Theoretische und praktische Einführung von softwareunterstütztem Wissensmanagement in einem IT-Beratungsunternehmen


Diplomarbeit, 2001

131 Seiten, Note: 1.3


Leseprobe


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„Theoretische und praktische Einführung von

softwareunterstütztem Wissensmanagement in einem

IT-Beratungsunternehmen“

DIPLOMARBEIT

Fachbereich Informatik

eingereicht von: Steffi Baumann

Schmalkalden, den 19. November 2001

Tabellenverzeichnis VIII

TABELLENVERZEICHNIS

Abkürzungsverzeichnis IX

ABKÜRZUNGSVERZEICHNIS

ARIS Architektur integrierter Anwendungssysteme ASP Application Service Providing BDU Bund deutscher Unternehmensberater BPR Business Process Reengineering CMS Content-Management-System CRM Customer-Relationship-Management DMS Dokumentenmanagement-System CD Corporate Design eEPK erweiterte ereignisgesteuerte Prozesskette EPK Ereignisgesteuerte Prozessketten ESCP-EAP Ecole Supérieure de Commerce de Paris - Ecole Européene des Affairs EU Europäische Union F&E Forschung und Entwicklung IT Informationstechnologie

KI Künstliche Intelligenz KMU Kleine- und Mittelständische Unternehmen OLAP Online Analytical Processing WM Wissensmanagement WMS Wissensmanagement-System

1. EINLEITUNG

Im Laufe der Geschichte, wurde die Menschheit jeweils durch eine vorherr- Gesellschaftsform geprägt. Die Industriegesellschaft die Mitte des letzten Jahrhunderts ihre Blütezeit erlebt hat, neigt sich dem Ende und mit dem Überschreiten der Jahrtausendgrenze ist das Zeitalter der Informations- und Wissensgesellschaft angebrochen. Experten sprechen von einem postindustriellen Gesamtkunstwerk. Entscheidendes Merkmal der Wissensgesellschaft ist die überlegene Verfügung und Nutzbarkeit von Wissen. Damit wird diese Ressource zum wichtigsten und somit vierten Produktionsfaktor. 1

„Die Wissensgesellschaft ist keine ferne Vision. Sie ist längst Realität. Wir müssen sie nicht erfinden, sondern erfinderisch mit ihren Chancen umgehen. 2

Klassischen Produktionsfaktoren wie Kapital und Arbeit verlieren aufgrund der Globalisierung, Internationalisierung und Liberalisierung des Welthandels an Bedeutung. (siehe Abb. 1-1)

Stellenwert/Bedeutung Wissen

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Kapital Arbeit

Agrar-Wissens-(Informations-)

Gesellschaft Gesellschaft Gesellschaft

Abb. 1 - 1 Der Wandel zur Informations- und Wissensgesellschaft 3

Kennzeichnend für den Wandel zur Wissensgesellschaft ist das hohe Tempo der Wissensvermehrung und das explosionsartige Wissenswachstum. Alle fünf bis sieben Jahre verdoppelt sich das weltweit verfügbare Wissen und die Halbwertzeit des Wissens wird daher noch geringer. Jeden Tag erscheinen weltweit mehr als 20.000 Publikationen und derzeit arbeiten soviel Wissenschaftler auf der Welt wie alle Wissenschaftler in den letzten 2000 Jahren zusammengenommen. Daraus ist erkennbar, dass die Wachstumskurve des Wissens fast unendlich erscheint.

Parallel zum Wachstum des Wissens ist gleichzeitig ein ebenso enormes Wachstum in der Informationstechnologie zu verzeichnen. Daher ist ein Zusammenhang zwischen Wissen und Technik nicht auszuschließen. Dieses Wissenswachstum ist daher technikinduziert. 4

1.1 Zielsetzung der Arbeit

Aufgrund der oben genannten Tatsachen und der offensichtlichen Aktualität der Thematik entstand die Motivation zum Anfertigen der vorliegenden Arbeit.

Das Ziel dieser Diplomarbeit ist die Entwicklung einer Leitidee für eine sowohl theoretische als auch praktische Wissensmanagementstrategie. Dazu wird ein umfassendes Konzept für die Einführung von ganzheitlichem Wissensmanagement mit Softwareunterstützung entwickelt.

Die zentrale Aufgabe hierbei ist, die Notwendigkeit von Wissensmanagement darzulegen und für das untersuchte Unternehmen zu begründen.

