Kindesmisshandlung


Seminararbeit, 2000

31 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsangabe

1. Einleitung

2. Definition

3. Misshandlungsformen
3.1. Physische Misshandlung
3.2. Physische Vernachlässigung
3.3. Psychische Vernachlässigung
3.4. Sexueller Missbrauch

4. Folgen der Kindesmisshandlung
4.1. Unmittelbare Folgen bereits im Kleinst- und Kleinkindalter
4.2. Spätere Langzeitschäden – unvermeidlich?

5. Gründe für Kindesmisshandlung
5.1. Verschiedene Erklärungsansätze

6. Verhalten misshandelter Kinder

7. Die Rolle des Lehrers

8. Prophylaktische Maßnahmen

9. Die Situation in Frankreich
9.1. Kinderschutzzentren in Frankreich

10. Schlussbemerkung

Bibliographie

1. Einleitung

Erst in den letzten 30 Jahren hat sich die Aufmerksamkeit breiterer Schichten dem Problem der Kindesmisshandlung zugewandt, obwohl die Tatsache der Gewalt – physische, psychische und sexuelle – gegen Kinder fast so alt ist, wie die Menschheit selbst und keine Bevölke-rungsschicht davon ausgenommen ist.

Welche Gräueltaten sich hinter dem Begriff der Kindesmisshandlung verbergen können, übersteigt oft die menschliche Vorstellungskraft. Die Dunkelziffer ist unwahrscheinlich hoch, nur ein verschwindend kleiner Prozentansatz gelangt an die Öffentlichkeit, der Rest wird totgeschwiegen. Die betroffenen Kinder werden ihrem Schicksal überlassen, das – und zwar öfter als man glaubt – zum Tode führen kann. Hiervon sind vor allem sehr kleine Kinder – bis zum 3. Lebensjahr – betroffen.

In meiner Arbeit möchte ich nach einem Versuch einer Definitionsbestimmung zunächst auf die verschiedenen Arten der Kindesmisshandlung eingehen. Im Anschluss daran werde ich einige Folgen der Kindesmisshandlung aufzeigen und schließlich werde ich dann auch noch auf die Situation in Frankreich aufzeigen.

2. Definition

Der Begriffserklärung des Wortes Kindesmisshandlung kommt entscheidende Bedeutung zu: Dadurch erfolgt sowohl eine Abgrenzung zu angemessenen, tolerierten Erziehungsmaß-nahmen, als auch in Folge die Eingrenzung des Tätigkeitsfeldes der Kinderschutzarbeit. Wichtigstes Entscheidungskriterium für die Beurteilung von Erziehungsmaßnahmen als misshandeln ist ihre schädigende Beeinträchtigung der kindlichen Entwicklung. Eine in diesem Sinne von KOLLER sehr allgemein gehaltene Definition wäre:

„Misshandlung von Kindern ist jene in erziehlicher Absicht erfolgte Einwirkung auf das Kind, die auf Grund ihrer Art, ihrer übermäßigen Stärke oder Häufigkeit eine bedeutende Schä-digung hervorruft.“ Eine etwas genauere Beschreibung der möglichen Folgeerscheinungen einer Misshandlung für die kindliche Entwicklung findet man bei WOLFF: „Kindesmisshandlung stellt eine nicht zufällige gewaltsame physische und/oder psychische Beeinträchtigung oder Vernachlässigung des Kindes durch die Eltern oder Erziehungsbe-rechtigten dar, die das Kind schädigt, verletzt, in seiner Entwicklung hemmt und gege-benenfalls zu Tode bringt.“ Beiden Bestimmungen von Kindesmisshandlung ist gemeinsam, dass die Handlung oder Unterlassung von den Eltern beabsichtigt sind bzw. nicht zufällig erfolgen. Die Unterstellung der Absichtlichkeit ist wahrscheinlich auf das Ausgangsmoment der Misshandlung gemünzt. Sie besagt nicht, dass die Eltern auch die Folgen ihres Tuns voll beabsichtigen, so dass man von Vorsätzlichkeit sprechen könnte. Dieser Aspekt ist bei der Arbeit mit den Betroffenen sicherlich von Bedeutung. Weiters ist in diesen Definitionen von der Möglichkeit der physischen und/oder psychischen Misshandlung die Rede. Die Beur-teilung der dadurch entstandenen Schäden für das Kind gestalten sich unterschiedlich schwierig. Ein Konsens besteht z.B. darüber, dass krasse Formen körperlicher Züchtigung (Schlagen mit Gegenständen, Verbrennungen zufügen) einer bedeutenden Schädigung des Körpers und der Seele des Kindes gleichkommt. Jedoch bei leichteren Formen körperlicher Züchtigung (z.B. Klaps) oder bei psychischen Beeinträchtigung des Kindes (z.B. Einsperren) divergieren die Einschätzungen der schädigenden Folgewirkungen für das Kind. Die Möglich-keit, dass eine Schädigung für das Kind eintreten kann, sollte aber Grund genug sein, auch weniger gewaltsam erscheinende Ausdrucksformen kindlicher Unterdrückung zu unterlassen. Zu bedenken ist in diesem Zusammenhang auch die Möglichkeit des zeitlich verschobenen Auftretens von den Auswirkungen einer Misshandlung des Kindes die PERNHAUPT/ CZERMAK betonen: „Die Misshandlung muss keine sofort feststellbare seelische oder körperlichen Spuren hinterlassen, die Auswirkungen einer Misshandlung können auch erst nach einer sehr langen Latenzzeit sichtbar werden.“ LECHLEITNER führt in seiner Begriffs-erklärung von Kindesmisshandlung ausschließlich psychischen Schäden für das Kind an. Dadurch wird betont, dass eine Wunde wieder gut verheilen kann, aber das Vertrauens-verhältnis des Kindes zu seinen primären Bezugspersonen bzw. sein Selbstwertgefühl weiterhin gestört bleibt. „Kindesmisshandlungen sind ein Aktiv-Sein gegen ein Kind, das diesem gegenüber wehrlos ist und welche in ihm bleibende Spuren psychischer Natur hinterlässt, wobei diesen Aktivn-Sein mit einem negativen Werturteil behaftet ist, indem es ohne jeden vernünftigen Zweck oder außerhalb jeden Verhältnisses zu einem vernünftigen Zweck geschieht. Aktiv-Sein im Sinne dieser Definition ist selbstverständlich auch die Unterlassung eines durch die elterliche Erziehungs- und Unterhaltungspflicht gebotenen Verhaltens, soweit die übrigen Voraussetzungen erfüllt sind. In diesem Rahmen gilt somit auch die Vernachlässigung als Kindesmisshandlung.“

