit Anfang 2000 eine Partei mit, die sich mit diesen Strategien und Inhalten im Zuge des diagnostizierten Dealignment ihren Weg nach oben gebahnt hatte. In Deutschland versuchten Parteien wie die REP, die sich neuerdings auch die „freiheitlichen Patrioten“ nennen19, das Erscheinungsbild, vor allem aber Protest- Habitus, Populismus und neoliberale Wirtschaftsstrategie der FPÖ zu kopieren. Das Schei- tern der REP bei den Landtagswahlen in Baden-Württemberg 2001 war nach dem Untergang des Bunds Freier Bürger - Die Freiheitlichen das letzte Signal für das Versagen dieser Strate- gie in Deutschland. Warum funktionierte das Original in Österreich, gibt es überhaupt Paral- lelen?

Ziel dieser Arbeit ist es, anhand der Untersuchung der Selbstwahrnehmung der FPÖ (als Teil der Binnenebene) und ihrer Wahrnehmung von außen (als Teil der Außenwirkung20 ) Erkenntnisse über Funktion und Funktionieren dieser Partei im politischen System Österreichs zu sammeln. Der Orientierung dienen dabei parteientheoretische Überlegungen zur Funktion von Parteien. Von Beyme zählt, neben klassischen Elementen wie Eintreten für eine Ideologie und Kampf um Ämter, vier Funktionen einer Partei auf:

1) Zielfunktion (Ideologie und Programmatik);
2) Funktion der Artikulation und Aggregation von gesellschaftlichen Interessen;
3) Funktion der Mobilisierung und Sozialisierung der Bürger;
4) Elitenrekrutierungs- und Regierungsbildungsfunktion.21

Wie eine Partei diese Funktionen ausfüllt, hänge von drei zentralen Faktoren ab:

1) Selbstwahrnehmung (z.B. Patronage- oder Weltanschauungspartei, regierungs- oder oppositionsorientiert etc.);
2) Politisches System (z.B. präsidentielles oder parlamentarisches System);
3) Regierungskultur (z.B. alternierendes Zweiparteiensystem nach dem Westminstermo- dell oder moderat pluralistisches System regierungsrelevanter Parteien).22

Die Fragen, die in dieser Arbeit geklärt werden sollen, leiten sich aus diesem grundsätzlichen Funktionskatalog ab: Welche politischen Ziele verfolgt die FPÖ; ordnet sie sich in einen größeren ideologischen und organisatorischen Zusammenhang ein; gibt es einen Unterschied zwischen der Oppositionspartei und der Regierungspartei FPÖ? Wessen und welche Interessen bündelt und vertritt sie; wie mobilisiert und sozialisiert sie potenzielle Unterstützer; wo sieht sie ihre Verbündeten? Aus welchem Reservoir schöpft sie ihre Eliten; wie übt sie die Regierungsbildungsfunktion aus? Wie sehen in diesem Fall die Faktoren Selbstwahrnehmung/Wahrnehmung, politisches System und Regierungskultur aus? Die Hypothese der vorliegenden Darstellung lautet, dass die Regierungsbeteiligung der FPÖ im Zeichen mehrerer, in enger Beziehung zueinander stehender Konfliktlinien innerhalb der Partei und des politischen Systems Österreichs steht, die sich partiell seit langem entwickelt haben, und deren Auflösung es davon abhängig macht, ob die Partei ins demokratische System hineinwachsen kann, oder ob eine eventuelle Normalisierungsphase der Regierungspartei FPÖ nur eine instabile Übergangserscheinung bleibt:

A) Binnenebene/Selbstwahrnehmung

1) fundamentaloppositionelle Protestpartei vs. realpolitische Regierungspartei;
2) Marktliberalismus vs. Sozialpopulismus;
3) entideologisierte „Bürgerbewegung“ vs. Weltanschauungspartei.

B) Außenwirkung/Wahrnehmung

1) „linksgerichtete“ vs. „rechtsgerichtete“ Wahrnehmung der Partei;
2) Erhalt des (neo-) korporatistischen Systems vs. Systemerneuerung;
3) „österreichische“ vs. „europäische“ Wahrnehmung.

Widersprüchlichkeit und Konfliktträchtigkeit scheinen dabei hervorstechende Merkmale der FPÖ-Politik zu sein: „Es gibt keinen endgültigen Haider. Jeder hat seinen eigenen Haider“, meinte der österreichische Publizist Paul Lendvai, auch bezogen auf die FPÖ als Ganzes.23 So steht etwa den (Selbst-) Darstellungen von der entideologisierten Partei des „Bürgerpro- tests“ und neuen Kraft der Anspruch der FPÖ gegenüber, politische Instanz des ältesten poli- tischen Lagers in Österreich zu sein, des so genannten „Dritten Lagers”. Die Einteilung in drei politische Lager anhand der ursprünglich konstituierenden Konfliktlinien des österreichi- schen Parteiensystems - christlich-konservativ vs. antiklerikal, österreichpatriotisch vs. deutschnational, sozialistisch vs. bürgerlich-agrarisch - wurde mit Adam Wandruszka zu ei- nem gängigen strukturellen Instrumentarium der österreichischen Politik und ihrer Wissen- schaft:

„Die österreichische Innenpolitik, ja die gesamte soziale, ideelle und kulturelle Struktur des Landes ist von 1918 bis zur Gegenwart beherrscht durch das Neben-, Gegen- und Miteinander der drei großen Lager (um für 'Bewegungen', 'Parteien' und 'Gruppen' einen umfassenden Ausdruck zu gebrauchen, der nicht nur durch den täglichen Sprachgebrauch gerechtfertigt erscheint, sondern auch den militanten Charakter des Phänomens gut zum Ausdruck bringt): des christlichsozial-konservativen, des sozialistischen und des nationalen. Diese Gliederung hat sich über alle Umwälzungen hinweg als derartig stabil erwiesen, daß man mit Recht von einer 'natur- oder gottgewollten Dreiteilung Österreichs sprechen konnte.”24

Haider selbst wiederum, FPÖ-Bundesobmann von 1986 bis 2000, vertrat wiederholt die Ansicht, „klassische” Koordinaten wie „links“ oder „rechts“ seien für seine Partei nicht mehr gültig.25 Zuvor hatte er sich mal in die Tradition der „wahren” Liberalen Locke, Stuart, Blum und von Hayek eingeordnet26, ein anderes mal wieder erklärt, rechts von der FPÖ dürfe es „keine demokratische Alternative“27 geben.

So stehen liberalen Schlagworten der Regierungspartei FPÖ wie „mehr Freiheit - statt Abhängigkeit und staatlicher Gängelung“, „mehr Verantwortung für den Einzelnen - statt Bevormundung durch 'Obrigkeiten'“ und „mehr Anerkennung der individuellen Leistung - statt oberflächlicher Gleichmacherei“28, die sich ganz ähnlich in den „Wiesbadener Grundsätzen“ der FDP finden, aber auch Vorstellungen von Heimat, Patriotismus und mittlerweile dem Christentum gegenüber, die sich sonst eher bei konservativen bis nationalkonservativen Parteien finden. Nicht zu vergessen die Äußerungen zur Ausländerpolitik freiheitlicher Politiker, die stark ans radikale rechte Spektrum erinnern. So steht den marktliberalen Positionen ein sozialer Populismus des „kleinen Mannes“ gegenüber, der die FPÖ zum sozialen Gewissen der Regierung, sogar zur neuen Sozialdemokratie stilisieren wollte.29

Gleichzeitig stehen sich die Gegensätze zwischen „linker“ und „rechter“ Wahrnehmung der Freiheitlichen, zwischen jenen etwa, die am Erhalt des spezifischen österreichischen Kor- poratismus interessiert sind, und denen, die einen wirtschaftsliberal geprägten Strukturwandel wollen, gegenüber - und einer widerspruchslosen Einordnung der Partei entgegen. Nur die wenigsten Texte zum Thema zeichnen sich hier durch eine distanziert-neutrale Perspektive aus. Es dominieren populärwissenschaftliche, wenig analytische und vor allem politisch ge- färbte Publikationen, die immer wieder Haider zitieren und interpretieren. Damit steht auch der am vehementesten vom Dokumentationsarchiv des österreichischen Widerstands erhobe- ne Rechtsextremismusvorwurf mit seinem Anspruch auf wissenschaftliche Allgemeingültig- keit30 der Annahme gegenüber, hinter solchen Urteilen verberge sich der Kampf linksintellek- tueller, am sozialdemokratischen Systemerhalt interessierter Meinungsführer der 68er-Gene- ration, die ihre starke Stellung in Medien, Kultur und Politik der über Jahrzehnte SPÖ- geführten Regierung verdanke.31 Gerd Krähs Urteil über die Literatur zur FPÖ spiegelt denn auch einen großen Teil des Diskussionsstands wider:

„Eine Analyse der Sekundärliteratur macht offenkundig, daß nur wenige derer, die über die Freiheitliche Partei schreiben, den notwendigen Abstand zum Forschungsgegenstand einhalten. Die überwiegende Mehrzahl der - vor allem österreichischen - Veröffentlichungen kommt immer wieder zu pauschalisierenden Wertungen, die die FPÖ und ihre Vertreter undifferenziert in Dichotomien von 'gut und böse' klassifizieren.”32

Zuletzt stehen sich die österreichische bzw. pro-österreichische und die europäische bzw. proeuropäische, auf die europäischen Werte rekurrierende Position gegenüber, die oft nur auf den ersten Blick einen Disput über die Natur der FPÖ darstellt. Äußerungen wie „In unserem Land verunsichern keine Neonazis die Straßen, brennen keine Asylantenheime, werden keine jüdischen Friedhöfe geschändet, sind 10 Prozent unserer Einwohnerschaft Zuwanderer, wovon die Hälfte nach 1990 zugezogen ist. Dennoch werden wir nicht nur in Europa, sondern weltweit als Hort des Rechtsextremismus hingestellt”33, drücken eine plötzliche Solidarisierung selbst kritischer Köpfe wie Hannes Androsch (SPÖ) oder Paul Lendvai aus, denen der „antifaschistische Konsens“ der europäischen Staaten ge- genüber zu stehen scheint. Zugleich ist aber fraglich, ob es sich hier wirklich um einen Kon- sens handelte, oder sich hier nicht noch viel tiefere Konfliktlinien eröffneten: Während zum Beispiel die Vertreter früherer Opfer des Nationalsozialismus - Frankreich und Belgien - im Zusammenhang mit der FPÖ von „Faschisten“, „Nazipartei“ oder „Yuppie-Faschismus“ spra- chen und fragten, ob nun wieder die Zeit der Konzentrationslager bevorstünde34, empfahlen deutsche Politiker wie der bayerische Ministerpräsident Edmund Stoiber dem ÖVP-Vorsit- zenden Wolfgang Schüssel sogar, eine Koalition mit der FPÖ einzugehen.35 Wissenschaftli- che Analysen fragten zugleich, ob es nur um Grundwerte und nicht auch um handfeste Inter- essen ging, als Europa die FPÖ als rassistische, antisemitische und demokratiefeindliche Par- tei verurteilte und am 4. Februar 2000 erstmals die Regierungsbildung in einem EU-Staat sanktionierte.

Dieses Spannungsfeld von Konfliktlinien und Widersprüchen soll hier dargestellt werden.

