Entwicklungskooperationen in der Automobilindustrie


Diplomarbeit, 2011

79 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung

2. Aufbau und Zielsetzung: Untersuchung von Unternehmensnetzwerken

3. Grundlegende Begriffsdefinitionen

4. Herausforderungen für Hersteller und Zulieferer
4.1 Die OEMs in der Globalisierung
4.2 Zulieferer zwischen Fahrzeugbauern und Rohstoffmärkten
4.3 Umwälzungen in der Wertschöpfungskette
4.3.1 Arbeitsteilung Outsourcing
4.4 Zukünftige Geschäftsmodelle
4.4.1 Konzentration und Konsolidierung

5 Zukunftsstrategien der Automobilhersteller (OEM)
5.1 Strategische Handlungsoptionen der Automobilhersteller
5.2 Qualität der Zusammenarbeit
5.3 Netzwerk Automobilindustrie

6 Einführungen in das Thema F&E-Kooperation
6.1 Unternehmenskooperation
6.2 Kooperationsarten und –formen
6.3 Horizontale Kooperation
6.4 Vertikale Kooperation

7 Die Entstehung von F&E-Kooperationen
7.1 Kooperationsmotive
7.2 Kooperationshemmnisse und Risiken
7.3 Erfolgsfaktoren

8 Wettbewerbspolitische Beurteilung der Kooperationen bei F&E
8.1 Wettbewerbspolitische Betrachtung vertikaler F&E-Kooperationen
8.2 Wettbewerbspolitische Betrachtung horizontaler F&E-Kooperationen
8.3 Gesamtwirtschaftliche Betrachtung
8.4 Einzelwirtschaftliche Betrachtung

9 Expertenbefragung zur aktuellen Lage und zukünftigen Entwicklungen
9.1 Aufbau des Fragebogens
9.2 Gesprächspartner
9.3 Befragung

10 Ergebnisse
10.1 Beantwortung der Forschungsfrage
10.2 Eckpunkte eines zukünftigen Kooperationsmodells
10.3 Handlungsempfehlungen für OEMs

11 Fazit und Ausblick

12 Literaturverzeichnis

13 Gesprächsleitfaden für die Befragung

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Wertschöpfungsprognose OEM, Zulieferer bis 2015

Abbildung 2: Darstellung Wertschöpfungskette nach Porter

Abbildung 3: Entwicklung der Eigenleistung je Fahrzeugmarke

Abbildung 4: Anzahl der Unternehmen in der Automobilindustrie

Abbildung 5: Übersicht alternativer Antriebstechnologien & führende Hersteller

Abbildung 6: Darstellung Kooperationsformen

1. Einleitung

Die Bedeutung von Forschung und Entwicklung (F&E) ist aus ökonomischer Sicht in der heutigen Zeit unbestritten. Innovationen als Ergebnis von F&E sind elementare Faktoren zur Verbesserung von Wettbewerbsfähigkeit, Produktivität und Wachstum. Forschungsintensive Stan­dorte werden daher aufgrund des gestiegenen Interesses mit besonderer Aufmerk­samkeit betrachtet. Verschiedene Regionen und einzelne Staaten sind auch dazu übergegangen, die Möglichkeiten der ansässigen Unterneh­men in den Bereichen Forschung und Entwicklung gezielt zu verbessern und zu för­dern.

Neben den etablierten und weithin verbreiteten politischen Ansichten zu Forschung und Entwicklung ist mittlerweile auch ein noch recht neues Phänomen in Erschei­nung getreten und dabei, sich durchzusetzen: die Vereinbarung von Kooperationen in den Sektoren Forschung, Entwicklung und Innovation. Die Bedeutung dieses Be­reichs hat in den letzten Jahren signifikant zugenommen – gerade in der technolo­gisch intensiven Branche der Automobilindustrie.

Die weltweite Automobilindustrie sieht sich momentan einem tiefgreifenden Umbruch mit weitreichenden Folgen ausgesetzt, der sog. „dritten Revolution der Automobilin­dustrie“.[1] Auf der Herstellerseite drängen neue Fahrzeuganbieter – speziell aus China – auf die europäischen und nordamerikanischen Märkte, die bislang den etab­lierten Produzenten „vorbehalten“ waren. Parallel dazu entstehen auf der Absatzseite durch die Globalisierung und dem damit verbundenen wirtschaftlichen Aufschwung in den sog. „Schwellenländer“ – allen voran die sog. „BRIC-Staaten“, bestehend aus Brasilien, Russland, Indien und China – neue Ab­satzmärkte. Da in diesen Volkswirt­schaften immer breitere Gesellschaftsschichten entstehen, die auch zunehmend die Mobilität für sich entdecken und sich diese auch finanziell leisten können, müssen die Fahrzeughersteller diese Exportmärkte er­schließen, um hier den Anschluss an die Wettbewerber nicht zu verpassen bzw. zu verlieren.

Auch gewinnt der Umweltaspekt mehr und mehr an Gewicht. Die Bedeutung von an­deren Antriebslösungen als dem Verbrennungsmotor („alternative Antriebstechnolo­gie“) nimmt ständig zu. Parallel dazu dürfen die Motoren der Fahrzeughersteller im­mer weniger CO² emittieren, was in den seitens der EU immer schärferen Euro-Ab­gasnormen festgeschrieben wird. Die Hersteller sind daher de facto gezwungen, neue Technologien zu erforschen und zu entwickeln. Dies ist oftmals mit dem Einsatz gro­ßer finanzieller Mittel verbunden. Auch neue Materialien (z. B. zur Gewichtsredu­zie­rung) und die immer individuelleren Anforderungen der Autokäufer an ein Fahr­zeug ziehen die Entwicklung neuer Technolo­gien nach sich.

Auch auf der Produktions- und Entwicklungsseite ist ein ziemlicher Umbruch im Gange, der sich sowohl auf die Fahrzeughersteller als auch auf deren Zulieferer massiv auswirkt. Ein großer Teil der Wertschöpfungsprozesse wird sich von den Herstellern in Richtung der Zulieferer verlagern. Der prozentuale Anteil der Zulieferer an der Wertschöpfungskette wird sich von derzeit 65 % auf rund 77 % vergrößern. Dies bedeutet im Umkehrschluss, dass die Automobilhersteller mehr als 10 % ihrer heutigen Eigenleistung bzw. ihrer Kompetenz eine vertikale Stufe nach unten verla­gern.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Wertschöpfungsprognose bis 2015; eigene Darstellung, angelehnt an: Automobilkongress „Zukunftspotentiale durch nachhaltige technische und soziale Innovationen“, Ruhr Universität Bochum, 31.05.-01.06.2005

Damit konzentrieren sich die Automobilhersteller als OEMs (= Original Equip­ment Manufacturer, engl. für Originalausrüstungshersteller)[2] mehr und mehr auf Fakto­ren und Aspekte zur Differenzierung ihrer Marken vom Wettbewerb, also auf das Mar­kenmanagement.

