Der koloniale Blick

Die Fotografie als Medium der Selbst- und Fremddarstellung


Magisterarbeit, 2006

96 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1 Quellen, Literatur und Forschungsstand
1.2 Vorgehensweise

2. Die Fotografie als historische Quelle
2.1 Die Illusion der Wahrhaftigkeit
2.2 Die Fotografie in der historischen Forschung
2.3 Anmerkungen zur Quellenkritik der verwendeten fotografischen Quellen

3. Die fotografische Erschließung der Wildnis
3.1 Anthropologische Betrachtungen des wilden afrikanischen Ureinwohners
3.2 Der zivilisierte Afrikaner
3.2.1 Afrikanische Lohnarbeiter
3.2.2 Afrikanische Bedienstete
3.2.3 Das koloniale Schulwesen
3.2.4 Afrikaner in den kolonialen Schutztruppen
3.3 Krankheiten der indigenen Bevölkerung

4. Die fotografische Selbstdarstellung der Kolonialherren

5. Tabus der kolonialen Fotografie
5.1 Krankheit und Tod der Kolonialherren
5.2 Kolonialjustiz
5.3 Der Bruch mit den Tabus

6. Schluss

Bildnachweis

Bildquellen

Literatur

Links

1. Einleitung

„Nicht der Schrift-, sondern der Photographieunkundige wird, so hat man gesagt, der Analphabet der Zukunft sein.“[1]

Die Auseinandersetzung mit Fotografien stellt für den Historiker eine große Herausforderung dar. Die vorliegende Arbeit, Der koloniale Blick setzt sich mit den Problemen im Umgang mit dieser Quellengattung[2] auseinander und untersucht ihren Nutzen für die Sozialgeschichte Deutsch-Ostafrikas. Ge- prüft werden soll außerdem, inwiefern die Fotografie als solches zu einem umfassenderen Verständnis der betrachteten Epoche beitragen kann.

Untersuchungsgegenstand ist die Kolonialfotografie, mit deren Hilfe die Selbst- und Fremddarstellung analysiert werden soll. Die Fotografie wird in ihrer Funktion als soziale Praxis betrachtet werden, die in gesell- schaftlichen Zusammenhängen stattfindet und ihre Bedeutung, weniger aus sich selbst heraus, als durch Zuschreibungen und Verwendungszusammen- hänge gewinnt.[3] Von Bedeutung sind daher, nicht nur die Art und Weise in der die koloniale Welt in Ostafrika abgelichtet wurde, sondern auch die ge- sellschaftlichen und historischen Zusammenhänge, die den kolonialen Blick prägten. In diesem Zusammenhang drängt sich die Frage auf, inwiefern das Sujet eines Fotografen repräsentativ für die Fremd- und Selbstwahrnehmung der kolonialen Gesellschaft sein kann.

Heikel ist die Erfassung der Veränderung der Mentalitäten […] Wann tritt ein Gemeinplatz auf, wann verschwindet er, wann fristet er, und das ist schwer zu bestimmen, nur noch eine kümmerliche Randexistenz? [4]

Die vorliegende Arbeit wird zeigen, dass es sich bei den verwendeten Auf- nahmen (schon allein aus technischen Gründen) nicht um zufällig entstan- dene, spontane Schnappschüsse handelt, sondern um gestellte Fotografien.

Diese Feststellung zieht indes weitere Fragen nach sich, denen im Weiteren nachgegangen werden wird: So ist neben der Frage nach dem repräsentativen Charakter der abgebildeten Fotografien, vor allem die Bewertung der Bilder auf zwei Betrachtungsebenen - der Ebene der Authentizität und der Ebene der Objektivität - von Relevanz.

1.1 Quellen, Literatur und Forschungsstand

Als Grundlage der Arbeit dienten vor allem der, zum überwiegenden Teil unveröffentlichte, Bildbestand der Deutschen Kolonialgesellschaft[5] in der Universität Frankfurt am Main[6] sowie Carl Georg Schillings’ illustrierter Reisebericht Mit Blitzlicht und Büchse. Neue Beobachtungen und Erlebnisse in der Wildnis inmitten der Tierwelt von Ä quatorial-Ostafrika (1905).[7]

Da ein Foto nur einen schmalen Ausschnitt von Zeit und Raum dar- stellt,[8] war es notwendig, eine Fülle von wissenschaftlicher Literatur zur Er- schließung des historischen Hintergrundes zu bemühen. Zu den wichtigsten Werken, die bei der Bearbeitung Verwendung fanden, gehören sozialge- schichtliche Publikationen Jürgen Bechers, die mit einer Fülle von verwert- baren Statistiken aufwarten[9] oder Anton Markmillers Forschungen zur Dis- ziplinierung der Eingeborenen in der kolonialen Gesellschaft.[10] Des Weite- ren ist unbedingt Heinrich Schnees Koloniallexikon[11] zu nennen. Obwohl es aus heutiger Sicht streckenweise ideologisch und wissenschaftlich überholt ist, leistet es in vielen Bereichen nach wie vor unschätzbare Dienste und ist daher zu den Standardwerken der deutschen Kolonialgeschichte zu zählen.[12]

Der methodische Umgang mit den Fotografien wurde inspiriert durch die eher philosophischen Ansätze Walter Benjamins, Roland Barthes’[13] und Susan Sontags, sowie durch Jens Jägers Einführung in die Historische Bild- forschung.

Die wissenschaftliche Auseinandersetzung mit kolonialer Fotografie konzentrierte sich bislang vor allem auf die insgesamt eingehender erforsch- ten Kolonialreiche Frankreichs[14] und Großbritanniens[15]. Obwohl es, wie die Fülle von Bildbänden und die häufige Verwendung von Bildern in diversen Veröffentlichungen belegen, grundsätzlich nicht an Bildmaterial mangelt, sind mediengeschichtliche Betrachtungen, wie Hermann Joseph Hierys Dar- stellung Bilder aus der deutschen Südsee,[16] die sich mit der deutschen Ko- lonialfotografie auseinandersetzen die Ausnahme. Die wissenschaftliche Analyse der Kolonialfotografie Deutsch-Ostafrikas ist hingegen ein weithin unbestelltes Feld.

1.2 Vorgehensweise

Unsere Wissenschaft macht nicht den Anspruch, daßdie Methode ihres Forschens die einzig wissenschaftliche sei ( § 14). Sie bescheidet sich, in ihren Darlegungen des Erforschten nicht mehr geben zu können, als zu er- forschen ihres Bereiches ist und ihre Methoden ihr möglich machen.[17]

Um einen Einblick in den methodischen Umgang mit Fotografien zu vermit- teln, ist der erste Teil der Arbeit der theoretischen Auseinandersetzung mit dem Medium gewidmet. Im Hauptteil werden die Quellen verschiedenen Oberbegriffen zugeordnet, die anschließend einer eingehenden Analyse un- terzogen werden. Dabei ist nicht zuletzt die Bewertung der Bilder auf Ebene der Authentizität sowie der Objektivität relevant, die wiederumeine eine profunde Auseinandersetzung mit den historischen und gesellschaftlichen Rahmenbedingungen voraussetzt.

Der Betrachtung der fotografischen Erschließung der Wildnis, d.h. der geografischen und anthropologischen Betrachtungen der Kolonie und seiner Ureinwohner, schließt sich die Auseinandersetzung mit der Selbstdarstellung der Europäer[18] an. Im Anschluss daran wird (im Kapitel Tabus der kolonialen Fotografie) der Frage nach dem nicht Dargestellten nachgegangen. Hierbei wird thematisiert, warum einzelne Aspekte des öffentlichen Lebens jener Zeit keinen Platz im fotografischen Nachlass fanden.

