Die Rolle von Versorgung in aufsuchenden Familienhilfen

Bedeutung von Hilfen zur Haushaltsführung im Vergleich zu Beziehungs- und Erziehungshilfen


Bachelorarbeit, 2009

62 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhalt

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1 Einführung

2 Begriff der Versorgung

3 Alltagsmanagement privater Haushalte - divergierende Hilfebedarfe in prekären Lebenslagen
3.1 Theoretische Grundlagen des Alltagsmanagements
3.2 Haushalte in prekären Lebenslagen
3.3 Probleme im Alltagsmanagement von Haushalten in prekären Lebenslagen
3.4 Anforderungen der Haushaltstypen an die Hilfestufen der Armutsbewältigung

4 Aufsuchende Familienhilfen in der Sozialen Arbeit
4.1 Begriffsbestimmungen
4.2 Allgemeiner Sozialdienst
4.3 Sozialpädagogische Familienhilfe
4.4 Familienpflege

5 Resümee: Rolle von Versorgung in aufsuchenden Familienhilfen

6 Reformansätze
6.1 HOT - Das HaushaltsOrganisaionsTraining der Familienpflege
6.2 Das Konzept „Frühe Hilfen"
6.3 DasProjekt„Hauswirtschaftliche Beratung für verschuldete Familien" in München..

7 Diskussion

8 Zusammenfassung

Literatur

Anhang

Abblidungverzeichnis

Abbildung 1: Haushälterisches Dreieck

Abbildung 2: Intensitätsstufen der Hilfen zur Armutsbewältigung

Abbildung 3: Funktionsweise eines Frühwarnsystems

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Kurzcharakteristik der haushaltsbezogenen Armutstypen

Tabelle 2: Differenzierte Hilfebedarfe zur Alltagsbewältigung der vier Typen von Armutshaushalten

Tabelle 3: Gegenüberstellung der Rolle von Versorgung on den Diensten der SPFH und Familienpflege

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1 Einführung

ln jüngster Zeit zeichnete sich in den Haushaltswissenschaften zunehmend eine Fach-diskussion um den Begriff der Versorgung und seiner Rolle in den Haushaltswissenschaften ab (vgl. Schwabe 2009: 67-71). Die genaue Erfassung des Bedeutungsinhaltes dieses zentralen Be­griffes, der oftmals im Einklang der Versorgung, Erziehung und Pflege von Personen genannt wird, gestaltet sich immer wieder schwierig. Wo fängt Versorgung an, wo hört sie auf? Was zählt etwa schon zur Erziehung, was meint die Beaufsichtigung von Kindern im Vergleich zu de­ren Versorgung? Beim Versuch derartige Fragen zu beantworten, konstituiert sich die Proble­matik, denn auch die Fachliteratur vermag bis jetzt keine einschlägige Antwort zu geben. Der Begriffsdefinition ist daher das erste inhaltliche Kapitel dieser Arbeit (Kapitel 2) gewidmet.

Klar ist hingegen, dass Versorgung Teil der Haushaltsarbeit bzw. des Alltagsmanagements ist, dessen Gelingen allerdings nicht immer selbstverständlich ist. Dies zeigt sich insbesondere in Haushalten in prekären Lebenslagen, bei denen aufgrund verschiedenster Belastungen und mangelnden Kompetenzen eine bedarfsgerechte Haushaltsführung häufig nicht mehr gelingt (vgl. Meier/Preuße/Sunnus 2003: 295 f.; s. Kapitel 3). Im Weiteren folgt daher eine Darstellung institutioneller Hilfen (Kapitel 4), die den Alltagsproblemen jener Haushalte begegnen. Im Fokus dieser Betrachtungen stehen dabei Familienhaushalte, d. h. Haushalte mit Kindern. Zum einen, da diese eine Hauptrisikogruppe der von Armut gefährdeten Haushalte in Deutschland sind, zum anderen, da die Familienhilfen ebenfalls nur gewährt werden, wenn Kinder dem Haushalt angehören. Aufsuchenden Familienhilfen sind hier von besonderem Interesse, da sie sich im Vergleich zu anderen, nicht-aufsuchenden Angeboten zunächst durch geringere Anforderungen an Eigeninitiative und Motivation auszeichnen und eine breitere Masse betroffener Familien erreichen können (vgl. BMFSFJ 2009: 38 f.). Eine zusammenfassende Übersicht über die Bedeu­tung von Hilfen zur Haushaltsführung (Kapitel 5) beschließt den ersten Teil dieser Arbeit. Da­raufhin werden in Kapitel 6 drei Projekte vorgestellt, die Versorgung in der Familienhilfe eine neue Bedeutung zukommen lassen. Die abschließende Diskussion (Kapitel 7) stellt nochmals die bedeutendsten Problempunkte heraus und zeigt daraus abgeleitete Forderungen und Hand­lungsmöglichkeiten auf.