1.3 Vorgehen

Diese Arbeit verfolgt historisch-narrative, deskriptiv-empirische und analytische Ansätze.36 Dabei richtet sich das Interesse sowohl auf das Handeln von Personen und Akteuren als auch auf die ihren politischen Entscheidungen und Zielformulierungen zu Grunde liegenden orien- tierenden Wertvoraussetzungen37: Beschreibung, Vergleich und das Einfügen in übergeordne- te Zusammenhänge sollen eine Aussage über die Natur der FPÖ und die Diskussion um die Partei ermöglichen. Obwohl das Postulat der Weber'schen Wertfreiheit und Distanz hier durchaus als erstrebenswert betrachtet wird, ist es kaum vermeidbar, dass sich auch in eine deskriptiv orientierte Darstellung immer wieder Wertungen einschleichen - allein durch die Auswahl der herangezogenen Stimmen und Beispiele ist diese Gefahr gegeben. Doch selbst wenn es hier auch bisweilen gilt, Fehler und Unstimmigkeiten in Argumentationsketten auf- zuzeigen, soll diese Arbeit zuallererst Bewertungen ermöglichen und nicht erneut Stellung beziehen im „Gut-und-Böse“-Streit um die FPÖ. Deshalb werden in den Schlussfolgerungen der fünf Kapitel und in der abschließenden Zusammenfassung und Diskussion der Ergebnisse immer verschiedene mögliche Bewertungsebenen dargestellt, aber keine für absolut erklärt.

Zur Beschreibung der Selbstwahrnehmungen der politischen Akteure der FPÖ dienen zum einen mündliche Aussagen, Veröffentlichungen der Partei und von Parteiorganisationen wie der Freiheitlichen Akademie, deskriptive wissenschaftliche Darstellungen sowie Presse- texte, die Aufschluss geben über Zielsetzungen, Wertvorstellungen, Ideologie und Handha- bung politischer Strategien in der FPÖ. Zur Wahrnehmung der Partei werden Studien, Publi- kationen und Medienberichte verwendet, in denen die Auseinandersetzung mit und die Dis- kussion um die Partei deutlich wurde. Vergleiche mit den Positionen anderer Parteien und Gruppierungen, die die Pole repräsentieren, mit denen die FPÖ immer wieder in Verbindung gebracht wurde - Rechtsextremismus (u.a. Die Republikaner) und Liberalismus (v.a. Freie Demokratische Partei)38 - dienen der Diskussion der Standpunkte der Freiheitlichen Partei.

Bei der Heranziehung normativer Arbeiten sollen auch die dahinter stehenden Auffassungen verdeutlicht werden, in Anlehnung an das Weber'sche Erkenntnisinteresse, nach dem (hier: parteipolitische) Wertpositionen und empirisch erhärtete Aussagen auseinander gehalten werden sollten.39 Das gilt auch dann, wenn das untersuchte Material in Bezug zu wissenschaftlich-theoretischen Überlegungen gesetzt wird.

Kapitel 2 Theoretische Grundlagen zur politischen Ortsbestimmung gibt einen Überblick über die Begriffe und theoretischen Konzepte, die in der Beschäftigung mit der FPÖ eine zentrale Rolle spielen. Dazu gehört die Erläuterung der Schwierigkeiten, die sich der Defini- tion und Abgrenzung von Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus entgegen stellen eben- so wie die Thesen zur Entstehung radikaler rechtspopulistischer Parteien und der Neuen radi- kalen Rechten (NRR). Für die politisch schwerwiegende Debatte um den Rechtsextremismus der FPÖ ist das Konzept Holzers wichtig, da es vielen österreichischen Autoren als Grundla- ge diente. Bei der Diskussion um den Populismus und Bewegungscharakter der FPÖ müssen die Theorien von Betz und Kitschelt einbezogen werden, die im engen Zusammenhang mit den Dealignment -Thesen der Parteientheorie stehen. Überblickhaft soll der immer wieder im Zusammenhang mit der FPÖ auftauchende Begriff „Neue Rechte“ erklärt werden.

Kapitel 3 Zwischen national und liberal - Die Entwicklung der FP Ö vollzieht die inhalt- lich-programmatische und realpolitische Entwicklung der FPÖ innerhalb der Gegebenheiten des österreichischen Parteiensystems nach. Da diese Arbeit Überlegungen darüber ermögli- chen soll, welche inhaltlichen Optionen der FPÖ seit 1999/2000 bzw. 2001 offen stehen, wird die Geschichte der Partei anhand mehrerer Phasen verfolgt. Aufgabe des dritten Kapitels ist es, den historischen Kontext und vor allem die Konfliktlinien aufzuzeigen, entlang derer sich Österreichs dritte Kraft konstituiert hat. Dies soll die Erklärung für Konflikte und Wahrneh- mungen erleichtern, die sich noch heute innerhalb der Partei und im österreichischen wie eu- ropäischen Umgang mit der FPÖ finden. Begleitend werden österreichische Spezifika vorge- stellt: Anhand der Rolle der Lagerbildung (Drei-Lager-Theorie) in Österreich werden einige Besonderheiten des politischen Systems skizziert.

Kapitel 4 Die Binnenebene zwischen Protest und Mitbestimmung - Die Politik der FP Ö bildet zusammen mit Kapitel 5 den Schwerpunkt dieser Arbeit. Anhand (1) der wesentlichen Strategien, Positionierungen und Dichotomien der Partei (Stichworte: Protest, Populismus und Systemopposition vs. Mitgestaltung in der Regierung; Deutschnationalismus vs. Öster- reichpatriotismus; Verhältnis zum Rechtsextremismus vs. Verhältnis zum Liberalismus) und (2) der wichtigsten Elemente der realpolitischen Agenda der FPÖ (Stichworte: Wirtschafts- und Sozialpolitik, Europapolitik, Sicherheits- und Ausländerpolitik) soll ein Bild der Bin- nenebene, der Selbstwahrnehmung, Zielsetzung und Politikformulierung der Partei, sowie der Rolle, die sie im Parteiensystem Österreichs einnimmt oder einzunehmen vorgibt, ermög- licht werden. Da das Beispiel der ÖVP-FPÖ-Diskussion um neue Zuwanderungsquoten für Österreich 2001 gezeigt hat, dass tagespolitische Arbeit oft das Werk eines Kompromisses ist, soll vor allem auf die Positionierungen eingegangen werden, in denen die FPÖ sich als ei- gene, in diesem Sinne „ur-freiheitliche“ Kraft darstellt: in Parteiprogrammen, Richtungspa- pieren und den Äußerungen ihrer Exponenten.

Kapitel 5 Die Auß enwirkung zwischen „ Rechtsextremismus “ , „ Neoliberalismus “ und „ Hysterie “ - Die Wahrnehmung der FP Ö gibt vor allem einen Überblick über die Rechtsex- tremismus- und Neoliberalismusdebatte, die über die Partei geführt wird. Ihr kommt eine we- sentliche Rolle in der Beurteilung und Wahrnehmung der Freiheitlichen zu. Denn die Beja- hung des „Rechtsextremismusvorwurfs“, der auch in Zusammenhang mit einem „Neolibera- lismusvorwurf“ gebracht wird, stellt nicht nur die Regierungs- und Demokratiefähigkeit der FPÖ in Frage. Er zieht zugleich Demokratie und politische Kultur in Österreich in Zweifel, da er die Frage provoziert, wie eine rechtsextremistische Partei in die Regierung gelangen konnte. Deshalb zeigt Kapitel 5 die Wahrnehmung der Partei von der anzunehmenden „Lin- ken“ (Stichworte: Rechtsextremismus, Neoliberalismus) über die gemäßigte Mitte (Stichwor- te: Hysterie und Spezifika der politischen Kultur und Geschichte Österreichs) bis zur anzu- nehmenden Bürgerlichen/Konservativen (Stichworte: linke Meinungsführerschaft, Alt-68er, sozialistisch/sozialdemokratische Machtinteressen). Da offenbar auch die europäischen Reak- tionen auf die Regierungsbeteiligung der FPÖ davon nicht unbeeinflusst blieben und ähnliche Kontroversen verraten, wird die Wahrnehmung des Phänomens FPÖ in europäisch/pro-euro- päischer Sicht beleuchtet, sowie die österreichisch/pro-österreichische Wahrnehmung. Auch die Übertragungswege der parteipolitischen und ideologischen Konflikte um die „Wende“ auf die EU-Ebene sind von Interesse. Der Untersuchung der Außenwahrnehmung dient weiterhin die Darstellung der Diskussion um die EU-Sanktionen sowie die Betrachtung des Berichts der „drei Weisen“ über die Regierung in Österreich und die politische Natur der FPÖ.

Abschließend werden die Ergebnisse der fünf Kapitel zusammengefasst, in Bezug zueinander gesetzt und diskutiert. Ziel des letzten Abschnitts ist zugleich die Beantwortung offener Fragen und ein Ausblick auf Position und Situation der FPÖ.

2 Theoretische Grundlagen zur politischen Ortsbestimmung

2.1 Die extreme Rechte

Einer Diagnose der Extrempositionen auf der politischen Links-Rechts-Skala40 stehen inhalt- liche wie begriffliche Schwierigkeiten entgegen. Der terminologische Variantenreichtum deu- tet nicht nur auf unterschiedliche inhaltliche Akzentuierungen hin41, er lässt auch einen inten- tionalen Gebrauch vermuten, „sei es mit abwertendem, relativierendem oder verharmlosen- dem Unterton”42. Während Pfahl-Traughber eine allgemeine „Begriffskonfusion”43 bemängelt, weist Gessenharter auf die „unterschiedlichen gesellschaftlichen Sphären”44 hin, in denen die Bezeichnungen für die äußerste Rechte auftauchten. Ein Beispiel ist der Fa- schismusbegriff. Von linker Seite als „dogmatisierte[-] Standardformel”45 gebraucht, ist er in historischer wie zeitgeschichtlicher Perspektive problematisch.46 Ebenso ungeeignet für diese Untersuchung ist der Begriff des Neo-Nationalsozialismus, der eine ausdrückliche Berufung auf die NS-Ideologie impliziert. Diese steht, wie das Verbot der NDP gezeigt hat, in Öster- reich unter Strafe (Verfassungsgesetz vom 8. Mai 1945 über das Verbot der NSDAP [Ver- botsgesetz 1947], § 3 [Verbot der Wiederbetätigung]).47 Obszerninks Schluss, alle Neo-Natio- nalsozialisten seien Rechtsextreme, aber längst nicht alle Rechtsextremen Neonazis, erscheint plausibel.48 Hinzu kommt nicht nur ein unterschiedlicher internationaler Gebrauch der Be- griffe „Rechtsextremismus“, „Rechtsradikalismus“ und „Neue Rechte“49, sondern auch das Problem, dass es eine geschlossene rechtsextreme oder rechtsradikale Ideologie nicht gibt.50

