Täglich im Einsatz und doch kaum beachtet - ein Konzept zur Sensibilisierung der Lehrer für ihren Stimmeinsatz


Examination Thesis, 2003

36 Pages, Grade: 1,0 - 4,0 (Erst- u. Zweitleser)


Excerpt


Inhalt

1. Einleitung

2. Die Stimme des Lehrers
2.1. Stimme als Medium
2.2. Bedeutung der Lehrerstimme für die Schüler

3. Ein medizinischer Exkurs
3.1. Was ist alles an der Stimmproduktion beteiligt?
3.2. Wie entsteht Stimme?

4. Die beeinträchtigte Stimme
4.1. Unterschiedliche Beeinträchtigungen der Stimme
4.1.1. Organisch bedingte Stimmstörung
4.1.2. Funktionelle Störungen der Stimme
4.2. Auswirkungen von Stimmstörungen

5. Tipps zur Vermeidung von Stimmstörungen (Stimmhygiene)
5.1. Bitte nicht räuspern
5.2. Bitte nicht flüstern
5.3. Alles was qualmt
5.4. Sehr heiße, sehr kalte und scharf gewürzte Speisen und Getränke
5.5. Ausreichend Flüssigkeit trinken
5.6. Luft im Klassenraum
5.7. Inhalieren
5.8. Medikamente
5.9. Haltung des Körpers

6. Tipps zum Sprechen

7. Planungs- und Organisationselemente für den Workshop
7.1. Vorüberlegungen
7.2. Aufbau des Workshops

8. Exemplarische Übungen zu ausgewählten Bereichen
8.1. Haltungsübungen
8.1.1. Die physiologische Sitzhaltung
8.1.2. Einnehmen der physiologischen Stehhaltung
8.2. Atemübungen
8.2.1. Wohin wird geatmet?
8.2.2. Hochatmung oder Bauchatmung?
8.2.3. Dosierung der Atemluft
8.3. Übungen zur Phonation, Entspannung und Lockerung
8.3.1. Vitalübungen (Gähnen, Seufzen, Summen)
8.3.2. Atemwurf
8.3.3. Froeschelsche Kau-Methode
8.3.4. Sirenenübung
8.3.5. Lockerung

9. Reflektion
9.1. Ausblick

10. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

Die Entscheidung, meine Examensarbeit über dieses Thema zu schreiben, fiel während einer Lehrerkonferenz in meiner Schule. Die Vielfalt der anwesenden Stimmen war sehr ausgeprägt. Interessant fand ich die „auffälligen“ Stimmen, d.h. die Stimmen, die besonders leise, schrill oder kratzig waren. Ich überlegte, wie die Besitzer diese Stimmen wohl im Unterricht einsetzten, ob sie sich ihrer Stimme überhaupt bewusst waren und welche Auswirkungen diese Stimmen auf die Schüler hatten. Dabei kam mir die Idee, mich intensiver mit diesem Thema auseinanderzusetzen.

Dieses Konzept entstand zur Absicherung der fachlichen Seite in interdisziplinärer Zusammenarbeit mit einem Logopäden, der stimmtherapeutische Erfahrung hat. Es stellt die Grundlage für einen Workshop dar, den ich in naher Zukunft im Lehrerkollegium unserer Schule mit ihm gemeinsam durchführen werde.

Ich selbst bin freiberuflicher Sprecher für diverse Medien, habe aber neben einer Sprecherziehung nicht die Qualifikation (geschweige denn die Intention), Stimmprobleme mit dieser Arbeit zu therapieren.

Mein Schwerpunkt liegt in der Sensibilisierung der Lehrer für ihre Stimme und deren Gebrauch. Ich möchte mit diesem Konzept auf das meiner Meinung nach wichtigste Medium des Lehrers (die Stimme) eingehen und Informationen über ihren möglichen Gebrauch und ihre Grenzen beratend anbieten.

Da die Auseinandersetzung mit dem Thema Stimme innerhalb des Lehramtstudiums in Deutschland an bestimmte Fachrichtungen gekoppelt ist (z.B. Musik, Deutsch, Sport (vgl. Hammann 2000, S. 26)), kommt der überwiegende Teil der Lehramtsstudenten damit nicht in Berührung. Während des Referendariats oder im Berufsleben ist das nicht anders.