2 Begriff der Versorgung

Beginn gilt es den Begriff der Versorgung als zentralen Aspekt dieser Arbeit zu definieren. Zu­nächst sei gesagt, dass es dabei weder um die Versorgung im Gesundheitssystem, noch um die Versorgung mit Energie oder Wasser geht; relevant ist die Verwendung dieses Begriffs inner­halb der Disziplin der Wirtschaftslehre des privaten Haushalts, einem Teilbereich der Haus­haltswissenschaften (synonym auch als Haushaltsökonomik oder Hauswirtschaftswissenschaft bezeichnet) (vgl. Kutsch/ Piorkowsky/Schätzke 1997:13). Dabei fallen bei verschiedenen Auto­rinnen bzw. Vertreterinnen des Faches unterschiedlich große Bedeutungen des Begriffs auf. So steht in der streng ökonomischen Betrachtung des Haushalts nach Seel die allgemein grund­legende Problematik der Knappheit von Ressourcen bei der Abwägung zwischen Zwecken im Mittelpunkt der Aktivität von Privathaushalten - dem Versorgungsbegriff kommt dort keine besondere Bedeutung zu (vgl. Seel 1991:48). in der Haushaltsökonomik bei Piorkowsky dient Versorgung bereits als Kriterium zur Definition von Haushalten, genauer gesagt zur Abgrenzung der Privathaushalte von Groß- oder Anstaltshaushalten: Privathaushalte werden als „grundle­gende Selbstversorgersysteme der Menschen" oder „primäre Versorgungssysteme", Anstalts­haushalte dagegen als „Fremdversorgungssysteme" oder „sekundäre] Versorgungssysteme" bezeichnet (vgl. Kutsch/Piorkowsky/Schätzke 1997:14). „Gemeinsam ist beiden Grundformen von Haushalten, daß sie der unmittelbaren. Bedarfsdeckung und Bedürfnisbefriedigung der Menschen dienen [...]." (ebd.) Die Differenzierung von Haushalten in private und Großhaushalte bringt auch bei anderen Vertretern eine in ihrer Bedeutung divergierende Verwendung des Versorgungsbegriffs mit sich.

Versorgung im Kontext von Großhaushalten vs. Privathaushalten im Kontext der Großhaushalte (Institutionen, wie bspw. Krankenhäuser, Altenheime, Men­sen/Kantinen oder Tagesstätten, vgl. Bottler 1982: 9) ist Versorgung ein zentraler Begriff: Die Erbringung von Versorgungsleistungen in Form von „Unterkunfts-, Verpflegungs- und Pflegeleis­tungen" ist konstitutiver Zweck (bedarfswirtschaftliche Ausrichtung) all dieser Einrichtungen. Sie bieten eine „ergänzende oder ersatzweise Versorgung" für Menschen bzw. Privathaushalte an, die diese nicht oder nicht ausreichend erbringen können (vgl. Bottler 1982:11, 17 ff.; Kutsch/Piorkowsky/Schätzke 1997:14,108). Weiter definiert Bottler, dass die Leistung der

Großhaushalte „in der an Personen vollzogenen Versorgung [besteht]", die im Wesentlichen existenzielle, physische Bedürfnisse befriedigt, wiejene nach „Schlaf, Nahrung und Pflege" (Bottler 1982:17 f.). Da diese drei Gruppen von Versorgungsleistungen für alle Formen von Großhaushalten definiert sind, umfassen sie ein breites Spektrum diverser Einzel­leistungen, die je nach Institution von unterschiedlicher Bedeutung sind (vgl. ebd.: 125). Während der Versorgungsbegriff im Rahmen der Beschreibung von Groß- bzw. Anstaltshaushal­ten bei verschiedenen Autoren Verwendung findet, ist dies mit Blick auf private Haushalte sel­tener der Fall. In der gesichteten Literatur ist weder eine einheitliche Verwendung noch Defini­tion erkennbar. Um den Begriff der Versorgung später jedoch auf Angebotsinhalte aufsuchen­der Familienhilfen beziehen zu können, soll nun auch die Erfassung der genauen Bedeutung im Kontext von Privathaushalten geschehen. Oben wurden Privathaushalte bereits als Selbstver­sorgersysteme mit dem Ziel der Bedarfsdeckung beschrieben. Diese allgemeine Definition bein­haltet dennoch keine genaue Erfassung von Leistungen bzw. Tätigkeiten, die im Privathaushalt der Versorgung angehören.

