Merkmale und Probleme der Verwaltung in den von Deutschland besetzten Gebieten zur Zeit des Zweiten Weltkrieges


Hausarbeit (Hauptseminar), 2002

41 Seiten, Note: 1,3


Leseprobe


Inhaltsver zeichnis

A. Einleitung
I. Überblick über den Aufbau und die zentrale These
II. Anforderungen und Grundsätze der Verwaltung in der Demokratie

B. Hauptteil
I. Gegenüberstellung der Verwaltung mit dem Leitbild der ideologisierten Menschenführung
1. Führung und Führerstaat
2. Menschenführung und Staatsverwaltung
a. Die "Dualisten"
b. Die "Unitarier"
II. Strukturmerkmale des NS- Staates aus verwaltungsgeschichtlicher Sicht
1. Politik
2. Verwaltung
3. Spezielle Charakterzüge der Ostverwaltungen außerhalb des Reichsgebiets
4. Symptome des Führerstaates in Bezug auf die Justiz
III Die Verwaltungsorganisation und der Verfahrensablauf in den besetzten Gebieten
1. Reichsprotektorat Böhmen und Mähren
a. Die Zerschlagung der tschechischen Identität
b. Die Führungsstile von Reichsprotektor und Staatsminister
c. Protektoratsverwaltung
2. Generalgouvernement Polen
3. Reichskommissariate
a. Reichskommissariat Norwegen
b. Reichskommissariat Niederlande
4. Chefs der Zivilverwaltung (CdZ)
5. Rosenbergs Ostministerium
a. Überlegungen Hitlers und Grundtatbestände für die Verwaltung in den besetzten russischen Gebieten
b. Alfred Rosenberg und seine Organisation
c. Personalstruktur
d. Äußerungen Hitlers zur Verwaltungsführung (Implementation) im Osten

C. Resümee

D. Anhang

E. Literaturverzeichnis

Seminararbeit

Merkmale und Probleme der Verwaltung an besonderen Beispielen in den von Deutschland besetzten Gebieten zur Zeit des Zweiten Weltkrieges

Autor:

Matthias Hirschböck

"Der Führerstaat war ein dem Wesen nach personeller Herrschaftsverband, der keinen institutionellen Regelungen bedurfte" ( Rebentisch, Dieter, Führerstaat und Verwaltung im zweiten Weltkrieg, 1989, S. 309 )

A. Einleitung

I. Überblick über den Aufbau und die zentrale These

Um die These vom Dualismus zwischen Partei und Verwaltung im Dritten Reich, Karl- Dieter Bracher spricht vom "gelenkten Chaos"[1], näher beleuchten zu können, erscheint es mir zunächst von Bedeutung zu sein, Verwaltungsgrundsätze, wie sie teils schon in der Weimarer Republik galten und erst recht heute in der bundesdeutschen Praxis zu erfahren sind, zu konkretisieren. Deswegen möchte ich einleitend die Rechtsgrundlagen von Verwalten darstellen und damit zeigen, daß die Verwaltung im politisch- administrativen Prozeß einbezogen ist und gemäß der Gewaltenteilungslehre von Montesquieu ein Exekutivorgan darstellt, das politische Entscheidungen bis in die untersten Ebenen transferiert und für den Bürger verständlich macht.

Regierung, Verwaltung und Parlament sind in der Bundesrepublik Deutschland miteinander eng verknüpft und besitzen zusammen eine leitende und staatstragende bzw. eine staatsbewahrende Funktion.

Die Parteien sind an die Demokratie gebunden, haben die Pflicht sie zu bewahren, und ihnen obliegt entscheidende Bedeutung für die politische Willensbildung des Volkes (Art. 21 I GG).

In einem weiteren Kapitel werde ich die Kontroverse um die Frage der "Menschenführung" zwischen Partei und Verwaltung im Dritten Reich darstellen, um später noch auf weitere Charakteristika von administrativer Arbeit in den von Deutschland besetzten Gebieten einzugehen.

Anschließend ist es das Ziel, die diversen Zivilverwaltungen in den "besiegten" Territorien unter die Lupe zu nehmen, bevor ich dann zu einem anschließenden Resümee komme.

II. Anforderungen und Grundsätze der Verwaltung in der Demokratie

In diesem Abschnitt sollen weniger die Organisation, die Zuständigkeiten und die Ausführung von Bundes- und Landesverwaltung erklärt werden, vielmehr liegen traditionelle, im Grundgesetz festgeschriebene und in der Praxis etablierte Verwaltungsnormen im Fokus der Betrachtung.

