Corporate Social Responsibility (CSR) und Arbeitsplatzqualität in der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie - eine Literaturanalyse


Magisterarbeit, 2010

113 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Zielsetzung der Diplomarbeit
1.2. Gang der Argumentation

2. Corporate Social Responsibility
2.1. Systematisierung von CSR-Ansätzen
2.2. Konzepte

3. Die Arbeitsplatzqualität
3.1. Initiativen innerhalb Europas
3.2. Konzepte

4. Die europäische Bekleidungs- und Textilindustrie
4.1. Quantitative Analyse
4.2. Qualitative Analyse
4.2.1. SWOT-Analyse
4.2.2. Forschung & Strategie
4.2.3. Technische Textilien & Trends

5. Corporate Social Responsibility und Arbeitsplatzqualität in der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie
5.1. Die soziale Verantwortung von Unternehmen
5.1.1. Südost- und Osteuropa
5.1.2. Westeuropa
5.1.3. Mitteleuropa
5.2. Die ökologische Verantwortung von Unternehmen
5.2.1. Südost- und Osteuropa
5.2.2. Südeuropa
5.2.3. Westeuropa
5.2.4. Nordeuropa

6. Conclusio
6.1. Stand der Forschung
6.2. Schlüsselergebnisse
6.3. Zukünftige Forschungsschwerpunkte

Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Corporate Social Responsibility Konzept nach Bassen et al. (2005)

Abbildung 2: CSR Pyramide nach Carroll (1991)

Abbildung 3: Konzept der Arbeitsplatz- und Beschäftigungsqualität nach Eurofound (2002)

Abbildung 4: Veränderung des Produktionsindex in der EU 27

Abbildung 5: SWOT-Analyse

Abbildung 6: Überblick ausgewählter Studien zur sozialen Verantwortung und deren Untersuchungsgegenstand

Abbildung 7: Zusammenhang zwischen den Personalkosten und dem Legalitätsgrad des Beschäftigungsverhältnisses

Abbildung 8: Jährliche Ausgaben für Training und Mitarbeiterentwicklung

Abbildung 9: Überblick ausgewählter Studien zur ökologischen Verantwortung und deren Untersuchungsgegenstand

Abbildung 10: Prozentuelle Verteilung des Abfallmanagements

Abbildung 11: Umweltbezogene Inputs und Outputs der Bekleidungs- und Textilindustrie

Abbildung 12: Energieverbrauch während des gesamten Wertschöpfungsprozesses und der Nutzungsdauer in Mega Joule

Abbildung 13: Überblick ausgewählter Studien zur ökologischen und sozialen Verantwortung, deren Untersuchungsgegenstand und Ergebnisse

Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Zusammenfassung der Variablen zur Beurteilung der Arbeitsplatzqualität

Tabelle 2: Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft, Rev. 1.1 (NACE Rev. 1.1, 2002)

Tabelle 3: Überblick über die wichtigsten statistischen Daten der EU 27 Bekleidungs- und Textilindustrie

Tabelle 4: Beschäftigungsindex EU 27 (Wachstumsraten im Vergleich zum vorhergehenden Quartal in %, saisonbereinigt)

Tabelle 5: Beschäftigung, Bruttowertschöpfung und die Anzahl der Unternehmen in der Bekleidungs- und Textilindustrie im Jahr 2007

Tabelle 6: Anzahl der EU 27 Unternehmen nach Beschäftigten im Jahr 2007

Tabelle 7: Einschätzung der Bedeutung von CSR in der Bekleidungs- und Textilindustrie

Tabelle 8: Messergebnisse der Näherei und Stickerei

Tabelle 9: Ergebnisse der Evaluierung der subjektiven Arbeitsbelastung

Tabelle 10: Unternehmensgröße nach Mitarbeitern

Tabelle 11: Anzahl an aufgewendeten Trainingstagen

Tabelle 12: Zuordnung der Arbeitsaufgaben zu den jeweiligen Positionen in den Nähereien, aufgegliedert nach Produktionsstruktur

Tabelle 13: Durchschnittliche Wichtigkeit der Ziele

Tabelle 14: Zielerreichung der Expatriates

Tabelle 15: Untersuchte Variablen zur Beurteilung der Arbeitsplatzqualität

Tabelle 16: Abfallmenge in Tonnen und Recyclinglevel aufgesplittet nach Industrie

Tabelle 17: Kurzübersicht und Zusammenfassung der ausgewählten Case Studies

1. Einleitung

Die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen ist in jüngster Zeit zu einem brisan- ten Thema in Wirtschaft und Politik herangewachsen. Skandale um Kinderarbeit, Ausbeu- tung, Entmachtung von Gewerkschaften, gesundheitsschädliche Produkte, Missachtung von Produkt- und Umweltstandards, verantwortungsloses Ressourcenmanagement und der damit einhergehende Klimawandel beschäftigen die Gesellschaft. Durch soziokulturel- le Veränderungen einerseits und erhöhte Medienaufmerksamkeit andererseits, stehen Unternehmen verstärkt im Lichte der Öffentlichkeit und müssen sich für ihre Handlungen und Unterlassungen nicht nur vor ihren Shareholdern, sondern auch immer öfter gegen- über ihren Stakeholdern verantworten. Besonders in der Bekleidungs- und Textilindustrie sind in den letzten Jahren Skandale über menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Menschenrechtsverletzungen bekannt geworden, weshalb Forderungen nach Transpa- renz, Fairness und Umweltschutz von Seiten der Unternehmen nicht mehr länger ignoriert werden können. Menschenrechts- und Umweltschutzorganisationen haben die Debatte um die gesellschaftliche Verantwortung von Unternehmen, auch genannt „Corporate So- cial Responsibility (CSR)“, ebenfalls vorangetrieben. Auf politischer Ebene widmet man sich dem Thema im Rahmen der EU-Nachhaltigkeitsstrategie (EU Sustainable Develop- ment Strategy - EU SDS). Neben dem Umweltschutz, der internationalen Verantwortung sowie sozialen Gerechtigkeit und Zusammenhalt, ist auch die „Förderung einer blühen- den, innovationsfreudigen, wissensstarken, wettbewerbsfähigen und ökologisch effizien- ten Wirtschaft, die in der gesamten Europäischen Union einen hohen Lebensstandard, Vollbeschäftigung und eine hohe Qualität der Arbeitsplätze gewährleistet“, eines der Hauptziele der EU-Strategie. (Europäische Kommission 2006a, 4) In diesem Zusammen- hang steht auch die Schaffung besserer Arbeitsplätze.

Weg von einer politischen und hin zu einer psychologischen Perspektive ist die Qualität eines Arbeitsplatzes in den letzten Jahren ebenfalls ins Lichte der Aufmerksamkeit ge- rückt. Ein Arbeitsplatz dient normalerweise nicht nur als Einkommensquelle, sondern fun- giert auch als Schnittstelle zu sozialen Netzwerken und bietet im besten Fall persönliche Entfaltungsmöglichkeiten, Anerkennung, Wertschätzung, einen gewissen Status und Wei- terentwicklungsmöglichkeiten. Dies ist die eine Seite der Medaille. Schlagwörter wie etwa Niedrigstlöhne, Streiks, Stress und Burnout sind jedoch aktuell wie nie und rücken auch dieses Thema in den Fokus der Gesellschaft. Da die Arbeitnehmer eines Unternehmens eine sehr wichtige Stakeholder-Gruppe repräsentieren, fällt die Qualität der Arbeitsplätze ebenfalls unmittelbar in den gesellschaftlichen Verantwortungsbereich der Unternehmen.

1.1. Zielsetzung der Diplomarbeit

Das Ziel der Diplomarbeit ist es, die gegenwärtige Situation und Umsetzung von CSR- Maßnahmen sowie die Arbeitsplatzqualität innerhalb der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie zu analysieren. Hierzu werden aktuelle Forschungsberichte aus etablierten Journals und Publikationen von internationalen Organisationen herangezogen. Basierend auf der Literaturanalyse soll ein Überblick über den aktuellen Stand der Forschung gege- ben und deren Ergebnisse aufgezeigt werden. Hieraus werden Erkenntnisse über die der- zeitige Situation in der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie abgeleitet.