Abschließend wird eine Evaluierung bezüglich der Repräsentativität der betrachteten Bildzeugnisse für die Fremd- und Selbstwahrnehmung der kolonialen Gesellschaft vorgenommen.

2. Die Fotografie als historische Quelle

2.1 Die Illusion der Wahrhaftigkeit

Eine Fotografie gilt als unwiderleglicher Beweis dafür, dass ein bestimmtes Ereignis sich tatsächlich so abgespielt hat. Das Bild mag verzerren; immer aber besteht der Grund zu der Annahme, dass etwas existiert - oder existiert hat -, das dem gleicht, was auf dem Bild zu sehen ist.[19]

Seit ihrer Entstehung genießt die Fotografie den Nimbus der Authentizität. Ein Fotograf scheint in der Lage zu sein, ein bestimmtes Ereignis unmittel- bar und authentisch festzuhalten, wohingegen die Arbeit eines anderen Künstlers, der die gleiche Situation festzuhalten versucht, ungleich langwie- riger ist und somit die zeitliche Nähe zum dargestellten Objekt verliert. Die- ser zeitliche Abstand und die gestalterischen Möglichkeiten des Operators führen dazu, dass das Produkt zur Interpretation des eigentlichen Gescheh- nisses wird. Die technische Prozedur des Fotografierens erweckt hingegen den Anschein, es werde ein exaktes Abbild der Realität erzeugt. Auf diese Weise scheint nicht mehr die Sicht eines Dritten die Darstellung zu bestim- men, sondern ein unbestechlicher, physikalischer Vorgang, der eintreffen- des Licht auf einem lichtempfindlichen Medium festhält; die Möglichkeiten des Fotografen, auf diese Realität verfälschend Einfluss zu nehmen, wirken dadurch beschränkt.

Anders als die Kunstgegenstände vordemokratischer Epochen sind Fotogra- fien den Intentionen eines „ Künstlers “ offenbar nicht sonderlich verpflichtet. Vielmehr verdanken sie ihre Existenz einer lockeren Zusammenarbeit (quasi- magisch, quasi-zufällig) zwischen Fotograf und Sujet - wobei als Mittler ein immer stärker vereinfachter und automatisierter Automat fungiert, der un- ermüdlich ist, und, selbst wenn er Launen hat, etwas hervorbringen kann, das interessant und nie ganz falsch ist.[20]

Beim Blick auf eine Fotografie verlieren der Fotograf und die Fotografie als Medium ihre Bedeutung; der Betrachter wendet seine Aufmerksamkeit dem Dargestellten zu. Roland Barthes konstatierte, was immer ein Foto dem Au- ge zeige und wie immer es auch gestaltet sein möge, es bleibe doch allemal unsichtbar: es sei nicht das Foto, sondern das Motiv, das man sehe.[21] Das Bild wird somit als Reproduktion der Wirklichkeit wahrgenommen. Sieht man einmal von Möglichkeiten der nachträglichen Verfäl-schung von Bildern, durch Retuschen, Ausschnitte, digitale Bearbeitung etc., ab,[22] zeigen Fotografien ihr Motiv tatsächlich so, wie es sich dem Objektiv offenbarte. Wenngleich eine Fotografie die Zeit einzufrieren vermag, trägt sie zur Erkenntnis des Spectrums meist nur wenig bei.[23] Niemals ist sie in der Lage, eine Situation in ihrer Gesamtheit zu erfassen, sie bleibt immer dem dargestellten Augenblick und Ausschnitt verhaftet. An dieser Stelle kommt der Einfluss des Operators zum Tragen. Er komponiert das Bild durch die Wahl des dargestellten Motivs und den Zeitpunkt der Aufnahme. Er wählt das Aufnahmematerial (Film bzw. Trockenplatte), bestimmt die Beleuchtung, die Belichtungszeit, Blende, Scharfstellung, Farbfilterung, Objektivbrennweite und den Blickwinkel. Auf diese Weise entscheidet er - ob nun bewusst oder unbewusst - über das, was dem Betrachter später als vermeintliche Wirklichkeit präsentiert wird.

Während dem geschriebenen Wort im Allgemeinen kritisch begegnet wird, da man den Autoren eine ideologische Standortgebundenheit unter- stellt, erscheinen Fotografien den meisten Betrachtern unverdächtig. Dieses Phänomen ist darauf zurückzuführen, dass die Einflussmöglichkeiten des Fotografen nach wie vor unterschätzt werden oder nicht bekannt sind. So wird einer ganzen Zeitung misstraut, jedoch nicht dem in ihr veröffentlich- ten Pressefoto. Tatsächlich sollten auch Fotografien mit der gleichen Skep- sis betrachtet werden, da sich die Einflussmöglichkeiten des Fotografen von denen des Autoren (in der Wirkung) nur unwesentlich unterscheiden.[24]

Durch das Festhalten eines Augenblicks in einem Bild, wird das dar- gestellte Motiv seiner Zugehörigkeit entrissen; es wird vom Subjekt (im Rahmen seiner Umwelt) zum Objekt. Das Ergebnis wirkt oftmals verzerrt. Menschen erscheinen als Karikaturen ihrer selbst oder, wenn sie vorteilhaft fotografiert wurden bzw. fotogen sind, deutlich schöner als in der Realität. Wie sehr ein Spectrum verfremdet werden kann, belegen professionelle Portraitaufnahmen, in denen Personen vor inszenierten Kulissen fotografiert werden. Dort unterscheidet sich das auf das Bild gebannte Ergebnis voll- ständig von der Betrachtungsweise des Fotografen oder des Fotografierten; dabei würde bereits eine kleine Verschiebung des Objektivs die Künstlich- keit der Situation entlarven.[25]

Der Fotograf ist jedoch nicht der Einzige, der Einfluss auf das Bild nehmen kann; auch der Fotografierte hat, sofern er bemerkt, dass er fotogra- fiert wird, einen gewissen Spielraum. In der Regel wird er posieren und ver- suchen, sich in einem möglichst guten Licht zu präsentieren, dem Anschein nach die Kamera ignorieren, um möglichst natürlich zu wirken oder versu- chen, sich dem Fotografieren zu entziehen. In jedem Fall wird die Kamera Einfluss auf das Verhalten des Spectrums haben, wie Roland Barthes aus eigener Erfahrung berichtet:

Doch sehr oft (zu oft, wie ich finde) wußte ich, daßich photographiert wurde. Sobald ich nun das Objektiv auf mich gerichtet fühle, ist alles anders: ich nehme eine „ posierende “ Haltung ein, schaffe mir auf der Stelle einen ande- ren Körper, verwandle mich bereits im voraus zum Bild. Diese Umformung ist eine aktive: ich spüre, daßdie Photographie meinen Körper erschafft oder ihn abtötet, ganz nach ihrem Belieben […].[26]

Hinzu kommt, dass der Einfluss des Fotografen auf das Bild wächst, je mehr Zeit er auf die Vorbereitung verwendet. Doch wie verhält es sich mit den so genannten Schnappschüssen, also Bildern, die ohne Vorbereitung, entstehen? Schnappschüsse sind die geradlinigste Form des Mediums. Zwar spiegeln sie, wie jede andere Fotografie, nur einen kurzen, begrenzten Aus- schnitt wider, dennoch sind sie weitgehend von der (bewussten) Einwirkung des Operators befreit.