Die Marke an sich wird bei den OEMs immer wichtiger. Automobile werden zuneh­mend zu Marken- und damit zu Klientelprodukten. Das gezielte Ansprechen von be­stimmten Zielgruppen macht heute einen großen Anteil an den Vertriebs- und Marke­tingstrategien aus. Ganze Fahrzeuge werden auf bestimmte Zielgruppen zuge­schnitten. Daher konzentrieren sich die OEMs immer mehr auf Kernelemente wie Fahrzeugkonzepte, Funktionsintegration, Markenerlebnis, Servicestrategien sowie alle Technologien und Funktionen rund um das Fahrzeug, welche sowohl für das Fahrzeug an sich sehr wichtig sind als auch das Markenprofil schärfen. Nur durch solche Details lassen sich die Marke und auch das Automobil selbst langfristig, er­folgreich und nachhaltig an den Märkten etablieren und damit auch ein Stück vom Wettbewerb abheben. Die OEMs übernehmen die Rolle der Markenhersteller, wäh­rend Zulieferer und andere Dienstleister zunehmend die nicht markenrelevanten Entwicklungs- und Produktionsumfänge übernehmen.

Entwicklungskooperationen existieren aktuell in horizontaler Form zwischen zwei oder mehreren Zulieferern bzw. zwischen zwei oder mehreren OEMs selbst. In verti­kaler Richtung kooperieren Automobilhersteller und Zulieferer. Zusammenarbeit wird dabei zum Schlüsselfaktor. Neue Geschäftsmodelle werden attraktive und umfang­reiche Wachstums- und Ertragschancen für OEMs, Zulieferer und Dienstleister auf­weisen. Ein eng geflochtenes Netzwerk aus wichtigen Systemlieferanten sowie stra­tegische Partnerschaften in horizontaler und vertikaler Ebene werden die Landschaft der OEM-Partner kennzeichnen und die entsprechenden Wertschöpfungsketten im Umfeld der OEMs bestimmen.

Auch die Reduzierung der Anzahl der Zulieferer ist ein immer wichtigeres Kriterium der OEMs. Die Menge der Zulieferer wird reduziert, um Kosten zu sparen, Verwal­tungsarbeiten zu reduzieren und Verantwortlichkeiten zu stärken. Der Trend lautet: „Der Tier-1-Lieferant soll Alles können“.

Daher werden sich Zulieferer und Dienstleister bei der Gestaltung ihrer internen und externen Prozesse und Strukturen auf die neuen Ge­gebenheiten einstellen müssen. Allerdings ist es äußerst schwierig, die Richtung und den Rahmen der auftretenden Veränderungen zu bestimmen bzw. zu dokumentie­ren.

Die steigende Häufigkeit von Kooperationen als Antwort auf sich verändernde Wett­bewerbsbedingungen ergibt sich aus dem theoretischen Anspruch, dass Kooperatio­nen einen gezielteren und schnelleren Zugriff auf exakt die Ressourcen ermöglichen, die in der jeweiligen Situation gefordert sind. Gleichzeitig ergibt sich die Möglichkeit, Kosten und Risiken auf die Beteiligten zu verteilen.

Die Bedeutung von Forschung und Entwicklung für das Allgemeinwohl sind heutzu­tage – wie schon eingangs erwähnt - unbestritten. Innovationen und F&E als Aus­gangspunkt für Innovationen gelten als entscheidender Faktor für Wachstum, Wohl­stand, Beschäftigung und Wettbewerbsfähigkeit in einer Volkswirtschaft. Kooperatio­nen bieten den Unternehmen die Möglichkeit, ihrer vorhandene Wettbewerbsfähig­keit auf sich verändernden Märkten beizubehalten bzw. auch auszubauen.

2. Aufbau und Zielsetzung: Untersuchung von Unternehmensnetzwerken

Nach der Darstellung der aktuellen Situation in der Automobilindustrie sowie den sich gerade vollziehenden Veränderungen auf den Weltmärkten soll zunächst der Begriff der F&E-Kooperation betrachtet werden. Dabei werden die unterschiedlichen Be­griffsauffassungen, die in der Literatur existieren, zum Ausdruck gebracht. Ziel der vorliegenden Arbeit ist es, das Konstrukt der horizontalen und vertikalen F&E-Koope­ration – mit dem Blick auf die Automobilhersteller und die Zulieferer - darzustellen und aus wettbewerbspolitischer Sicht zu beurteilen. In diesem Zusammenhang bleibt jedoch festzustellen, dass es hier ausschließlich um Unternehmenskooperationen geht, d. h. um Kooperationen zwischen zwei oder mehreren Unternehmen und nicht um Koope­rationen zwischen Unternehmen und Universitäten oder Forschungsein­richtungen. Es handelt sich dabei dann um mehr oder weniger große Unternehmens­netzwerke, die als „modes of organizing economic activities through inter-firm coordi­nation and cooperation“ aufgefasst werden können.[3] Darüber hinaus umfasst der Begriff der Zulieferer in dieser Arbeit ebenfalls die Dienstleister für die Hersteller, also beispiels­weise Unternehmen, die Ingenieurdienstleistungen o. ä. für die OEMs er­bringen.

Die vorliegende Arbeit zeigt die Entwicklung von Kooperationen in der Wertschöp­fungskette der jüngeren Vergangenheit auf. Durch die momentan klar erkennbare Richtungsvorgabe der Automobilhersteller, in stark segmentierte Märkte zu investie­ren, hat sich der Weg für alle Beteiligten schon stark verändert und wird sich weiter ändern. Basierend auf eigenen Erfahrungen, unterstützend hinzugezogenen Studien, Teilnahmen an Fachvorträgen und Diskussionen sowie die gezielte Befragung von ausgewählten Experten der Automobilindustrie vermittelt die Arbeit einen klaren und gezielten Blick in die Zukunft. Hier wird die wachsende Komplexität in der Zusam­menarbeit zwischen OEM und Zulieferer bzw. Dienstleister aufgezeigt. Darüber hi­naus werden Eckpunkte für die engere und noch tiefergehende Kooperation im Rahmen eines möglichen neuen Kooperationsmodells genannt. Um die Theorie der immer weitergehenden Kooperationen zu untermauern werden Informationen hinzu­gezogen, die durch die persönliche Befragung von aus­gewählten Kennern der Auto­mobilbranche gewonnen wurden. Diese Interviews wur­den unter Anwendung der Methoden der Empirischen Sozialforschung vorbereitet und durchgeführt. Hier wurde ausdrücklich die Methode der persönlichen Befragung ausgewählt.