Um den Rahmen dieser Diplomarbeit nicht zu sprengen, wird sich die Analyse der euro- päischen Bekleidungs- und Textilindustrie auf die Herstellung von Textilien (NACE 17) und Bekleidung (NACE 18) beschränken. Die Subsektoren werden anhand der „Statisti- schen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft“ gegliedert.

1.2. Gang der Argumentation

Kapitel 2 und 3 beschäftigten sich jeweils mit Corporate Social Responsibility und der Ar- beitsplatzqualität. Sie sollen zum besseren Verständnis der Thematik beitragen und als Basis für die weitere Analyse dienen. Hierzu werden verschiedene Konzepte zur Definiti- on von CSR und der Arbeitsplatzqualität präsentiert. Die vorgestellten CSR-Konzepte sind von Bassen et al. (2005), Carroll (1991) sowie Porter und Kramer (2006). Zusätzlich wird das CSR-Verständnis der Europäischen Kommission (2006) und der deutschen Beklei- dungs- und Textilindustrie (Schäfer 2009) präsentiert. Zur Definition der Arbeitsplatzquali- tät werden die Konzepte der European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (Eurofound 2002), des Europäischen Parlaments (Muñoz de Bustillo. et al. 2009) und der Europäischen Kommission (Europäische Kommission 2008) heran- gezogen. Weiters wird das Konzept einer akademischen Einrichtung, nämlich des Interna- tional Social Survey Programmes (Leibniz Institute for the Social Sciences - gesis 2004), der Global Reporting Initiative (Global Reporting Initiative 2006) sowie der International Labour Organization (Anker et al. 2003) vorgestellt.

Im Anschluss analysiert Kapitel 4 die europäische Bekleidungs- und Textilindustrie an- hand einer quantitativen und einer qualitativen Betrachtung. Für diesen Zweck werden statistische Daten präsentiert und im Rahmen einer SWOT-Analyse, die größten Stärken, Schwächen, Chancen und Bedrohungen aufgezeigt. Weiters werden aktuelle Trends und die „Strategic Research Agenda“ zur Förderung von Innovation, Konkurrenzfähigkeit und Wachstum innerhalb der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie, vorgestellt. Diese wurde 2006 von der „European Technology Platform for the Future of Textiles and Clothing“ veröffentlicht. (vgl. Lutz 2006, 2)

Den Hauptteil dieser Diplomarbeit bildet Kapitel 5, das sich in zwei Subkapitel unterglie- dern läßt, nämlich in die soziale und in die ökologische Verantwortung von Bekleidungs- und Textilunternehmen. Sowohl die soziale als auch die ökologische Verantwortung sind Bestandteile von Corporate Social Responsibility. Zur sozialen Verantwortung von Unter- nehmen kann auch die Bereitstellung qualitativ hochwertiger Arbeitsplätze gezählt wer- den. Aus diesem Grund behandelt das erste Subkapitel die Arbeitsplatzqualität in der eu- ropäischen Bekleidungs- und Textilindustrie, während sich das zweite Subkapitel mit der ökologischen Komponente von CSR beschäftigt. Beide geben einen Überblick über den bisherigen Stand der Forschung und stellen die wichtigsten Studien sowie deren Ergeb- nisse vor.

Eine abschließende Analyse bietet Kapitel 6, in dem die Ergebnisse nochmals zusam- mengefasst und die wichtigsten Erkenntnisse über die aktuelle Situation von CSR und Arbeitsplatzqualität in der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie, abgeleitet wer- den. Weiters werden Probleme in der Literaturrecherche sowie zukünftige Forschungs- schwerpunkte aufgezeigt.

2. Corporate Social Responsibility

Das folgende Kapitel gibt zuerst einen Überblick über die verschiedenen CSR-Ansätze, wobei vier unterschiedliche Theorien vorgestellt werden: ethische, politische und instrumentelle Theorien sowie Theorien der Organisationskommunikation. In der Folge werden mehrere CSR-Konzepte dargestellt sowie verwandte Begriffe, die in der Literatur mit CSR in Verbindung gebracht werden, erläutert und zu CSR abgegrenzt. Das erste Konzept ist jenes von Bassen et al. (2005), gefolgt von Carroll (1991), Porter und Kramer (2006). Zusätzlich wird das CSR-Verständnis der Europäischen Kommission (2006) und der deutschen Bekleidungs- und Textilindustrie präsentiert.

2.1. Systematisierung von CSR-Ansätzen

Zur Systematisierung von CSR können vier verschiedene Theorien herangezogen wer- den, nämlich ethische, politische und instrumentelle Theorien sowie Theorien der Organi- sationskommunikation. Ethische Theorien sind Theorien zur Wirtschafts- und Unterneh- mensethik, wobei die Ethik im Zentrum der Betrachtung steht. Aus diesem Grund sind die Unternehmen dazu verpflichtet, nach den Vorgaben des Gemeinwohls zu handeln. Der umfassendste Ansatz im deutschsprachigen Raum ist jener von Ulrich, der die homo- oeconomicus-Vorstellung des Wirtschaftsliberalismus, wonach das eigennützige Handeln des Individuums im Aggregat automatisch zum gemeinschaftlichen Gemeinwohl führt, in Frage stellt. (Ulrich 2000 und Ulrich / Katterle 1997) Unternehmen werden zu öffentlichen Institutionen erklärt, von denen als Teil der Gesellschaft der gleiche Beitrag wie von jedem anderen Bürger erwartet wird. Gewinnstreben und jedes weitere Handeln der Unterneh- men werden deshalb nur innerhalb eines moralisch legitimierten Rahmens gestattet, der von der Öffentlichkeit festgelegt wird. (vgl. Schranz 2007, 35-36)

Bei den politischen Theorien werden die sozialen Ordnungen auf der Makroebene der Gesellschaft analysiert. Diese Theorien ziehen die Veränderungen des gesellschaftlichen Institutionengefüges und die Reduzierung der Steuerungshoheit des Staates in den 1970er und 80er Jahren, als Grundlage heran. Die Schaffung von Gemeinwohl liegt des- halb bei den politischen Theorien nicht mehr länger beim Staat. In Europa findet die The- matisierung von CSR verstärkt im Rahmen der Institutionen des Wohlfahrtsstaates statt und behandelt Themen wie zB die Altersvorsorge, die Arbeitslosenversicherung, das Ge- sundheitswesen etc. (vgl. Schranz 2007, 37-38) „Aus dieser Perspektive ist die Übernah- me verstärkter gesellschaftlicher Verantwortung nicht so sehr als Willensakt der Unter- nehmen, sondern eher als Reaktion auf die zunehmenden Erwartungen an die Wirtschaft durch die Gesellschaftsmitglieder zu deuten.“ (Schranz 2007, 37)

Die Theorien der Organisationskommunikation bzw. der PR-Forschung sind auf der Mesoebene angesiedelt. Diese Theorien sind analytischer Natur und untersuchen die zunehmende Bedeutung der öffentlichen Kommunikation für die Wirtschaft, wie zum Bei- spiel die Bedeutung der Moral- und Skandalkommunikation durch die Medien. Auch die unternehmenseigene Kommunikation durch Sozialkampagnen und die somit stattfindende Differenzierung und Identitätsschaffung stehen im Zentrum dieses Ansatzes. (vgl. Schranz 2007, 34-37)

Instrumentelle Theorien legen ihren Fokus ebenfalls auf die Mesoebene der Theoriebil- dung und stellen das Unternehmen und seine spezifischen Suborganisationen, wie zB Abteilungen dar. Diese Art von Theorien gibt Handlungsanleitungen für Unternehmen und zielt hauptsächlich auf die Generierung eines ökonomischen Mehrwertes ab, weshalb sie vor allem in der Marketingforschung weit verbreitet sind und unter dem Stichwort „Sozial- marketing“ und „Cause-related marketing“ Eingang gefunden haben. Die steigende Be- deutung von CSR wird hier geschickt für Profitzwecke genutzt und als Wettbewerbsvorteil gesehen. (vgl. Schranz 2007, 35-36)

2.2. Konzepte

Bassen et al. (2005) stellen CSR als ein dynamisches Konzept dar, „welches einen ge- sellschaftlichen Diskurs um die moralische Verantwortung von Unternehmen für die öko- logischen und sozialen Konsequenzen Ihrer Aktivitäten reflektiert.“ (Bassen et al. 2005, 235) Wie aus Abbildung 1 ersichtlich ist, schließt CSR demnach die Konzepte der Nach- haltigkeit, Corporate Governance und Corporate Citizenship mit ein und basiert auf den drei gleichwertig zu betrachtenden Säulen der ökonomischen, ökologischen und sozialen Verantwortung. (vgl. Bassen et al. 2005, 235). Diese Begriffe werden in der Literatur im- mer wieder mit CSR in Verbindung gebracht, weshalb zum besseren Verständnis kurz auf jeden eingegangen wird.

