Einhards "Vita Karoli magni" - Einhards Personendarstellung von Karl dem Großen


Hausarbeit, 2010

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


l. Einleitung

Diese Arbeit ist der Vita Karoli gewidmet, die neben anderen karolingischen Quellen, wie den Königs- und Kaiserurkunden, den Reichsgesetzen, den von Karl dokumentierten Volksrechten, den Reichsannalen, den zeitgenössischen Briefen usw. den Grundstein für eine historische Annäherung an ein glaubwürdiges Geschichtsbild des pater europae gewährleisten. In dem nunmehr über l200 Jahren gewachsenen Geschichtsbild Karls des Großen, dafür haben sowohl die zeitgenössischen Quellen als auch aktuelle politische, literarische und kultische Formen des Nachlebens Karls gesorgt, überwiegen die Anerkennung und die Bewunderung dieser herausragenden historischen Persönlichkeit. Trotz mancher Übertreibungen und Verzerrungen sind Vorbehalte und Zweifel äußerst selten. Für eine historisch- kritische Betrachtung der Persönlichkeit Karls ist die Anbindung an verlässliche Ergebnisse der historischen Forschung unabdingbar.

Nachdem eine allgemeine Einführung in die Quellengattung Vita vollführt wurde, werden einige grundlegende biographische Aspekte des Vitenautors aufgezeigt. Diese sollen Einharts Perspektive zum Geschehen und damit einhergehend dessen Glaubwürdigkeit näher beleuchten. Dieses Kapitel soll einen Grundstein für mögliche Fragestellung zur Sicht des Autors auf seine Zeit bzw. der Sicht des Autors auf seinen Herrscher legen. Die Vita Karoli magni Einharts nimmt entgegen der zur damaligen Zeit verbreiteten Heiligenvita die Tradition der Herrscherbiographie wieder auf. Es wird der Inhalt Kapitelweise so kurz als möglich zusammengefasst, so dass sich der Leser einen Überblick des gesamten Werkes verschaffen kann. Im Weiteren gilt es herauszufinden welche Motivation der Autor gehabt haben könnte eine Vita zu verfassen und wie seine Zeitgenossen auf eine solche mögliche Anmaßung reagiert haben. Da es für eine Arbeit dieser Art zu weit führen würde, sämtliche Inhalte der Vita näher zu erläutern und diese einzelnen Aspekte auf ihren Quellenwert zu prüfen, beschränke ich mich auf das in der Vita vermittelte Bild Karls. Andere Quellen, die zur Erkenntnis über die Persönlichkeit Karls weiterhelfen könnten, werden nicht herangezogen (an der einen oder anderen Stelle werden sie der Form halber erwähnt), da dies den Rahmen der Arbeit sprengen würde. Die Beurteilung von Einhards Text in der Forschung reicht von unkritischer Akzeptanz bis hin zu einer vollständigen Infragestellung seines historischen Wertes.“1 So sehen die einen, auch aufgrund von Fehlern in der historischen Darstellung2, die Vita als bloßen panegyrischen Lobgesang auf Karl, andere hingegen als Spiegel der Zeit, der für das politische Verständnis der Zeitgenossen maßgebend war.