Mit dem Betätigen des Auslösers sind die Möglichkeiten der Ein- flussnahme durch Dritte allerdings nicht beendet. Anschließend werden kor- rektive und protektive Arbeiten am Sujet verrichtet. Die korrektiven Arbei- ten umfassen alle Maßnahmen, in denen Fotografien vor ihrer Veröffentli- chung[27] verändert werden. Hierbei stehen dem Fotografen zwei Möglichkei- ten zur Verfügung: Selektion und ästhetische Manipulation (z.B. durch die Vergrößerung von Bildausschnitten bei der Entwicklung). In der Regel wer- den bewusst deutlich mehr Bilder geschossen, als tatsächlich benötigt wer- den, so dass ein großer Teil der Fotos vor ihrer Verwendung ausgesondert werden kann. Die protektive Arbeit vollzieht sich durch die Sammlung. Durch sie wird die Wertigkeit einzelner Fotos verändert, indem sie die ein- zelnen Bilder in ein zusammenhängendes System stellt, das schließlich dem Betrachter präsentiert wird.[28]

2.2 Die Fotografie in der historischen Forschung

Während sich die Fotografie, seit den 1850er Jahren, vor allem in den Na- turwissenschaften und Kriminalistik als bedeutendes Forschungsmittel und Dokumentationsmedium etablieren konnte, ein vergleichbarer pictorial turn in den Geschichtswissenschaften (bislang) weitgehend ausgeblieben. Dabei sind Bilder [i] n vielen Zweigen der Geschichtswissenschaft […] durchaus als Quelle ak zeptiert und anerkannt. Mediävisten und Frühneuzeithistoriker haben seit Jahrzehnten mit Bildern gearbeitet. Die zahlreich vorliegenden Studien be weisen, wie befruchtend diese Praxis auf die Forschung wirkt. In der Histo riographie der Neuzeit und Zeitgeschichte wird dem Bild als Quelle dagegen weniger Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl seit dem 19. Jahrhundert die Bilderproduktion ins Gigantische gewachsen ist.[29]

Worin liegt diese Zurückhaltung der Historiker begründet? Wie im vorangegangen Unterkapitel dargestellt, vermögen Fotografien nicht die Wirklichkeit zu konservieren. Fotografien sind niemals neutral und unterliegen, wie andere historische Quellen auch, dem Einfluss ihres Schöpfers. Sie sind vieldeutig in ihrer Aussagekraft, so dass sie in geschichtswissenschaftlichen Publikationen als Ausschmückung und Bebilderung, seltener jedoch in ihrer Funktion als historische Quelle, Verwendung finden.[30]

Wer jedoch Fotografien zu schmückendem Beiwerk reduziert, verkennt ihren unschätzbaren Wert als historische Quelle. Sie sind befähigt, Dinge darzustellen, die durch Worte kaum erfasst werden können. Der amerikanische Fotograf Lewis W. Hine brachte dies auf den Punkt, indem er erklärte, dass er wenn er seine Geschichte in Worten erzählen könnte, keine Kamera mit sich herumzuschleppen bräuchte.[31]

So sind Fotografien in der Kunst- oder Architekturgeschichte von Nutzen, um Veränderungen oder Zerstörungen an einem Objekt oder Stadt- bild zu dokumentieren. Aus der Auseinandersetzung mit historischen Kri- minalfällen oder Kriegsverbrechen sind Fotografien, als Erkenntnisquellen nicht wegzudenken. Für die Sozialgeschichte können auch private Fotogra- fien, die Alltagssituationen abbilden, von Bedeutung sein. Durch die Allge- genwart der Kamera entstehen Zeitdokumente von Menschen, die anderen- falls keine Quellen, wie etwa literarische Hinterlassenschaften, produzieren würden. Die Fotografie trägt somit zu einer Demokratisierung der histori- schen Quellen bei, indem sie (durch die Beteiligung der Unterschichten) die Perspektive der Betrachtung erweitert.[32] Dies sind nur wenige Aspekte in denen Fotos als historische Quellen von Bedeutung sind - die Aufzählung ließe sich problemlos fortsetzen.

Der subjektive Einfluss des Fotografen auf das Bild eröffnet der Wissenschaft weitere Betätigungsfelder. Ähnlich wie bei einer historischen Betrachtung von Reiseliteratur, in der nicht nur das Beschriebene, sondern auch der Autor analysiert wird, wird der Fotograf selbst zum Forschungsge- genstand. Auf diese Weise lassen sich aus den Bildern Erkenntnisse über die Gesinnung eines Fotografen oder seine manipulative Absicht gewin- nen.[33]

Ein verbreitetes Problem ist der Nachweis des Bildmaterials. Welche Auswirkungen die falsche Zuordnung von Bildern haben kann, bewies die Kontroverse um die Ausstellung Vernichtungskrieg - Verbrechen der Wehrmacht 1941-1944 des Hamburger Instituts für Sozialforschung.[34] Un- kommentierte Fotobestände lassen sich, wegen ihrer Vieldeutigkeit, nach- träglich kaum zuordnen. Dies gilt in besonderem Maße für private Foto- sammlungen.[35] Doch auch gegenüber beschrifteten Fotografien ist Miss- trauen angebracht, da die Titel und Kommentare gefälscht, nachträglich hinzugefügt oder irreführend sein können. Der Umgang mit fotografischem Material in historischen Publikationen erfordert die gleiche Sorgfältigkeit in der Quellenkritik, wie sie bei jeder anderen Quelle selbstverständlich ist; selbst dann, wenn die Bilder nur zur Illustration herangezogen werden.

Versteht man Fotografie als soziale Praxis, die sich in gesellschaftli- chen Kontexten vollzieht, gewinnt sie ihre Bedeutung weniger aus sich selbst heraus als durch Zuschreibungen und Verwendungszusammenhän- ge.[36] Die Zuordnung von Fotografien erfordert also besondere Aufmerk- samkeit. Bedauerlicherweise stößt man jedoch immer wieder auf Veröffent- lichungen, in denen allzu leichtfertig mit dem Bildmaterial umgegangen wird. So fehlen oftmals bereits die grundlegenden Angaben, wie die Nen- nung des Fotografen, des Zeitpunktes und Ortes, an dem eine Fotografie entstanden ist, oder der Nachweis, wo das Original zu finden ist. Oftmals wird lediglich auf ein anderes Buch verwiesen, in dem der Autor auf eine Fotografie gestoßen ist; der tatsächliche Quellenpfad bleibt dem Leser (wie möglicherweise auch dem Autor selbst) verborgen. Angesichts solcher Nachlässigkeiten ist es nicht verwunderlich, dass Bilder, auch in Publikati- onen mit wissenschaftlichem Anspruch, immer wieder falsch zugeordnet werden.

Ein Bild besitzt niemals nur eine einzige Bedeutung. Daher sind die Fragestellung und das Erkenntnisinteresse des Historikers entscheidend für die Forschungspraxis.[37] Aus der Vieldeutigkeit und problematischen Zuord- nung von Fotografien leitet sich eine besondere Verantwortung für den His- toriker ab. Fotos eignen sich nur dann als historische Quelle, wenn sie nach den Kriterien der inneren und äußeren Quellenkritik analysiert werden.

2.3 Anmerkungen zur Quellenkritik der verwendeten fotografischen Quellen

Wie bereits erwähnt, erfordert der Umgang mit Fotografien die gleiche sys- tematische Analyse wie der Umgang mit jeder anderen historischen Quelle auch. In der äußeren Quellenkritik ist hierbei vor allem die Untersuchung der Echtheit, der Vollständigkeit und der Abhängigkeit zu anderen Quellen von Bedeutung. Die Frage nach der Echtheit einer Fotografie bezieht sich nicht nur auf die Fotografie selbst, sondern auch auf mögliche Beschriftun- gen. Die Techniken zur Manipulation von Fotos sind so alt wie die Fotogra- fie selbst und haben sich im gleichen Maße weiter entwickelt. So sind die Retuschen vergangener Zeit längst durch die digitale Bildbearbeitung ver- drängt worden.[38] Um die Echtheit einer Fotografie zu bestimmen, sollte nach Möglichkeit das Negativ selbst überprüft werden.[39] Ebenso können auch eventuell vorhandene Bildunterschriften hinterfragt werden, da diese verändert oder nachträglich hinzugefügt worden sein können. Es ist daher zu überprüfen, ob das Foto tatsächlich zeigt oder zeigen kann, was es darzu- stellen vorgibt. Kenntnisse über Mode und Gebräuche können bei der Zu- ordnung der Fotografien hilfreich sein, in vielen Fällen sind diese aber nicht ausreichend. So müssen häufig weitere Quellen, in Form von schriftlichen Quellen oder weiteren Bildern, zum Vergleich herangezogen werden.