2.1.1 Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus

Die Vorstellung von Extrempositionen an den äußersten Rändern des Links-Rechts-Spek- trums taucht Backes und Jesse zufolge erstmals Anfang der 20er Jahre des 20. Jahrhunderts auf, als der französische Publizist Maxime Leroy von den „roten” und „weißen” Extremisten in der Oktoberrevolution sprach.51 Erst Mitte der 60er des 20. Jahrhunderts hielt der Extre- mismusbegriff Einzug in deutsche Untersuchungen. Mit dem Verfassungsschutzbericht 1974 löste er den des Radikalismus ab.52 Bis dahin stand „Radikalismus“ für Ideen und Aktivitäten, die am Rand der Links-Rechts-Skala einzuordnen sind, für die „staatsfeindlichen Kräfte[-]”53. Backes und Jesse meinen aber, dass aus der reinen Wortbedeutung von „Extremismus” und „Radikalismus” noch keine Gegenposition zum demokratischen Verfassungsstaat abgeleitet werden könne.54 Auf ähnliche Weise sieht Gessenharter die politische Standortbestimmung „extrem” lediglich relativ „bezogen auf die ‚Randlage‘ in einer bestimmten Population”55. Betz fragt demzufolge: „Wo beginnt der Radikalismus extrem zu werden, und wo wird der Extremismus verfassungsfeindlich?”56

Einen Anhaltspunkt bietet das Verhältnis zur Verfassung. Gessenharter schreibt, dass der politische Status Quo von Extremisten wie Radikalen abgelehnt wird.57 Während dabei mit „Rechtsradikalismus“ oftmals jener politische Bereich zusammengefasst wird, der zwar von einer „demokratiefeindlichen und nationalistischen Grundhaltung geprägt [ist], dabei aber ge- rade noch innerhalb der verfassungsmäßigen Ordnung [bleibt]”58, wird „(Rechts-) Extre- mismus” als Prinzip verstanden, das sich in der „Ablehnung des demokratischen Verfas- sungsstaates und seiner fundamentalen Werte und Spielregeln”59 ausdrückt. Nach dem Verbot der Sozialistischen Reichspartei (SRP) 1952 und der Kommunistischen Partei Deutschlands (KPD) 1956 hat das Bundesverfassungsgericht formuliert, dass eine Aktivität als extremis- tisch eingestuft werden kann, wenn die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage gestellt wird.60

Nach Holzer, dessen Rechtsextremismus-Theorie für Teile der österreichischen Forschung als Quasi-Standard gilt61, ist es radikal, dem System eine alternative Utopie entgegen zu stellen, ohne den vollständigen Bruch mit den Spielregeln der gegenwärtigen Verfassung zu vollziehen.62 Extremismus hingegen bedeute die Absage an solche Regeln:

„Der subjektivistisch-dogmatische, elitär-autoritäre Habitus, der linke wie rechte Extremisten vergleichbar kennzeichnet, läßt sie die Grenzen politischen wie gesellschaftlichen Handelns erkennen und in so falschem wie inhumanem Maximalismus an die Realisierung ihrer absolut gesetzten und zumeist eschatologisch überhöhten Ideale herangehen.”63

„Radikal” dagegen ist in der Selbsteinschätzung bestimmter politischer Kräfte und vorwie- gend im romanischen Kulturkreis auch ein durchaus positiv besetztes Attribut.64 Während Benz mit dem Argument spielt, man könne theoretisch, „solange man nur den Rahmen des Grundgesetzes einhalte, alle nur möglichen politischen Ideen in radikaler Form vertreten”65, warnt Pfahl-Traughber jedoch vor der „Gefahr einer zirkulären Definition nach dem Motto ‚antidemokratisch = extremistisch‘ und ‚antiextremistisch = demokratisch‘”66. Von Beyme spricht davon, dass sich die Unterscheidung zwischen (Rechts-) Extremismus und Radikalis- mus als Trick entlarven könnte, da sie von rechtsextremer Seite unter Umständen als Ver- harmlosungsstrategie lanciert würde.67 Pfahl-Traughber wie Backes und Jesse sehen „Rechts- extremismus” damit eher als Sammelbegriff für alle Parteien, Organisationen, Publikationen, Einstellungsmuster und gedanklichen Strömungen, die eine äußerste rechte Position im poli- tischen Spektrum einnehmen.68 Das verleitete Jaschke zu der Annahme, „Rechtsradikalis- mus” sei zum „eher unverbindlichen catch-all term geworden[,] zur Bezeichnung aller Strö- mungen rechts des etablierten Konservatismus”69.

Bei der Abgrenzung von rechtem Radikalismus und Extremismus zu den vergleichbaren Phänomenen auf der Linken muss sich die Forschung offenbar auf die Beschreibung von Ideologieelementen beschränken, da ein geschlossenes Weltbild nirgendwo konstatiert wird. Betz schreibt, „a working definition of right-wing extremism has to limit itself to a minimum of core criteria that are valid for all established democracies“70. In Österreich findet immer wieder Holzers Aufzählung „durchgängiger ideologischer Motivstränge”71 Anwender:

1) Universalismus und Volksgemeinschaftsideologie: Universalismus im Sinne von umfas- sender Reaktion auf alle grundsätzlichen Vorstellungen des sozialen und politischen Sys- tems - „ob Kriminalität oder Drogen, ob moderne Literatur oder gegenstandslose Kunst, ob Freiheit der Wissenschaften oder der Pluralismus des Meinungsmarktes”72. Die Idee einer homogenen Volksgemeinschaft entstamme direkt der NS-Ideologie.73
2) Kritik der Demokratie: Antiliberalismus, Antipluralismus, Autoritarismus.
3) Die Verfassungsalternative: Ein starker, führerorientierter Staat.
4) Integraler Nationalismus und Xenophobie: Extreme nationale Identitätsbildung und ras- sistischer Zentrismus mit der eigenen Ethnie als Gravitationspunkt.
5) Feindbildkonstrukte als Sündenb ö cke: Dazu zählen Ausländer, Minderheiten, die etab- lierten Parteien.
6) Antisozialismus und national-soziale Deutung der Arbeitswelt.
7) Deutung der Geschichte: „Revisionismus”74 als Methode der Umdeutung der Geschichte und die damit verbundene Anfälligkeit für Verschwörungstheorien.
8) Gewalt: Kann sich Holzer zufolge aber auf die Gewalt der Sprache und der Kommunika- tion beschränken.75

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.1 Dimensionen der Rechts- extremismus- Definition (Quelle: Obszerninks 1999: 31)

Besonders Punkt 8 der Holzer'schen Definitionselemente wurde in der deutschen Forschung aber kritisiert76, da Gewaltakzeptanz oder die latente Bereitschaft zur Anwendung von Ge- walt ein Merkmal sei, Rechtsextremismus von anderen Erscheinungsformen der äußeren Rechten zu unterscheiden. Heitmeyer stellt eine vergleichbare Liste von Ideologieelementen des Rechtsextremismus zusammen, die er aber nach Vorstellungs- und Handlungsmustern trennt77: Auf der einen Seite steht bei ihm die „Ideologie der Ungleichheit”78, die sich mit den Merkmalen Nationalismus, Ethno-Chauvinismus und Rassismus mit den meisten Holzer-Kri- terien deckt.79 Die Ablehnung des demokratischen Kompromisses schließe auf der anderen Seite die ständige Bereitschaft zur Gewalt ein.80 Beides, Ideologie und Gewalt, bedingten sich in dieser Ablehnung. Obszerninks dagegen spricht von einem Extremismus in manifester Form, der Gewaltanwendung impliziert, neben dem aber auch latente rechtsextreme Einstel- lungsmuster stehen können, die Gewaltvorstellungen zumindest tolerierten.81 Diese grund- sätzlich positive Einstellung zur Gewalt ist für sie, neben der angesprochenen Verfassungs- feindlichkeit und den ideologischen Versatz- stücken fester Bestandteil des Rechtsextremis- mus (Abb. 2.1, S. 14). Für Stöss wiederum ist Gewalt vornehmlich auf individueller Ebene Bestandteil rechtsextremen Agierens (Tab. 2.1). Ähnlich dem Ansatz Holzers, steht für Pfahl- Traughber und Mudde weniger die Bereitschaft zur physischen Gewalt im Vordergrund, als viel- mehr die ideologischen Komponenten: Pfahl- Traughber übernimmt den Gedanken der „Ideo- logie der Ungleichheit“82, Mudde vergleicht die Ergebnisse von 26 internationalen Studien zum Rechtsextremismus und kommt zu dem Schluss, dass sich folgende Elemente stets wiederholen: Nationalismus, Rassismus, Xenophobie, der Glaube an einen starken Staat und eine dezidier- te antidemokratische Grundhaltung.83

2.1.2 Neue Rechte

Immer wieder im Zusammenhang mit der FPÖ tauchte auch der Begriff der „Neuen Rechten“ (NR) auf. Dahinter steht weniger ein handlungs-

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Tab. 2.1 Rechtsextremismusdimensionen (Quelle: Stöss 1994: 27)

orientiertes Verständnis (s. Rechtsextremismus) als die Beschreibung inhaltlicher Kriterien. Unklar bleibt, ob es sich bei der NR um einen Sammelbegriff für neue radikale Parteien oder eine neue Denkrichtung handeln soll:

1) In einer weiter gefassten Definition wird die NR zum einen als moderne, organisatorische Variante des Rechtsextremismus verstanden, mit der vor allem die Renaissance rechter Parteien in den 90ern beschrieben und eine Abgrenzung zu neofaschistischen und neona- zistischen Bewegungen der Vergangenheit angestrebt wurde85. Zum anderen erscheint in dieser Auffassung die NR als Scharnier, Netzwerk oder Brückenspektrum für moderne rechtskonservative bis rechtsextreme Kräfte.86

2) In einer eng gefassten Definition wird der Begriff auf die New Right in den USA oder die Nouvelle Droite in Frankreich sowie ihre Epigonen bezogen. Neu waren die verschiedenen Ansätze rechter Theorie seit den 60ern insofern, als sie sich - im Gegensatz zum „alten“ Nazismus - als Gegenbewegung zu den aufkommenden Demokratisierungs- und Emanzi- pationsforderungen der Endsechziger und 70er, als strikte Gegner der „ Political Cor- rectness “, empfanden.87 Die Nouvelle Droite bildeten Zirkel mit elitärem und intellektuel- lem Anspruch, die sich in der Tradition der Konservativen Revolution der Weimarer Re- publik und als Antwort auf den Neomarxismus verstanden sehen wollten.88 Die zentrale Rolle in den Thesen jener Kräfte, die sich heute im deutschsprachigen Raum als die NR begreifen - dazu wird etwa die Umgebung der Wochenzeitung „Junge Freiheit“ in Deutschland oder der „Aula“ und Andreas Mölzers „Zur Zeit“ in Österreich gezählt - spielen weiterhin kulturrevolutionäre Ansätze, der Kampf um die „kulturelle Hegemonie“ des Neomarxismus. Es gehe dabei um den Gegensatz „linke Utopie“ vs. „rechte Realität“, so Gärtner.89 Allerdings betrachtet der Verfassungsschutz diese nur noch vereinzelten Pu- blizisten, die sich als geistige Wegbereiter einer ganzheitlichen Rechten verstünden, mitt- lerweile als bedeutungslos.90

