Zur Siedlungsgenese oberösterreichischer Städte im Hoch- und Spätmittelalter

Eferding, Freistadt, Schärding und Wels im Vergleich


Diplomarbeit, 2006

161 Seiten, Note: 1


Leseprobe


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1) Vorwort

Die vorliegende Arbeit hat ihren Ausgangspunkt in Eferding. Die besondere Geschichte meiner Heimatstadt warf seit dem heimatkundlichen Unterricht in der Volksschule immer wieder Fragen auf, die in Kombination mit meinem Interesse am Mittelalter zu dem Entschluss führten, mich eingehender mit dem „dunklen Zeitalter“ der kleinsten Bezirkshauptstadt und gleichzeitig drittältesten Stadt Österreichs zu befassen. Wie kam es dazu, dass eine offensichtlich so traditionsreiche Stadt nicht größer und einflussreicher wurde? Die Beantwortung dieser Frage wäre aber kein zeitgemäßes Thema, denn diese Fragestellung wurde bereits 1875 in einer einschlägigen, lokalgeschichtlichen Abhandlung von Wenzel Kopal fakten- und datenreich aufgearbeitet. Es galt daher einen anderen Zugang zu finden, der der modernen stadtgeschichtlichen Forschung gerecht werden sollte. Zusätzlich zu Eferding wählte ich also Freistadt, Schärding und Wels aus, um in einem Vergleich die hoch- und spätmittelalterliche Entwicklung dieser vier Städte zu untersuchen und gegenüberzustellen. Die Auswahl dieser vier Städte beruht vor allem auf deren unterschiedlicher Ausgangsbasis und geschichtlicher Entwicklung.

Die Arbeit ist im Wesentlichen in fünf Abschnitte eingeteilt: Zu Beginn soll versucht werden, eine knappe Zusammenfassung der oberösterreichischen Geschichte von der Römerzeit bis zum Ende des Spätmittelalters zu präsentieren. Das Hauptaugenmerk in diesem Kapitel liegt vor allem auf dem Landwerdungsprozess Oberösterreichs, der maßgeblich von der Entwicklung der Städte beeinflusst wurde. Dem Begriff der „mittelalterlichen Stadt“ ist dann das folgende Kapitel gewidmet, steht er doch quasi im Zentrum der Arbeit. Es erscheint mir unmöglich, eine Abhandlung über das mittelalterliche Städtewesen zu verfassen, ohne vorher zu klären, was die moderne Forschung unter „der Stadt des Mittelalters“ versteht. Anschließend wird in einem Abschnitt das oberösterreichische Städtewesen des Mittelalters näher beleuchtet. Die Anzahl der Städte im heutigen Oberösterreich ist überschaubar, weswegen in diesem Kapitel auch immer wieder die verbleibenden Städte kurz angeschnitten werden sollen. Ähnlich wie im ersten Kapitel ist es hier unmöglich, stur das heutige Bundesland Oberösterreich zu behandeln. Nicht nur weil es das im Mittelalter noch gar nicht gegeben hat, sondern vor allem weil die Einflüsse aus den angrenzenden Regionen einfach zu groß und bedeutend waren, um diese nicht anzusprechen. Diese drei genannten Abschnitte bilden nun sozusagen die Basis, den Rahmen meiner Arbeit und stellen in den folgenden Kapiteln den Ausgangspunkt für viele Überlegungen dar. Jede der vier Städte wird dann in einem eigenen Kapitel behandelt. Das Hauptaugenmerk wurde von mir dabei vor allem auf die städtebauliche, wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung im Hoch- und Spätmittelalter

gelegt. Es ist in diesem Zusammenhang jedoch unumgänglich, auch die ältere Geschichte - insbesondere die Römerzeit und das Frühmittelalter - miteinzubeziehen. Als Grundlage dieser Kapitel dienten mir - so weit vorhanden und greifbar - die entsprechenden Urkunden und nicht zuletzt die aktuelle, einschlägige Literatur. Die jeweiligen Abschnitte verstehen sich deswegen auch als Versuch, eine Zusammenfassung der gegenwärtigen Forschungsergebnisse zu den einzelnen Städten zu bieten. Das letzte Kapitel stellt dann die vorangegangenen Ausführungen gegenüber, vergleicht und resümiert. Es sollen hier Parallelen und Trends aufgezeigt und unterschiedliche Ausformungen hervorgehoben werden. Die städtebauliche, wirtschaftliche und rechtliche Entwicklung stellt auch hier die Basis dar. Es versteht sich aber von selbst, dass im Rahmen einer solchen Arbeit kein Vergleich bis ins letzte Detail stattfinden kann, weswegen manche Aspekte zurückgestellt und sogar ganz weggelassen werden mussten. Ziel dieser Arbeit ist es, den ersten Versuch eines Vergleichs zu präsentieren, auf dem möglicherweise in weiterer Folge andere, speziellere Untersuchungen basieren können.

seiner fachlichen Kompetenz und seinem Engagement maßgeblich am Entstehen dieser Arbeit beteiligt war. ™™ Meinen Eltern Oskar und Margarete Mattle, die mich während meiner gesamten Studienzeit bedingungslos unterstützt und das Korrekturlesen gewissenhaft übernommen haben. ™™ Meiner Freundin Kerstin Loitzenbauer, die stets für mich da war und mir beim Layout hilfreich unter die Arme gegriffen hat.

2) Geschichte Oberösterreichs 2.1) Vom Ende der Römerzeit bis zum Privilegium minus

Gegen Ende des 5. Jahrhunderts nach Christus mehrten sich die Einfälle germanischer Stämme in das von den Römern beherrschte Gebiet des heutigen Oberösterreichs. Bis 476 übernahmen reguläre Truppen die Grenzverteidigung, dann mussten Bürgermilizen für die nötige Sicherheit sorgen. 488 wurde schließlich das Gebiet östlich der Enns gewaltsam geräumt und man kann von einem Ende der römischen Besiedelung in Ober- und Niederösterreich sprechen. Nur in vereinzelten Gebieten wird von Kontinuitäten und Zusammenhängen zwischen Altertum und Mittelalter ausgegangen. Insbesondere für die Umgebung von Lorch, Wels, den Attergau und das Innviertel lassen sich Hinweise finden, die auf die Fortdauer der Siedlung auch nach dem Abzug der römischen Besatzung hindeuten. 1 In den folgenden Jahrzehnten drangen die Baiern von Westen her in das heutige Oberösterreich ein und besiedelten weite Teile davon. Von Osten kamen die Slawen und nahmen das südöstliche Gebiet für sich in Anspruch, nachdem die Awaren um 700 über die Enns in das bairische Herzogtum eingebrochen waren und große Teile verwüstet hatten. Offensichtlich konnten sich die Baiern den anstürmenden Reitervölkern aus dem Osten nicht länger erwehren und mussten sich in Folge dessen dem Frankenreich unterwerfen. 788 ernannte Karl der Große das Herzogtum Baiern zu einer Provinz seines Reiches und überschritt drei Jahre später die südöstliche Grenze seines Reiches - die Enns -, um die Awaren endgültig zu bezwingen. Nach seinem Sieg begann Karl sein Reich neu zu ordnen und die Administration grundlegend zu ändern. Mangels brauchbarer Quellen lässt sich aber über das 9. Jahrhundert nur sehr wenig sagen. Um 900 wurde das Gebiet vom Eferdinger Becken bis zum Wienerwald von einer Grafschaft eingenommen, die einem Mark- oder Grenzgrafen Arbo unterstand. Anhand der Raffelstetter Zollordnung lässt sich weiters annehmen, dass die verhältnismäßig große Grafschaft Arbos in drei Untergrafschaften aufgeteilt war. Die genaue Lage dieser drei Teile ist in der Forschung umstritten, es wird allerdings vermutet, dass die westlichste Untergrafschaft den heutigen Traungau bis zur Enns oder Ybbs umfasste. 2 Eine Kontinuität zwischen den römischen Stadtbezirken und den fränkischen Untergrafschaften muss als Hypothese stehen bleiben und konnte bis heute nicht bewiesen werden. 3

Wichtiger für die folgenden Jahre war aber die zunehmende Herausbildung von lokalen Adelsherrschaften, die im Gebiet des heutigen Oberösterreich einen adeligen Personenverband bildeten. MAX WELTIN vergleicht diese anfangende Verselbstständigung in Kombination mit der räumlichen Ausdehnung der Grafschaft Arbos mit der Situation zu Beginn des 13. Jahrhunderts, „als sich die Austria superior vom übrigen Österreich abzuheben begann“ 4 .

Ein einschneidendes Ereignis war in dieser Hinsicht die Niederlage der Baiern gegen die Ungarn bei Pressburg 907. Die karolingische Organisation in den östlichen Gebieten löste sich daraufhin auf und für 50 Jahre war nun die Enns wieder die östliche Grenze gegen die Ungarn, was natürlich ein Auseinanderbrechen der Grafschaft Arbos mit sich brachte. Allen Entwicklungen zum Trotz galt der Hausruck bis zur Enns nun wieder als das „östliche Baiern“. Ab 930 lassen sich im Traungau wieder einzelne Grafschaften nachweisen, die in ihrer Art und Funktion in der Forschung wiederum sehr umstritten sind. Vermutlich waren sie - ähnlich Arbos Grafschaft, jedoch kleinräumiger - Personenverbände, die aus einem Grafen und anderen Adeligen bestanden. Die jeweilige Grafschaft entsprach dem Einflussgebiet derjenigen Adeligen, die sich mit dem Grafen zur Taidingsversammlung trafen. 5 Räumlich und zeitlich lassen sich diese Grafschaften natürlich nicht exakt festmachen, aus den spärlichen Quellen können jedoch gewisse Vermutungen angestellt werden: 930 ist eine Grafschaft im Raum Wels-Lambach bezeugt, die dem Grafen Meginhard unterstand, und 977 erwähnte Kaiser Otto II. in einem Diplom eine Grafschaft im Raum Lorch und westlich von Enns, deren Herr der babenbergische Markgraf Leopold I. war. Durch die zunehmende Orientierung der Babenberger Richtung Osten kann man davon ausgehen, dass ihre „Traungaugrafschaft“ damit zu bestehen aufgehört hat. 6 Eine weitere Grafschaft wird um 1006 im Bereich um Schlierbach fassbar. Es ist zu vermuten, dass die ansässigen Rapotonen mit den Arnolden - den Grafen von Wels-Lambach - verwandt waren und deswegen ihr Einflussbereich zusehends in den der Arnolden überging. Die Wels-Lambacher, die erstmals Ende des 10. Jahrhunderts mit Graf Arnold I. in diesem Raum in Erscheinung treten - allerdings vermutlich schon früher in diesem Gebiet ansässig waren -, spielten eine nicht unerhebliche Rolle in der Geschichte Oberösterreichs. 1035 übertrug Kaiser Konrad II. Graf Arnold II. die Karantanische Mark (die spätere Steiermark), um so die Südost-Grenze seines Reiches durch einen von diesem Adelsgeschlecht geführten Personenverband zu

stabilisieren. 7 Als Folge dieser Ausdehnung ihres Machtbereiches erstreckte sich das Gebiet, das von den Wels-Lambachern und ihren Gefolgsleuten beherrscht und kontrolliert wurde, vom Traungau bis an die ungarische Grenze bei Pitten, an die Lafnitz und das oststeirische Hügelland. „Mit seinem adeligen Personenverband war der Traungau, der Kernraum des späteren Landes ob der Enns, ein Teil der Karantinischen Mark geworden und machte so deren Entwicklung zum Lande Steiermark mit.“ 8

Um 1050 starben die Wels-Lambacher unter nicht näher geklärten Umständen aus 9 und die steirischen Otokare traten ihr Erbe zuerst im oberösterreichischen Gebiet und 1056 auch in der Karantinischen Mark an. 10 Sie kontrollierten in Oberösterreich vor allem das Gebiet um Steyr (mit der Steyrburg) und Enns (mit der Ennsburg). Durch ihre treuen Gefolgsleute reichte ihr Einfluss aber bis in den Hausruck und das Ischlland. „Sämtliche dieser Vasallen suchten die Taidingsversammlungen auf, die die Otokare in ihrer Eigenschaft als Markgrafen und Herzöge der mittlerweile längst zum Land Steiermark gewordenen ehemaligen Karantinischen Mark von Zeit zu Zeit abgehalten haben.“ 11 Die Grafen von Formbach - das zweite Adelsgeschlecht, das ab dem Ende des 11. Jahrhunderts wichtig war - herrschten in einem Gebiet, das sich vom Innviertel bis ins Eferdinger Becken erstreckte. Durch ihr frühes Aussterben konnten sie jedoch die Entwicklung des Landes nicht nachhältig beeinflussen, ihre Erben - allen voran das Geschlecht der Schaunberger - sollten sich aber in den folgenden Jahrhunderten als entscheidender Machtfaktor im oberderennsischen Gebiet herausstellen. Nominelle Herrscher über einen Großteil des heutigen Oberösterreichs waren natürlich noch immer die bairischen Herzöge. Doch in einer Zeit, in der nur der Besitz von Grund und Menschen wichtig war, beschränkte sich ihr Einfluss um das Gebiet um Bad Hall (damals noch „Herzogenhall“). Sowohl die Otokare als auch die Babenberger waren als Lehensleute der bairischen Herzöge zum Besuch der Hoftage verpflichtet, allerdings änderte sich dieses Machtverhältnis 1156 und 1180 durch die Erhebung Österreichs und der Steiermark zu selbstständigen Herzogtümern gravierend.

