Der Einsatz von Hunden in der tiergestützten Arbeit

Erörterung am Beispiel von Kindern und Jugendlichen mit aggressiv-dissozialen Verhaltensstörungen in sozialpädagogischen Einrichtungen


Diplomarbeit, 2006

93 Seiten, Note: 2


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Darstellungsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Vorwort

1 Einleitung

2 Verhaltensstörungen bei Kindern und Jugendlichen
2.1 Die spezielle StörungAggression
2.2 Verursachung und Entstehung

3 Beziehung zwischen Mensch und Tier
3.1 Kinder und Natur
3.2 Kinder und Tiere
3.3 Das Wesen des Hundes
3.4 Kommunikation zwischen Mensch und Hund

4 Tiergestützte Arbeit
4.1 Begriffserklärungen
4.2 Zielsetzungen in der tiergestützten Arbeit
4.3 Einsatz und Wirkung von Hunden auf aggressive Kinder und Jugendliche

5 Methodischer Teil
5.1 Untersuchung
5.1.1 Methodischer Ansatz
5.1.2 Herleitung der Fragestellung
5.1.3 Zusammensetzung der Stichprobe
5.1.4 Erhebungszeitraum
5.1.5 Erhebungsinstrument
5.1.6 Auswertungsmethode
5.2 Ergebnisse und Auswertung
5.2.1 Auswertung der formellen Angaben
5.2.2 Auswertung der Selektionsfrage
5.2.3 Auswertung der Daten der integrierenden Einrichtungen
5.2.4 Auswertung der nicht integrierenden Einrichtungen
5.2.5 Auswertung zur Erfassung von Kontakten zu anderen Tieren
5.2.6 Auswertung der Wirksamkeit des Einsatzes von Hunden sowie Ist- und Soll-Erfassung der Rahmenbedingungen
5.2.7 Feedback der Befragten
5.3 Fazit
5.4 Ausblick

6 Literatur- und Quellenverzeichnis

7 Anhang

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

DARSTELLUNGSVERZEICHNIS

ABBILDUNGSVERZEICHNIS

Abbildung 1: Hunde der Golden Retriever-Zucht „vom Priesterberg“ v

Abbildung 2: „Schicksal“ des Fragebogens (n=433)

Abbildung 3: Häufigkeitsverteilung der Institutionsformen (n=107)

Abbildung 4: Häufigkeitsverteilung der Bundesländer (n=55)

Abbildung 5: Häufigkeitsverteilung der Trägerschaft (n=52)

Abbildung 6: Häufigkeitsverteilung der Betreuung von aggressiv-dissozialen Kindern und Jugendlichen (n=54)

Abbildung 7: Häufigkeitsverteilung der Angaben zu den Kenntnissen zum Thema tiergestützte Arbeit/Therapie (n=58, Mehrfachnennungen)

Abbildung 8: Häufigkeitsverteilung der Verbreitung des Kontaktes zu Hunden in den Einrichtungen(n=38)

Abbildung 9: Häufigkeitsverteilung der Kontaktformen mit dem Hund (n=65)

Abbildung 10: Häufigkeitsverteilung der verfolgten Ziele (n=171)

Abbildung 11: Häufigkeitsverteilung der Existenz einer Konzeption (n=36)

Abbildung 12:Häufigkeitsverteilung der Jahre, die den Beginn der Arbeit mit Hunden in den Einrichtungen darstellen (n=34)

Abbildung 13: Häufigkeitsverteilung der angewandten Vorgehensweisen (n=58)

Abbildung 14: Häufigkeitsverteilung zur Bereitschaft einer Integration von Hunden (n=18)

Abbildung 15: Häufigkeitsverteilung des Kontaktes zu anderen Tieren (n=54)

Abbildung 16: Häufigkeitsverteilung des gezielten Einsatzes anderer Tiere (n=39)

Abbildung 17: Häufigkeitsverteilung der positiven Beeinflussung aggressiv- dissozialen Verhaltens Kinder und Jugendlicher durch einen Hund (n=53)

Abbildung 18: Häufigkeitsverteilung der Vorraussetzungen tiergestützter Therapie (n=401, Mehrfachnennungen möglich)

TABELLENVERZEICHNIS

Tabelle 1: Tabelle der Häufigkeiten der Antworten ..A.III

VORWORT

„Die unglaubliche Zuneigung, die zwischen Mensch und Hund erwächst, sie wird nur möglich, weil der Mensch zu begreifen lernt, daß er seinen Hund als ein völlig andersartiges, nach eigenen Gesetzen lebendes Individuum anerkennen und ernstnehmen muß, und dies ebenso selbstverständlich tut, wie umgekehrt der Hund seinen Menschen eben ganz einfach so annimmt,

wie er nun einmal ist.“

(ERIC H.W. ALDINGTON)

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Abbildung 1: Hunde der Golden Retriever-Zucht „vom Priesterberg“

Diese Arbeit widme ich meinem langjährigen Freund und Gefährten ‚Monty‘ (Golden Retriever ‚Irwisch vom weißen Bungalow‘, genannt ‚Monty‘, * 28. November 1993 - † 8. Februar 2006), der mit mir Freud und Leid teilte. Sein wunderbares Wesen war beeindruckend und ich konnte sehr viel von ihm lernen. Er war es auch, der mich zu dem Thema der vorliegenden Diplomarbeit inspirierte. Vielen Dank für die schöne Zeit, mein Dicker. Ich werde dich sehr vermissen!

1 EINLEITUNG

Im Rahmen dieser Arbeit wird der bisher empirisch erforschte Einfluss von Tieren, insbesondere von Hunden, auf Kinder und Jugendliche, die in ihrem Sozialverhalten gestört sind, thematisiert.

Aufgrund der Tatsache, dass zum Einsatz von Hunden bei Verhaltensstörungen nur wenig geforscht wird, soll im methodischen Teil der Arbeit durch eine Erhebung herausgefunden werden, ob Wissen über und Interesse an tiergestützten Arbeitsweisen in sozialen Bereichen vorhanden ist, inwieweit die Praktik der fachlichen Zusammenarbeit mit Hunden derzeit angewandt wird, welche Erfahrungen eventuell gemacht wurden und ob Aufklärung notwendig ist.

Es stellen sich zusätzlich die Fragen:

Ist die Unterstützung der sozialpädagogischen Arbeit durch den Hund sinnvoll?

Ist es überhaupt möglich mit Hilfe eines Hundes auf aggressiv-dissoziales Verhalten positiv einzuwirken?