Die handlungsleitende Forschungsfrage im Rahmen dieser Arbeit lautet: Sind die existierenden Kooperationsformen - also die von OEMs und Zulieferern ausgewähl­ten Formen der Zusammenarbeit – in der Lage, die zukünftigen Anforderungen zu erfüllen? Aus der Beantwortung dieser Frage sollen Eckpunkte gefunden werden, die zur Erarbeitung des neuen Kooperationsmodells „Kooperation 2030“ unterstützend eingesetzt werden können. Dieses wird dann in einem der letzten Teile der Arbeit vorgestellt.

Abschließend werden notwendige strukturelle Änderungen nochmals zusammenge­fasst und Handlungsempfehlungen für OEMs und Zulieferer gegeben.

3. Grundlegende Begriffsdefinitionen

In diesem Kapitel sollen einige grundlegende Begriffe aus der Automobilwirtschaft und der Produktionstheorie definiert und erläutert werden. Diese Begriffe werden im Laufe dieser Arbeit immer wieder Verwendung finden.

Automobilindustrie

Gemäß dem Verband der Automobilindustrie (VDA) umfasst dieser Begriff die Hers­teller von Kraftwagen und Motoren, Anhängern und Aufbauten sowie Hersteller von KFZ-Teilen und Zubehör. Als Synonyme für diesen Begriff gelten auch „Automobil­wirtschaft“ und „Automobilbranche“. Der Forschungsstelle Automobilwirtschaft (FAW) zufolge beinhaltet die Automobilbranche „die Gesamtheit aller an der Produktion, der Distribution, der Aufrechterhaltung der Nutzungsfähigkeit und der letztendlichen Ver­wendung von Automobilen beteiligten Wirtschaftssubjekte“.[4]

Fahrzeughersteller

In der Literatur existiert keine einheitliche Bestimmung dieses Begriffes. Zum besse­ren Verständnis erfolgt daher die folgende Abgrenzung: Fahrzeughersteller oder „Original Equipment Manufacturer“ (OEM) (vgl. Abschnitt 1 dieser Arbeit) werden in dieser Arbeit als wirtschaftliche Einheiten betrachtet, die eigen- oder fremdbezogene Güter zu einem Endprodukt kombinieren und dieses dann am Markt den Endver­brauchern oder auch industriellen Kunden anbieten.

Zulieferbetrieb

Der Zulieferer versorgt den Fahrzeughersteller mit Leistungen und Produkten, die als wichtige Bestandteile in das Endprodukt einfließen. Diese werden vom Hersteller nicht selbst erstellt, da es sich für ihn entweder als nicht wirtschaftlich darstellt oder das entsprechende technische Know-how nicht vorhanden ist. Erst durch den Verbau der Zulieferteile in das endgültige Produkt – hier ein Automobil – erfüllen sie den ei­gentlichen Zweck.

Hinsichtlich der Art der Zusammenarbeit können 3 Arten von Zulieferbetrieben unter­schieden werden:

Werden Bauteile von Lieferanten in Eigenregie innerhalb gewisser Rahmenbedin­gungen entwickelt, der Zulieferer aber von der späteren Serienbelieferung ausge­schlossen, spricht man von Entwicklungslieferanten. Ein Produktionslieferant ist ein Betrieb, welcher nach genauen Vorgaben Produkte fertigt, an der Entwicklungsarbeit aber nicht beteiligt war. Diese Lieferanten stellen die Position des Unterlieferanten oder der verlängerten Werkbank des Herstellers dar und bilden so etwas wie seine Kapazitätsreserve. Als dritte Art existiert der kombinierte Entwicklungs- und Serien­lieferant, der sowohl Bauteile konstruiert als auch später die Serienbelieferung durchführt. Diesen Lieferanten ist es möglich, sich nicht nur durch optimale Produkti­onskosten, sondern auch durch vorhandene Entwicklungskompetenz im Wettbewerb zu behaupten.

In der Praxis ist es häufig so, dass gerade kleine und mittelständische Zulieferbe­triebe der dritten Kategorie angehören, also die Entwicklung und die Serienproduk­tion der Bauteile übernehmen. Lieferanten, die nur Entwicklungen durchführen, ha­ben sich in den vergangenen Jahren mehr und mehr zu Entwicklungsdienstleistern spezialisiert.[5]

Neben der Position in der Wertschöpfungskette können dem OEM direkt vorgela­gerte Lieferanten der ersten Ebene (sog. „Tier-1-Lieferanten“) von den Lieferunter­nehmen der nachfolgenden Lieferebenen unterschieden werden. Diese werden dann entsprechend als Zulieferer der zweiten und dritten Ebene („Tier-2- bzw. Tier-3-Liefe­ranten“) bezeichnet.

Eine gesonderte Rolle nehmen die sog. „Tier-0,5-Lieferanten“ ein. Dabei handelt es sich um Unternehmen, die „das machen, was unsere Kunden selber können.“[6] Dabei han­delt es sich um Unternehmen, die über die Kompetenz zur Gesamtfahrzeugentwick­lung bis hin zur Produktion – also dem letztendlichen Bau der Fahrzeuge - verfügen. Sie bieten diese Pakete teilweise als Dienstleistung an ihre Kunden an, um Kapazi­tätsengpässe abzufedern oder zeitkritische Entwicklungen für ihre Kunden durchzu­führen, die bei den „normalen“ Durchläufen der OEMs nicht durchführbar wären.

Es handelt sich dabei um Unternehmen wie Magna Steyr (Österreich), Valmet (Finn­land) oder Karmann (Deutschland). Karmann musste allerdings im April 2009 In­solvenz anmelden und wurde z. T. von Volkswagen übernommen.[7]

Wertschöpfung

Unter dem Begriff „Wertschöpfung“ versteht man die „Summe des durch die Kombi­nation der Produktionsfaktoren Arbeit, Betriebsmittel und Werkstoffe im Rahmen der Produktion im Unternehmen geschaffener Mehrwert. Er entspricht der betrieblichen Gesamtleistung, vermindert um von Dritten bezogene Vorleistungen. Die Wert­schöpfung entspricht dem Beitrag des Unternehmens zum Sozialprodukt des Lan­des, in dem es ansässig ist.“[8] Gabler definiert die Wertschöpfung als „Summe der in einem Unternehmen oder in einer Volkswirtschaft durch den Einsatz von Produkti­onsfaktoren erbrachten Leistungen. Die Wertschöpfung ergibt sich als Differenz Pro­duktionswert und den Vorleistungen. Oder anders gesagt: die Wertschöpfung bein­haltet alle Prozesse vom Rohstoff bis zum fertigen Produkt“ und lässt sich wie folgt errechnen:

Betriebliche Wertschöpfung = Umsatz – Vorleistungen.[9]

Da jedoch die grundsätzliche Betrachtung der Wertschöpfung den Rahmen dieser Arbeit deutlich übersteigen würde, liegt der Fokus hier auf der Wertschöpfung in der Automobilindustrie einschließlich der Zulieferer.

