Wechselkursstrategien ausgewählter EU-Beitrittskandidatenländer für deren Annäherung an die Europäische Währungsunion


Diplomarbeit, 2004

107 Seiten, Note: 1


Leseprobe


- I -
Wechselkursstrategien ausgewählter EU-
Beitrittskandidatenländer für deren
Annäherung an die Europäische
Währungsunion

- I -
INHALTSVERZEICHNIS
1
Einführung
1
2
Währungspolitische Optionen
3
2.1
Voraussetzungen zur Aufnahme in die Europäische Währungsunion
3
2.1.1 Das Europäische Wechselkurssystem II (EWS II)
4
2.1.2 Überblick über unterschiedliche Wechselkursregime
5
2.2
Frage nach dem ,,richtigen" Wechselkursregime
9
2.2.1 Erfahrungen aus vergangenen Bank- und Währungskrisen
10
2.2.2 Entwicklung hin zur ,,Two Corner Solution"
13
2.3 Fixe Wechselkursregime
14
2.3.1 Currency Board
15
2.3.2 Crawling Peg und Crawling Band
17
2.4
Flexible Wechselkursregime
18
2.4.1 Independent Floating
18
2.4.2 Managed Floating
19
2.4.3 Inflation Targeting
20
2.4.3.1
Definitionen und Voraussetzungen des Inflation Targeting
21
2.4.3.2 Die Wahl des Preisindex, des Inflationsziels und Wirkungs-
verzögerung der Geldpolitik
24
2.4.3.3
Auswirkungen des Wechselkurses auf das Inflationsziel
24
3
Wechselkursstrategien ausgewählter mittel- und osteuropäischer
EU-Beitrittskandidatenländer
27
3.1
Ungarn
27
3.1.1 Einführung des Fixed Peg
28
3.1.2 Periode des Crawling Band
29
3.1.3 Einführung des Peg mit horizontalem Band und Inflation Targeting
30
3.1.4 Wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren
34

- II -
3.2
Estland
36
3.2.1 Entwicklung seit der politischen Unabhängigkeit
37
3.2.2 Vorbereitung des Currency Board
38
3.2.3 Einführung des Currency Board
40
3.2.4 Wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren
42
3.3
Tschechien
44
3.3.1 Einführung des Fixed Peg
44
3.3.2 Währungskrise im Mai 1997
45
3.3.3 Periode des Managed Floating und Inflation Targeting
48
3.3.4 Wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren
51
3.4
Slowenien
53
3.4.1 Geldmengenorientierte Stabilisierungspolitik
54
3.4.2 Periode der ,,Dualen Zielpolitik"
55
3.4.3 Wechselkursbezogene Stabilisierungspolitik
57
3.4.4 Wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren
58
3.5
Polen
60
3.5.1 Periode des Fixed Peg
61
3.5.2 Periode des Crawling Peg bzw. Band
62
3.5.3 Einführung des Managed Floating und Inflation Targeting
63
3.5.4 Wirtschaftliche Entwicklung in den letzten Jahren
65
4
Vor- und Nachteile der Annäherung an die Europäische
Währungsunion
69
4.1
Überblick
69
4.2
Überprüfung der Konvergenz
72
4.2.1 Defizit- und Schuldenquote
74
4.2.2 Inflationskriterium und das Problem der realen Wechselkurs-
aufwertung im Zusammenhang mit dem Balassa-Samuelson Effekt
75
4.2.2.1
Der Balassa-Samuelson Effekt
78
4.2.2.2
Kritische Anmerkungen zum Balassa-Samuelson Effekt
81

- III -
4.2.2.3
Auswirkungen der strukturell bedingten Inflation im Falle
eines EWS II ­ Beitritts
83
4.2.2.4
Auswirkungen der strukturell bedingten Inflation im Falle eines
EWU ­ Beitritts
84
4.2.2.5
Sonstige Auswirkungen der realen Konvergenz
86
4.2.3 Zinskriterium
87
4.2.4 Bisherige Erfahrungen bei der Konvergenzprüfung
90
4.3
,,Euroisierung"
90
5
Zusammenfassung und Endbetrachtung
92
Abkürzungsverzeichnis
96
Literaturverzeichnis
97

- 1 -
1
Einführung
Für die Währungspolitik der mittel- und osteuropäischen Länder
1
, die am 1. Mai 2004
der Europäischen Union beitreten werden, wirft ihre spätere Mitgliedschaft in der
Europäischen Währungsunion schon jetzt einige Fragen auf, die sich zum einen auf
den Zeitpunkt des Beitritts in die EWU und zum anderen auf die im Vorfeld zu
gestaltende Wechselkursstrategie beziehen. Vor allem für jene Länder, die einen
ehest möglichen Beitritt in die EWU beabsichtigen, drängt die Zeit in besonderem
Maße. Die vorliegende Arbeit hat es sich zum Ziel gemacht, die
Wechselkursstrategien einzelner Länder zu beschreiben, und jene Probleme
aufzuzeigen, die durch einen verfrühten EWU-Beitritt auftreten können.
Vor allem in der Frühphase des Übergangs von der Plan- zur Marktwirtschaft wurden
die Währungen dieser Länder real deutlich aufgewertet. Mit fortschreitender
Transformation wurden diese Tendenzen im allgemeinen schwächer. Reale
Aufwertungen sind im Wesentlichen auf die durch den Transformationsprozeß
bedingten hohen Inflationsraten zurückzuführen. Die nominalen Wechselkurse
werden dagegen meist abgewertet. Auch deshalb ist es wichtig, der
Wechselkurspolitik in der verbleibenden Zeit bis zum EWU-Beitritt verstärkte
Aufmerksamkeit zu widmen, da innerhalb des EWS II nominell nicht abgewertet
werden darf.
Tatsache ist auch, daß diese Staaten im Zuge des Transformationsprozesses mit
schwankenden
Kapitalflüssen konfrontiert
werden, was zu
erheblichen
Wechselkursänderungen führen kann. Die Aufgabe der Wechselkurspolitik besteht in
dieser Situation darin, die Wechselkursschwankungen bzw. die Änderung von
Devisenreserven der Zentralbank so gering wie möglich zu halten. Um ein
finanzielles Ungleichgewicht zu vermeiden, bedarf es neben einer stabilen
Wechselkurspolitik auch eines geeigneten makroökonomischen Umfeldes.
Im Rahmen des zweiten Kapitels werden daher währungspolitische Optionen
untersucht, wobei aus Erfahrungen vergangener Währungs- und Bankenkrisen
1
Das sind Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn, Slowenien, Estland, sowie Lettland und Litauen.