Abbildung 1: Corporate Social Responsibility Konzept nach Bassen et al. (2005)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Bassen et al. 2005, 235

Eine der gängigsten Definitionen von Nachhaltigkeit (sustainability) ist jene der United Nations World Commission on Environment and Development: „sustainable development meets the needs of the present without compromising the ability of future generations to meet their own needs“. (United Nations World Commission on Environment and Deve- lopment 1987, 8) Weiters wird hier das Konzept der Nachhaltigkeit, innerhalb des „Drei- Säulen-Modells“ der Nachhaltigkeit, in die ökonomische, ökologische und soziale Verant- wortung untergliedert. Demnach ist eine nachhaltige Entwicklung nur unter Berücksichti- gung von sowohl ökonomischen, ökologischen und sozialen Aspekten möglich. Im Ge- gensatz zu CSR umfasst das Konzept der Nachhaltigkeit nicht nur die Verantwortung ei- nes Unternehmens gegenüber seinen Stakeholdern, sondern gegenüber der gesamten Menschheit und zukünftigen Generationen. (vgl. Bassen et al. 2005, 234) CSR bezieht sich auf den unternehmensbezogenen Teil des nachhaltigen Wirtschaftens und ist somit ein Teil der unternehmerischen Nachhaltigkeit (Corporate Sustainability, CS). CS beinhal- tet sowohl freiwillige, als auch unfreiwillig ökologisch und sozial ausgerichtete Aktivitäten. Im Gegensatz dazu beschränkt sich CSR auf die Ausübung freiwilliger Aktivitäten. (vgl. Schaltegger / Müller 2007, 24-25) Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zwischen CSR und CS war bisher die Integration der ökologischen und sozialen Perspektive in die Struk- turen des konventionellen betrieblichen Managements bei CS. Diese zwei Perspektiven stehen bei CSR erst seit kurzem nicht mehr im Widerspruch zur ökonomischen Perspekti- ve. Bei Corporate Sustainability hingegen, wurden diese 3 Komponenten schon immer als sich ergänzend und nicht widersprechend angesehen. Aus diesem Grund wurden bei CS die ökologische und soziale Verantwortung auch in Krisenzeiten nicht vernachlässigt. Weiters unterscheidet sich CSR von CS durch die Art des Handelns. Während CSR nur auf gesellschaftliche Ansprüche reagiert, handelt CS proaktiv. Das heißt, es werden aktiv zukünftige unternehmensinterne Strukturen sowie Strukturen in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gestaltet. Darüber hinaus werden bei CS nachhaltige Innovationen im Kerngeschäft entwickelt und Märkte aktiv mitgestaltet während bei CSR die ökologischen und sozialen Aktivitäten das Kerngeschäft des Unternehmens nur begleiten und ergänzen. (vgl. Schaltegger / Müller 2007, 26-28)

Der Begriff “ Corporate Citizenship ” (CC) kommt aus den ethischen Theorien, wonach Unternehmen zu öffentlichen Institutionen erklärt werden, von denen der gleiche Beitrag wie von jedem anderen Bürger erwartet wird. Während sich CSR auf alle Bereiche der Unternehmenstätigkeit, wie zB den Wertschöpfungsprozess, Mitarbeiter, Lieferanten etc. bezieht, beschränkt sich CC auf gesellschaftsbezogene Aktivitäten des Unternehmens, die die Beziehung des Unternehmens zu dessen lokalem, nationalem und globalem Umfeld mitbringt. (vgl. Bassen et al. 2005, 234).

Der letzte Begriff der immer wieder mit CSR in Verbindung gebracht wird ist „ Corporate Governance “ (CG). Das gemeinsame Ziel von CG und CSR ist die Reduktion von Risiken. CG beschränkt sich jedoch auf die Organe des Unternehmens und nutzt Anreiz- und Kontrollstrukturen zur Vermeidung von Fehlverhalten des Managements während CSR auch Prozesse mit einbezieht. (vgl. Bassen et al. 2005, 234-235) „Corporate Governance betrifft vor allem die Funktionsweise der Leitungsorgane, ihre Zusammenarbeit und die Kontrolle ihres Verhaltens“. (Baums 2001, 20)

Wie in Abbildung 1 ersichtlich ist, ist das gesamte CSR-Konzept im Rahmen des Stake- holder-Ansatzes anzusiedeln. Dieser besagt, dass „…die Unternehmensführung nicht nur die Interessen der Anteilseigner (Shareholder), sondern aller Anspruchsgruppen, ohne deren Unterstützung das Unternehmen nicht überlebensfähig wäre, zu berücksichtigen hat. Die Gruppe der Stakeholder ist folglich sehr heterogen und umfasst z.B. die Arbeit- nehmer, Kunden und Lieferanten, den Staat und die Öffentlichkeit.“ (Gabler Wirtschaftsle- xikon)

Diese erste Definition von Bassen et al. (2005) gibt bereits eine sehr gute Vorstellung über CSR und damit verwandte Konzepte. Eine andere in der Forschung weit verbreitete und akzeptierte Perspektive ist jene von Carroll (1991). Das Gesamtkonstrukt „CSR“ wird hier in vier Subkategorien untergliedert, nämlich in eine ökonomische, eine gesetzliche, eine ethische sowie in eine philanthropische Ebene die, wie Abbildung 2 veranschaulicht, in Form einer Pyramide aufeinander aufbauen.

Abbildung 2: CSR Pyramide nach Carroll (1991)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Carroll 1991, 42

Unter der ökonomischen Ebene wird die Verantwortung von Unternehmen, basierend auf den wirtschaftsliberalen Ideen, betrachtet. Die Produktion von Gütern unter Beachtung von Rentabilität, Effizienz und Konkurrenzfähigkeit zählen hier zu den Hauptverantwort- lichkeiten eines Unternehmens. Alle weiteren Ebenen gründen auf dieser. (vgl. Carroll 1991, 40-41) Die nächstfolgende Ebene befasst sich mit der Verantwortung, dem Gesetz entsprechend zu handeln. Ein Unternehmen handelt demnach dann sozial, wenn es seine ökonomischen Ziele unter Einhaltung von Gesetzen und Richtlinien verfolgt. Die Einhal- tung gesetzlicher Rahmenbedingungen und die Erfüllung der gesetzlichen Verpflichtun- gen sind auch auf Produktebene zu gewährleisten. Während es sich bei Gesetzen um kodifizierte ethische Grundsätze einer Gesellschaft handelt, betrachtet die Ebene der ethischen Verantwortung gesellschaftliche Sitten und ethische Normen bezüglich Fairness und Gerechtigkeit. Diese spiegeln sich in den moralischen Ansichten der Gesellschaft wider und können letztendlich die Gesetzeslage beeinflussen, wie es etwa bei Umwelt- standards oder Zivilrechten der Fall war. Ethisches Verhalten stellt deshalb eine zusätzli- che Verantwortung für Unternehmen dar, da es über die gesetzlichen Bestimmungen hi- nausgeht und von der Gesellschaft gefordert wird. Ethische und moralische Grundsätze dürfen daher durch die Verfolgung ökonomischer Ziele nicht gefährdet werden. (vgl. Car- roll 1991, 41) Die letzte Ebene umschreibt jene Aktionen, die unter der Domäne Corporate Citizenship zu finden sind und von der Gesellschaft gewünscht werden. Diese beinhaltet Aktionen zur Förderung humanitärer Programme, Kunst, Kultur oder Bildung durch mate- rielle oder immaterielle Ressourcen. Im Gegensatz zur ethischen Verantwortung basiert die vierte Ebene jedoch auf Freiwilligkeit, da Unternehmen nicht als unethisch angesehen werden, wenn sie diese letzte Verantwortung nicht übernehmen. (vgl. Carroll 1991, 42)