Der Begriff der Kindesmisshandlung umfasst eine große Spannbreite an Handlungen (und Unterlassungen). Sie kann vom Anschreien des Kindes bis zu seiner Tötung reichen. Die Grenze für Kindesmisshandlung muss sehr tief angesetzt werden, um den Anfängen von massiver Beeinträchtigung des Kindes währen zu können, denn „dort, wo es erlaubt ist, Inder in der Öffentlichkeit auf den Mund zu schlagen, zu ohrfeigen und ihnen den Hintern auszuklopfen, wo sie unwirsch an den Armen gezogen werden und man sie z.B. im Tiergarten nicht selbstverständlich nach vorne lässt, damit sie auch die Affen sehen können, herrscht Regression, kann Gewalt gedeihen, kann es in weiterer Folge Menschen geben, die ihre Kinder misshandeln, schänden und töten.“ (PERNHAUPT/CZERMAK)

3. Misshandlungsformen

3.1. Physische Misshandlung

Unter dem Begriff der physischen Misshandlung versteht man Schläge oder andere gewalttätige Handlungen, die beim Kind körperliche Schäden hervorrufen können. Man kann davon ausgehen, dass das Kind das Geschehen als bedrohlich erlebt und sich in seiner Existenz bedroht fühlt. Bei wiederholter, jahrelanger Misshandlung kann das Kind jede auch noch so harmlose körperliche Annäherung als Bedrohung erleben. Das heißt, nicht der körperliche, sondern der psychische Schmerz sind als Langzeitfolgen bei Kindesmisshand-lung anzusehen. Denn für jeden Menschen gibt es eine Grenze, Schmerz und Leid zu ertragen. Wenn diese Grenze mehrmals überschritten wird, entsteht ein Gefühlszustand, in dem alle Leid- und Schmerzerfahrungen gleich werden. (KOERS in PERNHAUPT) In welchem Maße ein Kind durch gewaltsame Handlungen zu Schaden kommt, hängt von seiner körperlichen Konstitution und von seinem Alter ab. Ein Baby wird durch Schütteln sicherlich schwerere Verletzungen davontragen als ein Kleinkind.

Nach ENGFERS Ansicht müssen Kleinkinder vor jedem körperlichen Übergriff geschützt werden. Bei dem geringsten Verdacht auf Verletzung durch elterliches Handeln sollte sofort eingeschritten werden. Bei älteren Kindern wäre ihrer Auffassung nach nur dann von physischer Misshandlung zu sprechen, wenn nachzuweisen ist, dass sie von ihren Eltern immer wieder ausufernd gezüchtigt werden, unabhängig davon, ob Verletzungen diagnosti- ziert werden können oder nicht.