Stellt sich eine Fotografie als Fälschung heraus, verliert sie dadurch nicht zwangsläufig ihren Quellenwert; möglicherweise ist gerade die Tatsa- che, dass das Bild manipuliert wurde von historischem Interesse. Prominen- te Beispiele sind die Versuche, Leo Trotzki oder Alexander Dubček aus dem kollektiven Bewusstsein zu tilgen, indem man sie aus Fotografien weg- retuschierte.[40]

Zusammen mit den Regeln der Quellenkritik muss die Vollständig- keit der Quellen hinterfragt werden. Auf den ersten Blick erscheint die Fra- ge nach der Vollständigkeit befremdlich, liegt eine Fotografie doch in der Regel als Ganzes vor. Dieser Anschein kann jedoch täuschen. Nicht selten handelt es sich bei dem Abgebildeten um einen Ausschnitt aus einer Foto- grafie. Sofern die Aussage des Bildes dadurch nicht verändert wurde, ist dies ohne Belang; allerdings besteht die Möglichkeit, dass dem Betrachter durch diesen Eingriff wichtige Informationen vorenthalten werden. Die Vollständigkeit einer Quelle steht in engem Zusammenhang mit der Abhän- gigkeit zu anderen Quellen.[41] Andere Quellen können in diesem Sinne unter anderem weitere Fotografien einer gemeinsamen Fotoreihe, aber auch schriftliches Material, wie Notizen oder Zeitungsartikel, die mit der Veröf- fentlichung eines Fotos im Zusammenhang stehen, sein. Der Nachweis die- ser Abhängigkeiten dient dazu, die Quellen in ihren historischen Kontext einzuordnen und Irritationen, die durch das fotografische Einfrieren eines Augenblicks entstehen können, zu beseitigen.

Um Befunde über den objektiven und subjektiven Aussagewert von Fotografien zu gewinnen, ist es erforderlich, die Methoden der inneren Quellenkritik anzuwenden. Auf Grund ihrer örtlichen und zeitlichen Nähe zählen Fotografien eindeutig zu den Primärquellen, also zu den Quellen ers- ter Ordnung. Wenngleich sie dazu dienen, den Augenblick für die Nachwelt festzuhalten, geschieht dies (in der Regel) nicht in einem historischen Inte- resse; daher sind sie überdies den Überrestquellen zuzuordnen.

Fotografische Quellen weisen Besonderheiten auf, die eine gesonder- te Betrachtung notwendig machen. Es bietet sich an, fünf Ebenen der Au- thentizität in den Mittelpunkt der inneren Quellenkritik zu stellen und - so- fern Erkenntnisse über alle Ebenen vorliegen - deren Verhältnis zueinander zu analysieren. Diese Ebenen bestehen aus: der Fotografie, dem Spectrum (Motiv), dem Operator (Fotografen), den vermittelnden Medien sowie dem Spectator (Betrachter bzw. Adressat). Obzwar die Gewichtung der einzel- nen Ebenen von der Fragestellung abhängt, ist eine Beachtung aller genann- ten Aspekte immer erforderlich, da sie miteinander im unmittelbaren Zu- sammenhang stehen.

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Im Mittelpunkt der Betrachtung steht selbstverständlich die Fotografie selbst. Hierbei sind nicht nur die durch sie transportierte Abbilder von Re- levanz, sondern auch die technischen Möglichkeiten, die Einfluss auf sie hatten. Einblicke in die technischen Möglichkeiten jener Zeit, lassen sich aus der Arbeit C. G. Schillings’ gewinnen, dessen Fotografien z. T. unter widrigsten Umweltbestimmungen entstanden.[42]

Dass der Fotograf Einfluss auf die Fotografie nimmt, ist auf den vo- rangegangenen Seiten bereits dargestellt worden. In die Bewertung einer Fotografie muss daher auch die Kompetenz des Operators, als Verfasser ei- ner historischen Quelle, einfließen. Wenngleich es banal klingen mag, soll an dieser Stelle darauf hingewiesen werden, dass die Kolonialfotografie immer aus europäischer, bzw. amerikanischer Perspektive heraus entstand. Fotografische Selbstzeugnisse der indigenen Bevölkerung entstanden erst deutlich später, in postkolonialer Zeit.

Um eine Tendenz des Fotografen feststellen zu können, muss hinter- fragt werden, in welcher Weise die Persönlichkeit, Herkunft und Bildung des Fotografen die Darstellung beeinflussten? An dieser Stelle kommen nicht zuletzt der Geschmack, wie auch das technische Verständnis des Fo- tografen zum Tragen. So sind von einem Ethnologen, der im sicheren Um- gang mit der Kamera geübt ist, über eine entsprechende Ausrüstung und ei- ne Vorstellung verfügt, was er fotografieren will, vollkommen andere Er- gebnisse zu erwarten, als etwa von einem Hobbyfotografen.

Die dargestellten Motive liegen im Endprodukt nur als Ausschnitt vor. Tatsächlich präsentieren sie sich dem Fotografen in anderer Form, als dem Betrachter der Quelle. Die Auseinandersetzung mit dem Spectrum ver- folgt daher vor allem das Ziel, die Authentizität der Bilder zu hinterfragen und herauszustellen was auf der Fotografie nicht zu sehen ist.[43] Da viele der verwendeten Sujets Menschen abbilden, denen die Kamera nicht verborgen blieb, ist auch ihr Verhalten von Bedeutung für die Bewertung der Quelle. Als vermittelnde Medien zählen all jene Informationen, die der Fotografie beiseite gestellt werden. In diesen Medien wird dem Spectator die Interpre- tation des Dargestellten vorweggenommen, zumindest jedoch beeinflusst - sei es direkt, durch Bildunterschriften, oder indirekt, durch die Zuordnung in einen gemeinsamen Zusammenhang, in einer Ausstellung, einer Foto- sammlung oder einem Buch. Die Adressaten nahmen ihrerseits auch Einfluss auf die koloniale Fotografie. In direkter Weise durch Auftragsarbeiten, die Fotografen einem Museum oder Verlag abzuliefern hatten, sowie in indirekter Form, durch die Nachfrage nach bestimmten Motiven; vor allem nach möglichst exotischen Sujets.[44]

3. Die fotografische Erschließung der Wildnis

Wie Fotografien dem Menschen den imaginären Besitz einer Vergangenheit vermitteln, die unwirklich ist, so helfen sie ihm auch, Besitz von einer Um welt zu ergreifen, in der er sich unsicher fühlt.[45]

Die Literatur und Fotografie haben den Stereotyp des tropischen Kolonisten hervorgebracht, welcher, der Vorstellung nach, als eine Mischung aus Abenteurer, Jäger und Forscher mit dem Gewehr unter dem Arm durch die Savannenlandschaft zog.

