Die Mieterdienstbarkeit bei der Wertermittlung von Gewerbeimmobilien


Masterarbeit, 2010

159 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Hinweise zur ImmoWertV

1 Einleitung
1.1 Problemstellung und Zielsetzung
1.2 Abgrenzung der Arbeit
1.3 Aufbau und Methodik der Arbeit

2 Grundlagen
2.1 Vorbemerkungen
2.2 Verlust der Mietsache
2.2.1 Verkauf der Mietsache
2.2.2 Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG
2.2.3 Sonderkündigungsrecht nach § 111 InsO
2.2.4 Doppelvermietung vor Überlassung des Mietgegenstan- des
2.2.5 Veräußerung des Mietgegenstandes ohne eine Überlei- tung des Mietvertrages
2.2.6 Kündigung wegen Verletzung der Formvorschrift
2.3 Schutzmöglichkeiten des Mieters gegen den Verlust der Miet- sache
2.3.1 Allgemeines
2.3.2 ‘Normaler’ Mietvertrag
2.3.3 Vorkaufsrecht
2.3.4 Ankaufsrecht
2.3.5 Verwertungsrecht
2.3.6 Erbbaurecht
2.3.7 Nießbrauch
2.3.8 Dauernutzungsrecht nach § 31 WEG
2.3.9 Nutzungsdienstbarkeit
2.4 Praxisrelevanz

3 Mietsicherungsdienstbarkeit
3.1 Allgemeines
3.1.1 Rechtsnatur der Mietsicherungsdienstbarkeit
3.1.2 Dienstbarkeit und Mietvertrag — warum?
3.1.3 Fiduziarisches Sicherungsrecht
3.1.4 Rechtsprechung zur Mieterdienstbarkeit
3.2 Sicherungsvertrag (Sicherungsabrede)
3.2.1 Allgemeines
3.2.2 Festlegung des Sicherungszweckes
3.2.3 Bestellung der Mietsicherungsdienstbarkeit
3.2.4 Bestellungsvergütung/Nutzungsentschädigung
3.2.5 Ausübungsverbot
3.2.6 Verfügungsbeschränkungen
3.2.7 Rückgewähr der Mietsicherungsdienstbarkeit
3.2.8 Geschäftswert der Sicherungsdienstbarkeit
3.3 Eintritt des Sicherungsfalls
3.3.1 Allgemeines
3.3.2 Eintritt beim Sicherungsgeber (Vermieter)
3.3.3 Eintritt beim Sicherungsnehmer (Mieter)
3.4 Beispiel einer Grundbucheintragung

4 Wert der Mietsicherungsdienstbarkeit im Rahmen der Ver- kehrswertermittlung
4.1 Allgemeines
4.2 Grundzüge der Bewertung
4.2.1 Vergleichswertverfahren
4.2.2 Ertragswertverfahren
4.2.3 Sachwertverfahren
4.3 Berücksichtigung von Grundstücksrechten
4.3.1 Allgemeines
4.3.2 Zeitlich unbegrenzte Rechte
4.3.3 Zeitlich begrenzte Rechte
4.3.4 An das Leben von Personen gebundene Rechte .
4.4 Bewertung von Mietsicherungsdienstbarkeiten für das belaste- te Grundstück
4.4.1 Allgemeines
4.4.2 Nachteile der Mietsicherungsdienstbarkeit
4.4.3 Vorteile der Mietsicherungsdienstbarkeit
4.4.4 Gegenüberstellung
4.4.5 Berücksichtigung im Gutachten

5 Wert der Mietsicherungsdienstbarkeit im Rahmen der Belei- hungswertermittlung
5.1 Allgemeines
5.2 Grundzüge der Bewertung
5.3 Berücksichtigung von Rechten und Belastungen
5.4 Bewertung von Mietsicherungsdienstbarkeiten für das belaste- te Grundstück
5.4.1 Allgemeines
5.4.2 Bei vorrangiger Mietsicherungsdienstbarkeit
5.4.3 Bei nachrangiger Mietsicherungsdienstbarkeit .
5.4.4 Kritische Würdigung und Ergebnisse
5.5 Bewertungsbeispiel

6 Fazit & Ausblick

A Musterformulierungen von Böker

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1 Insolvenz des Vermieters

Abbildung 2 Einordnung der Mietsicherungsdienstbarkeit in die Grund- stücksrechte und Belastungen

Abbildung 3 Grundbuch Abteilung II

Abbildung 4 Grundbuch Abteilung III

Abbildung 5 Vorschriften für die Verkehrswertermittlung

Abbildung 6 Normierte Wertermittlungsverfahren nach WertV

Abbildung 7 Ertragswertverfahren nach WertV

Abbildung 8 Sachwertverfahren nach WertV

Abbildung 9 Gegenstand der Wertermittlung

Abbildung 10 Verkehrswert des belasteten Grundstückes

Abbildung 11 Beleihungswert und Marktwert im Vergleich

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1 Kommutationszahlen auf Basis der Sterbetafel 2005/ 2007

Tabelle 2 Zusammenstellung der Vor- und Nachteile einer Mietsi- cherungsdienstbarkeit im freihändigen Erwerb

Tabelle 3 Zusammenstellung der Vor- und Nachteile einer Mietsi- cherungsdienstbarkeit aus Sicht der Kreditinstitute

Tabelle 4 Bewertungsbeispiel

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Hinweise zur ImmoWertV

Diese Arbeit beruht auf der zum Zeitpunkt ihrer Einreichung gültigen Wertermittlungsverordnung 1988 ! WertV 19881, die mit der Einführung der Immobilienwertermittlungsverordnung ! ImmoWertV 20102 zum 1. Juli 2010 ohne Übergangsvorschrift außer Kraft getreten ist. Um die Ursprünglichkeit des Textes zu erhalten, wurde von einer Anpassung der betroffenen Abschnitte abgesehen. Auf die in der Arbeit vorgelegten Ableitungen und getroffenen Urteile hat die Neufassung der Verordnung keinen Einfluß.

Hannover, 7. Dezember 2011 Stephanie Simon

1 Einleitung

Insbesondere im Bereich des höherwertigen Einzelhandels, aber auch im Büromarktsegment, ist der auf Dauer angelegte Ausbau von Standorten für den Mieter mit hohen Investitionskosten verbunden, die daher ent- sprechend lange Amortisationszeiten nach sich ziehen müssen. Nur kurzfristig prognostizierbare Konjunkturschwächen, die zunehmende Dynamik im Mietflächenmarkt (kurze Mietvertragslaufzeiten, häufige Mieter- und Vermieterwechsel) und nicht zuletzt fehlerbehaftete Planung und unzureichendes Management auf Seiten der Eigentümer und Projekt- entwickler führt nicht selten zu vermieterseitigen Solvenzproblemen, die nicht nur die Investitionen der Eigentümer sondern auch die der Mieter bedrohen. Vor diesem Hintergrund besteht mieterseitig das Bestreben, die getätigten Investitionen möglichst langfristig zu sichern und von der wirtschaftlichen Situation der Vertragspartnerseite abzukoppeln.

Prinzipiell steht dem Mieter als Mittel zunächst nur der Abschluss eines langfristigen Mietvertrages mit ausreichend dimensionierten Verlänge- rungsoptionen zur Verfügung. Aufgrund seiner rein schuldrechtlichen Wirkung besteht gem. der §§ 57a ZVG bzw. 111 InsO die Gefahr des vorfristigen Unterganges im Rahmen der Zwangsversteigerung oder Eigentümerinsolvenz, da dem jeweiligen Ersteher des Grundstückes kraft Gesetz Sonderkündigungsrechte zur Verbesserung der wirtschaftlichen Verwertbarkeit zugebilligt werden. Von einer Sonderkündigung betroffene Mieter verlieren zu einem für sie nicht im voraus berechenbaren Zeit- punkt nicht nur ihre Mietflächen und die damit verbundenen Investitio- nen, die sich in der Regel nicht nur auf die technische Ausstattung der Räumlichkeiten beschränken, sondern sich auch auf für den Betrieb erforderliche Maßnahmen (Schaffung der benötigten Infrastruktur, Logistik, Marketing etc.) erstrecken.

Im gedacht ungünstigsten Fall ist mit der Anmietung einer hochwertigen Einzelhandelsfläche die Anmietung weiterer Flächen in benachbarten Gebäuden (z. B. Lagerhallen) verbunden, deren Verträge bei ungewoll- tem Entzug der eigentlichen Hauptmietfläche nicht kurzfristig kündbar wären. Konsequenterweise wird daher der Versuch unternommen, den vorzeitigen Verlust der Mietsache auf einem geeigneten Weg auszu- schließen.