Oberste Direktive der bundesdeutschen Exekutive ist das Rechtsstaatsprinzip aus Art. 28 I GG, das allgemeine Rechtssicherheit und Einzelfallgerechtigkeit gewährleisten soll.

Die Gewaltenteilung und die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, also die Bindung der ausführenden Gewalt an Rechtsnormen und Gesetze, sind in Art. 20 II und III GG festgelegt. Der Vorrang des Gesetzes und der Gesetzesvorbehalt statuieren das Primat des Gesetzes: Verwaltungshandeln bedarf immer einer gesetzlichen Grundlage und darf nicht rechtswidrig sein.[2] In diesem Zusammenhang fordert das "Wesentlichkeitsprinzip", daß alle Akte der öffentlichen Gewalt, die den Bürger in seiner Rechtsstellung betreffen, einer Legitimationsbasis bedürfen. Außerdem müssen nichtige und rechtswidrige Verwaltungsakte grundsätzlich für den Bürger anfechtbar und gerichtlich überprüfbar sein.[3]

Eine weitere verfassungs- und verwaltungsrechtliche Anforderung besagt, daß Verwaltungsakte verhältnismäßig sein müssen und keine übermäßige Beschwer für den Bürger darstellen dürfen ("Übermaßverbot", das sich gewohnheitsrechtlich manifestiert hat und zusätzlich aus dem Art. 19 II GG ableiten läßt), d.h. Regelungen der Behörden unterliegen "objektiven Schranken des Ermessens".[4]

Die Bürokratie hat bestimmte Regeln einzuhalten, um den Rechts- und Vertrauensschutz der Bevölkerung zu gewährleisten, und sollte am Gemeinwohl orientiert sein.

Ein weiterer Gesichtspunkt rechtsstaatlicher Ordnung besteht darin, daß der Zugang zu öffentlichen Ämtern unabhängig von der Religion, vom Bekenntnis und von der Weltanschauung gemäß dem "Gleichheitssatz"[5] jedem offen stehen muß und damit ein staatsbürgerliches Recht nach Art. 33 III GG darstellt.

Als weitere Verwaltungsgrundsätze und Normen staatlichen Handelns, die sowohl gewohnheitsrechtlich akzeptiert als auch in der gängigen Praxis etabliert sind, sind folgende Aspekte zu erwähnen: Zum einen sollte ein Verhaltens- und Berufskodex bei den Beamten verinnerlicht sein, in dem Dienst und Pflicht als höchste Werte angesehen werden, zum anderen die Maxime, daß die überpersönliche Staatsautorität bewahrt und transparent gemacht werden muß. Zum dritten verpflichtet die Maßgabe, daß nur qualifizierte und interessierte Personen für den öffentlichen Dienst auszuwählen sind, die Staatsdiener zur treuen Ergebenheit gegenüber dem Staat und seiner Verwaltung.[6]

Diese oben erläuterten Normen galten noch zum großen Teil in der Demokratie der Weimarer Republik und waren für das traditionell- konservative Beamtenkorps bindend. Wie nun diese Grundsätze unter der nationalsozialistischen Herrschaft behandelt oder nicht behandelt und angewandt wurden und welche Merkmale die Verwaltung in ihrer Beziehung zu Recht und Gesetz auszeichneten, werde ich näher unter Punkt III. beleuchten.

B. Hauptteil

I. Gegenüberstellung der Verwaltung mit dem Leitbild der ideologisierten Menschenführung

Das Führerprinzip und die Menschenführung sind elementare Herrschaftsprinzipien des Nationalsozialismus. Diese näher zu beleuchten ist auch im Sinne einer genaueren Beschreibung der Verwaltung. Der NS- Staat wollte zwar einheitlich, integrierend sein und propagierte demzufolge auch die "Einheit von Partei und Staat"[7], um alle Deutschen zur Volksgemeinschaft zusammenzuschweißen und zur Gefolgschaft zu animieren, de facto war jedoch das Zusammenspiel, oder besser das fehlende Zusammenspiel, zwischen Verwaltung und Partei dualistisch und trug zur zusätzlichen Unsicherheit und Instabilität bei. Dabei gilt es nun, Konzepte der Führung, der Menschenführung und ihre Relation zur Verwaltung zu betrachten und miteinander zu vergleichen.

Um den Aufbau des Führerstaates und den Dualismus zwischen Partei und Staat schematisch nachvollziehen zu können, empfehle ich den Anhang D.I.