2. Die Vita als Quellengattung

„Der lateinische Begriff Vita bezeichnet – nicht anders als seine Übersetzung in moderne Sprachen – zweierlei: das tatsächlich gelebte Leben eines Menschen und die literarische Darstellung dieses Lebens. Und während die unreflektierte Wiedergabe des Wortes Vita mit Leben beide Bedeutungen impliziert – wenn auch mehr Nähe zur Person darin anzuklingen scheint -, misst man mit der Übersetzung <Lebensbeschreibung> dem gestaltenden Autor das größere Gewicht bei.“3 Doch spätestens seit den Plutarch- Übersetzungen, welche l709 in Deutschland belegt sind4 ist ebenso die Übersetzung <Biographie> anzutreffen. M. E. ist es jedoch unverständlich, dass diese Übersetzung ungebräuchlich geblieben ist, da eine Unterscheidung zwischen <Lebensbeschreibung> und <Biographie> doch weitestgehend willkürlich erscheint. Vielleicht ist es die Erwartungshaltung des modernen Lesers an eine Biographie, von der man „ein Höchstmaß an Objektivität, aber auch Interpretation“5 erwartet. Dass jeder Biograph aus einer zeitspezifischen und persönlichen Sicht schreibt, gilt sowohl für den mittelalterlichen als auch für den modernen Biographen, wobei es bei den erstgenannten womöglich schneller auffallen mag. Es bleibt, egal zu welcher Zeit die Vita verfasst worden ist, die Frage nach dem Verhältnis zwischen gelebtem und dargestelltem Leben. „Es ist daher nicht einzusehen, warum man für das Mittelalter auf den Begriff Biographie verzichten sollte.“6 Aus diesem Grund wird in dieser Arbeit der Begriff Vita gleichstehend zu dem Begriff Biographie gebraucht. Die Quellengattung Vita wird von der Mehrzahl der Historiker zu den hagiographischen Quellen7 gezählt, da sich der Großteil der uns bekannten mittelalterlichen Viten auf christliche Heilige bezieht. Diese Art der Viten soll jedoch nicht Bestandteil dieser Arbeit sein, da die „Hagiographie [...] jenes normative Element (verlangt), das den biographischen Darstellungen vorbildlicher Menschen schon in der Antike eignete: Sie verlangt die Darstellung von Sein und Sein- Sollen zugleich, wenn nicht sogar den Beweis, daß beides übereinstimmt, und drückt diese Übereinstimmung in religiöser Sprache als Zeichen einer – wie auch immer gearteten – göttlichen Erwählung aus. Solche Aussagen lassen sich zwar religionsgeschichtlich einordnen, entziehen sich jedoch in ihrem Kern der Erfaßbarkeit durch das historische Instrumentarium.“8 Es entwickelten sich in der Forschung zwei Richtungen. Die Gruppe der Theologen, allem voran die Mauriner und Bollandisten, suchten, wie es der Kanonisationsprozess verlangte, nach einer Überprüfbarkeit der Norm in den hagiographischen Quellen. Einer Norm, die „die herrschende Anarchie der Tat und der Gesinnung überwinden helfen will, indem sie den Heros zeigt, der die ewige Wahrheit und das ewige Sittlichkeitsgebot denkend, handelnd, leidend verkörpert. Sie behält daher von der historischen Realität nur bei, was sich dieser Absicht fügt; das Wirkliche überhöht sie, bis es die Linie des Ideals erreicht, und was darunter bleibt, streicht sie weg […]“9 Die Gruppe der positivistisch orientierten Historiker suchte nach funktionalen Daten, die objektiv Aufschluss über historische Tatsachen geben sollten. Doch so unterschiedlich die beiden Gruppen ihre Präferenzen im Umgang mit den Viten legten, so unterschied sich auch die Einteilung in Glaubwürdiges und Unglaubwürdiges.10