- 2 -
Rückschlüsse auf das Vorgehen der künftigen EU-Beitrittskandidaten gewonnen
werden können. Weiters sollen nur jene Arten von Wechselkursregimen näher
analysiert werden, die in den betreffenden Ländern praktiziert werden.
Ausgehend von volkswirtschaftlichen Kerndaten konzentriert sich das dritte Kapitel
auf eine Konkretisierung der zuvor erwähnten Punkte auf die untersuchten Länder.
Um den Umfang zu reduzieren, wird der Schwerpunkt auf Tschechien, Slowenien,
Ungarn, Polen und Estland gelegt, da diese Länder unterschiedliche
Wechselkurspolitiken seit den 90-er Jahren betrieben haben.
Im Kapitel vier soll der Frage nachgegangen werden, wann der optimale Zeitpunkt für
eine Euro-Einführung gegeben ist. In diesem Zusammenhang ist auf den
Transformationsfortschritt einzelner Länder Rücksicht zu nehmen, damit nicht durch
eine vorzeitige Euro-Einführung die Kosten (z.B. Wettbewerbsnachteile aufgrund
höherer strukturbedingter Inflationsraten) überwiegen.
Das abschließende Kapitel enthält eine Zusammenfassung der Arbeit und knappe
Kommentare hinsichtlich der zukünftigen Entwicklungsperspektiven.

- 3 -
2
Währungspolitische Optionen
2.1
Voraussetzungen zur
Aufnahme in
die
Europäische
Währungsunion
Als wichtigste Grundlage zur ,,Vorbereitung der assoziierten Staaten Mittel- und
Osteuropas auf die Integration in den Binnenmarkt der Union" beinhaltet das
Weißbuch der Europäischen Kommission keine Vorschriften zur Geld- und
Währungspolitik. Vergangene Finanzkrisen zeigen jedoch (wie unter Punkt 2.2.1
angeführt), daß die Wechselkurspolitik der antragstellenden Länder eine wichtige
Rolle bei der Vorbereitung auf eine spätere Teilnahme am Europäischen
Wechselkursmechanismus und an der Währungsunion spielen. (Jochem et al., 2001,
S.3)
Die angestrebte EU-Mitgliedschaft ist von einer Mitgliedschaft in der Europäischen
Währungsunion zu trennen, da erstere zwar die Voraussetzung für eine Teilnahme
an der Gemeinschaftswährung darstellt, aber nicht automatisch zur Aufgabe der
nationalen Währung führt. Nachdem keiner der Beitrittskandidaten von der
sogenannten ,,Opting Out" Klausel Gebrauch machen darf (wie einst Dänemark und
Großbritannien), verpflichten sich die Länder an der Währungsunion teilzunehmen,
sobald sie die im EG-Vertrag Artikel 121 Absatz 1 genannten monetären und
fiskalischen Maastrichtkriterien erfüllen. (Jochem et al., 2001, S.168)
Diese umfassen neben den Kennziffern Inflationsrate, langfristiger Zinssatz,
Budgetdefizit, Staatsverschuldung (die unter Punkt 4.1 näher beschrieben werden),
auch die Einhaltung der Wechselkursbewegungen innerhalb der im EWS II
vorgesehenen großzügigen Bandbreite von +/- 15%. In anderen Worten muß die
Wechselkurspolitik der Beitrittskandidaten darauf ausgerichtet sein, die Bandbreiten
für zumindest zwei Jahre zu verteidigen, ohne dabei auf Eigeninitiative
Leitkursanpassungen ihrer Währung gegenüber dem Euro zu unternehmen. (Begg et
al., 2002, S.19)
2
2
Nach dem ECOFIN-Rat, widersprechen diesem Prinzip die Möglichkeiten des Independent Floating
(oder das Managed Floating ohne gegenseitig vereinbartem Leitkurs), feste Kurse mit gleitender
Anpassung (Crawling Peg) und die Einführung fester Wechselkurse mit einer anderen Ankerwährung
als dem Euro (z.B. US$). (Bundesverband Deutscher Banken, 2003, S. 36)

- 4 -
2.1.1 Das Europäische Wechselkurssystem II (EWS II)
Das EWS II, das Nachfolgesystem des EWS, darf nicht als Warteraum oder
Zwangsjacke betrachtet werden. Es dient hauptsächlich dazu, das Vertrauen in die
Wechselkurspolitik zu prüfen. Dem betroffenen Land soll die Möglichkeit geboten
werden, seine Fähigkeit unter Beweis zu stellen, mit einem mehr oder minder festen
Wechselkurs umgehen zu können. Die Schwankungsbreite von +/- 15% um den
Paritätskurs erlaubt noch eine beträchtliche Flexibilität, die notwendig sein kann,
Schwankungen im internationalen Kapitalverkehr auszugleichen.
Aus heutiger Sicht stellt sich für jedes Anwärterland zunächst die Frage, welche
Wechselkursstrategie es bis zum Eintritt in das EWS II verfolgen soll, nachdem hier
keine Grenzen gesetzt wurden. Die EZB empfiehlt in diesem Zusammenhang nur
,,eine zunehmende Orientierung am Euro". (Deutsche Bank, 2003, S.16ff)
Von großer Bedeutung ist der für das EWS II und damit letztlich auch für die EWU
angestrebte Einstiegs- bzw. Umtauschkurs. Sollte vom Land eine rasche Aufnahme
in die EWU angestrebt werden, täte es gut daran, beim Eintritt in das EWS II im
Zweifel eher einen unterbewerteten Wechselkurs zu akzeptieren. Denn eine
Abwertung innerhalb der zweijährigen Testperiode wäre mit einer Nichterfüllung des
Wechselkurskriteriums gleichzusetzen. Die Festlegung des richtigen Einstiegskurses
in das EWS II wäre auch deshalb so wichtig, weil die vereinbarte Parität in der Regel
auch der Umtauschkurs zum Euro sein soll. Bei den EWU-Erstmitgliedern wurde
Ende 1998 dieser Kurs auf Basis der geltenden bilateralen Paritäten festgelegt.
Mit einem überbewerteten Wechselkurs, der nicht im Einklang mit der
Wettbewerbsfähigkeit steht, wird das der EWU beitretende Land mit einer
längerfristigen nachteiligen Entwicklung seiner Wirtschaftsleistung zu kämpfen
haben. Als warnendes Beispiel ist hier Portugal zu erwähnen, das möglicherweise
mit einem überbewerteten Wechselkurs beigetreten ist und letztlich mit einer
schwachen Exportentwicklung, niedrigem Wachstum und anhaltend hohem
Leistungsbilanzdefizit zu kämpfen hatte. Das portugiesische Budgetdefizit stieg bis
zum Jahr 2001 sogar auf 4,1%, was eine Verletzung des Stabilitäts- und