Die gesellschafts- und wirtschaftspolitischen, sowie die politikpraktischen Ansätze der NR divergieren. Größtenteils herrschen autoritäre Staatsvorstellungen vor, vereinzelt gibt es neo- liberale Ansätze. Populismus wird zum Teil nicht nur als Mittel, sondern als ideologisches Konzept verstanden.91 In ihrem Anspruch, Elite, rechte „Erneuerung“ zu sein, versucht die NR tatsächlich, eine Scharnierfunktion zu erfüllen. Insofern erweist sich, wie Gessenharter feststellt, vor allem in der deutschsprachigen Ausprägung die klare Trennung zwischen Neuer Rechter und Rechtsextremismus als ebenso schwierig wie die Trennung zwischen Neuer Rechter und Rechtskonservatismus, um deren Nivellierung die NR selbst bemüht ist.92 Gärt- ner plädiert dafür, den Begriff „Neue Rechte“ in Deutschland und Österreich nicht gleichzu- setzen mit Nouvelle Droite oder New Right.93 Er sieht zwar Unterschiede zur „Alten Rechten“, fragt aber, ob diese nicht strategischer oder rein gradueller Natur seien: Das Attri- but „neu“ bedeute zwar die Distanzierung vom Hitlerismus, doch nur insofern, als dieser sich, wie das Dritte Reich, durch seine Erfolglosigkeit selbst disqualifiziert habe.94

2.2 Radikaler Rechtspopulismus und New Radical Right (NRR)

Immer wieder bekommen Politiker und Parteien aller Couleur das Prädikat „populistisch“: in den Medien, vom politischen Gegner oder sogar in der Selbstdarstellung.95 „Die Spannbreite reicht gelegentlich von Mao Tse Tung bis Franz Josef Strauß, von der mexikanischen Revo- lution bis zum Faschismus, von Fidel Castro zu Peron und Indira Gandhi“96. Betz konstatiert in diesem Zusammenhang, Populismus sei ebenso schwer zu definieren wie Rechtsextre- mismus.97 „Populismus ist zu einem politischen Schimpfwort geworden“, schreibt Pelinka. „In der politischen Alltagssprache ist Populismus immer die Forderung, immer die Darstel- lung der jeweils anderen; ist Populismus das Billige, das Populäre  durchwegs mit negati- vem Beigeschmack“98. Es gibt Untersuchungen, die davon ausgehen, (Rechts-) Populismus sei eine Agitationstechnik des Rechtsextremismus.99 Anzunehmen ist angesichts des Auftre- tens neuer Parteien jedoch, dass eine weitere Differenzierung nötig ist.100 Dubiel betont, dass bei der Vielfalt von Anwendungsbeispielen die geschichtlichen, sachlichen und geographi- schen Bezüge unvermittelt wechseln. Er fragt, ob es sich beim Populismus um eine Bewe- gung, eine Ideologie, eine Form politischen Verhaltens oder eine Mentalität handelt.101

2.2.1 Populismus - Ideologie oder Strategie?

Historische Beispiele wie die russische Volkstümlerbewegung der Narodniki102 oder die 1892 in den Vereinigten Staaten aus regionalen Farmergruppen und dem Kampf um bessere öko- nomische und soziale Lebensverhältnisse hervorgegangene People ’ s Party oder Populist Par- ty103 weisen in der Tat inhaltlich-programmatische Besonderheiten auf: Populismus als ein gegen die politischen Eliten gerichtetes Engagement für traditionelle Bindungen und Werte im kommunitaristischen Sinne.104 Die amerikanischen Populists forderten „die Wiederher- stellung des alten Ideals der ‘agrarischen Demokratie’ im Sinne Jeffersons und Jacksons“105, direkte Wahlen, Volksinitiativen und Steuererleichterungen.106 Der Verlust von Werten und althergebrachten Orientierungsmustern in der kapitalistischen Gesellschaft wurde im emotio- nal-direkten Appell an den „kleinen Mann“ oder „das Volk” thematisiert107: Als eine spezielle Form der Interaktion, der „besondere[n] Wechselbeziehung zwischen einem Akteur und sei- nem Publikum”108, die mit ihrer Verwendung von gefühlsbeladenen Metaphern in Kontrast zur Kommunikationsweise einer pragmatisch orientierten Politik steht. Ernst, der zehn „Syn- drome“ des Populismus aufführt (Tab. 2.2), spricht von einer „mystische[n], heilige[n], reli- giöse[n] Vereinigung mit der Masse, dem ‘Volk’.“109 „Populismus“ erscheint also sowohl mit bestimmten inhaltlichen Kriterien gefüllt, als auch als Kommunikationsform, die „eher mora- listisch als programmatisch“ funktioniert, „an Sentimente [appelliert] als an die Vernunft“110.

Die Neue Rechte dagegen interpretiert Populismus in seiner Wortbedeutung als „völki- sche” Politik.111 Mit der populistischen Kritik an den Fähigkeiten der politischen, administra- tiven, wirtschaftlichen und kulturellen Eliten wird Populismus in den Augen neurechter Au- toren zu einer Art Quasi-Ideologie.112 Gerade aufgrund dieser völkischen Implikationen nimmt Lövenich an, Populismus sei in erster Linie „die polit-strategische Umsetzung kon- servativer, auch neokonservativer Ideologie“, eine volkstümliche „Konstruktion von Le- benswelt“113. Populismus, das sei „der Versuch, dem Volk weiszumachen, es sei der Souve- rän, der Entscheidungen trifft“114. Anhaltspunkte für antiliberale Einstellungen im populisti- schen Diskurs115, die bisweilen mit der Anfeindung des freiheitlich-demokratischen Status Quo einhergehen, lassen einige Forscher vermuten, dass es sich bei neueren populistischen Ausprägungen tendenziell um Ausdrucksformen der extremen Rechten handelt.116 Andere

Tab. 2.2 Populismus: Ideologische und strategische Merkmale (nach Ernst 1987: 11) „ Syndrome “ des Populismus

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hingegen vermuten dahinter Strategien, derer sich „‘Linke‘ wie ‚Rechte‘, Demokraten wie Extremisten, Politiker wie soziale Bewegungen”117 bedienen.

Pfahl-Traughber sieht überdies zwei Stoßrichtungen populistischer Politik: (1) Populis- mus von unten; er lasse sich vor allem bei sozialen und sozial-revolutionären Bewegungen beobachten. (2) Populismus von oben; er werde von einem politischen Akteur gelenkt.118 Vor allem ersterer wurde von Stewart mit dem „populistischen Moment” erklärt119, einer „historische[n] Konstellation, in der infolge eines abrupten technologischen und ökologischen Modernisierungsschubs die jeweils etablierte Balance von wirtschaftlichen Notwendigkeiten, sozialstrukturellen Machtverteilungen und kulturellen Bewußtseinsformen in Bewegung gerät und ganze Bevölkerungsteile in dieser erdbebenartig sich entladenden Strukturspannung gesellschaftlich obdachlos werden.“120

Im Populismus von oben hingegen wähnt Jaschke die Profitnahme bestimmter Kräfte an der „politischen Entfremdung zwischen der Bevölkerung und den politischen Parteien und Institutionen”121. Die dabei beobachtete „Anlehnung an den ‘Stammtisch‘-Diskurs”122 erkläre die im deutschen Sprachraum überwiegend negative Konnotation von „Populismus”, die den „traumatischen Erfahrungen eines Landes [entspricht], dessen ohnehin verspätete Demokratie an einer Massenbewegung zugrunde gegangen ist, die deutlich populistische Züge trug“123. Selbst kritische Autoren betonen aber, dass Populismus trotz  oder gerade wegen  seiner Bevorzugung direktdemokratischer und plebiszitärer Entscheidungsinstrumentarien keine Ablehnung der parlamentarischen Demokratie beinhalten muss.124

Zentral für den Populismus von oben sind charismatische, oft autoritäre Führungsper- sönlichkeiten. Sie vermitteln, sie hätten die Ursache für die gesellschaftlich-politischen Pro- bleme erkannt. Sie zeigen die Konfliktlinien „volkstümlich, plakativ, angriffig, ressentiment- geladen bis zur kalkulierten politischen Tabuverletzung“125 auf, bieten nachvollziehbare, in ihrer Komplexität reduzierte Lösungen mit Hilfe der Dichotomisierung von Politik.126 Auch repräsentieren populistische Parteien durch die Ausnützung solcher Führungspotenziale eine Organisationsstruktur, die von ihren Anhängern als attraktiver empfunden wird als die „bu- reaucratized structure of the traditional ‘catch-all’ parties and the loose organizational struc- ture of the more recent ‘framework parties’ (e.g. Green and left-libertarian parties)“127.

2.2.2 Der Aufstieg radikal rechtspopulistischer Parteien und der Neoliberalismus

Mit dem Begriff des radikalen Rechtspopulismus (Radical Right-wing Populism) etablierte Betz Anfang der 90er Jahre einen neuen Terminus, der der Beschreibung der aufstrebenden neuen Parteien und Bewegungen in Westeuropa per Definition gerecht werden sollte:

„Generally, the majority of radical right-wing populist parties are radical in their rejection of the established socio-cultural and socio-political system and their advocacy of individual achievement, a free market, and a drastic reduction of the role of the state without, however, openly questioning the legitimacy of the democracy in general. They are right-wing first in their rejection of individual and social equality and of political projects that seek to achieve it; second in their opposition to the social integration of marginalized groups; and third in their appeal to xenophobia, if not overt racism and anti-Semitism. They are populist in their unscrupulous use and instrumentalization of diffuse public sentiments of anxiety and disentchantment and their appeal to the common man and his allegedly superior common sense.“128

Betz hatte Anzeichen für eine Krise der Parteiensysteme in den Staaten Westeuropas seit den 80er Jahren diagnostiziert. Er führte sie auf einen „tiefgreifenden sozialen und kulturellen Wandlungsprozess von der industriegesellschaftlichen Moderne hin zur ‘postindustriellen Moderne’“ zurück.129 Diesen Überlegungen zufolge trugen mehrere Faktoren zur Auflösung der tradierten Wähler-Partei-Bindungen und zur Erosion der Parteiensysteme, dem Deali- gnment oder Partisan Dealignment, bei: Der Übergang von der Industrie- zur Informations- und Dienstleistungsgesellschaft; globale wirtschaftliche Veränderungen, die die nationalen Akteure zunehmend machtloser erscheinen ließen130 ; der soziale Aufstieg und die bessere Schulbildung bestimmter Bevölkerungsgruppen (Political Sophistication131 ); das mit diesen Phänomenen einhergehende, schwindende Vertrauen der Bevölkerung in die Problemlö- sungskompetenz der politischen Eliten, ein zunehmendes, Issue -orientiertes Wahlverhalten, aber auch eine steigende Gleichgültigkeit gegenüber der Politik.132 Während die Volkspartei- en - in vielen europäischen Ländern vor allem die sozialdemokratischen Parteien (Österreich, Deutschland, Großbritannien133 ) - Verluste erfuhren, stiegen vielerorts neue oder erneuerte Parteien und Bewegungen auf, die die Unzufriedenheit in der Bevölkerung aggregierten und in radikalem Systemprotest artikulierten.134 Waren das auf der Linken die neuen sozialen Be- wegungen und grün-alternativen Parteien, so konnten auf der Rechten populistische und rechtsgerichtete Parteien wie die FPÖ von der neuen Mobilität der Wähler und ihrer neuen Anfälligkeit für Kurzzeiteinflüsse, wahlentscheidende Themen, Attraktivität der Spitzenkan- didaten und moderner Polit-PR profitieren.135 Wasser auf die Mühlen dieser Gruppen waren stets politische Skandale136, dank derer Führungspersönlichkeiten wie Jörg Haider über ihre Attacken gegen den als korrupt angeprangerten Staat und die „Altparteien“ in einer Art Ro- bin-Hood-Attitüde Kompetenzvermutungen für bestimmte Policy -Felder aufbauen und popu- listische Politik als Realpolitik im Interesse des Volkssouveräns verkaufen konnten.137