Privathaushalte seien dazu vorab gemäß der amtlichen Statistik definiert als „Einheiten, in wel­chen Menschen zusammenleben und wirtschaften" (v. Schweitzer 1991:25). Demnach sind nicht nur Familienhaushalte mit Kindern, sondern gleichermaßen Paarhaushalte, Single- bzw. Alleinlebenden-Haushalte oder auch Wohngemeinschaften Privathaushalte. Nach der Theorie haushälterischen Handelns von v. Schweitzer liegt die kulturantrophologische Begründung ei­nes Privathaushaltes in der „sinnstiftende[n] menschliche[n] Daseinsvorsorge" (ebd.: 27). Zent­rales Element sind dabei haushälterische Handlungen, die der Persönlichkeitsentfaltung, der Kultur des Zusammenlebens sowie der Lebenshaltung dienen (vgl. ebd.: 26). Bei den haushälte­rischen Aktivitäten handelt es sich um „Versorgungs-, Pflege- und Erziehungsleistungen" (ebd.: 135). Im Vergleich zum Großhaushalt sind Versorgungsleistungen folglich nicht Ziel oder Zweck der Haushaltskonstitution, sondern vielmehr Mittel zur Zielerreichung. Damit sind sie von zentraler Bedeutung für das Bestehen eines Privathaushaltes: „Das Hauswirtschaftssystem ist die Produktionsstätte des Haushalts, es stellt unmittelbar für die Haushaltsangehörigen die gewünschten Versorgungsleistungen bereit" (v. Schweitzer 1983:141). Die Versorgungsleistun­gen manifestieren sich, im Gegensatz zu den Erziehungs- und Pflegeleistungen, folglich in der Hauswirtschaft. Diese umfasst „Tätigkeiten und Fertigkeiten, mit deren Hilfe Güter und Dienst­leistungen hergestellt und bereitgehalten werden", wonach Leistungen der Erziehung oder Pflege nicht dazu gezählt werden (vgl. ebd.: 144).

Um die Versorgungsleistungen nun konkret benennen zu können, sollen die Instrumente der Haushaltsanalyse nach v. Schweitzer herangezogen werden. So ist eine objektivierte mikroana­lytische Abbildung des „Privathaushaltes als Privathaushalt" (v. Schweitzer 1991: 29) möglich und die besagten Leistungen werden im Zeit- sowie im Geldsystem abgebildet. Versorgungsleis­tungen lassen sich also in Form des Bedarfs an Arbeitszeit und finanziellen Mitteln messen und quantitativ bestimmen (vgl. Preuße 1997: 312).

Ein Blick in den dazu verwendeten Formularsatz (siehe Anlage 1) zeigt eine Aufteilung der Tä­tigkeiten in die Bereiche Grund- und Zusatzversorgung, bezogen auf den gesamten Haushalt oder die Haushaltspersonen. Die Haushaltsgrundversorgung umfasst dabei kontinuierliche und von der Haushaltszusammensetzung unabhängige Bedarfe (an Zeit oder Geld), wie bspw. Miet­kosten, Kosten für private Versicherungen, andere Gebühren oder Zinsen. Leistungen der Per­sonengrundversorgung sind von Alter, Anzahl und Haushaltszugehörigkeit der entsprechenden Personen abhängig und beinhalten „Ausgaben für Ernährung, Bekleidung, Körperpflege, Sport und Hobbys" sowie den „Zeitbedarf für Beköstigung, Wäschepflege" oder Reinigungsarbeiten (vgl. Preuße/Meier/Sunnus 2003: 26 f.). Dies alles sind Leistungen, die in jedem Haushalt und für jede Person bereitgestellt werden (vgl. ebd.: 18) - anders als Erziehungs- oder Pflegeleis­tungen, die eben nur bei Anwesenheit von Kindern oder kranken, zu pflegenden Personen, er­brachtwerden müssen.

Da die Haushaltspersonen in der Haushaltsanalyse eine zentrale Stellung haben, wird zur Analy­se der „Anspruchsniveaus" die sogenannte Vollversorgungseinheit herangezogen, die den Zeit- und Geldbedarf einer Person ausdrückt. Eine Vollversorgungseinheit ist definiert als „eine er­wachsene Person, die im Laufe des Analysejahres alle Leistungen der Personengrundversorgung in Anspruch nimmt" (ebd.: 28). Auch für diese zentrale Messgröße ist demzufolge die Grund­versorgung entscheidend, sodass dieser Tätigkeitsbereich der Definition von Versorgung in die­ser Arbeit dienen soll.

Im Formularsatz werden folgende Tätigkeiten im Rahmen der Haushaltsgrundversorgung er­fasst:

- Haushaltsmanagement:[1] Hierunter fallen Grunddispositionen (wie Behördengänge oder Schriftverkehr), Planung und Haushaltsführung (so etwa Erstellung von Einkaufslisten, Informationsbeschaffung, Überwachung des Finanzverkehrs oder Steuererklärung), Haushaltsbuchführung und Urlaubsplanung.
- Einkaufen: Erledigung von Basiseinkäufen (von Lebensmitteln, Hausrat oder Körperpfle­geprodukten u. a.) sowie besonderen Einkäufen (bspw. im Baumarkt), Katalog- oder On- line-Bestellungen, inklusive der Planung des Lieferdienstes, Mülltrennung und Entsor­gung oder häufige Erledigungen (z. B. Post, Autowerkstatt, Reinigung).
- Beköstigung: Diese umfasst die Vor-, Zu- und Nachbereitung von Speisen (Haupt- und Zwischenmahlzeiten oder auch das Schulfrühstück für die Kinder), inklusive Aufräumen und Putzen der Küche sowie Einräumen und Entleeren einer Geschirrspülmaschine.
- Wohnungspflege: Reinigungs- und Aufräumarbeiten in den Kommunikationsräumen, In­dividualräumen, Sanitärräumen, Küche und Verkehrsräumen; dazu zählt das Putzen der Fenster und Möbel bzw. Einrichtungsgegenstände sowie gewisse Extraarbeiten, bspw. im Keller oder der Winterdienst.
- Wäschepflege: Hierzu gehört die sachgerechte Pflege durch Wäschetrennung nach Far­ben und Gradzahl beim Waschen, Trocknen, Bügeln, Falten und Sortieren/Einräumen der Wäsche (vgl. v. Schweitzer et. al. 2003: 53-67).