Im zweiten Kapitel der Arbeit soll die Klientel beschrieben werden, auf die sich die Untersuchung bezieht. Es wird erläutert, welche Symptome der Terminus Verhaltensstörungträgt. Anschließend wird speziell auf aggressiv-dissoziales Verhalten bei Kindern und Jugendlichen eingegangen. Anknüpfend daran werden die Ursachen, die zu den Störungen im Sozialverhalten führen können, aufgezeigt.

Im dritten Kapitel wird die Beziehung zwischen Mensch und Tier erörtert. Dabei stehen das Verhältnis des Kindes zur Natur und die besondere Bindung zwischen Kind und Hund im Mittelpunkt der Betrachtung. Die Besonderheiten und das Wesen des Hundes werden in Punkt 3.3 herausgearbeitet, wobei auf dessen Intelligenz und Psyche besonderes Augenmerk gelegt werden.

Auf der beschriebenen Mensch-Hund-Beziehung gründet die Bedeutung des vierten Kapitels, welches sich der tiergestützten therapeutischen, pädagogischen und freizeitgestaltenden Arbeit im Gesundheits- und Sozialwesen widmet. Neben begrifflichen Klärungen wird veranschaulicht, was tiergestützte Arbeit beinhaltet, welche Unterteilungen existieren und mit welchen Intentionen sie durchgeführt wird. Des Weiteren soll an dieser Stelle erörtert werden, welche Auswirkungen eine durch Hunde gestützte Behandlung oder Betreuung verhaltensgestörter, aggressiv-dissozialer Kinder und Jugendlicher haben kann. Es werden Möglichkeiten der positiven Beeinflussung des Sozialverhaltens und eines damit einhergehenden verbesserten Wohlbefindens der Betroffenen vorgestellt. Kapitel 5 befasst sich mit dem methodischen Teil dieser Arbeit, erklärt den Vorgang der Untersuchung, d.h. den methodischen Ansatz, die Herleitung der Fragestellung, das verwendete Erhebungs- und Auswertungsinstrument sowie die Ergebnisse der Befragung.

Im Anschluss daran werden ein Fazit für die vorliegende Arbeit und ein Ausblick auf die Zukunft der tiergestützten Therapie gegeben. Obwohl die Verfasserin in der vorliegenden Arbeit um einen geschlechtsneutralen Ausdruck bemüht war, finden sich zur Wahrung der Sprachökonomie nicht immer sowohl die weibliche als auch die männliche Wortform. Es soll jedoch hervorgehoben werden, dass bei der Nennung der männlichen Bezeichnung die weibliche als gleichwertig in die Betrachtung einbezogen wurde.

2 VERHALTENSSTÖRUNGEN BEI KINDERN UND JUGEND- LICHEN

Um nachvollziehen zu können, was abweichend von „normalem“ Verhalten als Störung des Sozialverhaltens gilt, soll einer Definition von Verhaltensstörungen zunächst eine Beschreibung von erwünschtem, sozial verträglichem Verhalten vorangestellt werden.

MYSCHKER versteht unter Verhalten

„die Gesamtheit menschlicher Aktivitäten […], die im Wechselspiel zwischen Organismus und Umwelt generiert werden und von einfachen Reaktionen auf Reize bis zu willentlichen, komplexen, umweltverändernden Handlungen reichen. Verhalten kann in einer Grobdifferenzierung in adaptive und maladaptive Modi unterteilt werden. Adaptives Verhalten ist das Ergebnis adäquater Wahrnehmung, Verarbeitung, Einschätzung und Aktivierung. Es dient situativ und allgemein zur optimalen Umweltbewältigung […]. Maladaptives Verhalten dagegen basiert auf dysfunktionalen Rezeptionen und Kognitionen. Es ist durch unangemessene, unvorteilhafte und sozial unverträgliche Situations- und Lebensbewältigung charakterisiert.“ (MYSCHKER 2005, S. 45, Auslassungen M.Z.)

Ausgehend von diesen Betrachtungen wird im Folgenden Verhaltensstörung definiert. Dieser für die vorliegende Diplomarbeit gültigen Arbeitsdefinition sei jedoch die nachstehende Überlegung vorausgeschickt:

„Solange der Mensch lebt, verhält er sich. So kann Verhalten nicht eigentlich gestört, sondern nur qualitativ oder quantitativ in Relation zu einer Norm anders oder verändert sein.“ (ebd., S. 44)

Dieses veränderte Verhalten, welches „derart gravierend ist, dass [es] eine besondere erzieherische Hilfe für das Kind oder den Jugendlichen erforderlich macht, um soziale Desintegration abzuwenden und soziale Integration zu ermöglichen“ (SPECK 1979, zit. in: MYSCHKER 2005, S. 43, Anpassung M.Z.), muss begrifflich genau abgegrenzt werden. Deshalb soll Verhaltensstörung wie folgt definiert werden:

„Verhaltensstörung ist ein von den zeit- und kulturspezifischen Erwartungsnormen abweichendes maladaptives Verhalten, das organogen und/oder milieureaktiv bedingt ist, wegen der Mehrdimensionalität, der Häufigkeit und des Schweregrades die Entwicklungs-, Lern- und Arbeitsfähigkeit sowie das Interaktionsgeschehen in der Umwelt beeinträchtigt und ohne besondere pädagogisch-therapeutische Hilfe nicht oder nur unzureichend überwunden werden kann.“ (MYSCHKER 2005, S. 45; Kursivdruck im Original) Verhalten sich Kinder und Jugendliche nicht entsprechend den gesellschaftlichen Erwartungen, wird ihnen unterstellt, sie würden dies absichtlich und mutwillig tun. Sie erhalten die Zuschreibungen ‚böse‘, ‚schlecht‘, ‚Störenfried‘ oder ‚Versager‘ und geraten dadurch in eine Außenseiterposition, welche ihr unangepasstes Verhalten nur noch weiter verstärkt. Sie werden von der Gesellschaft mehr oder weniger ausgeschlossen und ihnen wird weniger Sympathie entgegengebracht als den sozial integrierten und unauffälligen jungen Menschen.

Die Verfasserin schließt sich der Auffassung PETERMANNS und PETERMANNS an, die aggressiv-dissoziales Verhalten als eine Form sozialer Unsicherheit definieren, welche durch verändertes Sprachverhalten, Gefühlsausdruck, Gestik und Mimik gekennzeichnet ist. Ein solches Verhalten gründet sich ihrer Meinung nach vor allem auf fehlenden bzw. mangelnden sozialen Kompetenzen, die oft auf soziale Ängste zurückzuführen sind (vgl. PETERMANN/PETERMANN 1990, S. 12- 13).

