Megacities: Viele Menschen, viele Risiken

Industriestaaten und Entwicklungs- und Schwellenländer im Vergleich


Hausarbeit (Hauptseminar), 2010

38 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung

2 Metropole, Megacity, Global-City - Städtekategorien im Kontext eines weltweiten Urbanisierungstrends
2.1 Die Megacity - zur Definition urbaner Siedlungsformen
2.2 Urbanisierung und Bevölkerungswachstum
2.3 Megacities als besonderes Phänomen des weltweiten Urbanisierungstrends

3 Die Megacity als Risiko (-raum)
3.1 Naturbedingte Bedrohungen und Risiken
3.2 Infrastrukturelle und technologische Risiken
3.3 Soziale und politische Risiken

4 Tendenzen und Forschungsempfehlungen

5 Fazit

6 Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Abgrenzungskriterien und Raumbezug der Begriffe Metropole, Megacity und Global City

Abbildung 2: Urbane und ländliche Weltbevölkerung, 1950-2050

Abbildung 3: Urbane und ländliche Bevölkerung nach Entwicklungsstand, 1950-2050

Abbildung 4: Rangordnung der 10 größten Agglomerationen 1900-2015

Abbildung 5: Megacities mit 5, 8 und 10 Mio. Einwohnern im Jahr 2000

Abbildung 6: Megacities mit 5, 8 und 10 Mio. Einwohnern im Jahr 2015

Abbildung 7: Infrastruktur- und Gebäudeschäden durch Erdbeben in Kobe 1995

Abbildung 8: Pueblo Joven in Lima, Quelle

Abbildung 9: Squattersiedlung Manilas in unmittelbarer Nähe zu einer Mülldeponie

Abbildung 10: Rush-Hour in Neu Delhi

Abbildung 11: Favela São Paulos in unmittelbarer Nachbarschaft zu den gesicherten Appartement-Hochhäusern der Oberschicht

1 Einleitung

New York, Tokio, Los Angeles, São Paulo, Manila, Delhi: Rund um den Globus entstehen und wachsen urbane Ballungsräume mit mehreren Millionen Einwohnern. Megacities sind das globale Phänomen des 20 Jahrhunderts. Durch ihre rasante Entwicklungsdynamik sind sie zum „Motor der Globalisierung“, Zentren politischer und wirtschaftlicher Macht und Projektionsfläche für die Träume von Millionen von Migranten geworden. In einer Art „Durchlauf-Erhitzer“ bündelt sich in den Megacities von heute eine Vielzahl ökonomischer, soziologischer, politischer und geographischer Prozesse, die in Kombination mit der Konzentration von Millionen von Menschen auf engstem städtischem Raum auch Risiken und Bedrohungen mit sich bringen.

Ziel dieser Arbeit ist es, eine Antwort auf folgende Frage zu geben: Welchen Bedrohungen, Risiken und Gefährdungen sind Megacities ausgesetzt und worauf sind diese zurückzuführen? Die Frage soll dabei vor dem Hintergrund der verschiedenen ökonomischen Entwicklungsstufen betrachtet werden. Mit anderen Worten: Sind die Megastädte der Industriestaaten wie etwa New York oder Tokio den gleichen Risiken ausgesetzt, wie die mega-urbanen Ballungsräume der Entwicklungs- und Schwellenländer?

Aufgrund der Komplexität der Themenstellung folgt diese Arbeit einer zielgerichteten Bearbeitung der Fragestellung. Dabei liegt der Fokus der Vergleichbarkeit des tatsächlichen und potentiellen Risikos von Megacities je nach Entwicklungsstand entweder in den Industrieländern oder Entwicklungs- und Schwellenländern. Einführend wird der Begriff Megacity in Abgrenzung zu verwandten urbanen Siedlungskategorien wie der Metropole und der Global City definiert, um Megacities anschließend in den Kontext der weltweiten Urbanisierung einzuordnen. Es folgt eine geographische Übersicht über die Lage und Entwicklungstendenz weltweiter Megastädte, die als Grundlage für die im Zentrum dieser Arbeit stehende Diskussion der Risiken mit Bezug auf den ökonomischen Entwicklungsstand einer Megacity dient. Im Rahmen der Diskussion werden bestehende Risiken den übergeordneten Kategorien gemäß ihrer naturbedingten, technologisch- infrastrukturellen sowie sozial-politischen Dimension zugeordnet und anhand ausgewählter Beispiele beleuchtet. Den Abschluss dieser Arbeit bildet ein kurzer Ausblick, in dem weitere Forschungsfragen, die sich aus den Ergebnissen dieser Arbeit ableiten, skizziert werden.