Dementsprechend wird der Quellenwert der historiographischen (oder auch hagiographischen) Quelle Vita durch den Historiker, im Vergleich zu dem administrativen Schriftgut, wie bspw. der Urkunde, geringer eingeschätzt. Liegt die Begründung einer besseren Beglaubigung der Urkunde und somit des Tatbestandes doch nahe. Es ist spätestens seit Droysen und Bernheim bekannt, dass „in der Urkunde als einem „Überrest“ (der) unmittelbare Niederschlag derjenigen objektiven Wirklichkeit zu sehen (ist), auf die der Erkenntniswille des Historikers gerichtet ist, während die Historiographie wie jede literarische Überlieferung diese Wirklichkeit nur durch das Medium des reflektierenden Geistes erkennbar macht.“11 Zieht man außerdem in Betracht, wie es um die grundlegenden Bedingungen der Geschichtsschreibung, wie der Informationsbeschaffung, der Methoden und Quellen im Mittelalter stand, so ist, selbst wenn die Forschung dem Schreiber ein hohes Maß an Objektivität zugesprochen hat, die Befangenheit in Anbetracht der eigenen und zeitbedingten Vorstellungen nicht zu beschönigen oder außer Acht zu lassen. Es scheint deshalb nicht verwunderlich, dass die Forschung Urkunden und ähnliche Überreste als Quellen bevorzugt behandelt. Nichts desto trotz wurden Methoden entwickelt, die der mittelalterlichen Historiographie ein Maximum an brauchbaren Material abgewinnen. „Das Bemühen war vor allem darauf gerichtet, den in der Historiographie enthaltenen Schatz an Nachrichten zu heben, das gleichsam in ihr verborgene Gold von jenen Schlacken zu reinigen, die ihm infolge seiner Entstehungsbedingungen anhaften.“12 Die mittelalterliche Historiographie ist wie jede andere Geschichtsschreibung auch weit mehr als der bloße Lieferant historischer Nachrichten. Sie bietet einen Eindruck über die geistige Auseinandersetzung der Zeitgenossen über historische Gegebenheiten und wie diese sich mit der sie umgebenden Wirklichkeit auseinandersetzten. So bietet auch die Vita Einblicke in „immer wieder erneuerte Bemühungen (der Vitenautoren), den eigenen geschichtlichen Standort auf dem Hintergrund der Vergangenheit zu bestimmen, die geschichtliche Tradition an die Gegenwart heranzuführen und diese mit Hilfe jener zu deuten.“13 Betrachtet man die Vita Karoli einmal nicht als den oben angesprochenen Lieferanten bloßer geschichtlicher Fakten, sondern hinterfragt man den Text nach der Stellung des Verfassers zu politischen, staatsrechtlichen und religiösen Verhältnissen14 seiner Zeit, so kann die Historiographie unter diesem Aspekt, welche im Sinne Bernheims tatsächlich nur als „Tradition“ bezeichnet werden kann, ohne weiteres als „Überrest“ betrachtet werden.

3. Einhart

Um in der später folgenden Quellenkritik (Vita Karoli magni) die Intentionen des Autors nachvollziehen und richtig einordnen zu können, ist es nötig, zuvor einige grundlegende biographische Aspekte über Einhart zu schildern. Wie in der Einleitung schon beschrieben, fußten die Bemühungen Karls in der so genannten karolingischen Renaissance, deren Motivation in dem immer wieder zu verzeichnendem Vergleich mit der römischen Antike zu sehen ist, auch bei dem unter dessen Regierung heranwachsenden Einhart.15

Einhart wurde, aus einem ostfränkischen Geschlecht im Maingau stammend, ca. 770 geboren. Dank seiner wohlhabenden Eltern erlangte er im Kloster Fulda seine erste Ausbildung, die tatsächlich stattgefunden zu haben, durch Einharts Tätigkeit als Urkundenschreiber im Jahre 788 und 79l, als erwiesen angesehen wird. Dieser Schule verdankte er seine Kenntnisse in lateinischen Klassikern, Dichtern, Geschichtsschreibern, Grammatikern, Rhetorikern und in der griechischen Sprache. Vom Abt Baugulf an den Hof Karls gesandt, vertiefte er seine Ausbildung, indem er zeitgenössische Schriftsteller seiner Zeit kennen lernte. Er errang schnell Ansehen am ganzen Hof und übernahm nach der Übersiedlung Alkuins nach Tours die Stelle des Lehrers an der Hofschule. Viele Schriften gibt es von ihm jedoch nicht. Die bekannteste und bedeutendste seiner wenigen Schriften ist die Vita Karoli magni, die wohl das größte literarische Erzeugnis der karolingischen Renaissance ist. „Sie zeigt nicht nur eine überraschend hohe Fähigkeit zur Nachahmung antiker Vorbilder, sondern auch eine ebenso achtungswerte Unabhängigkeit ihnen gegenüber.“16 Er entwickelte in seiner Vita aus den Kaiserbiographien Suetons eine persönliche Charakteristik Karls, die den Quellenwert dieser Schrift für die historische Forschung unermesslich macht. Mit der Verfassung der Vita begab Einhart sich in Anbetracht seiner Zeit auf literarisches Neuland. Zwar war in der römischen Kaiserzeit eine Vielzahl biographischer Literatur hervorgebracht worden, die allerdings, mit Ausnahme des Agricola, nur Biographiereihen darstellten. Doch war es im Sinne Einharts eine Einzelbiographie zu verfassen, die „den Fluß der Geschichte einen Augenblick stillstehen heißt, um das große Individuum zu zeigen, das über ihn hinausragt“.17 Während der Karolingerzeit rückten die Autoren ein Stück weit von dem hagiographischen Apparat18 des Wunderbaren ab und beschränkten sich auf das rationalistisch Erklärbare. Andererseits näherte man sich den Legenden der Merowingerzeit und stellte diese durch Überhöhung ins Wunderbare dar.19 So viel zur Lage der Zeit, in der Einhart sich ans Werk machte die Vita zu verfassen.