Ängste können auf zweierlei Arten ausgelebt werden. Ist dem Betroffenen seine Angst bewusst, versucht e-r sie durch aggressives Verhalten zu überspielen oder er zieht sich zurück. In den meisten Fällen jedoch ist die Person sich ihrer Angst nicht bewusst und sie lebt nur die als vordergründig empfundene Wut und den Ärger in Aggressionen aus. Aggressionen können Angst für eine kurze Zeit kompensieren, sind aber letztendlich keine Lösung für das Problem der Angst (vgl. ebd., S. 24-25). Die häufigsten Ängste von Kindern und Jugendlichen sind Angst vor dem Verlassenwerden, vor Kritik oder gar Ablehnung oder auch Versagensängste und Schuldgefühle (vgl. ebd., S. 13).

Die Zuordnung von grenzwertigem Normalverhalten und gestörtem Verhalten kann verschwimmen, da sie abhängig von den Regeln und Normen des Umfeldes, von kulturellen Unterschieden, verschiedenen Auffassungen in ländlichen Gegenden und Städten sowie einzelnen Familien sind.

Nach ROTTHAUS und TRAPMANN werden durch andauerndes dissoziales Verhalten die „grundlegenden Rechte anderer sowie wichtige altersentsprechende soziale Erwartungen verletzt“ (ROTTHAUS/TRAPMANN 2004, S. 283).

Merkmale der Störungen des Sozialverhaltens, die laut ROTTHAUS/TRAPMANN (2004, S. 284) zumindest über eine Dauer von einem halben Jahr stets auftreten müssen, um als Verhaltensstörung diagnostiziert werden zu können, sind „ein deutliches Maß an Ungehorsam, Streiten oder Tyrannisieren; häufiges Lügen oder Brechen von Versprechungen, um Vorteile zu erhalten; häufiges Schulschwänzen; Stehlen von Wertgegenständen, Einbruch in Häuser, Gebäude oder Autos; ungewöhnlich häufige und schwere Wutausbrüche; Zerstören von Eigentum; aggressives Verhalten gegenüber Menschen und Tieren; Gebrauch von gefährlichen Waffen; Feuerlegen“ (ebd., S. 284).

Dissoziales Verhalten beeinträchtigt zumeist auch die sozialen Bindungen des Betroffenen und kann zu Isolation führen. Aufgrund von Ablehnung und Unverständnis hinsichtlich des Fehlverhaltens fehlen oft Freunde und beständige Beziehungen:

„Dauerhafte antisoziale Verhaltensprobleme entstehen auf der Basis eines Wechselspiels von biologischen, psychischen und sozialen Einflüssen, die eine besondere Neigung zu solchen Verhaltensweisen bedingen, sie auslösen und aufrechterhalten können“ (ebd., S. 287).

2.1 DIE SPEZIELLE STÖRUNG AGGRESSION

„Unter Aggressionen werden individuen- und sachschädigende Handlungen oder unterlassene Handlungen verstanden. Aggressivität meint die zur überdauernden Bereitschaft gewordene Disposition, sich gegen Individuen und Sachen schädigend zu verhalten“ (MYSCHKER 2005, S. 373-374).

MYSCHKER versteht unter Aggressionen

„destruktive Verhaltensweisen, die mit den Grundemotionen Ärger, Wut, Hass, Zorn oder einer entsprechenden Gestimmtheit zusammenhängen. Aggressivität als Verhaltensbereitschaft stellt eine übermäßige Ausprägung und reduzierte Kontrolle dieser Emotionen dar.“ (ebd., S. 382)

Die folgenden Aggressionsformen lassen sich unterscheiden:

- „verbale und körperliche,
- offene und verdeckte (fantasierte),
- affektbegleitete (wütend, feindselig) und instrumentelle (zielerreichende, Mittel-Zweck-Relation),
- Selbst- und Fremd-Aggression,
- direkte und verschobene (andere Form oder Objekt), spontane und reaktive,
- ernste und spielerische, individuelle und Gruppenaggressionen“ (ebd. S. 383).

Nicht immer erfolgt Aggression auf körperlicher Ebene. Manchmal geschieht sie durch mündliche Drohungen, Beschuldigungen oder Belästigungen, u.a. mittels sexueller Anspielungen oder Einschüchterung (vgl. BREAKWELL 1998, S. 10-11).

„Jeder vorsätzliche Versuch, Schaden anzurichten, sei dies nun psychisch oder physisch, ist ein Akt der Aggression“ (ebd., S. 11).

In der Psychologie wird unterschieden zwischen instrumentellen und emotionalen Aggressions- und Gewaltformen. Instrumentelle Aggression oder Gewalt dient vornehmlich dem Ziel Schaden zuzufügen. Bei der emotionalen Form hingegen resultiert ein Angriff aus einer Emotion heraus, bspw. Wut, und nicht aus einer rationalen Erwartung (vgl. BREAKWELL 1998, S. 23).

Absichten aggressiven Verhaltens können z.B. Kontaktaufnahme, Forderung nach mehr Aufmerksamkeit sowie Ausdruck von Hilflosigkeit sein, aber auch einfach nur Provokation darstellen. Des Weiteren kann damit die brutale Durchsetzung eigener Interessen und die Gewinnung einer Identität oder gesteigerten Selbstbewusstseins verfolgt werden. Langfristig bewirkt aggressives Verhalten eine verringerte Fähigkeit Probleme spannungsfrei zu bewältigen. Nicht selten weist es auf Schwierigkeiten im näheren sozialen Umkreis hin (vgl. PETERMANN/PETERMANN 2005, S. 3).

Aggressiv-dissozialen Kindern und Jugendlichen mangelt es häufig an adäquaten Problemlösefähigkeiten. Sie haben Schwierigkeiten, ihre Impulse zu kontrollieren und können sich dadurch nur selten in eine Gemeinschaft integrieren. Ihre sozialen Beziehungen sind folglich stark belastet. Bedingt durch das unangemessene Verhalten werden meist auch die schulischen Leistungen beeinträchtigt, was wiederum zu Frustrationen führt (vgl. DÖPFNER/LEHMKUHL 1995, S. 83-84) und den Kreislauf schließt. Mit zunehmendem Alter des Betroffenen verfestigt sich die Störung. Sie sollte deshalb frühzeitig erkannt und angemessene Interventionen getroffen werden (vgl. ebd., S. 95).