Somit ist es fast kein Wunder, dass die Anzahl der stimmbeeinträchtigten Lehrer mit 50% bis 70% (vgl. Hammann 2001, S. 29) recht hoch liegt. Viele Lehrer schreiben die Stimmprobleme Erkältungen zu (Symptom rauer Hals etc.), obwohl der falsche Gebrauch der Stimme die eigentliche Ursache darstellt. Zahlreiche HNO-Ärzte verstärken diese Sichtweise durch medikamentöse Behandlung (z.B. Antibiotika), ohne dadurch die Ursache zu bekämpfen und ohne die Patienten an Stimmtherapeuten/Logopäden zu überweisen.

Andere Lehrer resignieren und nehmen es hin, dass die Beeinträchtigung oder auch der hin und wieder auftretende gänzliche Verlust der Stimme zum Berufsbild Lehrer dazugehört.

Hier setzt mein Konzept an, denn ich möchte darüber aufklären, wie Stimmprobleme entstehen können und welche Möglichkeiten es gibt, diesen entgegenzuwirken (in Form von Tipps, Hilfen, exemplarischen Übungen oder Weiterleitung an therapeutische Institutionen). Darüber hinaus stelle ich die Bedeutung des Mediums Stimme und deren Wirkung auf die Schülerschaft dar. Mein Ziel ist nicht, dass alle Lehrer eine schön klingende Stimme bekommen. Vielmehr sollen sie dafür sensibilisiert werden, was ihrer Stimme gut tut und was nicht, damit sie eine funktionstüchtige Stimme darstellt.

Dieses Konzept beinhaltet nicht die minutiöse Planung eines Workshops. Der Schwerpunkt liegt in der Auseinandersetzung mit dem Thema, der Bereitstellung sämtlicher Informationen, die zur Durchführung des Workshops nötig sind und einer Verlaufsplanung des Workshops. Somit kann jeder, der dieses Konzept anwenden möchte, aus den vorhandenen Informationen auswählen und seinem Bedingungsfeld angemessene Schwerpunkte anbieten.

Während der Vorbereitung dieses Konzepts wurde mir viel Zustimmung und reges Interesse entgegengebracht. Einer befreundeten Referendarin wurde bereits nach drei Wochen des Referendariats von einem Arzt attestiert, dass sie sich schnellstens in logopädische Behandlung begeben solle oder auf lange Sicht ihren Lehrerberuf vergessen könne. Dieses Beispiel zeigt mir, dass Aufklärung im Bereich „Lehrer und Stimme“ dringend nötig ist. So etwas erst während des Referendariats zu erfahren, ist meiner Meinung nach zu spät.

Die beiden Lehrerqualifikationen Beraten und Innovieren bilden die Grundlage dieses Konzepts. Auch wenn mit Stimmeinsatz im fachlichen Sinne etwas anderes gemeint ist, so verstehe ich unter Stimmeinsatz den Einsatz der Stimme im täglichen Gebrauch.

Auf die weibliche Form der Rechtschreibung verzichte ich zu Gunsten der besseren Lesbarkeit.

2. Die Stimme des Lehrers

Der Lehrer zählt zur Gruppe der Berufssprecher. In diesem Beruf liegt der Schwerpunkt auf dauerhaftem, überwiegend lautem Sprechen. Laut einer Studie von Jackson (vgl. Martin & Darnley 1999, S. 88) haben Lehrer pro Unterrichtsstunde 200-300 Sprechakte. Wenn man das auf einen Arbeitstag hochrechnet, ergeben sich 1200-1800 Sprechanlässe pro Tag, wobei die Pausen und angeschlossene Konferenzen nicht mitgerechnet sind. Die Hälfte dieser Sprechakte findet in hoher Lautstärke (über 80dB) statt. Diese hohen stimmlichen Anforderungen unter schwierigen Arbeitsbedingungen können bei Lehrkräften leicht zu physischen, psychischen und psychosomatischen Problemen führen (vgl. Porsch, S. 1).