Ein wichtiger Gesichtspunkt in der Erfolgsstrategie radikal rechtspopulistischer Parteien bestand Betz zufolge darin, die Anpassungsbestrebungen der vom sozialen Abstieg bedrohten Bevölkerungsteile (Stichwort Modernisierungsverlierer) an die sozio-ökonomischen Umwäl- zungen zu kanalisieren und von den wahren Gründen für solche Veränderungen  von den viel schwieriger beeinflussbaren Entwicklungen der globalen Märkte etwa , auf fassbare Be- drohungssituationen (vor allem durch Einwanderer, aber auch durch Gewerkschaften, staatli- che Bürokratie, etablierte Parteiapparate) abzulenken.138 Hinzu kommt der Aspekt des vor al- lem von Kitschelt diskutierten Welfare Chauvinism, in dem „das Volk“ dazu aufgerufen wird, den eigenen, als bedroht empfundenen sozialen und wirtschaftlichen Status und das wohl- fahrtsstaatliche System gegen „Schmarotzer“ und „Eindringlinge“ zu verteidigen:

„The racist-authoritarian strategy may explicitly move to the defense of income redistribution and of the 'little people' in the street against the large corporations and trusts. At the same time, in- come redistribution and protection from the risks of labor markets can be woven into the racist- authoritarian message by appealing to 'welfare chauvinism'. The welfare state is presented as a system of social protection for those who belong to the ethnically defined community and who have contributed to it. Immigrants are depicted as freeloaders who do not contribute to the system but claim its benefits .139

Wirtschaftspolitisch propagieren radikal rechtspopulistische Parteien Betz zufolge eine „modifizierte Form des klassischen Liberalismus, der die Forderung nach sozialer Sicherung einschließt“140. Dazu gehört der Ruf nach radikalen Steuererleichterungen (beim Beispiel FPÖ etwa die „ Flat Tax “ - vgl. Kap. 4.3.1) ebenso wie das Einklagen von mehr Eigenverantwortung und Dezentralisierung. Betz fasst zusammen:

„In short, the majority of radical right-wing populist parties tend to blend a classical liberal posi- tion on the individual and the economy with some elements of the socio-political agenda of the extreme and the intellectual New Right (and here especially the French nouvelle droite) and de- liver it in a concentrated and simplified form to those voters who are disenchanted with their in- dividual life chances, with the direction of social developments, and the political system in gene- ral.“141

Schui et al. führen diese Überlegungen weiter: Sie gehen davon aus, dass beides, Wirtschafts- programm und Teile des Gesellschaftsprogramms moderner Rechtsparteien, klassisch neoli- beralen Positionen im Sinne Friedrich August von Hayeks folgen. Beides, Neoliberalismus und Rechtsextremismus vertrügen sich demnach sehr gut miteinander:

„Die Legitimierung des Starken, Durchsetzungsfähigen und Erfolgreichen, die Auslese und der starke Staat sind geeignet, dieselben Gemüter zu begeistern, die sich aus ähnlichen Gründen zum Faschismus hingezogen fühlten. In beiden Fällen, also auch in der reinen, neoliberalen Tausch- und Machtgesellschaft, gilt der Kampf ums Überleben und das Heldentum, aber der Held der rei- nen Tauschgesellschaft ist nicht pathetisch. Dieser Held ist der rechenhafte, berechnende und strebsame Kleinbürger.“142

Schui et al. stimmen darin mit Thesen der radikalen Linken überein, Neoliberalismus sei nicht viel mehr als ein integrativer Teil globaler rechter Propagandaarbeit, der von wissenschaftlich-industriellen Think Tanks und durch die Politik Reagans und Thatchers mittlerweile international hoffähig gemacht worden sei (vgl. Kap. 5.1.1).143

Angesichts der Annahme, die Liberalisierung der Märkte könnte eine Bedrohung für den sozialen Status bestimmter Bevölkerungsschichten bedeuten, wirkt das neoliberale Programm einiger neuer populistischer Parteien zunächst paradox. Erklärbar wird es mit den Zielgrup- pen dieser Parteien: „Zentral für das neo-liberale Programm des radikalen Rechtspopulismus ist dabei die Figur des Kleinunternehmers“144, des potenziellen Modernisierungsgewinners. Er steht in Opposition zum krisenhaften, zentralistisch und sozialdemokratisch geprägten Wohlfahrtsstaat, der ein System repräsentiert, das ihn steuerlich ausplündert und mit Abga- ben und Überreglementierungen in seinen Freiheiten und Vorstellungen einschränkt. Diese auf Eigeninitiative und Produktivität abzielenden Vorstellungen versprächen im klassischen Arbeiter-, Bauern- und kleinbürgerlichen Milieu deshalb erfolgreich zu sein, „because the po- pular classes rely most directly on a traditional work ethic“145. „Nach Darstellung der Rechts- populisten und der Ultraliberalen soll das freie Spiel der Marktkräfte die kreativen Energien befreien, die Eigeninitiative fördern und somit den sozialen Aufstieg begünstigen“146, schreibt Camus. Soziale Gerechtigkeit sei in dieser Logik angesichts der Zwänge der Globali- sierung nicht mehr durch Interventionspolitik, sondern nur noch durch die Gerechtigkeit der Märkte erreichbar.147

2.2.3 New Radical Right, neuer Populismus und Wohlfahrtschauvinismus

Das Verhältnis von antistaatlicher Protestpolitik, liberaler und neoliberaler Wirtschaftspolitik, begrenztem wohlfahrtsstaatlichem Dirigismus und autoritär-rassistischer Politik in den einzelnen Ausformungen neuer rechter Parteien der 80er und 90er Jahre entschlüsselte Kitschelt, indem er sie danach unterschied, welche dieser Anliegen sie betonten:

(R) der Ausgangstyp, die „idealtypische“ neue rechtsradikale Partei (New Radical Right - NRR) vertritt demnach die von Betz konstatierte Mischung aus rassistisch-autoritären und marktliberalen Positionen etwa zu gleichen Teilen. Sie setzt sich für die Reduktion von Wohlfahrtsstaat und Bürokratieapparat ebenso wie für radikal nationalistische Ziele ein.148 Wirtschaftspolitisch vertritt sie also die Positionen klassisch-liberaler Parteien, gesell- schaftspolitisch nähert sie sich rechtsextremistisch-rechtsradikalen Einstellungen. Kitschelt nannte als Beispiel die französische Front National149 vor ihrer „sozialen Wende“ von 1995, nach der sie auf Distanz zum Marktliberalismus ging und seitdem national-soziale Positionen besetzte.150 Gegen Ende der 90er Jahre vertraten die Republikaner unter Rolf Schlierer zu- nehmend ein Wirtschaftsprogramm, das sie auch der NRR zurechenbar machte.151

(P) Parteien mit anti-etatistisch-populistischem Schwerpunkt (Populist Antistatist Ap- peals) konzentrieren sich auf die Opposition zum politischen Establishment, betonen aber ihre Kritik an libertären Themen wie multikulturelle Gesellschaft, Umweltpolitik, Geschlech- tergleichstellung und direkte Demokratie wesentlich weniger akzentuiert als die NRR. Die typische Umgebung für die Entwicklung solcher Parteien sind Demokratien mit einem großen öffentlichen Sektor, in denen ein Proporzsystem die etablierten Parteien so weit ein- bindet, dass die Konservativen eine freie Marktpolitik nicht in angemessener Weise vertreten können. Kitschelt nannte 1995 als klassisches Beispiel Österreich und die FPÖ.152

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 2.2 Der Wettbewerbsraum politischer Parteien (vereinfacht) (Quelle: Kitschelt 1995: 15) F = faschistisch, L = liberal, MK = moderat konservativ, P = rechtspopulistisch, R = rechtsradikal, W = wohlfahrtschauvinistisch

(W) Parteien mit wohlfahrtschauvinistischem Schwerpunkt (Welfare Chauvinist Appeals) konzentrieren sich auf die Mobilisierung von Ressentiments gegen „Eindringlinge“, die sie vom wohlfahrtsstaatlich organisierten System ausschließen wollen. Zu marktwirtschaftlichen Positionen treten verstärkt dirigistische Wirtschaftsvorstellungen, die dem Schutz der „Kleinen“ im nationalen und vor allem globalen Wettbewerb dienen sollen.153 Mit der Betonung nationalistischer Symbolik und bestimmter Geschichtsbilder entsprechen sie gesellschaftspolitisch am deutlichsten den rechtsextremistisch-rechtsradikalen Parteien im klassischen Verständnis (Kap. 2.1.1).154 Als Beispiel führte Kitschelt noch die REP an.155 Auch die spätere Front National ließe sich bei Position W eintragen.

Um die Unterschiede der genannten Positionen weiter zu verdeutlichen, stellt Kitschelt das Agieren der Parteien auf dem politischen Markt anhand grundlegender Konfliktlinien dar (Abb. 2.2): Auf der senkrechten Achse stehen sich libertäre und autoritäre Positionen gegen- über, während die waagerechte Achse den Gegensatz zwischen sozialistischer und kapitalis- tisch-marktliberaler Allokation knapper Güter darstellt. Auf der einen Seite stehen also die li- beralen Vertreter des freien Marktes mit Niedrigsteuerpolitik und der Betonung der Eigenver- antwortung in allen Fragen der Vorsorge. Auf auf der anderen Seite findet man die Vertreter einer egalitären Umverteilungspolitik, die sich in der Forderung nach progressiver Einkom- mensbesteuerung Besserverdienender oder der Vergesellschaftung der Produktionsgüter aus- drückt.156 Gemäßigte Positionen nehmen die Sozialdemokraten (SD) und die Moderat-Kon- servativen (MK), die christdemokratischen Parteien, ein. „Klassisch“ historisch-faschistische und rechtsextreme Parteien wie die NPD/NDP (F) wären z.T. im Bereich autoritärer Gesell- schaftspolitik und sozialistisch orientierter Wirtschaftspolitik anzusiedeln. Liberale Parteien (L) stehen in dem Feld zwischen marktorientierter Wirtschaftspolitik und libertärer Gesell- schaftspolitik. Die rechtspopulistischen Parteien (P) wie die FPÖ erweisen sich als äußerst beweglich: „[...] the populist strategy is symbolized by position P, but this is only one possibilty among a range of positions that go from P up toward a procapitalistic and actually more neutral, if not slightly libertarian appeal.“157

Im Rahmen des Koordinatensystems von Kitschelt ist es einer weiten Bandbreite von Partei- en möglich, marktwirtschaftlich-populistische und rechtspopulistische Positionen einzuneh- men. Wenn etwa eine liberale Partei auf der Achse libertär vs. autoritär eine neutrale oder leicht autoritäre Position einnähme, sei die programmatische Umwandlung in eine rechtspo- pulistische Partei mit „vergleichsweise geringen Friktionen”158 zu bewältigen, behaupten Klein und Arzheimer. Dies eröffnet die Frage, inwieweit der umgekehrte Weg möglich ist.

