Neue Medien und betriebliche Weiterbildung

Formen und Einsatz computer- und netzbasierter Lehr-Lernsysteme in der betrieblichen Weiterbildung


Diplomarbeit, 2000

130 Seiten, Note: 1


Leseprobe


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Einleitung image 878e113c9f212b3742c76165aeaf87f9

Einleitung

Der Übergang von der Industrie- zur Informationsgesellschaft 2 , in der „Menge, Ge- und Effizienz bei der Informationsbeschaffung und -verarbeitung höchste Priorität haben“ (Europäische Kommission 1997, zitiert nach MANDEL/REINMANN-ROTHMEIER 1998, S. 193), zeigt sich in den Veränderungen nahezu aller Bereiche unserer Gesellschaft. Die rasante Entwicklung auf dem Sektor der Informations- und Kommunikationstechnologien ist zu einem markanten Kennzeichen unserer Zeit geworden. Vor allem in Industrie und Wirtschaft, aber auch in Wissenschaft, Bildung sowie im privaten Bereich des Einzelnen haben die neuen Technologien einen Wandel in Gang gesetzt. Die Vorteile der neuen Technologien, wie z.B. der rasche und leichte Zugang zu Informationen und die Unabhängigkeit von Ort und Zeit beim Umgang mit Selbigen, sind der Ausgangspunkt für die Globalisierung der Märkte. Ein Unternehmen ist nicht mehr an regionale Grenzen gebunden, sondern kann seine Produkte bzw. Dienstleistungen in allen Teilen der Welt vertreiben. Neben diesen neuen wirtschaftlichen Umständen erfordern die zunehmende Flexilibisierung und Technisierung innerhalb der Arbeitsbedingungen veränderte Qualifikationen der Beschäftigten. Die Notwendigkeit der Weiterbildung der Mitarbeiter eines Unternehmens, und die steigenden Kosten für Weiterbildungsmaßnahmen, ermöglichten computer- und netzbasierten Lehr-Lernsystemen den Einzug in die betriebliche Bildungspraxis. Allen Ortens werden die Potentiale und Möglichkeiten dieser neuen Lehr-Lernmedien thematisiert, diskutiert und propagiert. Zahlreiche Messen, Tagungen, Kongresse etc. sind geprägt von einem Thema: Das Lernen mit den Neuen Medien.

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Allerdings entstanden bei der Bearbeitung des Themas zusätzlichen Fragen, denen ich mich nicht oder nur implizit widmen werde. Hierbei handelt es sich zum einen um die Diskussion der tatsächlichen Effektivität des Lernens mit Neuen Medien, die meist durch psychologische Studien geführt wird. Die sich daran anschließenden Fragen nach dem didaktischen Design von Lehr-Lernmedien werden ebenfalls nicht in dieser Arbeit besprochen. Der Diskussion um die Medienkompetenz werde ich mich in Rahmen dieser Arbeit nicht widmen, da sie meiner Ansicht nach bereits in der Schulbildung verortet ist und nicht erst Thema der betrieblichen Weiterbildung sein darf. Die Veränderung der Lehr-Lernformen durch den Einsatz computer- und netzbasierter Lehr-Lernformen, lässt auf veränderte Funktionen bzw. Rollen des Weiterbildners innerhalb des Lehr-Lernprozesses schließen. Auch diesen Umstand werde ich in dieser Arbeit nicht weiter ausführen.

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Neue Medien - Begriffsbestimmung

1.1. Medien und Bildungsmedien

In der Kommunikationswissenschaft versteht man unter Medien traditionellerweise die Mittler zwischen Sender und Empfänger. Vermittelt werden Informationen (HERBECK 1998, S. 219 und WEIDENMANN 1997, S. 197). DICHANZ und KOLB verstehen das Medium als „...Zeichen- bzw. Informationsträ- ger...“ aber auch als „...Zeichen- bzw. Informationssystem..., welches die Kommunikation zwischen mindestens zwei Partnern unterstützt bzw. erst ermöglicht (DICHANZ/KOLB 1975/6, zitiert nach KERRES 1998, S.15). TULODZIECKI definiert: „Im allgemeinsten Sinne des Wortes kann man die Form, in der ein Inhalt präsentiert wird, als Medium bezeichnen“ (zitiert nach KERRES 1998, S.15).

die zur Vermittlung, Erarbeitung, Bearbeitung und Vertiefung von Lernstoff in Lehr- und Lernsituationen eingesetzt werden. DICHANZ/KOLB definieren Unterrichtsmedien als Zeichenträger bzw. Zeichensysteme im didaktischen Feld“ (zitiert nach KERRES 1998, S.15). Die Definitionsansätze verdeutlichen die beiden Elemente des Medienbegriffes: der Informationsträger und die medial vermittelte, codierte Information.

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Bei der Diskussion des Begriffs des Bildungsmediums treffen nach KERRES (1998, S.18f) zwei Vorstellungen aufeinander:

Bildungsmedien sind solche Medien, die im Bildungskontext zum Einsatz kommen, d.h. alle jemals im Bildungskontext verwendeten Medien sind als Bildungsmedium zu bezeichnen. Dem entgegen verweist der Begriff des Bildungsmediums auf einen inhaltlichen Anspruch, so dass nicht alle zu Lehr- und Lernzwecken verwendeten Medien darunter fallen können. Nach dieser Auffassung erhält ein Medium seine didaktische Wertigkeit erst in einem entsprechenden Verwendungszusammenhang. Der didaktische Anspruch kann nicht an den Merkmalen des jeweiligen Mediums gemessen werden. Das heißt, ein Medium ist nicht grundsätzlich besser bzw. schlechter als ein anderes. Mediale Lernangebote können die Anregung von Bildungsprozessen unterstützen, doch erst der sinnvolle Einsatz in der Lernsituation bestimmt den Wert eines Mediums.

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1.2. Alte und neuen Bildungsmedien

Bevor explizit auf die sogenannten Neuen Medien eingegangen wird, soll ein kurzer Überblick über die geschichtliche Entwicklung verschiedener traditioneller Bildungsmedien gegeben werden. Die Verwendung technischer Hilfsmittel und Medien lässt sich in der Geschichte der Pädagogik weit zurückverfolgen. Gegenstände wurden herangezogen, um Sachverhalte zu erklären, zu veranschaulichen bzw. zu üben. Bereits aus der Antike liegen spezielle Objekte vor, z.B. Tonscherben mit Buchstaben- und Silbenübungen, die mit pädagogischer Intention angefertigt wurden (KERRES 1998, S. 13 und MEISTER/SANDER 1999, S. 8).

1.2.2. Anschauungsmaterialien

In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts erkannten RATKE und COMENIUS das Potential realer Gegenstände als Lehr- und Lernmittel. Für den Naturkundeunterricht wurden Sammlungen mit Präparaten, Modellen etc. eingerichtet, die vor allem der Veranschaulichung von Lehrinhalten dienten (KERRES 1998, S. 13). August Hermann FRANCKE richtete beispielsweise in Halle ein Realienkabinett ein, in welchem den Lehrenden von Missionaren in aller Welt gesammelte Objekte zur Verfügung standen, die zur Veranschaulichung der Lehrinhalte verwendet wurden (MEISTER/SANDER 1999, S. 9).

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und Bildungsmedium eingesetzt. Im 1921 erschienenen Amtlichen Verzeichnis der deutschen Lehrfilme waren bereits ca. 2000 Titel enthalten. Erst Ende der 20er Jahre, mit der Beseitigung technischer Probleme (z.B. leichte Entflammbarkeit des Filmmaterials), wurde der Film verstärkt im Schulunterricht eingesetzt (MEISTER/SANDER 1997, S. 9; FICKERT 1992, S. 14).