Bassen et al. (2005) und Carroll (1991) haben jeweils erläutert, auf welchen Konzepten CSR-Maßnahmen aufbauen können bzw. auf welcher Ebene CSR-Aktivitäten aufzufinden sind. Porter und Kramer (2006) widmen sich in ihrem Artikel „Strategy & Society. The Link Between Competitive Advantage and Corporate Social Responsibility“ der Frage, wie CSR in das Unternehmen integriert werden kann, um den größten Effekt auf gesellschaft- licher und ökonomischer Ebene zu erzielen. Laut Porter und Kramer (2006) haben es vie- le Unternehmen bis jetzt nicht geschafft, das volle Potential von CSR auszuschöpfen. Die Autoren betonen, dass viele Unternehmen Business und Gesellschaft als zwei getrennte Komponenten betrachten, obwohl sie doch voneinander abhängig sind. (vgl. Porter / Kra- mer 2006, 1) Würden Unternehmen CSR nicht nur als zusätzliches „Muss“, sondern im selben Rahmen wie ihr Kerngeschäft betrachten, könnte CSR eine Quelle für Innovation oder einen Wettbewerbsvorteil darstellen. Die bisherigen Versuche der Unternehmen den Ansprüchen der Gesellschaft gerecht zu werden, die sich in PR-Kampagnen und beispiel- haften CSR-Berichten niederschlagen, sind hingegen reaktiv und bloß „kosmetischer Na- tur“. (vgl. Porter / Kramer 2006, 2) In diesen Berichten werden soziale Projekte meist mo- netär oder in Form von Freiwilligenstunden bewertet und der eigentliche Zweck bzw. das Ergebnis vernachlässigt. (vgl. Porter / Kramer 2006, 3) Porter und Kramer bemängeln weiters, dass die bisherigen Denkansätze CSR und Business in einem Spannungsfeld betrachten. Ein Unternehmen sollte jedoch jene sozialen und ökologischen Brennpunkte identifizieren und priorisieren, die im Rahmen des Kerngeschäfts am stärksten ins Ge- wicht fallen und somit den größtmöglichen Einfluss erzielen können. Dazu sollte erstens die gesamte Wertschöpfungskette herangezogen werden, um ihre Einflüsse auf die Ge- sellschaft und Umwelt zu analysieren. Anschließend können jene Einflussfaktoren selek- tiert werden, die den größten strategischen Wert für die Konkurrenzfähigkeit des Unter- nehmens darstellen. Zusammenfassend sollten Unternehmen von einer bloß reagieren- den CSR-Politik Abstand nehmen und über die Analyse der Wertschöpfungskette nur jene Faktoren auswählen, die den größten Einfluss auf Gesellschaft und Umwelt haben und so auch zum größten Wettbewerbsvorteil führen können. CSR-Aktivitäten sollten deshalb nicht isoliert vom operativen Geschäft und losgelöst von der Unternehmensstrategie erfol- gen, sondern innerhalb einer strategischen CSR-Politik stattfinden. (vgl. Porter / Kramer 2006, 8-10)

Die vorherigen drei CSR-Konzepte waren wissenschaftlicher Natur. Um CSR aber von mehreren Seiten zu beleuchten, werden in der Folge die politische Sichtweise der EU sowie eine praktische Sichtweise aus der deutschen Textilindustrie vorgestellt. Die Euro- päische Union verfolgt seit 2001 eine „EU-Nachhaltigkeitsstrategie“. Diese wurde erst- mals im Europäischen Rat in Göteborg angenommen und 2005 erneuert. (vgl. Europäi- sche Kommission 2006a, 2-3) „Das Gesamtziel der neuen EU-Strategie für nachhaltige Entwicklung besteht darin, Maßnahmen zu ermitteln und auszugestalten, die die EU in die Lage versetzen, eine kontinuierliche Verbesserung der Lebensqualität sowohl der heuti- gen als auch künftiger Generationen zu erreichen, indem nachhaltige Gemeinschaften geschaffen werden, die in der Lage sind, die Ressourcen effizient zu bewirtschaften und zu nutzen und das ökologische und soziale Innovationspotenzial der Wirtschaft zu er- schließen, wodurch Wohlstand, Umweltschutz und sozialer Zusammenhalt gewährleistet werden.“ (Europäische Kommission 2006a, 3) CSR wird von der EU daher als wichtiger Bestandteil in der Debatte um Globalisierung, Konkurrenzfähigkeit und Nachhaltigkeit gesehen. Aus diesem Grund hat die Europäische Kommission beschlossen, im Rahmen der „Europäischen Allianz für CSR“, stärker mit der Wirtschaft zusammenzuarbeiten, da die Unternehmen die Hauptakteure bezüglich der Übernahme gesellschaftlicher Verant- wortung, repräsentieren. (Europäische Kommission 2006b, 2-3) In ihrer Publikation „Im- plementing the Partnership for Growth and Jobs: Making Europe a Pole of Excellence on Corporate Social Responsibility“ definiert die Europäische Kommission CSR folgender- maßen: „Corporate social responsibility (CSR) is a concept whereby companies integrate social and environmental concerns in their business operations and in their interaction with their stakeholders on a voluntary basis. It is about enterprises deciding to go beyond minimum legal requirements and obligations stemming from collective agreements in or- der to address societal needs.“ (Europäische Kommission 2006b, 2) Um CSR weiterhin zu fördern, will die Europäische Kommission das CSR-Bewusstsein der Unternehmen und ihrer Stakeholder, zB durch die Förderung von Umweltmanagementsystemen und Öko- Labelling, stärken. Weiters sollen Multi-Stakeholder Initiativen und die Zusammenarbeit mit den Mitgliedsstaaten den Erfolg von CSR-Aktivitäten steigern. Konsumenten sollen weiters mehr Informationen und Transparenz hinsichtlich sozialer und ökologischer Ge- sichtspunkte der Produkte, aber auch der Wertschöpfungskette erhalten. Zusätzlich sollen die Konsumenten als Anreiz für die Unternehmen dienen, gesellschaftlich verantwor- tungsvoll zu handeln. Die verstärkte Behandlung von CSR in Lehre und Forschung sowie die Schaffung von vermehrtem Interesse von Seiten der KMUs repräsentieren weitere Vorschläge der Europäischen Kommission zur Förderung von CSR. Auf internationaler Ebene wird eine intensivere Verwendung internationaler Benchmarks für ein gesellschaft- lich verantwortungsvolles Handeln angestrebt. (Europäische Kommission 2006b, 6-8)