2.3 Diskussion und Schlussfolgerungen

Die Begriffsvielfalt und „fehlende Trennschärfe der diffizilen Grauzone von der sogenannten 'demokratischen Rechten' über Rechtspopulismus und Rechtsradikalismus zu Rechtsextre- mismus“159 macht die Einordnung der Kräfte rechts des etablierten Konservatismus proble- matisch. Besonders die inhaltliche Trennung von Rechtsextremismus und Rechtsradikalismus ist angesichts des Sprachgebrauchs in Medien und Öffentlichkeit kaum noch durchzuhalten. Vorherrschend ist die Ansicht, Rechtsextremismus definiere sich über sein wenigstens latent positives Verhältnis zur Gewaltanwendung und seine völlige Ablehnung der Verfassung des demokratischen Rechtsstaats und ihrer elementaren Spielregeln; Rechtsradikale seien unter Umständen bereit, sich diesen Spielregeln zu fügen. Doch die Trennung kann trügerisch sein.

Um dieses Dilemma im Zuge neuer parteilicher Entwicklungen in den 80er und 90er Jah- ren aufzulösen, wurden die Begriffe „radikaler Rechtspopulismus“, „ New Radical Right “ und „ Welfare Chauvinism “ ins Feld geführt. Die FPÖ wurde als Beispiel des radikalen Rechtspo- pulismus gesehen. Dies soll in den folgenden Kapiteln deskriptiv-analytisch überprüft wer- den. In Anlehnung an Kitschelt lässt sich aber jetzt schon vermuten, dass hier eine gewisse Mobilität möglich ist: Eine Partei wie die FPÖ könnte demnach entweder (noch) stärker zu antilibertären Positionen tendieren, sich aber auch in eine eher liberale Richtung entwickeln, ohne dabei einen allzu radikalen Umbruch vollziehen zu müssen.

Zentral für die Beobachtung der FPÖ sind Faktoren der Parteientheorie: Der Erfolg radi- kal rechtspopulistischer Parteien wurde auf Erosionserscheinungen in den Parteiensystemen der 80er Jahre zurückgeführt. Unzufriedenheit und Protest sind wichtige Aspekte, die in der Phase nachlassender Parteibindungen zum Erfolg neuer Bewegungen geführt haben. Der Po- pulismus greift diese Unzufriedenheit auf und appelliert an eine Art „völkisches“ Gemein- schaftsgefühl des „kleinen Mannes“. Dieser „Populismus von oben“ aggregiert nicht zuletzt - neben den Interessen von Modernisierungsverlierern und Modernisierungsgewinnern - Emo- tionen und bündelt sie im Angriff auf das System. Vorteilhaft dafür sind Führungspersönlich- keiten, die durch die Vermittlung einfacher Zusammenhänge einen Kontrast bilden zur kon- sensorientierten Politik des Interessensausgleichs. Eine radikal rechtspopulistische Partei agiert demnach in einem Umfeld aus fundamentalem Protest, radikaler Systemopposition, emotional-volkstümlichen Appell und Ressentiments.

3 Zwischen national und liberal - Die Entwicklung der FPÖ

3.1 Ursprünge der Freiheitlichen

Am 7. und 8. April 1956 fand im Hotel „Weißer Hahn“ in Wien der Gründungsparteitag der Freiheitlichen Partei Österreichs statt. Zugleich löste sich die De-Facto-Vorgängerpartei Ver- band der Unabhängigen (VdU) auf. Immer wieder aufkommende parteiinterne Streitigkeiten, die hauptsächlich auf die zunehmenden Rivalitäten zwischen den beiden politischen Polen des VdU, dem nationalen und dem liberalen Flügel, zurückgingen, hatten den 1949 von den liberalen Journalisten Herbert Kraus und Viktor Reimann initiierten Verband aufgerieben.160 Die Gründung der FPÖ wurde als Neuanfang für das so genannte „Dritte Lager“ wahrgenom- men. Mit dem Fortbestand dieses traditionell aus Deutschnationalen und Nationalliberalen bestehenden „Lagers“ schien auch nach dem Krieg ein Cleavage -Modell weiter gültig, das viele Jahrzehnte als prägend für die politische Kultur und das Parteiensystem Österreichs galt.

3.1.1 Drei-Lager-Theorie: Das historische Konfliktlinienmodell

„Das freiheitliche Lager hat eine stolze Tradition in Bezug auf Werden und Entwicklung von De- mokratie und Freiheit in unserem Staat. [...] Auch wenn der Freiheitsgedanke, auf den sich li- berale Gruppierungen in Europa gegenwärtig berufen, im Zuge der Aufklärung und der Franzö- sischen Revolution ausgeformt wurde, sind in unserem Kulturraum andere und ältere Ideen kon- stitutiv, so etwa der schwärmerische Freiheitsgedanke der studentisch-akademischen Gruppierungen, der bis in die Zeit der hochmittelalterlichen Universitäten zurückreicht, bis in die akademische Freiheit, wie sie an der Sorbonne, in Montpellier, Bologna, Prag, Heidelberg oder in Wien entwickelt wurde.“161

Jörg Haider sieht die Ursprünge des Dritten Lagers in der bürgerlichen, deutschnational-libe- ralen Traditionslinie der frühen akademischen Verbindungen und Burschenschaften, einer Art 1848er Generation, die bis ins Spätmittelalter zurückreiche. Haider bringt damit das wider- sprüchlich erscheinende Selbstbewusstsein der FPÖ zum Ausdruck, als jüngste österreichi- sche Nachkriegspartei die „traditionsreichste politisch-ideologische Gruppierung in unserem Lande“ zu vertreten.162 Auch wenn derartige langfristige Kontinuitäten kaum nachweisbar sind, ist es eine Tatsache, dass die Wahrnehmung der Parteien und des politischen Systems in Österreich lange Zeit geprägt war von einem historischen Konfliktlinienmodell163: der Auf- fassung, die zentralen Cleavages verliefen in drei Lagern. Erst ab Ende der 70er Jahre wurde eine Erosion dieser historischen Lager konstatiert.164 Die Formulierung der Drei-Lager-Theo- rie geht zurück auf Wandruszka, der 1954 Ursprünge und Entwicklungslinien eines christ-

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Abb. 3.1 Drei-Lager-Theorie und traditionelle Konfliktlinien der österreichischen Politik. Die Grafik zeigt, an welchen Punkten sich die Lager überschneiden (Anti-Klerikalismus, Bürgerlich-agrarischer Bereich, Österreichpatriotismus).

lichsozial-konservativen, sozialistischen und deutschnational-nationalliberalen Lagers auf die Besonderheiten der österreichischen Geschichte zurückführte.165 Demnach differenzierten sich im 19. Jahrhundert drei politische Subsysteme entlang einer religiösen, einer sozioöko- nomischen und einer nationalistisch-legitimistischen Konfliktlinie. Die religiöse Frage ent- zündete sich am Streit zwischen dem katholisch geprägten, christlich-klerikalen Weltbild und einer neu aufkommenden antiklerikalen Haltung. In der sozioökonomischen Auseinanderset- zung spiegelte sich der Konflikt zwischen den Vertretern des Bürger- wie Bauerntums und der Arbeiterschicht wider. Die nationale Frage äußerte sich von Anfang an komplexer: Im Grunde ging es darum, ob Österreich zur Deutschen Nation gehörte oder als eigenständiges Staatsgebilde legitimiert wurde. Da jedoch in allen politischen und gesellschaftlichen Grup- pen Anhänger einer großdeutschen bzw. großösterreichischen Lösung vertreten waren, be- stand der Konflikt vorwiegend zwischen den Kräften, für die der Deutschnationalismus kon- stituierend war, und jenen, die die deutsche Frage einer legitimistischen Haltung unterord- neten.166 Um diese drei Cleavages entwickelten sich drei Subsysteme, deren Zentren oft im krassen Widerspruch zueinander standen - die Feindseligkeit zwischen Sozialisten und Christlich-Konservativen artete in der Ersten Republik im Bürgerkrieg und dem Ende der ös- terreichischen Demokratie aus -, deren Außenpositionen sich aber durchaus überschnitten (Abb. 3.1).167

3.1.2 Deutschnationalismus als Einigungsfaktor des Dritten Lagers

Die institutionellen Ursprünge des ältesten dieser drei Lager sieht Wandruszka in der Revolu- tion von 1848.168 Die Attribute „national-liberal“169, „deutschnational-liberal“170 oder einfach „national“171 beschreiben das Konglomerat aus Vorstellungen, aus dem es bestand: Im Dritten Lager trafen vorwiegend bürgerliche Deutschnationale, Nationalliberale und Liberale aufein- ander. Ihre gemeinsame Grundlage bildete die antiklerikale Haltung der josephinisch gepräg- ten Liberalen Österreichs, die seit Anfang des 19. Jahrhunderts immer stärkere antiös- terreichische und antihabsburgische Züge angenommen hatte und schließlich im protestanti- schen Deutschland ihr Idealbild fand.172 Erst der ausgeprägte Deutschnationalismus, der auf dem „Glaube[n] und [der] Vorstellung [basierte], dass die deutschsprachigen Gebiete der ös- terreichischen Monarchie geistig und kulturell zu Deutschland gehörten“173, machte den Eini- gungsfaktor des Dritten Lagers aus.174 Neben sektiererisch-radikalnationalen Gruppen zog es auch stark antisozialistische und antisemitische Ideenträger an. Das deutschnational-liberale Lager war dabei, neben der Parteienebene, von Anfang geprägt durch studentische Verbin- dungen, Turn- und Landwehrvereine. Diese ideologische und organisatorische Heterogenität führte immer wieder zu starken Reibungen zwischen Gemäßigten und Radikalen. Sie förderte die Bildung von Splittergruppen.175 In den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts verlegte sich der ideologische Schwerpunkt im Dritten Lager noch weiter von einem nationalen Liberalismus auf einen Nationalismus mit marginal liberalen Elementen.176 Da zudem alle drei Lager libe- rale Strömungen integrierten, konnte sich ein eigenständiges, nuanciertes liberales Subsystem in Österreich nicht entwickeln.177 So arbeitete der „Einiger[-] und erste große[-] Führer“178 der Sozialisten, Viktor Adler, noch 1882 zusammen mit dem Freiherrn Georg von Schönerer, einer Gallionsfigur der Nationalliberalen und Deutschnationalen, am „Linzer Programm“179, das das Aufgehen von Teilen des Liberalismus im Deutschnationalismus besiegelte.180

3.1.3 Das Dritte Lager und der Nationalsozialismus

Seit ihrer Gründung lastete auf der FPÖ der Vorwurf, Erbin der NSDAP zu sein181: „The FPÖ had never been a normal third party like the German Liberals (FDP) or other small parties in West European Countries. As the successor of the VDU [...], the FPÖ was at least indirectly also the successor of the Austrian NSDAP.“182

Nach dem Zusammenbruch der Habsburgermonarchie und infolge einer massiven nationalen Unsicherheit nahmen nach 1918 alle österreichischen Parteien die Anschlussforderung in ihre Programme auf.183 Während sie aber für Christlichsoziale und Sozialisten nicht höchste Priorität besaß184, machten vor allem die 1920 gegründete Großdeutsche Volkspartei (GdVP) als erste große Vertreterin des Dritten Lagers und der zwei Jahre später ins Leben gerufene Landbund die Umsetzung der Anschlussprogrammatik zum Primat ihrer Politik. Beide führten neben den deutschnationalen Positionen auch die antisemitischen und antiklerikalen Vorstellungen der Nationalen fort. Ideologische Übereinstimmungen mit den Nationalsozialisten, aber auch die Angst um den eigenen Fortbestand angesichts erdrutschartiger Wahlsiege der österreichischen NSDAP, ließ die GdVP bereits am 15. Mai 1933 ein „Kampfbündnis“ mit der Ablegerpartei der deutschen NSDAP eingehen.185

