Beobachtungssystem von Flanders


Hausarbeit, 2009

16 Seiten

Anonym


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1 Problemstellung

2 Die Grundlagen von Flanders Interaktionsanalysesystem
2.1 Allgemeines und Beschreibung der Kategorien
2.2 Vorgehensweise bei der Beobachtung

3 Auswertung und Interpretation der Interaktionsanalyse
3.1 Darstellung und Auswertung der Datenmatrix
3.2 Systematische Interpretation der Datenmatrix

4 Kritische Betrachtung der Interaktionsanalyse von Flanders

Literaturverzeichnis

Anhang

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Kategorien zur Interaktionsanalyse

Abbildung 2: Beispielmatrix mit Kennzahlen

Abbildung 3: Beispielmatrix mit Inhaltskreuz und Konstanzzellen

1. Problemstellung

„Teaching behavior, by its very nature, exists in a context of social interaction“ (Flanders, 1970, S. 1). Von sozialer Interaktion wird gemäß Definition immer dann ge­sprochen, wenn zwei oder mehr Individuen zueinander in Beziehung treten und kom­munikative Handlungen austauschen (Wragge-Lange, 1980, S. 7). Im Schulunterricht nimmt die Sprache einen großen Teil dieser kommunikativen Handlungen ein (Spanhel 2001, S. 931). Sowohl für Referendare[1], die am Anfang ihrer Schullaufbahn stehen, als auch für ihre erfahrenen Kollegen, ist es wichtig, den Einfluss ihres sprachlichen Ver­haltens auf die Schulklasse zu kennen, um die Interaktion und die Lernprozesse im Un­terricht zu optimieren. Auf Basis der sprachlichen Äußerungen von Lehrern und Schü­lern hat Ned A. Flanders daher das System FIAC (Flanders' Interaction Analysis Categories) zur Interaktionsanalyse im Unterricht entwickelt (Merkens & Seiler 1978, S. 79ff.), das es ermöglicht, „Lehrertraining kontrollierbar und damit optimal zu machen“ (Wragge-Lange, 1980, S. 38). Das ist ein hoher Anspruch und es entsteht die Frage, ob das System diesem Anspruch gerecht wird. Ziel der folgenden Arbeit ist es demnach herauszuarbeiten, welche Chancen und Möglichkeiten das Beobachtungssystem von Flanders in der Praxis der Lehreraus- und Weiterbildung bietet und anhand einer kri­tischen Betrachtung festzustellen, wo die Grenzen des Systems liegen. Es wird jedoch nicht Thema dieser Arbeit sein Verbesserungsvorschläge an der Interaktionsanalyse zu formulieren, sondern lediglich die Kritikpunkte aufzuzeigen.

In Kapitel 2.1 werden zunächst die zehn Kategorien von Flanders Unterrichtsbeobach­tungssystem erläutert, da sie als Verständnisgrundlage für die weitere Arbeit mit dem System erforderlich sind. Im Kapitel 2.2 wird die Vorgehensweise bei der Unterrichts­beobachtung erläutert, um dem Leser zu veranschaulichen, wie die Daten für die wei­tere Auswertung gewonnen werden. Anschließend wird im Kapitel 3.1 gezeigt, wie die ermittelten Daten in einer Matrix aufbereitet und danach ausgewertet werden, denn die Ergebnisse dieser Aufbereitung bilden die Basis für die in Kapitel 3.2 folgende Interpre­tation der Ergebnisse. Um die Vorgehensweise bei der Interpretation zu veranschau­lichen, werden die Betrachtungen im Kapitel 3.2 anhand eines Beispiels gezeigt. Die umfassende Beschreibung des Unterrichtsbeobachtungssystems, von den Grundlagen bis zur Interpretation, dient einerseits dazu, die Möglichkeiten von Flanders’ Verfahren aufzuzeigen, andererseits ist sie erforderlich, um abschließend im 4. Kapitel eine kri­tische Betrachtung des Systems vorzunehmen.

