Inszenierung von Personen und Räumen in Tom Tykwers Die tödliche Maria


Hausarbeit (Hauptseminar), 2003

15 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Kurzdaten

1. Einleitung

2. Die Inszenierung der Maria

3. Der patriarchalische Vater als Angstbild

4. Der hässliche Ehemann

5. Der sympathische Nachbar

6. Schlusswort

7. Bibliografie

Kurzdaten

Die tödliche Maria

BRD 1993

Regie und Drehbuch: Tom Tykwer

Produzenten: Stefan Arndt, Tom Tykwer

Kamera: Frank Griebe

Schnitt: Katja Dringenberg

Produktion: Liebesfilm / ZDF

Verleih: Sputnik

Darsteller: Nina Petri (Maria), Katja Studt (Maria, 16 Jahre), Juliane Heinemann (Maria, 10 Jahre), Josef Bierbichler (Vater), Peter Franke (Heinz), Jean Maeser (Heinz, 26 Jahre), Joachim Krol (Dieter), Rolf Peter Kahl (Jürgen)

1. Einleitung

Tom Tykwers Regiedebüt Die tödliche Maria lässt bereits deutlich den individuellen Stil des Regisseurs sichtbar werden. Der Spielfilm aus dem Jahr 1993 ist ganz auf die Protagonistin Maria (Nina Petri) ausgerichtet. In einem Zeitraum von nur sechs Tagen erzählter Zeit wird vor den Augen des Zuschauers ein eindringliches Bild ihres Lebens entworfen. In Form von Rückblenden erfährt der Zuschauer, welche unglücklichen Ereignisse Marias Leben geprägt haben. Marias Leben scheint unter einem schlechten Stern zu stehen: ihre Mutter starb bei ihrer Geburt, ihr Vater erlitt einen Infarkt als er Maria bei ihrem ersten Kuss mit einem Klassenkameraden erwischte. Später presst der bettlägerige Vater seiner Tochter ein Eheversprechen ab. Mit den Worten „Du willst doch, dass es mir gut geht“ bringt er das 16-jährige Mädchen dazu, einen Skatkumpel zu heiraten und sichert so vor allem seine eigene Zukunft.

Die tödliche Maria ist ein bedrückendes Hinterhofdrama. Der Film spielt

zum größten Teil in der düsterkargen Wohnung eines Mehrfamilienhauses der fünfziger Jahre. In ruhigen Momenten sitzt Maria am Fenster und schaut auf den kahlen Baum im ebenso kargen Hinterhof.

Marias Alltag scheint sich Tag für Tag zu wiederholen. Sie steht gemeinsam mit ihrem Mann auf, bereitet sein Frühstück vor, ihr Mann streicht ihr zum Abschied über die Wange und legt ihr dreißig Mark auf die Kommode. Während ihr Mann arbeitet pflegt sie ihren Vater, besorgt Einkäufe und schreibt tagebuchähnliche Briefe an einen imaginären Adressaten. Gleich zu Beginn des Films offenbart sich in einem solchen Brief, dass Maria übersinnliche Kräfte an sich bemerkt hat. Die Existenz dieser Kräfte verleiht den Widerwärtigkeiten ihres Alltags eine unheimliche Dimension. Die innere und äußere Schönheit der Protagonistin stehen im schmerzlichen Gegensatz zu ihren Lebensumständen und verstärken den Eindruck, dass sich Maria in einem Käfig befindet.

Die inhaltliche Ebene des Films spiegelt sich in der Kameraarbeit Frank Griebes wider. Die fantasievolle Anwendung verschiedenster Kameraaktionen, lassen die Gefühle der Protagonistin in den Bildern sichtbar werden. Die Mittel der Bildgestaltung sind derart vielfältig, dass es an mancher Stelle gekünstelt wirkt. Das Frühstücksgeschirr, die Marias Leben diktierende Wanduhr, sowie andere Gegenstände und Szenen des alltäglichen Lebens werden durch Zooms, Horizontal- und Vertikalbewegungen, Kreisfahrten und Weitwinkelverzerrungen eindringlich in Szene gesetzt. In Bezug auf die subjektive Perspektive der Protagonistin entsteht der Eindruck, dass sich ihr eigentlich so eintöniger Alltag nach und nach in einem unaufhaltsamen Strudel auflöst.

Neben dem Alltag der Protagonistin wird den Drehorten selbst durch die Kameraführung eine tiefere Dimension gegeben. Die sparsam ausgeleuchtete Wohnung, in deren Winkeln sich der Blick der Kamera zu verkanten scheint, symbolisiert einen Mikrokosmos von bedrohlicher

Enge. Die Innenansichten der Wohnung erinnern an die Filme David Lynchs. Das grelle Licht, das durch die Fenster scheint, wird von den braunen Wänden der Wohnung verschluckt ohne sie zu erhellen. Die Lichtgebung verstärkt den Eindruck der strikten Abgrenzung von innen und außen.