Schlussendlich lässt sich Versorgung im privathaushälterischen Kontext definieren als die Ar­beitsbereiche der Hauswirtschaft - die klassische Triade von „Waschen, Kochen, Putzen" - in­klusive den dazugehörigen Einkäufen sowie den grundlegenden Managementaufgaben, der Haushaltsführung.

Im Großteil der im weiteren Verlauf der Arbeit verwendeten Literatur wird bei Erfassung des Themas Versorgung oder Alltagsorientierung (der sozialen Dienste, siehe Kapitel 4) selten direkt der Begriff „Versorgung" verwendet. Zur Benennung der Fähigkeit, in einem Haushalt diese Versorgungsaufgaben bedarfsgerecht erledigen zu können, dient meist der Ausdruck der Da­seinskompetenzen (siehe Punkt 3.1).

3 Alltagsmanagement privater Haushalte - divergierende Hilfebedarfe in prekären Lebenslagen

Private Haushalte, die oben bereits als zusammen lebende und wirtschaftende Einheiten definiert wurden (vgl. Kapitel 2), sind sozusagen die Grundeinheiten unseres Gesellschaftssystems. In ihnen leben Menschen Tag für Tag, organisieren ihren Alltag, finden Zuflucht, verleben Freizeit und stellen tagtäglich ihr Dasein sicher - zumindest ist es das, was gemeinhin von ihnen erwartet wird. Dass dies nicht immer zufriedenstellend gelingt, zeigen u. a. vermehrt Medienberichte über die Vernach­lässigung von Kindern (siehe auch Punkt 6.2), mangelnde Finanzkompetenz der Bürger (vgl. Pior- kowsky 2003: 53) oder mangelnde Kompetenzen in anderen Konsumbereichen. Ein Grund dafür liegt in der zunehmenden Komplexität und Wahlmöglichkeiten bei Konsumentscheidungen, was sich z. B. in der Debatte um eine verbesserte Lebensmittelkennzeichnung widerspiegelt. Wie sich Alltagsmanagement privater Haushalte aus haushaltswissenschaftlicher Sicht beschreiben lässt, welche Probleme dabei für die Haushalte auftreten können und inwiefern dadurch Hilfebedarfe unterschiedlicher Art entstehen, werden die folgenden Abschnitte erläutern.

3.1 Theoretische Grundlagen des Alltagsmanagements

Alltagsmanagement ist gleichzusetzen mit dem Begriff der Haushaltsführung und meint „die Aufgabe, alle Handlungen und Entscheidungen der privaten Daseinsvorsorge zu steuern" (v. Schweitzer 1983: 325). Zur Erklärung dieser komplexen Aufgabe sollen die folgenden theore­tischen Grundlagen dienen.

In der systemtheoretischen Betrachtung privater Haushalte nach v. Schweitzer besteht das Haushaltssystem aus den drei Subsystemen Personal-, Hauswirtschafts- und Marktsystem; des Weiteren ist es in verschiedene Umweltebenen eingebettet, namentlich in Mikro- (Wohnung und Schwellenbereich), Meso- (Nahbereich der Wohnung und Infrastruktur, gleichermaßen gekennzeichnet durch private, informelle sowie kommunale, formelle Netzwerke) und Makro­ebene (Geschichte und Kultur des Staates, Steuer- und Transfersystem). Haushälterische Hand­lungen finden immer in deren Kontext statt. Sie werden von ihnen beeinflusst und können teil­weise wiederum vom Haushalt beeinflusst werden. Dies trifft auf die Mikro- und Mesoebene zu, so würde z. B. die Infrastruktur durch einen Wohnstandortwechsel beeinflusst werden (vgl. v. Schweitzer 1983: 69 ff.; Preuße/Meier/Sunnus 2003:19 f.). Die kleinste Einheit innerhalb des Haushaltssystems sind die sogenannten Systemelemente, nämlich die haushälterischen Handlungen. Kleinste Veränderungen in diesen Systemelementen können dabei das gesamte System verändern, weshalb eine Steuerung derselbigen nötig ist (vgl. v. Schweitzer 1983: 72 ff.). Alltagshandeln lässt sich mit dem so genannten haushälterischen Dreieck erklären (siehe Abbil­dung 1). Abgeleitet von den Subsystemen des Haushalts lassen sich die drei Dimensionen Le­benseinstellung, Ressourcen und Handlungsspielräume konstatieren. Alle Handlungen sind ei­nerseits von Lebenseinstellungen oder Wertorientierungen der beteiligten ausführenden Haus­haltspersonen gezeichnet, andererseits von den (nicht) zur Verfügung stehenden Ressourcen (Zeit und Geld), die natürlicherweise zur Ausführung aller Handlungen benötigt werden und diese maßgeblich bestimmen. Schließlich sind auch Handlungsspielräume von Bedeutung, das heißt eventuell vorhandene Alternativen zu bestimmten Handlungen, welche sowohl im Haus­haltssystem selbst (z. B. zwischen den Personen, Entscheidung über Tun oder Lassen einer Handlung, Wahl eines Zeit-punktes) als auch in dessen Umfeld gelegen sein können (bspw. die Wahl zwischen verschiedenen Versorgungsangeboten).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abbildung 1: Haushälterisches Dreieck