Der letzte Teil dieses Kapitel widmet sich einem Beispiel aus der Praxis, in dem das Ver- ständnis von CSR in der Textil- und Modeindustrie durch den deutschen Gesamtver- band textil+mode formuliert wurde. Im Wesentlichen entspricht die Auslegung von CSR jener der EU. Zu den zentralen Handlungsfeldern von CSR in der deutschen Bekleidungs- und Textilindustrie sind die Förderung des Gemeinwesens (Corporate Citizenship) sowie die Sicherstellung der Produktsicherheit und des Umweltschutzes zu nennen. Unter letz- terem versteht man die Schonung der natürlichen Ressourcen in der Produktion, die zum Beispiel durch Umweltmanagementsysteme gefördert werden. Weiters fällt die verstärkte Entwicklung von Produkten die dem Klimaschutz dienen, in diese Kategorie. „Die Schu- lung von Mitarbeitern, die mit Umweltschutzthemen betraut sind, gehört ebenso dazu wie die Schaffung eines Bewusstseins für die Notwendigkeit einer nachhaltigen Produktion, auch bei den Zulieferbetrieben der textilen Kette. CSR heißt auch, dem Verbraucher un- bedenkliche Produkte anzubieten und bei Produktion und Einkauf ein Qualitätsniveau anzustreben, das die gesetzlichen Anforderungen übertrifft.“ (Schäfer 2009, 1) Unter Mit- arbeiterförderung fallen Stichwörter wie Life-Long Learning, Work-Life Balance und Nachwuchsförderung. Besondere Bedeutung kommt den Sozialstandards zu. Im Falle der eigenen Auslandsproduktion sollen sich die Unternehmen an die gesetzlichen Regelun- gen des jeweiligen Landes halten, auch wenn Verstöße nicht sanktioniert würden. Selbst wenn das jeweilige Produktionsland keinen internationalen Regelungen, wie zB jenen der ILO-Kernarbeitsnormen zugestimmt hat, würden gesellschaftlich verantwortungsvolle Un- ternehmen diese berücksichtigen. Die Mitarbeiterförderung und die Eindämmung gesund- heitlicher Risiken durch entsprechende Arbeitsschutzmaßnahmen liegen ebenso bei der Auslandsproduktion im gesellschaftlichen Verantwortungsbereich der Unternehmen. Die- se Verpflichtung endet auch nicht bei der eigenen Produktion, sondern ist in der gesamten Lieferkette zu berücksichtigen. Insofern sollen auch Vertragspartner auf die Wahrneh- mung ihrer eigenen gesellschaftlichen Verantwortung hingewiesen werden. Außerdem soll es diesen, durch eine faire Gestaltung der Geschäftsbeziehungen ermöglicht werden, CSR-Maßnahmen tatsächlich umzusetzen. Der Gesamtverband textil+mode weist jedoch auch darauf hin, dass die Nichterfüllung von CSR-Maßnahmen durch den Vertragspart- ner, nicht dem auftraggebenden Unternehmen, auf Grund mangelnder Kontroll- und Ein- flussmöglichkeiten, zugerechnet werden darf. (vgl. Schäfer 2009, 2)

Die vorgestellten Konzepte repräsentieren nur einen kleinen Auszug aus der CSR- Literatur, spiegeln aber die allgemeine CSR-Auffassung wider. Trotz verschiedener Blick- winkel und Ausgangspunkte sind Gemeinsamkeiten wie etwa Corporate Citizenship oder die ökologische und soziale Verantwortung des „Drei-Säulen-Modells“ der Nachhaltigkeit deutlich erkennbar. Das CSR-Verständnis der deutschen Bekleidungs- und Textilindustrie gibt eine gute Vorstellung darüber, wie das CSR-Konzept in der Praxis angewendet wer- den kann. Das nächste Kapitel beschäftigt sich mit der Definition der Arbeitsplatzqualität, einer Teilkomponente der gesellschaftlichen Verantwortung von Unternehmen.

3. Die Arbeitsplatzqualität

Das folgende Kapitel führt in die Thematik der Arbeitsplatzqualität ein und dient als Basis für die weitere Analyse. Hierfür wird zuerst über die historischen Anfänge sowie über die jüngsten Initiativen und damit verbundene relevante Institutionen berichtet. Anschließend werden mehrere Konzepte zur Definition der Arbeitsplatzqualität vorgestellt. Zu diesem Zweck werden die Konzepte der European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (Eurofound 2002), des Europäischen Parlaments (Muñoz de Bustillo. et al. 2009) und der Europäischen Kommission (Europäische Kommission 2008) heran- gezogen. Weiters wird das Konzept einer akademischen Einrichtung, nämlich des Interna- tional Social Survey Programmes (Leibniz Institute for the Social Sciences - gesis 2004), der Global Reporting Initiative (Global Reporting Initiative 2006) sowie der International Labour Organization (Anker et al. 2003) vorgestellt.

3.1. Initiativen innerhalb Europas

Das große Interesse für die Qualität der Arbeitsplätze ist nicht neu, sondern hatte bereits in den 60er Jahren unter den Schlagwörtern „quality of working life“ und „quality of work“ Aufmerksamkeit bekommen. Besonders die skandinavischen Länder und im Speziellen Schweden, haben als Vorbilder agiert und eine Vorreiterrolle eingenommen. Schweden führte in den 70er Jahren Gesetze wie den Co-Determination Act (1976) und den Work Environment Act (1978) ein und startete Initiativen wie den Working Life Fund 1990 (AFL). Hingegen war das Hauptziel der Europäischen Union in den 1980er und 1990er Jahren noch die Schaffung von Arbeitsplätzen, also die Quantität an Arbeitsplätzen. Erst im Früh- jahr 2000 wurde durch die Tagung des Europäischen Rates in Lissabon die Aufmerksam- keit auf die Bedeutung der Qualität des Arbeitsplatzes gelenkt. (vgl Dahl et al. 2009, 6) 2001 beschlossen deshalb die Mitgliedsstaaten im Europäischen Rat von Stockholm, dass die Kommission gemeinsam mit dem Rat ein Set an Indikatoren für die Definition von Job Quality, also der Arbeitsplatzqualität, vorbereiten und im Dezember 2001 dem Europäischen Rat in Laeken (Belgien) präsentieren sollte. (vgl. Muñoz de Bustillo et al. 2009, 68) Seitdem steht die Arbeitsplatzqualität ebenfalls im Fokus des European Social Model und der European Employment Strategy. Die Motive dahinter sind die Reduzierung der Armut, des Drucks auf den Sozialstaat und der sozialen Ausgrenzung. Ebenfalls soll der soziale Zusammenhalt verbessert, die Produktivität gesteigert und somit die Wettbe- werbsfähigkeit und das wirtschaftliche Wachstum gefördert werden. (vgl Dahl et al. 2009, 6)

In den letzten Jahren haben sich mehrere politische Institutionen der EU, wie zB die Eu- ropean Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (Eurofound), das Europäische Parlament oder die Europäische Kommission mit der Arbeitsplatzqualität auseinandergesetzt. Aber auch akademische Einrichtungen wie zum Beispiel das Interna- tional Social Survey Programme (ISSP), nichtgewinnorientierte Organisationen wie die Global Reporting Initiative und Gewerkschaften wie die International Labour Organization (ILO), haben Konzepte und Variablen zur Beurteilung der Arbeitsplatzqualität aufgestellt. Deshalb finden sich in der Literatur mittlerweile zahlreiche Konzepte zur Beschreibung der Arbeitsplatzqualität. Auch einige Vorschläge zur Evaluierung einzelner Merkmale der Ar- beitsplatzqualität sind vorhanden, wobei sich diese von Konzept zu Konzept unterschei- den und Schwächen bezüglich der Messbarkeit und zeitlichen sowie territorialen Ver- gleichbarkeit aufweisen.

Bis zu diesem Zeitpunkt gibt es deshalb weder eine einheitliche Definition der Qualität eines Arbeitsplatzes, noch ein geeignetes Modell um diese zu messen. Während Ökono- men vor allem Variablen wie Arbeitsstunden, Stundenlohn und betriebliche Nebenleistun- gen wie zum Beispiel die Krankenversicherung zur Beurteilung der Arbeitsplatzqualität heranziehen, legen Psychologen Wert auf nicht-ökonomische Aspekte wie die intrinsische Motivation durch eine herausfordernde Tätigkeit und andere Kriterien, die zur Job Zufrie- denheit und zum Wohlbefinden beitragen. Hingegen nennen Soziologen den beruflichen Status den eine Stelle mit sich bringt sowie Autonomie und Kontrollmöglichkeiten am Ar- beitsplatz. (vgl. Dahl et al. 2009, 8-9)

Aufgrund der Vielzahl an Aspekten kann die Qualität eines Arbeitsplatzes daher nicht nur aus einem Blickwinkel betrachtet werden, sondern muss sowohl monetäre als auch nicht- monetäre Variablen in einem ganzheitlichen Modell vereinen. (vgl. Dahl et al. 2009, 9) Im Anschluss werden deshalb mehrere Konzepte vorgestellt, um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen, welche Faktoren bei der Beurteilung der Arbeitsplatzqualität rele- vant sein können.

3.2. Konzepte

In der Folge werden sechs mögliche Konzepte zur Definitionen der Arbeitsplatzqualität präsentiert. Hierfür wurden drei Konzepte von verschiedenen EU Institution sowie von jeweils einer international tätigen Arbeitnehmervertretung, einer nichtgewinnorientierten Organisation und einer akademischen Forschungseinrichtung ausgewählt.