2.2 VERURSACHUNG UND ENTSTEHUNG

Verhaltensstörungen sind durch eine Vielzahl von pathogenen Faktoren bedingt. MYSCHKER (2005, S. 81) zufolge handelt es sich dabei um Anlagen, individuelle Informationsaufnahme- und -verarbeitungsmuster, verschiedene lernbiographisch bedingte Eigenheiten, Selbstbestimmungs- und Selbstorganisationstendenzen, übergeordnete soziokulturelle Gegebenheiten und soziale Systeme wie Familie, Kindergarten, Schule, peer-group usw. „Dabei ist […] die Einwirkung durch die Familie naturgemäß am größten“ (MYSCHKER 2005, S. 81).

BREAKWELL führt drei Erklärungsansätze für das Entstehen von Aggression und Gewalt auf: die Instinkttheorie, die Theorie des sozialen Lernens und die Theorie der aversiven Reize (vgl. BREAKWELL 1998, S. 23). Diese sollen im Folgenden kurz dargestellt werden.

Instinkttheorie

Die Instinkttheorie geht davon aus, dass Aggression nicht erlernt wird, sondern biologisch determiniert und unvermeidlich ist. Dies hat zur Folge, dass wenn Aggression unterdrückt wird, sich das Verlangen nach ihr erhöht und sie schließlich hervorbricht.

In Bezug auf Aggressionen unterscheiden sich Menschen in der Art und Weise sowie den bedingenden Umständen, in denen sie freigesetzt bzw. in gesellschaftlich akzeptierte Handlungen umgelenkt werden (vgl. ebd., S. 23).

Theorie des sozialen Lernens

Hinsichtlich dieser Theorie sind Aggression und Gewalt erlernbare Verhaltensweisen wie alle anderen auch. Laut BREAKWELL gibt es zwei Arten des Lernens, instrumentelles und beobachtendes (vgl. ebd., S. 24). Instrumentelles Lernen liegt vor, wenn ein Verhalten durch Belohnung verstärkt wird und dadurch in Zukunft mit höherer Wahrscheinlichkeit auftritt. Dies betrifft sowohl erwünschtes Verhalten als auch negativ-aggressives Verhalten (vgl. ebd., S. 24).

Es wird angenommen, dass aggressives Verhalten durch das Beobachten anderer gelernt wird. Man spricht dann auch von sozialem Lernen. So ist bei Kindern, die eine gewaltsame Handlung beobachten, die Wahrscheinlichkeit hoch, dass sie bei Gelegenheit ebenfalls gewalttätig werden (vgl. ebd., S. 25).

Im Laufe der Entwicklung des Heranwachsenden eignet dieser sich über seine Erfahrungen einen Bezugsrahmen an, innerhalb dessen die Ereignisse interpretiert und bewertet werden (vgl. ebd., S. 27).

Theorie der aversiven Reize

Durch unangenehme oder unerträgliche Reizungen, beispielsweise wenn sie in Bedrängnis geraten, werden Menschen aufgrund ihrer Biologie sehr stark erregt. Um diese Exaltation zu vermeiden bzw. abzubauen, ist es neben einem Vermeidungsverhalten und einer Flucht möglich durch eine aggressive Reaktion den Ursprung des unangenehmen Reizes zu beseitigen. Ist es jedoch nicht möglich sich der bedrohlichen Situation zu entziehen, birgt sie starke Assoziationen zu Aggressivität oder hat sich Aggression bei der jeweiligen Person als günstige und lukrative Reaktion bewährt, wird diese Verhaltensweise bevorzugt (vgl. ebd., S. 27-28).

3 BEZIEHUNG ZWISCHEN MENSCH UND TIER

3.1 KINDER UND NATUR

Wir Menschen sind Teil der Natur und sie ist ebenso Teil von uns selbst. So scheint es als habe jeder Mensch ein Grundbedürfnis nach Natur. Die Beziehung zwischen Mensch bzw. Kind und Natur ist in der Forschung bisher jedoch stark vernachlässigt worden. Es gibt viele Annahmen und Äußerungen von verschie- denen Autoren zu diesem Thema, doch fehlen eindeutige Untersuchungen.

Nach unserer ethisch-moralischen Logik erscheint es uns selbstverständlich, dass der kindliche Kontakt zur Natur ausschließlich förderlich und gut für das Kind ist. Die Weite einer naturbelassenen Umgebung gibt Kindern Raum sich zu entfalten, Erfahrungen zu machen und sich Umwelt anzueignen. Die Begrenztheit der städtischen Räumlichkeiten hingegen schränkt die Erfahrungswelt der jungen Menschen ein. Sie können zwar Natur, demzufolge auch Tiere beobachten, beispielsweise in Parks und Zoos, aber diese nicht in ihrer eigentlichen Lebens(um)welt und ihren natürlichen Eigenschaften erleben und daran teilhaben (vgl. GEBHARD 1994, S. 64-77).

Nach der Auffassung GEBHARDS beeinflusst die Art sowie die Beschaffenheit der nichtmenschlichen (in dem Sinne, dass sie dem Menschen nicht eigen ist) und der lebendigen äußeren Natur bzw. der individuellen Naturerfahrungen das psychische Befinden erheblich: „Die äußere Natur beeinflusst immer auch die innere, psychische Natur des Menschen und umgekehrt.“ (ebd., S. 35)

Die Entwicklung von Großstadtkindern scheint mit einer Entfremdung von Natur verbunden zu sein. Doch gerade die Auseinandersetzung mit der Natur fördert ein gesundes Aufwachsen. So brauchen Kinder zum Erlernen einiger sozialer und psychischer Kompetenzen den Kontakt mit den natürlichen Elementen und Tieren (vgl. ebd., S. 58).

Es heißt, dass die Beziehung eines Kindes zur Natur durch das vorbildhafte Vorleben der wesentlichen Bezugspersonen, zumeist der Eltern, im Umgang mit Tieren und Pflanzen geprägt wird. Somit bekommen alle weltlichen Dinge eine gewisse Wertigkeit, die bestimmt, inwieweit der junge Mensch für eben diese Elemente Respekt, Liebe, Zuneigung oder Ablehnung empfindet (vgl. ebd., S. 87).