Es stellt sich die Frage, warum in anderen Berufssprechergruppen (z.B. Schauspieler) eine Sprech- und Stimmausbildung verpflichtend ist, während das bei Lehrern (trotz ihrer höheren Belastung (vgl. Gundermann 1994, S. 70)) nicht der Fall ist.

2.1. Stimme als Medium

Laut einer Umfrage von Martin (1994, vgl. Martin & Darnley 1999, S. 2) sehen 93% der Lehrer die Stimme als ein wichtiges professionelles Werkzeug an.

Es werden ganz unterschiedliche Anforderungen an den Lehrer gestellt, so dass dieser viele verschiedene Stimmen benötigt: als Lehrer ist man Anführer, Richter, Streitschlichter, Tröster, Unterhalter etc. Man muss anordnen, überreden, erklären, ausschimpfen, ermutigen und inspirieren (vgl. Cornish 1995, S. 49). Und das alles mit einer Stimme.

Eine Meinungsumfrage zum Stimmverhalten bei Lehrpersonen im Hinblick auf das Schülerverhalten im Unterricht lässt darauf schließen, dass ein Bewusstsein für sprecherische und stimmliche Ausdrucksmittel vorhanden ist. Laut Angaben der Lehrer bewirken sie mit ihrer Stimme bei den Schülern folgendes:

- Steigerung der Aufmerksamkeit und Konzentration
- Motivation durch bewusst eingesetzte Stimmvariation
- Erzeugen von Spannung
- Entspannung durch eine ruhige, sanfte, leise Stimme
- Förderung der allgemeinen Sprechbereitschaft
- Sicherung des Aufgabenverständnisses
- Erwirken von Ordnungsmaßnahmen

(vgl. Barthen 1995 zit. n. Nienkerke-Springer 1997, S. 212)

Auch wenn es sicher noch weitere Einsatzmöglichkeiten der Stimme bei Lehrern gibt, sollte man sich vor Augen führen, dass die Stimme kein genormtes Medium ist, das jeder gleichbedeutend benutzen kann, sondern das „ Ergebnis der Person “ (Linklater 2001, S. 16). Physiologisch gesehen ist die Stimme das Ergebnis des Zusammenspiels verschie-dener Teile unseres Organismus (nähere Beschreibung erfolgt im medizinischen Exkurs). Was die Stimme jedoch einzigartig macht, ist etwas, das über diese Vorgänge hinausgeht. Es hat mit der Person zu tun, mit dem, was aus ihr hervor klingt. „ Per sonare “ – durch den Ton wird der Mensch zur unverwechselbaren, einmaligen Persönlichkeit (vgl. Stengel & Strauch 1996, S. 20). Aus diesem Grund darf man bei der Arbeit an der Stimme nicht die Person außer Acht lassen. Wegen ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität sieht Gundermann die Stimme als ein „ biopsychosoziales Phänomen “ (Gundermann 1994, S. 18).

Die Stimme erteilt Auskunft über das Geschlecht des Besitzers, das Alter, die Herkunft, die Stimmung, die Einstellung zur Sache.

Sten Nadolny beschreibt, was beim Reden noch hinzu klingt: „ Wer redet, transportiert niemals nur das, was seine Worte bedeuten, sondern auch, was er selbst bedeutet – er erzählt seine eigene Geschichte indirekt mit. Das sollte er nicht fürchten, sondern sogar wollen und zulassen! Nur dann wird er Aufmerksamkeit gewinnen, mehr noch: die Haltung hilft dem Inhalt auf die Beine.“ (zit. n. Nienkerke-Springer 1997, S. 215)

Die Elemente, die noch hinzu klingen, sind die so genannten prosodischen Elemente. Die wichtigsten sind Tempo, Melodie, Lautstärke, Pausen und Akzentuierung. Sie machen den Sprachstil des Menschen individuell. Zum Beispiel beleben sie die Sprache, heben Bedeutungen hervor und unterscheiden Fragen von Aussagen (vgl. Nienkerke-Springer 1997, S. 216). Ohne prosodische Elemente könnte man „ Er geht ins Theater “ nicht von „ Er geht ins Theater? “ unterscheiden. Der flexible Umgang mit den sprachlichen Ausdruckselementen beeinflusst in großem Maße das Kommunikationsgeschehen im Unterricht. Darüber hinaus dient der flexible Umgang mit Lautstärke, Sprechtonhöhe, Sprechtempo und der damit verbundenen Pauseneinteilung auch der Gesunderhaltung der Stimme. Denn eine aufkommende Heiserkeit kann dazu verführen, permanent zu laut oder zu leise zu sprechen (vgl. Nienkerke-Springer 1997, S. 215).