- 5 -
Wachstumspakts bedeutete, worauf die EU ein Defizitverfahren wegen übermäßigen
Haushaltsdefizits einleitete.
3
Damit ausreichend Zeit verbleibt, um etwaige Inflationswirkungen eines
"Abwertungsschocks" zu überwinden, sollte der Wechselkurs noch vor der Aufnahme
in das EWS II dementsprechend angepasst werden. Patentverfahren zur
Bestimmung des ,,Gleichgewichtskurses" sind jedoch nicht bekannt.
Für die Teilnahme am EWS II stellen sich ebenfalls noch Fragen bezüglich der
Wechselkursstrategie. Grundsätzlich eröffnet es angesichts der großen Bandbreite
von +/- 15% beträchtliche Gestaltungsmöglichkeiten. Befürchtungen treten
dahingehend auf, wenn Wechselkursvolatilitäten nicht nur vor, sondern auch
während der Teilnahme am EWS II eintreten. Für solche Erwartungen gibt es
Gründe, wie die völlige Liberalisierung des Kapitalverkehrs, die beträchtlichen
Leistungsbilanzdefizite in den betreffenden Beitrittsländern und andere Probleme, auf
die in den nächsten Kapiteln noch genauer eingegangen wird.
Entgegen aller Kritiken im Hinblick auf das EWS II, sei hier festgehalten, daß das alte
EWS sehr gut funktionierte, nachdem nach dem ,,Schwarzen Montag" am 15.9.1992,
Italien und Großbritannien aus dem Europäischen Währungssystem ausgeschieden
sind, und 1993 die Bandbreiten von +/- 2,25 (bzw. +/- 6% für einige
Ausnahmeländer) generell auf +/- 15% ausgeweitet worden waren. Entscheidend
dürfte sein, daß glaubwürdige Paritäten festgelegt werden, und die Wirtschafts- und
Finanzpolitik des Beitrittslandes für ein stabiles makroökonomisches Umfeld sorgt.
(Deutsche Bank, 2003, S.16ff)
2.1.2 Überblick über unterschiedliche Wechselkursregime
In Anlehnung an den Internationalen Währungsfonds liefert uns die folgende Tabelle
einen groben Überblick über alle Wechselkursregime, die zentral- und
osteuropäische Staaten seit den frühen 90ern verfolgen:
3
In der Zwischenzeit sind auch Deutschland und Frankreich davon betroffen, nachdem diese Länder
2002 ein über der Maastricht-Grenze von 3% liegendes Budgetdefizit aufwiesen. (Deutsche Bank,
2003, S.16ff)

- 6 -
Tabelle 1: Beschreibung der Wechselkursregime
Wechselkursregime
Beschreibung
1. Euroisierung bzw. Dollarisierung
Einführung einer ausländischen Währung als
gesetzliches Zahlungsmittel (z.B.: Euro, US$)
2. Currency Board
Fixierter Wechselkurs mit 100% Deckung des
inländischen Geldangebots durch Devisen-
reserven
3. Fixed Peg
Wechselkursfixierung an eine Leitwährung bzw. an
einen Währungskorb als Wechselkursanker. Dabei
sind Schwankungen <1% um die fixierte Parität
zugelassen
4. Peg mit horizontalem Band
Wie Fixed Peg, Schwankungen sind jedoch >1%
um die fixierte Parität erlaubt
5. Crawling Peg
Wechselkursbindung mit Anpassungen (Crawling
Rate): nach Maßgabe bestimmter Indikatoren (wie
z.B.:
Inflationsunterschiede), kann durch
regelmäßige Korrekturen der festgelegten Parität
der
reale Wechselkurs stabilisiert werden.
Schwankungen sind <1% um die festgelegte
Parität zugelassen. (Ohr, 2001, S.62)
6. Crawling Band
Crawling Peg
kombiniert mit einer
Schwankungsbreite von >1% um die festgelegte
Parität
7. Managed Floating
Beim
Managed Floating kommt
es zur
Wechselkursintervention der Zentralbank, wenn es
zu
ungewollten Schwankungen des
Wechselkurses kommt. Offiziell besteht keine
Verpflichtung zur Ankündigung dieser Maßnahme
und damit auch nicht zur Verteidigung von vorher
genannten Zielen und Bandbreiten.
8. Independent Floating
Wechselkurs bildet sich durch Angebot und
Nachfrage auf dem Markt ohne Intervention
Quelle: Begg et al., 2002, S.18
Die Beitrittsländer verfolgen sehr unterschiedliche wechselkurspolitische Strategien.
Angefangen von völlig flexiblen Wechselkursen auf der einen Seite, bis hin zu einem
Currency Board als dem strengsten Festkurssystem auf der anderen Seite, wird die
Spannbreite voll ausgenutzt. Im Hinblick auf angewandte geldpolitische Strategien ist
die Palette ebenfalls breit gefächert. Sie reicht von der reinen Orientierung am
Wechselkurs (Currency Board) bis zu geldmengenorientierten Konzepten oder der
Verfolgung bestimmter Inflationsziele, die vor allem in Ländern mit einem hohen Grad
an Wechselkursflexibilität anzutreffen sind.