Quelle: Eigene Darstellung nach v. Schweitzer 1990: 170

Alltagsmanagement spiegelt sich damit im Ausbalancieren zwischen diesen Dimensionen wider. Deren Beziehungen untereinander können mit den Einstellungen zum Umgang mit vorhande­nen internen Ressourcen einerseits und politischen und strukturellen Rahmenbedingungen an­dererseits sowie mit der Nutzung und Verfügbarkeit verschiedener Umfeldelemente (Infra­struktur, Technologie, Dienstleistungen) beschrieben werden. Die Gesamtheit dieser Beziehun­gen kennzeichnet folglich das Alltagsmanagement eines privaten Haushaltes, was im Einzelfall auch als Haushaltsstil, einem typischen Muster der Alltagsorganisation, bezeichnet wird (vgl. v. Schweitzer 1991:135 ff.; Preuße/Meier/Sunnus 2003: 18 ff.).

Die Einbettung von Haushalten in ihre Umfeldebenen wurde dargelegt, allerdings ist ferner die Verflechtung mit den beiden äußeren Umfeldebenen hervorzuheben. Während insbesondere in vorindustriellen Gesellschaften Selbstversorgerhaushalte vor-herrschten, die in großem Maße Güter und Dienstleistungen in ihrer Hauswirtschaft eigens produzierten und weniger markt­wirtschaftliche Dispositionsbereiche aufwiesen. Die Mehrzahl heutiger Haushalte weist jedoch in erhöhtem Umfang Verflechtungen mit dem Marktsystem auf und wird, je nach verbleiben­dem Umfang der Eigenproduktion, als Dienstleistungs- oder Vergabehaushalt bezeichnet (vgl. v. Schweitzer 1983: 64 ff.). Aufgrund der vielfältigen Verflechtungen befinden sich Haushalte heute in einem „Verbundsystem der Daseinsvorsorge" und stehen nahezu täglich in Verbindung mit, je nach Bedarf des jeweiligen Haushalts und seiner Mitglieder, unterschiedlich vielen ver­schiedenen Institutionen und gesellschaftlich öffentlichen Einrichtungen, bspw. in Bereichen des Verkehrs-, Bildungs-, Gesundheits- oder Finanzsystems (vgl. v. Schweitzer 1991: 222; Preu­ße/Meier/Sunnus 2003: 21 f.).

Dies alles ist schließlich unter dem Aspekt zu sehen, dass sich die Lebensbedingungen in den letzten Jahren gewandelt haben (und sich immer noch im Wandel befinden), was die Alltags­und Lebensbewältigung und damit die Gestaltung der Daseinsvorsorge differenzierter und komplexer werden lässt. Das bringt selbstverständlich Vorteile für die Daseinsvorsorge privater Haushalte: Sie können, bei entsprechend vorhandenen Ressourcen, frei entscheiden verschie­dene Leistungen auszulagern, wenn diese im eigenen Haushalt nicht in ausreichendem oder zufriedenstellendem Umfang erbracht werden können; Beispiele sind etwa die Wäschereini­gung, Teile der/die Lebensmittel (oder gar Mahlzeiten-)Produktion oder die Kinderbetreuung. Darüber hinaus sind jedoch einige Bereiche der Grundversorgung zu nennen, wie etwa Aufga­ben in Bezug auf Versicherungen, Finanzen oder auch die Steuererklärung, die aufgrund der hohen Differenzierung heute nur von den allerwenigsten Menschen ohne Beratung und Hilfe geleistet werden können. Diese Zunahme der Außenbeziehungen privater Haushalte bringt neue Anforderungen für die Haushaltsführenden mit sich. Benötigt werden einerseits Koordina- tions- und Abstimmungsfähigkeiten, besonders wenn es sich um einen Mehrpersonen- bzw. Familienhaushalt handelt, in dem die Bedarfe und Interessen mehrerer Haushaltsmitglieder austariert werden müssen. Andererseits bringen neue Lebensformen, eine steigende Erwerbs­arbeit von Frauen, aber auch immer schwieriger abzuschätzende Entwicklungen des Arbeits marktes neue Anforderungen an die Balance zwischen Erwerbsarbeits- und Familienzeit hervor. In der Folge sind zur Bewältigung dieser Aufgaben nicht mehr nur hauswirtschaftlich-technische Kenntnisse und Fertigkeiten, sondern ebenfalls psychische und intellektuelle Qualifikationen gefragt, die zusammenfassend mit dem Begriff der Daseinskompetenzen erfasst werden (vgl. Thiele-Wittig 1987: 120 f.; Thiele-Wittig 2003: 3 ff.).