2 Metropole, Megacity, Global-City - Städtekategorien im Kontext eines weltweiten Urbanisierungstrends

Hinsichtlich der vorliegenden Fragestellung und angesichts der Vielzahl verschiedener Definitionsansätze im Bereich der Stadtforschung ist es für die gezielte Darstellung der Risiken von Megacities zunächst notwendig die„Megacity“1 als solche zu definieren und anhand wissenschaftlicher Unterscheidungsmerkmale von anderen urbanen Siedlungsformen abzugrenzen. Dass es sich bei Megacities um Großstädte handelt, ist der Vorsilbe „mega“ zwar ohne weiteres zu entnehmen, doch für die großen Städte der Welt existiert sowohl in der Umgangssprache als auch im Fachjargon der Geographie und der Stadtsoziologie eine differenzierte Terminologie. Trotz wissenschaftlicher Klassifikationen werden verschiedene Bezeichnungen für Großstädte häufig synonym verwandt. Neben Megacities oder dem umgangssprachlich geläufigen Begriff der Metropole, ist hier vor allem der Begriff der Weltstadt (Global City) zu nennen.

In den folgenden drei Abschnitten gilt es daher zunächst die Megacity als Städtekategorie in Abgrenzung zu den Begriffen der Metropole und Global City zu definieren. Anschließend wird die Entwicklung und Bedeutung der Megacity als menschlicher Lebensraum im aktuellen Kontext des globalen Bevölkerungswachstums und des weltweit zu beobachtenden Urbanisierungstrends beleuchtet.

2.1 Die Megacity - zur Definition urbaner Siedlungsformen

In der aktuellen Stadtforschung existiert eine Reihe unterschiedlicher Definitionsansätze zur Bestimmung einer Megacity. Nicht immer wird dabei auf den ersten Blick deutlich, was die Megacity von anderen urbanen Verdichtungsräumen unterscheidet. Sowohl im alltäglichen Sprachgebrauch als auch in der Forschung zeigt sich diese Unklarheit z. B. durch den oftmals synonymen Gebrauch der Begriffe „Metropole“, „Megacity“ und „Global City“. Die folgenden Ausführungen tragen dazu bei, die spezifischen Unterscheidungsmerkmale einer Megastadt im Vergleich zu „Metropolen“ und „Global Cities“ herauszustellen.2

Metropole

Laut Bronger (2004, S. 30) besitzen Metropolen mehr als eine Million Einwohner und weisen bei einer Bevölkerungsdichte von mehr als 2.000 Einwohnern/km² eine monozentrische Struktur mit eindeutig zu identifizierendem Stadtkern auf. Bronger nimmt damit zunächst eine rein quantitative Abgrenzung für Metropolen vor. Anderen Definitionen zufolge basiert der Metropolenbegriff vor allem auf qualitativen Aspekten: Gablers Wirtschaftslexikon (o.D.) setzt Metropolen z.B. mit Hauptstädten gleich, die in zumeist zentralistisch strukturierten Staaten das wirtschaftliche, politische und kulturelle Zentrum des Landes darstellen und in Bezug auf die Größe, Bedeutung und Reichweite ihrer Funktionalität allen anderen nationalen Großstädten eindeutig überlegen ist. Auch Bronger (2000, S. 293) stellt neben den quantitativen Aspekten eine funktionale Sonderstellung der Metropolen heraus: Durch eine „Über-Konzentration der politischen, administrativen, wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Einrichtungen bzw. Aktivitäten des gesamten Landes […]. geht die metropolitane Bedeutung über den eines ‚Zentralen Ortes’ höchster Stufe noch weit hinaus.“ Mit anderen Worten: In Metropolen sind die wichtigsten Institutionen, Organisationen und Personen des wirtschaftlichen, politischen und sozialen Lebens eines Landes gebündelt. Städte, die diese „functional primacy“ aufweisen (z.B. Kairo, Paris, Athen, Buenos Aires) werden als „primate cities“ bzw. Primatstadt klassifiziert. Der funktionale Bedeutungsüberschuss als Definitionsmerkmal einer Metropole besitzt in Bezug auf die Reichweite lediglich im nationalen Kontext Gültigkeit, bezieht aber die funktionale Bedeutung der Metropole im internationalen Zusammenhang zunächst nicht in die Definition ein (vgl. Bähr & Wehrhahn 1995, Bronger & Strelow 1996, Kraas 1996, Bronger 2000).