- 7 -
Einige Länder haben in den letzten Jahren mehrfache Wechselkursregimewechsel
durchgeführt. Dies hängt einerseits damit zusammen, daß die zuvor gewählten
Strategien mit der Zeit nicht mehr den gewünschten Erfolg gebracht haben, und
andererseits versuchte man bereits Elemente der nationalen Wechselkurssysteme
den Regeln des EWS II anzunähern. Letzteres gilt beispielsweise für den Wechsel
der Leitwährung beim Currency Board Estlands oder für die Aufgabe des Crawling
Peg in Ungarn. (Bundesverband Deutscher Banken, 2003, S.35)
Tabelle 2: Wechselkursregime in den Beitrittsländern
1990 1991 1992 1993 1994 1995 1996 1997 1998 1999 2000 2001 2002 2003
Bulgarien
3
8
8
8
8
8
8
2
2
2
2
2
2
2
Tschechien
3
3
3
3
3
3
4
7
7
7
7
7
7
7
Estland
k.A.
k.A.
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
Lettland
k.A.
k.A.
8
8
3
3
3
3
3
3
3
3
3
3
Litauen
k.A.
k.A.
8
8
2
2
2
2
2
2
2
2
2
2
Ungarn
3
3
3
3
3
6
6
6
6
6
6
4
4
4
Polen
3
3
5
5
5
6
6
6
6
7
7
7
7
7
Rumänien
3
7
7
7
7
7
7
7
7
7
7
6
6
6
Slowakei
3
3
3
3
3
3
6
6
7
7
7
7
7
7
Slowenien
k.A.
k.A.
7
7
7
7
7
7
7
7
7
7
7
7
Anmerkung: Die Zahlen entsprechen den jeweiligen Wechselkursregimen in Tabelle 1
Quelle: Begg et al., 2002, S.18
Zu Beginn der 90er Jahre war das Fixkurssystem das Wechselkursregime, das in
den
meisten MOEL-Staaten
zur
Anwendung kam. Gerade dieses
Wechselkurssystem sollte in den ersten Jahren der monetären Stabilisierung dazu
beitragen, beträchtliche Inflationsdifferenzen gegenüber der Ankerwährung durch
häufige Anpassungen der Parität zu bewältigen, um eine Umsetzung des
Reformprogramms zu beschleunigen. (Begg et al., 2002, S.18)

- 8 -
Der IWF (2000, S.23) listet einige Voraussetzungen auf, die eine Einführung eines
Wechselkursregimes mit festen Kursen rechtfertigen:
x Kleine Volkswirtschaften
4
x Geringe Kapitalmarktdurchdringung
x Intensiv betriebener Handel mit dem Ankerland
x Auftretende Schocks ähnlich dem des Ankerlandes
x Der feste Wille, die eigene Unabhängigkeit der Geldpolitik aufzugeben
x Das Wirtschafts- und Finanzsystem ist bereits stark an die Währungspolitik
des Partnerlandes gekoppelt
x Das Fixkurssystem hat sich zur Bekämpfung einer sehr hohen Inflation als
sehr effizient erwiesen (siehe auch Eichengreen 1999)
x Flexible und ausgeglichene Fiskalpolitik
x Keine starren Güter- und Faktormärkte
x Ausreichend verfügbare Währungsreserven
Seit Mitte der 90er Jahre hat eine merkbare Tendenz bei den Wechselkursstrategien
hin zu einer sehr flexiblen oder einer sehr rigiden Politik eingesetzt. (Begg et al.,
2002, S.18)
Die Tschechische Republik, Polen und die Slowakische Republik haben nach langer
Zeit des Festhaltens an der Wechselkurssteuerungspolitik mittels eines Crawling Peg
oder Band den Übergang zum Managed Floating beschlossen. Slowenien wendet
schon seit 1992 ein Managed Floating Regime an, das nicht wie Tschechien und
Polen ein direktes Inflationsziel (,,Inflation Targeting"), sondern ein Geldmengenziel
auf der Basis von M3 verfolgt. (Jochem et al., 2001, S.6)
4
Eine Untersuchung des IWF hat ergeben, daß vorwiegend Länder mit einem jährlichen BIP von
weniger als 5 Milliarden US$ ,,exchange rate pegging" betreiben. (IWF, 2000, S.23)

- 9 -
Im Vergleich dazu betreiben die baltischen Staaten und Bulgarien sehr starre
Wechselkurssysteme. Während Estland, Litauen und Bulgarien das sogenannte
Currency Board eingeführt haben, hält Lettland weiterhin am Fixed Peg fest. Dabei
ist Estlands und Bulgariens Wechselkurs an den Euro, Litauens Währung an den
US$ und Lettlands Wechselkurs an Sonderziehungsrechte gebunden. Ungarn
wendet seit kurzem ein Peg mit horizontalem Band und Rumänien ein Crawling Band
an. (Begg et al., 2002, S.19)
2.2
Frage nach dem "richtigen" Wechselkursregime
Die
Frage
nach
dem ,,richtigen" Wechselkursregime ist
Inhalt von
währungspolitischen Diskussionen seit Beginn der 70er Jahre, als mit Auflösung des
Festkurssystems von Bretton Woods jeder Staat vor der Wahl stand, seine
Stabilitätspolitik mehr oder weniger auf den Binnenwert der Währung - also die
Inflationsrate - zu konzentrieren oder aber eher den Wechselkurs seiner Währung zu
stabilisieren. Kombinationen der beiden Extreme sind auch angewendet worden. In
ihrem Bestreben einmal eine Währungsunion ins Leben zu rufen, entschieden sich
viele entwickelten Staaten zugunsten der inneren Stabilität der Währung. Dies
basierte auf der Annahme, daß eine auf innere Stabilität gerichtete Währung
mittelfristig auch einen stabilen Wechselkurs aufweist.
Lange Zeit ging man davon aus, daß die Wahl des ,,richtigen" Wechselkursregimes
für wirtschaftlich weniger entwickelte Länder anders sein müsste als jene für
Industrieländer. Eine Reihe von Argumenten scheint immer noch dafür zu sprechen,
daß ein Entwicklungsland, ohne internationale wirtschaftspolitische Reputation und
ohne ökonomische Erfolgsgeschichte, nur durch eine Wechselkursfixierung schneller
Vertrauen am internationalen Kapitalmarkt erlangen kann. (Flassbeck et al., 2002)
Internationalen Investoren wird die Entscheidung zur Geldanlage dadurch erleichtert,
daß die Währungspolitik die volle Konvertibilität der Währung einführt und darüber
hinaus noch ein Wertversprechen für die Währung abgibt. Die Geldpolitik "importiert"
einen Teil der im Ausland vorhandenen Stabilität dadurch, daß bei fixierten
Wechselkursen die Inflationsrate des Ankerlandes notwendigerweise eine Leitlinie für
die eigene ist.