1.2.5. Das Fernsehen

1952 begann der Nordwestdeutsche Rundfunk von Hamburg aus mit der ständigen Ausstrahlung von Fernsehsendungen. Zwei Jahre später eröffneten die Landesrundfunkanstalten ihr gemeinsames ARD-Programm. 1963 nahm das Zweite Deutsche Fernsehen (ZDF) seinen Sendebetrieb in Mainz auf. Das Fernsehen begann seinen Siegeszug als Unterhaltungs-, Informations- aber auch als Bildungsmedium. Seit 1964 stellten das Schulfernsehen und dritte Programme ein systematisches Studien- und Bildungsangebot bereit. Medienverbundprogramme mit teilweise staatlich anerkannten Abschlüssen wie z.B. das ‘Telekolleg’ wurden seither angeboten (ebd., S. 15).

reich eingedrungen und mittlerweile alltäglich sind. Der Nutzer sollte im Gegenteil die Kompetenz zum ‘richtigen’ Umgang mit den Medien erhalten - die Medienkompetenz (LENZEN 1989, S. 1037ff).

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Die Neuen unterrichtlichen Medien können Teile der Telekommunikationsmedien, z.B. Mobilfunk und E-Mail, enthalten, die häufig unter dem Begriff Neue Medien bzw. Informations- und Kommunikationstechnologien (IuK) zusammengefasst sind (HERBECK 1998, S. 219). Nach WILLIAMS, RICE und ROGER werden die Neuen Medien durch die Merkmale Interaktivität, Individualität und die Möglichkeit der Asynchronität des Kommunikationsprozesses, d.h. dieser kann zeit- und ortsunabhängig vollzogen werden, charakterisiert. Ein viertes Merkmal ist die Multimedialität: Interaktivität: Die Möglichkeit von Aktion und Reaktion von Lehr-Lernsystemen bzw. -programmen. D.h., die Systeme bzw. Programme reagieren auf Benutzereingaben, wodurch Ablaufalternativen im Lerngeschehen entstehen. Dabei handelt es sich um keine echte menschliche Interaktion 6 . Individualität: Die Möglichkeit der Kontrolle der Kommunikation durch den Mediennutzer. Bei den Neuen Medien besteht die Möglichkeit, sich ein individuelles Informationsangebot zusammenzustellen. Asynchronität: Die Möglichkeit, Informationen zeitversetzt und ortsunabhängig auszutauschen. Sender und Empfänger müssen nicht zeit- und ortsgleich kommunizieren.

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Bilder, sondern zusätzlich auditiv durch Sprache und Musik zu erhalten. Die Informationsübermittlung erfolgt über mehrere Sinnesebenen 7 (HERBECK 1998, S. 220f).

Der Begriff Neue Medien hat sich auch in der Weiterbildung allgemein durchgesetzt, obwohl er nach HERBECK „denkbar ungeeignet ist, da die Begrifflichkeit ‘Neue’ immer einem Wandel unterliegen wird“ (ebd. 1998, S. 221). In den 80er Jahren stand der Begriff für die Technologien, die sich um den Fernseher gruppierten (z.B. Videoaufzeichnung). In den 90er Jahren wurde der Computer und dazugehörige Technologien (z.B. Bildplatte, CD-ROM) als die Neuen Medien bezeichnet. Zur Zeit werden Netzwerke und deren Anwendungen (z.B. Inernet, Intranet) unter dem Begriff der Neuen Medien verstanden. Nicht mehr der Computer, sondern deren Vernetzung ist das Neue Element (ebd., S. 221). weitere Zusatzgeräte) und Software (Gruppe der Betriebssysteme wie z.B. MicroSoft Windows/DOS, die den eigentlichen Betrieb organisieren und die Anwendungsprogramme wie z.B. zur Textverarbeitung, Tabellenkalkulation oder Bildverarbeitung, die Werkzeuge für den Benutzer sind).

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b) Computer-Netze

Die Vernetzung stellt eine neue Qualität in der Nutzungsmöglichkeit von Computern dar. Mit der Verbindung von Großcomputern untereinander entstand ein Netzwerk. LAN, WAN und Intranet: Das Local Area Network (LAN) entstand aus der gemeinsamen Nutzung eines Peripheriegerätes (z.B. Drucker) durch viele Computer. Später kam die gemeinsame Nutzung von Speicherkapazitäten und die Möglichkeit, Daten zwischen den einzelnen Clients (Nutzern) auszutauschen, hinzu. Während sich das LAN in der Regel nur über Büros innerhalb eines Gebäudes erstreckt, kann das Wide Area Network (WAN) Computer miteinander verbinden, die sich örtlich weit voneinander entfernt befinden. Hier gewinnt die Kommunikation zwischen den Komputern eine größere Bedeutung. Das Intranet ist eine Abspaltung, die aus dem Internet (siehe unten) entstanden ist. Damit wird eine Kopplung zwischen zwei Netzwerken beschrieben. Diese Netzwerke sind im Prinzip in sich geschlossen, d.h. niemand Unbefugtes sollte von außen hereinkommen und Zugriff auf z.B. unternehmensinterne Daten erhalten. Sie können aber eine Anbindung an außerhalb liegende Netzwerke haben, d.h. die Mitarbeiter eines Unternehmens können aus dem Intranet z.B. in das Internet gelangen und dort Informationen bekommen. Internet: Ende der 60er Jahre konstruierte das amerikanische Verteidigungsministerium ein Computer-Netz 8 , welches gegen Sabotage und Atomkrieg gefeit sein sollte.

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kommerziellem bzw. wirtschaftlichem Gebiet. Es ist das derzeit umfangreichste Computer-Netzwerk der Erde. Die ersten verfügbaren Dienste waren noch recht primitiv 10 . Ende der 80er Jahre wurden zwei Arten von Informationssystemen entwickelt, die einen wesentlich bequemeren Zugriff auf weltweit verstreute Informationen ermöglichen: Gopher 11 und das World Wide Web (WWW).Der 1989 am CERN 12 entwickelte Internet-Dienst WWW war Auslöser des am Beginn der 90er Jahre einsetzenden Internet-Booms. Er erlaubt ein leichtes Navigieren durch das gesamte Internet per Mausklick. Es gehört zum guten Image jeder Universität und j eder Firma in den 90er Jahren, im WWW präsent zu sein. Die Menge der am WWW erreichbaren Informationen ist bereits so umfangreich und unüberschaubar geworden, dass das größte Problem darin liegt, eine nützliche Information aufzufinden. Deshalb sind Suchhilfen zu einem wichtigen Hilfsmittel geworden. Der Zugang zum Internet erfolgt über einen Internet-Provider, der über eine Standleitung mit dem Internet verbunden ist 13 (DÖRING 1997, S. 305ff; KORING, 1997, S. 40ff und HERBECK 1998, S. 230ff).

1.3. Zusammenfassung

Die beiden Elemente des Medienbegriffes sind die Bedeutung des Mediums als Informationsträger, der die Übertragung medial vermittelter, codierter Information vom Sender zum Empfänger unterstützt. Das Bildungsmedium im speziellen, dient der Vermittlung, Erarbeitung, Bearbeitung und Vertiefung von Lernstoff in Lehr- und Lernsituationen. Der Begriff des Bildungsmediums unterstreicht die Zielperspektive: Der Einsatz des Mediums geschieht immer, um eine bestimmte didaktische Intention zu erreichen. Die Verwendung technischer Hilfsmittel und Medien lässt sich in der Geschichte der Pädagogik weit zurück-

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Die historische Entwicklung computerbasierter Lehr-Lernsysteme