Die Vorstellung einer Managementstrategie bildet den theoretischen Teil. Der praktische Teil besteht aus dem Vorschlag einer IT-Unterstützung und eines Gesamtkonzeptes mit exakt auf das Unternehmen zugeschnittenen Empfehlungen für die Einführung eines ganzheitlichen Wissensmanagements. Das unternehmensspezifische Gesamtkonzept ist in die allgemeine und theoretische Managementstrategie eingebettet.

Diese Diplomarbeit trägt den Titel: „Theoretische und praktische Einführung von softwareunterstütztem Wissensmanagement in einem IT-Beratungsunternehmen“. Der in der Literatur beschriebene Zeitbedarf für ein solches Projekt beträgt im Mittel ca. 2 Jahre, bis zur produktiven Nutzung eines Wissensmanagement-Systems 1-1,5 Jahre. 5 HERBST spricht sogar von 3-5 Jahren. 6 Abb. 1-2 illustriert den durchschnittlichen Zeitbedarf. Dieser Bedarf ist abhängig von Projektumfang und Engagement der Führungskräfte und Mitarbeiter.

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1.2 Überblick über Aufbau und Argumentationsfolge

Diese Arbeit behandelt im Rahmen der Einleitung die Heranführung an das Thema und stellt Aufbau und Argumentationsfolge der Arbeit vor.

Kapitel 2 klärt alle relevanten Begriffe der Thematik und stellt verschiedene

Konzepte des Wissensmanagements vor. Des weiteren beinhaltet dieses Kapitel eine kritische Betrachtung zum Wissensmanagement.

In Kapitel 3 wird das zu betrachtende Unternehmen (VIVEON AG) in Branche und Größe eingeteilt, dabei werden Geschäftsfelder und Produktportfolio vorgestellt. Des weiteren wird der Aspekt des Wissensmanagements im Bereich der kleinen- und mittelständischen Unternehmen (KMU) und IT-Beratungs-

unternehmen erläutert. Daraus folgend wird die Notwendigkeit des Wissensmanagements für kleine IT-Beratungsunternehmen abgeleitet.

Kapitel 4 legt das Modulsystem des Wissensmanagements nach PROBST dar. Innerhalb der einzelnen Module wird kontinuierlich der Unternehmensbezug hergestellt, ferner werden bereits Vorschläge zur Umsetzung des Wissensmanagements unterbreitet.

In Kapitel 5 werden die Möglichkeiten einer IT-Unterstützung für das Wissens- aufgezeigt. Diese umfassen eine Evaluierung der auf dem Markt befindlichen Tools mit anschließender Analyse und Produktauswahl. Die Analyse stützt sich auf einen unternehmensinternen Kriterienkatalog, welcher aufgrund einer Mitarbeiterbefragung ausgewertet wurde und auf die allgemeinen Marktanforderungen, die sich aus Studien von Forschungsinstituten begründen. Daraus ergibt sich ein Konzept für eine mögliche IT-Unterstützung. Dieses Kapitel bildet in Verbindung mit Kapitel 4 den Schwerpunkt der Arbeit.

Kapitel 6 fasst schließlich die Ergebnisse aus Kapitel 4 und 5 zusammen und zeigt explizit die Maßnahmen auf, welche bei der VIVEON AG umgesetzt werden müssen. Im darauf folgendem Ausblick wird die weitere Vorgehensweiseempfohlen.

Zum Abschluss behandelt ein Exkurs das Thema „Hat das Unternehmen ein Anrecht auf das Wissen seiner Mitarbeiter?“. Dieser Exkurs regt eine psychologisch-rechtliche Auseinandersetzung mit der Thematik an.

Abb. 1-3 beschreibt zur Übersichtlichkeit den Aufbau und die Argumentations- in einem Verlaufsdiagramm.

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Abb.1 - 3 Aufbau und Argumentationsfolge der Diplomarbeit 9

2. THEORETISCHE GRUNDLAGEN DES WISSENSMANAGEMENTS

In diesem Kapitel werden die für das Verständnis der Arbeit notwendigen Grundlagen erörtert.

2.1 Begriffsklärungen

Wissen

Wissen ist ein diffiziler und kaum greifbarer Begriff, es existieren unzählige Er- und Meinungen. Wissen hat je nach Betrachter eine andere Bedeutung, so beschäftigen sich z.B. Philosophen im Rahmen der Epistemologie 10 schon seit der Antike mit der Erforschung dieses Begriffes. 11 Eine philosophische Betrachtung steht hier jedoch aufgrund der Begriffsvielfalt nicht im Vordergrund, vielmehr soll eine Begriffsklärung innerhalb der Organisations- und Managementlehre angestrebt werden.