Outsourcing

Der Begriff Outsourcing ist ein sog. „Kunstwort“, das durch Zusammenziehen des Begriffs „Outside resource using“ entstanden ist.[10] Darunter wird „der Übergang von bislang im Unternehmen erbrachten Leistungen oder Funktionen an einen externen Dritten“ verstanden. Auch wenn einige Autoren hierunter nur einen Spezialfall der „make-or-buy“-Entscheidung verstehen, geht es im Kern aller Definitionen jedoch um die Heranziehung externer Ressourcen durch Arbeitsteilung bzw. Spezialisierung entlang der Wertschöpfungskette. Outsourcing-Objekte können dabei nicht nur gut abgrenzbare, einzelne Sach- oder Dienstleistungen sein. Auch komplexe Leistungs­bündel, Funktionen oder Prozesse können durch Outsourcing ausgelagert werden.[11]

4. Herausforderungen für Hersteller und Zulieferer

Die deutsche Automobilindustrie inklusive der Zulieferer bleibt nach wie vor eine der Schlüsselindustrien für die Bundesrepublik. Mit einem Gesamtumsatz von 263 Mrd. Euro im Jahre 2009 leistet dieser Wirtschaftszweig rund 20 % des Gesamtumsatzes der deutschen Industrie. Die Zahl der direkt in der Branche existierenden Arbeits­plätze beläuft sich auf 723.000 (2009). Zählt man alle Beschäftigten zusammen, die in einem von der Automobilindustrie abhängigen Bereich arbeiten, so kommt man auf eine Gesamtzahl von rund 5 Millionen.[12] Der Exportanteil in der Automobilindustrie liegt für das Jahr 2009 bei rund 70 % mit einem Volumen von 130 Mrd. Euro. Dies bedeutet, dass fast jedes dritte Fahrzeug, welches eine Werkshalle in Deutschland verließ, an einen Kunden im Ausland geliefert wurde.[13] Daher rückt auf der Absatz­seite die Bedeutung der ausländischen Märkte in einen besonderen Fokus der Be­trachtungen.

4.1 Die OEMs in der Globalisierung

Gerade hinsichtlich der Auslandsmärkte fällt der Blick sofort auf den wichtigen Markt in den USA sowie auf die Schwellenländer – allen voran wiederum die sog. „BRIC-Staaten“. Hier zeichnen sich durch den wirtschaftlichen Aufschwung dieser Länder verbunden mit einer niedrigen Fahrzeugdichte neue Herausforderungen gerade für die OEMs ab.[14] Die Fahrzeugdichte zeigt die vorhandenen Fahrzeuge pro 1000 Ein­wohner. Abbildung 2 zeigt die Fahrzeugdichte in den einzelnen Regionen der Welt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Darstellung der Fahrzeugdichte; eigene Darstellung in Anlehnung an: IWK – Institut für Wirtschaftsanalyse und Kommunikation

Daraus resultierend ist das Potenzial in den „Schwellenländern“ im Vergleich zu den sog. „Triade-Märkten“ enorm. Die Triade Märkte umfassen die Regionen in Nordame­rika, Europa und Japan.[15] Allerdings müssen für die jeweiligen Märkte die dort herr­schenden Bedingungen (z. B. Kundenwünsche, Altersstruktur der Käufer, Einkom­menssituation, vorhandene Infrastruktur, Wettbewerbssituation etc.) beachtet wer­den. Diese individuellen Gegebenheiten auf den Märkten zwingt die OEMs dazu, ihre eigene Rolle grundlegend neu zu definieren. Das Selbstverständnis der OEMs und verbunden damit das ei­gene Tätig­keitsfeld werden grundlegend verändert. Ein Hauptpunkt bei dieser neuen Rolle ist es, sich auf markenprägende Aspekte zu kon­zentrieren. Um das Profil der eigenen Marke zu schärfen, wird eine Vielzahl von Ty­pen- und Ausstattungsvarianten ange­boten, die den Erfordernissen der verschiede­nen Märkte Rechnung tragen. So rechnet das Institut CAR-Center Automotive Re­search der Universität Duisburg-Essen für das Jahr 2015 mit 415 verschiedenen Mo­dellreihen, die den Käufern zum Neuwagenkauf angeboten werden. Zum Vergleich: aktuell können Kunden aus 376 Modellreihen wählen.[16]

Um dies aufzufangen, wird alles, was nicht zur Kernmarke und ihren unmittelbar zu­zuordnen­den Geschäftsfeldern gehört (z. B. Vertrieb, Service etc.), in Richtung der Zulieferer verlagert.[17] Dieser Wertschöpfungstransfer – um nichts Anderes handelt es sich hier - hat zur Folge, dass die OEM-Eigenleistung von derzeit noch rund 4.000 Euro pro Fahrzeug bis zum Jahr 2015 auf etwa 2.700 Euro sinken wird.[18] Diese neuen Absatz­strategien – bedingt durch eine deutlich gestiegene Anzahl an Aus­stattungsvarianten und damit an zusätzlichen Bauteilen - stellen enorme Ansprüche an die Flexi­bilität von Prozes­sen.

Auf der Entwicklungsseite wird durch kürzere Produktlebenszyklen und damit ver­kürzte Entwicklungszeiten die Bedeutung des Faktors „Zeit“ immer höher. Hier zeigt sich immer mehr, dass sich die sog. „time to market“, also die Entwicklungspe­riode zusammen mit der Durchlauf- und Auslieferungsphase zu einer entscheidenden Größe entwickelt hat.[19] Die OEMs begeben sich durch diese Entwicklung in eine Ver­bindung mit ihren Lieferanten, die durchaus schon fast als „Partnerschaft auf Augen­höhe“ bezeichnet werden kann. Allerdings achten die Hersteller darauf, dass die Grenzen zwischen Kunden und Lieferanten nicht zu undeutlich werden. Meist pas­siert dies während der jährlich stattfindenden Preisverhandlungsrunden. Während dieser Veranstaltungen ist vom Trend zu partnerschaftlichen Verbindungen wenig zu spüren, obwohl diese Entwicklung nicht aufzuhalten zu sein wird. Zu deutlich sind dazu die Verschiebungen in der Wertschöpfungskette. Allerdings wird es noch etwas dauern, bis sich der Umgang zwischen OEM und Zulieferer bzw. Dienstleister end­gültig zu einem partnerschaftlichen Verhältnis gewandelt hat. Doch auch die OEMs können sich mit ihren überwiegend monetären Forderungen während der Verhand­lungen nur durchsetzen, wenn es auf der Zulieferseite Unternehmen gibt, die auf diese Forderungen eingehen. Da die OEMs durch die immer größere Auffächerung in unterschiedliche Modellreihen und damit verbunden durch sinkende Mengen bei den einzelnen Teilen steigenden Stückkosten gegenüberstehen, befinden sie sich unter erheblichem und weiter steigendem Kosten- und damit Erfolgsdruck in den Ver­handlungen.