2.1. Die Ursprünge in Amerika

Die erste Nutzung von Computern für Lehr- und Lernzwecke fällt in das Ende der 50er Jahre. In dieser Zeit wurden die ersten Rechneranlagen in Universitäten zur Unterstützung administrativer Zwecke eingesetzt. Auch über den Einsatz der Großrechner für Unterrichtszwecke wurde nachgedacht. Eines der ersten Programme war die von SYDNEY L. PRESSEY 1962 vorgestellte, nach ihm benannte Pressey-Maschine 14 . Dieses Programm fand damals keine große Beachtung (FICKERT 1992, S. 37). Nach NIEGEMANN (1995, S. 27) entwarf PRESSEY die mechanischen Test- und Lehrvorrichtungen bereits in den 20er Jahren, auf deren Basis SKINNER und HOLLAND ihre Lehrmaschinen entwickelten. Deren Funktion bestand im wesentlichen darin, dem Lernenden einen Lehrstoff in kleinen Schritten (frames) meist in Textform darzubieten, jeweils gefolgt von Fragen. Die entsprechende Antwort war in die Maschine einzugeben, worauf die richtige bzw. die gewünschte Antwort angezeigt und mit der des Lerners verglichen wurde. Im Sinne des operanten Konditionierens 15 ist es für den Lernfortschritt unumgänglich, dass der Lernende ein korrektes Antwortverhalten zeigt, welches dann verstärkt werden kann. Durch die Verstärkung sollte die Auftretenswahrscheinlichkeit des korrekten Verhaltens erhöht werden. SKINNER behauptete, dass derart konstruierte Lernprogramme die Verstärkung sehr viel besser dosieren könnten als Menschen und deshalb geeignet seien, den Lehrer zu ersetzen. Die U.S. Armee hat großes Interesse an dieser Art von Programmen und förderte den Aufstieg SKINNERs und die Verbreitung der SKINNER-HOLLAND´schen ‘Lehrmaschinen’ (ebd., S. 28). Das amerikanische Militär ist nach SCHULMEISTER (1996) in der gesamten Geschichte der Lernsysteme ein „stabilisierender Faktor“ (ebd.,

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durch die Forschung und Wissenschaft in anderen Ländern von ihrem Sockel der allmächtigen Großmacht gestoßen werden könnte (NIEGEMANN 1995, S. 28). Zu Beginn der 60er Jahre begannen auch Psychologen und Pädagogen mit einer intensiveren Auseinandersetzung mit systematischen Verfahren des Lernens. Auf der Grundlage von Ansätzen des Behaviorismus und der SKINNER´sche Lerntheorie fand die praktische Umsetzung im Programmierten Unterricht bzw. der Programmierten Instruktion (vgl. Kapitel 3 Lerntheoretische Ansätze und deren Einfluss auf die Konzeption medialer Angebote in dieser Arbeit) statt. Die Prinzipien des Programmierten Unterrichts 17 bildeten eine Zeit lang die wesentliche Basis für die Entwicklung und Evaluierung von Lehr-Lernprozessen unter Verwendung von Lernprogrammen und Medien (ebd., S. 38). Die ersten Anfänge waren lineare Programme, die eine vorgefertigte Übung stur nach der anderen präsentierten, d.h. „einfache elektronische Textdarbietungen oder Ü- bungsprogramme, die eine Frage vorgaben, die Reaktion des Lerners als ‘richtig’ oder ‘falsch’ bewerteten und dann zur nächsten Frage übergingen“ (MANDEL und HRON 1990, S. 18). Eher pragmatisch orientiert, schlug CROWDER 1959 vor, statt der linearen Programme verzweigte Lehrprogramme zu entwickeln. Seine Programme beinhalteten größere Frames, jeweils gefolgt von einer Frage mit Auswahlantworten (Multiple Choice). Bei der Wahl einer falschen Antwort erhielt der Lerner einen zur Art des Fehlers passenden Kommentar. Anschließend wurde je nach Art des Fehlers mit einer bestimmten Sequenz von Frames fortgefahren. Eventuell wurden auch die wiederholt, die nicht verstanden wurden. Mit dieser Einführung fehlerabhängiger Verzweigungen wurden erste Ansätze einer Individualisierung des Lehr-Lernprozesses möglich. Der Idee nach

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jeweils fünf Jahre, ausgestattet mit insgesamt 10 Millionen Dollar durchzuführen. Beide Projekte sollten aufzeigen, dass mittels computerunterstützter Instruktion ein effektiver und kostengünstiger Unterricht möglich ist (NIEGEMANN 1995, S. 29ff).

2.2. Die Entwicklung in Deutschland

Auch in Deutschland wurden bereits von 1964 an Lehrmaschinen entwickelt. In den 60er Jahren wurden z.B. am Institut für Kybernetik in Berlin bzw. später in Paderborn Lehrautomaten (Robbimat 0, Geromat III, Bakkalaureus) entwickelt, bei denen es sich um Geräte für die Gruppenschulung handelte. Die Konzeption dieser Geräte erinnerte stark an die etwa gleichzeitig verbreiteten Sprachlabors, in denen in computerunterstützter Form Fremdsprachen gelernt werden konnten. Die Lernenden waren jeweils mit Kopfhörern ausgestattet, über die sie die akustischen Informationen erhielten. Visuelle Informationen gelangten hauptsächlich über Diaprojektoren zu den Lernern (ebd., S. 33f). Ende der 60er, Anfang der 70er Jahre wurden zur Förderung unterrichtstechnologischer Forschung und Entwicklung in der Bundesrepublik zwei Forschungseinrichtungen geschaffen, das Bildungstechnologische Zentrum in Wiesbaden und das Forschungs- und Entwicklungszentrum für objektivierte Lehr- und Lernverfahren (FEoLL) in Paderborn. Zahlreiche Forschungsprojekte und Modellversuche wurden in verschie-

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Reihe von Modellprojekten im Bereich der allgemeinbildenden Schulen realisiert (NIEGEMANN 1995, S. 34ff). Obwohl die Leistungsfähigkeit der Rechner bis Mitte der 70er Jahre erheblich gesteigert werden konnte, blieb der durchschlagende Erfolg für die computerbasierten

Lernsysteme aus. Für FICKERT (1992, S. 38) besteht ein Grund in der Tatsache, dass die über Großrechner verfügbaren Lernprogramme noch zu unkomfortabel und nur unzu-

reichend einsetzbar waren. Ein weiteres Problem waren die verfolgten didaktischen Zielsetzungen. Mit dem Programmierten Unterricht/Instruktion wurde angestrebt, den Präsenzunterricht mit Lehrer bzw. Dozent vollständig durch Lernprogramme zu ersetzen. Die anfängliche Begeisterung für das neue und Kosten einsparende Medium Computer wich rasch einer Ernüchterung, als die anvisierten Ziele nicht erreicht wurden. Die Einführung der Mikrocomputer 20 Mitte der 70er Jahre löste eine Revolution auf dem Computermarkt aus, da sie eine Reihe von Vorteilen 21 gegenüber den Groß- rechnern aufweisen konnten. Die ersten Mikrocomputer (sog. Home-Computer) waren in ihrer Leistungsfähigkeit noch begrenzt. Die leistungsfähigeren Versionen, die sich in den 80er Jahren entwickelten, wie der heute am weitesten verbreitete Personal Computer, verfügen über immer größer werdende Verarbeitungsgeschwindigkeiten, Speicherkapazitäten und multimediale Verarbeitungsmöglichkeiten von Audio, Video etc. (z.B. Multimedia Computer). Neben der Hardware entwickelte sich auch die Software: Spezielle Entwicklungswerkzeuge für die Erstellung von computerbasierten Lernprogrammen, die sogenannten Autorensprachen bzw. Autorensysteme, kamen auf den Markt. Dadurch stieg das Angebot an Lernprogrammen, die sich allerdings meist an der Programmierten Unterweisung/Instruktion orientierten. (ebd., S. 39f). Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre war in Deutschland für einige Jahre das computerunterstützte Lernen ‘kein Thema’ mehr, weder in der Erziehungswissenschaft noch in der Schulpraxis. Erst gegen Mitte der 80er Jahre kam es langsam zu einer Re-

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Pädagogen, Informatiker und Psychologen wandten sich in den 80er Jahren wieder ver- den Themen computerunterstützter Unterricht und interaktive Selbstlernmedien zu, stark orientiert an den Entwicklungen in den USA und England 22 . In der Pädagogik setzte seit den 70er Jahren eine kognitive Umorientierung ein. Im Vordergrund stand die Forderung nach einer Anpassung an individuelle Lernformen. Der Computer erschien hier als ideales Instrument, die Steuerung des Lehr- Lernprozesses verstärkt dem Lernenden selbst zu überlassen (BEHRENDT 1998, S. 8).