Eine möglicherweise geeignete Methode zur Zielerreichung soll in dieser Arbeit vorgestellt werden: die Mietsicherungsdienstbarkeit. Rechtlich ist die Bezeichnung der Dienstbarkeit nicht normiert; so existieren in der Praxis daneben die Bezeichnung ‘Mieterdienstbarkeit’ und ‘gewerbliches Benutzungsrecht’. In dieser Arbeit wird der Begriff ‘Mietsicherungsdienstbar- keit’ jedoch bevorzugt.

Mietsicherungsdienstbarkeiten werden zur Absicherung von Gewerbemietverträgen in der Mineralölbranche schon seit Jahrzehnten eingesetzt, während der Handel die Vorzüge dieses Sicherungsinstrumentes erst in jüngerer Zeit für sich entdeckt hat. Nach Stiegeles Einschätzung ist die Mietsicherungsdienstbarkeit in der mittelständischen Wirtschaft jedoch noch weitgehend unbekannt.3

Zunehmende Diskussionen über die Berücksichtigung von Mietsiche- rungsdienstbarkeiten bei der Verkehrs- und Beleihungswertermittlung sowie die Ermittlung der Abschlagshöhe, machen eine Auseinander- setzung im Zuge der Bewertung von Gewerbeimmobilien sowie die Ko- operation mit potentiellen Investoren erforderlich. Mit der Darstellung der grundsätzlichen Bewertungsproblematik möchte diese Arbeit einen Beitrag dazu leisten.

1.1 Problemstellung und Zielsetzung

Die zunehmende Verwendung der Mietsicherungsdienstbarkeit zur Sicherung gewerblicher Mietverträge verlangt dem Grundstückssachver- ständigen eine intensive Auseinandersetzung mit den Grundlagen und Auswirkungen der Dienstbarkeit auf den Wert des mit diesem belasteten Grundstückes ab. Anders als bei den in der Praxis oft verwendeten und daher hinlänglich bekannten Grundstücksbelastungen, deren wirtschaftli- che Bedeutung sich zumeist aus der grundbuchlichen Eintragung und der Bewilligungsurkunde erschließt, besteht hier durch die indirekte Koppe- lung an einen Mietvertrag eine erweiterte Dimension, die in der Wert- ermittlungspraxis bislang weitgehend unbekannt geblieben ist.

Wie weiter unten ausgeführt werden wird, ist die Mietsicherungsdienst- barkeit nur dann als wirksames Sicherungsinstrument sinnvoll anzubrin- gen, wenn sie entweder eine einer etwaigen Grundschuld vorstehende Rangposition einnimmt bzw. mit Hilfe einer Liegenbelassungsverein- barung weitgehend zwangsversteigerungs- und insolvenzfest verankert wird. In beiden Fällen ist daher von einem nicht zu unterschätzenden Einfluß auf den Beleihungswert auszugehen, der neben der Problematik der Rangstelle auch mit dem Ersatzwert und der Laufzeit des Rechtes verbunden ist.

Auf der anderen Seite spielt die Rangstelle im Rahmen der Verkehrswertermittlung eine nur untergeordnete Rolle. Zudem wirft sich die Frage auf, inwieweit eine auf die Dauer des Mietvertragsverhältnisses ausgelegte Sicherung durch die Dienstbarkeit die im normalen Grundstücksverkehr bestehende Mietersicherung gem. § 566 BGB (Kauf bricht nicht Miete) beeinflußt, und ob sich hieraus belastbare Aussagen über die Auswirkung auf den Verkehrswert gewinnen lassen.

Ziel der vorliegenden Arbeit ist, den Einfluss von Mietsicherungsdienst- barkeiten auf den Verkehrs- und Beleihungswert jeweils anhand mögli- cher Fallvarianten darzustellen. Dabei kann wegen der Komplexität des Mietsicherungsrechtes nicht auf eine vorgelagerte Darstellung der we- sentlichen Gestaltungsformen der Dienstbarkeit verzichtet werden.

1.2 Abgrenzung der Arbeit

Die Mietsicherungsdienstbarkeit als Unterform einer beschränkt persönlichen Dienstbarkeit gem. § 1090 BGB kann als eigenständiges, gut abgrenzbares Arbeitsgebiet behandelt werden. Dennoch sind an dieser Stelle einige Einschränkungen hinsichtlich der Bearbeitungstiefe vorzunehmen, die im folgenden aufgeführt sind:

- Um den Rahmen der Arbeit nicht unnötig zu überdehnen, wird der juristische Hintergrund nur soweit erfaßt und dargestellt, wie es für das Verständnis der wesentlichen Grundbedingungen der Mietsicherungsdienstbarkeit erforderlich ist. Weitergehende juristische Fragestellungen, insbesondere der rechtlichen Auslegung, sind nicht Gegenstand des immobilienwirtschaftlichen Fachgebietes und im Zweifel durch Juristen zu klären.
- Obwohl einzelne Paragraphen der InsO und des ZVG in Bezug auf das Sonderkündigungsrecht vorgestellt werden, kann in dieser Arbeit auf die umfangreichen Grundsätze bei der Zwangsversteige- rung und Zwangsverwaltung nicht gesondert eingegangen werden.
- In dieser Arbeit werden nur die Auswirkungen der Mietsicherungs- dienstbarkeit in Bezug auf das belastete Grundstück dargestellt; die eigenständige Bewertung des Rechtes ist dabei nicht Gegenstand der Betrachtung.
- Aufgrund der noch fehlenden Rechtskraft der Immobilienwertermitt- lungsverordnung (ImmoWertV) bezieht sich die in dieser Arbeit dargestellte Bewertungstheorie auf die geltende Verordnung von 1988 (WertV 1988). Am 23. März 2010 wurde der bereits seit September 2009 vorliegende Verordnungsentwurf zur ImmoWertV erneut im Bundeskabinett beschlossen, die Bestätigung durch den Bundesrat steht aber bislang aus, wird aber noch für dieses Jahr erwartet. Nach aktuellem Stand sind keine wesentlichen Änderun- gen in Bezug auf das Thema dieser Arbeit zu erwarten.

1.3 Aufbau und Methodik der Arbeit

Im wesentlichen gliedert sich die vorliegende Arbeit in zwei Komplexe. Der erste Teil (Kapitel 2, 3) befasst sich einerseits mit den rechtlichen Grundlagen in Bezug auf die Mietsicherungsdienstbarkeit und andererseits mit der Mietsicherungsdienstbarkeit selbst. Während die rechtlichen Grundlagen insbesondere die Möglichkeiten des Verlustes der Mietsache sowie die Schutzmöglichkeiten des Mieters dagegen behandeln, setzt sich das Kapitel ‘Mietsicherungsdienstbarkeit’ im Detail mit den einzelnen rechtlichen Bestandteilen auseinander.

Im zweiten Komplex (Kapitel 4, 5) dieser Arbeit wird der Wert der Mietsi- cherungsdienstbarkeit sowohl im Rahmen der Verkehrswert- als auch der Beleihungswertermittlung betrachtet. Während bei der Verkehrswerter- mittlung nach Wertermittlungsverordnung (WertV) neben den Grundzü- gen der Bewertung sowie der Darstellung von Grundstücksrechten vor allem auf die Berücksichtigung der Mietsicherungsdienstbarkeit im Ver- kehrswert eingegangen wird, greift das Kapitel 5 auf die Grundlagen des Verkehrswertes zurück und erläutert nur die darüber hinausgehenden und weiterführenden Bewertungsdeterminanten der Beleihungswerter- mittlung nach Beleihungswertermittlungsverordnung.

Dabei werden nicht nur die Grundzüge der Beleihungswertermittlung skizziert, sondern vielmehr die unterschiedlichsten Fallkonstellationen im Zusammenhang dargestellt und deren Berücksichtigung im Beleihungs- wert abgeleitet. Abschließend verdeutlicht das Bewertungsbeispiel die möglichen Varianten ‘best case’ und ‘worst case’ mittels direkter Gegen- überstellung.