1. Führung und Führerstaat

Führung fungiert als ein Teilsystem der politischen Kultur, welches sich in vier Methoden und Gruppen untergliedern läßt:[8]

a) Die juristische Führungslehre
b) Die betriebliche Führungslehre
c) Die politikwissenschaftliche Führungslehre
d) Die humanwissenschaftliche Führungslehre

Im Begriff Führung spiegelt sich auch immer die Autorität des Führers wider, die sich wiederum durch Persönlichkeit, Fachlichkeit, dem Willen zur Machtausübung und im besten Falle sogar durch Charisma begründen läßt. Die Autorität gibt dem Führer die Möglichkeit, daß sich Menschen bereitwillig unterordnen, weil sie sich unter seiner Führung sicher fühlen und auf seine Kompetenzen vertrauen, um auch ihr Leben und ihre Wohlfahrt zu maximieren. Die Geführten geben auch immer ein Stück ihrer Individualität und Freiheit auf, welche sie in die Hände einer Vertrauensperson legen, die Aufgaben übernimmt, um die sich die Geführten nicht mehr kümmern müssen.

Nun besteht natürlich die berechtigte Frage, warum sehnten sich die Menschen so sehr nach Führung, nach Ordnung, nach Unterordnung und gaben dem Führerstaat 1933 eine umstrittene Legitimität. Die Gründe für die sich steigernde Ablehnung der Weimarer Republik quer durch alle Bevölkerungsschichten sollen hier nicht näher beleuchtet werden. Fest steht, daß das deutsche Volk einen mächtigen Staat und einen starken Mann forderte, der das Ansehen und die Souveränität Deutschlands wiederherstellen und für Recht und Ordnung, sowie Ruhe und Wohlstand sorgen sollte. Mit Hitlers Führerkult, der ihm eine symbolische, außergewöhnliche Stellung eingebracht hat, bestätigte er die Erwartungen der Bevölkerung, deren Masse lange Zeit zu ihm aufstarrte wie zu einem Gott.

Schon Max Weber, der die nationalsozialistische Machtübernahme nicht mehr erlebt hat, spricht vom "Führertum [...] [als einem] Hauptmerkmal charismatischer Herrschaft"[9], obgleich er auch die negativen Folgen erwägt, wenn das Führertum gepaart mit Sendungsbewußtsein und Ideologie sich mit der Bürokratie verbindet.

Aber nicht nur in Deutschland wird der Führergedanke und der Ruf nach dem starken, einigenden Mann immer lauter, sondern diese Tendenz ist in ganz Europa in den 1920ger und 30ger Jahren zu verspüren. Nicht umsonst gilt das 20. Jahrhundert als das Jahrhundert der Weltanschauungen und der totalitären Regime.[10]

Nun hat der Begriff "Führung" - als ein zentraler im Nationalsozialismus - mehrere Bedeutungen, die teilweise abgeleitet, teilweise hineininterpretiert wurden. Hitler leitet aus der Führung das "Ein- Mann- Prinzip" ab, das später zum Führerprinzip erhoben wurde. So spricht er davon, daß " die Entscheidung ein Mann treffe und die Autorität nach unten wirkt, damit die Geführten verantwortlich handeln".[11] Hitler gelang es, das Parteiprogramm ganz mit seiner Person zu identifizieren. Idee und Organisation waren durch Hitler in der charismatischen Führerpartei untrennbar miteinander verbunden. Der "Böhmische Gefreite" hat sich zum machtpolitischen und ideologischen Bezugspunkt innerhalb der NS- Bewegung hoch gekämpft.[12]

Aber weder Hitlers Autorität noch sein Führerkult, weder sein totalitäres Herrschen noch sein engster Kreis, der in einem feudal- personalen Treueverhältnis zu ihm stand, konnte verhindern, daß sich die Konkurrenzkämpfe und Machtstreitigkeiten innerhalb der Partei immer weiter "hochschaukelten" und so die Partei in diverse Machtgruppen zerfiel.[13]

Die "Führung" im Nationalsozialismus umfaßt dreierlei:

a) Die Person und Stellung Hitlers ("Der Führer", Führer und Gefolgschaft)
b) Die Bildung von politischen Strukturen zur Durchsetzung des NS- Systems mit Hilfe der Partei (Führung, Menschenführung)
c) Die Durchsetzung des monokratischen Prinzips im Staatsaufbau (Führerprinzip)