4.2 Zulieferer zwischen Fahrzeugbauern und Rohstoffmärkten

Durch die Anforderungen der OEMs gegenüber den Zulieferern sind diese in den vergangenen Jahren unter immer größeren Druck geraten. Dieser wurde hauptsäch­lich in den Bereichen Technologie und Innovation, jedoch noch mehr bei den Kosten spürbar. Die Optimierung auf der Kostenseite hat daher die Handlungen der Zuliefe­rer maßgeblich bestimmt.[20] Sie versuchten, durch die Einführung neuer Logistikfor­men ihre Lagerhaltungskosten zu senken. Bekannt wurden diese unter den Begriffen „Just-in-Time“ (JiT) und „Just-in-Sequence“ (JiS).[21] Dies ermöglichte den Zulieferern, ihre Lieferketten („Supply Chain“) zu optimieren und damit erhebliche Einsparungen zu erzielen. Je näher sich der Zulieferer in der Nähe des Herstellers befindet, desto höher ist die Verflechtung in die Lieferketten in Richtung OEM. Die Zulieferer in di­rekter ver­traglicher Verbindung zum OEM werden als „Tier-1-Lieferanten“ bezeich­net. Solche Unternehmen liefern i. d. R. ganze Fahrzeugmodule oder –systeme.[22] Daneben gibt es noch die Tier-2- und Tier-3-Lieferanten. Die Tier-2-Lieferanten be­liefern entweder die Tier-1-Betriebe oder die OEMs direkt mit Subsystem-Kompo­nenten, die Tier-3-Unternehmen liefern Teile entweder an den OEM, den Tier-1- oder den Tier-2-Liefe­ranten (vgl. Abschnitt 3 dieser Arbeit).[23] Nachdem anfangs der Fokus dieser Optimie­rung auf der Produktion und der Distributionslogistik lag, wurde der Wirkungskreis dieser Umstrukturierungen auch auf die Versorgung von Fertigungs- und Montage­standorten ausgeweitet (sog. „Inbound-Logistik“). Hierdurch wurden standortüber­greifende Skaleneffekte generiert, was zu weiteren Kostensenkungen geführt hat.[24]

Neben den Auswirkungen, die von der Kundenseite auf die Automobilzulieferer ein­wirken, stehen die Zulieferbetriebe auf der anderen Seite einer herausfordernden Situation auf den Rohstoffmärkten gegenüber. Hier müssen sie sich mit den benö­tigten Materialien zur Bedienung der Kundenbedarfe versorgen. Allerdings ist dies gegenwärtig nicht ganz einfach. Besonders die Zulieferbetriebe aus dem Bereich Metall sehen sich besonderen Versorgungssituationen ausgesetzt. Die Rohstoff­nachfrage aus den Schwellenländern ist gewaltig und wird in den nächsten Jahren weiter ansteigen. Auf der anderen Seite ist das Angebot begrenzt. Einige Metall-Rohstoffe sind auf den Märkten z. T. nur mit extrem langen Lieferzeiten – Vorlauf von 8 – 10 Monaten ist bei einigen Qualitäten normal - oder gar nicht zu bekommen. Und wenn Material verfügbar ist, sind Preissteigerungen im zweistelligen Prozentbereich keine Seltenheit. Darüber hinaus ist die Versorgungs­situation auf den Weltmärkten nicht mehr nur ein reines kommerzielles Geschäft zwi­schen zwei Vertragspartnern, sondern wird zunehmend von geopolitischen Einflüs­sen geprägt.[25] Immer öfter werden langfristige und großvolumige Lieferverträge nicht mehr zwischen Unternehmen, sondern zwischen Regierungen geschlos­sen. Gerade China verknüpft mehr und mehr seine Handlungen an den Rohstoff­märkten mit politi­schen Aspekten. So hat das Land beispielsweise seinen Export von sog. „seltenen Erden“ nach Japan nach einer Grenzstreitigkeit wegen einer unbe­wohnten Insel­gruppe im Ostchinesischen Meer im September 2010 nahezu vollstän­dig gestoppt.[26] Bei den sog. „Seltenen Erden“ handelt es sich um eine Gruppe von etwa 17 beson­deren Erzen, die für die Herstellung von Hybridfahrzeugen, Windturbi­nen und Halb­leitern benötigt werden.[27] Da China bei vielen dieser Rohstoffe (u. a. geht es um die Materialien Scandium, Terbium und Yttrium[28] ) über 95 % der Weltpro­duktion ab­deckt, geraten viele Nachfrager schnell in Versorgungsschwierigkeiten. So wird z. B. für das Jahr 2015 bedingt durch steigende Nachfrage und Verknappung des An­ge­bots bereits mit einer Versorgungslücke beim wichtigen Material Lithium gerechnet.[29] Dieses Material wird für die Lithium-Ionen-Akkus vieler Hybrid-Fahrzeuge benötigt.

Auch bei der grundlegenden Rohstoffversorgung mit Stahl- und Eisenprodukten ha­ben sich in der jüngeren Vergangenheit signifikante Änderungen ergeben. Die drei großen Produzenten von Eisenerzen – die Unternehmen Rio Tinto (Austra­lien), Vale (Brasilien) und BHP Billiton (Großbritannien) – haben die bisherige Praxis, Ver­träge über ein Kalenderjahr abzuschließen, kurzerhand abgeschafft und damit große Turbulenzen in der Branche ausgelöst.[30] Die drei Unternehmen bilden das globale Erz-Oligopol und kontrollieren 70 % des globalen Handels.[31] Ziel der Erzproduzenten ist es, möglichst jeden Monat die Preise neu zu verhandeln. Aktuell werden die Preise in jedem Quartal neu ausgehandelt. Dies sorgt für große Unsicherheiten bei den Unternehmen in der Automobilbranche, da es keinerlei mittel- und längerfristigen Planungssicherheiten hinsichtlich der Materialpreise mehr gibt. Darüber hinaus sind die Unternehmen auf die Lieferungen der großen Rohstoffkonzerne angewiesen, so dass sie den Forderungen während der Verhandlungen wenig entgegenzusetzen haben.[32]