Die Methodik bei der Erstellung dieser Masterarbeit entspricht der für wissenschaftliche Arbeiten üblichen Vorgehensweise. Hierfür war sowohl ein intensives Literaturstudium als auch eine ausführliche Recherche im Internet notwendig, da sich die Quellenarbeit schwierig gestaltete. Im Wesentlichen gibt es zwei rechtswissenschaftliche Dissertationen zu dem Thema Mietsicherungsdienstbarkeiten sowie einige Aufsätze in der juri- stischen Fachliteratur. Während diese Thematik in der Literatur zur Verkehrswertermittlung jedoch kaum Beachtung findet, hat sich der Verband Deutscher Pfandbriefbanken e.V. (vdp) mit Mietsicherungs- dienstbarkeiten auseinandergesetzt und 2009 bzw. 2010 jeweils eine aktualisierte Fassung des Ergebnispapiers des Arbeitskreises bzw. des entsprechenden Studienbriefes veröffentlicht.

Die Dissertation von Stiegele stammt aus dem Jahr 1995 und umfaßt daher noch nicht die Regelungen des neuen Insolvenzrechtes aus dem Jahr 1999 (insbesondere die Ablösung der Konkursordnung [KO] durch die Insolvenzordnung [InsO]). Zur Bestätigung der für diese Arbeit wesentlichen Aussagen, und um mögliche Neuerungen in Erfahrung zu bringen, wurde Kontakt zum Autor aufgenommen, der sich zwischenzeitlich auf Mietsicherungsdienstbarkeiten spezialisiert hat und in Fachkreisen als anerkannter Experte angesehen wird.4

2 Grundlagen

Zur Einführung in diese Arbeit klärt das Kapitel ‘Grundlagen’ alle Begriffe, die im Umgang mit der Mietsicherungsdienstbarkeit -auch Mieterdienst- barkeit genannt- für das weitere Verständnis erforderlich sind. Mit Hilfe der Darstellung der Verlustmöglichkeiten der Mietsache werden alternati- ve Schutzmöglichkeiten der Mieter gegen den Verlust dieser aufgezeigt, diskutiert und die Gründe für die Vereinbarung von Mietsicherungsdienst- barkeiten deutlich herausgestellt. Es soll jedoch lediglich ein kurzer Überblick über die Rechte und Belastungen an Grundstücken sowie deren rechtliche Wirkung gegeben werden.

2.1 Vorbemerkungen

Seit Inkrafttreten des BGB hat sich die Rechtsprechung mit dem Thema der dinglichen Sicherung v.a. von langfristigen Gewerbemietverträgen auseinandergesetzt und versucht, die sich für den Mieter ergebenden, beachtlichen Gefahren für den Bestand seines Nutzungsrechtes zu mini- mieren. Empfindliche Lücken für den Bestandsschutz des Nutzungsrechts des Mieters entstehen im Besonderen durch den Eigentumswechsel am Mietgrundstück, da dem Erwerber bei einer Zwangsversteigerung oder einer freihändigen Konkursveräußerung des Mietgegenstandes ein Son- derkündigungsrecht nach § 57a ZVG bzw. § 111 InsO zusteht.5

Für den Mieter, der den Fortbestand seines Mietverhältnisses durch eine vorzeitige Beendigung dieses infolge einer Sonderkündigung gefährdet sieht, ist die Eintragung eines zusätzlichen dinglichen Nutzungsrechtes im Grundbuch von besonders hohem Stellenwert.

Hintergrund ist die Sicherung des Standortes sowie der Investitionen in den Standort durch den Mieter. Viele gewerbliche Mieter wenden erhebli- che Kosten u.a. für Mietereinbauten, Baukostenzuschüsse, Makler- und Umzugskosten auf oder wollen auf den gesicherten Standortvorteil (z.B. Innenstadtlage, Logistiklage am Verkehrsknotenpunkt) nicht verzichten. Der Mieter könnte den Standort für andere durch sein Vorhandensein auch erst interessant gemacht (z.B. Ankermieter) und somit zur Schaf- fung von Kaufkraftpotential beigetragen haben, wodurch das gesamte Objekt erst zum begehrten Mietobjekt für andere würde. Bringt ein Mieter diese Fähigkeiten mit, wird er sich außerdem aufgrund seiner guten Verhandlungsposition einen gewissen Konkurrenzschutz zusichern lassen wollen. Mietsicherungsdienstbarkeiten erwirken hier nicht nur den Schutz gegen den spontanen Verlust der Mietsache, sie mindern vor allem auch das wirtschaftliche Existenzrisiko für den Mieter.

Die Rechtspraxis versucht die Lücken für den Bestandsschutz dieses Nutzungsrechtes des Mieters durch das eigentümerseitige Einräumen einer Dienstbarkeit (meistens eine beschränkte persönliche Dienstbarkeit gem. § 1090 BGB oder ein Wohnungsrecht gem. § 1093 BGB) zusätzlich zum Mietvertrag zu schließen. “In bestimmten gewerblichen Bereichen erfolgt die Bestellung solcher Mieterdienstbarkeiten heute fast schon routinemäßig”6, insbesondere in der Handels- und Mineralölbranche.

Stiegele definiert die Mietsicherungsdienstbarkeit in seiner Dissertation sogar als fiduziarisches Sicherungsrecht zur dinglichen Sicherung von Mietverhältnissen und stellt sie somit etwa der Sicherungsgrundschuld und der Sicherungsübereignung gleich.

2.2 Verlust der Mietsache

In den folgenden Abschnitten werden die wesentlichen Möglichkeiten aufgezeigt, unter welchen Voraussetzungen die Mietsache verloren gehen kann und welche Folgen dieser ungeplante Verlust haben könnte.

2.2.1 Verkauf der Mietsache

Wird der Mietgegenstand an einen Dritten veräußert, so tritt gem. § 566 BGB der Erwerber anstelle des Vermieters in die sich während der Dauer seines Eigentums aus dem Mietverhältnis ergebenden Rechte sowie Pflichten ein, d.h. der bestehende Mietvertrag wird faktisch mit dem Grundstückskaufvertrag übertragen. Bei diesem üblichen Vermieter- wechsel bietet die vorhandene Gesetzeslage “Kauf bricht nicht Miete” dem Mieter jedoch ausreichend Sicherheit. Nach überwiegender Meinung7 allerdings regelt § 566 BGB lediglich die Übernahme des Mietverhält- nisses durch den Erwerber, für den tatsächlichen Eintritt des Erwerbers in den bestehenden Mietvertrag muss der Eigentumsübergang durch Auflassung und Übergabe erfolgt sein - der bloße Abschluss eines Kauf- vertrages sowie die Eintragung der Auflassungsvormerkung in das Grundbuch reichen dafür nicht aus.

Zwischen Vertragsabschluss und Übergabe des Mietgegenstandes an den Erwerber genießt der Mieter jedoch nur einen eingeschränkten Schutz.8 Veräußert der Vermieter die Mietsache in dieser Zwischenzeit an einen Dritten und übernimmt dieser die Mietvertragsverpflichtungen nicht, ent- steht somit auch keine Rechtsbeziehung zwischen Mieter und Erwerber.

In diesem Fall kann der Mieter lediglich Schadensersatzansprüche gem. §§ 276 Abs. 1, 283 BGB gegen den bisherigen Vermieter geltend machen. Dies gilt zwar auch, wenn dem Mieter die Mietsache trotz Mietvertragsabschluss noch nicht übergeben wurde, der Standort ist ihm bis zum Überlassen jedoch nicht sicher.5

Beim Tod des Vermieters tritt der Erbe des bisherigen Vermieters gem. § 1922 BGB in den bestehenden Mietvertrag, der grundsätzlich seinen bisherigen Inhalt behält, ein.

2.2.2 Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG

Häufig steht dem Interesse am Erwerb ein langfristiger Mietvertrag entgegen. Nach § 57a ZVG ist der Grundstückserwerber im Rahmen des Zwangsversteigerungsverfahrens berechtigt, das Miet- oder Pachtverhältnis unter Einhaltung der gesetzlichen Frist (abweichend von den Vereinbarungen des Mietvertrages) zu kündigen, wenn dem Mieter das Mietobjekt bereits überlassen war. Erfolgt die Kündigung jedoch nicht zum erstmöglichen Termin, ist diese anschließend ausgeschlossen. Dasselbe gilt bei der freihändigen Veräußerung des Mietgrundstückes im Konkurs durch den Konkursverwalter (§ 111 InsO).