Der nationalsozialistische Führerbegriff wurde, wie sollte es anders sein, geschichtlich auf die Germanen zurück transferiert[14], die eine hohe Auffassung von "Ehre, Treue, Verantwortung und Autorität" besaßen und dementsprechend den Nationalsozialisten als Vorbild dienten. Der Wille und die Bereitschaft zur Führung seien "typisch deutsche" Charaktermerkmale, die das Wesen der Deutschen mit den Eigenschaften "Zielstrebigkeit, Schöpferkraft, Gemeinschaftssinn und Religiosität ['wirklichkeitsgetreu']" beschrieben. "Führer soll [derjenige] sein, wer am vollkommensten die Erhaltung und Förderung der Gemeinschaftswerte gewährleistet."[15] Das Volk folge dem Führer bereitwillig und freiwillig, da er für den Besten gehalten wird, der ausschließlich zum Wohle der Nation handele.[16] Wenn der Führer merkt und registriert, daß er von treuen Gefährten umgeben ist, die ihm blind ergeben sind und auf ihn vertrauen, dann wird er seine Anstrengungen noch steigern, seine "Kraft, sein Wertstreben und seine Schöpferfähigkeit"[17] exponential steigern.

Im folgenden Abschnitt, nachdem nun klar sein dürfte, wie sich die Nationalsozialisten Führung und Führerprinzip vorstellen, möchte ich das Verhältnis zwischen der Partei und der Verwaltung, bzw. dem Prinzip der Menschenführung und dem Verwaltungshandeln beleuchten und dabei speziell auf die beiden Führungstheorien der "Unitarier" und der "Dualisten" eingehen.

2. Menschenführung und Staatsverwaltung

Carl Schmitt, Rechtstheoretiker des Nationalsozialismus und einer von denjenigen, die den totalen Staat zwischen 1933 und 1935 beschrieben und ihm ein rationales Fundament zu geben versucht haben, spricht davon, daß von nun an der Staat mitsamt seiner Verwaltung nicht mehr der Träger der Politik sei, sondern nur noch Organ des Führers der Bewegung.

Schmitt kreiert desweiteren auch die Theorie der "politischen Einheit von Staat, Bewegung und Volk". Diese gilt aber nur solange, bis die herrschende politische Gruppe eine Notstandssituation ausruft, was dann der Fall ist, wenn "Feinde" gegen die Herrschaftsordnung vorgehen. Zur Unterscheidung zwischen "Bösen und Guten" dient die "Freund- Feind- Ideologie"[18] Schmitts, der pseudo- wissenschaftlich eine neue nationalsozialistische Staatsrechtslehre begründete.

Ernst Forsthoffs Herrschaftsordnung als eine Art Rangordnung will die nationalsozialistische Führungsordnung mit der bürokratischen Verwaltungsorganisation verbinden.

Um beide Autoren inhaltlich zu verbinden, heißt das nun, daß der Führer durch sein Führerprinzip den Staat leitet und die beste Politik nach seinem Gutdünken betreibt. Die Verwaltung nimmt also an der Führungsordnung und dem Führungsablauf nicht teil, weshalb auch ein so hochstehendes Prinzip, wie das der Menschenführung, nicht in ihr aufgenommen werden kann. Führung muß "erfahren, erlebt und genossen" werden, was in der "gefühlsarmen, kargen" Bürokratie unmöglich ist. Führung und Geführtwerden ist eine Sache des Herzens, ein Mythos, nicht aber eine Angelegenheit der Akten und der rationalen Arbeitsweise.

Zwei Grundrichtungen der nationalsozialistischen Führungslehre

Hierbei wird zwei zentralen Fragen nachgegangen, nämlich ob die Verwaltung überhaupt am Führertum teilnimmt und welche Prinzipien in ihrem Inneren stattfinden, wenn es keine Menschenführung sein sollte.

Darüber entbrannte ein Streit zwischen zwei kontrovers argumentierenden Gruppen, den "Dualisten" und den "Unitariern"[19].

a) Die "Dualisten"

Ihr wichtigster Vertreter Reinhard Höhn (daneben verschrieben sich dieser Auffassung auch noch Erich Becker und Theodor Maunz) forderte, daß die alten Werte und Theorien entwertet werden müssen und wollte die Verwaltung von der Führung strikt getrennt wissen. Der Staat und die Verwaltung seien bloße Befehlsempfänger ohne Innenleben, ein "zu blindem Gehorsam verpflichtetes Vollzugsinstrument"[20], das auf dem absolutistischen und obrigkeitlichen Staat- Untertanen- Verhältnis aufbaue. Die Verwaltung steht also dualistisch auf der einen Seite und die Partei als Führungskraft auf der anderen (zur Organisation und Gliederung der NSDAP siehe Anhang D.II.).