Weite Teile Afrikas waren bis ins 20. Jahrhunderts hinein niemals von einem Europäer betreten, geschweige denn erschlossen worden und bo- ten Sammel- und Forschungsreisenden[46] somit ein weites Betätigungsfeld. In ihrem Gepäck befand sich nicht selten eine fotografische Ausrüstung, um das Entdeckte abzulichten. Im Gegensatz zum Reisenden der Aufklärung, der in die Ferne reiste, um sich philosophisch weiterzubilden, waren die Vorstöße der Forschungsreisenden ins Innere Afrikas, bewaffnete und gut ausgerüstete Expeditionen, durch die sie den Kontinent für ihre Auftragge- ber erschließen sollten.[47] Ihre Reisen wurden durch staatliche Institutionen, wie das Auswärtige Amt oder das Kolonialamt gefördert, aber auch durch Industrielle oder Museen, die sich von der Finanzierung Erkenntnisse bzw. Bilder und Exponate aus dem schwarzen Kontinent erhofften.[48]

Exemplarisch für die Erschließung der Wildnis soll der Nachlass von C. G. Schillings betrachtet werden. Schillings betont in der Einleitung sei- nes Reiseberichtes die Authentizität seiner Fotografien[49] und vergleicht sie mit den verbreiteten Bildern in der zoologischen Literatur, „die vielfach ge- radezu lächerlich auf den Kenner wirken mußten“.[50] So kritisiert er grob- schlächtige Zeichnungen oder Fotografien, in denen ausgestopfte Tiere in freier Wildbahn fotografiert wurden und „nur geeignet waren, ganz falsche Vorstellungen zu erwecken“[51]. Weiter beklagte Schillings, dass ihm das Ta- lent versagt geblieben sei, detailgetreue Zeichnungen über die afrikanische Tierwelt anzufertigen,[52] so dass ihm „photographische Aufnahmen als das einzig Mögliche und Erwünschte“ [53] erschienen. Wie ein Blick auf Schil- lings’ Fotoausrüstung erahnen lässt, war der zusätzliche Aufwand, den er auf Grund seiner Entscheidung für das junge Medium in Kauf nehmen musste, nicht gerade gering. So mussten zusätzliche Träger und Lasttiere zum Transport der Ausrüstung mitgenommen werden. Auch technische Probleme erschwerten ihm das Leben, so dass, in Zusammenarbeit mit der Optischen Anstalt Goerz, über Jahre hinweg fotografische Pionierarbeit geleistet werden musste, um die Kameras und Blitzlichter den Ansprüchen der Wildnis anzupassen bzw. sie eigens dafür anzufertigen.[54]

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Meine photographische Ausrüstung war sehr umfangreich und in zahlreichen Kisten verpackt.

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Rast in der Steppe während eines photographischen Ausfluges.

Offenbar zeitigten Schillings’ Bemühungen Erfolg: Bei seinen Reisen in teilweise unerforschte Gegenden Deutsch-Ostafrikas machte er eine Viel- zahl von spektakulären Fotografien der Landschaft, Bevölkerung und Tier- welt. Schillings’ Bilder entführten den Betrachter in eine fremde, exotische Welt voller wilder Tiere und bezaubernder Landschaften. Gleichzeitig wies er im Text seines Buches auf die Empfindlichkeit des afrikanischen Ökosys- tems hin[55] und verschwieg auch nicht die Schattenseiten des Lebens in Af- rika, die er durch eine Malaria-Erkrankung selbst erleben musste.[56]

[...]


[1] BENJAMIN, WALTER: Kleine Geschichte der Photographie. In: BENJAMIN, WALTER: Das Kunstwerk in seiner technischen Reproduzierbarkeit. Drei Studien zur Kunstsozio- logie. Frankfurt am Main 1963 (edition suhrkamp), S. 64.

[2] [Historische] Quellen nennen wir alle Texte, Gegenstände oder Tatsachen, aus denen die Kenntnis der Vergangenheit gewonnen werden kann. KIRN, PAUL: Einführung in die Geschichtswissenschaft, dritte Auflage. Berlin 1959, S. 29.

[3] Vgl. JÄGER, JENS: Photographie: Bilder der Neuzeit. Einführung in die Historische Bild- forschung. Tübingen 2000, S. 79.

[4] LEGOFF, JACQUES zitiert nach JÄGER, JENS (2000), S. 78.

[5] Die Deutsche Kolonialgesellschaft entstand durch die Fusion der Gesellschaft für Deut- sche Kolonisation (gegründet 1884) mit dem Deutschen Kolonialverein (gegründet 1882). Die somit entstandene Gesellschaft wurde mit ihren in- und ausländischen Abteilungen zum größten und einflussreichsten kolonialen Interessenverband im Deutschen Kaiserreich (und der Weimarer Republik). Ihre Aufgaben sah die Gesell- schaft im Werben für ein nationales Verständnis und Interesse für die Kolonialfrage, der praktischen Lösung kolonialer Fragen durch die Unterstützung deutsch- nationaler Kolonisationsunternehmen, der Steuerung der deutschen Auswanderung sowie der Förderung des Zusammenhaltes der Deutschen im Ausland. Vgl. DEMHARDT, IMRE JOSEF: Deutsche Kolonialgesellschaft 1888-1918. Ein Beitrag zur Organisationsgeschichte der deutschen Kolonialbewegung. Wiesbaden 2002, S. 55ff.

[6] Aus dem Fundus der 55.000 Fotografien des Archivs, wurden ca. 8.000 Bilder berüc k- sichtigt, die für den betrachteten geographischen und zeitlichen Raum von Belang waren. Hinzu kamen weitere Bilder aus verschiedenen Publikationen, die im Litera- turverzeichnis genannt sind. Da die Fotografien als wichtigste Quelle im Mittel- punkt der Betrachtung stehen, wurde darauf verzichtet, sie (wie sonst gemeinhin üb- lich) in den Anhang zu stellen.

[7] SCHILLINGS, CARL GEORG: Mit Blitzlicht und Büchse. Neue Beobachtungen und Erleb- nisse in der Wildnis inmitten der Tierwelt von Ä quatorial-Ostafrika. Leipzig 1905.

[8] Vgl. SONTAG, SUSAN: Über Fotografie, 17. Auflage. Frankfurt am Main 2006, S. 28.

[9] BECHER, JÜRGEN: Dar es Salaam, Tanga und Tabora. Stadtentwicklung in Tansania u n- ter deutscher Kolonialherrschaft (1885-1914). Stuttgart 1997. (Missionsgeschichtli- ches Archiv. Studien der Berliner Gesellschaft für Missionsgeschichte, Band 3); sowie BECHER, JÜRGEN: Die deutsche evangelische Mission. Eine Erziehungs- und Disziplinierungsinstanz in Deutsch-Ostafrika. In: WIRTZ, ALBERT; et al. (Hrsg.): Al-

[10] MARKMILLER, ANTON: „ Die Erziehung des Negers zur Arbeit “ . Wie die koloniale Päd a- gogik afrikanische Gesellschaften in die Abhängigkeit führte. Berlin 1995. (Reflek- tierte Praxis: DED-Beiträge zur Entwicklungspolitik) les unter Kontrolle. Disziplinierungsprozesse im kolonialen Tansania (1850-1960). Köln 2003.

[11] SCHNEE, HEINRICH (Hrsg.) Deutsches Kolonial-Lexikon, Band 1-3. Leipzig 1920. - Das Lexikon war bei Ausbruch des Ersten Weltkriegs bereits zum überwiegenden Teil fertig gestellt; der erste Band stand unmittelbar vor der Veröffentlichung. Nach dem Krieg verzichtete man auf eine Überarbeitung, da diese zu weitern Kosten geführt bzw. die Veröffentlichung nochmals verzögert hätte.