- 10 -
Doch diesen Vorteilen von festen Wechselkursen stehen gravierende Nachteile
gegenüber, die nur den Schluss zulassen, daß innerhalb einer Entwicklungsstrategie
feste Wechselkurse höchstens für eine begrenzte Übergangsphase eine sinnvolle
Alternative sind, die jedoch zügig von flexiblen Kursregimes abgelöst werden sollte.
Dies können übergangsweise auch Regime mit stufenflexiblen Wechselkursen oder
einem fallweisen Eingreifen der Zentralbank ("dirty floating") sein, so wie es etwa im
Fall der mitteleuropäischen EU-Beitrittskandidaten Polen, Tschechien und Ungarn
bereits vorexerziert worden ist. (Flassbeck et al., 2002)
2.2.1 Erfahrungen aus vergangenen Bank- und Währungskrisen
Im Umfeld zunehmender Kapitalflüsse und vor dem Hintergrund ungünstiger
Fundamentaldaten sind Währungen der vorgerückten Entwicklungs- und
Transformationsstaaten, der
sogenannten ,,Emerging Markets",
verstärkt
spekulativen Attacken ausgesetzt. Tatsächlich haben jüngste empirische
Beobachtungen zu
der
Tequilla Krise im
Jahr
1995
oder
den
Asien/Russland/Brasilien Krisen von 1997-98 Autoren (wie Eichengreen et al. (1999))
dazu bewogen, ,,pegged exchange rate" Regime (wie das Crawling Peg oder
Crawling Band) mit zunehmender Integration in den Kapitalmarkt als ungeeignete
Wechselkursstrategie einzustufen.
Es gibt zahlreiche Untersuchungen, die sich mit Währungs- und Bankenkrisen
eingehender beschäftigt haben. Im Folgenden habe ich mir die Aufgabe gemacht, die
wesentlichsten Erkenntnisse aus vergangenen Krisen herauszufiltern, die es
ermöglichen sollen das Auftreten von Finanzmarktkrisen in den künftigen
Beitrittsländern antizipieren zu können.
Die Verteidigung zu eng angesetzter Bandbreiten erwies sich für viele Regierungen
in der Vergangenheit als unüberwindbares Hindernis. Diese waren unter anderem
Auslöser der EWS-Krise von 1992-93 und der Asien Krise 1997-98.
Der Wegfall von Kapitalverkehrsbeschränkungen zwischen 1987 und 1992 im
Euroland löste förmlich einen Boom an Kapitalflüssen aus. Dies war nicht zuletzt auf
die sehr positive Erwartungshaltung vieler Marktteilnehmer zurückzuführen, die eine
erfolgreiche Umsetzung der Konvergenzrichtlinien in den betreffenden Staaten auf

- 11 -
dem Weg in die Währungsunion antizipierten, und darauf spekulierten. Erst der
negative Ausgang des dänischen Referendums zum Maastricht Vertrag dämpfte
diese Euphorie etwas. (Begg et al., 2002, S.6)
Tatsächlich können ungünstige Entwicklungen fundamentaler Wirtschaftsfaktoren wie
zum Beispiel
x anhaltend hohe Inflationsunterschiede,
x hohe Arbeitslosigkeit,
x stark defizitäre Staatshaushalte und
x weltwirtschaftliche Schocks (z.B.: gravierende Rohstoffpreisänderungen oder
große Zinsdifferenzen zu
einer weltwirtschaftlich dominierenden
Volkswirtschaft)
Nettokapitalabflüsse bewirken. Damit ausgelöste Ungleichgewichte in der
Zahlungsbilanz würden bei länger anhaltenden Störungen letztlich eine
Wechselkurskorrektur erfordern. Die Währung erscheint in so einem Rahmen als
überbewertet. Je geringer der Bestand an Währungsreserven wird, desto deutlicher
wird dann auch, daß eine solche Überbewertung der Währung nicht länger
beibehalten werden kann. Die Erwartung einer unvermeidbaren Abwertung führt
dann schließlich zur Flucht aus der Währung.
5
(Ohr, 2001, S.79)
Um ein anhaltendes Zahlungsbilanzgleichgewicht wiederherzustellen, entschied man
sich 1993 die Wechselkursbandbreite von +/- 2,25% auf +/- 15% auszuweiten, und
so mehr Spielraum für alle Beteiligten zu gewährleisten. (Begg et al., 2002, S.7)
Der größte Nachteil eines Fixkurssystems liegt darin, daß die Funktion, die der
Wechselkurs für jedes Land erfüllen soll, bei festen Kursen außer Kraft gesetzt ist.
Der Wechselkurs als Preis einer ganzen Währung bildet gewissermaßen ein
Scharnier des internationalen Kapitalverkehrs. Er entscheidet mit darüber, wie viel
Kapital und damit wie viele Ressourcen einer Volkswirtschaft aus dem Ausland für
Investition und Konsum zur Verfügung gestellt werden.
5
Für ein Land ist es daher wichtig nicht zu lange an dem einmal fixierten Wechselkurs festzuhalten,
da dies Märkte dazu einladen könnte gegen die Währung zu spekulieren. Aus diesem Grund mussten
Italien und Großbritannien 1992 trotz massiven Widerstandes abwerten. (Begg et al., 2002, S.6)