Kinder sind von der Natur fasziniert, alle Sinne werden gefordert und entwickelt und Neugierde ebenso wie Wissbegierde befriedigt. Kinder genießen v.a. die Bewegungsfreiheit und unbeobachtet agieren zu können, sie lieben es zu experimentieren und ihr Umfeld zu erforschen. Dafür bietet die Natur ein unein- geschränktes Repertoire. Ihr Spielraum muss vor allem Abwechslung darbringen, veränderbar sein, Geheimnisse bergen. Genau diese Merkmale bietet die nichtmenschliche Natur, wodurch sie sich von festen, starren und unveränderlichen Objekten der Stadt (z. B. Häuser, Wohnraum, Spielplätze, Straßen) unterscheidet (vgl. ebd., S. 65-66). Durch eine aktive

Auseinandersetzung mit den Dingen (indem sie sie anschauen, anfassen, spüren, erleben, sie umgestalten, auf sich wirken lassen und darüber nachdenken) eignen Kinder sie sich an (vgl. ebd., S. 69). Als Folgen fehlender oder monotoner Naturerfahrungen auf die kindliche Psyche führt GEBHARD Konzentrations- störungen, Mangel an Selbstvertrauen und Initiative sowie Kontaktarmut auf (vgl. ebd., S. 72). Diese These klingt plausibel, konnte aber bisher nicht nachgewiesen werden.

GEBHARD greift allerdings auch Kritik an diesen Annahmen auf. So zum Beispiel, dass Natur häufig romantisiert wird; dass Kinder nicht von klein auf die natürliche, unberührte von der zivilisierten, bebauten Natur unterscheiden können; zwar jene bevorzugen, in der sie sich frei bewegen können, dies aber ebenso Schrottplätze oder Baustellen sein könnten. Der Weg in die Natur sei nur ein Entrinnen vor sozialen Verpflichtungen, dem Stress und der Begrenztheit der technisierten Umwelt und diene der Kompensation (vgl. ebd., S. 73-77).

Nach EDWARD O. WILSON existiert zwischen den verschiedenen Spezies erwiesenermaßen eine tiefenpsychologische und biologische Verbundenheit, die so genannte Biophilie, und diese wirkt sich auf die sozialen und psychologischen Beziehungen zwischen Mensch und Tier aus. Darüber hinaus wird durch den Begriff der Biophilie erklärt, weshalb der Mensch sich zu allem Lebendigen und dem, was Leben ermöglicht, hingezogen fühlt (vgl. OLBRICH 2003, S. 69-70). Vor allem Tiere üben einen starken Reiz auf Kinder aus. „Tiere lügen nicht, sie verlangen kein >gutes Benehmen<, sie sind Natur und erlauben dem Menschen, selbst Natur zu sein.“ (GREIFFENHAGEN 2004, S. 153, Hervorhebung im Original)

3.2 KINDER UND TIERE

In der Evolution sind die Beziehungen zu Tieren, v.a. Haustieren, immer emotionaler und somit bedeutungsvoller geworden. ANDREA BEETZ erklärt, „dass neben Kognition und Leistung Bindungen an andere Personen eine entscheidende Rolle in der menschlichen Psyche und für die psychische Gesundheit spielen. Frühe Bindungserfahrungen bilden wahrscheinlich die Grundlage für die Regulation von Emotionen, für emotionale Intelligenz, Empathie und soziale Kompetenz im gesamten Lebenslauf.“ (BEETZ 2003, S. 76-77) Die beschriebenen Bindungen können jedoch nicht nur zu Menschen aufgenommen werden, sondern gleichfalls zu Tieren. Allerdings sind Tiere keine reinen Wirkfaktoren, sondern erst die Art der Beziehung und die Prozesse, die in ihr verlaufen, sind ausschlaggebend für eine heilsame Wirkung. Das Zugegensein von Tieren wirkt sich am eindeutigsten sozial aus, im Transfer und der Interaktion zwischen Menschen und anderen Kreaturen (vgl. OLBRICH 2003, S. 73). Das Sozialverhalten aller Beteiligten wird im Miteinander positiv beeinflusst.

Schon im frühen Kleinkindalter werden die meisten Kinder mit Schmusespielzeug jedweder Art überhäuft. Nicht selten handelt es sich dabei um Nachahmungen der Tierwelt, wodurch der Begriff „Kuscheltiere“ geprägt wurde. Diese plüschigen Gefährten werden von den Kindern zu lebendigen Zeitgenossen gemacht, indem sie mit den Figuren reden, spielen, kuscheln, ihnen Geheimnisse anvertrauen oder sich auch einmal von ihnen trösten lassen. Doch ist zu beachten, dass ein Stofftier kein Ersatz für ein lebendiges Tier ist. Es gibt dem Kind keine Resonanz, hat keine Körperwärme und keinen Eigengeruch, kann sich weder bewegen noch reagieren.

Zu den ersten Erfahrungen eines Menschen gehören unter anderem auch Märchen, Geschichten, Trickfilme und Computerspiele, in denen immer wieder Tiere auftreten, denen symbolisch ein bestimmter Charakterzug zugeordnet ist, woraufhin sich Kinder oftmals mit diesen Tieren und deren Eigenschaften vergleichen. Bedeutsam sind Tiere auch für die Sprachentwicklung eines Kindes, denn Eltern üben häufig mit ihren Jüngsten die Nachahmung von Tierlauten und Namen von Tiergattungen.

Die Erfahrungen, die ein Kind in der eigenen Familie in Hinblick auf den Umgang mit anderen Lebewesen sammelt, prägen die Einstellungen des Kindes ein Leben lang. Werden Tiere in der Herkunftsfamilie wertgeschätzt, geachtet und liebevoll behandelt, wird das Kind dies in seinem weiteren Leben auch so leben und offen auf jedes Tier zugehen und ebenso andere Mitmenschen schätzen und achten. Erlebt es in der Kindheit jedoch Missachtung und Grausamkeiten gegenüber Tieren, wird es als Erwachsener ähnlich reagieren (vgl. GREIFFENHAGEN 2004, S. 158). Da sich Kinder instinktiv zu Tieren hingezogen fühlen, haben sie keine Hemmungen, insofern keine schlechten Erfahrungen gemacht worden, auf diese unvoreingenommen zuzugehen, sie zu streicheln und mit ihnen zu reden.

Kinder, vor allem kranke oder benachteiligte, profitieren signifikant vom Umgang mit Tieren. Tiere können Kinder bei den Aufgaben des Aufwachsens und Reifens begleiten. Sie unterstützen deren Entwicklung und die Erlangung von Kompetenzen in allen Lebensbereichen erheblich. Im ersten Lebensjahr eines Kindes verstärken Tiere das Urvertrauen, im zweiten Lebensjahr die wachsende Autonomie, im dritten bis fünften Lebensjahr die Initiative zum Erkunden der Umwelt, im siebenten bis dreizehnten Lebensjahr das Verständnis von Fleiß und im Jugendalter unterstützen Tiere die Suche nach der eigenen Identität (vgl. OTTERSTEDT 2001, S. 46-49).