Einigkeit besteht in der Literatur bezüglich der Wissensentstehung. Abb. 2-1 verdeutlicht den Entstehungsprozess von Wissen. Auf unterster Ebene sind Daten angesiedelt, welche aus Zeichen und Zeichenketten bestehen. Werden diese Daten in einen Problemzusammenhang gestellt und zur Erreichung von Zielen verwendet, transformieren sie zu Informationen. Wissen ist damit das Ergebnis der Verarbeitung von Informationen durch das Bewusstsein und kann als verstandene Information angesehen werden. 12

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- - - - . . . - - - -

Abb. 2 - 1 Daten, Informationen und Wissen 13

10 Epistemologie = Erkenntnistheorie

11 Vgl. Minder 2001, S. 37

Eine eindeutige Definition bietet PROBST:

„Wissen bezeichnet die Gesamtheit der Kenntnisse und Fähigkeiten, die Individuen zur Lösung von Problemen einsetzen. Dies umfasst sowohl theoretische Erkenntnisse als auch praktische Alltagsregeln und Handlungsanweisungen. Wissen stützt sich auf Daten und Informationen, ist im Gegensatz zu diesen jedoch immer an Personen gebunden. Es wird von Individuen konstruiert und repräsentiert deren Erwartungen über Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge.“ 14

Wissen ist somit ein weit definierbarer Begriff und kann hinsichtlich Erkenntnis- Inhalt, Ursprung, Qualität, Struktur und Funktionen unterschieden werden. Auf diese Unterscheidungen soll hier jedoch aufgrund mangelnder Relevanz nicht näher eingegangen werden. Um den Bezug zu ganzheitlichem Wissensmanagement herzustellen, ist allerdings eine Unterteilung in implizites und explizites Wissen sowie die Erläuterung des Firmenwissen unumgänglich. Bei der Unterscheidung zwischen expliziten und implizitem Wissen wird in der allgemeinen Literatur oft auf NONAKA/TAKEUCHI verwiesen, da ihr gesamtes Wissensmanagementmodell darauf aufbaut. Aber bereits 1966 veröffentlichte POLANYI sein Buch „The Tacit Dimension“, welches unter dem deutschen Titel: „Implizites Wissen“, im Jahr 1985, herausgegeben wurde und den Begriff des impliziten Wissens erforscht. Implizit ist demnach das unsichtbare, stille Wissen in den Köpfen der Menschen. Explizit ist dagegen ein ausgesprochenes, formuliertes, dokumentiertes Wissen, das für jeden sichtbar ist, respektive durch die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern entstehen kann. 15 Unter Firmenwissen werden unter anderem Patente, Prozesse Technologien, Fähigkeiten, Fertigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeiter verstanden. Des weiteren beinhaltet es Informationen über Kunden, Partner, Märkte, Wettbewerb und Lieferanten. Auch hier darf Wissen nicht als losgelöste Komponente betrachtet werden, es ist immer an bestimmte Personen gebunden. 16

Wissensmanagement (WM)

Aufbauend auf der Klärung des Wissensbegriffs wird unter Wissens- die Umschreibung aller Aufgaben und Tätigkeiten verstanden, die dazu dienen, Wissen zur Erreichung der Unternehmensziele einzusetzen. Wissensmanagement ist ein Prozess, der sich aus mehreren Teilprozessen zusammensetzt, welche wiederum alle miteinander in Beziehung stehen und aufeinander aufbauen 17 . Dabei umfasst Wissensmanagement die Gesamtheit aller Konzepte, Strategien und Methoden zur Schaffung einer intelligenten und lernenden Organisation. In diesem Sinne bilden Mensch, Organisation und Technologie die drei zentralen Standbeine des Wissensmanangements. 18

.

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Kultur

Kultur

Abb. 2 - 2 Säulen des Wissensmanagements 19

Abbildung 2-2 beschreibt die Zusammenhänge des Wissensmanagements, deutlich wird hierbei, dass die Kultur keineswegs außen vor gelassen werden darf. Ohne diese Komponente wird jedes Projekt scheitern. Ganzheitliches Wissensmanagement bedeutet somit die Kombination aus Mensch, Organisation und Technologie aufbauend auf der Unternehmenskultur. Wissensmanagement kann daher als Schnittmenge informationstechnischer, betriebswirtschaftlicher und psychologischer Aspekte und Problemstellungen bezeichnet werden. 20

17 Vgl. Bommer/Möller 2001, www.people-value.de/elemente.htm

Die Grundfrage ganzheitlichen Wissensmanagements ist: „Wer benötigt in welchem Umfang und in welcher Qualität, Informationen und Wissen über welchen Sachverhalt, zu welchem Zweck, von welchen Personen respektive aus welchen Quellen und zu welchem Zeitpunkt?“ 21

Wissensmanagementsystem (WMS)

Ein Wissensmanagement-System ist eine automatisierte Lösung zur Umset- einer Wissensmanagementstrategie.