- 12 -
Den Wechselkurs zu Beginn zu fixieren, um den Prozess des Kapitalimports in Gang
zu bringen, ist eine sinnvolle Möglichkeit, um Ländern im Entwicklungsprozess Zeit
zu ersparen. Während der wirtschaftlichen Entwicklung schwankt jedoch der Bedarf
an ausländischem Kapital in nicht vorhersehbarer Weise. Hier bildet ein vom Markt
bestimmter Wechselkurs das beste Regulativ, um den Auslandskapitalbedarf eines
Landes zu signalisieren. Geschieht dies nicht, so entstehen Fehlallokationen. So
flossen den südostasiatischen Ländern vor der Asienkrise in hohem Maß Mittel aus
dem Ausland zu, ohne daß genügend Ertragschancen gegeben waren. (Flassbeck et
al., 2002)
Das Vertrauen der Kapitalgeber in die festen Wechselkurse begünstigte in dieser
Phase hoher Kapitalzuflüsse eine sorglose Ausweitung der inländischen
Kreditvergabe, wobei aufgrund
mangelnder Sicherheitsvorschriften und
unangemessener Berücksichtigung offener und verdeckter Garantien (Moral Hazard),
nicht auf die damit einhergehenden Risiken geachtet wurde. Nachdem einige
Investoren ihre Einschätzung über die ökonomischen und finanziellen Aussichten
des Landes plötzlich änderten bzw. eine Aufgabe staatlicher Sicherheitsgarantien
befürchteten, zogen sie sich aus ihren Investments zurück, wodurch eine rasante
Kapitalflucht ausgelöst wurde. Die Folge waren hohe Leistungsbilanzdefizite sowie
starke Wechselkursabwertungen jener Länder, die mit sinkenden Devisenreserven
konfrontiert waren. (Ohr, 2001, S.83)
Die Asienkrise von 1997-98 liefert uns daher einen weiteren Erklärungsansatz dafür,
wie hohe Kapitalflüsse bei unterentwickelten Finanzsystemen zur Fehlallokation der
zufließenden Mittel führen kann. Diese können sowohl bei flexiblen als auch bei
festen
Wechselkursen entstehen,
wobei eine
Wechselkursbindung eine
Wechselkursgarantie vortäuscht und damit den Zufluß an ausländischem
Anlegerkapital und eine exzessive Devisenverschuldung fördern, was wiederum zu
einem exzessiven Wechselkursrisiko im Finanz- und Unternehmenssektor führt.
Größere Flexibilität der Wechselkurse bewirken hingegen, daß sich unter
Berücksichtigung der Risikoprämie für Wechselkursveränderungen bestimmte
spekulative Kapitalimporte nicht mehr rechnen, und damit weniger kurzfristiges
mobilisierbares Kapital, das jederzeit wieder abgezogen werden kann, in das Land
kommt. (Ohr, 2001, S.82ff)

- 13 -
In
Festkurssystemen
können
gewisse Überbewertungen des
nominalen
Wechselkurses jahrelang bestehen. Hat sich die Lage dann so zugespitzt, daß der
feste
Wechselkurs nicht
mehr haltbar ist, kommt es
zu
heftigen
Wechselkursabwertungen und zu stärkeren Zinsanstiegen. Diese bewirken schwere
Anpassungsrezessionen in den betroffenen Ländern. Je nach Größe der
Volkswirtschaft als internationalem Schuldner ist die finanzielle Stabilität einzelner
Gläubiger oder im schlimmsten Fall sogar des Weltfinanzsystems bedroht.
Die Erfahrungen der Emerging Markets mit fixen Wechselkursen können daher als
Warnung vor einem allzu sorglosen Umgang damit gelten. Sie sind kein Allheilmittel
zur mühelosen wirtschaftlichen Entwicklung. Sie ersetzen nicht eine marktorientierte
Entwicklungsstrategie mit umfassender außenwirtschaftlicher Öffnung, Rückführung
von Staatsaktivitäten und wettbewerbsorientierter Rahmensetzung. (Flassbeck et al.,
2002)
2.2.2 Entwicklung hin zur ,,Two Corner Solution"
Die oben angeführten Erfahrungen vieler Volkswirtschaften, bei denen de jure oder
de facto ,,soft pegs"
6
zur Anwendung kamen (IMF, 2000, S.21), bewogen viele
Ökonomen dazu, sich für die Ecklösungen bzw. für die sogenannte ,,Two Corner
Solution" einzusetzen. Nach dieser Doktrin galten nur solche Währungssysteme an
den Randpunkten des Kontinuums zwischen absolut festen Wechselkursen (hard
pegs) und frei schwankenden Wechselkursen (floating) als krisensicher. (Flassbeck
et al., 2002)
Ein großer Befürworter dieser Theorie - Stanley Fischer - präsentierte 2001 eine
Untersuchung, in der die Verbreitung verschiedener Wechselkursregime in den
Emerging Markets bis hin zu den weiter entwickelten Ländern zu Beginn und zum
Ende der 90er Jahren verglichen wurden. Dabei wurde deutlich, daß immer mehr
Staaten mit zunehmender Kapitalmobilität in den vergangenen 10 Jahren dazu
6
Soft Pegs sind Wechselkursregime, die zwischen den beiden extremen anzusiedeln sind. (IMF,
2000, S.21)

- 14 -
übergegangen sind, sich von soft pegs hin zu hard pegs auf der einen und flexiblen
Kursen auf der anderen Seite zu bewegen.
Vor allem in Vorbereitung auf eine endgültige Übernahme des Euro wird von vielen
europäischen Staaten seit Ende der 90er ein Aushöhlen der mittleren Lösungen (das
sind Zielzonen oder feste, aber prinzipiell anpassungsfähige Wechselkurse)
beobachtet. (Fischer, 2001)
2.3 Fixe Wechselkursregime
Feste Wechselkurse sind fast nur in Ländern anzutreffen, in denen die Wechselkurse
administrativ festgelegt werden. Sofern sich die Kursbildung im Gegensatz dazu am
Markt vollzieht, handelt es sich bei fixen Wechselkursen um Systeme mit fast fixen
bzw. kaum flexiblen Wechselkursen.
Bei fixen Wechselkursen ist die Orientierungsmarke ein autonomes oder in
zwischenstaatlichen Vereinbarungen festgelegtes Verhältnis zwischen zwei
Währungen (Parität bzw. Leitkurs), das prinzipiell ständig gelten soll. Dies würde
erfordern, daß der sich auf den Devisenmärkten ergebende Wechselkurs immer der
vereinbarten Parität entsprechen sollte; in der Praxis wird dies jedoch höchstens
zufällig und nur kurzfristig der Fall sein. Daher ist es bei fixen Wechselkursen - wie
innerhalb des EWS II - zulässig, daß die sich am Devisenmarkt bildenden Kurse vom
Leitkurs nach oben oder unten abweichen, wobei das Ausmaß der zulässigen
Abweichung wiederum Vereinbarungssache ist. Wechselkursänderungen als Folge
von Angebots- und Nachfrageänderungen auf dem Devisenmarkt werden nur
innerhalb einer festgelegten Bandbreite zugelassen.
Durch die Reduzierung der Risiken und Kosten internationaler Transaktionen erhofft
man sich hauptsächlich eine Stimulierung des Außenhandels, da die Unternehmen
den Wechselkurs als sichere Komponente in ihre Kalkulation mit einbeziehen
können. Probleme entstehen, wenn der Wechselkurs aus der zulässigen Bandbreite
auszubrechen droht. Dann müssen die beteiligten Notenbanken intervenieren. Die
entsprechenden Höchst- bzw. Mindestpreise werden als oberer bzw. unterer
Interventionskurs bezeichnet. (Schnabl et al., 2000, S.11ff)