2.2) Vom Privilegium minus zum Aussterben der Babenberger

Vorläufer zum Privilegium minus waren Streitigkeiten innerhalb der Reichspolitik zwischen den Staufern, mit denen die Babenberger verwandt waren, und den Welfen. Als Belohnung für die tatkräftige Unterstützung erhob der Staufer König Konrad III. den Babenberger Markgraf Leopold IV. 1139 zum Herzog von Bayern, was auch die Herrschaft über das Land zwischen dem Hausruck und der Enns mit sich brachte. Allerdings führten 1156 die langwierigen Verhandlungen, in denen Kaiser Friedrich I. Barbarossa versuchte einen politischen Ausgleich zu erzielen, zu einem Verzicht Heinrich II. von Österreich auf das Herzogtum Bayern. Dafür wurde im Gegenzug seine Mark an der Donau losgelöst und zu einem eigenständigen Herzogtum erhoben. Diese Bestimmung und andere Vorrechte wurden am 17. September 1156 in Regensburg in einer Kaiserurkunde, dem so genannten Privilegium minus, festgehalten. Mit der Mark Österreich selbst wurden laut den neueren Erkenntnissen die ungarische und böhmische Mark zum Herzogtum erhoben. 12 Auch nach dem Privilegium minus dürfte der Einfluss des bayerischen Herzogs bis an die Enns gereicht haben, denn im Jahr 1176 traf sich Herzog Heinrich der Löwe mit dem Babenberger Herzog Heinrich II. von Österreich östlich der Enns, nachdem er im Markt Enns einen Gerichtstag abgehalten hatte. „Die Regel, daß solche Zusammenkünfte auf den Grenzen der beiderseitigen Gebiete stattfanden, spricht für eine Erstreckung des bairischen Herzogssprengels bis zur Enns.“ 13

dritte Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts zum Herzogtum Steiermark. Daran änderte vorerst auch der Übergang der Steiermark an die Babenberger nichts. Durch eine Vereinbarung, die am 17. August 1186 bei Enns zwischen dem kranken und kinderlosen Herzog Otokar IV. von Steiermark und Herzog Leopold V. von Österreich sowie dessen ältestem Sohn Friedrich getroffen wurde („Georgenberger Handfeste“), übernahmen die österreichischen Herzöge 1192 die Herrschaft über die Steiermark. „[...] das heißt, der bis dahin verschiedenen Personenverbänden angehörende oberderennsische Adel gruppierte sich - wie zuletzt in den Tage des Markgrafen Arbo - in seiner Gesamtheit um die gemeinsam von ihm anerkannte übergeordnete Instanz.“ 14 Nach dieser Abmachung von 1186 begannen die Babenberger eine intensive Westpolitik zu betreiben. Die Wittelsbacher als neue Herzöge von Bayern hatten dem vorerst nichts entgegenzusetzen, da sie in den bayerischen Kernlanden beschäftigt waren. 1187 übertrug Kaiser Friedrich I. dem österreichischen Herzog den Schutz des Klosters Wilhering, 1188 erbten die Babenberger Teile des Besitzes der Grafen von Regau, ab 1192 kontrollierten sie zusehends die ehemals königlichen bzw. herzöglichen Ministerialen zwischen den Flüssen Enns und Steyr und in den zwanziger Jahren des 13. Jahrhunderts erhob man nach einer Auseinandersetzung mit Bayern Besitzansprüche auf (Bad) Hall. In dieser Zeit fielen auch Wels (1200/1222) und Linz (1205/06) 15 durch Kauf und Verpfändung in die Hände der Babenberger. Um 1220 kann man also davon ausgehen, dass die Babenberger durch die vielen Erwerbungen und das otokarische Erbe in der Lage waren, die Territorialhoheit über das Traunviertel, das Hausruckviertel und den Attergau zu behaupten. Auch im Mühlviertel konnten sie erhebliche Gebietszuwächse durch Ererbung und Kauf verzeichnen, wodurch sich im Wesentlichen die heutige Grenze zwischen Österreich und Tschechien herausbildete. Durch den Erwerb der Festung Neuburg am Inn und der Herrschaften Ried (im Innkreis) und Schärding durch die Heirat Herzog Friedrich II. mit Agnes von Andechs-Meranien erreichte das babenbergische Herzogtum 1229 seine größte westliche Ausdehnung, allerdings fielen diese Besitzungen nach der Scheidung der Ehe wieder an die Andechser zurück.

Insgesamt kann man daher festhalten, dass die österreichischen Herzöge durch die zahlreichen Gebietszuwächse, die vor allem ehemals bayerisches Territorium betrafen, die „meisten strategisch und verkehrspolitisch wichtigen Positionen, darunter die befestigten Städte Steyr, Enns, Linz und Wels,“ 16 beherrschten und zahlreiche Klostervogteien besaßen (St. Florian, Baumgartenberg, Waldhausen, Wilhering). Es verwundert nicht, dass die Beziehung zwischen

den Herzogtümern Bayern und Österreich unter der Expansionspolitik der Babenberger litten. 1233 drang deswegen Herzog Otto von Bayern auf österreichisches Gebiet vor, zerstörte das Kloster Lambach und besetzte die Stadt Wels, musste sich allerdings unter Druck von König Heinrich VII. wieder zurückziehen. Nachdem aber der Babenberger ein Verbot der Aus- und Durchfuhr von Getreide und Wein erließ, fiel er beim staufischen Kaiser Friedrich II. in Ungnade. Es wurde die Acht über ihn ausgesprochen und er verlor sein Herzogtum. Die steirischen Ministerialen wurden vom Kaiser 1237 in Enns zu Reichsministerialen erhoben, allein ein Großteil der Adeligen westlich der Enns hielt Friedrich II. von Österreich die Treue und sagte sich somit endgültig vom Herzogtum Steiermark los. 17 Im Land ob der Enns selbst hatte der Kaiser nur einen, wenn auch mächtigen Vertrauten: der Stadtministeriale Albero von Polheim. 18 Sein ebenfalls beschränktes Einflussgebiet reichte allerdings nicht aus, den Willen des Kaisers durchzusetzen. Kaum hatte der Kaiser Friedrich II. das Land wieder verlassen, konnte der Babenberger durch ein Bündnis mit Herzog Otto II. von Bayern und König Wenzel I. von Böhmen sein Land zurückgewinnen. Im Dezember 1239 führte die veränderte reichspolitische Situation sogar zur Aussöhnung zwischen Kaiser und Herzog. Im selben Jahr, als der letzte Babenberger Friedrich II. in der Schlacht an der Leitha gegen die Ungarn überraschend den Tod fand (1246), wird von einem Garstener Annalisten das erste Mal der Terminus „oberes Österreich“ benutzt. 19

es in Folge des wieder zunehmenden Einflusses des bayerischen Herzogs und diverser Streitigkeiten zwischen dem Adel Ober- und Niederösterreichs zu einer zunehmenden Distanzierung der beiden Gebiete.

Erst am 3. April 1254 beruhigte sich die Situation im heutigen Österreich wieder ein wenig. Nachdem das Königreich Böhmen unter König Ottokar II. Pemysl und das Königreich Ungarn unter König Bela IV. zwischen 1250 und 1254 heftig um das babenbergische Erbe gestritten hatten, kam es unter päpstlicher Vermittlung zum Frieden von Ofen, durch den die

Steiermark an Bela IV. und Österreich an Ottokar II. PPemysl ging. In dieser Zeit wurde auch der heutige Grenzverlauf zwischen der Steiermark und Oberösterreich gezogen und der oberderennsische Adel löste sich endgültig von der Steiermark. Die Tatsache, dass wichtige Vertreter des oberösterreichischen Adels König Ottokar II. PPemysl während des babenbergischen Erbfolgestreits zu Hilfe gerufen hatten, erleichterte ihm natürlich das Fußfassen in den betreffenden Gebieten. Schon 1252/53 hatte er auf die wichtigsten befestigten Stützpunkte in Oberösterreich Einfluss. 21 Darüber hinaus kam 1253 ein Ausgleich mit dem Bistum Passau zustande, in dem ihm die Vogtei über Kremsmünster, St. Florian und Waldhausen, die Städte Linz und Enns, das Lorchfeld, das Zehent um Freistadt und das Gut Leonfelden übertragen wurde. Im Gegenzug verlangte der Bischof das Recht, Eferding zu befestigen, um so den Schaunbergern etwas entgegensetzen zu können. Insgesamt kann davon ausgegangen werden, dass die oberösterreichischen Städte und Märkte mit Ottokar II. einen Förderer gefunden hatten, der Perg und vermutlich auch Gmunden gründete. 22 „Die Verselbständigung des oberen Österreich, die sich am Ende der Babenbergerzeit in den Berichten des Garstener Annalisten abgezeichnet hatte, wurde unter König Ottokar II. durch eigene Landtaidinge für den Adel dieses Gebietes gefördert.“ 23 Die Enns wurde zusehends als Grenze zwischen Ober- und Niederösterreich angesehen, verschiedene Dokumente aus den sechziger Jahren des 13. Jahrhunderts verdeutlichen eine Zunahme des Bewusstseins einer Selbstständigkeit. 24

Nachdem im Jahr 1273 Rudolf von Habsburg zum römisch-deutschen König gekrönt worden war, brach in den folgenden Jahren wiederum eine unruhige Zeit für das heutige Oberösterreich an. König Rudolf verpfändete 1276-78 das Land ob der Enns dem Herzog von Bayern, um so dessen Hilfe gegen den Böhmenkönig Ottkar II. zu gewinnen. „Für die Herausbildung des späteren Landes war die Verpfändung [...] sicherlich sehr wichtig, weil damit die spätere Ostgrenze erstmals markant in Erscheinung tritt.“ 25 In diesen Jahren kam es zu verschiedenen Kampfhandlungen und Gebietsaufteilungen, die allerdings 1282 mit dem Erlöschen der Pfandschaften und der Wiedervereinigung unter habsburgischer Herrschaft endeten. Einen weiteren wichtigen Schritt auf dem Weg zu einem eigenständigen Oberösterreich setzte Rudolfs Sohn Albrecht I., als er 1281 westlich der Enns ein „Gericht ob der Enns“ mit dem entsprechenden „Landrichter ob der Enns“ einrichtete. In rechtlicher

Hinsicht wurde damit Oberösterreich 26 das erste Mal als weitgehend vom restlichen Herzogtum Österreich unabhängiges Gebilde angesehen, 27 was sich auch 1299 durch die reichsrechtliche Anerkennung von König Albrecht I. in einer Gerichtsordnung für das Land ob der Enns niederschlug. Das Land Oberösterreich wies damit die „Wesensmerkmale eines mittelalterlichen Landes auf, bildete jedoch kein selbstständiges Fürstentum“ 28 . Eng mit dem obersten Landrichter bzw. dem Hauptmann ob der Enns war das Geschlecht der Wallseer verbunden. Diese ursprünglich schwäbischen Adeligen wurden ab 1288 nahezu ausschließlich von den Habsburgern mit diesem machtvollen Amt betraut und nahmen deshalb entscheidenden Einfluss auf Oberösterreich. Die Aufgaben des Hauptmannes waren recht weitläufig, weshalb die Wallseer bald Unterbeamten einsetzten. Im Laufe der Jahre entstand so ein Netz von Vertrauensmännern, das sich über weite Teile des heutigen Oberösterreichs erstreckte. Im Jahre 1363 ist schließlich erstmals die Hauptmannschaft ob der Enns als Institution erwähnt.