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die Anwendung neuer Lernmedien gefördert werden sollte (ebd., S. 8). Noch bis zum Anfang der 90er Jahre wurde die Grundlagenforschung und Evaluation von prototypischen Anwendungen von computerunterstützten Lernsystemen bzw. - programmen in der BRD kaum gefördert. Erst in den 90er Jahren zeichnete sich eine leichte Trendwende dergestalt ab, dass das Bundesministerium für Berufsbildung eine Reihe von Modellversuchen förderte, die sich in Teilen auch mit sozialwissenschaftlichen Fragestellungen zu interaktiven Lernsystemen beschäftigten. Das Bundesministerium für Forschung und Technologie förderte eine Studie zu ‘Chancen und Risiken i nteraktiver Multimedia-Systeme in der betrieblichen Aus- und Weiterbildung’ (ebd., S. 10). Die verfügbaren didaktischen Konzepte, Rechnersysteme und Entwicklungswerkzeuge für computerbasierte Lernsysteme unterliegen noch immer einem starken Wandel. Die Gründe hierfür liegen einerseits in der rasanten Entwicklung im Computerbereich und in den Vernetzungsmöglichkeiten durch neue Informations- und Kommunikationstechnologien, deren Hilfe die Realisierung neuartiger Lernsysteme, bezüglich deren Struktur, deren Möglichkeiten der Inhaltspräsentation, Interaktivität und Adaptierbarkeit, erlaubt (FICKERT 1992, S. 40). Andererseits sprechen m. E. die, mit der andauernden Entwicklung der neuen Informations- und Kommunikationstechnologien in Beziehung stehenden, gesamt gesellschaftlichen Veränderungen - Von der Industrie- zur Informationsgesellschaft, die Globalisierung der wirtschaftlichen Märkte, die damit zusammenhängende Flexibilisierung und Technisierung der Arbeitswelt und im privaten Bereich jedes Einzelnen, die Veränderungen der Unternehmensstrukturen,

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2.3. Zusammenfassung

Die erste Nutzung von Computern für Lehr- und Lernzwecke fällt in das Ende der 50er Jahre in den USA. In dieser Zeit wurden die ersten Rechneranlagen in Universitäten zur Unterstützung administrativer Zwecke eingesetzt. Auch über den Einsatz der Großrechner für Unterrichtszwecke wurde nachgedacht. Zu Beginn der 60er Jahre begannen auch Psychologen und Pädagogen mit einer intensiveren Auseinandersetzung mit systematischen Verfahren des Lernens. Auf der Grundlage von Ansätzen des Behaviorismus und der SKINNER´sche Lerntheorie fand die praktische Umsetzung im Programmierten Unterricht bzw. der Programmierten Instruktion statt. Die Prinzipien des Programmierten Unterrichts bildeten eine Zeit lang die wesentliche Basis für die Entwicklung und Evaluierung von Lehr-Lernprozessen unter Verwendung von Lernprogrammen und Medien. Die ersten Anfänge waren lineare Programme, die eine vorgefertigte Übung stur nach der anderen präsentierten. Es handelte sich um einfache elektronische Textdarbietungen oder Übungsprogramme, die eine Frage vorgaben, die Reaktion des Lerners als ‘richtig’ oder ‘falsch’ bewerteten und dann zur nächsten Frage übergingen. Mit der Einführung fehlerabhängiger Verzweigungen wurden erste Ansätze einer Individualisierung des Lehr-Lernprozesses möglich. Der Idee nach handelte es sich nun um adaptive (sich dem Lernfortschritt des Anwenders anpassende) Lehrprogramme. Auch in Deutschland wurden bereits von 1964 an Lehrmaschinen entwickelt. Zahlreiche Forschungsprojekte und Modellversuche wurden in verschiedenen Teilen des Landes durchgeführt. Diese wurden im Bereich der allgemeinbildenden Schulen realisiert. Obwohl die Leistungsfähigkeit der Rechner bis Mitte der 70er Jahre erheblich gesteigert werden konnte, blieb der durchschlagende Erfolg für die computerbasierten Lernsysteme aus. Ein Grund bestand in der Tatsache, dass die über Großrechner verfügbaren Lernprogramme noch zu unkomfortabel und nur unzureichend einsetzbar waren. Ein weiteres Problem waren die verfolgten didaktischen Zielsetzungen. Mit dem Programmierten Unterricht/Instruktion wurde angestrebt, den Präsenzunterricht mit Lehrer bzw. Dozent vollständig durch Lernprogramme zu ersetzen. Die anfängliche Begeisterung für das neue und Kosten einsparende Medium Computer wich rasch einer Ernüchterung, als die anvisierten Ziele nicht erreicht wurden.

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Lerntheoretische Ansätze und deren Einfluss auf die Konzeption medialer Lernangebote

und bildeten die Grundlagen für die Konzeption medialer Lernangebote.

3.1. Behavioristische Ansätze

Die ersten Überlegungen zum Einsatz von Computern zu Lehr- und Lernzwecken sind durch die Theorien des Behaviorismus 25 geprägt. Trotz der Kritik beeinflussten diese Modelle die Vorstellungen über mediengestütztes Lernen bis in die heutige Zeit. Die erste Welle des Einsatzes von Computern zu Bildungszwecken in den USA in den 50er und 60er Jahren war mit der Behauptung SKINNER´s Verbunden, dass mit dem Einsatz des Computers die behavioristischen Lernprinzipien konsequenter und gegenüber personalem Unterricht effektiver anwendbar sind (KERRES 1998, S. 45f).

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3.1.2. Die Programmierte Instruktion

Die Anwendung der behavioristischen Lerntheorie auf technische Medien wird als Programmierte Instruktion bezeichnet. Es ergibt sich ein lineares Vorgehen in Frage-Antwort-Mustern, bei der der Lerner durch eine vorgegebene Sequenz kleinster Informationseinheiten (Frames) geführt wird. An die Präsentation einer solchen Informationssequenz schließt sich eine Frage an, die prüfen soll, ob das Dargestellte gelernt (behalten) wurde. Im Falle eines Fehlers wird der gleiche Lehrstoff erneut präsentiert. CROWDER führte Verzweigungen in Lehrprogrammen ein. Mittels Auswahlfragen (Multiple Choice) wird der nächst folgende Lehrschritt in Abhängigkeit von der Antwort des Lerners ausgewählt. SKINNER bevorzugte Freitext-Antworten, weil der Lerner bei Multiple-Choice-Antwortmöglichkeiten auch mit einer falschen Antwort konfrontiert werden kann und diese möglicherweise im Gedächtnis behält (ebd., S. 48). Die Vorteile einer solchen Programmierten Instruktion in Form eines Lehr-Lernprogramms nach SKINNER erscheinen auf den ersten Blick offensichtlich: Ein Computer ist im Gegensatz zu einem Lehrer in der Lage, jeden einzelnen Lerner immer und unmittelbar für eine Leistung zu bekräftigen. Alle Lehrinhalte, die sich in kleinste Frames segmentieren lassen, können Schritt für Schritt vermittelt werden. Der Lernende kann jederzeit aus dem Programm aussteigen und zu einem späteren Zeitpunkt an dieser Stelle weiterarbeiten. Der Computer respektive das Lehr-Lernprogramm ist emotional indifferent. Ein Lerner muss nicht das Gefühl haben, sich zu blamieren, da es der Maschine nichts ausmacht, wenn Fehler gemacht werden bzw. mehrfach auftreten. Eine negative Konsequenz des fehlerhaften Verhaltens des Lerners fehlt, da das Programm falsche Antworten ignoriert und den gleichen Abschnitt wiederholt (ebd., S. 49).

zeigen muss, die dann verstärkt wird, um Lernerfolge zu erzielen. Ähnlich hohe Lernerfolge sind bei der bloßen Durcharbeitung eines Textes gemessen worden.

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den Lernfortschritt, denn selbst bei der Präsentation der Frames in beliebiger Reihenfolge konnte ein Lernerfolg in Form von Wissenszuwachs beobachtet werden Mehr oder weniger regelmäßige positive Verstärkung ist ebenfalls keine Voraussetzung für erfolgreiches Lernen mit Lehr-Lernprogrammen. Fehler können für Lerner eine wichtige Informationsquelle sein, die das Lernen sogar fördert (ebd., S. 49f).