Nicht ohne Grund fordern bereits führende Köpfe der Automobilindustrie die Schaf­fung einer „Deutschen Rohstoff AG“ unter Beteiligung der Bundesrepublik Deutsch­land, um die zentralen Fragen der Rohstoffversorgung für die deutsche Wirtschaft nachhaltig zu beantworten. Eine derartige Gesellschaft könnte sich z. B. direkt an Minenprojekten oder der Ersteigerung von Schürfrechten beteiligen.[33]

Zusammenfassend lässt sich hier sagen, dass sich sowohl die OEMs selbst als auch die Automobilzulieferer auf völlig neue Gegebenheiten an den Märkten einstellen müssen. Es kommen neue Märkte hinzu (Stichwort: Schwellenländer), die bestehen­den, etablierten Märkte der sog. „Triade“ (vgl. Abschnitt 2 dieser Arbeit) zei­gen An­zeichen der Sättigung und müs­sen daher mit einer überarbeiteten Absatz­strategie neu erschlossen werden. Hier können zusätzliche Umsätze und Gewinne nur noch durch einen „sehr brutalen Ver­drängungswettbewerb erzielt werden.“[34] Die zusätzli­chen Ressourcen, die hierfür bei den OEMs zur Verfügung gestellt werden müssen, werden nicht aufgebaut, sondern durch Verlagerung von Wertschöpfungs­aktivitäten in Richtung der Zulieferer freige­macht. Das stellt diese vor neue Heraus­forderungen. Sie müssen qualitativ und quantitativ ein völlig neues Niveau an Leis­tungen für ihre Kunden erbringen, was die OEMs jedoch nicht immer bereit sind, ent­sprechend zu entlohnen. Daher müssen auch die Zulieferer ständig an Optimierun­gen in Strukturen und Prozessen arbeiten, um die eigene Effizienz zu erhöhen. An­dererseits ist auch seitens der OEMs ein Um­denken notwendig, da auch sie auf „ein notwendiges Sys­tem an Partnerschaften“ angewiesen sind.[35]

4.3 Umwälzungen in der Wertschöpfungskette

Die Art und Weise, wie in der Automobilindustrie entwickelt, beschafft, produziert und vertrieben wird, hat sich in den letzten Jahren deutlich gewandelt und wird sich weiter verändern.[36] Die gesamt Branche durchläuft eine tiefgreifende und nachhaltige Verän­derung, die eine strategische Neuausrichtung von allen Wertschöpfungspart­nern erfordert.[37]

Auf der Produktseite vollzieht sich mit sehr hoher Geschwindigkeit eine starke Auffä­cherung in immer neu entwickelte Marktsegmente. Die Zahl der möglichen Ausstat­tungsvarianten und damit der Bauteile ist drastisch angestiegen (vgl. Abschnitt 4.1 dieser Arbeit). Gleichzeitig steigt der Kostendruck parallel zur Innovationsgeschwin­digkeit, da die Produktlebenszyklen immer kürzer werden. So betrug der Pro­duktlebenszyklus des Volkswagen Golf II noch ganze 10 Jahre, der im Jahr 2003 eingeführte Golf V wurde bereits 2008 wieder abgelöst.[38] Damit einher gehen auch die immer kürzeren Entwicklungszeiten. Durchschnittlich 24 Monate dauerte im Jahr 2006 die Fahrzeugentwicklung. Innerhalb der Branche variiert dieser Durchschnitt zwischen 17 und 31 Monaten. Gegenüber der Entwicklungsdauer von 58 Monaten aus dem Jahr 1990 wurde dieser Wert mehr als halbiert. Seit 1990 ist eine Verkür­zung der durchschnittlichen Entwicklungsdauer alle 4 Jahre um 6 bis 7 Monate zu verzeichnen.[39] Dies erschwert die Marktsituation für alle Beteiligten. Und auch im Aus­blick auf die Zukunft erwartet die Automobilbranche weiter steigenden Innovati­onsdruck. Als Schlagworte seien hier genannt die Entwicklung von alternativen Ant­rieben wie dem Elektro-, Hybrid- oder dem Wasserstoffantrieb sowie alternative Werkstoffe zur Reduzierung des Gesamtfahrzeuggewichtes.[40] Am Ende dieser Evoluti­onsstufe erwarten Experten einen Anstieg der Wertschöpfung bei den Auto­mobilzulieferern bis 2015 um 40 %.[41]

Die Verschiebungen bei der Wertschöpfung, wie sie heute stattfinden, bedeutet nichts anderes, als das die OEMs alle nicht-markenrelevanten Tätigkeiten in Rich­tung ihrer Zulieferer – also entlang der Wertschöpfungskette - verlagern.

Die Wertschöpfungskette geht auf ein Management-Konzept des US-amerikanischen Betriebswirtes Michael Porter (*1947) zurück. Dieses stellt alle zusammenhängenden Unternehmensaktivitäten des Geschäftsprozesses grafisch dar. Danach wird der Ge­samtprozess in fünf Primäraktivitäten, die die eigentliche Wertschöpfung darstellen, sowie 4 unterstützende Aktivitäten, die den Wertschöpfungsprozess ergänzen, un­terteilt.[42]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 2: Darstellung Wertschöpfungskette; eigene Darstellung in Anlehnung an: Gabler – Kompakt-Lexikon Wirtschaft

Die Hersteller selbst konzentrieren sich auf eigene Kernkompetenzen sowie marken­relevante Aspekte (vgl. Abschnitt 3.1 dieser Arbeit). Hier rücken dann die Begriffe der Eigenleistung und der Fremdleistung in den Blickpunkt. Durch eine Verschiebung der Wertschöpfungsaktivitäten reduzieren die Hersteller die Eigenleistung und erhöhen die Fremdleistung. Oder kurz gesagt: die OEMs bedienen sich der Strategie des Outsour­cing.