2 Die Grundlagen von Flanders’ Interaktiosanalysesystem

2.1 Allgemeines und Beschreibung der Kategorien

Viele Lehrer sind bestrebt ihren Unterricht immer weiter zu optimieren (Flanders, 1970, S. 10). Ausgangspunkt für eine solche Weiterentwicklung des eigenen Lehrverhaltens ist ein umfangreiches Wissen über die Interaktion zwischen Schulklasse und Lehrkraft. Das von Flanders entwickelte Kategoriensystem dient dabei als Hilfsmittel, um eine von subjektiven Einflüssen unabhängige Beobachtung dieser Interaktion zu ermöglichen (Hanke, Mandl & Prell, 1973, S. 24). Der Vorteil bei dem Unterrichtsbeobachtungs­system von Flanders ist, dass es sich zur Anwendung in jedem beliebigen Unterrichts­fach und bei jeder Gruppengröße eignet (Wragge-Lange, 1980, S. 38). Das besondere Kennzeichen des Verfahrens ist die alleinige Konzentration auf das verbale Verhalten. Ein Grund hierfür ist, dass sprachliche Äußerungen einen großen Teil der Interaktion zwischen Lehrer und Schülern im Unterricht einnehmen (Spanhel 2001, S. 931) und mit einer größeren Zuverlässigkeit beobachtet werden können, als nonverbales Verhalten (Hanke et al., 1973, S. 24). Außerdem vertritt Flanders die Annahme, „daß das verbale Verhalten [...] repräsentativ für das gesamte Verhalten ist“ (Wragge-Lange, 1980, S. 38).

Um das verbale Verhalten von Schülern und Lehrern im Unterricht zu beschreiben, hat Flanders ein System mit insgesamt zehn Beobachtungskategorien entwickelt. Er unter­scheidet darin zwischen Lehreräußerungen, Schüleräußerungen sowie einer Rest­kategorie. Da sein Verfahren in erster Linie für das Training von Lehrkräften entwickelt wurde, fokussiert Flanders bei der Beobachtung die verbalen Lehreräußerungen. Da­durch erfahren Lehrer möglichst viel über ihr eigenes Verhalten im Unterricht und kön­nen sich auf dieser Basis weiterentwickeln (Wragge-Lange, 1980, S. 44). Lehreräußer­ungen können entweder als direktes oder als indirektes Verhalten klassifiziert werden. Zur Beschreibung des indirekten Lehrerverhaltens stehen vier Kategorien zur Verfü­gung. In diesen Kategorien 1-4 wird z.B. erfasst, wenn der Lehrer die Gefühle seiner Schüler akzeptiert, sie lobt, auf ihre Gedanken eingeht oder Fragen stellt (Hanke et al., 1973, S. 28). Dieses Verhalten gewährt Schülern einen relativ großen Aktionsspiel­raum und beeinflusst sie nur indirekt in ihrem Handeln. Die Kategorien 5-7 beschreiben das direkte Lehrerverhalten. Hier wird z. B. festgehalten, wenn die Lehrkraft Unter­richtsinhalte vorträgt, Anweisungen gibt oder kritisiert und so durch ihr Verhalten die Handlungsspielräume der Schüler einschränkt und sie direkt beeinflusst (Hanke et al., 1973, S. 28). Zwei weitere Beobachtungskategorien sind zur Beschreibung der ver­balen Äußerungen der Schüler vorgesehen. Es wird unterschieden, ob ein Schüler auf eine Lehrerfrage antwortet oder aus eigener Initiative spricht (Wragge-Lange, 1980, S. 40). Alle Unterrichtsphasen, die nicht in die Kategorien 1-9 eingeordnet werden können, werden der Kategorie 10 zugeordnet. Sie enthält Phasen des Schweigens, der Verwir­rung oder des Durcheinanderredens und wird daher auch als Restkategorie bezeichnet (vgl. Frech, 1971, S. 7; Hanke et al., 1973, S. 28). Eine detaillierte Übersicht über die zehn Kategorien ist in Abbildung 1 zu finden.