Erste Schritte zur Definition der Arbeitsplatzqualität setzte die European Foundation for the Improvement of Living and Working Conditions (Eurofound) durch ihre European Working Conditions Survey (EWCS). Diese wird in regelmäßigen Abständen von 5 Jahren in der EU durchgeführt. (vgl. Eurofound 2002, 4) Ziel ist es, Informationen über die Le- bens- und Arbeitsbedingungen zu generieren und die Ergebnisse für Arbeitgeber, Ge- werkschaften, Regierungen und Akteure der Sozialpolitik bereitzustellen. Diese sollen schließlich durch entsprechende Maßnahmen eine Verbesserung der Arbeitsbedingungen erreichen. (vgl. Eurofound 2010) 2001 wurde zusätzlich eine Arbeitsgruppe ins Leben gerufen, die bei der Konferenz ‘For a better quality of work’ die definierten Variablen vor- stellte. (vgl. Eurofound 2002, 4) Abbildung 3 gibt einen Überblick über die 4 Haupt- und deren Subkriterien zur Definition der Arbeitsplatz- und Beschäftigungsqualität.

Abbildung 3: Konzept der Arbeitsplatz- und Beschäftigungsqualität nach Eurofound (2002)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eurofound 2002, 6

Die Sicherheit des Arbeitsplatzes betrachtet die vertraglichen Gestaltungsmöglichkeiten des Beschäftigungsverhältnisses und die Rechte der Arbeitnehmer. (vgl. Eurofound 2002, 9) Diese lassen sich in zwei Teilbereiche untergliedern. Einerseits werden die Chancen- gleichheit und Nichtdiskriminierung zwischen Männern und Frauen betreffend Aufstiegs- möglichkeiten und Entlohnung angeführt, andererseits wird das Recht auf Information bezüglich beruflicher Risiken sowie die Beratung und Beteiligung der Arbeitnehmer bei organisatorischen Veränderungen verstanden. (vgl. Eurofound 2002, 11-12) Der Sozialschutz ist heutzutage ein vielfach diskutiertes Thema in Politik und Wirtschaft. Die Notwendigkeit einer erhöhten Flexibilität (vertragliche, produktive, zeitliche, finanzielle, arbeitsorganisatorische Flexibilität) einerseits und der Schutz der Arbeitnehmer andererseits führen zu einer neuen Herausforderung, nämlich job flexibility und job security, auch genannt flexicurity , auszubalancieren. (vgl. Eurofound 2002, 13)

Die Hauptkategorie Gesundheit und persönliches Wohlbefinden inkludiert sowohl physi- sche als auch psychische Erkrankungen, die durch die Arbeit und das Arbeitsumfeld, wie zB durch Belästigung, Schikane, Stress, Nacht- und Schichtarbeit sowie eine übermäßige Anzahl an Arbeitsstunden, ausgelöst werden können. (vgl. Eurofound 2002, 14-18) Zur Evaluierung der Arbeitsorganisation können unter anderem Variablen, wie das Vorhan- densein und die Art von Teamwork, Task Rotation, Autonomie bezüglich der Auswahl und Reihenfolge der verwendeten Methoden, die Arbeitsgeschwindigkeit, der Wiederholungs- grad der Arbeitsschritte innerhalb einer Minute, die Eintönigkeit und Komplexität der Ar- beitsschritte, die Art der Qualitätskontrolle, Lernmöglichkeiten sowie die Assistenz durch Kollegen oder den Vorgesetzten, herangezogen werden. (vgl. Eurofound 2009, 9-10)

Unter Weiterbildung werden Training aber auch die Möglichkeit der Anwendung der eigenen fachlichen und sozialen Kompetenzen sowie Aufstiegsmöglichkeiten verstanden. (vgl. Eurofound 2002, 23-25) Als letzte Kategorie ist die Balance zwischen Berufs- und Privatleben anzuführen. (vgl. Eurofound 2002, 20)

Die Publikation „Indicators of Job Quality in the European Union“, die vom Europäischen Parlament in Auftrag gegeben wurde, vergleicht die bisherigen Arbeiten zur Erstellung eines Job Quality Indikators. Der Zweck eines einheitlichen Indikators zur Messung der Arbeitsplatzqualität ist, den Fortschritt der europäischen Mitgliedsstaaten hinsichtlich vie- ler europäischer Ziele, wie zB einer nachhaltigen Erwerbstätigenquote, der Geschlechter- gleichbehandlung und der Entwicklung der Wissensgesellschaft, zu evaluieren. (vgl. Mu- ñoz de Bustillo et al. 2009, 21) Außerdem wird ein deutlich positiver Zusammenhang zwi- schen der Qualität eines Arbeitsplatzes, der Produktivität und somit dem Wachstum einer Nation, was besonders in Zeiten einer Wirtschaftskrise von enormer Bedeutung ist, her- vorgehoben. (vgl. Muñoz de Bustillo et al. 2009, 33) Im Rahmen dieser Publikation wurde daher, basierend auf den bisherigen Arbeiten, eine eigene Grundstruktur zur Beurteilung der Arbeitsplatzqualität erstellt, die aus den folgenden Variablen besteht:

- Löhne
- betriebliche Nebenleistungen
- Arbeitsstunden pro Tag oder Woche
- Arbeitszeitplan und flexible Arbeitszeit: Aufteilung der wöchentlichen Arbeitsstunden (Nachtarbeit, Schichtarbeit) und die Möglichkeit, den Arbeitsplan an die persönlichen Bedürfnisse anzupassen (flexible Arbeitszeit)
- Jobsicherheit, Art des Arbeitsvertrages
- Arbeitnehmermitbestimmung bei Entscheidungen des Unternehmens bzw. der Abteilung, Mitbestimmung durch die Gewerkschaft
- Weiterbildung: on-the-job learning oder sonstige Weiterbildungsmaßnahmen, die zum lebenslangen Lernen beitragen
- Autonomie: Möglichkeit, die Reihenfolge der Arbeitsaufgaben, Methoden und die Geschwindigkeit selbst zu bestimmen sowie die Auswahl der Kollegen und die Pausengestaltung zu beeinflussen
- physische Arbeitsbedingungen, gesundheitliche Risiken: Geräusche, Temperatur, Gerüche und Luftbelastung, Gefahr durch Chemikalien, UV-Strahlung, gefährliche Materialien, Heben und Tragen von Gegenständen, physische Position währen der Arbeitsausübung etc.
- psychische Risikofaktoren: Mobbing und Belästigung
- Arbeitsintensität: Überlastung, großer Zeitdruck, enge Fristen, sich widersprechende Erwartungen
- persönliche Beurteilung der Sinnhaftigkeit des Jobs (Muñoz de Bustillo. et al. 2009, 122-144)

Das nächste Konzept zur Beurteilung der Arbeitsplatzqualität ist jenes der Europäischen Kommission. Die Sozialagenda der Europäischen Kommission betont die Wichtigkeit ei- ner positiven Wechselwirkung zwischen der Wirtschafts-, Beschäftigungs- und Sozialpoli- tik. (vgl. Europäische Kommission 2001, 3) Ziel ist es demnach, „durch die Qualitätsstei- gerung mittel- und langfristige wirtschaftliche und soziale Ziele zu verwirklichen“. Ein ‚Cir- culus virtuosus‘ soll über den Produktivitätszuwachs zur Anhebung des Lebensstandards und schließlich zu einem nachhaltigen Wirtschaftswachstum führen. (vgl. Europäische Kommission 2001, 9) Der Europäische Rat in Laeken hat deshalb zur Überprüfung der Erreichung dieser Qualitätsziele zehn Dimensionen festgelegt, die auch Laeken Indikato- ren genannt werden:

- intrinsische Merkmale der Arbeitsplatzqualität, wie Arbeitszufriedenheit, Arbeits- entgelt, Arbeitsinhalt etc.
- lebenslanges Lernen und berufliche Weiterentwicklung
- Gleichstellung der Geschlechter
- Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz
- Flexibilität und Sicherheit
- Eingliederung und Zugang zum Arbeitsmarkt
- Arbeitsorganisation und Work-Life Balance
- Sozialer Dialog und Arbeitnehmermitbestimmung
- Diversifizierung und Nichtdiskriminierung
- Gesamtwirtschaftsleistung und Produktivität (vgl. Europäische Kommission 2008, 153)

Seit 1999 ist die Schaffung von “besseren“ Arbeitsplätzen durch die Förderung men- schenwürdiger Arbeit auch ein zentrales Ziel der International Labour Organization (ILO) . Im Gegensatz zu den drei vorher genannten Institutionen betrachtet die ILO die Schaffung von besseren Arbeitsplätzen nicht nur aus einer wirtschaftlichen Perspektive, sondern als Mittel um die Lebensqualität zu verbessern. „Since work is such a major part of life in terms of time, social integration and individual self-esteem, decent work is clearly a fundamental dimension of the quality of life.” (Anker et al. 2003, 147) Anker‘s Decent Work Index beinhaltet die unten angeführten elf Dimensionen. Zusätzlich werden noch Empfehlungen gegeben, wie die Dimensionen gemessen werden können.