- 15 -
2.3.1 Currency Board
Das Currency Board ist eine Form der festen Wechselkursstrategie, wobei es von der
Anwendung her zwischen dem Fixed Peg und der Dollarisierung (bzw. Euroisierung)
anzusiedeln ist. (IMF, 2000, S.26)
Das Prinzip des Currency Board besteht darin, die gesamten geldpolitischen
Kompetenzen an eine ausländische Zentralbank mit hoher Reputation zu übertragen.
Der inländische Bargeldumlauf muß zu 100% durch Devisenreserven gedeckt sein,
und die Ausgabe inländischer Banknoten und Münzen ist nur im Austausch gegen
Devisen möglich. Die Nachfrage nach Devisen kann daher niemals den Bestand an
Währungsreserven übersteigen.
Die umlaufende Geldmenge wird allein durch die Nachfrage der Wirtschaftssubjekte
bestimmt, und die Währungsbehörde ist gesetzlich dazu verpflichtet, alle An- und
Verkaufswünsche zu dem festgelegten Wechselkurs zu erfüllen. (Jochem et al.,
2001, S.12) Die Einführung eines Currency Board eignet sich am besten in den
Ländern, die eine sehr offene Volkswirtschaft haben, wie z.B.: Estland.
7
(Bofinger,
1999, S.24)
Trotz seiner einfachen Handhabung und Transparenz bedarf es zur erfolgreichen
Umsetzung der oben erwähnten Kriterien eines intakten Bankensystems, da die
Währungsbehörde nicht die Möglichkeit hat, für uneinbringliche Kredite der
Geschäftsbanken einzuspringen bzw. die Funktion des ,,Lender of last Resort" zu
übernehmen. Eine weitere Einschränkung besteht auch darin, daß geldpolitische
Maßnahmen in Form von Zins- oder Wechselkursanpassungen zur Stimulierung der
Wirtschaft ausgeschlossen sind. Stattdessen werden Lohn- und Preisadjustierungen
zur Herstellung des ökonomischen Gleichgewichtes durchgeführt, die bei strukturell
7
Offenheitsgrad einer Volkswirtschaft: ½ (Exporte+Importe) / (nominales BIP). Mit 72,5% hat Estland
den höchsten Offenheitsgrad in Osteuropa. Tschechien hat 60,3%, Slowenien 57,7%, Ungarn 39,6%
und Polen 27,8%. (Bofinger, 1999, S.24)

- 16 -
starren Arbeitsmärkten sehr schmerzvoll sein können.
8
(Gulde et al., 2000, S.6)
Ein weiterer Nachteil, der für Reformländer im Aufholprozeß nicht unproblematisch
ist, sind die hohen fiskalischen Opportunitätskosten eines Currency Board. Die
Währungsbehörde erzielt keine Seigniorage-Einnahmen, da auf ausländische
Devisen keine Zinserträge anfallen. Darüber hinaus muß der steigende
Bargeldbedarf einer wachsenden Volkswirtschaft entweder durch Kapitalimporte (d.h.
durch
zunehmende Auslandsverschuldung)
oder
durch
permanente
Leistungsbilanzüberschüsse finanziert werden. (Jochem et al., 2001, S.13)
Ein Hauptmotiv für die Einführung des Currency Board als Extremvariante der
Wechselkursbindung ist die erhöhte Glaubwürdigkeit der geldpolitischen Stabilität.
Eine unabhängige Geldpolitik bleibt der Notenbank verwehrt, und somit kann auch
keine stark inflationär wirkende Geldschöpfung betrieben werden.
Als weiteres wesentliches Motiv ist der unmittelbare Preisstabilitätsimport zu
erwähnen, der hauptsächlich dann zur Disinflation eines Transformationslandes
beiträgt, wenn dessen Inflationsraten im zweistelligen Bereich liegen. Dieser Vorteil
birgt aber dennoch die Gefahr einer permanenten realen Aufwertung bei anhaltenden
Inflationsdifferenzen im Vergleich zur Ankerwährung, was zu einschneidenden
Wettbewerbsnachteilen führen kann. Das könnte in weiterer Folge zu einer
tiefgreifenden Zahlungsbilanzkrise ausarten, sollte
die Tragfähigkeit des
Wechselkurszieles durch die privaten Wirtschaftssubjekte in Zweifel gezogen
werden. (Jochem et al., 2001, S.11)
Jüngste Untersuchungen von Ghosh et al. (1998) haben ergeben, daß rückblickend
Länder mit Currency Boards geringere Inflationen und höhere Wachstumsraten
erfahren haben, als jene mit frei schwankenden Wechselkursen bzw. einfachen
Wechselkursfixierungen (gegenüber den letzt genannten war die durchschnittlich
gemessene Inflationsrate sogar um 4% niedriger). Dieser Tatbestand ist nicht zuletzt
auf die enorm hohe Glaubwürdigkeit zurückzuführen, die diese Institution innehat.
8
Ein Currency Board reagiert wie andere fixe Wechselkursregime mit einem automatischen
Anpassungsmechanismus auf Devisenexporte sowie -importe. Bei eintretender Flucht in die Währung
des Ankerlandes kommt es zur Kontraktion des Geldangebotes, was zu einer Steigerung der
Zinssätze führt, die wiederum dieser Kapitalflucht entgegenwirken, da die höheren Zinsen die
ausländischen Anleger zu Anleihenkäufen im Inland anregen. (Gulde et al., 2000, S.5)