2.2. Bedeutung der Lehrerstimme für die Schüler

Jeder Mensch wird in seinem Sozialisationsprozess von stimmlichen Vorbildern geprägt, die die Stimme und den Stimmgebrauch beeinflussen. So imitiert ein Säugling Melodie, Rhythmus und Intonation der Umwelt, bevor er überhaupt sprechen kann. Die Nachahmung von auffälligen bzw. beeinträchtigten Stimmen überträgt sich ebenso auf das Kind wie Dialekte und Atemformen. Die Bezugspersonen sind sich eher bewusst, ein Sprachvorbild zu sein, als ein Stimmvorbild (vgl. Nienkerke-Springer 2000, S. 32).

So wie Eltern ein Stimm- und Sprachvorbild für ihre Kinder darstellen, gilt das auch für den Lehrer. In statistischen Untersuchungen in den USA wurde festgestellt, dass Jungen eine höhere Grundfrequenz der Sprechstimme aufweisen, da die Elementarschulen überwiegend mit Lehrerinnen besetzt sind (vgl. Gundermann 1994, S. 42).

Interessant ist jedoch die Frage, wie Stimmbeeinträchtigungen des Lehrers auf die Schüler wirken. Allgemein bekannt ist folgende Situation: Hat unser Gesprächspartner eine belegte Stimme, fangen auch wir an, uns zu räuspern. Dieser als funktioneller Nachvollzug bezeichnete Effekt zeigt, wie stark wir auf Stimmeigenschaften reagieren (vgl. Eckert & Laver 1994, S. 5). Wenn jedoch Stimmeigenschaften, die normalerweise ein bestimmtes Gefühl ausdrücken, gewohnheitsmäßig verwendet werden, sendet der Sprecher ständig falsche Signale aus. So stellt sich eine ständig überhöhte Stimmlage, mit großer Laut-stärke und hörbarer Anspannung der Sprechmuskulatur, dem Hörer als Stress dar – selbst wenn der Sprecher nicht gestresst ist. Die Besonderheit liegt nicht darin, dass der Sprecher falsch eingeschätzt wird, sondern dass beim Zuhörer jenes Gefühl erzeugt wird, das beim Sprecher gar nicht vorhanden ist. Es fällt schwer, sich innerlich zu entspannen, wenn der Gesprächspartner gestresst klingt (vgl. Eckert & Laver 1994, S. 161). So könnte der Lehrer durch den Einsatz seiner derart beeinträchtigten Stimme für Unruhe bzw. Stress in der Klasse mitverantwortlich sein. In diesem Bereich ist jedoch noch einige Forschungsarbeit zu leisten.

Eine Studie von Morton & Watson (2001) beschäftigt sich mit der Auswirkung einer beeinträchtigten Stimme auf die Fähigkeit von Kindern, Gesprochenes zu verarbeiten. Die Studie zeigt, dass sich die beeinträchtigte Stimme negativ auf die linguistische Verarbeitung auswirkt. Die mögliche Begründung ist, dass diese Stimme zusätzliche Ansprüche an den Hörer stellt, so dass dieser weniger Kapazitäten für die Speicherung und das Verstehen zur Verfügung hat. Selbst wenn sich die Schüler vielleicht an die beeinträchtigte Stimme gewöhnen können (dies wurde beim Stottern nachgewiesen), so ist dieses Ergebnis, bezogen auf das Lernen in der Schule, nicht zu vernachlässigen. Ergänzend sei an dieser Stelle angemerkt, dass insbesondere in einer Sonderschule die Beziehungsarbeit mit den Schülern in den Vordergrund rückt, so dass der Stimme eine noch größere Bedeutung gegeben werden könnte.