3.2. Kybernetische Ansätze

In Europa wurden die Arbeiten zur Programmierten Instruktion aus den USA mit Interesse aufgenommen. Andererseits wurden die behavioristischen Theorien kontrovers diskutiert, was zu einer Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen zum computerunterstützten Lehren und Lernen führte. Allerdings unterscheiden sich die zur damaligen Zeit konkurrierenden Ansätze wenig in der Konzeption des computerunterstützten Lehrens und Lernens, so dass sie in der mediendidaktischen Diskussion zum Teil gleichgesetzt wurden (ebd., S. 52).

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cken demnach in den Fokus des Interesses kybernetischer Ansätze (ebd., S. 52). Ein weiterer Unterschied zu behavioristischen Ansätzen liegt in der Unterscheidung von Rückmeldung und Verstärkung durch kybernetische Theorien. Der Akzent liegt hier auf dem informativen Aspekt von Rückmeldungen. Rückmeldungen werden als wesentliche Information im Lernprozess gesehen, da sie es dem Lerner ermöglichen, falsche Annahmen bzw. unangemessene Verhaltensweisen unmittelbar zu revidieren. Die Rückmeldung beeinflusst auf diese Weise das Lernverhalten. So entsteht ein rückgekoppeltes System: Ein Verhalten löst eine Reaktion aus. Die Rückmeldung an den Verursacher der Reaktion führt zu einer Anpassung des Verhaltens (ebd., S. 53). Der zentrale Fokus kybernetischer Ansätze liegt auf der Optimierung des Informationsaustausches zwischen Lehrsystem und Lerner (der hier als Lernsystem gesehen wird) durch das didaktische Design entsprechender Lehrprogramme. Vorrangiges Ziel ist die Entwicklung von Verfahren, die Lernprozesse ermöglichen bzw. fördern. Verfahrensvorschriften - die Technologien - geben an, was zu tun ist, um ein bestimmtes Ziel unter bestimmten Bedingungen zu erreichen. Wenn derart ‘technologisches’ Wissen zur Erreichung didaktischer Zielstellungen nicht verfügbar ist, muss auf systematisch geplante Lehraktivitäten verzichtet werden. Die Vermittlung von Lehrinhalten erfolgt dann intuitiv (ebd., S. 53).

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3.3. Kognitive Ansätze

Die Diskussion behavioristischer Lerntheorien und deren Anwendung beim computergestützten Lernen zeigt, dass interne Prozesse des Lernenden nicht ausgeblendet werden können. Zur Erklärung der Aneignung komplexer intellektueller Fähigkeiten dienen kognitive Konzepte. Die Überwindung des schlichten Modells der Programmierten Instruktion durch eine präzisere Aufschlüsselung des Vermittlungs- und Aneignungsprozesses in der Lehr-Lernsituation, ist das Anliegen kognitiver Ansätze und deren Umsetzung im didaktischen Design computergestützter Lehrprogramme (ebd., S. 56).

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S. 58)

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3.3.2. Adaptivität und interaktive Medien

Ein ‘interaktives’ Medium sollte sich möglichst an die jeweiligen kognitiven Prozesse, an den Lernfortschritt und die -defizite des Lerners anpassen. DUCHASTEL (1990, zitiert nach KERRES 1998, S. 61) nennt dies die Forderung nach reaktiven Lernumgebungen, welche bestimmte Mechanismen zur Anpassung an den kognitiven Zustand des Lerners beinhalten. Ausgehend von der personalen Unterrichtssituation sind bei der Planung und Vorbereitung des Unterrichts die notwendigen kognitiven Lernprozesse vorab kaum zu bestimmen. Der Lehrer ist allerdings in der Lage, sein Unterrichtsverhalten auf die aktuellen Lernprozesse anzupassen: Registriert er Verständnisprobleme, kann er eine neue Erklärung anbieten. Bei Motivationsproblemen kann er eine Methodenwechsel einbauen. Der pädagogische Dialog ist also charakterisiert durch ein wechselseitiges Eingehen von Lehrenden und Lernenden durch Interaktion. Lehrende sind nur dann erfolgreich, wenn sie in der Lage sind, ihr didaktisches Vorgehen an den Vorkenntnissen und dem aktuellen Wissensstand der Lerner auszurichten. Nach KERRES ist es aber gerade diese Interaktivität des personellen Unterrichts, die den sogenannten interaktiven Medien schwer fällt. Am deutlichsten wurde dieser Mangel an den ersten Lehrmaschinen, welche den Lerner mit Sturheit auf dem vorgegebenen Weg durch das Programm zwang. Durch die Verwendung von Multiple-Choice-Fragen wurden die Programme zumindest wegadaptiv, d.h. das Programm traf in Abhängigkeit von der Richtigkeit der Antworten die Entscheidung, wie der Weg fortzusetzen ist (Präsentation weiterer oder die Wiederholung derselben Information) (ebd., S. 61).

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von Lehreinheiten können nur in begrenztem Maße Rückschlüsse auf die dem Verhalten zugrunde liegende Kompetenz gezogen werden (auch Flüchtigkeitsfehler und Verständnisprobleme können Gründe für eine Fehlverhalten sein, die das System aber nicht als solche identifizieren kann). Bei der Konzeption und der technischen Implementation derartiger Systeme entsteht ein erheblicher Aufwand (ebd., S. 64f).

3.4. Situierte Ansätze

Während die Grundannahmen des kognitiven Ansatzes lange Zeit als Standard-Paradigma 27 der Psychologie und mit einiger Verzögerung auch der Mediendidaktik galt, hat spätestens seit Ende der 80er Jahre eine grundlegende Kritik an dieser Theorie eingesetzt. Die Kritik bezieht sich auf die Reduktion des menschlichen Handelns und Bewußtseins auf kognitive Informationsverarbeitung, bei der das Individuum als Zentrum des Wissens und Handelns überbewertet und die menschliche Emotionalität, Leiblichkeit und Situiertheit in der Lebenswelt ausgeblendet wird (ebd., S. 65).

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3.4.2. Konstruktivistische Modelle des didaktischen Design

Als Alternative zu kognitivistischen Theorien werden zunehmend sogenannte konstruktivistische Ansätze des didaktischen Designs diskutiert. Der Begriff, der die didaktische Dikussion vor allem in den USA seit Mitte der 90er Jahre beherrscht, wird vielfach als das ‘neue’ Paradigma der Didaktik bezeichnet (ebd., S. 67f). Nach KERRES wirkt der Begriff des Konstruktivismus 28 in der Diskussion um didaktisches Design wenig präzise. „Es handelt sich um ein Konglomerat von didaktischen Ansätzen und Methoden sowie Vorstellungen über Menschenbilder, so dass eine prägnante Charakterisierung einer entsprechenden Position als didaktischer Ansatz und Grundlage einer mediendidaktischen Konzeption schwer fällt. Somit sorgt der Begriff im bildungswissenschaftlichen Diskurs eher für Verwirrung als für Klarheit“ (ebd., S. 68). Die dargestellten theoretischen Annahmen des situierten Lernens stellen einige der Überlegungen anderer Paradigmen grundlegend in frage. Bei der Umsetzung der theoretischen Annahmen in Modelle des didaktischen Designs ist allerdings keine radikale Umkehr von vorhandenen Formen, aber wichtige Akzentverschiebungen festzustellen. Situierte Ansätze betonen vor allem:

Die Darstellung komplexer, sozialer Realität, anstelle abstrakter Inhalte, Die authentischen Aktivitäten von Lernenden, anstelle der Aktivitäten von Lehren-

den,

Die Präsentation multipler statt einfacher Perspektiven auf Probleme (ebd., S. 71).