Der Film Die tödliche Maria lebt von seiner rätselhaften Atmosphäre. Die Rückblenden geben einerseits Aufschluss darüber, warum Marias Leben so geworden ist, wie es sich dem Zuschauer zeigt, andererseits geben sie dem Zuschauer immer neue Rätsel auf. Tom Tykwer und Frank Griebe brechen auf visueller und narrativer Ebene mit tradierten Gewohnheiten der Rezipienten.

2. Die Inszenierung der Maria

Im Vorspann von Die tödliche Maria zieht der Titel des Films in roten Blockbuchstaben vorüber. Der Film beginnt mit einer Weißblende. Die horizontale Bewegung der Buchstaben in Lesrichtung wird in der darauffolgenden Sequenz fortgesetzt. Tom Tykwer leitet seinen Film ein, indem er die Kamera Objekte, die auf der Wohnzimmerkommode der Protagonistin aufgereiht sind, nacheinander abtasten lässt. Das erste Objekt dieser Reihe, zu der auch die Holzfigur Fomimo gehört, ist ein Kinderfoto von Maria, das sie im Alter von zwölf Jahren zeigt. Marias Bild wird von der Kamera in einer Großaufnahme erfasst, die die Körnigkeit des Fotos sichtbar werden lässt. Die Kamera scheint die Objektreihe nicht nur abzutasten, sondern zu lesen. Der parallele Verlauf der Bewegung zu der des Vorspanns verstärkt diesen Eindruck zusätzlich. Die Bedeutung der gezeigten Gegenstände wird dem Zuschauer erst rückblickend klar. Das lange Verweilen der Kamera auf dem Kindheitsfoto Marias ist bereits ein deutliches Indiz dafür, dass der Film sich mit dem Leben dieses Menschen auseinander setzen wird.

In der folgenden Sequenz wird die Protagonistin zum ersten Mal gezeigt. Der lieblose Sexualakt zwischen Maria und ihrem Ehemann bildet den ersten Schockmoment des Films. Die Kamera blickt wie ein stiller Beobachter von oben auf das Paar herab. Während Marias Mann sich Befriedigung verschafft, fixiert sie den Kronleuchter über dem Ehebett. Ein einzelner Kristall löst sich aus dem Leuchter und fällt auf die Bettdecke. Marias Gedanken sind aus dem Off zu hören: Ich weiß immer noch nicht wie aber es klappt immer besser.

Die Großaufnahme des Kristalls auf der Bettdecke wird übergeblendet in eine Großaufnahme, die Marias Füllfederhalter zeigt, wie er über einen Bogen Papier kratzt. Im weiteren Verlauf des Films wird sich ein Eindruck verstärken, der hier bereits angedeutet wird: Maria wird mit schönen Dingen in Verbindung gebracht. Sie schreibt ihre tagebuchähnlichen Briefe mit schwarzer Tinte und einem Füllfederhalter mit goldener Feder. Durch den gesamten Film hindurch ziehen sich Großaufnahmen, die zeigen wie Marias goldene Feder über raues, gelbliches Papier kratzt. Die Einstellungen sind derart nah gewählt, dass der glänzend, feuchte Schimmer der Tinte sichtbar wird. Marias Tagebucheintragungen gehören zu den ästhetischsten Sequenzen des Films.

Abgesehen von der Holzfigur Fomimo, mit der Maria innerlich verbunden ist, wird die Protagonistin durch keinen Gegenstand so stark bestimmt wie die Uhr. Der Wecker, der das Ehepaar morgens weckt, steht auf Marias Seite vom Bett. Mit dem Läuten des Weckers beginnt sich Tag für Tag ein gleicher Morgen abzuspulen. Bereits mit der ersten Frühstückssequenz wird im Betrachter das Gefühl geweckt, dass die alltägliche Routine des Paars zerbrechlich ist. Die Frühstücksvorbereitungen Marias werden von einer Musik untermalt, die an Szenen aus Horrorfilmen erinnert, in denen Spannung aufgebaut wird. In einer Vertikalfahrt, die kurz oberhalb des Küchenbodens beginnt, erfasst die Kamera den Herd und schließlich den Wasserkessel, der auf der Herdplatte steht. Andere Einrichtungsgegenstände, wie die Wanduhr,

[...]

Ende der Leseprobe aus 15 Seiten

Details

Titel
Inszenierung von Personen und Räumen in Tom Tykwers Die tödliche Maria
Hochschule
Philipps-Universität Marburg  (Medienwissenschaft)
Veranstaltung
Das Duo Tom Tykwer und Frank Griebe
Note
1
Autor
Jahr
2003
Seiten
15
Katalognummer
V18892
ISBN (eBook)
9783638231442
Dateigröße
511 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Inszenierung, Personen, Räumen, Tykwers, Maria, Tykwer, Frank, Griebe
Arbeit zitieren
Valerie Schmidt (Autor:in), 2003, Inszenierung von Personen und Räumen in Tom Tykwers Die tödliche Maria, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18892

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