Dies soll ein Anreiz für möglichst hohe Gebote im Zwangsversteigerungs- termin sein, damit sich die Chance für alle, die Zwangsversteigerung betreibenden Gläubiger des Vermieters (nicht nur der dinglich gesicher- ten Gläubiger wie Realkreditgeber) auf Befriedigung ihrer Forderungen durch einen höheren Versteigerungserlös verbessert. Weder Erwerber noch Vermieter/Schuldner werden durch dieses Sonderkündigungsrecht geschützt, es dient vielmehr dem Schutz der Gläubiger und deren Ver- wertungsinteressen.

Von dieser gesetzlichen Versteigerungsbedingung kann jedoch unter den Voraussetzungen des § 59 ZVG mit Hilfe eines Doppelausgebots (Ausge- bot mit und ohne Sonderkündigungsrecht) abgewichen werden. Unter Umständen, nämlich wenn auf das Ausgebot ohne Sonderkündigungs- recht ein niedrigeres Meistgebot abgegeben wird als auf das Ausgebot mit Sonderkündigungsrecht, erfordert dies somit die Zustimmung der betroffenen Gläubiger.9

§ 57a ZVG nimmt an, dass langfristige Mietverträge der Erzielung eines optimalen Versteigerungserlöses entgegenstehen können, weshalb dem Erwerber das Sonderkündigungsrecht (mit Einschränkungen) gewährt wird. Dem Mieter hingegen könnte schlimmstenfalls unvorbereitet die Kündigung des Erstehers gemäß des Sonderkündigungsrechtes zugehen.

Besondere Voraussetzung des § 57a ZVG ist, dass dem Mieter aufgrund eines wirksamen Mietvertrages der Mietgegenstand tatsächlich überlassen worden sein muss. Mit dem Zuschlag tritt der Erwerber dann in alle Rechte und Pflichten des früheren Vermieters ein, wobei der Zuschlag selbst nicht die Miete bricht.

Als Rechtsfolge ist der Erwerber jedoch dazu berechtigt, von seinem Sonderkündigungsrecht nach § 57a ZVG Gebrauch zu machen. Gegen den Erwerber hat der Mieter bei Ausübung des Sonderkündigungsrechtes keine weiteren Rechtsansprüche, außer auf die Rückerstattung der etwai- gen Mietkaution.10

Einschränkungen des Sonderkündigungsrechtes können z.B. durch Mietvorauszahlung/Baukostenzuschuss11 (§ 57b ZVG), abweichende Versteigerungsbedingungen12 (§ 59 ZVG), nach § 242 BGB13 oder durch Vereinbarung einer dinglichen Sicherung14 (Mietsicherungsdienstbarkeit oder Dauernutzungsrecht nach § 31 WEG) entstehen.

In der von Stiegele15 im Rahmen seiner Dissertation durchgeführten Notarumfrage gaben 70% der rückantwortenden Notare an, dass die Beteiligten mit der Mietsicherungsdienstbarkeit den Schutz vor einer solchen Sonderkündigung anstreben.

2.2.3 Sonderkündigungsrecht nach § 111 InsO

Zweck dieses16 Sonderkündigungsrechtes ist, auch unanfechtbare bzw. unkündbare Mietverhältnisse innerhalb der gesetzlichen Grenzen für den Mieterschutz zu kündigen, um die marktgerechte Verwertung dieser Immobilie nicht zu verhindern.17 Im Rahmen der Insolvenz kann ein Untergang der Mietverhältnisse deshalb auch nicht immer verhindert werden, wobei hier zwischen einer Vermieter- und Mieterinsolvenz zu differenzieren ist. Die nachstehende Abbildung verdeutlicht die bei der Vermieterinsolvenz derzeit herrschenden Meinung der auf dieses Fach- gebiet spezialisierten Anwälte, wenngleich das Wahlrecht des Verwalters lt. § 103 InsO bei in der Planung oder Herstellung befindlichen Objekte noch streitig ist.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Insolvenz des Vermieters (Quelle: eigene Darstellung)

Bei der Vermieterinsolvenz bestehen Miet- und Pachtverhältnisse des Schuldners über Räume des Schuldners gem. § 108 Abs. 1 S. 1 InsO mit Wirkung für die Insolvenzmasse zu den bisherigen Vertragsbedingungen fort, d.h. für den Mieter, dem die Mietsache bereits übergeben wurde, besteht kein insolvenzbedingtes Kündigungsrecht.

Umstritten sind jedoch die Fälle der durch die fehlende Übergabe der Mietsache noch nicht in Vollzug gesetzten Nutzungsverhältnisse (z.B. Gebäude, die noch in der Planung bzw. Herstellung sind oder aber noch nicht übergeben wurden). Den Verwalter wird man nicht zwingen kön- nen, die Aufgaben und Risiken des Bauträgers bei noch in der Planung oder Herstellung befindlichen Gebäude zu übernehmen. Nach § 103 InsO besteht hier für den Verwalter aufgrund der vorhandenen Unsicherheit ein Wahlrecht.18 Wie bereits erwähnt, kann der Mieter auf den Bestand des Vertrages so lange nicht vertrauen, wie die Mietsache ihm noch nicht übergeben ist. Auch hier drückt sich nochmals der geringe Schutz des Mieters, der lediglich Schadensersatzansprüche gegen den Vermieter - nicht jedoch gegen den Erwerber - hat, aus.

Sind allerdings nur noch geringe Arbeiten zur Fertigstellung des Miet- gegenstandes erforderlich, spricht i.d.R. aus Sicht des Verwalters wenig gegen den Abschluss der Arbeit mit anschließender Übergabe an den Mieter. Fertig gestellte, aber noch nicht übergebene Mietgegenstände unterliegen § 108 Abs. 1 InsO, da der Verwalter in diesem Fall außer der Nichtabnahme der Mietsache und der Nichtzahlung der Miete kein Risiko eingeht und die mit den üblichen Mitteln des Schuldrechtes lösbar sind.19

Veräußert der Insolvenzverwalter einen unbeweglichen Gegenstand oder Räume, die der Schuldner vermietet oder verpachtet hatte, tritt der Erwerber zunächst anstelle des Schuldners in das Miet- oder Pachtver- hältnis ein. Unter Einhaltung der gesetzlichen Frist kann der Erwerber das Miet- oder Pachtverhältnis zum erstmöglichen Termin, für den die Kündigung zulässig ist, kündigen (Rechtsfolge des § 111 InsO).

Dies ermöglicht dem Erwerber die vorzeitige Beendigung des Mietver- trages. Voraussetzung hierfür ist jedoch der Eigentumsübergang, d.h. die Eintragung des Erwerbers im Grundbuch. Ist allerdings die Kündigungs- frist mit Zugang der Grundbuchbenachrichtigung gerade abgelaufen, kann der Erwerber das Sonderkündigungsrecht nicht mehr ausüben. Diese Rechtsfolgen der Kündigung sind nach Böker umstritten.

Bei einer Mieterinsolvenz nach Mietvertragsabschluss ist auch zwischen einer Insolvenz vor und nach der Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter gem. § 109 InsO zu differenzieren.20

Waren dem Schuldner die Räume zur Zeit der Eröffnung des Verfahrens noch nicht überlassen, so kann sowohl der Insolvenzverwalter (für den Schuldner als Mieter) als auch der Vermieter vom Vertrag zurücktreten. Tritt der Verwalter zurück, so kann der Vermieter wegen der vorzeitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schaden- ersatz verlangen. Jeder Teil hat dem anderen auf dessen Verlangen binnen zwei Wochen zu erklären, ob er vom Vertrag zurücktreten will; unterläßt er dies, verliert er das Rücktrittsrecht.21 Im Fall des Rücktritts müssen bereits erbrachte Leistungen einander herausgegeben werden.

Nach der Übergabe des Mietgegenstandes an den Mieter kann lt. § 109 Abs. 1 InsO nur noch der Insolvenzverwalter für den Mieter (Schuldner) den Mietvertrag ohne Rücksicht auf die vereinbarte Vertragsdauer oder einen vereinbarten Ausschluss des Rechtes zur ordentlichen Kündigung gesetzlich kündigen; die Kündigungsfrist beträgt drei Monate zum Mo- natsende, wenn nicht eine kürzere Frist maßgeblich ist. Kündigt der Verwalter, kann der Vermieter wegen vorzeitiger Beendigung des Ver- tragsverhältnisses als Insolvenzgläubiger Schadensersatz verlangen - ein insolvenzbedingtes Sonderkündigungsrecht begründet sich jedoch nicht.