Die Schaunberger hatten es offensichtlich vermocht, sowohl Thronstreitigkeiten zwischen den Habsburgern und den Wittelsbachern als auch innen- und außenpolitische Schwächen des deutschen Königs für sich zu nutzen, um die angestrebte Unabhängigkeit vom österreichischen Herzogtum zu erreichen. Offensichtlich drängten die Schaunberger zusehends auf einen Ausbruch aus dem österreichischen Landesverband, sodass 1348 die Habsburger mit Kaiser Ludwig dem Bayern einen Vertrag vereinbarten, der die aufsässigen Grafen zur Anerkennung der österreichischen Oberhoheit über ihr Territorium zwang. Auch beeinflusst durch den Konflikt mit den Schaunbergern ließ Herzog Rudolf IV. 1358/59 eine

Fälschung anfertigen, die u. a. den Zweck hatte, „einen Rechtstitel für die im Westen von Enns und Haselgraben dem Herzogtum Österreich zugewachsenen Besitzungen zu schaffen“ 31 . Das Privilegium minus von 1156 wurde inhaltlich so umgestaltet, dass in der neuen Fassung (Privilegium maius) jeglichem Rechtsanspruch Bayerns auf das Land ob der Enns die Rechtsgrundlage entzogen wurde. 32

Die folgenden Jahre sollten die Situation zwischen dem oberderennsischen Grafengeschlecht und den Herzögen von Österreich nicht wesentlich entspannen: Die Schaunberger suchten zusehends die Nähe der Bischöfe von Passau und Bamberg und die Habsburger versuchten durch kaiserliche Privilegien und Erlässe die Schaunberger endgültig in die Schranken zu verweisen. So kam es 1361 mit dem Vertrag von Weitra zu einem Ausgleich zwischen Herzog Rudolf IV. und den Schaunbergern. 33 In diesem Vertrag war vorgesehen, dass die Schaunberger für fünf ihrer Landgerichte den Blutbann (für diese Bereiche) zum Lehen nahmen, womit dem Herzog der Einfluss auf Linz, Wels, Schwanenstadt und Vöcklabruck erhalten blieb. Die Grafen anerkannten in diesem Abkommen auch „die Fiktion des Privilegium maius“ 34 . Als Gegenleistung erhielten die Schaunberger das Recht der weiblichen Erbfolge und durften von nun an den Hauptmann ob der Enns stellen. Es steht jedoch zu vermuten, dass ihnen genau letzteres Recht nach vier Jahren Tätigkeit 1369 bis 1373 wieder abhanden gekommen ist und sie alsbald erneut ihre Abkapselungstendenzen erkennen ließen. 35 Die scheinbar unüberwindbaren Spannungen entluden sich schließlich in einer kriegerischen Auseinandersetzung - der so genannten „Schaunberger Fehde“ -, die von 1380 bis 1390 mit einigen Unterbrechungen geführt wurde. Nach der Niederlage der Schaunberger gegen die Habsburger und den wallseeischen Hauptmann mussten sie die Lehenshoheit des österreichischen Herzogs anerkennen und verloren verschiedene Besitztümer. Mit Hilfe des deutschen Königs aus dem Hause der Luxemburger konnten sie aber den Status ihrer Grafschaft als Reichslehen aufrecht erhalten und somit weiterhin als oberste Gerichtsherren in ihrem Gebiet fungieren. Das ging sogar soweit, dass im 15. Jahrhundert ein eigenes Recht der Grafschaft Schaunberg entstand und die Grafen in Urkunden von ihrem „fürstlichen Stand“ sprachen. 36 Dieser geplanten Landesbildung in Oberösterreich traten vor allem die Habsburger Friedrich III. und Maximilian I. entschieden entgegen und begannen die landesrechtliche Sonderstellung der Schaunberger zunehmend abzuschwächen. Nach dem

Tod des letzten Schaunberger Grafen Wolfgang 1559 zerfiel die Grafschaft - entgegen dem Willen von Kaiser Ferdinand I., der den Habsburgern die Gebiete sichern wollte - in mehrere Teile, die von Erben aus den Häusern Starhemberg und Liechtenstein übernommen wurden.

Im 14. und 15. Jahrhundert versuchten die Habsburger nicht nur den oberösterreichischen Zentralraum, sondern auch die Gebiete an der Peripherie zu erwerben bzw. an sich zu binden. Die Landgerichte Riedmark und Machland, die Herrschaften Steyr, Freistadt und Waxenberg, die Grafschaft Schaunberg und das Ischlland standen nach der Einsetzung des Gerichts ob der Enns 1281 zunächst als gleichrangig nebeneinander. Die Expansionspolitik der Habsburger und ihrer Hauptmänner betraf zu Beginn vor allem das heutige Mühlviertel: War das Gebiet östlich der Großen Mühl ohnehin schon im Einflussgebiet der Habsburger, so konnten die Passauer Bischöfe bis zum Ende des 13. Jahrhunderts Anspruch auf die Ländereien westlich dieses Grenzflusses erheben. Mit der Eroberung der Burg Falkenstein und der damit verbundenen Vogtei über das Stift Schlägl 1289 setzte sich allerdings die österreichische Landeshoheit auch im Bereich zwischen Ranna und Großer Mühl allmählich durch. Östlich der ehemaligen Territorialgrenze sicherte sich 1358 Herzog Rudolf IV. die Herrschaft Waxenberg durch die Annahme des Grafentitels. Die Riedmark und das Gebiet um Freistadt kamen zusehends unter den Einfluss der Wallseer (ab ca. 1290 waren beide an sie verpfändet), die als Hauptmänner dafür sorgten, dass auch hier das Recht des Landes ob der Enns zur Geltung kam. Auch die Starhemberger, die in dieser Zeit die Herrschaften Waldenfels und Riedegg erwerben konnten, fühlten sich mit ihren Ländereien schon lange dem Land ob der Enns zugehörig. Eine ähnlich wichtige Rolle spielten die Wallseer auch im Machland. Die wahrscheinlich edelfreien Kapeller, die zuerst keine Unterordnung unter den Hauptmann ob der Enns dulden wollten, mussten schlussendlich gegen Ende des 14. Jahrhunderts - noch vor ihrem Aussterben 1406/07 - doch Zugeständnisse machen. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts fand schließlich das Landrecht ob der Enns bei fast allen Herrengeschlechtern des Machlandes Anerkennung.

Eine ähnliche Entwicklung wie im Mühlviertel ist auch in der Herrschaft Steyr festzustellen, die sich „seit dem hohen Mittelalter zu einem großen, weitgehend geschlossenen Herrschafts-und Gerichtsbezirk entwickelt hat. [...] In der ersten Hälfte des 14. Jahrhunderts wies die Herrschaft Steyr die Merkmale eines Landes auf.“ 37 Auch hier sorgten nach der Verpfändung die Wallseer für ein Anerkennen des Rechts des Landes ob der Enns. Ab den siebziger Jahren

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des 14. Jahrhunderts kann man davon ausgehen, dass dieses Recht angewandt wurde und sich das Land Steyr der Hauptmannschaft ob der Enns zugehöre fühlte.

Eine Ausnahme in der territorialen Entwicklung Oberösterreichs bildete das Ischlland, also die Gebirgsgegend südlich des Traunsees. Das heutige Salzkammergut war natürlich wegen seiner Salzgewinnung besonders interessant, konnte aber gerade deswegen lange Zeit seine Sonderstellung behalten. Der weitgehend geschlossene Herrschafts- und Gerichtsbezirk unterstand dem in Gmunden ansässigen Salzamtmann. In der Mitte des 15. Jahrhunderts wurde das Gebiet als Sonderbezirk in das Land ob der Enns eingegliedert, fiel aber bis 1783 nicht unter die Verwaltung der oberösterreichischen Landesregierung. Das Gosautal, das wegen seiner Waldbestände für die Salzgewinnung in Hallstatt wichtig war, ging erst nach langem Streit zwischen dem Herzogtum Österreich und den Erzbischöfen von Salzburg 1489 endgültig an Österreich. In den Verträgen von 1535 und 1565 wurden die Grenzen zwischen den heutigen Bundesländern Oberösterreich und Salzburg festgelegt.

vermutet, dass dem Land ob der Enns um 1390 von Herzog Albrecht III. ein eigenes Wappen verliehen wurde. 39 Das neue Landeswappen war seit dem Jahr 1418 auf landesfürstlichen Münzen und Siegeln in offiziellem Gebrauch. Neben der angesprochenen Gebietserweiterung trug vor allem eine zunehmende innere Vereinheitlichung zu einer - in ihrer Wurzel schon länger zurückliegenden - Verselbstständigung des Landes ob der Enns bei. Wirtschaftliche Interessen, Hussiteneinfälle im Norden und die Vorteile einer gemeinsamen Verwaltungsorganisation führten zusehends zu einem eigenen Weg, den das Land ob der Enns im Gegensatz zum Erzherzogtum Österreich ging. 40 „Die Entwicklung im 15. Jahrhundert ist weiters durch das Zusammenwirken, aber auch die Rivalitäten zwischen Landesfürst und Ständen gekennzeichnet.“ 41 Durch diese Differenzen kam es 1408 zum ersten Landtag, bei dem der Hauptmann ob der Enns Reinprecht von Wallsee die Vertreter der Stände in Enns zusammenrief. 1452 wurde in Wels dann erstmals ein Landtag von allen oberderennsischen Landständen abgehalten. Während der Jahre 1458-1462 hatte Oberösterreich das erste Mal

mit Erzherzog Albrecht VI. einen eigenen Landesfürsten, nachdem Erbstreitigkeiten in Österreich zu einer vorübergehenden Teilung geführt hatten. In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts wurde der Titel „Hauptmann ob der Enns“ allmählich durch „Landeshauptmann“ ersetzt und eine Vierteilung des Landes nach (nieder)österreichischem Vorbild wurde vorgenommen (Hausruckviertel, Traunviertel, Mühlviertel und Machlandviertel). Nachdem Kaiser Friedrich III. von 1484 bis 1493 in Linz residiert hatte, setzte sich diese Stadt schrittweise als Zentrum Oberösterreichs durch. Schon vorher (1446) ist die Bezeichnung „Fürstentum ob der Enns“ bezeugt, 1490 wurde jedoch Linz in einem kaiserlichen Privileg als Hauptstadt dieses Fürstentums genannt.

3) Definition(en) einer mittelalterlichen Stadt

Bis heute ist es der Forschung nicht gelungen, eine hieb- und stichfeste Definition für die mittelalterliche Stadt zu finden. Allerdings liegt diese Tatsache nicht am Unvermögen der Wissenschafter, sondern ist viel eher im verschiedenartigen Erscheinungsbild der mittelalterlichen Städte zu suchen, das eine einfache und zweifelsfreie Beschreibung unmöglich macht. Am Beginn der Städteforschung versuchte man ein Kriterium zu finden, das eindeutig für oder gegen eine mittelalterliche Stadt spricht. Im Vordergrund standen dabei vor allem rechtliche Aspekte (weshalb Stadtgeschichte früher fast ausschließlich von Rechtswissenschaftern betrieben wurde) und wirtschaftliche Momente. Ebenfalls als veraltet und überholt kann die Ansicht gelten, dass eine Stadtmauer ausschlaggebend für die Unterscheidung einer Stadt von allen übrigen Siedlungsformen sei. 42 Allen voran beruht der neue Stadtbegriff auf den Forschungen von CARL HAASE und auch EDITH ENNEN, die erwiesen haben, dass es nicht eine Definition geben kann, die allen geographischen Regionen und geschichtlichen Epochen gleichermaßen gerecht wird. HAASE weist darauf hin, dass zwar die verschiedenen Ansatzpunkte für jede Stadtbeschreibung wichtig seien, „aber keiner von ihnen reicht aus, um die Grundlage für eine Schichtung des Städtewesens in einer Landschaft für den Zeitraum eines Jahrhunderts zu bieten“ 43 . So findet er zu einem kombinierten Stadtbegriff, der in einem Kriterienbündel, das immer Kriterien des äußeren Erscheinungsbildes, der inneren Struktur und der Funktion beinhaltet, „die Stadt als Ganzheit zu erfassen strebt“ 44 , und sich je nach Zeit strukturell anders zusammensetzt. Die Verschiebung der Rangordnung der Einzelkriterien innerhalb von Zeitabschnitten ergibt sich aus „dem Gange der Geschichte“ 45 .

EDITH ENNEN übernimmt diesen „kombinierten, flexiblen und variablen Stadtbegriff“, weist aber gleichzeitig auf die Gefahr hin, dass sich der Stadtbegriff in eine „Summe von Stadtgeschichten“ 46 auflöst, und attestiert selbst dem besten Stadtbegriff nur die Funktion einer Hilfskonstruktion bei der Untersuchung einer mittelalterlichen Stadt. 47 Insgesamt kann man heute davon ausgehen, dass der Großteil der Forschung HAASES flexiblen Stadtbegriff vertritt, 48 auch wenn er von einigen wenigen kritisiert wurde. Für EBERHARD ISENMANN „entfernt er [= Carl Haase] sich allerdings von einem definitorischen Stadtbegriff und tendiert zu einem phänomenologischen-beschreibenden

Stadtbegriff“ 49 , was ISENMANN aber nicht davon abhält, in weiten Teilen seiner Arbeit HAASES Thesen zu benutzen. 50 Immer wieder wurde natürlich versucht, den Stadtbegriff enger, genauer oder umfassender zu gestalten, allein für die kleinen und kleinsten Städte scheint dies aber unmöglich zu sein. Zum flexiblen Stadtbegriff wurden aus diesem Grund noch vier Punkte hinzugezogen, die vor allem die zeitgenössische Betrachtungsweise miteinschließen:

„Erstens: Stadt ist, was Stadt heißt, was die Bezeichnung Stadt trägt.