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Projektmethode: Dies ist ein in Deutschland etabliertes Verfahren, welches seit länge- in der beruflichen Bildung eingesetzt wird. Die Methode beinhaltet einige Merkmale des geankerten Lehrens. Ein Projekt beinhaltet ein praktisches, möglichst lebensnahes Vorhaben, welches in der Zielsetzung, Ausführung und Auswertung bzw. Beurteilung zum größten Teil durch die Lernenden selbst getragen wird. Es wird also nicht nur eine isolierte manuelle Tätigkeit geübt, sondern auch die dazugehörigen kognitiven (z.B. planerischen) Fertigkeiten, die sozial-kommunikativen Kompetenzen (z.B. Abstimmung der Teilaufgaben in der Gruppe) und die affektiven Kompetenzen (z.B. Umgang mit Rückschlägen). Für den Lernfortschritt wichtig sind die Ganzheitlichkeit des Herstellungsprozesses z.B. eines Produktes und die Selbstorganisation bzw. kooperative Koordination des Lern- und Arbeitsprozesses. Allerdings muss auch die Lernumgebung die selbst- und gruppenorganisierten Lernaktivitäten unterstützen. Die Verfügbarkeit von Lernmedien ist aus diesem Grunde besonders relevant (KERRES 1998, S. 73f).

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3.5. Zusammenfassung

Die ersten Überlegungen zum Einsatz von Computern zu Lehr- und Lernzwecken waren durch die Theorien des Behaviorismus geprägt. Trotz der Kritik beeinflussen diese Modelle die Vorstellungen über mediengestütztes Lernen bis in die heutige Zeit. Die Anwendung der behavioristischen Lerntheorie auf technische Medien wird als Programmierte Instruktion bezeichnet. Typisch ist ein lineares Vorgehen in Frage-Antwort-Mustern, bei der der Lerner durch eine vorgegebene Sequenz kleinster Informationseinheiten (Frames) geführt wird. An die Präsentation einer solchen Informationssequenz schließt sich eine Frage an, die prüfen soll, ob das Dargestellte gelernt (behalten) wurde. Im Falle eines Fehlers wird der gleiche Lehrstoff erneut präsentiert. In der Praxis zeigen sich die Probleme der Programmierten Instruktion recht schnell. Die Aneinanderreihung von Informationsabschnitten und Prüfungsfragen wird für den Lerner nach einiger Zeit stereotyp. Ein tieferes Verständnis der Lehrinhalte erschließt sich dem Anwender kaum, es bleibt vielfach auf ein einfaches Faktenwissen beschränkt. Die behavioristischen Theorien wurden kontrovers diskutiert, so dass es zu einer Weiterentwicklung der theoretischen Grundlagen zum computerunterstützten Lehren und Lernen kam. Allerdings unterscheiden sich die zur damaligen Zeit konkurrierenden Ansätze wenig in der Konzeption des computerunterstützten Lehrens und Lernens, so dass sie in der mediendidaktischen Diskussion zum Teil gleichgesetzt wurden. Der grundlegende Unterschied kybernetischer Annahmen liegt im theoretischen Verständnis des menschlichen Lernens und Lehrens. Während behavioristische Ansätze die Verstärkung als den wichtigsten Mechanismus des Lernens postulieren, verstehen kybernetische Annahmen das Lernen als einen Vorgang des Austausches von Informationen zwischen Lerner und Lehrsystem. Die Präsentation der Informationen durch das Lehrprogramm und deren Wahrnehmung und Speicherung durch den Lernenden rücken demnach in den Fokus des Interesses kybernetischer Ansätze. Ein weiterer Unterschied zu behavioristischen Ansätzen liegt in der Unterscheidung von Rückmeldung und Verstärkung durch kybernetische Theorien. Der Akzent liegt hier auf dem informativen Aspekt von Rückmeldungen. Rückmeldungen werden als wesentliche Information im Lernprozess gesehen, da sie es dem Lerner ermöglichen, falsche Annahmen bzw. unangemessene Verhaltensweisen unmittelbar zu revidieren. Die Rückmeldung beeinflusst auf diese Weise das Lernverhalten. So entsteht ein rückgekoppeltes System: Ein Verhalten löst eine Reaktion aus. Die Rückmeldung an den Verursacher der Reaktion führt zu einer Anpassung des Verhaltens. Der zentrale Fokus kybernetischer Ansätze liegt auf der Optimierung des Informationsaustausches zwischen Lehrsystem und Lerner (der hier als Lernsystem gesehen wird) durch das didaktische Design entsprechender Lehrprogramme. Vorrangiges Ziel ist die Entwicklung von Verfahren, die Lernprozesse er-

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4.1. Begriffe

Für den Bereich des computerbasierten Lernens gibt es keine allgemeingültigen Begriffsdefinitionen. Viele verschiedene, auch englisch sprachige Begriffe werden im wesentlichen gleichbedeutend nebeneinander verwendet. So spricht man in allgemeineren Sinnzusammenhängen von Comuterunterstütztem Lernen (CUL) bzw. Comuterunterstützter Instruktion (CUI), im schulischen Bereich von Computerunterstütztem Unterricht (CUU)29. In der Unternehmenspraxis hat sich der englische Begriff des Computer Based Training (CBT) 30 etabliert, der den Computereinsatz im Rahmen der betrieblichen und berufsbegleitenden Aus- und Weiterbildung beschreibt. Der Begriff des Web based Training bezeichnet die netzbasierten Formen des Lernens. Einige Bezeichnungen beinhalten in ihrer Semantik geringfügig verschiedene Adjektive wie computergestützt und computerunterstützt, in der englischen Übersetzung computer based oder computer aided bzw. computer assisted. Ähnliche Bedeutungsunterschiede entstehen durch die verwendeten Substantive Learning oder Training bzw. Instruction, die im ersten Fall den Aspekt des Lernens, im zweiten Sinnzusammenhang den Aspekt des Lehrens stärker betonen (FICKERT 1992, S. 34; NIEGEMANN 1995, S. 39f). Bei der Rezeption dem Thema entsprechender Literatur muss man m. E. unterscheiden zwischen den Autoren, die sich der Bedeutung des gewählten Begriffs und dessen Einsatz bewußt sind und solchen Verfassern, die lediglich Schlagwörter verwenden und deren genauer Sinn für sie nicht hauptsächlich im Vordergrund steht. Im Gegensatz zur Begriffsvielfalt bei der Bezeichnung des Fachgebietes sind die Begriffsvariationen für die Lernsoftware nicht so groß. Nach FICKERT (1992, S. 35) wird oft der allgemeine Begriff Instructional Software verwendet, wenn die Entwicklung und der Einsatz von Lehr-Lernprogrammen im Zentrum der Betrachtungen steht. Wenn konkrete Unterrichtsanwendungen gemeint sind, wird der Begriff der Courseware benutzt. Im Deutschen werden Lernsoftware bzw. Lernprogramme meist einheitlich als Interaktive Lernprogramme oder nur als Lehr-Lernprogramme bezeichnet. Spezielle Entwicklungswerkzeuge zur Erstellung von computerbasierten Lernprogrammen, werden als Autorensysteme bzw. Autorensprache benannt. Beim Lernen mit Neuen Medien ist eine erweiterte Sichtweise des Gebietes gemeint, die das Lernmedium Computer als

29 CUL entspricht dem englischen CBL (computer based learning); CUU sowie CUI entsprechen dem englischen CBI (computer based instruction).

30 Dabei ist zu beachten, dass der Begriff des CBT (Computer based Training) nicht immer nur als Bezeichnung für eine Methode der Wissenvermittlung sondern oft auch als Bezeichnung für eine Lehr-Lernsoftware verwendet wird.