Global City

Im internationalen Kontext stellen die Weltstädte bzw. Global Cities die Erweiterung des auf der nationalen Ebene verhafteten qualitativen Metropolenbegriffs dar.3 Vor dem Hintergrund eines allgegenwärtigen und allumfassenden Globalisierungsprozesses, der die zunehmende Verflechtung in den Bereichen der Kapital- und Arbeitsmärkte, des Handels, des internationalen Verkehrs und der Kommunikation umfasst (vgl. Bronger 2000, S. 278), stellen die Global Cities die Knotenpunkte dieser zunehmend verknüpften Prozesse dar. Global Cities fungieren als Hauptsitz großer Unternehmen und multinationaler Konzerne, beherbergen die Börse und die wichtigsten Finanzeinrichtungen (vgl. Shachar 1994, S. 385) sowie die bedeutendsten kulturellen und politischen Einrichtungen und sind die zentralen Drehscheiben des Weltverkehrs (Bronger 2000, S. 293). Sie bündeln somit eine Reihe wichtiger] internationaler Funktionen sowie unterschiedlicher globaler Kontrollaktivitäten (vgl. Shachar 1994, S. 385) und übernehmen durch die internationale Relevanz der dort getroffenen Entscheidungen eine globale Steuerungsfunktion. Die in den Lebensbereichen der Wirtschaft, Kultur und Politik vorherrschende functional primacy ist bei den Global Cities aus dem nationalen Kontext herausgelöst und wird zur „global primacy“: Die funktionale Bedeutung der Global City überschreitet nationalstaatliche Grenzen, sie wird zum „Dreh- und Angelpunkt“ der Weltwirtschaft. In der Regel sind Global Cities ebenfalls Groß- bzw. Millionenstädte, ihre definitorische Zuordnung beruht jedoch auf ihrer Funktion und ist nicht an die Einwohnerzahl gekoppelt. Frankfurt a.M. und Zürich sind beispielsweise durch ihre Bedeutung als Finanzhandelsplätze ebenso als Global City anzusehen, wie New York oder Tokio, deren Einwohnerzahl und Flächenausdehnung um ein Vielfaches höher liegt.4

Megacity

Während Metropolen (auf nationaler Ebene) und Global Cities (im globalen Kontext) also in erster Linie urbane Ballungsräume entlang qualitativer Kriterien beschreiben, lassen sich Megacities anhand rein quantitativer Merkmale von diesen und anderen urbanen Siedlungskategorien abgrenzen. In der Regel weisen Megacities durch ihre Funktion als Standort wichtiger ökonomischer und politischer Organisationen und Institutionen ebenfalls einen regionalen Bedeutungsüberschuss auf und sind zugleich Knotenpunkt von Informations- und Verkehrsströmen (vgl. Gablers Wirtschaftslexikon o.D.), so dass hier die Überschneidungen zu den Definitionsansätzen der Metropole und Global City gegeben sind. Deshalb erfolgt die Definition von Megacities anhand quantitativer Kriterien: Entscheidend ist das Kriterium der Stadtgröße (Einwohnerzahl).

Unterschiedlichen Definitionen zufolge besitzt eine Megastadt mehr als 5 Million (Bronger 1996a, Bronger 1996b), mehr als 8 Million (United Nations [UN] 1987; Fuchs et al. 1994; Chen & Heligman 1994) oder mehr als 10 Million Einwohner (Mertins 1992, UN 2008).5

Während Bronger nur metropolitanen Agglomerationen mit mehr als 2.000 Einwohnern/km² und einem einzigen dominanten Stadtkern den Status einer Megacity zuspricht, umfassen andere Definitionsansätze (UN 2002, UN 2008) auch polyzentrische Ballungs- und Verdichtungsräume wie das Rhein-Ruhr-Gebiet oder das südchinesische Perlflussdelta.