Zweitens: Stadt ist das, was vom Stadtherren gegründet wird, in der

Absicht eine Stadt zu gründen. Drittens: Stadt ist eine Siedlung, deren

Bürger sich in ihrem Selbstbewusstsein als Stadtbürger empfingen. [...]

[Viertens:] Stadt ist, was von der ländlichen Umgebung als Stadt

angesehen wird.“ 51

Ein weiterer wichtiger Punkt in der jüngeren Stadtgeschichtsforschung ist die Betonung der zentralörtlichen Funktion von mittelalterlichen Städten. Die Stadt als Mittelpunkt der ländlichen Umgebung versucht auch FRANZ IRSIGLER in seiner Definition, die ebenfalls auf CARL HAASES und auch KARLHEINZ BLASCHKES Überlegungen beruht, hervorzuheben:

„Stadt ist eine vom Dorf und nichtagrarischen Einzwecksiedlungen

unterschiedene Siedlung relativer Größe mit verdichteter, gegliederter

Bebauung, beruflich spezialisierter und sozial geschichteter

Bevölkerung und zentralen Funktionen (politisch-herrschaftlich- wirtschaftlich, kultisch-kulturell) für eine bestimmte

Region oder regionale Bevölkerung. [...] Erscheinungsbild, innere

Struktur sowie Zahl und Art der Funktionen sind nach Zeit und Raum

verschieden: Die jeweilige Kombination bestimmt einmal die

Individualität jeder einzelnen Stadt, zum anderen ermöglichen typische

Kombinationen die Bildung von temporären und regionalen Typen

oder Leitformen, je nach den vorherrschenden Kriterien.“ 52

IRSIGLER ist sich gewisser Schwächen seiner Definition durchaus bewusst, vor allem die „relative Größe“ und die Frage der Reichweite der zentralörtlichen Funktion stellen unscharfe Punkte dar. Um jedoch den flexiblen Stadtbegriff zu bewahren und nicht wieder bei WERNER SOMBART 53 oder MAX WEBER 54 zu landen, sind solche weite Fassungen nötig

und auch brauchbar. Die aktuellste und zugleich sowohl kürzeste als auch prägnanteste Definition einer mittelalterlichen Stadt stammt von FERDINAND OPLL:

„Die mittelalterliche Stadt in ihrer chronologisch jeweils

unterschiedlichen Ausformung ist eine nichtagrarische Groß- bzw.

größere Siedlung mit differenzierten wie organisierten Strukturen in

ökonomischer, rechtlicher, sozialer und topographischer Hinsicht und

mit zentralen Funktionen.“ 55

Ein mögliches Kriterium, das allerdings in dem für diese Arbeit gesetzten Zeitrahmen keine allzu große Relevanz mehr besitzt, ist die Benennung in den schriftlichen Quellen. FRITZ KOLLER weist in seiner Studie zur Terminologie präurbaner Siedlungen zwischen Inn und Enns darauf hin, dass ab dem Hochmittelalter der lateinische Begriff civitas durchwegs mit „Stadt“ übersetzt werden kann. 56 Als problematisch erweisen sich die verschiedenen Siedlungsbezeichnungen vor allem im Frühmittelalter. Mehrere Begriffe werden hier oftmals synonym oder gleichwertig benutzt und führen so zu einem Begrifflichkeitsproblem. Die Unterscheidung von civitas, urbs, oppidum, forum, villa, burgus und vicus stellt sich je nach Ansicht entweder als schwierig 57 oder unmöglich 58 dar. KOLLER versucht Unterscheidungen für diese Begriffe zu finden und kann mit allen Vorbehalten folgendes Ergebnis vorweisen: Die civitas steht in ihrer Wertigkeit on oberster Stelle, sie unterscheidet sich vom oppidum (dem wiederum das castrum untergeordnet ist) und locus vor allem durch die Anzahl ihrer Siedlungskerne. 59 Die urbs-burgus-oppidum-Gruppe bleibt in ihrer Bedeutung ebenfalls hinter der civitas zurück, wobei das oppidum auch marktähnliche Gruppen inkludiert, die oftmals eine Befestigung aufweisen. 60 Eng verbunden mit dieser Gruppe sind die Begriffe villa und vicus. „Urbs, burgus, oppidum und villa können um die Mitte des 12. Jahrhunderts durchaus synonym gebraucht werden.“ 61 Allerdings sieht KOLLER in der Fluktuation der Termini eine Widerspiegelung der dynamischen Wirtschaftsentwicklung einer Stadt, die er am Beispiel von Reichenau zu zeigen versucht. 62 Den Begriff forum, der sich in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts immer mehr auf von Handwerkern und Gewerbetreibenden bewohnte Marktorte beschränkt, 63 ordnet er etwas unterhalb ein, schließt aber einen Aufstieg in die vorher

genannte Gruppe nicht aus. Insgesamt kann sich fast jeder dieser Ausdrücke (und damit auch verbunden die entsprechenden Siedlungen) im Hochmittelalter zu einer civitas entwickeln. Für den Raum ob der Enns kann man das sehr gut am oberösterreichischen Städtedreieck Linz-Wels-Enns zeigen: Alle drei Städte, die noch im Frühmittelalter unterschiedlich bezeichnet wurden, werden ab der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts als civitas 64 bzw. in den deutschen Quellen als stat 65 bezeichnet. Die Stadtbewohner werden ab diesem Zeitpunkt - in Anlehnung an den lateinischen Begriff burgus - „Bürger“ genannt.

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4) Stadtentwicklung in Oberösterreich 4.1) Frühmittelalter

Will man zu den Anfängen des Städtewesens im heutigen Oberösterreich zurückgehen, so muss man zweifellos einen Blick auf das römische Imperium werfen. 66 Das Gebiet gehörte fast zur Gänze zu der römischen Provinz Noricum ripense mit der Hauptstadt Ovilavis. Wichtige Orte waren vor allem Lauriacum/Lorch mit einem Bischofssitz, Lentia/Linz und eben Ovilavis/Wels. Als am Ende des 5. Jahrhunderts wegen der Bedrohung aus dem Norden und Osten die Räumung weiter Gebiete am Limes befohlen wurde, ernannte man Lauriacum zum Sammelplatz für Flüchtlinge aus den westlichen Städten. Es ist also gerade an den sicheren und wirtschaftlich günstig gelegenen Punkten davon auszugehen, dass man von einer Besiedlungskontinuität und dem Erhalten einer romanisierten Bevölkerungsschicht 67 sprechen kann. 68 „Die Romanen, vor allem das ‚offizielle Rom’, die Vertreter der staatlichen Gewalt und die besitzende Klasse, sind wenigstens zum überwiegenden Teil im Jahre 488 über den Pyhrnpaß aus Ufer-Noricum abgezogen.“ 69 Trotzdem kann natürlich nicht angenommen werden, dass weite Gebiete öde oder menschenleer geblieben sind. Ausgenommen davon waren in erster Linie das nördlichste Mühlviertel und der gebirgige Süden und Osten Oberösterreichs sowie der obere Teil des Ennstales, fast das gesamte Steyrtal, das Almtal und das obere Trauntal für das frühe Mittelalter. Diese Gebiete erfuhren erst (wieder) im Hochmittelalter eine umfassende Besiedelung. Nach dem römischen Abzug wanderten die Baiern in dieses Gebiet ein, stießen aber keinesfalls auf menschenleeres Siedlungsgebiet. Auch wenn die Lebensbedingungen für die Landbevölkerung schlecht gewesen sein müssen, so hält etwa HEINRICH KOLLER eine Entleerung dieses Raumes für unwahrscheinlich. Schließlich spreche die Vita Severini nur von einer Räumung der Städte an der Donau, nicht aber des Hinterlandes. 70 Der Abzug der römischen Truppen hinterließ kein zerstörtes Land 71 und keine wesentlich dezimierte Bevölkerung. Die Baiern, die sich im 6. Jahrhundert aus verschiedenen germanischen Verbänden gebildet hatten, besetzten in den folgenden Jahrzehnten zuerst den oberösterreichischen Zentralraum und vermengten sich mit dem „illyrisch-keltisch-germanischen Völkergemisch, das in der Kaiserzeit außerhalb der

römischen Siedlungszentren das Gros der Provinzbevölkerung darstellte“ 72 . Von einer romanischen Siedlungskontinuität kann also bis auf wenige Ausnahmen nicht gesprochen werden, römische Quadrafluren erhielten sich nur in einzelnen Orten in größerer Anzahl und mittelalterliche Gebietsgrenzen decken sich nur selten mit römischen Verwaltungsgrenzen. 73 Allein der Trassenverlauf der römischen Straßen dürfte weitestgehend identisch mit den modernen Straßenzügen sein. Dazu gibt es ein paar Orte, in denen zwar der römische Straßenraster zum Teil noch im mittelalterlichen Stadtbild weiterlebte, der alte Name aber durch einen deutschen ersetzt wurde, und umgekehrt solche, in denen der Name, aber nicht das Siedlungsbild beibehalten wurde. 74 Lässt sich die Frage der Siedlungskontinuität im Einzelnen also durchaus diskutieren, so ist sich die Forschung einig, dass die bairische Neubesiedelung und Herrschaftsbildung friedlich vor sich ging. 75 Die vorgefundenen Bewohner wurden gleichberechtigt in den Stammesverband aufgenommen. Anhand von Reihenfeldergräber, die als typisch bairisch angesehen werden, und mit Hilfe der Onomastik (Ortsnamenforschung) konnte man feststellen, dass das Gebiet zwischen Donau und Traun zum frühesten Siedlungsgebiet der Baiern gehörte. Als typisch bairische Ortsnamen, die auf -ing enden oder mit einem Personennamen gebildet werden, können hier Munderfing (von Munolf), Schärding (Scardo), Pupping (Poppo), Eferding (Efrid), Leonding (Liutmunt), Hörsching (Herigis), Wilhering (Williheri) und Anzing (Anzo) angeführt werden. 76 Wie HEINRICH KOLLER festgestellt hat, treten auf guten Böden, die für die Agrarwirtschaft zuträglich waren, gehäuft diese ältesten Formen der bairischen Siedlungen auf. 77 Das Gebiet östlich des Inns erfuhr erst allmählich von Westen her eine staatliche Organisation, weshalb ihm auch lange Zeit der Charakter eines Grenzlandes zukam. Die Flüsse Traun und Enns bildeten die Ostgrenze des bairischen Stammesgebietes. Bodenfunde und Ortsnamenforschung lassen vermuten, dass es westlich der Traun eine intensivere Siedlungskontinuität als im heutigen Niederösterreich gegeben hat. 78 Im 8. Jahrhundert wurde von den Baiern die Traunlinie überschritten, 777 das Kloster Kremsmünster gegründet. Wichtige Stützpunkte und Verwaltungszentren bildeten im agilolfingischen Gebiet herzögliche Höfe wie Ranshofen, Mattighofen und Ostermiething. Im zentral gelegenen Traungau, begrenzt durch die Donau (Norden), den Ennsunterlauf (Osten), die Voralpen

(Süden) und den Hausruck (Westen), dürften aber die befestigten, an alten Verkehrsknotenpunkten gelegenen und an römische Vorläufer anknüpfenden Siedlungen Linz, Wels und Lorch als Vororte fungiert haben. Eben dieser Traungau bildete zusammen mit dem Attergau, dem Mattiggau und Teilen des Rottachgaues die frühesten Siedlungseinheiten, die sich durch die zunehmende Siedlungsverdichtung und dem Herrschaftsausbau zu politischen Einheiten entwickelten. Die so genannte „Klosterkette“ mit den gestifteten Klöstern Mondsee (748), Mattsee (zwischen 757 und 765) und Kremsmünster (777) sollte ebenso Mission und Kolonisation erleichtern. 79 Nach der Eingliederung des Herzogtums Bayern in das fränkische Reich und der Unterwerfung der Awaren im Osten begann der Abschnitt der intensiven karolingischen Kolonisation. Neben den bereits genannten agilolfingischen Stützpunkten wurden die Königshöfe Mining, Hochburg, Kronstorf, Neuhofen an der Krems und Atterhofen (Attersee) zu den organisatorischen Zentren. Zwischen den älteren Siedlungen im Alpenvorland und nördlich der Donau wurden neue Einzelhöfe und Hofgruppen angelegt. 80 Durch die Vergrößerung des bairischen Einflusses in den oberösterreichischen Randgebieten - vor allem in den Waldgebieten im Südosten und im Mühlviertel - wurde zusehends die slawischen Einwohner und Siedlungsgebiete assimiliert und eingedeutscht.