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4.2. Formen computerbasierter Lehr-Lernprogramme

Computerbasierte Lehr-Lernprogramme werden in verschiedenen Anwendungsgebieten eingesetzt. So dienen sie der Übung bereits vorhandenen Wissens, der Vermittlung von Lehrinhalten oder können das Lernen in Gruppen bzw. das individuelle Selbststudium unterstützen. Nicht jedes Lehr-Lernprogramm eignet sich zur Vermittlung beliebiger Lerninhalte. Die Auswahl eines Lehr-Lernprogramms für eine bestimmte Lernsituation wird durch die Klassifikation der Programme erleichtert. Die Klassifikation der verschiedenen Formen von Lehr-Lernprogrammen erfolgt nach technischen Faktoren, dem lerntheoretischen Hintergrund oder der Anwendungsart. In der Literatur werden folgende Formen von Lernsystemen unterschieden:

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4.2.3. Tutorielle Systeme

Das wesentliche Merkmal tutorieller Systeme ist, neben der Präsentation des Lernstoffs, die Führung des Lernenden durch selbigen. Tutorielle Systeme weisen Ähnlichkeiten zu den oben genannten Trainingssystemen auf. Anstelle der Fragenselektion durch den Lerner erfolgt bei tutoriellen Systemen eine umfangreichere und didaktisch aufbereitete Informationspräsentation durch einen imaginären Tutor, bei der das Feedback (die Rückmeldung) des Systems die Steuerung der nachfolgenden Stoffpräsentation beinhaltet (FICKERT 1992, S. 54f). Die einzelnen Komponenten tutorieller Systeme sollen im folgenden kurz erläutert werden :

Einführung: Die Einführung kann eine Definition der Lernziele und -inhalte, die Erläuterungen zur Dialogführung und zum System sowie einen Eingangs- bzw. Einstufungstest enthalten. Die Ergebnisse dieses Testes bestimmen meist den Ein-

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tion mehrerer Präsentationsmöglichkeiten, z.B. der Wahl unterschiedlicher Medien wie Text, Grafik, Audio, Video etc. Fragestellung: Bei der Fragestellung kann zwischen Fragen mit vorgegebenen Auswahlantworten (Multiple Choice) und Fragen mit freien Antworten unterschieden werden. Antwortanalyse: Die Antwortanalyse kann nach einer inhaltlichen Untersuchung der gegebenen Antwort ein entsprechendes Feedback für den Lerner veranlassen. Feedback: Die Qualität der Feedbacks steuert den Ablauf der Bearbeitung eines tutoriellen Systems. Ablaufsteuerung: Fortgeschrittenen Techniken der Ablaufsteuerung verwenden neben Testergebnissen noch weitere Kriterien:

Response Insensitive: Hierbei basieren Verzweigungen, d.h. ob die Frage noch ein- - mal gestellt wird, ob Hilfen gegeben werden oder ob eine andere Frage gestellt wird, ausschließlich auf der letzten Antwort des Lernenden. Das Ablaufschema ist fest vorgegeben.

b) Response Sensitiv: Bei dieser Strategie bildet sich das System aufgrund der bishe- - rigen Antworten ein Modell von der Stoffbeherrschung durch den Lerner und verzweigt entsprechend flexibel.

c) Ideographic: Diese Strategie berücksichtigt bei der Ablaufsteuerung neben den - Antworten weitere Kriterien wie Neigungen, Lerngewohnheiten, Alter oder die Vorbildung.

d) Student Model: Bei diesem Modell der Ablaufsteuerung werden wissensbasierte - Methoden zur Bildung eines Benutzermodells herangezogen, das der Bestimmung individueller Lernstrategien dient. Abschluss: Die Beendigung eines Tutoriellen Systems kann durch das Programm oder durch den Lerner selbst erfolgen. Häufig wird dabei eine Zusammenfassung der Sitzung gegeben. Diese enthält beispielsweise den Inhalt und die Menge des bearbeiteten Stoffs, eine Erfolgsstatistik der beantworteten Fragen oder durchgeführten Übungen etc. Zusätzlich werden meist einige Daten für die nächste Bearbeitung gespeichert (ebd., S. 54f).

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gogischen Kompetenz eines idealen menschlichen Lehrers bzw. Dozenten an einem intelligenten Computertutor nachzubilden. Ein ideales ITS lässt sich durch zwei Teilmodelle beschreiben, das Aufbau- und das Ablaufmodell. Das Aufbaumodell beschreibt die statische Architektur eines ITS und versucht, Teilkompetenzen eines menschlichen Lehrers auf ein Lernprogramm abzubilden. Das Ablaufmodell beschreibt die Dynamik einer typischen Sitzung mit dem Programm (LUSTI 1992, S. 17f). Die folgende Übersicht verdeutlicht die Komponenten eines idealen Aufbaumodells, die LUSTI in vier Teilmodule 32 klassifiziert:

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Die in der Tabelle dargestellten Teilmodule des idealen Aufbaumodells eines ITS sollen im folgenden näher erläutert werden. Das Expertenmodul bildet die Fachkompetenz eines Lehrers ab. Das Fachwissen befähigt ein ideales ITS, Aufgaben selbst zu stellen und zu lösen. Die gefundenen Lösungen können außerdem begründet werden. Es kennt also nicht nur verschiedene Lösungsverfahren, sondern ist auch in der Lage, die Lö- sungswege der Argumentationsweise des Benutzers anzupassen. Die Auswahl von Aufgaben und die Begründung von Lösungen hängen von den vorhandenen Fähigkeiten und den nicht-kognitiven Merkmalen des Lernenden ab. Das Studentenmodul beobachtet das Problemlöseverhalten des Lerners und führt Buch über Stand und Veränderungen dieser Merkmale. Das Ergebnis des Studentenmoduls, die computergerechte Darstellung des jeweiligen Benutzers, ist das Studentenmodell 33 . Schwerpunkt vieler Studentenmodule ist die Fehlerdiagnose. Durch den Vergleich mit den Ergebnissen des Expertenmoduls identifiziert das Studentenmodul Fehler. Es versucht, die systematischen von den zufälligen Fehlern zu trennen und schreibt das Verhalten des Benutzers den verantwortlichen Merkmalen zu. Diese Diagnose verwendet das Unterrichtsmodul zur Bestimmung einer Therapie, welche die Fehlerwahrscheinlichkeit verringern soll 34 . Das Unterrichtsmodul entscheidet, welche Informationen und Fragen das Kommunikationsmodul wann anbietet. Die Entscheidung, wann und wie oft der Tutor den Lerner unterbricht, bestimmt das Ausmaß der Eigeninitiative des Benutzers. Die meisten Aktionen des Unterrichtsmoduls hängen von der laufenden Position im Curriculum, von den Schwierigkeiten des Problems und von den Benutzermerkmalen ab. Während das Unterrichtsmodul die Interaktionsinhalte bestimmt, wählt das Kommunikationsmodul die passende Interaktionsform. Der Übergang zwischen beiden Modulen ist meist fließend. Ein ideales ITS ist in der Lage, sich nicht nur grammatikalisch korrekt, sondern auch rhetorisch und pädagogisch wirksam auszudrücken. (LUSTI 1992, S. 18ff)

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in Form von Listen, Wissensstrukturdiagrammen oder Regeln organisiert ist, gestaltet sich im wesentlichen auf zwei Arten:

„Black box model“: Menschliche Intelligenz soll hier nicht abgebildet werden, d.h. die Entscheidungen und „Handlungen“ des Expertenmodells haben nicht den Anspruch, nachvollziehbar zu sein. „Glas box model“: Hier soll das Problemlöseverhalten eines menschlichen Experten abgebildet werden. Es trägt diesen Namen weil es bezüglich seiner Arbeitsweise durchsichtig, also für den Anwender beobachtbar und nachvollziehbar ist (SCHULMEISTER 1996, S. 168).

pertenmodells abzubilden (subset model). Bei der Fehlerdiagnose werden die Teile im Expertenwissen abgehakt, die der Student erledigt hat (overlay model). Oder aber Lernmodelle versuchen, die Abweichung des Lernerwissens vom Expertenwissen in der selben Situation zu ermitteln (deviation model). Die Antworten des Lernenden werden analysiert und das Verstandene wird durch Interferenzen (Abweichungen) aus den Antworten geschlossen, wobei diese Interferenzen nur das Wissen des Studierenden betreffen und nicht sein Lernverhalten erklären. Dieses Modell der Fehlerdiagnose wird als Abweichungs- oder Differenzmodell bezeichnet (ebd. 1996, S.169).

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lyse der eigenen Fehler anzuhalten. Das Coaching: Diese Methode bevorzugt Lernumgebungen mit Aufgaben und Aktivitäten zum Üben von Fertigkeiten oder zum Probieren von Problemlösungen. In diesen Situationen reagiert das Modell mit Tips und Hinweisen auf das Lernverhalten (ebd., S. 171f).

Antworten Fehler zu ermitteln (der sogenannten Sokratischen Dialog).

Das Sytem lässt den Lerner arbeiten und wartet, bis es um Hilfe gebeten wird (die Methode des Coaching).