- 17 -
Dieser Effekt erhöht die Geldnachfrage, und führt bei gegebenem Wachstum des
Geldangebotes zu niedrigerer Inflation und zu einer höheren Wachstumsrate.
Nicht nur kleinere Volkswirtschaften profitieren von einem Currency Board. Auch
große Volkswirtschaften sind aufgrund ihres hohen Diversifikationsgrades in nahezu
allen Sektoren und Regionen dazu in der Lage, auf reale exogen auftretende
Schocks ohne Wechselkursanpassungen zu reagieren. Die untersuchten Länder
zeigten zusätzlich geringere Budgetdefizite, die nahezu um 2% geringer ausgefallen
sind als unter anderen Wechselkursregimen. (Ghosh et al., 1998, S.3ff)
Das Currency Board ist für eine EU-Mitgliedschaft als Instrument zwar anerkannt,
allerdings gibt es immer noch Diskussionen darüber, ob es mit einer Beteiligung am
EWS II vereinbar ist. Die strenge Disziplin, die ein Currency Board erfordert
(ausgeglichener Budgetsaldo, gesundes Finanzsystem, flexible Arbeitsmärkte), ist für
viele dieser Länder eine Herausforderung, da sie mit zunehmenden Kapitalflüssen
und asymmetrisch auftretenden Schocks rechnen müssen. (Gulde et al., 2000, S.4)
2.3.2 Crawling Peg und Crawling Band
Viele Länder mit festen Wechselkursen fixieren die Wechselkurse nicht, sondern
verpflichten sich den Wechselkurs innerhalb zulässiger Bandbreiten zu halten. Die
Verpflichtung kann mittels öffentlicher Ankündigung erfolgen, indem ein Band mit
vernünftiger Ober- und Untergrenze für die Wechselkursrate genannt wird, oder
durch ein de facto Band, bei dem die Öffentlichkeit durch die Aktivitäten der
Währungsbehörde sensibilisiert wird.
Bei Inflationsraten, die substantiell über jenen der wichtigsten Industrieländer liegen,
empfiehlt sich ein Crawling Peg oder Crawling Band einzuführen. Das passive
Crawling Peg oder Band, wo die Parität um die Inflation angepasst wird, hat den
Vorzug, daß die Tendenzen zur Aufwertung des realen Wechselkurses über die
wirtschaftlichen Fundamentaldaten hinaus vermieden werden. Weiters kann auch
durch die Anpassung der Crawling Rate (Abwertungsrate) eine Korrektur von
aufkommenden Ungleichgewichten in der Leistungsbilanz vorgenommen werden.
Der Nachteil dieser passiven Variante ist die auf die Kurzfristigkeit ausgelegte

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Handlungsweise, die teilweise ein stark schwankendes Crawling Peg oder Band mit
anhaltend hohen Inflationsraten kennzeichnet.
Einen nachhaltigeren Inflationsabbau kann das aktive Crawling Peg oder Band
bewirken, bei dem die Abwertungsrate bis zu einem Jahr im Voraus - mit dem Ziel
Inflationserwartungen zu beeinflussen - angekündigt wird. Um dieses aktive Band
durchzusetzen, muß die Nationalbank ihr Engagement zu dieser Verpflichtung
glaubwürdig darstellen, wenn sie nicht hohe Kosten zur Verteidigung des
Wechselkurses bezahlen möchte. Gerade hier aber zeigt sich die Schwierigkeit den
,,richtigen" Wechselkurs zu bestimmen. Die Vergangenheit hat gezeigt, daß gerade
bei solchen Wechselkurssystemen die Anfälligkeit für spekulative Attacken sehr groß
ist, da Spekulanten bei großen Ungleichgewichten einen großen Anreiz haben, aus
der Über- oder Unterbewertung des Wechselkurses Gewinne zu lukrieren. (IMF,
2000, S.27)
2.4
Flexible Wechselkursregime
2.4.1 Independent Floating
Von einem Wechselkurssystem mit flexiblen Wechselkursen wird meistens dann
gesprochen, wenn die Wechselkursbildung dem freien Spiel der Marktkräfte
überlassen wird, ohne daß die Zentralbank bzw. andere Währungsbehörden durch
Interventionen am Devisenmarkt Einfluß auf den Kurs zu nehmen versuchen.
Bei flexiblen Wechselkursen bewirkt eine Veränderung von Angebot und Nachfrage
nach Devisen einen neuen Wechselkurs. Eine anhaltende Erhöhung der Nachfrage
nach einer Währung wird bei unverändertem Angebotsverhalten zu einer Aufwertung
dieser Währung führen, da manche Nachfrager, die aufgrund des zu knappen
Angebots nicht zum Zuge kommen, bereit sein werden, einen höheren Preis dafür zu
zahlen.
Flexible Wechselkurssysteme entsprechen daher weitestgehend dem Prinzip
marktwirtschaftlicher Preisbildung. Vom englischen Sprachgebrauch ist für das
System flexibler Wechselkurse auch der Ausdruck Floating übernommen worden, da
der flexible Wechselkurs im Zeitablauf auf den Wellen der Marktkräfte schwimmt.
Ende der Leseprobe aus 107 Seiten

Details

Titel
Wechselkursstrategien ausgewählter EU-Beitrittskandidatenländer für deren Annäherung an die Europäische Währungsunion
Hochschule
Wirtschaftsuniversität Wien
Note
1
Autor
Jahr
2004
Seiten
107
Katalognummer
V185979
ISBN (eBook)
9783869439969
ISBN (Buch)
9783867467803
Dateigröße
904 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
wechselkursstrategien, eu-beitrittskandidatenländer, annäherung, europäische, währungsunion
Arbeit zitieren
Ing. Mag. Thomas Kaim (Autor:in), 2004, Wechselkursstrategien ausgewählter EU-Beitrittskandidatenländer für deren Annäherung an die Europäische Währungsunion, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185979

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