907 erlitt das bayerische Heer unter Markgraf Luitpold eine vernichtende Niederlage gegen die Ungarn bei Pressburg, wodurch das Gebiet östlich der Enns unter magyarische Kontrolle fiel und der Traungau wieder zum Grenzland wurde. In den folgenden Jahren kam es immer wieder zu Vorstößen der Magyaren, erst Otto der Große konnte sie 955 auf dem Lechfeld besiegen und errichtete ab 960 die ottonische Mark östlich der Enns. Insgesamt lässt sich im Gebiet des heutigen Oberösterreichs eine Siedlungskontinuität mit einer zunehmenden Verdichtung bis zum 10. Jahrhundert feststellen. Weite Teile des Alpenvorlandes weisen in dieser Zeit bereits ein mindestens so dichtes Ortsnetz auf wie heute. Allerdings konnten sich die wenigsten dieser Weiler in den folgenden Jahrhunderten bemerkenswert vergrößern. 81 Die weniger oder noch nicht besiedelten Gebiete - also die Gebiete am Sauwald, Hausruck, Kobernaußerwald und im Mühlviertel - wurden in der hochmittelalterlichen Kolonisation vom 11. bis zum 13. Jahrhundert erschlossen, brachten aber durchwegs Siedlungen hervor, die als kleine Dörfer zu bezeichnen sind. Die späteren wichtigen Städte des Hoch- und Spätmittelalters hatten im Frühmittelalter eine verhältnismäßig geringe Bedeutung: Enns und Steyr, die sich beide lange an der

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Reichsgrenze befanden, haben früh eine Befestigung erfahren. Die Ennsburg am Georgenberg, über deren Entstehung(sdatum) sich die Forschung bis heute nicht einig ist, wurde vermutlich im 10. Jahrhundert erbaut und löste mit der rundherum wachsenden Siedlung Lauriacum/Lorch zusehends in seiner Bedeutung ab. 82 Steyr kann auf keine spätantike Tradition verweisen und tritt erstmals 985 als Stirapurhc auf, deren Zweck nicht ganz klar ist, vermutlich hat sie aber nicht als Bollwerk gegen die Ungarn gedient. 83 1050 ging die Burg auf die Otokare über, die die Burg zu ihrem Herrschaftszentrum machten. Schon Ende des 11. Jahrhunderts wird Steyr als urbs bezeichnet und weist damit, wenn auch nicht unbedingt städtischen, aber doch zentralörtlichen Charakter auf. Lentia/Linz - Legionslager und Zivilsiedlung - wurde zwischen 270 und 275 zerstört, erst 799 wird ein castrum Linze erwähnt, das vermutlich am Martinsfeld zu suchen ist. Im 9. Jahrhundert kann anhand von mehreren Urkundenerwähnungen von einer zentralörtlichen Bedeutung ausgegangen werden und am Beginn des 10. Jahrhunderts muss, vor allem wegen der Raffelstetter Zollordnung, die Linz als offiziellen Marktort und Zollstation vermerkt, der späteren Landeshauptstadt eine regionale Bedeutung zugesprochen werden. 84 Ovilavis/Wels musste wohl als ehemalige römische Provinzhauptstadt die größte Bedeutungsverminderung erfahren. Die Frage nach einer Zerstörung der Stadt im 5. Jahrhundert konnte bis heute nicht geklärt werden, vermutlich kann aber von einer Siedlungskontinuität ausgegangen werden, wenn auch Ovilavis seinen urbanen Charakter verloren hat. Die erste frühmittelalterliche Erwähnung von Wels als castrum Uueles datiert aus dem Jahr 776 und läst auf eine zentralörtliche Bedeutung schließen, die vermutlich das ganze Mittelalter über nicht mehr verloren ging. 85 Vöcklabruck 86 , Gmunden 87 und Freistadt 88 können keine (besonderen) spätantiken oder frühmittelalterlichen Siedlungen vorweisen, wenn auch zumindest Vöcklabruck an einem ehemaligen römischen Straßenknotenpunkt entstanden ist. Straßenkreuzung und Flussüberbrückung sowie politische Motive waren für die Anlage des Marktes im 12. Jahrhundert ausschlaggebend. 89 Braunau stand zu dieser Zeit im Schatten von Ranshofen, das eine ursprünglich agilolfingsche, nach 788 karolingische Pfalz war, und

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war bis ins Hochmittelalter eine dörfische Siedlung. 90 In Schärding wird eine kleines römisches Kastell vermutet, das allenfalls von den Agilolfingern übernommen wurde. 804 wird der Ort Scardinga erstmals in einer Passauer Urkunde erwähnt und 903 wiederholt als locus bezeichnet. 91 Eferding kann im Gegensatz zu manchen anderen Städten des Mittelalters keine Siedlungskontinuität vorweisen. Das römische Kastell wurde zerstört und erst mit einer allmählichen Ansiedelung gewann der Ort gegen Ende des 10. Jahrhunderts wieder an Bedeutung. 92

mindere Form der Stadt an und ordnete ihm eine Zwischenstufe in der Entwicklung zu. Vor allem WILLIBALD KATZINGER versuchte nun im Gegensatz dazu mit seiner Forschung Markt und Stadt nebeneinander zu stellen und Gemeinsamkeiten bzw. Unterschiede dieser beiden bürgerlichen Siedlungsformen herauszuarbeiten. 94 Die Forschung nimmt heute auf der einen Seite an, dass „bis zum Hochmittelalter nur wenige große Siedlungen konstant und bedeutend waren“ 95 , und sieht außerdem im 12. Jahrhundert eine intensive Siedlungs- und Stadtgründungsphase einsetzen. Bis zum 12. Jahrhundert waren es in Oberösterreich keine zehn Orte, die „nachweislich urbanen, bzw. foralen Charakter aufweisen können. Im Gegensatz dazu stellt sich dann das 13. Jahrhundert mit über 40 Erstnennungen vor, eine wahrhaft rapide Zunahme!“ 96

HEINRICH KOLLER weist aber zurecht daraufhin, dass bei Neu- und Ausbauten von Siedlungen bzw. Städten erhebliche Probleme und Schwierigkeiten auftraten: Es galt natürlich zuerst einmal die Versorgung mit Wasser, Lebensmitteln und Rohstoffen zu gewährleisten. Außerdem nahm man im Hochmittelalter bei Erweiterungen nur wenig Rücksicht auf naturgeographische Gegebenheiten, was oftmals wegen der ungünstigen Lage umfangreiche Befestigungen und aufwändige Wasserversorgungsmaßnahmen notwendig machte. Ab wann

das dazu nötige Know-how verfügbar war, lässt sich nicht genau sagen, es wird aber erst nach der Mitte des 12. Jahrhundert angenommen. Neben den notwendigen finanziellen Mitteln waren eine bestimmte geistige Einstellung die nötige Machtkonzentration und vor allem auch ein lokaler Machthaber erforderlich. 97 Die entsprechenden Arbeiten mussten vom Grundherren organisiert und überwacht werden. Die Landesfürsten hatten vor der Mitte des 12. Jahrhunderts noch nicht die Macht, eine Stadt mit Sonderrechten auszustatten, was aber schon im frühen 13. Jahrhundert für viele Städte geradezu überlebensnotwendig war. Daraus folgt, dass sowohl der Ausbau als auch die Stadtgründung und die Privilegierung aufeinander abgestimmt sein mussten. 98 Es ist davon auszugehen, dass die meisten angelegten Stadt- und Marktsiedlungen neben der üblichen zentralen Wirtschaftsfunktion auch eine Wehrfunktion besaßen. „Sie sind ein Charakteristikum des Grenzlandes, eine neue Form der Befestigung. Die größere Zahl von Bürgern, die hier Besitz und Heimat hatten, garantierte eine stärkere Verteidigungskraft als die relativ geringe Besatzung einer Burg.“ 99 Die meisten der im Norden, Osten und Südosten des Babenbergerreiches gelegenen planmäßigen Gründungen erhielten in den folgenden Jahrhunderten den Status einer Stadt. Herausragendes Beispiel einer solchen Städtegründung ist Wiener Neustadt, das 1194 quasi aus dem Nichts an der alten österreichisch-steirischen Grenze erbaut wurde und sowohl als Festung als auch als Handelszentrum an der Venediger Straße fungierte. 100

Mit dem Einsetzen einer eigenständigen territorialen Entwicklung der Babenbergermark lassen sich unter Markgraf Leopold III. (1095-1136) die ersten Stadtwerdungen im niederösterreichischen Gebiet feststellen. Dank ihrer geostrategischen und wirtschaftlich günstigen Lage an Flüssen sind hier allen voran Krems, Tulln, Wien und Hainburg zu nennen. Leopold konnte diese Marktplätze im Zuge des Investiturstreits von König Heinrich IV. erwerben. Es folgten weiters St. Pölten, Ybbs, Pöchlarn, Stein, Neuburg, Linz und Wels. 101 Die meisten dieser Siedlungen entstanden bei einer Burg, die gleichsam als Ausgangspunkt diente. Daneben waren auch oft - wenn auch nicht für den oberösterreichischen Raum - Klöster oder geistliche Zentren bedeutend für die Ausbildung eines zentralen Ortes (z. B. Melk, Salzburg). Auffällig für diese frühen Zentralorte ist die Namensgebung, die in vielen Fällen vom Flussnamen bestimmt war. Die Babenbergermark an der Donau hatte im 12. Jahrhundert sicher im österreichischen Raum eine gewisse Vorreiterstellung inne. Angelehnt an die Vorbilder Regensburg und Passau entstanden hier die ersten Städte Österreichs. In den

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restlichen Gebieten des heutigen Österreichs kannte man in dieser Zeit nur Märkte, aber noch keine Städte. 102

Das 13. Jahrhundert muss nun als die entscheidende Phase im Werden der (ober)österreichischen Städte angesehen werden. KARL GUTKAS sieht hier einen „Zug zur allgemeinen Urbanisierung, [...] [der] offenbar im Zug der Zeit lag“ 103 . Dieser Aufschwung der Städte ist aber kein österreichisches Spezifikum, sondern ist auch im Gebiet des heutigen Deutschlands zu sehen. Auf der einen Seite ändert sich das Erscheinungsbild vieler Städte erheblich, indem sie mit einer Mauer umgeben oder erheblich erweitert wurden, auf der anderen Seite wurde ihr rechtlicher Status fixiert. Für diese Blütezeit der Städte im Babenbergerreich war vor allem die Tatsache entscheidend, dass die Herzöge die wichtigsten Orte in ihre Hand bekamen und somit vor allem unter Herzog Leopold VI. eine entscheidende Förderung einsetzen konnte. In Oberösterreich kann man diese Entwicklung besonders gut am so genannten Städteviereck nachvollziehen. Wie bereits erwähnt wurde im 12. Jahrhundert noch von keiner Stadt/civitas im Land ob der Enns gesprochen, jetzt - in der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts - wird 1212 Enns das Stadtrecht verliehen, Linz erscheint 1236 als civitas, nachdem 1128 bereits Bürger genannt werden und 1242 ein Stadtsiegel erwähnt wird, Steyr wird 1252 civitas genannt und Wels erlangt 1222 Stadtcharakter. 104 Neben den anderen landesfürstlichen Städten Gmunden (1334), Freistadt 105 (1277) und Vöcklabruck (1353) kann als einzige „private“ Stadt Eferding 106 bereits 1222 ein Stadtrecht vorweisen. Die damals bayerischen Städte Schärding 107 und Braunau 108 wurden erst 1316 bzw. 1309 in den Status einer Stadt erhoben. Die alten Städte in Oberösterreich hatten primär eine wirtschaftliche Funktion, die es besonders mit den entsprechenden Rechten zu sichern galt. Das expansive Moment in der Städtepolitik der Babenberger kann man auch recht deutlich an den zahlreichen Stadterweiterungen sehen. Oftmals wurde neben einem allgemein gewachsenen Teil einer Stadt eine neue Siedlung planmäßig angereiht, wie das etwa in Tulln, St. Pölten, Hainburg, Krems oder Wels 109 der Fall war. Nur eine einzige Stadt - nämlich Freistadt - wurde im frühen 13. Jahrhundert von den Babenbergern in Oberösterreich größtenteils planmäßig erbaut und von ihren Nachfolgern mit den entsprechenden Rechten versehen. 110 Mit der Ausdehnung der Städte im Donauraum erlangte man auch jene Bevölkerungszahl, die