- Arbeitsmöglichkeit
- inakzeptable Arbeit: zB Kinderarbeit
- angemessene Entlohnung und produktive Arbeit: Eine unangemessene Entloh- nung ist jene, die weniger als die Hälfte des durchschnittlichen Stundenlohns oder des Mindestlohns beträgt. Training, das durch den Arbeitgeber oder den Staat in- nerhalb der letzten 12 Monate finanziert wurde, fällt ebenfalls in diese Kategorie.
- angemessene Anzahl an Arbeitsstunden: Eine angemessene Anzahl an Arbeits- stunden liegt zwischen einer übermäßigen und einer unterdurchschnittlichen An- zahl.
- Stabilität und Jobsicherheit: Die Stabilität und Jobsicherheit kann durch die Dauer der Anstellung beurteilt werden. Auch die Art des Beschäftigungsverhältnisses, wie etwa ein befristetes Dienstverhältnis, geben Aufschlüsse.
- Work-Life Balance: Die Beschäftigungsrate von Müttern mit schulpflichtigen Kindern kann Aufschluss über die Work-Life Balance geben.
- faire Behandlung: Eine faire Behandlung bezieht sich auf geschlechterspezifische Unterschiede bei Entlohnung und Karrieremöglichkeiten. Zukünftig sollen auch Indikatoren, die eine Diskriminierung auf Grund der Religion, Volkszugehörigkeit, Rasse etc. feststellen, berücksichtigt werden.
- sicheres Arbeitsumfeld: Ein sicheres Arbeitsumfeld wird dadurch bewertet, indem die Anzahl der schweren Unfälle in Relation zu einer bestimmten Anzahl an Ar- beitnehmern gesetzt wird. Auch die Anzahl der Arbeitnehmer, die durch eine Un- fallversicherung abgesichert sind und die Anzahl an Arbeitsinspektoren, die die Einhaltung von Vorschriften kontrollieren, werden hier herangezogen. soziale Sicherheit
- sozialer Dialog: Sozialer Dialog beinhaltet das Vorhandensein von Gewerkschaf- ten, kollektiven Gehaltsverhandlungen, Streiks und Aussperrungen.
- ökonomischer und sozialer Kontext menschenwürdiger Arbeit (vgl. Anker et al. 2003, 173-177)

Die erste und die letzte Kategorie sind als makroökonomische Indikatoren anzusehen, die sich mit der Arbeitsmarktsituation, Produktivität und Armut beschäftigen. Die soziale Si- cherheit bezieht sich ebenfalls auf staatliche Sozialleistungen. (vgl. Anker et al. 2003, 165)

Das nächste Konzept ist jenes der Global Reporting Initiative (GRI), einer nichtgewinn- orientierten Organisation, die in Form eines globalen Multi-Stakeholder Netzwerkes kon- zipiert ist. (vgl. Global Reporting Initiative 2007) Laut der GRI ist die Festsetzung von ent- sprechenden Indikatoren zur Nachhaltigkeitsbewertung und die damit verbundene Schaf- fung von Transparenz, eine Voraussetzung für eine nachhaltige Entwicklung. Bedeutend für diese Diplomarbeit sind vor allem die Leistungsindikatoren, die „…vergleichbare Infor- mationen über die ökonomische, ökologische und gesellschaftliche/soziale Leistung der Organisation liefern.“ (Global Reporting Initiative 2006, 19) Die gesellschaftlichen Leis- tungsindikatoren werden weiters in Arbeitspraktiken und menschenwürdige Beschäfti- gung, Menschenrechte, Gesellschaft und in Produktverantwortung untergliedert. (vgl. Global Reporting Initiative 2006, 29) Zur Bewertung der Arbeitsplatzqualität sind vor allem die Aspekte der Arbeitspraktiken und menschenwürdigen Beschäftigung, die in der Folge kurz aufgezählt werden, relevant.

- Beschäftigung

- Beschäftigungsart und Arbeitsvertrag
- Mitarbeiterfluktuation
- Betriebliche Leistungen

-Arbeitnehmer-Arbeitgeber-Verhältnis

- Prozentsatz der Mitarbeiter, die unter Kollektivvereinbarungen fallen
- Mitteilungsfrist(en) in Bezug auf wesentliche betriebliche Veränderungen

-Arbeitsschutz

- Verletzungen, Berufskrankheiten, Ausfalltage und Abwesenheit sowie To- desfälle
- Unterstützung von Mitarbeitern in Bezug auf ernste Krankheiten durch Un- terricht, Schulungen, Beratungsangebote, Vorsorge- und Risikokontrollpro- gramme
- Arbeitsschutzthemen, die in formellen Vereinbarungen mit Gewerkschaften behandelt werden

-Aus- und Weiterbildung

- Lebenslanges Lernen
- Regelmäßige Leistungsbeurteilung und Entwicklungsplanung

Vielfalt und Chancengleichheit

- Zusammensetzung der leitenden Organe hinsichtlich Geschlecht, Alters- gruppen, Minderheiten
- geschlechterspezifische Unterschiede in der Entlohnung (vgl. Global Re- porting Initiative 2006, 31)

Das Recht auf Vereinigungsfreiheit und Kollektivverhandlungen und die Verhinderung von Kinderarbeit sowie von Zwangs- und Pflichtarbeit werden in den allgemeinen Richtlinien nicht erwähnt, da sie bei den Leistungsindikatoren der Menschenrechte genannt werden. (vgl. Global Reporting Initiative 2006, 33)

Als letztes wird eine akademisch ausgerichtete Sichtweise präsentiert. Das International Social Survey Programme (ISSP) wird ebenfalls in der Literatur sehr häufig in Verbin- dung mit der Evaluierung der Arbeitsplatzqualität genannt. Das ISSP ist ein sozialwissen- schaftliches Forschungsprogramm von verschiedenen internationalen Forschungsinstitu- ten und Universitäten. Es soll daher eine rein akademische Ausrichtung haben, obwohl es auch Förderungen von internationalen Institutionen erhält. (vgl. Muñoz de Bustillo et al. 2009, 66) Im Rahmen des ISSP werden jedes Jahr internationale Forschungsergebnisse zu einem anderen sozialwissenschaftlichen Thema veröffentlicht. Die letzte Work Orienta- tion Survey ist aus dem Jahr 2005 und wurde in 18 europäischen Ländern und Russland durchgeführt. Neben demografischen Daten und Fragen zu Work-Life Balance wurde die Einstellung der Arbeitnehmer zu ihrem Job sowie Charakteristika der Arbeit getestet. Die folgende Aufzählung ist deshalb nur ein Auszug an wichtigen Variablen zur Evaluierung der Arbeitsplatzqualität und keinesfalls eine vollständige Darstellung des Forschungsum- fangs.