3. Ein medizinischer Exkurs

Ich bin nicht der Meinung, dass es notwendig ist, kleinste medizinische Details über seine Stimme zu kennen, um besser mit ihr arbeiten zu können. Jedoch glaube ich, dass ein vereinfachter Überblick helfen kann, die grundlegenden Funktionsweisen und Zusammenhänge deutlich zu machen und dadurch zu einer Sensibilisierung beizutragen, was die Stimme zu leisten imstande ist und was nicht. Martin & Darnley (1999, S. 34) vergleichen es mit dem Autofahren: Wir sind zwar nicht fähig, jede Komponente des Motors zu benennen, jedoch können wir am Klang des Motors hören, wann wir zu schalten haben. Wenn wir Hindernisse vor uns sehen, wissen wir, wie wir sie umfahren können. Es ist somit wichtig, zu lernen, auf die Stimme zu hören und zu erkennen, wann sie angespannt ist. Dann kann die Situation, die das Hindernis darstellt, bewusst angegangen werden.

3.1. Was ist alles an der Stimmproduktion beteiligt?

Wenn man die Stimme nachbauen wollte, benötigte man eine Energiequelle (Atem), ein vibrierendes Element (Stimmlippen), ein Ventilsystem (Vokaltrakt) und ein paar Filter (Resonatoren). Leider ist das nicht ganz so einfach, wie es sich anhört.

Die Stimme ist das Ergebnis von drei separaten Systemen: das respiratorische für die Atmung, das phonatorische für die Tonproduktion und das resonatorische System für die Modifikation des Tones. Die primäre biologische Aufgabe der Systeme dient eigentlich der Lebenserhaltung. So brauchen wir Luft primär zum Atmen statt zum Sprechen. Es wäre viel schwieriger, schwere Dinge zu heben oder bei der Geburt zu pressen, wenn sich die Stimmlippen nicht schließen würden, wie sie es beim Sprechen tun. Der für die Resonanz wichtige Kehldeckel verhindert, dass Nahrungsteile in die Luftröhre gelangen und wieder herausgehustet werden müssen.

Die Körperhaltung hat direkten Einfluss auf diese Systeme. Dies verdeutlicht, dass bei der Stimmarbeit der gesamte Körper berücksichtigt werden muss und nicht nur der isolierte Klang der Stimme (vgl. Martin & Darnley 1999, S. 35ff).

3.2. Wie entsteht Stimme?

Zu Beginn steht die Intention zu sprechen oder zu singen. Dazu wird Energie benötigt, die in Form von Luft durch Mund und/oder Nase eingeatmet wird. Die Lungen werden vom Brustkorb und - physiologisch wichtiger - vom Zwerchfell geweitet, die Luft strömt durch die Luftröhre ein. Der wichtigste Muskel bei der Atmung ist das Zwerchfell, das quer zwischen Brust- und Bauchraum liegt. Bei der angestrebten „Bauchatmung“ senkt sich beim Einatmen das Zwerchfell ab, die vollen Lungen verdrängen dabei die Eingeweide, so dass die Bauchdecke sichtbar nach vorne tritt. Die Atmung ist übrigens die einzige lebenswichtige Körperfunktion, die wir willkürlich beeinflussen können (schneller, langsamer, flacher, tiefer atmen) (vgl. Stengel & Strauch 1996, S. 58). Wenn sich das Zwerchfell beim Ausatmen wieder entspannt, ziehen sich die Lungenbeutel wieder zusammen und die Luft gelangt zurück in die Luftröhre. Viele Menschen verlassen sich nicht darauf, dass die Luft von selbst reflexartig wieder einströmt (im Fachjargon reflektorische Atemergänzung genannt), sondern üben diese Muskeltätigkeit aktiv aus. Ein dabei zu hörendes Einatemgeräusch ist Zeichen einer pathologischen Atmung (vgl. Stengel & Strauch 1996, S. 62). Einige Menschen schnappen beim Sprechen regelrecht nach Luft, obwohl nachgewiesen wurde, dass die reflektorische Atemergänzung nur ca. 0,2 Sekunden dauert (Coblenzer & Muhar in Stengel & Strauch 1996, S. 62). Die Gründe sind zu lange Sprechphasen mit zuwenig Pausen beim Sprechen.