oftmals bis zum Beginn der industriellen Revolution erhalten blieb. Entscheidend für diesen Zuwachs war aber nicht nur die Attraktivität der Städte, sondern das Ansteigen der Bevölkerung im Allgemeinen. 111 In der Folgezeit kann man keine vergleichbaren Erweiterungen mehr feststellen, es kam also zu einer Erstarrung des Städtewesens. 112 Wie bereits in den vorangehenden Ausführungen verdeutlich wurde, konnten man auch schon bei den Babenbergern ein intensives Bemühen erkennen, die wichtigsten Städte und Siedlungen in ihre Hand zu bekommen. Unter König Ottokar II. Pemysl muss man aber nun „von einem deutlich landesfürstlichen Städtegründungskonzept sprechen, das noch wesentlich ausgeprägter als unter den babenbergischen Vorgängern zu erkennen ist“ 113 . Dieses Konzept konnte einige gelungene Projekte vorweisen, blieb aber von Fehlern nicht ganz verschont. So gründete Ottokar II. in der Steiermark erfolgreich Bruck an der Mur, Leoben und Radkersburg, die zur Sicherung von Handelswegen dienten. Die Stadt Marchegg hingegen, die für 10000 (!) Menschen geplant war, konnte mit maximal 1500 Einwohnern nie die ihr zugedachte Funktion erfüllen und blieb unbedeutend. Ein Charakteristikum der ottokarischen Gründungen war neben der obligatorischen Burg ein Kloster, das in die Stadt miteinbezogen wurde, um die gefährdeten Ecken der Stadtbefestigung zu sichern. 114 Neben dem Landesfürsten traten gegen Ende des 13. Jahrhunderts Adelsgeschlechter, vor allem Ministeriale, als Gründer und folglich Herrscher von Städten in Erscheinung. Als Beispiel mögen hier die reichsunmittelbaren Grafen von Hardegg, die im niederösterreichischen Grenzgebiet zu Mähren die Stadt Retz gründeten, der Liechtensteiner Otto II., der Murau in der Steiermark 1298 das Judenburger Stadtrecht verlieh, und die Kuenringer mit der Gründung der Stadt Dürnstein in der Wachau dienen. Stadtrechtlich betrachtet lassen sich im Hochmittelalter zwei Etappen feststellen, deren Wendepunkt mit dem Ennser Stadtrecht von 1212 markiert ist. Die frühen Stadtrechtsurkunden sind meist recht kurz und allgemein gehalten, sie enthalten nur das Wesentlichste. Anlass für diese Urkunden war meist eine Streitigkeit, die dann in ihren wichtigsten Punkten geregelt wurde. Als Beispiele mögen hier das verlorene Wiener Stadtrecht von 1198 und das Privileg der Stadt Zwettl von 1200 dienen. Im Gegensatz dazu beinhalten Privilegien des 13. Jahrhunderts ausführliche Bekundungen der städtischen Freiheiten und Rechtsbräuche. Die spätbabenbergischen Stadtrechtsquellen von Enns, Wien und Hainburg sind die ersten dieser Art von Urkunden, die viele Fragen des städtischen

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Rechts, der Verfassung und Verwaltung regeln. Aus späteren Urkunden ist zu entnehmen, dass noch andere Orte unter den Babenbergern mit Stadtrechtsprivilegien ausgestatten worden sind (die jedoch nicht mehr erhalten sind): Tulln, Triebensee, Laa und Eggenburg in Niederösterreich, Freistadt in Oberösterreich, Graz, Fürstenfeld und Judenburg in der Steiermark. 115 Das bedeutendste und früheste private Stadtrechtsprivileg stammt aus dem Jahr 1222 und galt für die passauische Stadt Eferding. Mit diesen neuen Stadtrechten ging auch ein ganz neues Selbstverständnis der Städte einher. Man war sich der führenden Stellung in der Handels- und Marktwirtschaft bewusst und drängte zusehends auf ein Mitspracherecht in der Landespolitik. 116

hinsichtlich der Rechtsentwicklung tonangebend - allen voran natürlich Wien, das im frühen 13. Jahrhundert eine deutliche Hervorhebung als Residenzstadt erfuhr. Schon unter Ottokar II. und Rudolf von Habsburg versuchte man, ein gemeinsames Recht für alle landesfürstlichen Städte zu entwerfen, allerdings konnte dieses Vorhaben nur teilweise umgesetzt werden. Das Wiener Stadtrecht wurde lediglich für die Donaustädte Krems, Stein, Korneuburg und Klosterneuburg maßgebend. Patrimoniale Städte nahmen oft das Stadtrecht von anderen Städten ihres Besitzers an, wie das zum Beispiel in St. Pölten 1338 mit dem Passauer Recht geschehen ist. Anhand dieser Dokumente kann man auch feststellen, dass oftmals bereits im 13. Jahrhundert neben dem vom Stadtherrn eingesetzten Stadtrichter ein Rat ausgebildet war, aus dem im 14. und 15. Jahrhundert auch der Bürgermeister hervorging. Für das Land ob der Enns war hierbei das 15. Jahrhundert entscheidend, das Land unter der Enns kann diese Entwicklung durch den starken Einfluss Wiens schon einige Jahrzehnte früher vorweisen. Die Entwicklung des städtischen Hochgerichtes (Blutgerichtsbarkeit) ist im Gegensatz dazu in der Steiermark, Ober- und Niederösterreich durchwegs im 14. Jahrhundert festzustellen. Zwar vermutet KARL GUTKAS diese Ausbildung bereits im 13. Jahrhundert, „doch wird nun die Zuteilung von Landesgerichtsrechten an Städte in viel höherem Maße üblich“ 118 .

Neben den rechtlichen Zugewinnen lässt sich seit dem Interregnum auch ein politischer Aufschwung der Städte konstatieren. Erstmals wurde es einfachen Bürgern möglich, hohe politische Ämter zu bekleiden. Freilich darf man den Einfluss nicht überschätzen, doch kann man den Eintritt der Städte als „Vierter Stand“ in das Ständewesen, das am Ende des 14. Jahrhunderts voll ausgebildet war, als bedeutenden Schritt bezeichnen. Mit der Ausbildung der Stände nahmen die sieben landesfürstlichen Städte an den Landtagen teil. 119 Damit einhergehend vollzog sich ein Schulterschluss innerhalb der Städte, der erstmals 1399 zum Ausdruck kam. Nachdem die Herzöge Albrecht IV. und Wilhelm ihr Vorhaben äußerten, neue Pfennige zu prägen (was vor allem die Bürger negativ betraf), rief die Stadt Wien dazu auf, gegen dieses Vorhaben vorzugehen. Anhand der erhalten Antwortschreiben von Eggenburg, Enns, Freistadt, Linz, Marchegg, Wiener Neustadt, Vöcklabruck, Waidhofen an der Thaya und Ybbs lässt sich ein erstmaliges Auftreten der Städte als geschlossene Interessensgemeinschaft festhalten. Die oberderennsischen Städte Enns, Freistadt, Linz und Vöcklabruck berieten sich darüber hinaus gemeinsam und verfassten folglich ähnlichlautende Antwortschreiben. Bemerkenswert ist hier auch die Tatsache, dass diese Städte in Enns ein eigenes Archiv besaßen, 120 was durchaus für eine Art Vorreiterstellung dieser Stadt sprechen kann. „Die Organisation der Städte ob der Enns war damit zu einer autonomen Standesvertretung geworden, die nicht mehr bloß von oben herab befohlen wird, sondern sich sogar gegen den Landesfürsten richten kann.“ 121 Dieser oberösterreichische Städtebund versprach sich nicht nur Hilfe in Rechts- und Wirtschaftsfragen, sondern sollte sich auch militärischen Beistand leisten.

Neben dieser engen Verbindung untereinander lässt sich innerhalb der Städte ein Konsolidierungsprozess feststellen. Im 14. Jahrhundert trat nunmehr die Stadt im Sinne der Gesamtheit der Bürger und bot Schutz und Sicherheit für seine Bewohner. Deutlich wird dieser Wandel an den veränderten Stadtsiegeln, die nun nicht mehr mit sigillum civium (= Siegel der Bürger), sonder mit der Umschrift sigillum civitatis (= Siegel der Stadt) versehen sind. Darüber hinaus kann man in diesem Jahrhundert die Entstehung der Zünfte ansetzen. Die Stadt Wien war in diesem Bereich maßgebend für alle Städte Richtung Westen, allerdings stammt die erste (Bäcker)Zunftordnung von 1337 aus St. Pölten. 122 Das Aufstreben des Bürgertums verdeutlicht sich auch in einem neuen Sozial- und Bildungswesen. Denn sowohl Einrichtungen wie das Bürgerspital und das Siechenhaus für alte und kranke Menschen, als

auch die errichteten Stadtschulen sind Ausdruck einer kommunalen Tätigkeit und eines sozialen Miteinanders, das sich erst ab dem 14. Jahrhundert herausbildete. 123 Die Habsburger als Landesfürsten betrieben im 14. Jahrhundert ein recht unterschiedliche Städtepolitik. Rudolf I. (1273-1291) musste nach seiner Machtübernahme den Städten große Zugeständnisse machen. 124 Albrecht I. (1291-1308) versuchte hingegen manche Privilegien wieder abzuschaffen, um den Städten nicht zu viel wirtschaftlichen und politischen Einfluss zu gewähren. Friedrich der Schöne (1308-1330) wiederum betrieb keine auffällige Städtepolitik, allein Wien entwickelte sich unter seiner Herrschaft zusehends zur Residenzstadt. Albrecht II. (1330-1358) erwarb Kärnten und verbesserte durch verschiedene Maßnahmen die Handelsmöglichkeiten mit Venedig. Außerdem wertete er die städtischen Behörden und Gerichte auf und führte die Stadtbücher ein, die zur Rechtskontinuität maßgeblich beitrugen. Rudolf IV. (1358-1365) konzentrierte sich mit seiner beherzten Städtepolitik vorwiegend auf Wien, vor allem weil die Stadt 1361 von einem Großbrand heimgesucht worden war und er seine „Lieblingsstadt“ so schnell wie möglich wieder in altem Glanz erstrahlen sehen wollte. Diese Politik nahm sein Bruder Albrecht III. (1365- 1395) zu großen Teilen wieder zurück bzw. veränderte verschiedene Teile der gesetzten Maßnahmen. Insgesamt muss Albrechts Städtepolitik als eher zurückhaltend bezeichnet werden. 125

Mit Beginn des 15. Jahrhundert konnte sich in Oberösterreich im Gegensatz zu anderen europäischen Gebieten (allen voran natürlich Niederösterreich mit Wien) noch keine Stadt deutlich von den anderen abheben. Die sieben landesfürstlichen Städte waren mit 1500-2000 Einwohnern fast gleich groß und besaßen eine ähnliche wirtschaftliche Bedeutung. 126 Diese Ausgeglichenheit liegt vor allem in der Tatsache, dass Oberösterreich eben bis zu seiner Selbstständigkeit gegen Ende des 15. Jahrhunderts kein politisches Zentrum hatte und darüber hinaus die Handelswege recht gleichwertig verteilt waren, sodass auch kein wirtschaftlicher Mittelpunkt entstand. Vor der Erhebung von Linz 1490 zur Hauptstadt des Fürstentums ob der Enns wurde das Land allerdings von einigen wirtschaftlichen und politischen Unruhen heimgesucht. Neben dem Verfall des Münzwesens waren es vor allem Kriege, die das Land in seiner Entwicklung hemmten. Die Hussitenkriege (1425-1431) bildeten den Anfang, es folgten die Erbstreitigkeiten zwischen Albrecht VI. und Friedrich III. (1458-1462) und schließlich kam es in den 70er und 80er-Jahren des 15. Jahrhundert zu Grenzstreitigkeiten und

drauf folgenden Einfällen der Ungarn. Die schon unter Albrecht V. (1404-1439) hohen Steuern stiegen als Folge der Kriege in unerträglich Ausmaße, denn der erste oberösterreichische Landesfürst Albrecht VI. (1458-62) galt allgemein als Verschwender und Kriegstreiber. 127 Einer der wenigen positiven Effekte der Unruhen war die steigende Bedeutung der Städte für die Verteidigung des Landes. Es ist also durchwegs zu beobachten, dass im 15. Jahrhundert Stadtbefestigungen instand gesetzt bzw. ausgebaut wurden. Die Stadtbewohner aber auch die Menschen im Umkreis der Städte mussten dazu Geld und Arbeitskräfte bereitstellen. Der harte Kern der Stadtbefestigungen war vor allem in Freistadt, Linz, Wels, Steyr und Enns die landesfürstliche Burg. Die Linzer Festung war auch Sitz des Landeshauptmannes und zeitweise auch des Landesfürsten. Kaiser Friedrich III., der ja von 1484-1493 hier residierte, nahm viel Einfluss auf die Angelegenheiten der Städte. Einerseits konnte er in vielen Bereichen des städtischen Lebens seine Meinung zur Geltung bringen, andererseits wandten sich die Städte auch mit Wünschen und Beschwerden von selbst an ihn. Die Städte wurden normalerweise vom Rat und dem Stadtrichter vertreten und regiert, erst gegen Ende des 15. Jahrhunderts durften wenige Städte einen Bürgermeister bestimmen. Für Linz galt dieses Recht ab 1490 mit der Ernennung zur Landeshauptstadt und für Steyr trat dieses Privileg 1499 in Kraft. In Freistadt sind uns schon seit dem 14. Jahrhundert Bürgermeister überliefert, die jedoch parallel auftraten und sich damit ihre Befugnis aufteilen („Viertelhauptleute“ 128 ). Die ersten Bürgermeister in der frühhabsburgischen Zeit findet man in Wien (1282) und Wiener Neustadt (1284).

stehenden Verkehrswege und -mittel, die Austauschmöglichkeiten mit anderen Ländern und der durch das Land laufende Transit 129 .