Es soll die Phasen der Wissensdokumentation, Wissensverwaltung, Wissensorganisation und Wissensverbreitung unterstützen. Wissensmanagement-Systeme werden nie einen Wissenserwerb oder die Definition von Wissenszielen unterstützen können, sie dienen lediglich der Verfügbarmachung des Wissens. Funktionalitäten und Architektur eines WMS werden explizit in Kapitel 5 erörtert.

2.2 Wissensmanagement - Eine kritische Betrachtung

Was ist Wissensmanagement?

Ein Schlagwort, ein Modetrend, eine lukrative Einnahmequelle für Manage- und Softwarehersteller, oder eine ernstzunehmende Managementstrategie?

Dieser Frage soll auf den Grund gegangen werden. Hier wird eine kritische Be- angestrebt, die aufdecken soll, ob es sich um eine vorübergehende Modeerscheinung oder einen kontinuierlichen Wandel in der Managementlehre handelt.

Wissensmanagement wird schon seit Menschengedenken betrieben. Schon immer teilten Eltern ihr Wissen mit ihren Kindern. Als der Buchdruck erfunden war, konnte das Wissen einfach dokumentiert werden. So profitierten beispielsweise Wissenschaftler von den Forschungen ihrer Vorgänger. Auch frühe Wissenschaftler wie KONFUZIUS , PLATO und sein Schüler ARISTOTELES setzten sich nachhaltig mit dem Wissensbegriff und dessen Erforschung auseinander. 22

FRANCIS BACON widerlegt mit seinem Zitat von 1597 „Wissen ist Macht“, 23 die Aussage, das Wissensmanagement ein Begriff des 21. Jahrhunderts sei.

Dennoch erlebt Wissensmanagement seit den 80er Jahren einen schier end- Aufwärtstrend. Es gibt unzählige Bücher und Zeitungsartikel zum Thema Wissensmanagement. Allein Amazon hat derzeit mehr als 200 Bücher im Angebot. 24 Es haben sich Arbeitskreise, Newsgroups und Fachgruppen gebildet. Kongresse und Messen zum Thema Wissensmanagement sind begehrte Treffpunkte für Manager aus der ganzen Welt. Fachhochschulen und Universitäten haben Wissensmanagement in ihr Lehrveranstaltungsangebot aufgenommen und Kompetenzzentren aufgebaut. Die Publikationen zum Thema Wissensmanagement steigen expotentiell nach oben, welches auch Abb. 2-3 zeigt.

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Abb. 2 - 3 Neue Wissensmanagement-Artikel in ABI/INFORM 25

Eine Studie des Institutes für e-Management e.V. (IfeM) zur Etablierung von Wissensmanagement hat ergeben, dass sich Wissensmanagement in der Führungsebene etabliert. Waren es im März 2000 noch 15 % der Unternehmen die Wissensmanagement als Chefsache ansehen, so sind es im Mai 2001 bereits 49 %, welche die Einführung von Wissensmanagement über den Vorstand entscheiden. 26

Neben all den positiven und teilweise mystisch erscheinenden Ausführungen zum Wissensmanagement gibt es auch kritische Stimmen. So bezeichnet SCHNEIDER das Thema Wissensmanagement als „noch einen“ Beitrag im Reigen unzähliger aber in der Gesamtheit doch gescheiterten Erfolgskonzepte für ein zunehmend verwirrtes Management. Sie geht sogar so weit zu sagen, Wissensmanagement sei ein oberflächliches Recycling eines reichlich abgenutzten, wenn auch keineswegs umgesetzten Konzeptes, nämlich der lernenden Organisation. 27

Was ist also der Katalysator des Wissensmanagements?