3.2. Physische Vernachlässigung

Unter physischer Vernachlässigung versteht man den Tatbestand, dass Kinder, die auf Pflege und Schutz der Eltern angewiesen sind, die für ihr Überleben erforderlichen Maßnahmen nicht erfahren und dadurch geschädigt werden. (ENGFER)

Durch Vorenthalten der Pflege und Versorgung entsteht im Kind ein sehr negativ gefärbtes Selbstbild. Das Kind muss daraus schließen, dass es nicht einmal der Anstrengung der lebens- notwendigen Pflege und Versorgung wert ist. Dadurch entsteht ein ängstlicher, zwanghafter Kampf ums Dasein. (KOERS in PERNHAUPT) Kindesvernachlässigung kommt laut Studienversuchen fünfmal so häufig vor, wie physische Kindesmisshandlung. Trotzdem hat diese Form schädigenden Elternverhaltens weit weniger Beachtung gefunden, als andere Misshandlungsformen. Befunde machen deutlich, dass Kindesvernachlässigung als Konsequenz elterlicher Resignation in viel höherem Maße als physische Misshandlung im Zusammenhang mit Armut und sozialer Randständigkeit auftritt.

Vernachlässigte Säuglinge und Kleinkinder scheinen in ihrer sozialen und kognitiven Entwicklung erheblich gehemmt. Langfristige, schwerwiegende Entwicklungshemmungen sind bei den Kindern zu erwarten, die aufgrund der elterlichen Vernachlässigung körperlich unterentwickelt sind und die zudem noch physisch schwer misshandelt wurden.

Nach der Ansicht ENGFERS richtet in diesen Misshandlungsfällen therapeutische Hilfe wenig aus. Sie glaubt, dass nur durch eine entscheidende Verbesserung der Lebenslage den betroffenen Familien wirklich zu helfen ist.

3.3. Psychische Vernachlässigung

Mit diesem Begriff sind elterliche Äußerungen und Handlungen gemeint, die dem Kind das Gefühl der Ablehnung und der eigenen Wertlosigkeit vermitteln. Das Kind wird von seinen Eltern beschimpft, gequält und erniedrigt. Auf diese Weise entsteht eine Lebenseinstellung, in der man ununterbrochen jede zwischenmenschliche Beziehung auf die Probe stellt, indem man den anderen schikaniert um herauszufinden, ob er einen in Stich lässt, oder nicht.

Menschen, die als Kind längere Zeit solchen Misshandlungen ausgesetzt waren, suchen einerseits Menschen, denen sie vertrauen können und andererseits haben sie Angst, in solchen Beziehungen zu leben. (KOERS in PERNHAUPT)

GARBARINO und VONDRA unterscheiden drei wichtige Merkmale der psychischen Misshandlung:

- Ablehnung des Kindes:

Dem Kind wird das Gefühl der eigenen Wertlosigkeit vermittelt, indem es ständig herab- gesetzt und kritisiert wird. Häufig wird ihm ein anderes Kind vorgezogen.

- Terrorisieren des Kindes:

Das Kind wird durch Drohung eingeschüchtert.

- Das Kind isolieren:

Das Kind wird häufig von der Außenwelt abgeschnitten, um ihm das Gefühl der Einsam-keit zu vermitteln. Es ergibt sich die Schwierigkeit, zwischen harmlosen und ausufernden Formen der psychischen Misshandlung zu unterscheiden. Handlungen, die beim Kleinkind extreme Angstzustände auslösen können, müssen älteren Kindern nicht einmal Angst machen.

Die psychische Misshandlung wird daher danach definiert, was das Kind ängstigt oder bedroht. Da der Begriff der psychischen Vernachlässigung nur vage definiert werden kann, sind einige Autoren der Ansicht, dass psychische Misshandlungsfälle keiner Intervention bedürfen. GARBARINO und VONDRA hingegen sind der Meinung, dass der Schutz des Kindes vor psychischer Misshandlung das zentrale Anliegen aller Kinderschutzbewegungen sein sollte. Denn jede Form der Misshandlung ziehe psychische Folgen nach sich. „Die psychischen Beeinträchtigungen des Kindes als Konsequenz elterlichen Verhaltens sind das zentrale Kriterium, nachdem Verhalten überhaupt als Miss- handlung definierbar erscheint.“ Durch diese Betrachtungsweise ist die Beziehung zwischen physischen und psychischen Formen der Misshandlung besser bestimmbar. Psychische Formen der Misshandlung müssen nicht unbedingt mit körperlichen Übergriffen einhergehen, genauso wenig, wie eine einmalige körperliche Züchtigung nicht unbedingt eine Misshandlung sein muss. Wenn das Kind aber häufiger geschlagen und im Zusammenhang mit der körperlichen Bestrafung auch beschimpft wird, leidet es auch psychisch.

[...]

Ende der Leseprobe aus 31 Seiten

Details

Titel
Kindesmisshandlung
Hochschule
Universität Wien  (Institu für Psychologie)
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
31
Katalognummer
V18866
ISBN (eBook)
9783638231237
Dateigröße
568 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kindesmisshandlung
Arbeit zitieren
Carina Hirschl (Autor:in), 2000, Kindesmisshandlung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18866

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