Die Flussschifffahrt bildete bis weit in die Neuzeit herauf die wichtigste Verkehrsmöglichkeit, allen voran ist hier natürlich die Donau als größter Fluss zu nennen. Die Städte Eferding, Linz und Enns (das natürlich auch vom gleichnamigen Fluss profitierte) konnten die Donauschifffahrt nutzen. Die bayrischen Städte Braunau und Schärding liegen am Inn, Gmunden und Wels an der Traun und Steyr an der Enns. Vöcklabruck konnte zumindest die Flößerei auf der Ager nutzen, wohingegen als einzige oberösterreichische Stadt Freistadt nicht an einem schiffbaren Gewässer liegt. Die beiden großen Flüsse Donau und Inn sorgten dafür, dass bis weit hinein in das deutsche Gebiet und in die Alpen Handel getrieben werden konnte, und bildeten einen „Schiffverkehrstrichter“, der im oberösterreichischen Städteviereck mit seinen verschiedenen Landwegen Richtung Norden und Nordosten für eine „geballte Konzentration von Transitmöglichkeiten“ 130 sorgte. Es wurden hier vor allem Tuch nach Osten (Krems-Stein, Wien) und Wein nach Westen transportiert (Regensburg, Passau). Durch das Übergewicht der Flussschifffahrt hatten nur wenige Straßen Bedeutung für den Handel im oberösterreichischen Gebiet. Wichtig war vor allem die alte Römerstraße von Salzburg über Enns nach Wien, die bei Linz über Freistadt nach Böhmen abzweigte. Aus diesem Grund ist auch hier 1497 die erste Donaubrücke im Bereich des Landes Oberösterreich entstanden. Wirtschaftlich gesehen waren sicher die Eisen- und Salzproduktion im Land ob der Enns der wichtigste Sektor. Die Steyrer Eisenprodukte gelangten neben Böhmen, Mähren, Ungarn und Venedig bis an die Hafenstädte der Nord- und Ostsee. Neben Steyr selbst waren nur die Städte Linz, Wels, Enns und Freistadt zum Eisenhandel befugt. Mit der verstärkt einsetzenden Salzgewinnung im Hallstätter Salzberg erlangte die Salzproduktion in Oberösterreich zunehmendes Gewicht. Die Verteilung und der Handel mit oberösterreichischen Salz lag in der Hand der Stadt Enns, die 1340 sogar einen eigenen Hafen für die Salzschifffahrt anlegte. In der Textilproduktion stand die Leinenweberei an der Spitze. Oberösterreich konnte aber trotz seiner guten Verkehrs- und Handelslage nie überregionale Bedeutung erringen. Das lag vor allem daran, dass nur wenige Städte eine größere Anzahl von für den Export arbeitenden Handwerkern beheimateten. Allein Steyr mit seinen Eisenwerkstätten und Wels konnten eine größere Zahl von Handwerksbetrieben aufweisen. In den bayerischen Städten Braunau und Schärding herrschte vor allem die Tuch- und Leinenerzeugung vor und auch Eferding ist im Spätmittelalter zusehends zu einer Handwerkerstadt geworden. Auf Grund der dominanten Stellung der Kaufleute in den Städten konnten jedoch die Handwerker nie entscheidenden

Einfluss gewinnen. Die Kaufleute, die das Gewerbe am Land und in der Stadt beherrschten, konzentrierten sich hauptsächlich auf das Verlagswesen, vertrieben also die Erzeugnisse der Handwerker.

Eine - wenn auch nur regionale - Bedeutung gewannen manche Städte und zusehends immer mehr Märkte in ihrer Funktion als Marktplätze, die für die Verteilung der landwirtschaftlichen Produkte nötig waren. Diese bewusste Verteilung von Städten und Märkten als wirtschaftliche Zentren durch die Landesfürsten im 14. Jahrhundert nennt KARL GUTKAS „raumordnendes Prinzip“ 131 . Er geht davon aus, dass sowohl Landesfürst als auch die Landesherren so bestrebt waren, wirtschaftliche, zum Teil auch kulturelle und soziale Mittelpunkte in ihrem Einflussgebiet zu schaffen. Wichtiger als diese Wochenmärkte, die offensichtlich besonders in Gmunden und Wels einen guten Ruf genossen, waren die Messen. Diese zu bestimmten Terminen stattfindenden Fernhandelsmärkte reichen mindestens bis in das frühe 10. Jahrhundert zurück - sie werden in der Raffelstetter Zollordnung erwähnt - und erreichten in Enns und Linz überregionale Bedeutung. 132 Das Jahrmarktsrecht gehörte zu den begehrtesten Privilegien im Spätmittelalter und setzte ein besonderes Wohlwollen des Landesfürsten voraus. Nicht nur an diesen Messen sieht man, dass das oberösterreichische Städteviereck in der wirtschaftlichen Entwicklung des Landes eine entscheidende Rolle spielte. Von der Römerzeit über das Frühmittelalter mit der Raffelstetter Zollordnung bis in das Spätmittelalter kann man eine gewisse Dominanz und Bevorzugung dieser Städte erkennen. Schon 1228 werden von Herzog Leopold VI. den Bürgern von Ottensheim die gleichen Maut- und Zollbegünstigungen zu Wasser und zu Lande gewährt, deren sich schon die Bürger von Enns und Linz erfreuten. 133 1287 wird Steyr ein Niederlagsprivileg für Eisen und Holz und 1372 Wels für Holz allein gewährt. Enns beanspruchte ein Niederlagsrecht für Salz und Linz für Salz und Häute. Außerdem konnte Freistadt 1277 neben einem wirksamen Straßenzwang ein Vorrecht auf alle Wahren die nach Böhmen gingen oder von dort kamen vorweisen. Dieser Straßenzwang stellte einen schweren Eingriff in die natürlichen Verhältnisse dar, besonders weil die Strecke über Linz und Leonfelden durch den Haselgraben eigentlich die kürzere Strecke war. 134 Außerdem galt für alle landesfürstlichen Städte die Bannmeile, die das Monopol der Stadtwirtschaft im Umland vor allem für Biererzeugung, Bier- und Weinschank sichern sollte. Neben diesen Privilegien hatten nur landesfürstliche Städte das Recht, die Pyhrnpaßstraße, die den kürzesten Weg nach Venedig darstellte, zu benutzen. Aus dem Jahr

1311 ist uns der erste Beleg dafür überliefert, dass bald versucht wurde, ein einheitliches, oberösterreichisches Handelsrecht zu etablieren. Hallstatt werden in einem Freiheitsbrief, „alle die Rechte, die unsere Bürger zu Lauffen und zu Gmunden und andere Städte ob der Enns auf dem Wasser und auf dem Lande genießen“ 135 , zugesprochen. Es ist hier erstmals die Struktur zu erkennen, die sich im 14. und 15. Jahrhundert zum oberösterreichischen Städtebund verdichtet. 1358 finden wir das erste gemeinsame Privileg für Enns, Linz, Wels, Steyr und Gmunden, vollständig treten die sieben landesfürstlichen Städte erst in einem ständischen Bund-Brief von 1406 auf. 136

Die engsten wirtschaftlichen Verbindungen unterhielten die oberösterreichischen Städte natürlich mit Niederösterreich bzw. Wien, der Steiermark, Salzburg, Passau und dem Königreich Böhmen. Trotz der verschiedenen Privilegien ist das Monopol der Städte in Handel und Gewerbe im Land ob der Enns nie ganz durchgedrungen. In den grundherrschaftlichen Märkten und Dörfern wurde regelmäßig Handel mit Vieh, Getreide und Lebensmitteln getrieben. Auch nach verschiedenen Erlässen aus dem 14. und 15. Jahrhundert waren diese Kirchtage und Gaumärkte weit verbreitet. Hier ist im Besonderen die Urkunde von Albrecht III. von 1372 zu nennen, die besagt, dass nur auf Märkten und Kirchtagen, auf denen immer schon Handel mit Kaufmannswaren getrieben wurde, dies auch weiterhin geschehen darf. 137 Neben dem teilweise illegalen Abhalten von Märkten versuchten die Landesherren mit ihren Warentransporten die landesfürstlichen Städte und ihre Mautstätten zu umgehen. Dies geschah mittels Packtieren auf Schleichwegen oder im Bereich des Flussverkehrs mit halb- und illegalen Ladestätten. Diese Mautausfälle stellten für den Landesfürst ein ernstes Problem dar, war doch sein Haushalt zu einem beträchtlichen Teil von diesen Einnahmen abhängig. Eine weitere für den Landesfürst unliebsame Entwicklung stellten die Vorstädte dar, die außerhalb des Hoheitsbereiches der Städte lagen und damit in ihrem Tun nur wenig beeinflusst werden konnten. Im Schutze der Grundherren siedelten sich hier Gewerbe, Handwerk und Gaststätten an. Als beispielhaft für diese Konstellation können hier Urfahr (Linz), Dörfl (Vöcklabruck) und Traundorf (Gmunden) angeführt werden. Gegen Ende des 15. Jahrhundert ging der Fernhandelcharakter der Städte zusehends zurück, besonders weil von den aufstrebenden Grundherrschaften gegen die wirtschaftliche Monopolstellung der Städte interveniert wurde, und es bildeten sich durch die Erhebung von Residenzstädten einzelne wirtschaftliche und natürlich politische Zentren heraus, die auch

teilweise mit den heutigen Landeshauptstädten korrespondieren. Bedeutende Städte und überregional bekannte Städte konnten sich also am Ende des Mittelalters nicht mehr entwickeln. Daran konnte auch die Stadterhebung von Grein 1491 und von Steyregg (1474/1504 138 ) nichts ändern.