Tiere sind aber nicht nur entwicklungsfördernd. Sie können das Heranwachsen eines Kindes auch pädagogisch unterstützen, indem sie die Phantasie und Erlebnisfähigkeit anregen, zu Ordnung, Pünktlichkeit, (Selbst-)Disziplin, Fürsorglichkeit, Rücksichtnahme und Gemeinschaftsfähigkeit sowie zu Verantwortungsbewusstsein für Tiere und folglich auch für Menschen erziehen. Außerdem fördern sie ein realistisches Wissen über Tiere und Natur. Und schließlich können Tiere Kindern bei Frustrationen, Ängsten, Sorgen und Krisen beistehen (vgl. GREIFFENHAGEN 2004, S. 158).

Fast alle Kinder verspüren den Drang Kontakt zu Tieren aufzunehmen. Sie möchten mit diesen spielen, wobei gerade Hunde diesem Bewegungs- und Unterhaltungsdrang entsprechen. Ebenso können sie anderweitige Sehnsüchte stillen, u.a. nach Beziehung, Vertrautheit und Verstandensein (vgl. GEBHARD 1994, S. 97).

Die Beziehung zu einem Tier kann und sollte die zu Menschen nicht ersetzen, stellt allerdings eine Bereicherung für die sozio-emotionale Erfahrung und Kompetenzentwicklung des jungen Menschen dar. Sie erweitert das Verständnis und Mitgefühl für andere Lebewesen und somit das Sozialverhalten (vgl. GEBHARD 1994, S. 99).

Heimtiere spielen eine ganz besondere Rolle, denn sie werden oftmals zu vollwertigen Familienmitgliedern erkoren, werden in sämtliche familiäre Aktivitäten und den Alltag integriert, ihnen werden menschliche Eigenschaften zugeordnet, sie erhalten einen Namen und werden wie geliebte Menschen betrauert. Sie übernehmen auch soziale, interaktive und kommunikative Aufgaben innerhalb der Familie und innerhalb der Gesellschaft, d.h. sie bieten Gesprächsstoff, sind Partner im Dialog, Spielgefährten etc. Hunde und Katzen haben manchmal sogar das Privileg im Bett schlafen zu dürfen, bekommen Kleidung, die sie vor Kälte und Nässe schützt, und werden zu verschiedenen Feierlichkeiten beschenkt (vgl. BECK/KATCHER 1996, S. 18-19).

Über das Tier als Teil der Familie ist es dem Kind möglich menschliche Fähigkeiten und Fertigkeiten gewissermaßen zu trainieren, wobei es lernt beständige Beziehungen aufzunehmen und zu pflegen und auch verantwortungsbewusst mit ihnen umzugehen. Darüber hinaus bekommt es im Erleben der Eigenart und Eigenwilligkeit des Tieres ein Bewusstsein für die eigenen Bedürfnisse (vgl. GEBHARD 1994, S. 100) und lernt das Anderssein zu akzeptieren.

Kinder und Jugendliche, die Kontakt zu Tieren haben oder mit ihnen aufwachsen, verfügen zumeist über ein ausgeprägteres Sozialverhalten. Tiere haben positiven Einfluss auf das Wesen der Kinder, so dass diese ausgeglichener, fröhlicher, einfühlsamer und weniger verhaltensauffällig sind als Gleichaltrige, die keinerlei Erfahrungen mit Tieren erleben (vgl. ENDENBURG/BAARDA 1995, S. 8-13).

3.3 DAS WESEN DES HUNDES

In der Geschichte wurde den Tieren eine eigene Seele abgesprochen und sie wurden zu Maschinen ohne jegliche Empfindungen degradiert, was wiederum dazu führte, dass Tiere enormen Quälereien ausgesetzt waren und sind. Auch heutzutage wird den Tieren nicht einvernehmlich ein Bewusstsein oder Intelligenz zugesprochen. Forschungen bezeugen jedoch, dass höhere Säugetiere, wie auch der Hund, „mit einem Nervensystem ausgestattet [sind], welches das gleiche Bausystem benutzt und nach den gleichen physiologischen Grundsätzen operiert wie das des Menschen. Für den Physiologen sind die Ähnlichkeiten in der Struktur der Nervensysteme aller Säugetiere bemerkenswert, angefangen beim allgemeinen Aufbau des Gehirns bis hin zur Chemie der Botenstoffe und der elektrischen Reaktionen, die Informationen von und zum Gehirn übertragen.“ (COREN, 1997, S. 106; Einfügung: M.Z.)

Nicht selten ist das Verhalten eines Hundes vergleichbar mit dem des Menschen in einer ähnlichen Situation und wird von den gleichen Faktoren beeinflusst. Trotzdem konnte bis zum heutigen Zeitpunkt nicht eindeutig nachgewiesen werden, ob Tiere tatsächlich ein Bewusstsein besitzen.

COREN ist überzeugt von der Intelligenz der Hunde. Auf der Grundlage der von dem Psychologen GARDNER vorgenommenen Unterteilung der Intelligenz des Menschen in sieben wichtige Intelligenzen (gegliedert nach verschiedenen geistigen Fähigkeiten) erklärt COREN, dass zumindest einige dieser Intelligenzen auch beim Hund vorzufinden sind, wie beispielsweise die interpersonale Intelligenz (vgl. COREN 1997, S. 114).

Angelehnt an GARDNER entwirft COREN eine eigene Untergliederung der Intelligenzen des Hundes. Er nennt sieAdaptive Intelligenz,Arbeits-oder Gehorsamsintelligenz,Instinktive Intelligenzund deren Mischformen. „Während adaptive Intelligenz misst, was ein Hund für sich selbst tun kann, sollte man die Arbeits- oder Gehorsamsintelligenz als ein Maß dessen ansehen, was der Hund für Menschen leisten kann.“ (ebd., S. 165) Instinktive Intelligenz beschreibt die Fähigkeiten und Verhaltensweisen, welche durch die individuelle Genetik festgeschrieben sind.

Durch Züchtungen werden Eigenschaften von Hunden selektiert und Rassen geschaffen, welche die jeweils gewünschten Äußerlichkeiten, Persönlichkeiten und Verhaltensweisen aufzeigen und demnach für bestimmte Zwecke von Nutzen für den Menschen sind (vgl. ebd., S. 166-171).

Hunde werden jedoch nicht nur gezüchtet, um dem Menschen einen bestimmten Dienst zu erweisen. Der Hund wird mehr und mehr zum reinen Gesellschafts- und Familienhund, der Gefährte und Spielkamerad ist, Zuneigung und soziale Interaktionen bietet oder aber für therapeutische Zwecke unterstützend beisteht. Allein seine bloße Anwesenheit wirkt heilend. KATCHER fand heraus, dass das Beobachten von Fischen wie auch das Streicheln von Tieren Stress verringert, den Blutdruck senkt und somit entspannend auf den ganzen Körper wirkt (vgl. BECK/KATCHER 1996, S. 7).