[12] Die richtige Zuordnung stellt für einen großen Teil der älteren Literatur über das deut- sche Kolonialreich ein Problem dar. Wenngleich in ihnen der Versuch erkennbar ist, sich wissenschaftlich mit dem Kolonialismus auseinanderzusetzen, besitzen sie, auf Grund ihrer oftmals revisionistischen oder ideologisierenden Sichtweise, eher den Charakter einer historischen Quelle, als einer modernen wissenschaftlichen Arbeit. Da die Primärquellen der vorliegenden Arbeit aus Fotografien bestehen, wurde auf eine Verbannung der angesprochenen Literatur in das Verzeichnis der Quellen ver- zichtet.

[13] BARTHES, ROLAND: Die helle Kammer. Bemerkungen zur Photographie. Frankfurt am Main 1989.

[14] Vgl. u.a. BLANCHARD, PASCAL; CHATELIER, ARMELLE (Hrsg.): Images et colonies. Na- ture, discours et influence de l ’ iconographie coloniale li é e à la propagande colo- niale et à la repr é sentation des Africains et de l ’ Afrique en France, de 1920 aux In- dependances. Paris 1993.

[15] Vgl. u.a. CANNADINE, DAVID: Ornamentalism. How the British Saw Their Empire. London 2002; sowie RYAN, R. JAMES: Picturing Empire. Photography and the Visualization of the British Empire. Chicago 1997.

[16] HIERY, HERMANN JOSEPH: Bilder aus der deutschen Südsee. Fotografien 1884-1914. Paderborn, et. al. 2005.

[17] DROYSEN, JOHANN GUSTAV: Historik. Vorlesungenüber Enzyklopädie und Methodolo- gie der Geschichte, 6. unveränderte Auflage . HÜBNER, RUDOLF (Hrsg.). Darmstadt 1971.

[18] Der Begriff Europäer wird in der vorliegenden Arbeit ethnisch verwandt, das heißt er schließt auch Amerikaner (europäischer Herkunft) ein.

[19] SONTAG, SUSAN (2006), S. 11-12.

[20] Ebenda, S. 55.

[21] BARTHES, ROLAND (1989), S. 14.

[22] Die Konsequenzen des Lügens müssen für die Fotografie zwangsläufig bedeuts amer sein, als sie es für die Malerei je sein können, weil die Bilder der Kamera einen Anspruch auf Wahrhaftigkeit erheben, wie ihn Gemälde niemals erheben können. Ein ge- fälschtes Gemälde (ein Gemälde, das einem falschen Maler zugeschrieben wird) verfälscht die Kunstgeschichte. Ein gefälschtes Foto (ein Foto, das retuschiert, auf andere Weise verändert oder mit einer falschen Bildunterschrift versehen wurde) verfälscht die Wirklichkeit. SONTAG, SUSAN (2006), S. 85. Vgl. STIFTUNG HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.): Bilder, die lügen. Be- gleitbuch zur Ausstellung Stiftung Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland, dritte Auflage. Bonn 2003. S. 16-23.

[23] Vgl. SONTAG, SUSAN (2006), S. 109.

[24] Zum Verhältnis zwischen Macht und fotografischer Propaganda vgl. STIFTUNG HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.): Bilder und Macht. Begleitbuch zur Ausstellung im Haus der Geschichte der Bundesrepublik Deutsch- land, Bonn 28. Mai bis 17. Oktober 2004. Bielefeld 2004; sowie LOIPERDINGER, MARTIN (Hrsg.): Führerbilder. Hitler, Mussolini, Roosevelt, Stalin in Fotografie und Film. München 1995.

[25] Walter Benjamin amüsierte sich über die entfremdenden Portraitaufnahmen des 19. Jahrhunderts, die er als eine der Schattenseiten der neuen Technik bezeichnete: Da- mals sind jene Ateliers mit ihren Draperien und Palmen, Gobelins und Staffeleien entstanden, die so zweideutig zwischen Exekution und Repräsentation, Folterkam- mer und Thronsaal schwankten und aus denen ein erschütterndes Zeugnis ein frühes Bildnis von Kafka bringt. Da steht in einem engen, gleichsam demütigenden, mit Posamentenüberladenen Kinderanzug der ungefähre sechsjährige Knabe in einer Art von Wintergartenlandschaft. Palmenwedel starren im Hintergrund. Und als gel- te es, diese gepolsterten Tropen noch stickiger und schwüler zu machen, trägt das Modell in der Linken einen unm äß ig großen Hut mit breiter Krempe, wie ihn Spani- er haben. Gewiß, daßes in diesem Arrangement verschwände, wenn nicht die uner- messlich traurigen Augen diese ihnen vorbestimmte Landschaft beherrschen würden. BENJAMIN, WALTER (1963), S. 54.

[26] BARTHES, ROLAND (1989), S. 18-19.

[27] Dies betrifft private (wobei die Bezeichnung „Veröffentlichung“ in diesem Sinn sehr eng gefasst ist), wie auch professionelle Fotografien, wobei die Zahl der überzähli- gen Fotos der professionellen Fotografen, (etwa bei Sport- Presse- oder Modefoto- grafen etc.) die der Hobbyfotografen um ein Vielfaches übersteigt. Darüber hinaus wirkt sich die Fototechnik auf das Verhalten der Operatoren aus: Lange Belich- tungszeiten und teure Negative schränkten die Möglichkeiten des Fotografierens, bis zur Entwicklung des Rollfilms (Kodak No. 1; 1888), deutlich ein. Seither hat sich das Medium, bis zu seinem vorläufigen Höhepunkt, der digitalen Fotografie, konti- nuierlich so weiter entwickelt, dass der Operator in immer kürzerer Zeit und unter Einsatz immer geringerer Mittel eine immer größere Anzahl Bilder schießen kann.

[28] Vgl. SELKE, STEFAN: Private Fotos als Bilderrätsel - Eine soziologische Typologie der Sinnhaftigkeit visueller Dokumente im Alltag. In: ZIEHE, IRENE; HÄGELE, ULRICH (Hrsg.): Fotografien vom Alltag - Fotografieren als Alltag. Tagung der Kommission der Deutschen Gesellschaft für Volkskunde und der Sektion Geschichte und Archive der Deutschen Gesellschaft für Photographie im Museum Europäischer Kulturen - Staatliche Museen zu Berlin vom 15. bis 17. November 2002. Münster 2004 (Visuel- le Kultur. Studien und Materialien, Band 1), S. 57ff.

[29] JÄGER, JENS (2000), S. 9.

[30] Miriam Y. Arani kritisierte in ihrer Analyse der Wehrmachtsausstellung, dass in Publi- kationen und Ausstellungen verwendete Fotografien dazu benutzt werden, das aus- zusagen was sie aussagen sollen: […] Wie auch in anderen historischen Ausstellun- gen wurde das Bildmaterial in erster Linie deduktiv benutzt, d. h. abstrakte sprach- liche Aussagen sollten durch sinnlich-konkret veranschaulicht werden. Diese unter Historikernübliche und von Fotohistorikern oftmals kritisierte illustrative Ge- brauchsweise von Fotografien wurde hierbei vergleichsweise wirkungsvoll einge- setzt. ARANI, MIRIAM Y.: „ Und an den Fotos entzündete sich die Kritik “ . Die „ Wehrmachtsausstellung “ , deren Kritiker und die Neukonzeption. Ein Beitrag aus fotohistorisch-quellenkritischer Sicht. In: Fotogeschichte 85/86 (2002), S. 97.

[31] HINE, LEWIS W. zitiert nach: SONTAG, SUSAN (2006), S. 175.

[32] Dabei zeigen [p] rivate Fotos […] nichts Überraschendes, sie transportieren keine gro- ßen Botschaften. Sie belegen schöne Episoden und kleine Dramen des Alltags. Ba- nalität ist jedoch nicht gleich bedeutend mit Unwichtigkeit, in ihrer Marginalität sind sie Indikatoren des Menschlichen. SELKE, STEFAN (2004), S. 49.