2.2.4 Doppelvermietung vor Überlassung des Miet- gegenstandes

Das Recht des Mieters auf Übergabe des Mietgegenstandes nach erfolg- tem Vertragsabschluss könnte ein böswilliger Vermieter ignorieren und zwischenzeitlich ein zweites Mietverhältnis mit einem Konkurrenzunter- nehmen des Mieters abschließen. Je länger der Zeitraum zwischen dem Vertragsabschluss und der möglichen Überlassung des Mietgegenstandes an den Mieter ist, beispielsweise wenn der Mietgegenstand erst noch errichtet werden muss oder es sich um eine Nachvermietung handelt, desto größer wird für den Mieter diese Gefahr. Tritt dieser Vertragsbruch ein (dies ist in der Praxis jedoch selten der Fall), ermöglicht es dem Mieter einen Schadensersatzanspruch gegen den Vermieter. Hauptziel des Mieters ist jedoch die Belegung des Standortes sowie die Verhin- derung der Belegung durch einen Konkurrenten.22

2.2.5 Veräußerung des Mietgegenstandes ohne eine Überleitung des Mietvertrages

Bei einem Verkauf des Grundstückes an Dritte könnten diese den be- stehenden Mietvertrag ‘vergessen wollen’, aber auch ein nicht böswilliger Vermieter kann die weitere Entwicklung des Mietgegenstandes nach dem Verkauf nur bedingt beeinflussen. Gerade bei noch im Bau befindlichen Gebäuden hat der Verkäufer oft die mietvertragliche Verpflichtung zur Überleitung der Mietverträge an den Erwerber übernommen, dies garan- tiert jedoch keine tatsächliche Erfüllung der Verpflichtung durch den Käufer. Zunächst hat der Mieter lediglich Schadensersatzansprüche gegen den bisherigen Vermieter.

Kann der Vermieter den Erwerber zur Übernahme der sich aus dem Mietvertrag ergebenen Pflichten bewegen, so gilt neben § 567a BGB23 auch § 566 BGB ( “ Kauf bricht nicht Miete ” ), obwohl der Mietgegenstand dem Mieter noch nicht überlassen war. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass Eigentümer bzw. Verkäufer und Vermieter eine Person sind (gem. Eintragung im Grundbuch), weshalb die praktische Anwendbarkeit dieses Paragraphen im Hinblick auf noch durchzuführende Planungen/Errich- tungen stark begrenzt ist. Häufig wird der Vermieter nicht Grundstück- seigentümer (um Erwerbsnebenkosten zu sparen), sondern verkauft das Grundstück gleich an den Erwerber weiter. Selbst wenn der Erwerber die Pflichten des Mietvertrages vom Vermieter übernimmt, ist nicht sicher, ob er sich auch an die Vereinbarungen halten wird, weshalb das starke Sicherungsinteresse des Mieters weiter fortbesteht.24

2.2.6 Kündigung wegen Verletzung der Formvorschrift

Zweck der Formvorschrift25 ist es, den möglichen späteren Erwerber vollständig über die auf ihn übergehenden Rechte und Pflichten (§ 566 BGB) zu informieren. Selbst professionelle Berater in den Unternehmen sind nicht immer davor gefeit, gegen die Formvorschriften zu verstoßen und somit die ungewünschte vorzeitige Kündigung des bestehenden Mietvertrages unter Einhaltung der gesetzlichen Fristen zu riskieren. Um dieser drohenden Konsequenz zu entgehen, ist die Praxis dazu überge- gangen, Mietverträge durch Mietsicherungsdienstbarkeiten absichern zu lassen.26

2.3 Schutzmöglichkeiten des Mieters gegen den Verlust der Mietsache

2.3.1 Allgemeines

So unterschiedlich die Art der Nutzung von Gewerbeimmobilien sein kann, so differenziert sind auch die Interessen der jeweiligen Mietver- tragsparteien. Mieter, die bereit sind, viel Geld in die Instandsetzung und Instandhaltung, die Errichtung oder den Ausbau der Mietflächen zu investieren sowie klaglos einen Großteil der Nebenkosten zu tragen, legen i.d.R. sehr großen Wert darauf, das Mietobjekt in einem eigentü- merähnlichen Umfang nutzen zu können und eine möglichst lange (feste) Laufzeit des Mietvertrages zu vereinbaren, damit sich deren getätigte Investitionen amortisieren. Auch der Vermieter muss während der Fest- laufzeit seine Investitionen abschreiben; im Besonderen gilt dies für die Vermietung von Spezialimmobilien, da deren Drittverwendungsfähigkeit i.d.R. deutlich eingeschränkt ist. Wichtig für den Vermieter sind zudem die Vereinbarung einer marktüblichen Miete inkl. einer möglichst hohen Anpassung des Mietzinses an die Inflationsrate durch die Indexierung des Vertrages oder eine Wertsicherungsklausel sowie die weitestgehende Übertragung der Nebenkosten auf den Mieter. Hierbei geht es also nicht allein um die Anmietung von Geschäftsräumen zur gewerblichen oder freiberuflichen Nutzung sondern vor allem darum, einen Laden, einen Geschäftsbetrieb, eine Büroniederlassung, eine Filiale oder Zweigstelle etc., kurzum den Standort sichern und dort ein Unternehmen gründen und betreiben zu wollen.27

Nachfolgend sollen verschiedene Möglichkeiten zur Sicherung bzw. zum Schutz des Mieters gegen den möglichen Verlust des Mietgegenstandes aufgeführt und diskutiert werden.

2.3.2 ‘Normaler’ Mietvertrag

Da sich diese Arbeit auf die Betrachtung von Gewerbeimmobilien mit dem entsprechenden Gewerberaummietvertrag beschränkt, sollen Wohnraummietverträge hier unberücksichtigt bleiben.

Während der Mietvertrag im allgemeinen den Vermieter zur Gebrauchsüberlassung und Erhaltung des Mietgegenstandes sowie zum Tragen der auf der Mietsache ruhenden Lasten verpflichtet, hat der Mieter die Pflicht, den vereinbarten Mietzins an den Vermieter zu entrichten.28 Abweichend von den Wohnraummietverträgen, für die das BGB eine Vielzahl von Sonderregelungen vorsieht, lässt der Gewerberaummietvertrag beiden Vertragsparteien weitgehende Gestaltungsfreiheit.

Unter Gewerbe- und Geschäftsräumen werden die Räume verstanden, die nicht dem Bewohnen durch den Mieter selbst dienen. Dies kann nicht nur die Anmietung u.a. von Ladenflächen in einem bestehenden Gebäude oder von Büroflächen in einem Geschäftshaus sondern beispielsweise auch die Errichtung eines Logistikgebäudes speziell nach den Wünschen und Vorstellungen des Mieters sein.

Wie bereits unter Punkt 2.3.1 dieser Arbeit näher beschrieben, legt der Mieter -vor allem im letztgenannten Fall- besonders großen Wert auf eine möglichst lange (feste) Laufzeit des Mietvertrages, während dem Vermieter die optimale, indizierbare Miete inkl. der weitestgehenden Übertragung der Nebenkosten auf den Mieter am wichtigsten ist.

Das Gewerberaummietrecht lässt im Rahmen der Vertragsfreiheit jedoch genügend Spielraum, um die Interessen der Vertragsparteien zu ver- einen. Im Verkaufsfall stellt sich jedoch regelmäßig die Frage nach dem Schicksal des bestehenden Mietvertrages. Obwohl das Gesetz dem Mieter i.d.R. eine gewisse Sicherheit gibt29, so weist der ‘normale’ Mietvertrag jedoch keine außerordentliche Schutzwirkung dem Mieter gegenüber auf. Wenngleich der Mieter nach § 566 BGB “Kauf bricht nicht Miete” bei einem normalen Mieterwechsel unter optimalen Bedingungen (Ausfüh- rungen siehe Abschnitt 2.3.1) geschützt ist, - hier wird der Mietvertrag mit dem Grundstückskaufvertrag faktisch mit veräußert und geht auf den Erwerber über30 - weist der (nur) schuldrechtliche Mietvertrag für den Mieter erhebliche Risiken auf (siehe Erläuterungen in Abschnitt 2.2). Vor allem der eingeschränkte Schutz beim Vermieterwechsel vor der Überga- be des Mietgegenstandes an den Mieter (siehe Punkt 2.2.1) ist negativ.

