Zur Vereinbarkeit von Prüfung und Beratung


Diplomarbeit, 2004

66 Seiten, Note: 0


Leseprobe


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1. Problemstellung

Auf Grund der amerikanischen Bilanzskandale hat das Vertrauen in den Berufsstand der Wirtschaftsprüfer sehr stark gelitten.

Schon im Jahre 1977 konnte man in einer Umfrage feststellen, dass die Unabhängigkeit des Prüfers durch gleichzeitige Unternehmensberatung gefährdet sein kann, weil dieser bei solchen Tätigkeiten möglicherweise enormen Einfluss auf das Unternehmen ausübt und Unrichtigkeiten in der Buchführung billigt. 1 In der Folgezeit ist dieses Thema nicht weiter erörtert worden, da keine direkten Auswirkungen auf den Jahresabschluss durch gleichzeitige Beratung zu erkennen waren.

Die Problematik ist in Deutschland erstmals wieder im Jahre 1998 mit dem Gesetz zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) zur Sprache gekommen und wurde mit der Insolvenz des Energiekonzerns Enron im Jahre 2001 weltweit erkannt. Hier war die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Arthur Andersen an erheblichen Bilanzmanipulationen durch gleichzeitige Durchführung von Prüfung und Beratung beteiligt und die Unternehmenszahlen haben nicht die tatsächlichen Verhältnisse widergespiegelt. Somit stellen die Gefahren, welche sich aus der Verbindung von Prüfung und Beratung ergeben, kein nationales, sondern ein grundsätzliches Problem dar.

Der Jahresabschluss dient als wichtigstes Informationsinstrument für die Öffentlichkeit. Demnach ist es zwingend notwendig, dass Prüfungsgesellschaften eine unumstrittene Unabhängigkeit bewahren und falsche Sachverhalte im Rahmen der Bilanzierung erkennen bzw. aufdecken. Ist ein Prüfer an der Herbeiführung von Beratungsprojekten beteiligt, welche später einer unvoreingenommenen Beurteilung im Rahmen der Jahresabschlussprüfung unterzogen werden sollen, können Interessenkonflikte entstehen.

Die Prüfung stellt eine prozessunabhängige Überwachung dar. Eine Beratung, welche über die Hilfestellung oder Abgabe von Handlungsempfehlungen hinausgeht, führt unweigerlich zur Selbstprüfung.

Diesen Interessenkonflikt sowie durchgeführte Maßnahmen und Entwürfe zur Stärkung der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers werde ich in dieser Arbeit erläutern und kritisch würdigen.

1 Vgl. Richter, Martin: Die Inkompatibilität von Jahresabschlußprüfung und Unternehmensbera-

tungen durch Wirtschaftsprüfer, in: JfB, 27. Jg. (1977), S. 21-42, hier: S. 37.

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2. Gesetzliche Regelungen

2.1 Die deutschen Vorschriften 2.1.1 HGB und WPO

Der Begriff „Prüfung“ bezeichnet einen Prozess, welcher durch den ökonomischen Vergleich eines Ist-Objekts mit dem Soll-Objekt zur Urteilsbildung beitragen soll. Eine Beratung wird durch Abgabe und Erörterung von Empfehlungen mit Hilfe sachverständiger Personen in Hinblick auf künftige Entscheidungen charakterisiert. Der Wirtschaftsprüfer hat die Ordnungsmäßigkeit des Jahresabschlusses, die Bilanz, die Gewinn- und Verlustrechnung, den Anhang und den Lagebericht als Prüfungs-gegenstand (vgl. Abbildung 1). 2

In der Wirtschaftsprüferordnung (WPO) werden Grundsätze einer ordnungsgemäßen Prüfung gemäß §§ 2, 43, 44 und 49 geregelt. Auch im Handelsgesetzbuch (§ 319) und in der Berufssatzung der Wirtschaftsprüfer (§§ 2, 20-24) sind Richtlinien verankert, an denen sich der Revisor bei seiner Arbeit zu orientieren hat. Eine Urteilsbildung hat auf Basis sachlicher Gesichtspunkte durch einen fachlich kompetenten Partner zu erfolgen. 3 Der Prüfer hat seine Arbeit unabhängig, gewissenhaft, verschwiegen, eigenverantwortlich und unparteiisch durchzuführen. Dabei kann er schnell in ein Spannungsfeld zwischen objektivem Jahresabschlussprüfer und subjektivem Berater bzw. Interessenvertreter kommen. Das zu enge Vertrauensverhältnis schränkt die Urteilsfähigkeit erheblich ein (potenzielle Abhängigkeit). 4 Eine ordnungsgemäße Prüfung kann also nur durch uneingeschränkte Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Revisors gewährleistet werden. Um das Vertrauen in der Öffentlichkeit zu stärken und Gefahren der Selbstprüfung entgegenzuwirken, darf er nicht an Gestaltungen des Jahresabschlusses mitwirken. Falls er Fehler feststellt, können Korrekturvorschläge gemacht, und Entscheidungshilfen gegeben werden. Wertungen sind hierbei untersagt. Ein Jahresabschluss behält bei Verstoß gegen die o.g. Regelungen weiterhin seine Gültigkeit. Der Prüfer hat jedoch in Zukunft dem betroffenen Unternehmen seine Arbeit zu versagen. 5

2 Vgl. Weiland, Heiner: Zur Vereinbarkeit von Abschlußprüfung und Beratung, in: BB, 51. Jg.

(1996), S. 1211-1216, hier: S. 1211.