[33] Besonders deutlich wird dies bei Propagandaaufnahmen, wie den inszenierten Aufna h- men von Adolf Hitler, durch den Reichsberichterstatter der NSDAP, Heinrich Hoffmann gemacht wurden. Die Fotografien wurden auch als Postkartenmotive ver- trieben. Vgl. STIFTUNG HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCH- LAND (Hrsg.) (2003), S. 36-37.

[34] Die unter der Leitung von Hannes Heer entstandene Wanderausstellung (1995 -1999) po- larisierte die Öffentlichkeit, indem sie die Beteiligung der Wehrmacht an zahlrei- chen Verbrechen an der Zivilbevölkerung und gefangenen Soldaten nachwies. Die visuelle Darstellung und der öffentliche Bruch mit dem Klischee der sauberen Kriegsführung der Wehrmacht, weckten ein breites öffentliches Interesse. Schließ- lich wiesen der polnische Historiker Bogdan Musial und der ungarische Historiker Krisztián Ungváry Fehler bei der Zuordnung des Bildmaterials nach (Ungváry stell- te dabei über 700 der verwendeten Fotografien in Frage). Daraufhin zog das Ham- burger Institut für Sozialforschung die Ausstellung im November 1999 zurück und ließ sie von einer neutralen Historikerkommission überprüfen (http://www.his- online.de/download/Kommissionsbericht.pdf). Der Kommissionsbericht kritisierte die „pronocierte Emotionalität“ (ebenda, S. 89) der Präsentation und kam zu dem Schluss, dass „von den 1433 Fotografien der Aus- stellung weniger als 20 Fotos nicht in eine Ausstellung über die Wehmacht gehö- ren.“ (ebenda, S. 85). Die Grundaussage der Ausstellung, über die aktive und passi- ve Beteiligung der Wehrmacht an Kriegsverbrechen in der Sowjetunion wurde hin- gegen durch die Kommission bestätigt (vgl. ebenda, S. 81). Trotz der (weitgehenden) wissenschaftlichen Rehabilitation der Ausstellung durch den Kommissionsbericht, ließen sich die Fehler im Bildnachweis durch die Kritiker der Ausstellung instru- mentalisieren. Zwischen 2001 und 2004 war sie in überarbeiteter Form und unter dem neuen Titel Verbrechen der Wehrmacht. Dimensionen des Vernichtungskrieges 1941-1944 zu sehen. Vgl. ARANI, MIRIAM Y. (2002), sowie HAMBURGER INSTITUT FÜR SOZIAFORSCHUNG (Hrsg.): Eine Ausstellung und ihre Folgen. Zur Rezeption der Ausstellung „ Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944 “. Ham- burg 1999.

[35] Vgl. STEIGER, RICABETH; WACHSMANN, RENATE: Funktionswandel von Fotografien zu Familienfotos im Museum. In: ZIEHE, IRENE; HÄGELE, ULRICH (Hrsg.): Fotografien vom Alltag - Fotografieren als Alltag. Tagung der Kommission der Deutschen Ge- sellschaft für Volkskunde und der Sektion Geschichte und Archive der Deutschen Gesellschaft für Photographie im Museum Europäischer Kulturen - Staatliche Mu- seen zu Berlin vom 15. bis 17. November 2002. Münster 2004. (Visuelle Kultur. Studien und Materialien, Band 1), S. 75ff.

[36] JÄGER, JENS (2000), S. 79, vgl. auch BOURDIEU, PIERRE: Eine illegitime Kunst. Die so- zialen Gebrauchsweisen der Fotografie. Frankfurt am Main 1981.

[37] JÄGER, JENS: Photographie: Bilder der Neuzeit. Einführung in die Historische Bildfo r- schung. Tübingen 2000, S. 12.

[38] Die Möglichkeiten der digitalen Bearbeitung von Fotografien werden in zune hmendem Maße Probleme bei der Bestimmung von Fälschungen bereiten. Digitale Manipula- tionen sind technisch deutlich besser als klassische Methoden der Fälschung; gleichzeitig fehlen der digitalen Fotografie klassische Negative, die man zum Ver- gleich heranziehen könnte. Solange sich Schutzmechanismen, wie elektronische Wasserzeichen, nicht flächendeckend durchgesetzt haben, werden gut gemachte Fäl- schungen nur schwer entdeckt werden können. Die digitale Fotografie könnte damit einen nachhaltigen negativen Einfluss auf die Glaubwürdigkeit der Quellengattung Fotografie haben.

[39] Dies war bei den, in der vorliegenden Arbeit verwendeten, Fotografien der Deutschen Kolonialgesellschaft möglich.

[40] Vgl. STIFTUNG HAUS DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK DEUTSCHLAND (Hrsg.) (2003), S. 16-19.

[41] Es soll an dieser Stelle angemerkt werden, dass die wenigsten Fotografien vorbildlos entstehen. Wie in anderen Medien auch, gibt es in der Fotografie Trends, welche die Ästhetik oder die Motivwahl (bewusst oder unbewusst) beeinflussen. Für den Histo- riker lässt sich aus dieser Erkenntnis jedoch kaum eine Handlungsanweisung ablei- ten, da die Einflüsse, wenngleich sie erkennbar sein mögen, kaum nachweisbar sind. Im Übrigen ist der zu erwartende Gewinn einer solchen Untersuchung für die Be- wertung einer Quelle äußerst gering. In der vorliegenden Darstellung wird daher auf eine solche Suche nach allgemeinen fotografischen Vorbildern verzichtet.

[42] Der Sammel- und Forschungsreisende Schillings bereiste 1899/1900, 1902 sowie 1903/1904 den Norden Deutsch-Ostafrikas. Zur Dokumentation seiner Expeditionen verwendete er sehr leistungsfähige, eigens angefertigte Kameras und Blitzlichter der Goerzschen Optischen Anstalt. Im folgenden Kapitel 3.1, Die fotografische Er schließung der Wildnis wird auf Schillings’ Fotografien näher eingegangen werden. Vgl. SCHILLINGS, CARL GEORG (1905), Einleitung.

[43] Siehe dazu Kapitel 5, Tabus der kolonialen Fotografie.

[44] Vgl. KELM, ANTJE: Skurrile Exoten und liebenswerte Mitmenschen. Ethnographische Anmerkungen zur kolonialen Südseefotografie. In: HIERY, HERMANN JOSEPH (2005), S. 16ff.

[45] SONTAG, SUSAN (2006), S. 15.

[46] In der englischsprachigen Literatur gibt es für diesen Stereotyp die Bezeichnung natura- list and sportsman.

[47] LECLERC, GÉRARD: Anthropologie und Kolonialismus. München 1973.

[48] Der Afrikareisende Schillings bedankt sich in seinem Werk Mit Blitzlicht und Büchse ausdrücklich bei seinen Förderern. Die Danksagung richtet sich an das Auswärtige Amt, das Kolonialamt, sowie an 47 genannte Personen, die seine Arbeit, durch ihren persönlichen Einsatz oder die Bereitstellung ihrer Mittel, unterstützten. Die genann- ten Personen lassen sich größtenteils in drei Gruppen unterteilen: Die erste Gruppe der Förderer bestand aus Adeligen und hohen Beamten aus Deutschland. Die zweite Gruppe setzte sich aus Akademikern zusammen, die sich z. T. in leitenden Positio- nen in Museen befanden. Die letzte Gruppe bestand aus Personen, die Schillings, vor Ort, d.h. vor allem in Ostafrika, praktisch unterstützten. Diese letzte Gruppe be- stand aus Privatpersonen, Freunden und Offizieren, wie Hauptleuten und Stabsärz- ten der Schutztruppe. Wie der Titel von Schillings’ Buch bereits vermuten lässt, beschränkte sich seine Arbeit nicht auf das Fotografieren der afrikanischen Fauna und Flora, sondern schloss auch die Jagd (und anschließende Präparation) von Wildtieren sowie den Kauf von Exponaten im Auftrag von Museen ein. Schillings’ Sammlungen bereichern (bis heute) Museen in Stuttgart, München, Wien und Karlsruhe. Vgl. SCHILLINGS, CARL GEORG (1905), S. XV-XVI, 531.