Ein weiterer Nachteil ist die gesetzliche Befristung des Mietvertrages gemäß § 544 BGB auf maximal 30 Jahre. Auch wenn Vermieter und Mieter durch übereinstimmende Willenserklärung etwas abweichendes vereinbart haben, kann jede Vertragspartei nach Ablauf der 30 Jahre und Überlassung der Mietsache das Mietverhältnis außerordentlich mit der gesetztlichen Frist kündigen.

Abschließend kann festgehalten werden, dass der ‘normale’ Mietvertrag für Gewerberäume dem Mieter mit seinen Interessen in einer atypischen Situation den geringsten Schutz bietet.

2.3.3 Vorkaufsrecht

Das Vorkaufsrecht ist, ebenso wie das nachstehende Ankaufsrecht, ein Erwerbsrecht, das der alternativen oder zusätzlichen dinglichen Absiche- rung des Mietvertrages dient. Nach § 1094 Abs. 1 BGB kann in der Weise ein Grundstück belastet werden31, dass derjenige, zu dessen Gunsten die Belastung erfolgt, dem Eigentümer gegenüber zum Vorkauf berechtigt ist. Wer nun gem. § 463 BGB32 in Ansehung eines Gegenstandes zum Vorkauf berechtigt ist, kann das Vorkaufsrecht ausüben, sobald der Verpflichtete mit einem Dritten einen Kaufvertrag über den Gegenstand geschlossen hat. Ein Vorkaufsrecht räumt somit dem Berechtigten die Möglichkeit ein, im Falle des Verkaufs der (Miet-)Sache an einen Dritten, durch eine einseitige Erklärung gegenüber dem Verkäufer einen Kaufver- trag zu grundsätzlich gleichen Bedingungen abzuschließen (§ 464 BGB).

Ausgeschlossen ist das Vorkaufsrecht nach § 471 BGB, wenn der Verkauf im Wege der Zwangsvollstreckung oder aus der Insolvenzmasse erfolgt. Allerdings gilt im Falle des freihändigen Verkaufs nach § 111 InsO die Vorschrift des § 1098 Abs.1 Satz 2 BGB, wonach das dingliche Vorkaufsrecht dennoch ausgeübt und somit der Verlust des Standortes in der Insolvenz verhindert werden kann.

Häufig werden dem Mieter anläßlich der Vermietung und zu Lasten des Mietgrundstückes Vorkaufsrechte eingeräumt - nach Stiegele immerhin zu etwa 63% (Erhebung 1991/92). Gewerbliche Mietverträge enthalten oft sogenannte ‘Standortsicherungsklauseln’, die dem Mieter als ‘doppelte Sicherung’ neben der Mietsicherungsdienstbarkeit auch ein Vormietsowie Vorkaufsrecht am Mietgrundstück einräumen.33

Nachteilig ist jedoch, dass die Vereinbarung des Vorkaufsrechtes die Bereitschaft des Verkäufers bzw. Käufers zum Verkauf bzw. Kauf des Mietgegenstandes erfordert und ferner bei Mietvertragsabschluss zur Beurkundungsbedürftigkeit des Gesamtvertrages (inkl. Mietvertrag) gem. § 311b BGB führt.

Aus Vermietersicht muss außerdem berücksichtigt werden, dass jedes Vorkaufsrecht die Grundstücksverwertung erschwert, da der Dritte bzw. Kaufinteressent um die Früchte seiner Arbeit (die Mühen und eigenen Kosten des notariellen Kaufvertrages) fürchtet, wenn ihm der Vorkaufs- berechtigte diese mit einer einfachen Rechtsausübung nehmen und in den ausgehandelten Kaufvertrag nach Verhandlung eintreten kann. Gleiches gilt für diskrete Kaufabwicklungen, denen durch Vorkaufsrechte Veröffentlichung droht.34

Aus Sicht des Mieters stellt ein Vorkaufsrecht somit kein geeignetes Mittel zur Absicherung des Gewerbemietvertrages dar.

2.3.4 Ankaufsrecht

Auch dieses Erwerbsrecht kommt ggf. als Alternative oder zusätzlich zur Mietsicherungsdienstbarkeit in Betracht (siehe auch Ausführungen unter Punkt 2.3.3). Ein Ankaufsrecht berechtigt den Mieter bei Beendigung des Mietverhältnisses dann zum Kauf des Mietgrundstückes bzw. bei einer vorzeitigen Mietvertragsbeendigung zur Wahl zwischen Weiternutzung des Grundstückes mit Hilfe der nun ausübbaren Mietsicherungsdienstbar- keit und Kauf des Mietgrundstückes, wobei der Mieter das alleinige Recht zur Optionsausübung hat.

Wie beim Vorkaufsrecht ist eine schuldrechtliche sowie eine dingliche Einräumung (§§ 463, 1094 BGB) möglich. Damit es jedoch rechtlich wirksam wird, muss ein kompletter Kaufvertrag zwischen Mieter und Vermieter vereinbart werden, wobei, wie beim Vorkaufsrecht, die Bereit- schaft des Eigentümers bzw. des Ankaufsverpflichteten zum Verkauf bzw. Kauf des Mietgegenstandes erforderlich ist. Lediglich zum Zweck der Standortsicherung legt der Mieter/Käufer bei Mietvertragsabschluss einen Kaufpreis, der marktüblich sein muss, fest, den er nur dann zu zahlen bereit ist, wenn ihm der Standort ansonsten verloren ginge, da der Käufer die für ihn wirtschaftlich günstigere Miete favorisiert. Wird solch ein Optionsvertrag geschlossen, so bedeutet dies den Verlust der Dispositionsfreiheit für beide Vertragsparteien, da eine anderweitige Verfügung des Grundstückes faktisch ausgeschlossen wird.35

Aufgrund der Wahlmöglichkeiten wurde das Ankaufsrecht dem Mieter anlässlich der Vermietung und zu Lasten des Mietgrundstückes häufig, d.h. nach Stiegele zu etwa 70% gem. Umfrage in den Jahren 1991 und 1992, zusätzlich zur Mietsicherungsdienstbarkeit eingeräumt. § 313 BGB gilt wie beim Vorkaufsrecht i.d.R. entsprechend36 - ebenso wie die Schutzfunktion des Mieters (Standortsicherung) in der Insolvenz.

Oft wird das Ankaufsrecht auch nur für den Veräußerungsfall eingeräumt und hat somit einen dem Vorkaufsrecht vergleichbaren Charakter. Vorkaufs- und Ankaufsrechte können den Mieter zwar in der Insolvenz gegen den Standortverlust absichern, sie stehen jedoch den Interessen der Parteien i.d.R. ebenso entgegen, da die Beurkundung sämtlicher Mietverträge - gerade bei Filialunternehmen - zur außergewöhnlichen wirtschaftlichen Belastung führen würde.

In der Praxis spielen deshalb weder das Vorkaufs- noch das Ankaufsrecht als Sicherungsinstrument der Gewerberaummietverträge eine Rolle.37

2.3.5 Verwertungsrecht

Verwertungsrechte an einem Grundstück werden als Belastung in Abteilung III des Grundbuches eingetragen und ermöglichen dem Gläubiger die Verwertung des Grundstückes zur Befriedigung seiner Forderung bis zur Höhe des Kapitalbetrages, mit dem es eingetragen ist. Deshalb müssen alle Leistungen, die nicht Geldzahlungen sind, in entsprechende Geldforderungen umwandelbar sein.

Mittelbar kann der Mietvertrag gegen die vorzeitige Beendigung (z.B. wegen Sonderkündigung nach § 57a ZVG) auch dadurch dinglich gesi- chert werden, dass zur Sicherung des Schadensersatzanspruches (er steht dem Mieter zu) oder der Vertragsstrafe (wird hier ausbedungen) eine Sicherungsgrundschuld zu Lasten des Mietgrundstückes eingetragen wird. Dieses Sicherungsinstrument kann letztlich die Erhaltung der Miet- sache nicht gewährleisten und darüber hinaus wird es oft durch die regelmäßig vorrangigen Grundpfandrechte der finanzierenden Bank entwertet. Obwohl es nach Stiegele etwa die Hälfte der betreffenden Notare als Alternative zur Mietsicherungsdienstbarkeit schon besprochen haben, wird es in der Praxis eher selten akzeptiert und verwirktlicht.38

2.3.6 Erbbaurecht

Das Erbbaurecht ist das Recht des Erbbauberechtigten gegen Zahlung eines Entgeltes (Erbbauzins) auf einem fremden Grundstück ein Bauwerk zu haben. Aus der Sicht des Grundstückseigentümers (Erbbaurechts- geber) ist das Erbbaurecht ein beschränktes dingliches Recht, das auf seinem Grundstück lastet.39 Zum Inhalt des Erbbaurechtes gehören nach § 2 (Nr. 1-7) ErbbauRG auch Vereinbarungen der Vertragsparteien über die umfassenden und differenzierten Möglichkeiten der Ausgestaltung des Nutzungsverhältnisses. Aufgrund der Verbindung dieser rechtlichen Ausgestaltungsmöglichkeiten mit der ‘Sicherheit’ des dinglichen Rechtes erscheint das Erbbaurecht als Alternative zum Mietvertrag mit einer Mietsicherungsdienstbarkeit besonders geeignet. Hinzu kommt die Be- lastbarkeit mit Grundpfandrechten und anderen Grundstücksrechten, was einen erheblichen Vorteil für die Beleihung darstellt.