Freiheitliche Geschichtsschreibung sieht die „NS-Phase“ als integralen Bestandteil der ei- genen Chronologie: „Das deutschnationale Element ist in der Kärntner FPÖ seit jeher beson- ders stark vertreten. Nirgendwo verläuft die Kontinuität des ‘Dritten Lagers’ von der Ersten Republik über die Zeit der nationalsozialistischen Illegalität und den ‘Anschluß’ bis zur Zweiten Republik so bruchlos wie hier“186, heißt es in der Rechtsaußen-Zeitschrift „Aula“. Der heutige Kärntner Kulturreferent Haiders, Andreas Mölzer, schreibt, es sei unbestreitbar, „daß das im Kern bis 1933 zutiefst republikanisch und demokratisch gesinnte nationale Lager Österreichs sich danach im Zeichen des Nationalsozialismus sammelte, um den Anschluß zu verwirklichen“187. Haider, der im Landbund und der GdVP die politischen Vorgänger der FPÖ sieht, merkt an:

„Der totalitäre Irrweg, dem Österreichs Drittes Lager, wie auch alle anderen politischen Lager in der ersten Republik, in der Folge beschritten hat, soll und darf nicht beschönigt werden. [...] Das christlich-konservative Lager bereitete dem autoritären Staat den Weg, und ein großer Teil des national-liberalen Lagers wandte sich dem Nationalsozialismus zu.“188

3.1.4 Rekonstituierung und Isolierung des Dritten Lagers: Der VdU

Nach dem Zweiten Weltkrieg zeigte sich, dass die Konfliktlinien der Vorkriegszeit vorerst er- halten blieben. Während in den beiden Subsystemen des sozialistischen und des christlich- konservativen Lagers alte Bindungen größtenteils fortbestanden, verschärfte sich die Kon- fliktlinie Deutschnationalismus vs. Österreichpatriotismus noch189: ÖVP und SPÖ hatten die deutsche Frage aus ihrer Programmatik gestrichen, für VdU/FPÖ blieb die durch den NS- Staat diskreditierte „deutsche Volks- und Kulturgemeinschaft“ konstituierend (vgl. Kap.

3.2.1). Die Eliten des bürgerlichen und des sozialistischen Lagers zogen ihre Lehren aus der Vergangenheit

vgl. Abb. 3.2):

„Bürgerkrieg, Ständestaat und illegaler Nationalsozialismus hatten so viel Misstrauen zwischen den politischen Lagern - hier vor allem zwischen dem dominanten bürgerlichen und dem sozialdemokratischen Lager - hinterlassen, dass Sicherungssysteme eingebaut werden mussten. Das erste Sicherungssystem war die Große Koalition der beiden dominanten Lager, wobei die gegenseitige kompetenzmäßige Verknüpfung im Ministerrat die vollkommene Information der jeweils anderen politischen Seite bedeutete.“190

Die Folge war die weitgehende Isolierung jener Kräfte, die als Vertreter des Dritten Lagers galten. Um dieser Aussperrung aus dem politischen Prozess vorzubeugen, und sicherlich auch, weil seine liberalen Gründer glaubten, eine neue, bürgerliche dritte Kraft etablieren zu können, war der 1949 gegründete VdU als nationale und liberale Partei konzipiert.191 Die Parteigründer sahen in der Adressierung an die so genannten „Ehemaligen“ - politisch unzu-

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3.2 Die „Lagerbeziehungen“ in Österreich nach 1945

(Quelle: Nick/Pelinka 1993: 68)

[...]


1 Riess-Passer, zit. nach Die Presse, 28.3.2001 (o.S.)

2 Vgl. etwa Urschitz 2001 (o.S.)

3 La Repubblica/Neue Zürcher Zeitung, zit. nach: Winter 1999: 1300

4 Czernin 1997: 26

5 Vgl. Urschitz 2001 (o.S.)

6 Lackner 2001 (o.S.)

7 Mappes-Niediek 2000

8 Fleischhacker 2001b (o.S.)

9 Zum Links-Rechts-Schema siehe von Beyme 1984: 312ff.

10 Vgl. etwa Schui et al. 1997: 19

11 Schmidt 1995: 200

12 Vgl. Plasser/Ulram 1982: 68

13 Plasser/Ulram 1982: 68

14 Die österreichische Politikwissenschaft unterscheidet zwischen Klein-, Mittel- und Großpartei je nach Wähler- und Mitgliederstärke.

15 Vgl. auch von Beyme 1984: 390

16 Z.B. Richtlinien Freiheitlicher Politik, Art. 1, zit. nach Reiter 1982: 257; vgl. Haider 1997: 12ff.

17 Z.B. Haider 1993: 126

18 Kitschelt 1995: viii

19 Vgl. Internet-Präsenz der REP: www.republikaner.de (9.4.2001); Programm: Die Republikaner 1993

20 Zu den Begriffen vgl. von Beyme 1984

21 Von Beyme 1997: 361; von Beyme 1984: 25

22 Vgl. von Beyme 1997: 361; von Beyme 1984: 320ff.

23 Gesprächsrunde zum ARTE Themenabend: „Österreich - Zurück aus dem Abseits“, ARTE, 26.10.2000, 22.35 Uhr (www.arte-tv.com/societe/autriche/dtext/01.htm [12.3.2001])

24 Wandruszka 1954: 291

25 Haider 1997: 35ff.

26 Vgl. Haider 1993: 28

27 Haider, zit. nach Scharsach 1992: 35

28 Freiheitliche Akademie 2000b: 2

29 Vgl. Haider-Interview in „Die Zeit“: Haider 2000 (o.S.)

30 Vgl. Bailer-Galanda/Neugebauer 1997: 50

31 Vgl. Riedlsperger 1999 (o.S.); Riedlsperger (o.J.): Jörg Haider and the SS (o.S.); Czernin 1997: 28

32 Kräh 1996: 23

33 Androsch 2000: 81. Vgl. dazu die Antrittsrede der FPÖ-Vorsitzenden Susanne Riess-Passer: „In Österreich gibt es keine brennenden Asylantenheime, keine pogromartigen Hetzjagden auf Ausländer, keine marodierenden Neonazibanden, welche die Bürger bedrohen.“ Freiheitliche Akademie 2000d: 8

34 Martin 2000: 13; Stirnemann 1992: 163

35 Vgl. Heinrich 2000: 331

36 Vgl. von Beyme 1998: 519ff.

37 Vgl. Lenk 1993: 993

38 Vgl. Bailer/Neugebauer/Schiedel 2000: 105

39 Vgl. Lenk 1993: 993

40 Vgl. zur „Links-Rechts-Skala“ die Ausführungen bei von Beyme 1984: 312ff.

41 Vgl. Backes/Jesse 1993: 29

42 Pfahl-Traughber 1994: 13

43 Pfahl-Traughber 1993: 14

44 Gessenharter 1998: 27

45 Holzer 1981: 13

46 Die generelle Verwendung des originär ideologischen Terminus „Faschismus” unterstellt überdies einen

kausalen Zusammenhang von Kapitalismus und Rechtsextremismus, der unzulässig ist. Auch unter dem

antifaschistisch ausgerichteten „real existierenden Sozialismus” der DDR entstand eine aktive, rechtsextreme Subkultur. Vgl. Pfahl-Traughber 1993: 28; Pragal 2000 (o.S.)

47 Vgl. Verbots-G 1947, BGBl. 148/1992. 1988 wurde die Nationaldemokratische Partei (NDP) in Österreich im Sinne dieses Gesetzes wegen nazistischer Wiederbetätigung verboten. Vgl. Bailer- Galanda/Lasek/Neugebauer 1991: 290

48 Obszerninks 1999: 32

49 Klein/Arzheimer (o.J.): 2

50 Benz 1984: 11

51 Vgl. Backes/Jesse 1993: 37

52 Vgl. Backes/Jesse 1993: 38

53 Backes/Jesse 1993: 37. Nach 1974 schlossen sich die Innenministerien in Bund und Ländern und die nachgeordneten Dienststellen dieser Terminologie an. Vgl. Jaschke 1994: 25

54 Backes/Jesse 1993: 39

55 Gessenharter 1998b: 33

56 Benz 1984: 13

57 Gessenharter 1998b: 31

58 Hundseder 1993: 11

59 Backes/Jesse 1993: 40

60 BVerfGE 2, 1: 12ff.; siehe auch: Jaschke 1994: 25ff.

61 Vgl. Riedlsperger 1995 (o.S.)

62 Holzer 1981: 22

63 Holzer 1981: 22

64 Vgl. von Beyme 1995: 104

65 Benz 1984: 12

66 Pfahl-Traughber 1993: 15

67 Von Beyme 1995: 103ff.

68 Vgl. Pfahl-Traughber 1993: 12, 18; Backes/Jesse 1990: 331

69 Jaschke 1994: 28

70 Betz 1998: 3

71 Holzer 1981: 23

72 Holzer 1981: 23

73 „Volksgemeinschaft” war ein zentraler Begriff der NS-Propaganda, Hitler bezog sich in vielen seiner Reden immer wieder auf die „schicksalhaft verbundene Volksgemeinschaft“ (vgl. Kammer/Bartsch 1992: 222ff.). „Die gesellschaftliche Position, so wurde versprochen, sollte nicht mehr von Bildung, Vermögen, Besitz oder Nicht-Besitz von Produktionsmitteln abgeleitet werden, sondern auf einer postulierten natürlichen Ungleichheit der Menschen beruhen” (Voß 1993: 207). Allerdings operierten auch die nationalliberalen und linksliberalen Parteien der Weimarer Republik mit den Begriffen „Volksgemeinschaft“ und „Volksgenossen“ - vgl. Kap. 3). Zur Erklärung der Begriffe „Volksgemeinschaft”, „Volksgenossen” und verwandter Elemente nationalsozialistischer Ideologie empfehlen sich die Nachschlagewerke von Kammer/Bartsch 1992 und Benz (Hrsg.) (1993): Legenden, Lügen, Vorurteile. München.