Es kam nun zu dauernden Konfrontationen und Interessenkonflikten zwischen Parteispitzen und Verwaltungsoberen (Dualismus), ob der Art und Weise des Führens und Lenkens.

Verwaltung sei etwas grundsätzlich anderes als und sogar ein Gegensatz zur Menschenführung, die primär im Parteiinteresse liege.[21]

So stellten die "Dualisten" dem Verwaltungshandeln die Menschenführung gegenüber, was in untenstehender Tabelle verdeutlicht werden soll.[22]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

b) Die "Unitarier"

Ernst Rudolf Huber und Otto Koellreutter sind als Verfechter dieser Auffassung hier zu erwähnen, die auf dem Standpunkt beharrten, daß Führung sehr wohl in der Verwaltung möglich und nötig sei. Das Führertum müsse in alle Teile des Reiches, der Gesellschaft und des Volkes wirken und die Gesamtordnung binden, zu der selbstverständlich auch die Verwaltung gehört. Der Grundgedanke des Führertums, also das Vertrauen zwischen Führern und Unterführern, solle nach Meinung Hubers auch in die Verwaltung hineinreichen. Wenn es aber um die Frage geht, ob Führung auch die Menschenführung implementiert, dann versuchen viele Unitarier wieder auszuweichen, um nicht den ideologischen Rang des Monumentalprinzips Menschenführung zu verkleinern. Führung gelte als Menschenführung in der Administration daher nur dort, wo" Gemeinschaft gebildet und entfaltet wird, d.h. nicht innerhalb der reinen Behördenarbeit"[23]. Als Beispiele, wo dies möglich wäre, führt Huber von Parteibonzen übernommene Verwaltungsämter an, wie z.B. Bürgermeister oder Oberpräsidenten.

Arnold Köttgen, ein renommierter Kommunalrechtler, teilt deswegen Führung in Menschen- und Sachführung. Martin Bormann spricht 1938 von der Menschenführung wie von einer göttlichen Tugend, die aus dem Herzen herauskommen müsse und angeboren ist, die man also weder erlernen kann noch beschreiben darf.[24] Menschenführung zu betreiben, ist also nur ideologisch gefestigten Nationalsozialisten möglich. Um die Geführten, das "politische" bzw. "unpolitische"[25] Volk, nicht zu verunsichern und ihre moralische Reinheit zu "verdrecken", darf eine so wertvolle Aufgabe nur elitären Parteikreisen obliegen, nicht aber der schnöden Verwaltungsbürokratie.

Die Verwaltungsangehörigen schlugen sich natürlich, um ihre Interessen zu wahren und ihre Bedeutung zu fixieren, auf die Seite der Unitarier und kritisierten die dualistische Sichtweise. Menschenführung ist nicht nur nach Meinung der Beamten innerhalb von Behörden notwendig, sondern die Verwaltung ist generell Teilhaber am Führungsvorgang[26]. Wenn man dagegen die Verwaltungsspitze vom Führungsvorgang ausschalten wolle, verliert diese dann automatisch ihre Autorität, was zu großen Teilen in der Praxis auch tatsächlich passiert ist.

Versuche, eine einheitliche nationalsozialistische Führungslehre zu entwerfen, scheiterten kläglich, so daß sich der Streit der beiden Schulen bis zum Ende des Dritten Reiches nicht aus der Welt schaffen ließ.

[...]


[1] Bracher, K.D., Zeitgeschichtliche Kontroversen, Um Faschismus, Totalitarismus, Demokratie, 1976, S.42, In: Fix, Elisabeth, Das Herrschaftssystem des Dritten Reiches, 1993, S.44.

[2] Vgl. Maurer, Hartmut, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2000, S.106/107.

[3] Vgl. Rebentisch, D./ Teppe, K., Einleitung, 1986, S.32.

[4] Vgl. Maurer, Hartmut, Allgemeines Verwaltungsrecht, 13. Aufl., 2000, S.72 und 131.

[5] Erklärt sich aus Art. 3 I und III GG der Bundesrepublik Deutschland.

[6] Vgl. Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.32.