Metropole und Megacity unterscheiden sich folglich in erster Linie anhand der Bevölkerungszahlen, wohingegen sie in funktionaler Hinsicht häufig ähnliche Merkmale aufweisen. Megacities sind in vielen Fällen zugleich auch Metropolen (z.B. Kairo, Lagos, Paris) und Global Cities (z.B. Tokio, New York City). Global Cities und Metropolen hingegen sind nicht zwangsläufig Megacities (Frankfurt am Main, Zürich), denn der funktionale Bedeutungsüberschuss existiert „unabhängig von der Größe der Stadt und sind deshalb a priori nicht auf Megastädte beschränkt“ (Bronger 2000, S. 281). Bronger (2000, S. 281) macht darauf aufmerksam, dass besonders viele Megacities in den Entwicklungsländern gleichzeitig die Rolle einer Primatstadt innehaben, diese jedoch weiterhin zumeist auf den nationalen Rahmen beschränkt bleibt und nicht in einer „global primacy“ mündet (z.B. Dhaka, Lagos, Jakarta).

Abbildung 1 stellt die grundlegenden Unterscheidungskriterien der Stadtbegriffe Metropole, Megacity und Global City noch einmal tabellarisch gegenüber.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Abgrenzungskriterien und Raumbezug der Begriffe Metropole, Megacity und Global City; Quelle: eigene Darstellung

Wie vorausgehend detailliert beschreiben und in der Tabelle zusammengefasst, weisen Metropolen sowohl quantitative als auch qualitative Klassifizierungsmerkmale auf, wobei der angelegte Referenzrahmen die nationalen Grenzen nicht überschreitet. Der Begriff der Global City dagegen basiert ausschließlich auf qualitativen Gesichtspunkten und ist in seiner Bedeutung qua Definition international, da er die funktionale Bedeutung der Stadt als „Schalt- und Knotenpunkt“ der Weltwirtschaft beschreibt. Megacities, die je nach qualitativer Beschaffenheit häufig zugleich als Metropolen ihres Landes (nationale Steuerungsfunktion) und in einigen Fällen sogar als Global City der Weltwirtschaft (internationaler Bedeutungsüberschuss) fungieren, gehen definitorisch allein auf das quantitative Merkmal der hohen Bevölkerungszahl zurück.

In diesem Abschnitt stand vor allem die Begriffsbestimmung der Megacity in Abgrenzung zu Metropolen und Global Cities im Vordergrund. Es konnte gezeigt werden, dass sich Megacities in erster Linie durch quantitative Merkmale - vor allem anhand ihrer Bevölkerungszahl - von anderen urbanen, eher funktional geprägten Klassifizierungskategorien unterscheiden. Im nächsten Abschnitt gilt es daher das „Phänomen“ Megacity in den umfassenden Kontext eines global zu verortenden Urbanisierungstrends und der ansteigenden Weltbevölkerung einzuordnen.

2.2 Urbanisierung und Bevölkerungswachstum

Entstehung, Wachstum und die damit verbundenen Risiken von Megacities können nicht isoliert untersucht werden, vielmehr stellen sie einen besonderen Aspekt der „hochdynamischen weltweiten Verstädterung“ (Kraas 2004, 100) dar. Bevor auf die Spezifika und Risiken von Megacities eingegangen werden kann, ist es daher zunächst notwendig einen Überblick über die zugrunde liegenden Urbanisierungsprozesse und ihre geographischen Zusammenhänge zu geben.

Abbildung 2: Urbane und ländliche Weltbevölkerung, 1950-2050 zeigt die prognostizierte Entwicklung der urbanen und ländlichen Weltbevölkerung bis 2050. Laut UN (2008) markiert das Jahr 2008, wie in der Abbildung durch den Schnittpunkt der Graphen gekennzeichnet, einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte: zum ersten Mal lebten mit 3,3 Milliarden [Mrd.] mehr Menschen in Städten als auf dem Land. Diese Entwicklung setzt sich nach Angaben der UN fort, so dass gemäß dieser Prognose auch in Zukunft die Mehrheit aller Menschen in urbanen Räumen lebt. Demzufolge steigt allein bis zum Jahr 2050 die urbane Weltbevölkerung von 3,3 Mrd. auf 6,4 Mrd. an, bei gleichzeitiger Abnahme der Landbevölkerung (vgl. Abb. 1).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Urbane und ländliche Weltbevölkerung, 1950-2050; Quelle: UN 2008a