Zurück zur Luft, die sich auf dem Rückweg von den Lungen in der Luftröhre befindet.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Am oberen Ende passiert sie den Kehlkopf mit den innen liegenden Stimmlippen (das phonatorische System). Umgangssprachlich werden Stimmbänder und Stimmlippen oft synonym benutzt. In Abb. 1 sieht man, dass das voluminöse Muskelgewebe die Stimmlippen sind. Die kleinen, an die Stimmritze in der Mitte angrenzenden elastischen Muskelfasern, sind die wirklichen Stimmbänder.

Beim Atmen sind die Stimmlippen offen, so dass die Luft ungehindert hindurch strömen kann. Um einen Ton zu erzeugen, müssen sie jedoch geschlossen sein (sog. Stimmlip-penschluss). Die Luft, die jetzt durch die Stimmritze entweicht, wird durch hochfrequentes Öffnen und Schließen in Schwingungen versetzt und zum Klingen gebracht. Auch wenn der Vergleich etwas ungenau ist, kann man es mit einem aufgeblasenen Luftballon vergleichen, dessen Mundstück in die Länge gezogen wird, so dass die Luft durch den kleinen Spalt entweicht. Je nachdem wie stark man am Mundstück zieht, entsteht eine Art Pfeifton (vgl. Stengel & Strauch 1996, S. 66).

Wie öffnen und wie schließen sich die Stimmlippen wieder? Die Stimmlippen sind geschlossen, die Luft aus den Lungen kann nicht passieren und staut sich unter ihnen. Durch den sich erhöhenden Luftdruck werden die Stimmlippen förmlich auseinander geblasen (vgl. Martin & Darnley 1999, S. 37). Aufgrund der Luft, die dabei hindurch gelangt, sinkt der Luftdruck unter den Stimmlippen wieder. Der fehlende Druck und die Elastizität des Muskelgewebes führen zum Schließen der Stimmlippen bis der Vorgang wieder von vorne beginnt. Bei einer normalen Produktion von Vokalen findet dieser Vibrationsvorgang bei Männern ca. 135 Mal pro Sekunde, bei Frauen ca. 235 Mal und bei Kindern noch häufiger statt. Um die Höhe des Tons zu verändern, muss die Spannung der Stimmlippen variiert werden (mehr Spannung ergibt höhere Töne, weniger Spannung tiefere). Je nach Geschlecht, Alter, Gesundheit und der angestrebten Note können sich die Stimmlippen von 60 bis 1000 Mal pro Sekunde öffnen und schließen (vgl. Voice Care Network UK 1999, S. 6). Da bei soviel Reibung auch Wärme entsteht, müssen die Stimmlippen immer gut befeuchtet sein. Aus diesem Grund sind sie mit einer schützenden Schleimhaut überzogen.

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Details

Title
Täglich im Einsatz und doch kaum beachtet - ein Konzept zur Sensibilisierung der Lehrer für ihren Stimmeinsatz
Grade
1,0 - 4,0 (Erst- u. Zweitleser)
Author
Year
2003
Pages
36
Catalog Number
V18577
ISBN (eBook)
9783638228954
ISBN (Book)
9783638713238
File size
798 KB
Language
German
Notes
Diese Arbeit enthält Informationen über die Bedeutung der Stimme des Lehrers (sowohl über ihre Anforderungen als auch über ihre Auswirkungen auf die Schüler). Darüber hinaus zeigt sie, wie Stimme funktioniert und wie man sie mit einfachen Mitteln so benutzen und pflegen kann, damit sie funktionstüchtig bleibt. Dieses Konzept wurde in Zusammenarbeit mit einem Logopäden erstellt und bildet die Grundlage für einen Workshop, der anhand des Konzeptes durchgeführt werden kann.
Keywords
Lehrer, Stimmeinsatz, Stimmtraining, Stimmprobleme, Stimme, Stimmpflege
Quote paper
Frank Becker (Author), 2003, Täglich im Einsatz und doch kaum beachtet - ein Konzept zur Sensibilisierung der Lehrer für ihren Stimmeinsatz, Munich, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18577

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