- Einkommen
- wöchentliche Arbeitsstunden
- Wunsch nach mehr oder weniger Arbeitsstunden
- physische Erschöpfung nach der Arbeit
- Häufigkeit von gefährlichen und gesundheitsschädlichen Situationen
- Beurteilung der Wichtigkeit von Gewerkschaften für die Jobsicherheit und Arbeitsbedingungen
- Arbeitszufriedenheit
- Möglichkeit der flexiblen Arbeitszeitgestaltung
- Möglichkeit, den Arbeitsablauf und den Arbeitsprozess zu beeinflussen/gestalten (Autonomie)
- Beurteilung der Beziehung des Managements mit den Arbeitnehmern (Arbeitsatmosphäre)
- Möglichkeit, Privatangelegenheiten während der Arbeitszeit abzuwickeln
- Häufigkeit der Beeinträchtigung des Familienlebens durch die Arbeit und umge- kehrt
- Training zur Verbesserung der beruflichen Fähigkeiten innerhalb des letzten Jahres (Weiterbildungsmöglichkeiten)
- Brauchbarkeit der in einem früheren Beschäftigungsverhältnis gelernten Fähigkeiten für den jetzigen Job (Einbringung der eigenen Fähigkeiten)
- Nützlichkeit der jetzigen Arbeitserfahrung für die spätere Jobsuche
- Bewertung der eigenen Ersetzbarkeit
- Wahrscheinlichkeit der Jobsuche in den nächsten 12 Monaten (Jobsicherheit)
- erwartete Schwierigkeiten bei der Suche nach einem gleich „guten“ Job (vgl. Leibniz Institute for the Social Sciences - gesis 2004)

Alle genannten Konzepte sind sehr umfangreich und vielfältig. Die verwendeten Variablen sind großteils sehr ähnlich und reichen von der generellen Zufriedenheit inklusive Arbeits- zeit und Gehalt über gesundheitliche Risiken, Autonomie und Kontrollmöglichkeiten, bis hin zur Mitarbeiterentwicklung und Work-Life Balance. Zur besseren Veranschaulichung gibt Tabelle 1 eine strukturierte Zusammenfassung der identifizierten Variablen nach Insti- tutionen.

Tabelle 1: Zusammenfassung der Variablen zur Beurteilung der Arbeitsplatzqualität

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: eigene Darstellung

Die am häufigsten genannten Variablen sind das Einkommen, die Anzahl an Arbeitsstun- den, die Sinnhaftigkeit des Jobs, die Gleichstellung der Geschlechter sowie Nichtdiskrimi- nierung, die Jobsicherheit unter Berücksichtigung des Beschäftigungsverhältnisses, der soziale Dialog und Gewerkschaften, gesundheitliche Risiken, Training, die Möglichkeit der Einbringung der eigenen Qualifikationen und Fähigkeiten, Karriereplanung und Work-Life Balance.

Wie vorher schon angedeutet wurde, verfolgen die Konzepte der EU-Institutionen politi- sche Zielvorstellungen. „Bei der Förderung der Qualität der Arbeitsplätze, d. h. der Schaf- fung besserer Arbeitsplätze, geht es nicht nur einfach darum, die Wertigkeit aller vorge- nannten Elemente anzuheben. Ziel von Qualitätssteigerungen ist vielmehr, unsere mittel- fristigen und langfristigen wirtschaftlichen und sozialen Ziele zu verwirklichen. Zur Ver- deutlichung: eine Verbesserung der Qualität der Arbeitsplätze durch Höherqualifizierung und/oder größere Arbeitszufriedenheit kann die Produktivität steigern; … eine Qualitäts- steigerung kann zu einer besseren Beschäftigungsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit bei- tragen, den Wandel in der Arbeitsorganisation erleichtern und den Zugang zu Arbeit verbessern. Auf diese Weise kann sich die Steigerung der Qualität der Arbeit einreihen in einen "Circulus virtuosus" von Produktivitätszuwachs, Anhebung des Lebensstandards und nachhaltigem Wirtschaftswachstum.“ (Europäische Kommission 2001, 9) Dies erklärt auch das Vorhandensein volkswirtschaftlicher Indikatoren bei der Beurteilung der Arbeits- platzqualität. Im Gegensatz dazu steht bei Konzepten von NPOs und Gewerkschaften der Schutz der Arbeitnehmer im Vordergrund. Auf Grund dieser unterschiedlichen Zielvorstel- lungen können Variablen wie Einkommen oder Arbeitsstunden aus unterschiedlichen Per- spektiven betrachtet und bewertet werden.

Zusammenfassend sollte dieses Kapitel eine Übersicht über die verschiedenen Konzepte zur Definition der Arbeitsplatzqualität geben und zu einem besseren Verständnis beitra- gen. Das nächste Kapitel widmet sich der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie, die im Rahmen einer quantitativen sowie einer qualitativen Analyse betrachtet wird.

4. Die europäische Bekleidungs- und Textilindustrie

Das folgende Kapitel gibt einen Überblick über die europäische Bekleidungs- und Textilindustrie. Hierzu werden im Rahmen einer quantitativen Analyse die wichtigsten statistischen Daten vorgestellt. Anschließend erfolgt eine qualitative Betrachtung, die eine SWOT-Analyse beinhaltet sowie die „Strategic Research Agenda“ zur Förderung von Innovation, Konkurrenzfähigkeit und Wachstum innerhalb der europäischen Bekleidungsund Textilindustrie, präsentiert. (Lutz 2006) Abschließend werden derzeitige Trends bei technischen und intelligenten Textilien vorgestellt.

Die Bekleidungs- und Textilindustrie wurde für diese Diplomarbeit anhand der Statistischen Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft, Rev. 1.1 (NACE Rev. 1.1, 2002) definiert. Eine detaillierte Darstellung des Abschnittes DB (Herstellung von Textilien und Bekleidung) bietet Tabelle 2.

Tabelle 2: Statistische Systematik der Wirtschaftszweige in der Europäischen Gemeinschaft, Rev. 1.1 (NACE Rev. 1.1, 2002)

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Eurostat 2002

4.1. Quantitative Analyse

Die europäische Bekleidungs- und Textilindustrie verzeichnete im Jahr 2009 einen ge- schätzten Umsatz von EUR 158,7 Milliarden und registrierte über 2 Millionen Beschäftigte in zirka 128.000 Unternehmen. (vgl. EURATEX 2010) Wie aus Tabelle 3 ersichtlich ist, wies die Industrie im Vergleich zum Vorjahr in allen Bereichen erhebliche Rückgänge auf. Der Umsatz der Textilien schrumpfte um 16,8 % und jener von Bekleidung um 14,4 %. Weiters gingen die Beschäftigung und die Anzahl der Unternehmen sowie die Exporte erheblich zurück. (vgl. EURATEX 2010) Die Wirtschaftskrise 2008 hat hierzu sicher beige- tragen.

Tabelle 3: Überblick über die wichtigsten statistischen Daten der EU 27 Bekleidungs- und Textilindustrie

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: EURATEX 2010

Die wirtschaftlich schlechtere Situation in der Bekleidungs- und Textilindustrie ist auch anhand der volumenmäßigen Entwicklung der Wertschöpfung, die durch den Produkti- onsindex dargestellt wird, erkennbar. Der Produktionsindex ist in den letzten Jahren durch sinkende Zahlen, mit wenigen Ausnahmen, gekennzeichnet. Im Jahr 2006 und 2007 wurde im Bereich der Bekleidung zwar ein leichtes Wachstum registriert, die Wende kam jedoch schon 2008 mit einem extremen Rückgang der Wertschöpfung von 9,79 % in der Herstellung von Textilien und 3,31 % in der Herstellung von Bekleidung. Im Jahr 2009 registrierte der Produktionsindex eine Reduktion von 17,24 % bei den Textilien und 11,47 % bei Bekleidung. Der zeitliche Verlauf wird in Abbildung 4 dargestellt.

[...]

Ende der Leseprobe aus 113 Seiten

Details

Titel
Corporate Social Responsibility (CSR) und Arbeitsplatzqualität in der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie - eine Literaturanalyse
Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien
Note
1
Autor
Jahr
2010
Seiten
113
Katalognummer
V186797
ISBN (eBook)
9783869434674
ISBN (Buch)
9783656991588
Dateigröße
10723 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
corporate, social, responsibility, arbeitsplatzqualität, bekleidungs-, textilindustrie, literaturanalyse
Arbeit zitieren
Mag. Bibiana Frings (Autor:in), 2010, Corporate Social Responsibility (CSR) und Arbeitsplatzqualität in der europäischen Bekleidungs- und Textilindustrie - eine Literaturanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186797

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