4.3.1 Arbeitsteilung Outsourcing

Outsourcing wurde bereits in den achtziger und neunziger Jahren des 20. Jahrhun­derts angewandt. Jedoch wurde zu dieser Zeit darunter mehr die klassische Beant­wortung der Frage „make-or-buy“ verstanden, also einen Arbeitsschritt selbst auszu­führen oder im Rahmen der Beschaffung von einem externen Unternehmen zu be­ziehen.[43]

Durch das Outsourcing verschiebt sich der Anteil der Eigenleistung zugunsten der Fremdleistung. Um diesen Anteil grundsätzlich bestimmen zu können, wird häufig die Fertigungstiefe herangezogen.[44] Hierunter wird „der Umfang der Teilleistung verstan­den, die unter dem Dach des Automobilherstellers von diesem selbst oder von zuge­hörigen Unternehmen mit Mehrheitsbeteiligung erbracht wird“ verstanden.[45] In frühe­ren Zeiten operierten die deutschen Automobilhersteller mit Fertigungstiefen zwi­schen 40 und 50 %.[46] Allerdings sind diese Zeiten längst vorbei. So ermittelte der Verband der Automobilindustrie (VDA) im Rahmen seiner Studie FAST 2015 für das Jahr 2002 eine durchschnittliche Fertigungstiefe von 35 %. Bis zum Jahr 2015 soll sich diese noch bis auf 23 % reduzieren.[47] Dies bedeutet, dass die Automobilherstel­ler auch weiterhin die Eigenleistungen reduzieren und die Fremdleistungen aus­bauen – damit wird die Fertigungstiefe weiter verringert und das Outsourcing voran­getrieben. Zum Vergleich: das gesamte verarbeitende Gewerbe in Deutschland kam für das Jahr 2002 auf eine Fertigungstiefe von 75 % in der Produktion und auf 69 % in der Entwicklung.[48]

Grundsätzlich handelt es sich beim Outsourcing um einen bekannten und bewährten Prozess. Dabei ist es erst einmal gleich, ob das Outsourcing auf ein Bauteil, ein Sub­system oder ein ganzes Modul Anwendung findet. Allerdings ist innerhalb der Auto­mobilindustrie zu beobachten, dass die Wahl der Fertigungstiefe und damit der Anteil des Outsourcings innerhalb der Hersteller variieren können. So reduzieren vor allem Volumenhersteller aus Kostengründen die Fertigungstiefe, wohingegen Premium­hersteller zur Produktdiversifizierung den Eigenanteil erhöhen.[49]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 3: Entwicklung der Eigenleistung je Marke; Quelle: Mercer Management Consulting FAST Studie 2015

Abbildung 3 zeigt deutlich, dass gerade Volumenhersteller das Outsourcing ausge­weitet haben, während die Premiumhersteller eine Reduzierung der Fremd- und da­mit eine Erhöhung der Eigenleistung durchführen. Dies lässt sich mit zusätzlichen Systemen in den Fahrzeugen begründen, die lediglich in der Premiumklasse ange­boten werden. Genannt werden können da z. B. die Verkehrsschilderkennung, Ein­parkassistent oder die Rückfahrkamera.[50]

Insgesamt lässt sich sagen, dass sich das Outsourcing in den vergangenen Jahren vom Fällen der klassischen „Make-or-buy“-Entscheidung zu einem wichtigen Bereich im Geschäftsprozess weiterentwickelt hat. Allerdings kann eine erfolgreiche Outsour­cing-Strategie nur gestaltet werden, wenn die ausgelagerte Aktivität sehr eng an die eigene Organisation angebunden bleibt. Dies kann nur durch eine Kooperation mit dem jeweiligen Lieferanten geschehen, da die wesentlichen Herausforderungen ei­ner erfolgreichen Outsourcing-Strategie u. a. die Sicherstellung einer hohen Kommu­nikationsintensität und eine abgestimmte Problemlösung beinhalten.[51] Zusammenge­nommen mit den Veränderungen innerhalb der Wertschöpfungskette sind hier Koo­perationsmodelle erforderlich, die die Produktionskonzepte der Zukunft widerspie­geln. Eine flexible Allokation von Leistungsbündeln zwischen vernetzten Spezialisten ersetzt zunehmend Unternehmen, die unterschiedliche Bereiche unter einem Dach zusammenfassen. Die Outsourcing-Aktivitäten sind auf dem Vormarsch und werden weiter zunehmen. Allerdings bleibt auch die Erkenntnis, dass markenspezifische Identifizierungsmerkmale – gerade im Premiumsegment – zur besseren Diversifika­tion unter der Regie der Hersteller bleiben werden. Allerdings wird auch von den Zulieferern mittlerweile der endkundenrelevante Markenwert konsequent weiterentwickelt, was jedoch von den OEMs gesteuert wird.

4.4 Zukünftige Geschäftsmodelle

Um den sich verändernden Bedingungen auf den globalen Märkten Rechnung zu tragen, müssen sowohl OEMs als auch Zulieferer frühzeitig, besonnen und nachhal­tig handeln. Als Schlüssel zum Erfolg bei stetig steigendem Innovations- und Kosten­druck in einem immer dynamischeren Wettbewerb gelten neue Geschäftsmodelle, die helfen sollen, die mittel- und langfristigen Anforderungen an OEMs und Zulieferer zu erfüllen. Gerade die OEMs sind an dem Punkt angelangt, an dem sie mit ihren bisherigen „statischen“ Unternehmensstrategien keine Fortschritte mehr erzielen können.[52] Diese sind von unflexiblen Prozessen und Verfahren gekennzeichnet. Darü­ber hinaus erlauben diese Strategien nicht oder nur sehr begrenzt, auf neue Gegebenheiten und Entwicklungen auf den Märkten zu reagieren.

4.4.1 Konzentration und Konsolidierung

Die Automobilindustrie befindet sich momentan in einem Prozess der Unterneh­menskonsolidierung bzw. der Unternehmenskonzentration.[53] Gleichzeitig sind die Beteiligten dabei, benötigte neue Strategien zu entwickeln und umzusetzen. Die Gründe dafür sind vielfältig, jedoch sind die Hauptargumente bei den finanziellen, technologischen und strategischen Aspekten zu suchen. Nicht zuletzt ausgelöst durch die jüngste Wirtschafts- und Finanzkrise, die OEMs und Zulieferern z. T. er­hebliche finanzielle Probleme beschert hat, befinden sich viele Unternehmen der Branche in finanzstrukturellen Schwierigkeiten. So haben rund 30 % der Zulieferbe­triebe mit finanziellen Problemen zu kämpfen und sind akut existenzbedroht.[54] Viele dieser Unternehmen können nicht aus eigener Kraft überleben und sind daher auf Einstieg von Investoren angewiesen. Daher wird die Unternehmenskonzentration nach Expertenmeinungen noch weiter zunehmen: für den Zeitraum von 2015 bis 2018 wird erwartet, dass die Zahl der Automobilzulieferer sich auf rund 2.800 Be­triebe reduziert und die Zahl der Fahrzeughersteller auf etwa 10 unabhängige Auto­mobilkonzerne sinken wird.[55]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 4: Anzahl der Unternehmen in der Automobilindustrie; eigene Darstellung, angelehnt an Mercer Management Con­sulting: FAST Studie 2015

Gerade für die Zulieferbetriebe ergeben sich aus dieser Entwicklung neue Anforde­rungen, deren Erfüllung über die Zukunftsfähigkeit der Betriebe entscheiden kann. So müssen sich die Zulieferer als integrativer Bestandteil der Wertschöpfungskette etablieren, um von den neuen, dynamischen Strategien der Fahrzeughersteller profi­tieren zu können. Sie müssen technologisch innovativ sein, neue Geschäftsmodelle entwickeln und dabei – unabhängig von der Ausgestaltung – nachhaltige und dauer­hafte Partnerschaften mit den Fahrzeugherstellern eingehen. Dabei ist die eigene Wettbewerbsfähigkeit mit einer gesunden finanziellen Struktur auf einer Stufe anzu­sehen wie Innovationsfähigkeit und Technologieführerschaft. Die sich hieraus erge­benden Wettbewerbsvorteile bringen die Zulieferbetriebe in die Lage, sich als ver­lässlicher und vertrauenswürdiger Partner der Fahrzeughersteller zu positionieren.