2.2 Vorgehensweise bei der Beobachtung

Ein Vorteil des Unterrichtsbeobachtungssystems von Flanders ist, dass es sich ebenso zur Analyse von aktuellem Unterricht eignet, wie zur Analyse von Audioaufnahmen (Hanke et al., 1973, S. 29). Bevor es jedoch angewandt werden kann, ist eine um­fassende Schulung der Beobachter erforderlich. Die Anwendung des Systems setzt nicht nur die Kenntnis, sondern auch den sicheren Umgang mit den im Kapitel 2.1 dar­gestellten Kategorien voraus, da die Genauigkeit der Klassifikation für die spätere Ver­wertbarkeit der Ergebnisse von großer Bedeutung ist (Hanke et al., 1973, S. 29f.). Weil in der Praxis häufig Probleme bei der Einordnung des beobachteten Verhaltens in die zehn Kategorien auftreten, wurden zusätzlich 15 Grundregeln formuliert. Sie gewähr­leisten die einheitliche und korrekte Zuweisung der Kategorien (Hanke et al., 1973, S. 33). Außerdem erhält der Beobachter die Anweisung sich vor Beginn der Kategori- sierung innerhalb von fünf bis zehn Minuten mit der Arbeitsatmosphäre der zu be­obachtenden Klasse vertraut zu machen (Hanke et al., 1973, S. 29).

Bei der Beobachtung wird das Unterrichtsgeschehen in Abschnitten von drei Sekunden festgehalten. Der Beobachter ordnet alle drei Sekunden das verbale Verhalten der Be­teiligten in das Kategoriensystem ein. Für jede Einheit wird die zutreffende Kategorie notiert, sodass man pro Minute 20 Zahlen erhält, die den beobachteten Kategorien ent­sprechen (Hanke, Mandel & Prell, 1980, S. 120). Die Zahlen werden untereinander in eine Spalte geschrieben und für jede Minute wird eine neue Spalte begonnen. Hierbei ist zu beachten, dass die Reihenfolge der Zahlen nicht verändert werden darf (Hanke et al., 1973, S. 30). „Wird innerhalb einer drei Sekunden Einheit Verhalten beobachtet, das nicht typisch für die notierte Kategorie ist, wird es nicht erfaßt“ (Wragge-Lange, 1980, S. 41). Unterrichtsphasen, die sich nicht zur Beobachtung eignen, wie z. B. eine Gruppenarbeit der Schüler oder eine Phase der Stillarbeit, sind komplett auszulassen (Hanke et al., 1973, S. 29).

3 Auswertung und Interpretation der Interaktionsanalyse

3.1 Darstellung und Auswertung der Datenmatrix

Die vom Beobachter ermittelten Zahlen bilden die Grundlage für das weitere Vorgehen. Um die Auswertung des Zahlenmaterials zu erleichtern und eine spätere Interpretation zu ermöglichen, werden die Daten zunächst aufbereitet und in Form einer Matrix dar­gestellt.

Im ersten Schritt werden die Zahlen paarweise, einmal mit der vorhergehenden und einmal mit der darauf folgenden Beobachtung, verbunden. Diese Vorgehensweise dient dazu, Übergänge und Wechsel zwischen Kategorien sichtbar zu machen und die Dyna­mik der Interaktion zwischen Lehrer und Schülern festzuhalten (Wragge-Lange, 1980, S. 41). Bei der Bildung der Zahlenpaare ergibt sich das Problem, dass jeweils für die erste und letzte Zahl der Beobachtungsreihe kein Partner vorhanden ist. Zur Lösung des Problems wird sowohl am Anfang, als auch am Ende einer Beobachtungsperiode die Kategorie 10 hinzugefügt. Dieses Vorgehen ist gerechtfertigt, da man nach Hanke, Mandl und Prell (1973, S. 38) davon ausgeht, dass jede Unterrichtseinheit mit Durch­einander beginnt und auch nach Abschluss der Einheit wieder Unruhe herrscht. Wenn ein Beobachter also nacheinander die Kategorien 4, 8, 2, 3, 3 notiert hat, wird zu Be­ginn und am Ende die Kategorie 10 hinzugefügt. Die zu bildenden Zahlenpaare lauten dann 10/4, 4/8, 8/2, 2/3, 3/3 und 3/10. Im nächsten Schritt werden die paarweise an­geordneten Daten in eine 10x10 Matrix übertragen, in der senkrecht und waagerecht die zehn Beobachtungskategorien stehen. Die erste Zahl des Datenpaares gibt die Zei­le, die zweite Zahl die Spalte der Matrix an (Hanke et al., 1973, S. 37-39). Nachdem die absoluten Häufigkeiten der Zahlenpaare in die Matrix übertragen wurden, werden zu­sätzlich die relativen Häufigkeiten für jede einzelne Zelle berechnet. Die Abbildung 2 im Anhang zeigt ein Beispiel einer ausgefüllten Matrix.