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und schließt aus der Selektion auf Abweichungen vom Expertenmodell (learning by doing). Der Tutor bleibt abwartend im Hintergrund und gibt nur gelegentlich hilfreiche Hinweise (learning while doing).

(ebd., S. 176). Es ist allerdings m. E. unumgänglich die Verhaltensweisen bzw. Fehler eines Lerners zu verstehen, um ihm adäquate und effektive Hilfen anbieten zu können. Die technischen Potentiale dieser Programme sind bei dem zu beobachtenden stetigen Wandel von Hard- und Software und den entsprechenden Entwicklungswerkzeugen wahrscheinlich noch nicht voll ausgeschöpft. Möglicherweise können die, derzeit noch idealen Vorstellungen der Entwickler im Laufe der Zeit verwirklicht werden, wenn diese Art von Lehr-Lernprogramm dann noch nachgefragt wird.

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4.2.5. Simulationssysteme

Simulationen werden als spezielle Form interaktiver Programme bezeichnet, die dynamische Modelle von Apparaten, Prozessen und Systemen darstellen. Sie lassen sich sowohl als Werkzeuge und auch als Lernprogramme einsetzen (ebd., S.353). Für FICKERT (1992, S. 55f) besteht der Grundgedanke von Simulationssystemen darin, dem Lerner ein mentales Modell eines realen Objektes bzw. Prozesses zu vermitteln und ihm ein aktives Verwenden, Manipulieren und Testen dieses Modells zu ermöglichen. Dabei können Simulationssysteme anhand der Art der verwendeten Modelle unterschieden werden:

Objektmodelle: Hier wird ein bestimmtes Objekt (z.B. eine Maschine, ein Instrument, eine Pflanze, unser Sonnensystem etc.) abstrahiert im Programm dargestellt. Der Lernenden kann sich so mit Hilfe computerunterstützter Manipulation mit der Untersuchung des Aufbaus, Verhaltens und des Zusammenwirkens der Einzelkomponeneten des dargestellten Modells interaktiv auseinandersetzen. Prozessmodelle: Der Lernende arbeitet mit dem Modell eines Prozesses, bei dem er Eingabeparameter vorgibt und den dadurch festgelegten Prozessablauf beobachtet. Diese Modelle erlauben Lernenden das Experimentieren im naturwissenschaftlichen Bereich. Aktionsmodelle: Hier steht nicht der Wissenstransfer sondern die Vermittlung von Fähigkeiten im Vordergrund. Das Computerprogramm simuliert reale Objekte und Verhältnisse, die vom Lerner aktiv beeinflusst werden können (z.B. Flug- und Fahrsimulationen).

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Die Simulation ist nach BORSOOK und HIGGENBOTHAM-WHEAT der am höchsten interaktive Programmtyp: „It allows a level of interactivity not rivaled by many other types of computer software“ (1991, zitiert nach SCHULMEISTER 1996, S. 355). Simulationen orientieren sich an einem Modell wissenschaftlichen Forschens und Experimentierens. Die dabei ablaufenden Lernprozesse lassen sich in vier Phasen unterscheiden: A-

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len: „Systemische Konzepte, Regeln und Prozesse und deren rekursives Zusammenwirken zu entdecken und lernen, Entscheidungen zu treffen“ (ebd., S. 357). Die zwei wichtigsten Lernprozesse beim Bearbeiten von Simulationsprozessen sind nach DE JONG und NJOO (1992, zitiert nach SCHULMEISTER 1996, S. 357), Struktur in neues Wissen hinein zu bringen und das neue Wissen an bereits vorhandenes Wissen anzuknüpfen. Sie differenzieren die Lernprozesse in transformative Prozesse (Analyse, Hypothesengenerierung, Testen, Evaluation) und regulative Prozesse (planen, verifizieren, beobachten). Dies sind Fähigkeiten, die an PIAGETs Assimilations- und Akkomodationsprozesse 39 erinnern. Klassische Einsatzbereiche für Simulationen sind physikalische Gleichungen und die sogenannten virtuellen Maschinen. Ein Spezialfall der virtuellen Maschinen und zugleich ein neuerer Zweig der Simulationen befasst sich mit der Modellierung von Laboratoriums-Experimenten mit dem Ziel, Tierexperimente durch Computersimulationen zu ersetzen. SCHULMEISTER (1996, S. 359f) beschreibt folgendes Beispiel: An der Universität Marburg wird Das Compterprogramm „MacFrog“ im Physiologie-

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6.2.6. Hypertext/Hypermedia

Hypertext-Systeme dienen der Produktion und Rezeption von nicht-linearen Dokumenten, denen eine im Prinzip beliebige Netzwerkstruktur mit assoziativen Verweisketten (Links) zugrunde liegt. Damit können die Einschränkungen traditioneller Dokumente (Linearität, hierarchische Strukturen) prinzipiell überwunden werden (FICKERT 1992, S. 111). „Das Lesen eines Hypertextes ähnelt dem Wechsel zwischen Buchtext, Fußnoten und Glossar“ (SCHULMEISTER 1996, S. 227). Hypertext-Systeme bestehen aus Texten, deren einzelne Elemente (z.B. Begriffe, Aussagen, Definitionen etc.) mit anderen Texten verknüpft sind. Die Bezeichnung Hypertext steht für die historische Entwicklung dieser Systeme, die ursprünglich nur als Textsysteme gedacht waren. Heute können Texte auch mit Daten in einer Datenbank, mit Bildern, Filmen, Ton und Musik verbunden werden. Deshalb sprechen viele Autoren von Hypermedia, um die Multimedia-Eigenschaften zu betonen (ebd., S. 227). In den folgenden Ausführungen werde ich mich auf den Begriff des Hypertextes bzw. Hypertext-System beschränken, weise aber darauf hin, dass die meisten heutigen Produkte multimediale Möglichkeiten einbeziehen. Ein Hypertext-System besteht aus Blöcken von Textobjekten (anchors bzw. Ankern). Diese Textblöcke stellen Knoten (nodes) in einem Gewebe bzw. Netz dar. Durch rechnergesteuerte, programmierte Verknüpfungen, den Links (Kanten bzw. Verweise), wird die Navigation von Knoten zu Knoten realisiert - das Browsing. Die Relationen oder die fest im Programm verbundenen Verknüpfungen werden als Pfade bezeichnet. Das Gesamtgebilde aus Ankern, Knoten, Verknüpfungen und Pfaden wird als Netz bezeichnet. Je nach Art der Knoten und Verknüpfungen ist der Zugriff auf die Informationen in einem Hypertext frei oder beschränkt. In einer offenen Umgebung trifft der Benutzer alle Entscheidungen über den Zugang zu den Inhalten und die Navigation durch die Verknüpfungen selbst. In einer geschlossenen Umgebung traf der Designer diese Entscheidungen vorab (ebd. S. 228). Um Verbindungen in einem Hypertext deutlich zu machen, können erzählerische Zusammenhänge, die sogenannten Stories, verwendet werden. Oft werden auch dem jeweiligen Thema entsprechende Metaphern gewählt: ein Buch bzw. Lexikon, eine chronologische Zeitleiste, ein Ort, ein Abenteuer oder eine Maschine (ebd. S. 241). Für die Orientierung der Nutzer von Hypertexten werden verschiedene Methoden angeboten. Der klassische Weg eines Inhaltsverzeichnisses oder Menüs reicht aufgrund des Umfangs und dem Maß der Verbindungen zwischen den Inhalten bei den meisten

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Ende der Leseprobe aus 130 Seiten

Details

Titel
Neue Medien und betriebliche Weiterbildung
Untertitel
Formen und Einsatz computer- und netzbasierter Lehr-Lernsysteme in der betrieblichen Weiterbildung
Hochschule
Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
130
Katalognummer
V185833
ISBN (eBook)
9783656982340
ISBN (Buch)
9783867467131
Dateigröße
1132 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
neue, medien, weiterbildung, formen, einsatz, lehr-lernsysteme
Arbeit zitieren
Henriette Freikamp (Autor:in), 2000, Neue Medien und betriebliche Weiterbildung, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185833

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