Zusammenfassend lässt sich feststellen, dass sich die gesamte Automobilindustrie momentan in einer Umbruchphase befindet. Es ist davon auszugehen, dass sich dies auch noch über die nächsten Jahre erstrecken wird. Die Herausforderungen sind enorm und mit Nichts zu vergleichen, was die beteiligten Unternehmen bisher zu be­wältigen hatten. Besonders die Zulieferbetriebe sind dabei in der Situation, immer mehr Leistungen erbringen zu müssen, dies aber nicht immer entsprechend entlohnt zu bekommen. Dabei stecken sie in der Zwickmühle zwischen den OEMs mit unter­schiedlichen Forderungen und Arbeitsweisen und anderen Stakeholdern der Unter­nehmensumwelt. Gerade die Letztgenannten machen vielen kleinen und kleineren Unternehmen, die nicht die entsprechende Marktmacht besitzen – beispielsweise bei der Rohs­toffversorgung - doch sehr zu schaffen. Dabei sind es gerade die Fahr­zeughersteller, die mit ihren strategischen Entscheidungen über die Zukunft maß­geblich auf die Si­tuation bei ihren Zulieferern Einfluss nehmen (können).

[...]


[1] Vgl. Hüttenrauch / Baum 2008: 33

[2] Vgl. http://www.qualitaetsmanagement.me/OEM.htm

[3] Vgl. Grandori/Soda 1995: Inter-firm networks

[4] Vgl. Wallentowitz / Freialdenhoven / Olschewski 2009: 1

[5] Vgl. Heigl / Rennak 2008: 34

[6] Vgl. Johann Ecker, Vice President Corporate Development & Planning der Magna Steyr AG & Co., während der Handelsblatt-Fachtagung „Automobil-Industrie“ am 15.07.2011 in München

[7] Vgl. Hucko: VW schluckt Karmann häppchenweise

[8] Vgl. Weigert / Pepels 1999: 648

[9] Vgl. Gabler 2006: 371

[10] Vgl. Bühner 2001: 562

[11] Vgl. Bühner 2001: 562

[12] Vgl. Jahresbericht 2010 des Verbandes des Automobilindustrie (VDA): 16

[13] Vgl. Jahresbericht 2010 des Verbandes des Automobilindustrie (VDA): 17

[14] Vgl. Heigl / Rennak :15

[15] Vgl. Dielmann & Häcker 2010: 5

[16] Vgl. o. V.: „Auto-Papst“ Dudenhöffer rechnet für 2015 mit 415 Auto-Modellen

[17] Vgl. Wilhelm 2009: 97

[18] Vgl. Wilhelm 2009: 95

[19] Vgl. Jürgens 2000: 64

[20] Vgl. Miebach Consulting: Branchenstudie: Kooperationen in der Automobilindustrie

[21] Vgl. Lamming 1994: 284

[22] Vgl. Dielmann & Häcker 2010: 39

[23] Vgl. Miebach Consulting: Branchenstudie: Kooperationen in der Automobilindustrie

[24] Vgl. Miebach Consulting: Branchenstudie: Kooperationen in der Automobilindustrie

[25] Vgl. Rücken 2011: 1

[26] Vgl. Buhl 2011: 1

[27] Vgl. Kölling & Fahrion 2010: 1

[28] Vgl. Kölling & Fahrion 2010: 1

[29] Vgl. Burmeister 2011: 30

[30] Vgl. Bialdiga 2011: 1

[31] Vgl. Bialdiga 2011: 1

[32] Vgl. Bialdiga 2010: 1

[33] Vgl. Bialdiga 2011: 1

[34] Vgl. Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender der Audi AG, während der Handelsblatt-Fachtagung „Automobil-Industrie“ am 14.07.2011 in München

[35] Vgl. Rupert Stadler, Vorstandsvorsitzender der Audi AG, während der Handelsblatt-Fachtagung „Automobil-Industrie“ am 14.07.2011 in München

[36] Vgl. Mattes, Meffert, Landwehr & Koers 2003: 72

[37] Vgl. Mattes, Meffert, Landwehr & Koers 2003: 73

[38] Vgl. Wallentowitz / Freialdenhoven / Olschewski 2009: 30

[39] Vgl. Wallentowitz / Freialdenhoven / Olschewski 2009: 30

[40] Vgl. Wilhelm 2009: 94

[41] Vgl. Mercer Management Consulting: FAST Studie 2015

[42] Vgl. Gabler 2006: 371

[43] Vgl. Wilhelm 2009: 95

[44] Vgl. Wilhelm 2009: 96

[45] Vgl. Wilhelm 2009: 94

[46] Vgl. Weiss 1999: 48

[47] Vgl. Verband der Automobilindustrie – Studie FAST 2015

[48] Vgl. Kinkel & Lay 2003: 1

[49] Vgl. Mercer Management Consulting: FAST Studie 2015

[50] Vgl. Mercer Management Consulting: FAST Studie 2015

[51] Vgl. Wilhelm 2009: 98

[52] Vgl. Proff / Proff 2008: 76

[53] Vgl. Wilhelm 2009: 101

[54] Vgl. Mercer Management Consulting: FAST Studie 2015

[55] Vgl. Mercer Management Consulting: FAST Studie 2015

Ende der Leseprobe aus 79 Seiten

Details

Titel
Entwicklungskooperationen in der Automobilindustrie
Hochschule
Hamburger Fern-Hochschule
Note
1,3
Autor
Jahr
2011
Seiten
79
Katalognummer
V187669
ISBN (eBook)
9783656112136
ISBN (Buch)
9783656111900
Dateigröße
1089 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Kooperationen, Entwicklung, Automobilindustrie, Fahrzeughersteller, F&E, Forschung, Innovation
Arbeit zitieren
Christian Lange (Autor:in), 2011, Entwicklungskooperationen in der Automobilindustrie, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/187669

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