[49] Wenn Dr. Ludwig Heck meine Tierbilder als „ Naturkunden “ bezeichnet, so hat das sei- nen Guten Grund: keine einzige dieser Aufnahmen ist nämlich durch Retouche ir- gendwie verändert oder „ verbessert “ worden, vielmehr sind alle genau so reprodu- ziert, wie sie die Originalnegative ergaben. Ebenda, S. XI.

[50] Ebenda, S. 18.

[51] Ebenda, S. 18.

[52] Wenngleich bei Schillings Expeditionen auf die Anfertigung von Zeichnungen verzic h- tet wurde, bedeutet dies nicht, dass die Fotografie die Zeichnungen vollkommen verdrängte. Bis ins 20. Jahrhundert hinein fanden Zeichnungen nahezu gleichbe- rechtigt, neben Fotografien, Verwendung. Die Vorteile bei der Anfertigung von Zeichnungen lagen in der unkomplizierten und kostengünstigen Handhabung: im Gegensatz zur Fotografie, benötigten Zeichnungen keine schwere, sperrige, emp- findliche und teure Ausrüstung. Während die Technik der Kameras während dem Transport oder durch die klimatischen Verhältnisse in Mitleidenschaft gezogen wer- den konnte, war die Anfertigung von Zeichnungen nie gefährdet. So waren Zeich- nungen natürlich bei Reisenden beliebt, die sich in unwegsamem Gelände bewegten. Ein weiterer Vorteil von Zeichnungen lag darin, dass in ihnen Farben festgehalten werden konnten.

[53] An dieser Stelle scheint Schillings’ Vertrauen in die Authentizität des jungen M ediums durch. Wenngleich auch Fotografien, wie bereits dargestellt, nicht neutral sind, ka- men sie, im Gegensatz zu den von Schillings geschilderten verzerrten Abbildern, der Realität auf revolutionäre Art näher. Ebenda, S. 24.

[54] Die Verbesserung der fotografischen Ausrüstung zog sich über Jahre hin. Immer wieder flossen die Erfahrungen aus den Expeditionen in die Optimierung des Materials ein: Immer wieder sagten wir uns, es müsse ein Weg gefunden werden die so hoch entwickelte photographische Technik meinen Zwecken dienstbar zu machen! […] Ob wir stets auf neue Schwierigkeiten stießen, gelegentlich bei unseren Blitzlichtversuchen verunglückten, die explosiven Mischungen unsere Apparate zerschmetterten, - so zwar, daßzentimeterdicke Eisenteile zerrissen und verbogen wurden - etwas trat stets hindernd und unsere Pläne aufs neue kreuzend in den Weg. So studierten und planten wir, und nach vielen Vorarbeiten zog ich, nun aufs um- fangreichste ausgerüstet, zum zweiten Male insäquatoriale Afrika hinaus. Ein Jahr lang wurden dort neue Erfahrungen gesammelt, Mißerfolge und Versuche lehrten mich täglich Neues. Abermals wurden nach meiner Rückkehr monatelange Versuche in Europa gemacht, diesmal hatte der Kommerzienrat Goerz, Inhaber der weltbekannten optischen Anstalt Goerz in Friedenau, in Erkenntnis des wissen- schaftlichen Wertes, eins seiner Laboratorien zur Verfügung gestellt. Durch dieses Entgegenkommen war es uns möglich, nunmehr stets geeignetere Apparate zu ersin- nen […]. SCHILLINGS, CARL GEORG (1905), S. 24-25.

[55] Überall versteht es der Mensch, neue Hilfsquellen sich selbst dort zu erschließen, wo er sie der Natur nur mit großer Mühe abzuringen vermag, und ratlos bemüht er sich, neue Werke zu schaffen und seine Kultur und seine Zivilisationüberall zu verbreiten. Aber Hand in Hand mit diesem Vorgehen wird vieles vernichtet was bis dahin unge- stört im Laufe der Zeit sich herangebildet und in harmonischem Ineinandergreifen entwickelt hat. Fernab von den geräuschvollen Zentren der Kultur, ihrem Hasten und Drängen, ih- ren nie ruhenden, pochenden und lärmenden Maschinen, spielt sich gerade in die- sen Tagen eine Tragödie ab, erschütterndster, ernstester Art, wie sie wohl ihresglei- chen suchen kann! Ebenda, S. 7. - Obwohl Schillings die Zerstörung des afrikani- schen Ökosystems durch das europäische Eindringen prophezeite, kritisierte er die deutschen Kolonisierungspläne nicht. Dies mag damit zusammengehangen haben, dass seine Jagd- und Forschungsreisen von staatlicher Seite gefördert wurden; je- denfalls betrachtete er seine Arbeit als einen Beitrag, das Land und die Völker, die das Deutsche Reich zu beherrschen anstrebte, in seinen Eigenarten kennen zu lernen - um sie beherrschen zu können. Ebenda, S. 524.

[56] Vgl. ebenda, S. XVI.

Ende der Leseprobe aus 96 Seiten

Details

Titel
Der koloniale Blick
Untertitel
Die Fotografie als Medium der Selbst- und Fremddarstellung
Hochschule
Helmut-Schmidt-Universität - Universität der Bundeswehr Hamburg  (Fakultät für Geistes- und Sozialwissenschaften)
Note
1,3
Autor
Jahr
2006
Seiten
96
Katalognummer
V187931
ISBN (eBook)
9783656116271
ISBN (Buch)
9783656116639
Dateigröße
25676 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Die Thesen der Arbeit wurden im Juni 2007, im Rahmen des jährlichen Treffens der Gesellschaft für Überseegeschichte der Universität Hamburg ("Perceptions of Land in Societies outside of Europe from the 17th to the 20th century") vorgestellt und mit positiver Resonanz diskutiert. Anlässlich der Veröffentlichung auf grin.com wurde die Arbeit marginal überarbeitet.
Schlagworte
Deutsches Reich, Kaiserreich, 1871, Imperialismus, Kolonie, Kolonialzeit, Askari, Deutsch-Ostafrika, Lohnarbeiter, Bedienstete, Koloniales Schulwesen, Koloniale Schutztruppe, Zivilisation, Anthropologische Betrachtungen, sozial, Medien, Fotografie, Mediengeschichte, Körperstrafen, Kolonialherren, Krankheit, indigen, tribal, indigene Bevölkerung, Selbstdarstellung, Inszenierung, Wahrnehmung, Ureinwohner, Neger, Massai, natürlich, 19. Jahrhundert, 20. Jahrhundert, Portrait, Gruppenfotos, Landschaftsaufnahmen, Retusche, traditionell, archaisch, Menschenbild, Afrika, wild, Wilde, unzivilisiert, kulturelle Entwicklung, französische Kolonien, Empire, Commonwealth, Deutsches Kolonialinstitut, Hamburg, Dar-es-Salaam, Daressalaam, Erster Weltkrieg, von Lettow-Vorbeck, Mit Blitzlicht und Büchse, Sammel-, Forschungsreise, freie Wildbahn, Transport, Logistik, DOA, Justiz, Platz an der Sonne, Kolonialjustiz
Arbeit zitieren
M. A. Aaron Faßbender (Autor:in), 2006, Der koloniale Blick, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187931

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