3 Vgl. Ewert, Ralf: Unabhängigkeit und Unbefangenheit, in: Ballwieser, Wolfgang/Coenenberg,

Adolf G./Von Wysocki, Klaus (Hrsg.): Handwörterbuch der Rechnungslegung und Prüfung,

3. Auflage, Stuttgart 2002, S. 2386-2395, hier: S. 2388f.

4 Vgl. Jenkis, Helmut: Die Wirtschaftsprüfer im Konflikt zwischen Prüfung und Beratung, in: Engel-

hardt, W.W./Thiemeyer, Th. (Hrsg.): Schriften zum Genossenschaftswesen und zur Öffentlichen

Wirtschaft, Band 25, Berlin 1989, hier: S. 77.

5 Vgl. Weiland, Heiner: a.a.O. (Fn 2), hier: S. 1213-1215.

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2.2 Die EU-Regelungen

Während in Deutschland kein generelles Verbot von gleichzeitiger Prüfung und Beratung existiert, solange die Unabhängigkeit und Unbefangenheit gewahrt wird, liefert die EU konzeptionelle Lösungen. Es werden explizit Beratungsleistungen genannt, welche mit einer parallelen Prüfung unvereinbar sind. Somit trifft der Revi-sor nicht selbst das Urteil über die Normenkonfirmität und es bestehen keine Gefahren wie z.B. personelle Verflechtungen, finanzielle Interessen oder persönliche Beziehungen zum Betrieb. Die Frage nach Zulässigkeit einzelner Beratungen entfällt und es kann nur schwer zu kreativen Buchführungstechniken kommen. Man muss hierbei immer beachten, dass Korrekturvorschläge nicht gegen das Mitwirkungsverbot verstoßen, sondern der Prüfer im Falle einer fehlerhaften Bilanzierung das Einwirkungsgebot zu befolgen hat. Entscheidungskompetenzen dürfen aber niemals auf ihn übertragen werden.

Der „Code of Ethics“ (im Folgenden Code genannt) der „International Federation of Accountants“ (IFAC) aus dem Jahre 1992 hat dazu beigetragen, mittels berufsethischer Normen von Wirtschaftsprüfern die Interessen- und Rollenkonflikte einzudämmen. Er wurde in den Jahren 1996 und 1998 überarbeitet. Hierbei sollten hauptsächlich Wünsche und Forderungen aller Leistungsadressaten berücksichtigt werden. Der Code ordnet kasuistisch auf Einzelfälle abgestimmte Handlungsanweisungen an und gibt somit konkrete Lösungen für ethische Konflikte vor. Die notwendige Objektivität wird als eine Mischung aus Unparteilichkeit, geistiger Aufrichtigkeit und der Freiheit von Interessenkollisionen definiert. Elementare Grundsätze wie Integrität, Objektivität, berufliche Kompetenz und Sorgfalt, Verschwiegenheit, Unabhängigkeit, berufswürdiges Verhalten, Einhaltung verbindlicher Richtlinien und Vorschriften sind konstituiert worden. Man hat im Vertrauen der Anleger mit hohem Maß an Glaubwürdigkeit zu arbeiten. 32 Diese Anforderungen an Wirtschaftsprüfer werden von jedem in unterschiedlichem Ausmaß subjektiv befolgt. Somit kann der Code meines Erachtens keine Garantie für die Unabhängigkeit und Unbefangenheit des Prüfers gewährleisten, sondern nur an eigene Werte appellieren. Die EU verlangt von den Mitgliedstaaten, dass sie die Anforderungen zur Gewährleistung der Unabhängigkeit selbst festlegen und angemessene Sanktionen beim Verstoß verhängen sollen. Jeweilige Ausgestaltungen sind daher in jedem Land

32 Vgl. Kuhner, Christoph: Der Code of Ethics for Professional Accountants der International Federa-

tion of Accountants (IFAC) - Neue Verhaltensrichtschnur für den Wirtschaftsprüfer?, in: WPKM,

11. Jg. (1999), S. 7-15, hier: S. 8-12.

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unterschiedlich. 33 Schon im Jahre 1996 hat die EU im Grünbuch „Rolle, Stellung und Haftung des Wirtschaftsprüfers in der europäischen Union“ eine Notwendigkeit europaweit entsprechender Begriffserklärungen angesprochen. Dabei sind weniger inhaltliche Grundsatzfragen als die Reichweite der Empfehlungen geklärt worden. Es wurde die endgültige Harmonisierung gefordert, bei der alle Mitgliedstaaten für eine schnelle Anwendung der empfohlenen Grundsätze sorgen sollten. 34 Vertrauenswürdigkeit wird von der Urteilsfähigkeit und Urteilsfreiheit determiniert, die sich laut EU durch Rahmenbedingungen bzw. allgemeine Tatbestände sichern lässt. Es darf keine persönliche Integrität vorliegen. Die vierte und siebte EU-Richtlinie regeln Fragen der Reichweite einer Prüfungspflicht von Jahresabschlüssen. Die achte Richtlinie definiert Anforderungen an Personen, welche an der Pflichtprüfung beteiligt sind. Im Jahre 2000 wurde von der EU erstmals ein Gesamtkonzept zur Sicherung der Unabhängigkeit in Form eines Diskussionsentwurfs herausgebracht. Er bestand aus allgemein zu beachtenden Grundsätzen (part A: framework) und Verhaltensweisen in bestimmten Situationen (part B: specific requirements). 35