Im Zuge der Auswertung der Datenmatrix wird zunächst berechnet, welcher pro­zentuale Anteil der Gesamtäußerungen auf jede einzelne Kategorie entfällt. Anschlie­ßend ermittelt man, welchen Anteil die Lehreräußerungen, die Schüleräußerungen und die Restkategorie jeweils an der gesamten Beobachtungseinheit haben (Wragge- Lange, 1980, S. 41). Zur weiteren Auswertung der Datenmatrix hat Flanders Ver­rechnungsverfahren entwickelt. Es werden Verhältniszahlen ermittelt, welche es ermög­lichen verschiedene Schulstunden auf schnelle und einfache Weise miteinander zu ver­gleichen (Hanke, Mandl & Prell, 1980, S. 120). Hierzu gehört das Verhältnis zwischen indirekten und direkten Lehreräußerungen, welches als I/D-Verhältnis bezeichnet wird. Zur Berechnung des I/D-Verhältnisses dividiert man den Anteil der indirekten Lehreräußerungen durch die gesamten Lehreräußerungen (Hanke et al., 1973, S. 41). Beträgt das I/D-Verhältnis 0.5 sind die Anteile von direkten und indirekten Äußerungen im Unterricht gleich verteilt. Ein Ergebnis, das größer als 0.5 ist, zeigt an, dass indirektes Lehrerverhalten überwiegt, ist das Ergebnis kleiner als 0.5 überwiegt das direkte Verhalten. Exakt betrachtet, stellt das I/D-Verhältnis also kein Verhältnis dar, sondern gibt den prozentualen Anteil der indirekten an den gesamten Lehreräußerungen an (Hanke et al., 1973, S. 41). „Um herauszufinden, wie Motivation und Kontrolle in einer bestimmten Klasse gehandhabt werden“ (Hanke et al., 1973, S. 41), wird eine modifizierte Form des I/D-Verhältnisses ermittelt. Bei der Berechnung, der als i/d-Verhältnis bezeichneten Kennzahl, dividiert man die Kategorien 1 bis 3 durch die Kategorien 6 und 7 (Hanke et al., 1973, S. 41). „Dadurch wird genauer erfasst, ob der Lehrer eher motivierende Äußerungen... oder eher kontrollierende Äußerungen... benutzt“ (Frech, 1971, S. 100). Die Kategorien 4 und 5 werden dabei nicht berücksichtigt, da sie sich auf die Vermittlung von Lerninhalten beziehen und nichts über Kontroll- oder Motivationsaspekte aussagen (Hanke et al., 1973, S. 41).

[...]


[1] Anmerkung: Alle personenbezogenen Bezeichnungen gelten auch für die jeweils weibliche Form

Ende der Leseprobe aus 16 Seiten

Details

Titel
Beobachtungssystem von Flanders
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Jahr
2009
Seiten
16
Katalognummer
V187753
ISBN (eBook)
9783656112792
Dateigröße
3169 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Lehrer Unterrichtsbeobachtung Kommunikation
Arbeit zitieren
Anonym, 2009, Beobachtungssystem von Flanders, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187753

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