Flexible Response und Mutual Assured Destruction

Gefahren einer nuklearen Vernichtung


Hausarbeit, 2011

19 Seiten, Note: 2,3


Leseprobe


1. Einleitung

Zu Beginn der Betrachtung über die Flexible Response bis hin zur Mutual Assured Destruction steht eine kurze Betrachtung der Ausgangslage, sprich der Ursachen des Ausbruches des Ost- West- Konfliktes. Die Auseinandersetzung zweier unvereinbar erscheinender Weltanschauungen mit jeweils konkurrierenden Gesellschaftssystemen, die auf universaler Anwendbarkeit beharrten, bilden den über allem stehenden Grund für die darauf folgenden Analysen. Es wird gezeigt, welchen Anteil deutsche Raketenwissenschaftler am technologischen Fortschritt im Bereich der Raketentechnik hatten und wie sich sowohl die USA als auch die UdSSR sich ihrer Kenntnisse, nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges, bemächtigten. Die Forschung in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde bildete den Grundstein für alle weiteren Raketentechnologien. Zu diesem Thema wird vor allem das Sammelband Raketenrüstung und internationale Sicherheit von 1942 bis heute von Thomas Stamm- Kuhlmann und Reinhard Wolf herausgegeben, herangezogen.

Zur Thematik der Flexible Response überleitend, steht die Bedeutung des Sputnikstarts im Mittelpunkt und wie dieser die USA in ihren außenpolitischen Überlegungen umdenken ließ. Darauf folgend werden die verschiedenen militärischen Taktiken der Flexible Response erläutert und in welchem Fall sie durch die NATO im Einsatz realisiert werden sollen. Hierbei erfährt die Dissertationsarbeit von Ludwig Weigl besondere Aufmerksamkeit, der es in seinem Werk schafft, die strategische Einsatzplanungen der NATO, Einflussfaktoren, Inhalte und Umsetzungsmaßnahmen besonders anschaulich darzubieten.

Für unsere Gesellschaft heute kaum vorstellbar, wird anschließend eine Theorie analysiert, welche den Frieden durch ein Abschreckungssystem wahren soll, indem jede Seite auf die Rationalität der anderen vertraut. Es wird aufgezeigt, dass es sich beim Übergang von der Flexible Response - Nuklearstrategie zur Mutual Assured Destruction - Theorie nicht um einen Wechsel der Nuklearstrategie im engeren Sinne handelt, sondern dass durch das Scheitern der Counterforce- Strategie, welche die Zivilbevölkerung als potentielles Ziel nuklearer Raketen ausschließen sollte, lediglich die Möglichkeit einer flexiblen Erwiderung verhindert und die MAD- Theorie für beide Seiten insofern verbindlich wurde, wollte sie einem nuklearen Holocaust entgehen. Zur Problematik des Counterforce schildert Lawrence Freedman in seinem Werk The Evolution of Nuclear Strategy, welche Gründe zum Scheitern dieses humanen Prinzips führten. Mitunter anhand eines Artikels von Robert Jervis aus der Zeitschrift Foreign Affairs wird die Fragilität der MAD- Theorie dargestellt. Hierbei wird diese Instabilität anhand möglicher strategischer Vorteile, bspw. durch ein Raketenabwehrsystem oder durch instabile Faktoren wie den Menschen und die Technik dargestellt. Zur Veranschaulichung des instabilen Faktors Mensch wird der Spielfilm von Stanley Kubrick Dr. Seltsam – oder wie ich lernte die Bombe zu lieben in die Betrachtungen mit einbezogen.