Eingerahmt wird dieses spezifisch urbane Bevölkerungswachstum von einem rasanten Anstieg der Weltbevölkerung. Lebten 1950 etwas mehr als 2,5 Mrd. Menschen auf der Erde, waren es im Jahr 2007 bereits mehr als 6,5 Mrd., was eine Verdopplung der Weltbevölkerung in etwas mehr als 50 Jahren bedeutet (UN 2008b).6 Auch diese Entwicklung setzt sich nach Angaben der Vereinten Nationen (UN 2008a) künftig fort. Sie prognostizieren für das Jahr 2050 eine Zunahme um ca. 2,5 Mrd. auf insgesamt mehr als 9 Mrd. Menschen. Beim Vergleich dieser Trends, zeigt sich, dass sich das gesamte Bevölkerungswachstum in urbanen Zentren konzentriert. Neben diesem „natürlichen“ Wachstum fangen die urbanen Ballungsräume in Form von Land-Stadt- Wanderungen zugleich einen zunehmenden Teil (ca. 600 Mio. Menschen) der ländlichen Bevölkerung auf (vgl. UN 2008a, S. 1). Alleine für die urbanen Regionen der Entwicklungs- und Schwellenländer rechnen die Vereinten Nationen mit einem Bevölkerungsanstieg um 2,9 Mrd. Menschen von 2,4 Mrd. im Jahr 2007 auf 5,3 Mrd. im Jahr 2050. Die urbane Population der Industriestaaten hingegen steigt im gleichen Zeitraum vergleichsweise geringfügig von 0,9 Mrd. auf 1,1 Mrd. (UN 2008a, S. 3). Abbildung 2 stellt die konträren Tendenzen in der Bevölkerungsentwicklung der entwickelten Staaten gegenüber den Schwellen- und Entwicklungsländern bis zum Jahr 2050 noch einmal graphisch dar.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Urbane und ländliche Bevölkerung nach Entwicklungsstand, 1950-2050; Quelle UN 2008a

Betrachtet man neben dem absoluten (Abbildung 3: Urbane und ländliche Bevölkerung nach Entwicklungsstand, 1950-2050; Quelle UN 2008a nun den relativen Bevölkerungszuwachs, wird die divergierende Urbanisierungstendenz in den höher entwickelten Staaten auf der einen und den Schwellen- und Entwicklungsländer auf der anderen Seite, besonders deutlich. Während die „more developed regions“7 heute bereits eine hohe Urbanisierungsquote aufweisen, stehen die „less developed regions“ bzw. Entwicklungs- und Schwellenländer (bis auf die Länder Südamerikas) erst am Anfang dieser Entwicklung. So lebten bereits 2007 74% aller Einwohner der höher entwickelten Länder in urbanen Gebieten. Demgegenüber standen lediglich 44% in den weniger entwickelten Ländern. In beiden Regionen gehen die Vereinten Nationen zwar auch in Zukunft von einem anhaltenden Wachstum der Städte aus, doch der vorhergesagte Anstieg der Urbanisierungsquote um mehr als 20% auf 67% im Jahr 2050 (UN 2008a, S.2) belegt, dass den Ländern der „less developed regions“ deutlich umfangreichere Umwälzungen in Form von zunehmenden Land-Stadt-Wanderungen und einem massiven Städtewachstum, sowie den damit verbundenen Problemen und Risiken (vgl. Kap. 3) bevorstehen. Setzt man den prognostizierten relativen Anstieg der urbanen Bevölkerung der Schwellen- und Entwicklungsländer in den Kontext ihrer absoluten Bevölkerungszahlen - man denke hier z.B. an China, Indien, Bangladesch oder Nigeria mit zusammen mehr als 2,7 Mrd.

Einwohnern (UN 2009) - spitzt sich der zukünftige geographische Fokus der weltweiten Urbanisierung zu: Er ist eindeutig in den Schwellen- und Entwicklungsländern anzusiedeln. Zusammenfassend lässt sich festhalten, dass der Prozess der rapiden Urbanisierung nicht mehr länger auf die industrialisierten Staaten der Welt beschränkt bleibt, in denen er mit der fortschreitenden Industrialisierung zwischen 1900 und 1950 seinen Anfang nahm und im Jahr 2007 in eine durchschnittliche Urbanisierungsrate von knapp 75% mündete (UN 2008a). Vor allem in den Schwellen- und Entwicklungsländern entstehen neue Städte und die bestehenden Städte, angetrieben von einem rasanten Bevölkerungswachstum, fortschreitender wirtschaftlicher Liberalisierung und der immer engeren Verknüpfung der Weltwirtschaft, wachsen in hohem Tempo weiter (vgl. Meyer 2007). Aus den Prognosen und Ausführungen zum verstärkten Urbanisierungstrend in den Entwicklungs- und Schwellenländern und angesichts zunehmend geringerer Urbanisierungsraten in den Industrienationen lässt sich die Hypothese ableiten, dass sich damit die geographische Verteilung von Megastädten weiter verschiebt.