[7] siehe dazu u.a. Kluge, Rudolf/ Krüger, Heinrich, Verfassung und Verwaltung im Dritten Reich (Reichsbürgerkunde), 1937, S. 65- 67.

[8] Vgl. die Untergliederung der Führungslehre bei Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus,1986, S.36.

[9] Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.38.- Daneben existieren nach Max Weber noch die "traditionale" und die "legale" Herrschaft.

[10] Siehe hierzu auch Thieme, Heinz, Der Ruf nach dem "starken Mann"- Diktaturen in Europa zwischen den Weltkriegen, Kap. 1, in: Bayerische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit (Hrsg.), Der Nationalsozialismus- Friedenspropaganda und Kriegsvorbereitung, Band 2, 1993.

[11] nach Adolf Hitler aus "Mein Kampf" in: Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.40.

[12] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Führerkult, 1996, S.21.

[13] Vgl. Bundeszentrale für politische Bildung (Hrsg.), Führerkult, 1996, S.21.

[14] Vgl. hierzu u.a. die "germanische Auffassung" vom Volk in: Kluge, Rudolf/ Krüger, Heinrich, Verfassung und Verwaltung im Dritten Reich (Reichsbürgerkunde), 1937, S. 69/70.

[15] Sauer, Wilhelm, Recht und Volksmoral im Führerstaat, Archiv für Rechtsphilosophie, Band XXVIII, S.230-274 in: Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.47.

[16] nach Seydel, Helmut, Führer und Leiter, Deutsche Juristen Zeitung 1935, Sp. 1216 und 1218 in: Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.38.

[17] Sauer, Wilhelm, Recht und Volksmoral im Führerstaat, Archiv für Rechtsphilosophie, Band XXVIII, S.253 in: Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.48.

[18] Carl Schmitt, der Begriff des Politischen. Text von 1932 mit einem Vorwort und drei Corollarien, Berlin, 1963, S.27 ff. in: Fix, Elisabeth, Führerstaat, 1993, S.100/101.

[19] Siehe hierzu auch, Fix, Elisabeth, Das Herrschaftssystem des Dritten Reiches, 1993, S. 102/103.

[20] Vgl. Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.52.

[21] Um die Bedeutung des Prinzips der "Menschenführung" im Führerstaat zu verdeutlichen, fungiert die Tatsache, daß eigens ein Mann namens Alfred Rosenberg als "Beauftragter des Führers für die Überwachung der gesamten geistigen und weltanschaulichen Erziehung der NSDAP" eingesetzt wurde, welcher sogar eigene "Lehrstühle für Menschenführung" forderte.

[22] Siehe dazu Rebentisch, D./Teppe, K., Einleitung, 1986, S. 23- 31 und Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S. 47- 52.

[23] Vgl. Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.54.

[24] Bormann Martin, Brief an Rosenberg, 1938, in: Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, S.41.

[25] Schmitt bezeichnet das Volk in seinem Werk "Staat, Bewegung, Volk", Hamburg, 1933, S.12 als "unpolitisch", während Huber diese Auffassung im Artikel "Das deutsche Staatsoberhaupt", in: Zeitschrift für die gesamte Staatswissenschaft 95 (1935), S. 210 kritisiert und dem Volk einen "politischen Rang" zuerkennt.

[26] Vgl. Laux, Eberhard, Führung und Verwaltung in der Rechtslehre des Nationalsozialismus, 1986, S.59-61.

Ende der Leseprobe aus 41 Seiten

Details

Titel
Merkmale und Probleme der Verwaltung in den von Deutschland besetzten Gebieten zur Zeit des Zweiten Weltkrieges
Hochschule
Universität der Bundeswehr München, Neubiberg  (Institut für Verwaltungswissenschaften)
Veranstaltung
Hauptseminar Ideologie und Herrschaft im Dritten Reich
Note
1,3
Autor
Jahr
2002
Seiten
41
Katalognummer
V1871
ISBN (eBook)
9783638111454
ISBN (Buch)
9783638682664
Dateigröße
949 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Interdisziplinäres Seminar: Verwaltungswissenschaften - Politische Theorie.
Schlagworte
Merkmale, Probleme, Verwaltung, Deutschland, Gebieten, Zeit, Zweiten, Weltkrieges, Hauptseminar, Ideologie, Herrschaft, Dritten, Reich
Arbeit zitieren
Matthias Hirschböck (Autor:in), 2002, Merkmale und Probleme der Verwaltung in den von Deutschland besetzten Gebieten zur Zeit des Zweiten Weltkrieges, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/1871

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