2.3 Die amerikanischen Verordnungen

In den USA werden Regelungen bzgl. der Unabhängigkeit des Abschlussprüfers von der „Securities and Exchange Commission“ (SEC) verabschiedet. Nach deren Auffassung kann es durch finanzielle Interessen und persönliche Beziehungen des Prüfers zum Unternehmen zur Beeinträchtigung des Prüfungsergebnisses kommen. Die SEC weist darauf hin, dass Beratungsdienstleistungen (non audit services) auf Grund wirtschaftlicher Anreize und Prüfung der eigenen Arbeit zum Konflikt führen können. Daher sind Funktionen in neun Bereichen explizit aufgeführt, welche nicht von der Person durchgeführt werden dürfen, die das Unternehmen prüft: 36 1. Buchführungstätigkeiten/Aufstellung des Jahresabschlusses, 2. IT - Dienstleistungen, 3. Bewertungsgutachten, 4. versicherungsmathematische Dienstleistungen,

33 Vgl. Quick, Reiner: Abschlussprüfung und Beratung: Zur Vereinbarkeit mit der Forderung nach

Urteilsfreiheit, in: DBw, 62. Jg. (2002), S. 622-643, hier: S. 622-625.

34 Vgl. Niehues, Michael: Unabhängigkeit des Abschlußprüfers - Empfehlung der EU-Kommission -

Hintergrund und Überblick, in: WPKM, 14. Jg. (2002), S. 182-193, hier: S. 182f.

35 Vgl. Schwandtner, Christian: Die Unabhängigkeit des Abschlussprüfers - Europäische und inter-

nationale Ansätze im Vergleich, in: DStR, 40. Jg. (2002), S. 323-332, hier: S. 324-326.

36 Vgl. Lenz, Hansrudi: Unabhängigkeit des Abschlussprüfers und Non-Audit Services - Neue Vo r-

schriften der SEC, in: BB, 56. Jg. (2001), S. 299-304, hier: S. 300.

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5. interne Revision, 6. Managementfunktionen, 7. Personalberatung, 8. Finanzdienstleistungen, 9. Rechtsberatung und Rechtsvertretung.

Es ist möglich, dass in Ausnahmefällen die Erbringung dieser Leistungen mit gleichzeitiger Prüfung dennoch vereinbar ist. Außerdem wird eine Offenlegung des Umfangs der Beratungsleistungen gefordert. 37

2.4 Vergleich der Vorschriften

Sowohl in den deutschen Regelungen als auch in den Vorschriften der EU und Normen der SEC wird die größte Gefahr der Unabhängigkeit bei einem full service-Konzept des Abschlussprüfers gesehen. Die als Garantiefunktion bezeichnete Aufgabe gegenüber der Öffentlichkeit (Aussagewert der Rechnungslegung sicherstellen und Vertrauen durch hohe Fachqualifikation stärken) und Unterstützungsfunktion für den Aufsichtsrat bzw. Vorstand mit eigener kritischer Distanz lassen sich dabei schwer miteinander vereinen. Es wurden jedoch in keiner der vorgestellten Regelungen geeignete Schutzmaßnahmen gegenüber einem full service geschaffen. 38 Das Konzept der SEC, bei dem einzelne Beratungstätigkeiten konkret mit Verboten genannt werden, bezeichnet man als prescriptive- bzw. rule based approach, weil es sich an fest umrissenen Regeln orientiert. Der EU-Ansatz basiert auf dem threats and safeguards-Prinzip. Der Prüfer muss sich selbst über mögliche Unabhängigkeitsgefahren klar werden und geeignete Schutzmaßnahmen ergreifen. Dieses Modell bietet durch Prinzipien eine größere Flexibilität, womit höheres Problembewusstsein gewährleistet werden soll. Vorteile des Konzepts der SEC liegen in dem besseren Anlegerschutz mittels klarer Regeln. 39

Ende der Leseprobe aus 66 Seiten

Details

Titel
Zur Vereinbarkeit von Prüfung und Beratung
Hochschule
Johannes Gutenberg-Universität Mainz
Note
0
Autor
Jahr
2004
Seiten
66
Katalognummer
V185919
ISBN (eBook)
9783656990130
ISBN (Buch)
9783867467650
Dateigröße
904 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
vereinbarkeit, prüfung, beratung
Arbeit zitieren
Thomas Heinrichs (Autor:in), 2004, Zur Vereinbarkeit von Prüfung und Beratung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185919

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