Die Daseinskompetenzen - oder auch Haushaltsführungskompetenzen - sind zwingende Voraus­setzung, wenn nicht sogar ein Maß für die Möglichkeit Versorgung im Privathaushalt sicherstel­len zu können. Die Verwendung dieser Begrifflichkeit stellt also den unmittelbaren Zusammen­hang zwischen den (handelnden) Haushaltspersonen und der konkreten Versorgung dar.

Damit wurde ein umfangreiches Feld der alltäglichen Anforderungen einer Haushaltsführung abgesteckt und die Bedeutung und Tragweite von Alltagsmanagement verdeutlicht. Als Schluss­folgerung lässt sich sagen, dass bei Unstimmigkeiten, Missständen oder Defiziten im Alltagsma­nagement eine verantwortungsvolle und bedarfsgerechte Haushaltsführung nicht mehr ge­währleistet ist, wie im folgenden Abschnitt, anhand der Beispiele von Haushalten in prekären Lebenslagen, zu sehen sein wird.

3.2 Haushalte in prekären Lebenslagen

Die folgenden Ausführungen entstammen den Erkenntnissen des Gießener Forschungs­projektes „Haushaltsführung im Versorgungsverbund - Stärkung von Haushaltsführungskompe­tenzen durch Aufzeigen von Handlungsalternativen", im Rahmen dessen durch die Analyse am Projekt teilnehmender Haushalte und der dort praktizierten Muster alltäglicher Haushalts- und Lebensführung eine Typologie von Armutshaushalten entwickelt wurde (vgl. Mei- er/Preuße/Sunnus 2003:13).

Wie der 2008 erschienene dritte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zeigt, ist die Armutsrisikoquote in Deutschland in den letzten Jahren (1998-2005) kontinuierlich ange­stiegen und liegt derzeit bei 13 %. Das Risiko einkommensarm zu leben, wird nach dem Konzept der relativen Einkommensarmut definiert und bezeichnet den „Anteil der Personen in Haushal­ten, deren bedarfsgewichtetes Nettoäquivalenzeinkommen weniger als 60 % des Mittelwertes (Median) aller Einkommen beträgt" (BMAS 2008:20). Besonders von (Einkommens-) Armut gefährdete Personengruppen sind u. a. Arbeitslose (Armutsrisikoquote 43 %) und Alleinerzie­hende (24 %) (vgl. BMAS 2008: 20 ff.).

Im Folgenden, geht es um Haushalte in eben solchen wirtschaftlichen Situationen, allerdings sollen die Begrifflichkeiten dazu an dieser Stelle geklärt werden. In Anlehnung an das bereits vorgestellte Forschungsprojekt wird auch in dieser Arbeit der Terminus der prekären Lebensla­gen bevorzugt verwendet. Wie die oben beschriebene Definition und Verwendung des statisti­schen Armutsbegriffs zeigt, handelt es sich um eine Grenzziehung anhand eines einzigen Indika­tors, dem Einkommen. Haushalten als arm oder nicht arm zu bestimmen kann daher oftmals eine einseitige und problematische Abgrenzung darstellen. Die Definition von „Armut" über prekäre Lebenslagen, bezogen auf die wirtschaftliche und soziale Situation eines Haushalts hin­gegen ist einerseits ein weniger emotional besetzter Begriff, andererseits spiegelt er die Ver­bindung von Ressourcen- und Lebenslagenansatz zur Erfassung von Armut in jenem Projekt wieder (vgl. ebd.: 13 f.).

Die Gründe, warum ein Haushalt in eine solche prekäre Lebenslage gerät, sind bei Weitem nicht mit einer alleinigen und pauschal gültigen Begründung zu beschreiben. In dem Projekt zeigt sich, dass meist mehrere Faktoren als Auslöser in eine prekäre wirtschaftliche und/oder soziale Situation führen. Als wesentliche Faktoren, die - bei gleichzeitig mangelnden Bewältigungsstra­tegien - in jene Lebenslagen führen können, werden folgende Aspekte genannt:

- Alleinerziehend von Geburt des Kindes an
- Hohe Kinderzahl
- Scheidung oderTrennung
- Todvon Familienangehörigen
- Ausfall von Netzwerkpersonen
- Erkrankung
- Arbeitsplatzverlust
- Kreditaufnahme(n)
- Generationen übergreifende prekäre Lebenslage.

Die verschiedenen Ursachen treten zudem meist nicht alleine, sondern in Kombination mitei­nander auf, wobei keine grundsätzlich schwerer wiegt als die andere. Die Diversität der mögli­chen Ursachen impliziert bereits, dass ein bloßes „Selbst-Schuldsein" bei den wenigsten Haus­halten (alleiniger) Grund für ihre sozial benachteiligte Situation ist (vgl. ebd.: 305 ff.).