Stiegele fand in seiner Notarumfrage heraus, dass diese Alternative sehr selten erörtert und aufgrund der fehlenden Akzeptanz der Beteiligten fast nie vereinbart wird. Grund dafür ist, dass es für den Erbbauberechtigten eine umfassende Rechtsstellung darstellt, während es für den Grund- stückseigentümer, der eigentlich nur vermieten wollte, den faktischen Entzug seines Eigentums bedeutet. Nachteil für den Erbbauberechtigten ist gem. § 11 ErbbauRG außerdem dessen weitgehende Behandlung als Grundstückseigentümer, weshalb er anläßlich der Erbbaurechtsbestellung zur Zahlung der Grunderwerbssteuer herangezogen wird.40 Festzuhalten ist somit, dass die Übertragung umfangreicher Rechte und Pflichten bzw. der langfristige Eigentumsentzug nicht den Bedürfnissen des Mieters und Vermieters entspricht.

2.3.7 Nießbrauch

Der Nießbrauch ( lat. usus fructus - „Gebrauch und Fruchtgenuss“) ist im deutschen Sachenrecht41 das unveräußerliche und unvererbliche absolute Recht, nach § 100 BGB die Nutzungen einer Sache oder eines Rechts zu ziehen. Durch die Begründung des Nießbrauchs wird das Eigentum als dingliches Vollrecht in ‘bloßes Eigentum’ ( lat. nudus dominus - Inhaber des nießbrauchbeschwerten Eigentums) und ‘Nießbrauch’ (wirtschaftli- cher Eigentümer) aufgespalten, wobei der Eigentümer einer Sache, der bisher das Recht auf Nutzung, Fruchtziehung und Verfügung (Veräuße- rung) inne hatte, sowohl das Recht zur umfassenden Nutzung als auch zur Fruchtziehung an einen Nießbrauchberechtigten überträgt und selbst nur das Verfügungsrecht behält. Bestellt wird der Nießbrauch regelmäßig durch notarielle Beurkundung und Eintragung in das Grundbuch.42

Auch diese voll ausübbare Nutzungsdienstbarkeit bietet eine Alternative zum durch Dienstbarkeit gesicherten Mietvertrag, obwohl die Kombina- tion von Mietvertrag und Mietsicherungsdienstbarkeit erhebliche Vorteile gegenüber der reinen Dienstbarkeit hat. Wie beim Erbbaurecht stellt sich auch hier die Frage, ob der Eigentümer, der lediglich vermieten wollte, Rechte in diesem Umfang abgeben und der Mieter das zudem unflexible, volle dingliche Nutzungsrecht mit allen Lasten und Pflichten erhalten möchte. Stiegele fand in seiner allgemeinen Notarumfrage heraus, dass zwar etwa 70% der Notare voll ausübbare Nutzungsrechte mit den Be- teiligten mehr oder weniger häufig besprochen haben, die Akzeptanz jedoch letztlich eher selten vorhanden war, weshalb sie in der Praxis bisher kaum verwirklicht wurde.43 Auch sie - wie das Erbbaurecht - entspricht den Bedürfnissen des Mieters und Vermieters nicht.

2.3.8 Dauernutzungsrecht nach § 31 WEG

Laut § 31 Abs. 2 WEG kann ein Grundstück in der Weise belastet werden, dass der Rechtsinhaber unter Ausschluß des Eigentümers berechtigt ist, nicht zu Wohnzwecken dienende und bestimmte Räume in einem auf dem Grundstück errichteten oder zu errichtenden Gebäude zu nutzen. Dauernutzungsrechte sind jedoch nicht mit Dauerwohnrechten (§§ 31-42 WEG) gem. § 31 Abs. 1 WEG zu verwechseln, wenngleich entsprechend des Absatzes 3 für beide die selben Vorschriften gelten.

Ursprünglich sollten mit dem Dauernutzungsrecht geleistete Baukosten- zuschüsse abgesichert bzw. ‘abgewohnt’ und genossenschaftliche Rechtsgestaltungen ermöglicht werden. Für die Grundbucheintragung ist jedoch das Vorliegen einer Abgeschlossenheitsbescheinigung (u.U. auch an einem ganzen Gebäude) erforderlich44, dessen Inhalt45 die Parteien frei bestimmen dürfen, solange das Recht nicht an eine Bedingung ge- knüpft ist. Das vererbliche und veräußerliche Recht46 wird i.d.R. mit einer Nutzungsentschädigung (tlw. indexiert) sowie einer Heimfallklausel47 im Fall des Zahlungsverzuges vereinbart. Nachteil des Dauernutzungsrechts ist, dass es sich hierbei nicht um einen Mietvertrag handelt und sich die zeitgleiche Vereinbarung eines inhaltsgleichen Mietvertrages ausschlie- ßen.48 Wenngleich dies für Mieter mit einem starken Sicherungsbedürfnis die beste Alternative nach der Mietsicherungsdienstbarkeit wäre, so hat sich das Dauernutzungsrecht in der Praxis jedoch nicht durchgesetzt, vermutlich, da gleichzeitig kein Mietvertrag abgeschlossen werden kann.

2.3.9 Nutzungsdienstbarkeit

Ein Grundstück kann in der Weise belastet werden, dass der Begünstigte berechtigt ist, das Grundstück in einzelnen Beziehungen zu nutzen, oder dass ihm eine sonstige Befugnis zusteht, die den Inhalt einer Grund- dienstbarkeit bilden kann (beschränkte persönliche Dienstbarkeit).49 Deren Umfang bestimmt sich im Zweifel gem. § 1091 BGB nach dem persönlichen Bedürfnis des Berechtigten. Sie ist entweder als volles dingliches Nutzungsrecht (ohne Einschränkungen) oder als Kombination aus eingeschränktem dinglichem Nutzungsrecht und einem Mietvertrag (Mietsicherungsdienstbarkeit) ausführbar. Letzteres räumt dem Mieter regelmäßig das Recht ein, auf dem mietgegenständlichen Grundstück ein bestimmtes und näher beschriebenes Gewerbe betreiben zu dürfen, ohne das Recht zur Nutzung infolge einer möglichen Kündigung (Sonderkündi- gungsrecht nach § 111 InsO und § 57a ZVG) zu verlieren.

In der Praxis hat sich die Vereinbarung des Nutzungsrechtes inkl. dessen Eintragung in das Grundbuch als beschränkte persönliche Dienstbarkeit zugunsten des Mieters als Alternative zur Absicherung von Gewerbe- raummietverträgen durchgesetzt.50 Entsprechend der Notarumfrage von Stiegele kommt der Mietsicherungsdienstbarkeit im Gewerbemietrecht die größte Bedeutung zu51, d.h. sie hat sich in der Praxis als beste Va- riante zur Absicherung des Gewerbemieters herausgestellt.

Genauere Beschreibungen hierzu folgen im nächsten Hauptkapitel.

2.4 Praxisrelevanz

Aufgrund der zuvor dargestellten Praxisrelevanz (die Mietsicherungs- dienstbarkeit hat sich zur Absicherung von Gewerberaummietverträgen vor allen anderen Alternativen durchgesetzt) soll an dieser Stelle die bereits angesprochene, von Stiegele52 im Rahmen seiner Dissertation durchgeführte Notarumfrage53 zur Vertragspraxis vorgestellt werden. Obwohl diese Umfrage bereits in den Jahren 1991 und 1992 in zwei Durchgängen erfolgte, ist sie auch heute noch praxisrelevant. Grundlage dieser Studie war die Befragung (mittels Fragebogen54 ) von 702 Notaren im gesamten Bundesgebiet, von denen sich 360 Notare (51%) durch Rücksendung der Fragebogen beteiligten. Von diesen 360 beteiligten Notaren wiederum waren 52 Notare (14,5% von 360 Notaren) beruflich mit Mietsicherungsdienstbarkeiten befasst.