74 Vgl. zu diesem Thema Bailer-Galanda 1995b: 16ff.

75 Vgl. Holzer 1981: 23ff.; Holzer 1993: 11ff.

76 Vgl. Kräh 1996: 108

77 Vgl. etwa Holzer 1981: 23ff., Kräh 1996: 107ff., Benz 1984: 13

78 Heitmeyer et al. 1992: 13

79 Heitmeyer et al. 1992: 13

80 Heitmeyer et al. 1992: 14

81 Obszerninks 1999: 26

82 Pfahl-Traughber 1993: 18

83 Mudde 1995: 206

84 Vgl. Gärtner 1995: 253

85 Vgl. Pfahl-Traughber 1993: 28

86 Gärtner 1996: 31

87 Vgl. Gessenharter 1998: 33

88 Vgl. Jaschke 1993: 41ff.

89 Gärtner 1996: 31; vgl. Jaschke 1993: 41

90 Bundesministerium des Innern 2000: 73

91 Vgl. De Benoist 2000 (o.S.)

92 Vgl. Gessenharter 1994: 62

93 Vgl. Gärtner 1995: 257

94 Vgl. Gärtner 1996: 25

95 Vgl. Haider 1993: 54

96 Puhle 1986: 12

97 Betz 1998: 4

98 Pelinka 1987: 7

99 Vgl. Obszerninks 1999: 37

100 Vgl. v.a. Betz 1996: 368; Kitschelt 1995: 187

101 Dubiel 1986: 34

102 Vgl. Pfahl-Traughber 1994: 17

103 Vgl. Puhle 1986: 16ff.

104 Vgl. Betz 1993: 11

105 Puhle 1986: 16

106 Vgl. Puhle 1986: 17

107 Vgl. Dubiel 1986: 45

108 Pfahl-Traughber 1994: 18

109 Ernst 1987: 11

110 Von Beyme 1996: 432

111 Über den als Vordenker der französischen Neuen Rechten geltenden Alain de Benoist heißt es beim Bundesministerium des Innern 1999: 76: „Der von der Zeitung als ständiger Mitarbeiter im Impressum aufgeführte Alain de Benoist, er gilt als 'Chefideologe' der französischen 'Neuen Rechten', äußerte sich in der 'Jungen Freiheit' ablehnend über demokratische Verfassungsstaaten: er würde jederzeit ein nationalkommunistisches Regime einem westlich-liberal geprägten vorziehen.”

112 Vgl. De Benoist 2000 (o.S.); Haider 1993

113 Lövenich 1989: 22, 23. Populismus steht vielfach synonym für eine Politikform, die Ressentiments auf-

greift, sie verstärkt und zum Imperativ politischen Handelns kanalisiert. Populismus verstehe es, dem „‘Volks- willen’ immer genau die Wendung zu geben, die ihn von der möglichen Aufklärung und Emanzipation ablenkt“.

114 Lövenich 1989: 23

115 Vgl. De Benoist 2000 (o.S.)

116 Vgl. Taggart 1995: 36

117 Pfahl-Traughber 1994: 18

118 Pfahl-Traughber 1994: 20

119 Stewart 1969: 187

120 Dubiel 1986: 47

121 Jaschke 1994: 33

122 Pfahl-Traughber 1994: 19

123 Decker 2000: 238

124 Vgl. Plasser/Ulram 1992: 160; Betz 1996: 363

125 Plasser/Ulram 1992: 159

126 Vgl. Plasser/Ulram 1992: 159

127 Betz 1998: 9

128 Betz 1994: 4

129 Betz 1993: 3

130 Vgl. hierzu auch Habermas 1998: 82

131 Vgl. dazu die Zusammenfassung von Dealignment -Thesen bei Hörnle 2000: 119ff.

132 Vgl. Plasser/Ulram 1982: 68ff.; Betz 1992b: 35ff.; Kräh 1996: 17; von Beyme 1984: 373, 429ff.

133 Zu den letzten beiden vgl. Hörnle 2000

134 Vgl. Betz 1992b: 35

135 Vgl. Hörnle 2000: 118

136 Vgl. Ottomeyer 2000: 12; von Beyme 1995: 98

137 Vgl. Lövenich 1989: 23

138 Betz 1991: 14

139 Kitschelt 1995: 22

140 Betz 1992: 636

141 Betz 1994: 4

142 Schui et al. 1997: 15

143 Vgl. George 1999. Neoliberalismus wird dabei meist mit dem Namen von Hayeks und seiner Schule verbunden, der tatsächlich zum erklärten Vorbild für Teile der europäischen Rechten avancierte. Von Hayek hatte Ende der 30er Jahre in einer Gruppe mit den Ökonomen Wilhelm Röpke, Walter Eucken und Franz Böhm die „neoliberale Lehre“ begründet, um eine Renaissance wirtschaftsliberalen Denkens einzuleiten, das sich aber vom Laissez faire- und Manchester-Liberalismus des 19. Jahrhunderts hauptsächlich durch die Betonung eines starken Staates unterscheiden sollte, als dessen vornehmlichste Aufgabe die Gewährleistung des freien Wettbewerbs definiert wurde. Während der deutsche Ökonom Eucken mit seinen ordoliberalen „konstituierenden“ und „regulierenden“ Prinzipien, zu deren Hauptanliegen die Verhinderung von Monopolbildungen zählte, als einer der Begründer der sozialen Marktwirtschaft gilt, kehrte von Hayek zum Laissez faire -Standpunkt zurück, dem er zu einem neuen theoretischen Unterbau verhalf und damit die Denkrichtung begründete, die heute als Neoliberalismus verstanden wird. Der Neoliberalismus von Hayeks und seiner Schüler präsentiert sich als Theorie und universelles gesellschaftliches Konzept zum Erlangen von Freiheit, Überleben und Fortschritt. Wirtschafts- und sozialpolitische Maßnahmen des Staates werden als den selbstregulierenden Kräften von Markt und Wettbewerb unterlegen betrachtet, der Wettbewerbsfreiheit bei freiem Marktzutritt die besten ökonomischen Ergebnisse zugetraut. Eingriffe in den Wettbewerb gelten nur dann als legitim, wenn sie den Kriterien Marktkonformität, Wettbewerbssicherung und Wahrung der Freiheit der Wirtschaftssubjekte dienen. Krisenerscheinungen wie Arbeitslosigkeit oder Konjunkturschwächen werden als Folgen falscher staatlicher Aktivität (Einkommens- und Sozialpolitik) erklärt. Von Hayek entwickelte in gesellschaftspolitischen Überlegungen ausgehend von der Wirtschaftstheorie einen Begriff der Freiheit, die nur unter einer verfassungsmäßigen Ordnung bestehen kann: „Die Erkenntnis, daß niemand weiß, was für uns gut ist, ist das Argument für die individuelle Freiheit. [...] Das Argument für die Freiheit ist so aber auch ein Argument für ein System von Prinzipien und Strukturen. Freiheit ist nicht nur eine Ordnung, in der alle Regierungstätigkeit von Grundsätzen geleitet wird, sondern auch ein Ideal, das sich nicht erhalten wird, wenn es nicht selbst als beherrschendes Prinzip anerkannt wird.“ (Schui et al. 1997: 53). Zu von Hayek und Neoliberalismus: Welan 1992; Olsson/Piekenbrock 1996: 399; Schmidt 1995: 646; Grosser 1985: 25ff.

144 Betz 1992: 636

145 Betz 1998: 8

146 Camus 2000 (o.S.)

147 Camus 2000 (o.S.)

148 Kitschelt 1995: 19

149 Kitschelt 1995: 91ff.

150 Vgl. Camus 2000 (o.S.)

151 Vgl. Die Republikaner 1993

152 Kitschelt 1995: 21

153 Vgl. Plasser/Ulram 1992: 159

154 Vgl. Kitschelt 1995: 22

155 Kitschelt 1995: 221ff.

156 Vgl. Kitschelt 1995: 4ff.

157 Kitschelt 1995: 21

158 Klein/Arzheimer (o.J.): 13

159 Kräh 1996: 109

160 Vgl. u.a. Kräh 1996: 74, Enderle-Burcel 1996: 88

161 Haider 1993: 35

162 Mölzer 1990: 31. Vgl. auch Mölzer 1990b: 12ff.

163 Vgl. z.B. Bailer-Galanda/Neugebauer 1997: 11

164 Vgl. Sully 1990: 11

165 Wandruszka 1954: 292ff.

166 Vgl. Kräh 1996: 11

167 Vgl. Gerlich 1983: 6

168 Wandruszka 1954: 369

169 Vgl. etwa Riedlsperger (o.J.): FPÖ. Liberal or Nazi? (o.S.); Riedlsperger 1998b (o.S.)

170 Vgl. etwa Berchthold 1967: 69

171 Vgl. etwa Wandruszka 1954: 291

172 Vgl. Stäuber 1974: 20; Berchthold 1967: 70ff.

173 Stäuber 1974: 16. Die Überzeugung von der später im Dritten Lager und in den Programmen der FPÖ immer wieder aufgegriffenen deutschen „Volks- und Kulturgemeinschaft“ bezog sich auf dem Höhepunkt der deutschnationalen Bewegung auf die geistig-kulturellen und ethnischen Verbindungen aus der Zeit des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation, das zu Beginn des 19. Jahrhunderts endgültig zusammengebrochen war. Die zentrale Forderung der deutschnationalen Österreicher war jene nach dem Anschluss der Alpenrepublik an das Deutsche Reich - auch und gerade nach der Niederlage gegen Preußen in der Schlacht von Königgrätz (1866), die den Deutschen Bund zerrissen hatte (Vgl. Berchthold 1967: 70).

174 Wandruszka 1954: 369

175 Vgl. Luther 1991: 247. Zur Entwicklung des Dritten Lagers siehe v.a. Berchthold 1967: 69

176 Vgl. Berchthold 1967: 69. Mölzer zufolge entwickelte sich die deutschnationale Bewegung im Zuge des

177 „Sprachen- und Volkstumskampfes“ im multiethnischen Österreich um die liberalen Gruppierungen von 1848, welche seiner Meinung nach den Urkern des Dritten Lagers bildeten (Mölzer 1990: 30).

177 Vgl. Wandruszka 1954: 293ff.

178 Wandruszka 1954: 426

179 Vgl. Berchthold 1967: 75

180 Vgl. von Beyme 1984: 62

181 Vgl. Oswalt 1989: 79ff.

182 Puntscher Riekmann 1999: 84

183 Im Gesetz über den Status der ersten österreichischen Republik vom 12. November 1918 war festgeschrieben: „Deutschösterreich ist ein Bestandteil des Deutschen Reiches“ (Zit. nach Weinzierl 1965: 25).

184 Vgl. Stäuber 1974: 36

185 Vgl. Wandruszka 1979: 850

186 Aula, 9/1986, zit. nach Busch/Fasching/Pillwein 1992: 31

187 Mölzer 1990: 41

188 Haider 1993: 41

189 Vgl. Kräh 1996: 30

190 Burkert-Dottolo 2000: 23

191 Vgl. Horner 1995: 72

Ende der Leseprobe aus 161 Seiten

Details

Titel
Die Freiheitlichen - Nazistische Reinkarnation oder politische Erneuerung?
Untertitel
Die Entwicklung der FPÖ im politischen System Österreichs
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg  (Institut für Politische Wissenschaft)
Note
1
Autor
Jahr
2001
Seiten
161
Katalognummer
V19042
ISBN (eBook)
9783638232630
ISBN (Buch)
9783638715454
Dateigröße
3055 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Aufstieg, Regierungszeit und Wahrnehmung der FPÖ. Analyse der Entwicklung der Partei seit den Anfängen des "Dritten Lagers" in Österreich bis zur Regierungsbildung und dem Streit um die EU-Sanktionen. Magisterarbeit aus dem Schnittbereich von Internationaler Politik und Parteienforschung an der Universität Heidelberg. Kommentar: "Eine detaillierte Dokumentation und Analyse zur Entwicklung der FPÖ und des Rechtspopulismus."
Arbeit zitieren
M. A. Stephan Kamps (Autor:in), 2001, Die Freiheitlichen - Nazistische Reinkarnation oder politische Erneuerung?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/19042

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