Ganz allgemein kann ist die Situation privater Haushalte in prekären Lebenslagen gekennzeich­net durch ein Fehlen an Ressourcen zum Alltagshandeln. Diese können dem-entsprechend nicht an die nächste Generation vermittelt werden, weshalb sich Armut häufig als generationsüber­greifendes Phänomen abzeichnet. Problematische Handlungsfelder sind bspw. der Bereich des Finanzsystems im Haushalt (insbesondere da die meisten Projekthaushalte Sozialhilfe bezogen), der Bereich der Ernährung, das Zeitmanagement und die Verfügbarkeit von Netzwerken. Letz­teres scheint in den untersuchten Haushalten jedoch ein spezifisches Problem der deutschen Familien (im Vergleich zu den untersuchten Haushalten nichtdeutschen Ursprungs) zu sein, da vorhandene Netzwerke innerhalb ihrer Großfamilie weniger gut funktionieren (vgl. ebd., S. 103 f.). Das Phänomen der Benachteiligung in verschiedenen Lebensbereichen der Haushalte wird in der Literatur häufig mit dem Begriff der „Multiproblemfamilien" veranschaulicht. Auch Mat­ter (1999) beschreibt die Lage sozial benachteiligter Familien als eine Situation, die nicht allein durch mangelndes Einkommen, sondern durch Aufkumulieren verschiedener Problemlagen zustande kommt: „Defizitäre und diskriminierende frühe Sozialisationserfahrungen, mangelhaf­te Schulung und Berufsausbildung führen unter anderem zu Schwierigkeiten in der Arbeitswelt, zu Arbeitslosigkeit und chronischer materieller Abhängigkeit, prekären Einkommens- und Wohnverhältnissen, Beziehungsschwierigkeiten in der Familie und gehäuft auftretenden soma­tischen und psychischen Problemen. Das Lebensgefühl insgesamt ist von Hoffnungs- und Per- spektivenlosigkeit, oft von Resignation gekennzeichnet" (Matter 1999: 21).

Die konkreten Schwierigkeiten im Alltagsmanagement und damit auch im Nachkommen von Versorgungsaufgaben in Haushalten prekärer Lebenslagen können anhand der besagten Typo- logisierung verdeutlicht werden. Gleichzeitig lassen sich konkrete Hilfebedarfe unterschiedli­cher Ausprägung für die haushaltsspezifischen Zielgruppen ableiten, wie es im kommenden Abschnitt dieses Kapitels geschieht.

3.3 Probleme im Alltagsmanagement von Haushalten in prekären Lebenslagen

Die Typologisierung der untersuchten Haushalte in Armutslagen erfolgte mithilfe zwölf zuvor festgelegter Lebensstilindikatoren, die ein mehrdimensionales Bild über die Lage eines jeden Haushalts widerspiegeln können, nämlich Äquivalenzeinkommen, Anteil Erwerbseinkommen, Mietbelastung, Wohnungsgröße, zeitliche Situation, Bildung, Gesundheit, psychosoziale Situati­on, institutionelles Netzwerk, familiales Netzwerk, sonstiges Netzwerk (Freunde, Bekannte, Nachbarn) und Alltagskompetenzen (vgl. Meier/Preuße/Sunnus 2003: 296). Diese haushaltsstil­bezogene Armutstypologie umfasst vier Typen, die jeweils durch spezifische Verhaltensweisen und Konstellation ihrer Probleme charakterisiert sind. Es handelt sich um „Die verwalteten Armen" (Typ 1), „Die erschöpften Einzelkämpferinnen (Typ 2), „Die ambivalenten Jongleurinnen" (Typ 3), „Die vernetzten Aktiven" (Typ 4) (vgl. ebd.), die zum Überblick in Tabelle 1 kurz charak­terisiert sind.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tabelle 1: Kurzcharakteristik der haushaltsbezogenen Armutstypen

Quelle: Eigene Darstellung, zusammengestellt nach Meier/Preuße/Sunnus 2003: 296 f.

Beispielhaft werden zwei der vier Typen (Typ 1 und Typ 2) genauer vorgestellt, die übrigen bei­den werden eine kurze Darstellung wesentlicher Kennzeichen erfahren. Besonderes Augenmerk liegt dabei jeweils auf dem Indikator der Alltagskompetenzen: Die Beurteilung im Rahmen der Typologisierung richtete sich an den so genannten „übergeordneten Kompetenzen zur Siche­rung der Daseinsvorsorge" (ebd.: 143) aus, sodass nicht die hauswirtschaftlichen Fähigkeiten, sondern etwa die Fähigkeit zur Wahrnehmung der Bedarfe verschiedener Haushaltsmitglieder, Eigenverantwortung bei und Realitätsbezug der Versorgungsleistungen und haushälterischen Entscheidungen hierfür als Kriterien dienen (vgl. ebd.). Die Bedeutung dieser Daseinskompe­tenzen für das Alltagsmanagement und damit auch für die Erbringung von Versorgungsleistun­gen in den Haushalten wurde bereits in Punkt 3.1 herausgestellt.