Zwischen dem Hund und seinem Menschen herrscht sozusagen „ein Zustand freudiger Erwartung: Jede der Parteien ist beglückt, wenn sie eine bestimmte Regung der Gegenseite verstehen, vorhersehen oder hervorrufen kann“ (ALDINGTON 1998, S. 297). Sie tun füreinander Einiges, um zu harmonieren und ein „dem eigenen Wohlbefindenentsprechende[s]Verhalten des anderen“ (ebd., S. 297, Kursivdruck im Original, Einfügung M.Z.) hervorzurufen. Um jenes Ziel zu ermöglichen, müssen gewisse Regeln zwischen beiden Seiten aufgestellt und eingehalten werden.

Wie beim Menschen wirken sich beim Hund psychische Einwirkungen auf den Körper aus, bei Stress bspw. durch Zittern des Körpers, übermäßiges Hecheln, erhöhten Speichelfluss o.Ä.; freudige Erregung zeigt sich z.B. in Schwanzwedeln und aufgestellten Ohren (vgl. ebd., S. 300 und 306).

Positive Erlebnisse und Gefühle sind für einen Hund ebenso elementar wie Nahrung. Wohlbefinden sorgt beim Hund für Entspannung, Streicheln und Kuscheln für absolute Gelöstheit (vgl. ebd., S. 304-305).

„Wie bei keinem anderen Tier können wir beim Hund beobachten, dass er nicht nur hinnimmt, sondern bewusst alles nur Erdenkliche tut, damit etwas geschieht oder sich noch verbessert. Zuneigung ist, anders als es oft von Menschen verstanden und verlangt wird, eine aktive, zweiseitige Leistung. Der Hund fordert sie stürmisch heraus, sie ist für ihn ein Hochgefühl des Glücks, während wir, gerührt und angesteckt von seiner stürmischen Glücksäußerung, nur zu gern dazu beitragen, dass es sich noch weiter und sichtbar steigert.“ (ebd., S. 305)

Mensch und Tier profitieren gleichermaßen von den gegenseitig gegebenen Zärtlichkeiten und Zuwendungen. Sie geschehen im Alltag meist viel häufiger und intensiver als in einem Tierrudel, was den Menschen demgemäß unzweifelhaft interessanter und reizvoller für den Hund macht als andere Hunde (vgl. ebd., S. 308).

Derjenige, der einen Hund hält, weiß um dessen vorhandene Psyche und sein Bewusstsein, das ihm erlaubt individuelle Entscheidungen zu treffen, wobei deren Motivation im Gefühlsbereich des Hundes liegt und „die [ihm] arttypische Handlungsweise“ (ebd., S. 298) auslöst. Andererseits wird das Verhalten des Hundes in vielen Situationen nur von seinem Instinkt und den Trieben geleitet. Abgesehen von diesen Tatsachen, neigen wir dazu die Eigenschaften und Verhaltensweisen des Hundes zu vermenschlichen und seine Kompetenzen hinsichtlich des Verstehens zu überschätzen. Ein Hund ist weder in der Lage Bewertungen noch Urteile oder Schlussfolgerungen zu treffen. Er kann zwar empfinden, fühlen und reagieren, aber keine Zusammenhänge zwischen Ursache und Wirkung erkennen. Hunde erkennen ihr eigenes Befinden und das des Menschen, aber ihnen fehlt das logische Denken, um Verknüpfungen herzustellen. So kann er die Geschehnisse auch nur erfassen, solange sie in direktem Bezug zueinander stehen. Alltäglich beobachtbar ist trotz allem ein sinnvolles vernünftiges Handeln, woraus man darauf schließen kann, dass er sich ebenso wie der Mensch an Vergangenes erinnert, kombiniert und gezielte (Re-) Aktionen zeigt, um etwas Bestimmtes herbeizuführen (vgl. ebd., S. 307). Nach Meinung der Autorin, angelehnt an die Äußerungen CORENS, weiß der Hund als bewusst lebendes Tier, wie es ist, er selbst zu sein, und kann dadurch das Handeln anderer Individuen deuten, kann sich vorstellen, was sie eventuell fühlen oder wie sie in einer bestimmten Situation reagieren werden. Er kann vergleichen, wie er sich selbst in einer analogen Konstellation verhalten würde (vgl. COREN 1997, S 118). Jenes „Bewußtsein ermöglicht die reiche Vielfalt adaptiver und sinnvoller Verhaltensweisen [wie Mitgefühl, Vertrauen, Verrat und Täuschung], die wir von Menschen, Hunden und anderen sozialen Wesen erwarten“ (ebd., S. 118, Einfügung M.Z.). Folglich sind Intelligenz und Bewusstsein notwendig für die Anpassungsfähigkeit von sozialen Lebewesen.

Hunde sind in der Lage ihre Fähigkeiten einzuschätzen. Sie können vorhandenes Wissen bewusst verarbeiten und vorausschauend handeln. Diese Fähigkeiten sind der intrapersonalen Intelligenz zuzuordnen. Das dem Hund innewohnende Sozialverhalten beweist auch eine interpersonale Intelligenz. Der Hund ist in der Lage mit passenden Verhaltensweisen auf andere Lebewesen zu reagieren. Er fügt sich in das Sozialgefüge seiner Umwelt ein und kann dabei führende oder untergeordnete Rollen einnehmen. Er kann sich mitteilen und Bedürfnisse einfordern. Diese Aspekte legen den Grundstein der Kommunikation.

3.4 KOMMUNIKATION ZWISCHEN MENSCH UND HUND

Soziales Miteinander ist abhängig von Kommunikationsprozessen und ohne diese nicht denkbar. „Wenn man nicht erkennt, daß es noch andere Lebewesen gibt, deren Verhalten einen direkt betreffen kann, besteht keine Notwendigkeit, überhaupt zu kommunizieren.“ (COREN 1997, S. 117)

Der Mensch kann sich mit dem Hund über akustische und körperliche Signale verständigen. Es gibt zwei konträre Komponenten im Verhalten des Wolfes, dem Vorfahren des Hundes. Zum einen die „geschlossene, stereotype, reizkonforme Reaktionsweise; innerartliche Signale lösen bei ihmimmereine typische Antwort aus, die weitgehend nicht durch Lernen modifiziert wird“ (ALDINGTON 1998, S. 326, Kursivdruck im Original). Sie sichert das Überleben durch ein konformes Zusammenleben im Rudel. Zum anderen ist dem Wolf ein „offenes Umweltverhalten“ (ebd., S. 327, Kursivdruck im Original) innewohnend:

„Die dort auf ihn einwirkenden Signale muß er zu verstehen und umzusetzen lernen; sein instinktives Verhalten wird hierverstandesmäßiggelenkt. Dies ist die überlebenswichtige Grundlage seinerAnpassungsfähigkeit.“ (ebd., S. 327, Kursivdruck im Original)

Beim Hund als Kreation des Menschen sind diese zwei Aspekte assimiliert: In der Gemeinschaft mit dem Menschen muss er lernfähig sein und in der menschlichen Umwelt muss er verstärkt auf Signale achten.