Im nächsten Abschnitt gilt es daher vor dem Hintergrund der globalen Urbanisierungstendenz einen Überblick über die gegenwärtige und künftige geographische Verteilung des Phänomens Megacity zu gewinnen, bevor in Kapitel 3 direkt auf die mit Megacities verbundenen Risiken eingegangen wird.

2.3 Megacities als besonderes Phänomen des weltweiten Urbanisierungstrends

In Bezug auf die vorangehend skizzierten, weltumspannenden Urbanisierungsprozesse und des damit einhergehenden rapiden und global zu verzeichnenden Städtewachstums, bezeichnet Bronger (2004, S. 19) das 20. Jahrhundert als das „Jahrhundert der Metropolen“, um anschließend die Frage aufzuwerfen ob das 21. Jahrhundert ein „Jahrhundert der Megastädte“ werde. Diese Frage kann heute noch nicht abschließend beantwortet werden, es steht jedoch fest, dass das Wachstum und die immer größer werdende Anzahl von Megacities als ein spezifisches Merkmal der weltweit zu verzeichnenden Urbanisierungsprozesse zu werten sind (vgl. Kraas 2004).

[...]


1 Im weiteren Verlauf werden die Begriffe „Megacity“ und das deutsche Äquivalent „Megastadt“ synonym verwendet.

2 Neben den drei genannten Ansätzen zur Bestimmung urbaner Ballungsräume existiert eine Vielzahl weiterer Definitionen. Eine ausführliche Diskussion und Einordnung aller Definitionsansätze urbaner Siedlungsformen kann im Rahmen diese Arbeit nicht geleistet werden leisten. Eine umfassende Übersicht zu den verschiedenen Definitionsansätzen in der deutschsprachigen Stadtforschung liefert z.B. Bronger (2004, S. 30)

3 Der Begriff Global City wurde in den 90er Jahren durch die US-amerikanische Stadtsoziologin und Wirtschaftswissenschaftlerin Saskia Sassen (1991) in ihrem Werk „The Global City“ eingeführt.

4 Andere Autoren fassen den Begriff der Global City enger und weisen lediglich New York, London und Tokio als solche aus (vgl. Spreitzhofer 2006).

5 Laut Kraas (2003, S. 9) ist es letztlich ohnehin nicht zielführend starre Ober- und Untergrenzen für den Begriff der Megacity festzulegen, da jede Bestimmung subjektive Elemente beinhaltet und damit jederzeit anfechtbar ist. Aufgrund uneinheitlicher, individuell festgelegter administrativer Grenzen und einer insgesamt wenig verlässlichen Datenlage existiert zudem keine standardisierte Bemessungsgrundlage zur Bestimmung der Bevölkerungszahlen in den verschiedenen Megacities der Welt, so dass eine eindeutige Vergleichbarkeit nicht gewährleistet ist.

6 Die Geschwindigkeit des Wachstums wird besonders deutlich, wenn man die Gesamtbevölkerungszahl von 1,6 Mrd. aus dem Jahr 1900 hinzuzieht (vgl. Bronger, 2004, 19).

7 Die UN (2008a, VII) definiert „more developed countries“ und „less developed countries“ in diesem Zusammenhang folgendermaßen: Die „more developed regions” umfassen alle Länder Europas, sowie Nordamerika, Australien/Neuseeland und Japan. Die „less developed regions“ umfassen alle Länder Afrikas, Asiens (mit Ausnahme Japans), Lateinamerikas, der Karibik sowie Melanesien, Mikronesien und Polynesien.

Ende der Leseprobe aus 38 Seiten

Details

Titel
Megacities: Viele Menschen, viele Risiken
Untertitel
Industriestaaten und Entwicklungs- und Schwellenländer im Vergleich
Hochschule
Universität Passau  (Professur für Regionale Geographie)
Veranstaltung
Technik, Fortschritt, Risiken - Der Mensch und sein Bedrohungspotential -
Note
1,3
Autor
Jahr
2010
Seiten
38
Katalognummer
V188282
ISBN (eBook)
9783656119357
ISBN (Buch)
9783656119746
Dateigröße
1039 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Megacity, Megacities, anthropegene Risiken, natürliche Risiken, Bedrohungspotential, Copingstrategien, Entwicklungs- und Schwellenländer, Industriestaaten
Arbeit zitieren
Dennis Priester (Autor:in), 2010, Megacities: Viele Menschen, viele Risiken , München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/188282

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