Das Verhältnis Einharts zu der beschriebenen Person Karl war ein freundschaftliches und in Folge dessen wurde er zu politischen Aufgaben herangezogen.20 Nach dem Tod des Kaisers erhielt er unter Ludwig, in dessen Gunst er ebenso stand, weil er sich 8l3 als Wortführer der versammelten Großen für die Ernennung Ludwigs zum Mitkaiser aussprach, zahlreiche Abteien wie St. Pierre au mont Blandin, St. Servatius in Maastricht und St. Cloud bei Paris et al. Einhart war dem gegenüber Karl schwachem Kaiser, obwohl seine politischen Tätigkeiten unter diesem noch zugenommen haben, kritisch gesinnt. Unter der Herrschaft Lothars, den Einhart als seinen Schüler betrachtete und von dem er sich eine tatkräftigere Wahrnehmung der Herrschaftsaufgaben erhoffte, als es bei Ludwig seines Erachtens der Fall gewesen war, sah Einhart der sich abzeichnenden Auflösung des Kaiserreiches mit Verbitterung zu. 840 starb er schließlich in Seligenstadt (Main), wo er noch 834 ein Kloster gegründet hatte und im Jahr 836 dessen Abt wurde.

[...]


1 McKitterick S. 23.

2 Vgl. Ranke S. 96.

3 Haarländer S. l.

4 Vgl. Berschin S. 2l.

5 Haarländer S. l.

6 Haarländer S. l.

7 Sind die beschrieben Personen klar zu religiösen Persönlichkeiten, bzw. zu historisch weltlichen Persönlichkeiten zuzuordnen, erscheint mir eine Einteilung der Quellengattung Vita in Hagiographie und Historiographie sinnvoll. Ein Bsp. für eine hagiographische Vita wäre demnach die Vita Martini und ein Bsp. für die historiographische Vita wäre die Vita Karoli.

8 Haarländer S. 2.

9 Hellmann S. l65.

10 Haarländer S.4.

11 Beumann S.40.

12 Beumann S.4l.

13 Beumann S.42

14 Nach religiösen Verhältnissen können vor allem die hagiographischen Viten befragt werden.

15 Vgl. Wattenbach, S. 266-267.

16 Buchner, S. l59.

17 Hellmann S. l64.

18 Vgl. Kap. l.

19 Vgl. Hellmann S. l66.

20 Einhart ist als Überbringer der Urkunde der Divisio regnorum an Leo III. (806) bekannt.

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Einhards "Vita Karoli magni" - Einhards Personendarstellung von Karl dem Großen
Hochschule
Ernst-Moritz-Arndt-Universität Greifswald  (Historisches Institut)
Veranstaltung
Karl der Große
Note
1,7
Autor
Jahr
2010
Seiten
21
Katalognummer
V189467
ISBN (eBook)
9783656135517
ISBN (Buch)
9783656135883
Dateigröße
476 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Karl, Karl der Große, Einhart, Einhard, Vita, Karolus magnus, Mittelalter, Personendarstellung, Quellengattung
Arbeit zitieren
1. Staatsexamen Mathis Much (Autor:in), 2010, Einhards "Vita Karoli magni" - Einhards Personendarstellung von Karl dem Großen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/189467

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