Verbale Anweisungen versteht der Hund nur in Zusammenhang mit Worten, Gesten und der Mimik, die für ihn Signalcharakter haben. Die Bedeutung jener Signale müssen wir ihm zuvor beibringen. Der Hund verarbeitet diese situationsgebunden und lernt dabei auf unsere Aufforderung hin etwas zu tun bzw. zu unterlassen. Das, was Hunde mitteilen, ist immer eine räumlich und zeitlich begrenzte Stimmungsübertragung. Darauf muss sich der Mensch im Kommunikationsprozess mit dem Hund einstellen, denn dieser kann den Menschen nur so lange verstehen, wie eine direkte Verbindung zwischen beiden sowie eine direkte Bezogenheit zum Sachverhalt besteht. Insbesondere sein auf den Menschen übertragenes Bedürfnis nach Bindung motiviert ihn, dessen Sprache zu erlernen. Das Tier erlernt im Grunde nichts Neues, sondern statt innerartliche eben menschliche Signale, wodurch der Mensch es obendrein gefühlsmäßig an sich bindet (vgl. ebd., S. 327-328).

Hunde lernen bereits im bloßen Beisammensein mit Menschen durch Beobachten und eignen sich selbstständig neue Ausdrucksweisen an, die sie benötigen, um uns etwas mitzuteilen. Seine Stimmung übermittelt der Hund sowohl verbal als auch nonverbal, auf jeden Fall mit wesentlich mehr Nachdruck und übersteigerten Darbietungen, als er es innerhalb seiner Art tun würde, damit ihn der weniger sensible Mensch auch versteht (vgl. ebd., S. 328).

Würde der Mensch mehr auf das Tier eingehen und dem Hund aufmerksamer zuhören, könnte er auch aus der verbalen Sprache, den verschiedenen Lauten des Hundes mit seinen unterschiedlichen Bedeutungsnuancen, Informationen entnehmen. Hunde sind sogar fähig bestimmte Laute zu erlernen, etwa um im Dienste des Menschen etwas Bestimmtes zu melden (COREN 1997, S. 136-141).

Das Einsetzen des Blickkontaktes, die Haltung der Ohren und Rute und die Bewegung des Fangs sollen Auskünfte über soziale Dinge und den Gemütszustand geben. Zum Teil soll damit das Verhalten anderer Menschen und Hunde, mit denen es zu sozialen Interaktionen kommt, variiert werden (vgl. ebd., S. 145).

Wenn Menschen und Tiere kommunizieren, bedienen sie sich vorrangig der nonverbalen analogen Verständigung über Gestik, Mimik, Augensprache, Stimmmodulation und Berührungen. Es ist der direkte Weg Gefühle, Intentionen und Beweggründe auszudrücken und aufzunehmen und besteht über die verschiedenen Genres hinweg (vgl. OLBRICH 2003, S. 84-85). Selbst, wenn wir das Tier verbal ansprechen, vermittelt unser Körper das eigentlich Gemeinte. Die Anwesenheit eines Tieres regt beim Menschen die analoge Kommunikation, welche in der Entwicklung mehr und mehr in den Hintergrund tritt, intensiv an, öffnet den Menschen für Empathie, steigert die Aufmerksamkeit und persönliche Erlebnisfähigkeit. Alles, was wir auf diese Art und Weise äußern, steht in unmittelbarem Bezug zu dem, was wir fühlen und denken. Sie ist die ehrlichste Form der Kommunikation. Verständigungsschwierigkeiten werden vermieden. Dies ist ein ausschlaggebender Faktor für die erfolgreiche Zusammenarbeit mit Tieren zur Verbesserung der Befindlichkeit und Verhaltensmodifikation (vgl. ebd., S. 86-87). Werden Tiere professionell in solchen Prozessen eingesetzt, ist es wichtig den ungezwungenen Dialog zwischen dem Mensch und dem Tier ohne Eingreifen geschehen zu lassen und dabei das Verhalten beider Parteien zu beobachten, um daraus Rückschlüsse auf die Kommunikationskompetenz und Bedürftigkeit des betroffenen Menschen zu ziehen (vgl. OTTERSTEDT 2003, S. 92-93).

Eine vertrauensvolle Begegnung zwischen Mensch und Tier erlaubt dem Menschen sich unvoreingenommener als gegenüber einem anderen Menschen auszudrücken. Je nachdem wie die Person gerade empfindet, kann sie das Tier streicheln, umarmen, liebkosen oder gar hemmungslos weinen.

„Oft sind es gerade die sensiblen nonverbalen Kommunikationselemente, die dem Pädagogen bzw. Therapeuten erste Hinweise auf eine förderliche Entwicklung der Kommunikation zwischen dem Klienten und dem Tier anzeigen.“ (OTTERSTEDT 2003, S. 100).

Dies kann unter anderem Entspannung sein, die sich in einer tiefen ausgeglichenen Atmung oder gelockerten Muskulatur zeigt (vgl. ebd., S. 100).

[...]

Ende der Leseprobe aus 93 Seiten

Details

Titel
Der Einsatz von Hunden in der tiergestützten Arbeit
Untertitel
Erörterung am Beispiel von Kindern und Jugendlichen mit aggressiv-dissozialen Verhaltensstörungen in sozialpädagogischen Einrichtungen
Hochschule
Technische Universität Dresden
Note
2
Autor
Jahr
2006
Seiten
93
Katalognummer
V186783
ISBN (eBook)
9783869434803
ISBN (Buch)
9783656992264
Dateigröße
5881 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
einsatz, hunden, arbeit, erörterung, beispiel, kindern, jugendlichen, verhaltensstörungen, einrichtungen
Arbeit zitieren
Melanie Zachariä (Autor:in), 2006, Der Einsatz von Hunden in der tiergestützten Arbeit, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186783

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