2. Ausgangslage

2.1. Ursachen des Ost-West-Konflikts bis zur Beendigung des II. Weltkrieges

Bereits im 19. Jahrhundert sah der französische Philosoph und Politiker Alexis de Tocqueville einen Konflikt der Großmächte USA und Russland voraus. Er glaubte – so schildert er es in seiner berühmten Darstellung Über die Demokratie in Amerika 1 – der wichtigste Auslöser sei der ideologische Gegensatz. De Tocqueville konnte aber nicht voraussehen, dass sich seine Befürchtung in einer Form wie der des Kaltes Krieges, bewahrheiten würde: „Das idealistisch verstandene demokratische Prinzip in den Vereinigten Staaten stehe dem monarchischen Prinzip unvereinbar gegenüber.“2 Die von James Monroe gehaltene Rede, die zwanzig Jahre später zur <<Monroe-Doktrin>> umgedeutet wurde und während des Kalten Krieges eine wichtige Rolle spielte, wurde als Leitfaden der Demokratie im Kampf gegen Despotismus angesehen. In seinen Ausführungen 1823 hatte Monroe sich einerseits gegen eine Einmischung der Heiligen Allianz auf der Seite Spaniens gegen die südamerikanischen Kolonien und gegen den Imperialismus Russlands in Alaska ausgesprochen, andererseits beinhalteten seine Ausführungen einen zweiten Aspekt, der den ideologisch-politischen Konflikt unterstrich. Monroe sicherte der griechischen Unabhängigkeitsbewegung gegen das Osmanische Reich Unterstützung zu. Ebenso erfolgte 1830 eine derartige Erklärung an die polnische Freiheitsbewegung und 1848 an die Ungarn.3 Nach der Ermordung des Zaren Alexander II. sollte der ideologische Gegensatz zwischen Russland und der USA, durch die verschärften Unterdrückungen revolutionärer Bewegungen, weiter zunehmen. Besonders intensiv wurde der Gegensatz nachdem in der russischen Oktoberrevolution 1917 die absolutistische Herrschaft durch die <<Diktatur des Proletariats>> ersetzt wurde. Der ideologische Konflikt, wie er sich durch die gesamte Zeit des Kalten Krieges zieht, war hier bereits in seinen Grundzügen vorhanden. Das zeigen auch die Vierzehn Punkte des Friedensprogramms Wilsons 1918, die nicht nur gegen die Monarchien der Mittelmächte- sondern auch gegen die Ausbreitung des Bolschewismus gerichtet waren. Da beide Weltanschauungen Anspruch auf eine weltweite Verbreitung innehatten, ist die militärische Intervention der USA, mit Hilfe französischer und japanischer Verbände in Murmansk und Wladiwostok, nicht nur als Hilfe der <<weißen>> antibolschewistischen Truppen 1918 anzusehen, sondern auch als Maßnahme zur Verhinderung der Ausbreitung des kommunistischen Gedankenguts – besonders im Hinblick auf das eigene Territorium. Nach dem Sieg der Bolschewiki und der Gründung der UdSSR 1922 entschieden sich die USA erst 1933 unter Franklin D. Roosevelt zur diplomatischen Anerkennung der Sowjetunion. Dies änderte aber nichts an den schwachen diplomatischen Beziehungen bis zum II. Weltkrieg. Zumal nach wie vor eine antikommunistische Grundstimmung in den USA herrschte, obwohl im Bildungsbürgertum eine intellektuelle Begeisterung für kommunistisches Gedankengut erkennbar war. Geschäftliche Beziehungen der beiden Länder waren bis zum Börsenkrach 1929 – danach waren sowjetische Importe verboten – nur von amerikanischen Privatpersonen vorgenommen worden. So importierten die Sowjets Maschinen für die Industrialisierung ihres Landes und die USA billige sowjetische Produkte. Wie groß die Angst vor einer Unterwanderung des American Way of Life durch den Kommunismus in den USA gewesen ist, zeigt die zeitweilig erfolgreich als kommunistisch diffamierte Politik des New Deal von Roosevelt.4

Eine erste Annährung der ungleichen Staaten fand während des II. Weltkrieges statt. Trotz des Isolationismus der USA hatte Roosevelt bereits 1939 klargestellt, dass die USA den Westmächten zur Hilfe kommen würde, sollte sich eine Niederlage abzeichnen. Für den amerikanischen Präsidenten war der Nationalsozialismus als noch gefährlicher anzusehen als der Kommunismus und so schlossen die Nationen einen militärischen Pakt, der die USA bis zum August 1945 rund 43,6 Milliarden Dollar Hilfe an die Sowjets kostete. Bis 1941 unterstützten die USA die Sowjets bereits mit 145 Millionen Dollar um die UdSSR vor dem Zusammenbruch zu bewahren.5 Diese Summen zeigen, dass die Vernichtung des Nationalsozialismus für die US- amerikanische Außenpolitik Vorrang hatte und daher die Unterstützung der UdSSR zur Bekämpfung der deutschen Diktatur nur als Zweckbündnis anzusehen ist, wobei die Unterschiede der Ideologien in den Hintergrund traten.6 Der Bruch dieses Bündnisses erfolgte 1944/45 durch die Nichteinhaltung der <<Erklärung über das befreite Europa>> Stalins, welche auf der Jalta-Konferenz verabschiedet wurde und durch den Bruch der Bestimmungen der Atlantic Charter, denen Stalin ebenfalls zugestimmt hatte. Der Bruch der alliierten Koalition war im Kontext der Zeit vorauszuahnen. So war es weniger eine überraschende Wende, sonder vielmehr eine Rückkehr zu gewohnten Traditionen.7 Auf Grund der Zusagen Stalins über das Selbstbestimmungsrecht der Völker schien die demokratische Ordnung in den befreiten Ländern nach dem Krieg für gesichert. Die von der Roten Armee geschaffen Tatsachen widersprachen allerdings diesen Hoffnungen und offenbarten eine andere Realität. In allen durch die Rote Armee befreiten Ländern wurde die kommunistische Regierungsübernahme vorbereitet, nicht zuletzt im Ostteil Deutschlands.

Der Konflikt zwischen den Nationen, der im Krieg aufgrund des Zweckbündnisses nur latent vorhanden war, brach spätestens mit den Verhandlungen über die Nachkriegsordnung8 wieder vollends aus und sollte zukünftig Formen annehmen, die bis dato unvorstellbar waren.