5) Eferding

5.1) Von den Anfängen bis zur Jahrtausendwende

Dank der günstigen geographischen Position und klimatischen Werte kann man die Gegend um Eferding als alten Siedlungsboden ansehen. Die landschaftliche Beckenform sorgt für eine windgeschützte Lage, die zusammen mit den geringen Jahresniederschlägen und der relativ starken Erwärmung in den Sommermonaten bis ins 19. Jahrhundert - und erneut in den letzten Jahren - Weinanbau im Aschacher Gebiet ermöglicht haben. Die Besiedelung Eferdings lässt sich anhand von Bodenfunden bis in die Jungsteinzeit (5000-2000 v. Chr.) zurückverfolgen. Neben Werkzeugen sind es vor allem Gräberfunde, die zumindest auf eine gelegentliche Anwesenheit von Menschen schließen lassen. Auch in der jüngeren Eisenzeit, die mit dem Einfall der Kelten 400 v. Chr. begann, kann eine keltische Siedlung nicht ausgeschlossen werden - FRANZ KAINDL hält sogar einen kleinen Getreidehafen an einem Donauarm für denkbar. 139

Das römische Eferding muss nach wie vor in der Forschung als wage und umstritten bezeichnet werden. Unter Kaiser Augustus drangen die Römer 16 v. Chr. bis an die Donau vor und gliederten das keltische Königreich Noricum in das Römische Imperium ein. Mit der nunmehrigen Lage am römischen Limes begann für Eferding eine neue Siedlungsperiode. Es wird vermutet, 140 dass sich im heutigen Stadtgebiet ein römisches Kastell befunden hat, alleine die Lage und sein Name konnten bis heute nicht eindeutig geklärt werden. In der Namensfrage kommen Joviacum, Marinianio und Ad Mauros in Frage, wobei man heute am ehesten zu Ad Mauros neigt. Joviacum wird als Straßenstation zwischen Lauriacum/Enns und Castra Batavis/Passau und als Stützpunkt der Donauflotte in den römischen Quellen erwähnt. Lange Zeit wurde es im Bereich zwischen Schlögen und Eferding gesucht, erst durch die Ausgrabungen in den 50er-Jahren konnte Aschach mit hoher Wahrscheinlichkeit als das ehemalige Joviacum identifiziert werden, 141 auch wenn RUDOLF NOLL schlüssig für Schlögen 142 argumentiert (Eferding gilt demnach als die unwahrscheinlichste Variante). Marinianio ist eine nur in der Tabula Peutingeriana verzeichnete Straßenstation, die erst nachträglich in die Karte eingefügt wurde. Dieser Nachtrag sorgte für zahlreiche Spekulationen in der Forschung, erst RUDOLF NOLL legte in seiner Arbeit einige schlüssige Argumente vor, die Marinianio an der Straße zwischen Wels und Enns ansiedeln. 143 Bleibt

also noch Ad Mauros übrig, das nur in der Notitia dignitatum - einem römischen Militärhandbuch aus dem 4. Jahrhundert - erwähnt ist. Es handelte sich dabei um eine Garnison, in der equites promoti stationiert waren, und die stromaufwärts von Linz gelegen war. Auch wenn freilich in dieser Frage bis jetzt keine endgültige Antwort gefunden werden konnte, sprechen sich neben einigen anderen Publikationen vor allem die aktuellsten Abhandlungen von GEORG HEILINGSETZER und FRANZ KAINDL mit Berufung auf die schlüssige Beweisführung RUDOLF NOLLS für Ad Mauros aus. 144 Ähnlich unschlüssig ist man über die Lage und die Ausmaße dieses römischen Kastells, das vermutlich im ersten nachchristlichen Jahrhundert errichtet wurde. 145 EDUARD NOWOTNY geht davon aus, dass das Gebiet westlich des Stadtplatzes 146 auf dem ehemaligen Kastell erbaut wurde und demnach genau 640 mal 540 römische Fuß maß. Diese Fläche von drei Hektar entspricht zwölf römischen iugera, dem Normalmaß für eine cohors militaria equitata. 147 Freilich mag diese Übereinstimmung bemerkenswert sein, allein bewiesen ist dadurch noch nichts. Besonders nach den Grabungen 1960 kamen Zweifel auf und LOTHAR ECKHART vertritt demzufolge die Meinung, dass das römische Lager erheblich kleiner gewesen sein muss (ein Viertel der Fläche) und im nördlichen Teil des vorher angenommenen Gebietes oder im Bereich der heutigen Stadtpfarrkirche lag. 148 Bestätigt werden konnte bis heute weder NOWOTNYS noch ECKHARTS Annahme, die Existenz einer römischen Anlage an sich kann man aber anhand der Funde nicht in Frage stellen. Diese dürftigen Grundlagen führen auch dazu, dass über die Römerzeit in Eferding keine weiteren gesicherten Aussagen getroffen werden können. Wichtig dürfte auf jeden Fall die verkehrstechnische Lage gewesen sein, denn in oder bei Eferding kreuzten sich die Limesstraße und eine Straße, die über Wels und den Pyhrnpass nach Süden führte. Möglich ist auch, dass es ab dem 4. Jahrhundert zu einer Verbreitung des Christentums im Eferdinger Raum kam. In der Vita Sancti Severini werden Orte genannt, in denen es offenbar Kirchen gab. Für Oberösterreich sind dies Lauriacum und Joviacum, das ja in unmittelbarer Nähe zu Eferding lag und in dem es auch schon einen Priester gab. Ob daraus der Schluss gezogen werden darf, dass auch Eferding

Christen beherbergte oder über christliche Strukturen verfügte, ist fraglich, nahe liegen würde es aber schon. 149

Die Wirren der Völkerwanderungszeit werden wohl Eferding relativ hart getroffen haben, denn durch den Verlust des Ortsnamens ist keine Siedlungskontinuität anzunehmen. Nach dem Abzug der Römer am Ende des 5. Jahrhunderts aus dem Limesgebiet drangen die Baiern in das heute oberösterreichische Gebiet und damit bis nach Eferding vor. Auf Grund onomastischer Untersuchungen kann man Eferding als altes bairisches Siedlungsgebiet ausweisen, 150 weshalb eine Gründung im frühen 6. Jahrhundert als plausibel erscheint. 151 Zahlreiche Ortsnamen weisen die Endungen „-ham“ oder „-ing“ auf, wobei vor allem „-ing“ in althochdeutscher Zeit nur bis zum Ende des 10. Jahrhunderts produktiv war. Das Suffix drückt die Zugehörigkeit von Einwohnern oder Untertanen aus, was dann im Fall von Eferding „bei den dem frid unterstehenden Leuten“ bedeutet. 152 Dieser frid dürfte also die heutige Stadt Eferding gegründet haben 153 (oder zumindest maßgeblich daran beteiligt gewesen sein) und hat ihr als Sippenältester auch den Namen gegeben. Gestützt wird diese Annahme vor allem dadurch, dass in nächster Umgebung ähnlich konstruierte Ortsnamen zu finden sind: Emling von „Ammilo“, Haizing von „Haizo“, Hilkering von „Hiltiger“, Karling von „Chadalo“ oder Pupping von „Poppo“. Manche dieser Nachbarsorte werden bereits im 9. und 10. Jahrhundert, Aschach und Alkoven sogar schon 777 in der berühmten Gründungsurkunde für das Stift Kremsmünster durch den Bayernherzog Tassilo erwähnt. 154 Auf Grund der spärlichen Quellenlage lässt sich natürlich nur wenig über Eferding selbst im Frühmittelalter sagen, auch das Nibelungenlied sichert - im Gegensatz zur Annahme von MANFRED BRANDL 155 - die Existenz im 10. Jahrhundert nicht zwangsläufig, denn die Erwähnung des Bischofs Pilgrim muss sich nicht auf den historischen Bischof Pilgrim von Passau aus dem 10. Jahrhundert beziehen. Viel eher dürfte es sich nach SIEGFRIED GROSSE bei dieser Figur um den möglichen Mäzen des Schreibers Bischof Wolfger von Erla (1191-1204) gehandelt haben. 156 Es ist damit unklar, ab wann Eferding als Siedlung zu bezeichnen ist und vor allem auch wann sich der spätere Hauptort des Eferdinger Beckens von den anderen Siedlungen abgehoben hat. Das Aufscheinen im Nibelungenlied sichert nur

eine Existenz und durchaus auch eine gewisse Bedeutung im 12. Jahrhundert - allein diese Feststellung ist ohnehin unbestritten.

Um die Jahrtausendwende kam Eferding in den Besitz der Bischöfe von Passau, die hier im Rahmen ihrer Grundherrschaft einen Fronhof errichteten, der sich wahrscheinlich an der Stelle des heutigen Ostflügels des Starhemberg’schen Schlosses befunden hat.

handelt es sich bei diesen beiden Stiftsbriefen des Bischofs Altmann von Passau für das Chorherrenstift St. Nikola in Passau um Fälschungen des 12. bzw. 13. Jahrhunderts. Die Existenz dieses Stiftes ist aber bereits für das Jahr 1073 durch ein päpstliches Privileg gesichert, was darauf schließen lässt, dass den gefälschten Urkunden echte Traditionsnotizen zu Grunde liegen. 158 Die erste gesicherte Erwähnung des Eferdinger Besitzes stammt aber erst aus dem Jahr 1111. König Heinrich V. bestätigte in einer Urkunde die Besitzungen des Klosters St. Nikola bei Passau - Eferding taucht hier als efridingen 159 auf. In einem Dokument aus dem Jahr 1144 wird erstmals die wirtschaftliche Bedeutung der späteren Stadt für die Passauer Bischöfe deutlich. Bischof Reginbert von Passau erhielt vom Kloster St. Nikola in einem Tauschvertrag die Rechte des Schiffzolls in Eferding. 160 Im Gegensatz zur Aschacher Mautstelle war die Zollstelle in Eferding jedoch das ganze Mittelalter hindurch verhältnismäßig unbedeutend und mit der Versandung des schiffbaren Donauarmes Mitte des 16. Jahrhunderts kamen der Donauhandel und folglich auch die Zolleinnahmen vollständig zum Erliegen.

Mitte des 12. Jahrhunderts (1145/46) kann man für Eferding den ersten, wenn auch dürftigen Nachweis einer kirchlichen Struktur finden. In einer Urkunde für Mattsee nennt der Passauer Bischof einen Zeugen mit Namen Rantwicus, der plebanus de Everdingen 161 war. Es ist also durchaus möglich, dass Eferding „schon um 1145 eine Pfarre im vollen kirchenrechtlichen Sinn war“ 162 . Darüber hinaus deutet das Hippolytpatrozinium der Stadtpfarrkirche auf eine längere Existenz von kirchlichen Einrichtungen in Eferding hin. Die Verehrung des Hl.

Hippolyt reicht bis ins 3. Jahrhundert n. Chr. zurück, die Wahl des Heiligen als Kirchenpatron könnte auf einen Ursprung im späten 8. Jahrhundert hinweisen. 163

Von 1167 ist uns eine Urkunde 164 erhalten, die erstmals bürgerliche Strukturen in Eferding erkennen lässt. Bischof Abono von Passau übertrug nach dem Tod der ehemaligen Einwohner dem Wilheringer Abt Gebhard eine Hofstatt mit drei Äckern nach Burgrecht. Diese Leiheform und vor allem die Erwähnung von burigenses in Efridingen bestätigen recht deutlich den bürgerlichen Charakter von Eferding zu dieser Zeit. 165 Wenn auch unter diesen burigenses noch keine Bürger im späteren Sinne zu verstehen sind, so ist doch deren Nennung nach Friesach (1158) und St. Pölten (1159) die drittälteste im österreichischen Gebiet. Außerdem zeigt die Urkunde, dass der Bischof von Passau zu dieser Zeit seine Verwaltungs-, Finanz- und Gerichtshoheit in der Stadt durch Vögte (castaldi) und Wirtschaftsverwalter (yconomi) wahrnahm. Sitz dieser Beamten, die auch die niedere Gerichtsbarkeit ausübten, war vermutlich bereits eine Burg, die sich an der Stelle des heutigen Schloss Starhemberg befand. Am 14. Juli 1222 bestätigte Bischof Gebhard von Passau den Bürgern (cives) der Stadt (civitas 166 ) ihre alten Rechte, nachdem Eferding schon um 1210 ebenfalls als civitas 167 aufscheint. Die Urkunde erneuerte wirtschaftliche Belange, klärte rechtliche Streitfragen und regelte die Aufnahme von Bewohnern in die Stadt. OTTO WUTZEL bezeichnet dieses Stadtrechtsdokument als „Gelegenheitswerk“ des Bischofs von Passau, der in unruhigen Zeiten seine Position stärken musste und „seine wichtigste Stadt in Österreich“ 168 durch diese Rechte in ihrer Stellung unterstützte bzw. ihren Ausbau forcierte. Vor allem die Regelung zur Aufnahme von neuen Bewohnern deutet darauf hin, dass der Stadtherr bestrebt war, Eferding mit allen Mitteln auszubauen und zu vergrößern. Sogar Geächtete durften, wenn die Acht nicht öffentlich verkündet worden war, aufgenommen werden. Ausgenommen aus dieser Regelung waren allein Schwerverbrecher. Um 1260 wurden diese Rechte noch einmal vom Passauer Bischof bestätigt: Ista sunt antiqua iura ciuitatis in Everding. 169 Die Gestaltung und Ausdehnung der Stadt am Beginn des 13. Jahrhunderts ist mangels archäologischer und schriftlicher Quellen nur schwer abzuschätzen. Es wird aber durchwegs davon ausgegangen, dass sich der städtische Siedlungskern im Wesentlichen auf den Bereich

Ende der Leseprobe aus 161 Seiten

Details

Titel
Zur Siedlungsgenese oberösterreichischer Städte im Hoch- und Spätmittelalter
Untertitel
Eferding, Freistadt, Schärding und Wels im Vergleich
Hochschule
Universität Salzburg
Note
1
Autor
Jahr
2006
Seiten
161
Katalognummer
V186221
ISBN (eBook)
9783656999065
ISBN (Buch)
9783867469401
Dateigröße
28868 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
siedlungsgenese, städte, hoch-, spätmittelalter, eferding, freistadt, schärding, wels, vergleich
Arbeit zitieren
Mag. Elmar Mattle (Autor:in), 2006, Zur Siedlungsgenese oberösterreichischer Städte im Hoch- und Spätmittelalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/186221

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