Familienhaushalte, die dem Typ der Verwalteten Armen zugeordnet werden, sind von Genera­tionen übergreifender Armut betroffen. Der für die Alltagsbewältigung dringend notwendige Kontakt zu den entsprechenden Behörden und Institutionen (etwa dem Allgemeinen Sozial­dienst (ASD) oder der Kinder- und Jugendhilfe, siehe auch Kapitel 4) besteht bereits lange Jahre. Charakteristisch sind außerdem eine geringe Erwerbsorientierung sowie Zeitstrukturen, die zwar objektiv eine geringe Auslastung aufzeigen, subjektiv jedoch als sehr anstrengend und nahezu überfordernd wahrgenommen werden - von verantwortungsvoller Alltagsorganisation kann daher nicht die Rede sein. Die Haushalte sind insgesamt am schlechtesten mit beruflichen Qualifikationen und Alltagskompetenzen ausgestattet. Aus diesem Grund sind fundamentale Versorgungsleistungen häufig nicht sicher gestellt sind. Insbesondere die Kinder im Haushalt leiden unter dem Fehlen regelmäßiger, gesunder Mahlzeiten, adäquater Kleidung oder eines strukturierten Tagesablaufs, es kommt zu Unterversorgungslagen. Schließlich ist auch eine Vermittlung jener grundlegender Daseinskompetenzen von den Eltern an die Kinder nicht mög­lich und ihre Zukunftschancen sind erheblich beeinträchtigt (vgl. ebd.:296 f., 331 f.; Preuße 2009:44 f.). Die Fallbeispiele dieses Haushaltstyps wurden bezüglich der Alltagskompetenzen mit Punkten von 0,5 bis 1,5 bewertet (vgl. Meier/Preuße/Sunnus 2003:180 ff.). Dies entspricht in etwa den Fähigkeiten von Haushalten in Form folgender Handlungsmustern (von Fall zu Fall variierend):

- Die Bedarfe der Haushaltspersonen werden oft aus der Situation heraus oder lediglich mittels kurzfristig erfolgter Planung gedeckt;
- Versorgungsleistungen und Entscheidungen des Haushalts sind weniger auf aktuelle Be­darfe und absehbare Veränderungen abgestimmt, teils kann es zur Unterversorgung kommen; bisweilen funktioniert diese Abstimmung auch besser;
- Eigenaktivität und Eigenverantwortung werden nur zum Teil von den Haushaltsmitglie­dern übernommen, die partielle Unterstützung von institutioneller Seite ist für die Ver­sorgung nötig oder gar existenziell; mehr Engagement hätte positive Auswirkungen auf die Versorgungslage (vgl. ebd.: 143 f.).

Anders verhält es sich bei dem Typ der Erschöpften Einzelkämpferinnen. Dieser beschreibt Haushalte von Alleinerziehenden ebenso wie von Paaren mit Kindern, für die eine äußerst hohe Arbeitsbelastung, Zeitknappheit, teilweise auch Krankheiten und in der Folge chronische Er­schöpfungszustände typisch sind. Entscheidende Faktoren, die die prekäre Situation hervorru­fen, sind hier eine hohe Kinderzahl bzw. die Geburt eines weiteren Kindes oder kritische Leben­sereignisse wieTrennung oder Scheidung. Die Typenbezeichnung impliziert bereits einen hohen Grad an Selbstständigkeit und Eigenverantwortung, was auch die fehlenden institutionellen Einbindungen (aufgrund von Unwissen bezüglich gewisser Leistungsansprüche oder Scham), z. B. beim Jugendamt, sowie die gering ausgeprägten übrigen Netzwerkbeziehungen zeigen. Oftmals findet sich trotz Erwerbsarbeit ein sehr niedriges Einkommen, was zum Teil durch Leis­tungen der Sozialhilfe aufgestockt wird. Dieser bürokratische (Mehr-)Aufwand trägt daher sei­nen Teil zur hohen zeitlichen Belastung dieser Haushalte bei.

[...]


[1] Wie Maria Thiele-Wittig bereits 1987 konstatierte gewinnt dieser Bereich mit dem Wandel der westlichen Ge­sellschaft zunehmend an Bedeutung. Wirtschaftliche und kulturelle Entwicklungen bringen durch Ausdifferenzie­rung nahezu aller Lebensbereiche eine zunehmende Komplexität mit sich (siehe auch Kapitel 3.1). Daraus resultie­ren neue Aufgaben für Privathaushalte (z. B. Organisations-, Koordinierungs- oder Balancearbeit), die mehr und mehr intellektuelle Qualifikationen erfordern (vgl. Tiele-Wittig 1987:119 ff.).

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Die Rolle von Versorgung in aufsuchenden Familienhilfen
Untertitel
Bedeutung von Hilfen zur Haushaltsführung im Vergleich zu Beziehungs- und Erziehungshilfen
Hochschule
Justus-Liebig-Universität Gießen  (Institut für Wirtschaftslehre des Haushalts und Verbrauchsforschung)
Veranstaltung
Alltagsmanagement privater Haushalte
Note
1,0
Autor
Jahr
2009
Seiten
62
Katalognummer
V186843
ISBN (eBook)
9783656100058
ISBN (Buch)
9783656100225
Dateigröße
12480 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Privathaushalte, Versorgung, Familienpflege, Jugendhilfe, Armut
Arbeit zitieren
B. Sc. Mareike Bröcheler (Autor:in), 2009, Die Rolle von Versorgung in aufsuchenden Familienhilfen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186843

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