„Die gravierenden politisch-ideologischen Unterschiede zwischen zwei völlig unterschiedlichen Systemen, auf der einen Seite pluralistische und freiheitliche, auf der anderen kommunistische und diktatorische Staaten, wurden nun nicht mehr durch irgendeinen Konsenszwang unterdrückt.“9

2.2. Proliferation deutscher Raketentechnik in die USA und UdSSR

Das Zeitalter der atomaren Bedrohung und der damit entstandene Schock der Sowjets in Belangen technischer Rückständigkeit10, begann mit den Abwürfen der beiden Atombomben auf Hiroshima (6. August 1945) und Nagasaki (9. August 1945), was zum einen den Widerstand der Japaner endgültig brechen sollte und zum anderen eine klare Machtdemonstration gegenüber Stalin seitens der Amerikaner darstellte. Doch sollte die Atombombenabwürfe erst der Beginn eines Rüstungswettlaufes sein, dessen technische Grundlage nicht unwesentlich auf den wissenschaftlichen Bemühungen der Nationalsozialisten, vor allem Wernher von Brauns, im Bereich der Raketenforschung fußte.

Die neue Weltmacht UdSSR suchte nach den Atombombenabwürfen der Amerikaner auf Japan militärisch und waffentechnisch mit der USA aufzuschließen. In Anbetracht der fehlenden strategischen Bomberflotte der Sowjets, welche das Rückrat des atomaren Potentials seitens der USA gewesen ist – da andere Trägermittel wie Raketen noch nicht den technischen Anforderungen entsprachen Atomsprengköpfe zu transportieren – erschien die Weiterentwicklung der in der Heeresversuchsanstalt Peenemünde entworfenen V2- Rakete als ideal. Einerseits wäre die Produktion solch einer Bomberflotte durch die russische Industrie, vor allem auf Grund des fehlenden Kapitals und in Anbetracht des zeitlichen Drucks, das militärische Gleichgewicht herzustellen, kaum möglich gewesen. Andererseits ließ die geostrategische Lage und die amerikanische Präsenz in Europa und vielen asiatischen Ländern kaum eine andere Möglichkeit, als sich auf die Entwicklung leistungsfähiger Raketen zu fixieren, welche auf den kapitalistischen Feind Drohpotential ausüben konnten.11 Weitere Gründe, die erklären, warum sich die UdSSR auf ballistische Trägersysteme konzentrierte, sind anhand der allgemeinen Vorteile dieses Trägersystems zu erklären:

- Bei nicht vorhandener Dislozierung einer umfassenden Raketenabwehr des Gegners ist die Trefferwahrscheinlichkeit eines ballistischen Flugkörpers hoch, dies gilt auch bzw. vor allem für weit entfernte, im feindlichen Territorium befindliche Ziele.
- Die Waffensysteme bleiben bis zum Einsatz auf souveränem Gebiet und unterliegen somit der ständigen und zuverlässigen Kontrolle, sind aber trotzdem nur Minuten von ihrem Ziel entfernt.
- Die Kosten für Herstellung und Betrieb sind weit weniger intensiv, als die einer Bomberflotte.

[...]


1 De Tocqueville 184812.

2 Zit. nach Stöver 2003, S. 13.

3 Vgl. Stöver 2003, S. 13.

4 Vgl. Stöver 2003, S. 15.

5 Vgl. Stöver 2003, S. 16-17.

6 Vgl. Stöver 2003, S. 17.

7 Vgl. Stöver 2003, S. 18.

8 Bereits auf der Potsdamer Konferenz äußerte sich der Nachfolger Roosevelts Harry S. Truman sehr kritisch gegenüber dem sowjetischen Außenminister Molotow über das Vorgehen der UdSSR in Ostmitteleuropa und stellte die Lieferung an die Sowjets mit sofortiger Maßnahme ein. Auch auf der UNO- Gründungstagung waren kritische Äußerungen gegen Moskau gefallen.

9 Weigl 2005, S. 12.

10 Heute weiß man, dass trotz der Informierung Stalins durch Truman über den Einsatz der Atombomben, der sowjetische Diktator bereits Kenntnisse über die abgeschlossene Entwicklung einsatzfähiger Atombomben seitens der USA hatte und selbst die Entwicklung eigener Atombomben vorantrieb.

11 Steinle, in: Kuhlmann, 2004, S. 26-27.

Ende der Leseprobe aus 19 Seiten

Details

Titel
Flexible Response und Mutual Assured Destruction
Untertitel
Gefahren einer nuklearen Vernichtung
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Amerikas Außenpolitik
Note
2,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
19
Katalognummer
V189471
ISBN (eBook)
9783656135333
ISBN (Buch)
9783656135463
Dateigröße
553 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Amerika, Außenpolitik, Kennedy, Wilson, MAD, Doktrin, Carter, Reagan, Chrustschow, Raketen, Raketentechnik, Peenemünde, Wernher von Braun, Vertrag, Abrüstung, Abschreckung, Gleichgewicht
Arbeit zitieren
1. Staatsexamen Mathis Much (Autor:in), 2011, Flexible Response und Mutual Assured Destruction , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189471

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