Insgesamt befassten sich die betreffenden Notare (17 geeignete Ant- worten aus der Umfrage) in Bezug auf Nutzungsdienstbarkeiten am häufigsten mit der beschränkt persönlichen Dienstbarkeit (§ 1090 BGB; 15 Notare bzw. 88%) und am wenigsten mit den Grunddienstbarkeiten (§ 1018 BGB; 1 Notar bzw. 6%). Außerdem gaben die Notare an, dass sie zudem Wohnungsrechte (§ 1093 BGB; 14 Notare bzw. 82%), Nießbrauch (6 Notare bzw. 35%) und Dauerwohn- bzw. Dauernutzungsrechte (§ 31 WEG; 3 Notare bzw. 18%) diskutiert haben.

Nach Stiegele sind ihm bislang keine weiteren umfassenden Studien zum Thema Mietsicherungsdienstbarkeiten bekannt geworden, wenngleich sich die Literatur stärker mit diesem Thema befasst hat.55

[...]


1 WertV in der Fassung vom 06.12.1988, (BGBl. I S. 2209), z.g. durch Art. 3 G vom 18.08.1997 (BGBI. I S. 2081)

2 ImmoWertV in der Fassung vom 1. Juli 2010 (BGBl. I S. 639)

3 Mail Stiegele vom 18.03.2010.

4 Dr. Andreas Stiegele, Rechtsanwalt, Halter & Stiegele, Lerchenstraße 12, 74072 Heilbronn

5 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, Seite 15 ff.

6 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, Seite 16

7 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008,

8 § 566 Abs. 1 BGB i.V.m. § 578 BGB

9 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995,

10 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 49 ff.

11 Das Sonderkündigungsrecht erlischt hier nicht, es wird lediglich aufgeschoben. Es hat sich in der Praxis nicht durchgesetzt, da kaum ein Mieter Mietvorauszahlungen für einen langen Zeitraum leisten kann oder will.

12 Jeder Beteiligte (auch der Mieter) kann bis zum Versteigerungstermin eine abweichende Feststellung von den Versteigerungsbedingungen verlangen, ggf. wird jedoch die Zustimmung des dadurch beeinträchtigten Beteiligten erforderlich. In der Praxis wird diese Zustimmung von den Gläubigern i.d.R. verweigert, womit eine Beschränkung des Sonderkündigungsrechtes auf Betreiben des Mieters ausscheidet.

13 Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern. D.h. arbeiten Vermieter und Erwerber geplant zusammen, um einen lästigen Mieter loszuwerden, wäre die Ausübung des Sonderkündigungsrechtes rechtsmissbräuchlich und somit unzulässig.

14 Das Dauernutzungsrecht konnte sich in der Praxis nicht durchsetzen. Die dingliche Absicherung durch die Mieterdienstbarkeit führt zwar nicht dazu, dass das Sonderkündigungsrecht entfällt, es wird aber für den Erwerber sinnlos, da sie den Mieter zur weiteren Nutzung des Mietgegenstandes berechtigt.

15 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995,

16 Mit der neuen Insolvenzordnung (sie trat am 01.01.1999 in Kraft und löste die Konkurs- und Vergleichsordnung ab) hat der § 111 InsO den wesentlichen, wenn auch redaktionell vereinfachten Regelungsgehalt des früheren § 21 Abs. 4 KO übernommen.

17 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008,

18 Vgl. § 103 InsO: Wahlrecht des Insolvenzverwalters: “(1) Ist ein gegenseitiger Vertrag zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens vom Schuldner und vom anderen Teil nicht oder nicht vollständig erfüllt, so kann der Insolvenzverwalter anstelle des Schuldners den Vertrag erfüllen und die Erfüllung vom anderen Teil verlangen.
(2) Lehnt der Verwalter die Erfüllung ab, so kann der andere Teil eine Forderung wegen der Nichterfüllung nur als Insolvenzgläubiger geltend machen. Fordert der andere Teil den Verwalter zur Ausübung seines Wahlrechts auf, so hat der Verwalter unverzüglich zu erklären, ob er die Erfüllung verlangen will. Unterläßt er dies, kann er auf der Erfüllung nicht bestehen.”

19 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 37 ff.

20 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 27 f.

21 Vgl. § 109 Abs. 2 InsO

22 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 95 f.

23 “Hat vor der Überlassung des vermieteten Wohnraums an den Mieter der Vermieter den Wohnraum an einen Dritten veräußert oder mit einem Recht belastet, durch dessen Ausübung der vertragsgemäße Gebrauch dem Mieter entzogen oder beschränkt wird, so gilt das Gleiche wie in den Fällen des § 566 Abs. 1 und des § 567 BGB, wenn der Erwerber dem Vermieter gegenüber die Erfüllung der sich aus dem Mietverhältnis ergebenden Pflichten übernommen hat.” Die gilt auch für Geschäfts- und Gewerberäume.

24 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 97

25 Vgl. hierzu auch §§ 126, 550 BGB

26 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 98 f.

27 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 5 f.

28 Vgl. § 535 Abs. 1 und 2 BGB

29 Auch durch den Eintritt des/der Erben in den bisherigen Mietvertrag lt. § 1922 BGB beim Vermieterwechsel durch Vermietertod hat er grundsätzlich mit selbigem Inhalt Bestand.

30 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 6 f.

31 Dinglich gesichertes Vorkaufsrecht, dessen Rechtsverhältnis sich gem. § 1098 Abs. 1 Satz 1 BGB nach den Vorschriften der §§ 463-473 BGB bestimmt.

32 Schuldrechtlich gesichertes Vorkaufsrecht

33 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, Seite 104

34 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 20 f.

35 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 21 f.

36 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, Seite 105

37 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008,

38 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, f.

39 Vgl. § 1 Abs. 1 ErbbauRG; http://de.wikipedia.org/wiki/Erbbaurecht (Abfrage: 19.12.2009)

40 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, f.

41 Der Nießbrauch wird in den §§ 1030 bis 1089 BGB rechtlich behandelt.

42 Vgl. http://de.wikipedia.org/wiki/Nie%C3%9Fbrauch (Abfrage: 20.12.2009)

43 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, Seite 103

44 Vgl. § 32 Abs. 1 WEG

45 Vgl. § 33 Abs. 4 Nr. 1-5 WEG

46 Vgl. § 33 Abs. 1 WEG

47 Heimfall ist die Rückübertragung des Rechtes an den Eigentümer bei bestimmten Gründen, vgl. § 36 WEG.

48 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008, Seite 23 ff.

49 Vgl. § 1090 Abs. 1 BGB

50 Böker, H.-G.: Die Mietsicherungs- oder Mieterdienstbarkeit, S-INSO Band 14, Berlin, De Gruyter Rechtswissenschaften Verlag, 2008,

51 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, Seite 271

52 Stiegele, A.: Die Mietsicherungsdienstbarkeit, Frankfurt, Peter Lang Verlag, 1995, Seite 77 ff., 253-272 (Auswertung der Notarumfrage)

53 Notare sind in Bezug auf die Vertragspraxis von Mietsicherungsdienstbarkeiten die geeig- neten Ansprechpartner, da jede Bestellung einer Dienstbarkeit gem. § 29 GBO zwingend die Mitwirkung eines Notars erfordert.

54 Der Fragebogen beinhaltete einen “Allgemeinen-” und einen ”Zusatz-Fragebogen”.

55 Mail Stiegele vom 18.03.2010.

Ende der Leseprobe aus 159 Seiten

Details

Titel
Die Mieterdienstbarkeit bei der Wertermittlung von Gewerbeimmobilien
Hochschule
Hochschule Anhalt - Standort Bernburg
Veranstaltung
Grundstückswertermittlung / Real Estate Valuation
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
159
Katalognummer
V188966
ISBN (eBook)
9783656129240
ISBN (Buch)
9783656130253
Dateigröße
3182 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
mieterdienstbarkeit, beleihungswert, wertermittlung, verkehrswertermittlung, grundstückswertermittlung, gewerbeimmobilien;, mietsicherungsdienstbarkeit
Arbeit zitieren
Stephanie Simon (Autor:in), 2010, Die Mieterdienstbarkeit bei der Wertermittlung von Gewerbeimmobilien, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188966

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