Die Wertschöpfung der Unternehmen ist bereits heute zu ca. 50 bis 90 Prozent von der Bewirtschaftung des Wissens der Unternehmung abhängig. Damit ist Wissen der wichtigste Produktionsfaktor für eine Vielzahl der Unternehmen, 28 mit einer noch weitaus höheren Bedeutung in der Zukunft. In der Literatur wird daher von wissensbasierten Unternehmen 29 und wissensbasierter Unternehmensführung 30 gesprochen. Der Wert von Unternehmen wird heute mehr durch das „Wissenskapital“ als durch den Buchwert bestimmt. Unternehmen wie SAP oder Microsoft werden aufgrund ihres Wissens an der Börse mit dem Zehnfachen ihres Buchwertes gehandelt. Dabei wird von intellektuellem Kapital gesprochen, es wird bestimmt durch Marktwert, Image und Kundenstamm. 31

Alle diese Zahlen und Aussagen sind positiv und einfach darstellbar, sind aber dennoch kaum greifbar. Daher sollen einige Beispiele aus der Praxis die Effizienz von Wissensmanagement nachweisen.

Der amerikanische Öl-Konzern Chevron spart durch sein WM-Programm jähr- rund 150 Mio. Dollar ein, weil das Wissen um die Möglichkeiten der Energieeinsparung in der Produktion weltweit ausgetauscht wird.

Hoffmann-LaRoche (Pharmaindustrie) reduzierte durch Wissensmanagement in der Forschung und Entwicklung (F&E) neuer Medikamente den Time-to-Market-Zeitraum um einige Monate. Jeder Tag der Verzögerung bedeutet einen Einnahmeausfall von rund 1 Mio. Franken. 32

Allein in Deutschland sollen Schätzungen zufolge Doppelerfindungen jedes Jahr einen volkswirtschaftlichen Schaden von 240 Millionen Mark verursachen. 33 Schätzungsweise 200 Milliarden DM (Wert der Arbeitszeit) werden durch das Ablegen, Sortieren und Suchen von Dokumenten verschwendet, weil 80 % des Unternehmenswissens in Dokumentenform vorliegt. 34

Abb. 2-4 stellt das Verbesserungspotenzial durch Wissensmanagement dar. Diese Zahlen resultieren aus einer Studie des Informationszentrums Benchmarking vom Fraunhofer Institut. Es wurden dabei Unternehmen befragt, die bereits Wissensmanagement praktizieren.

50 % Kosten-/Zeiteinsparungen, Produktivitätsverbesserung 19 % Prozessverbesserungen 18 % Transparenz von Strukturen und Prozessen 18 % Kundenorientierung und -zufriedenheit 17 % Verbesserung von Entscheidungen und Prognosen 15 % Besserer Informationsaustausch

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Diese Beispiele belegen den offensichtlichen Nutzen von Wissensmanagement und demonstrieren durch Zahlen und Fakten, den messbaren Erfolg einer solchen Strategie.

Neben diesen Beispielen für den erfolgreichen Einsatz von Wissensmana- gibt es auch Erfahrungen, die belegen, dass fehlendes Anwenden von bestehendem Wissen enorme Nachteile bringen kann. Folgende Ausführungen betreffen Kenntnisse über fremde Kulturen und Absatzmärkte.

Procter & Gamble starteten Mitte der achtziger Jahre in arabischen Ländern eine Werbekampagne für Waschmittel, bei der links ein Berg schmutziger Wä- sche, in der Mitte das Waschmittel und rechts die saubere Wäsche lag. Die Kampagne ging nicht auf, weil Araber von rechts nach links lesen. Auch McDonalds beging solche Fehler indem sie in Japan in den Mittelpunkt ihrer Kampagne das bekannte Maskottchen Ronald McDonald stellten. Dieses Maskottchen tritt immer mit weißgeschminktem Gesicht auf, welches in asiatischen Kulturen ein Symbol für den Tod ist. Wäre auf das Wissen bzgl. der Kulturen der angepeilten Märkte zurückgegriffen worden, hätten solche gravierenden Fehler vermieden werden können. 36

Schlussfolgerung

Unternehmer sind in einem Spannungsfeld gefangen. Auf sie wirken Faktoren wie Globalisierung, Zwang zu Innovationen, verschärfter Wettbewerb, höhere Kompetenzanforderungen, zunehmende Dynamik und Komplexität und steigende Mitarbeiter-, Kunden- und Kapitalgebererwartungen. 37 Wird Wissen richtig eingesetzt, können nachhaltige Wettbewerbsvorteile gesichert werden. So ermöglicht das Wissen über Kunden eine schnellere Bedürfniserkenntnis und somit eine anhaltende Kundenbindung. Konkurrenzwissen befähigt die Organisation vom Wettbewerber zu lernen und somit die Marktposition zu festigen. Wird internes Wissen gezielt genutzt, können Prozesse optimiert, Produkte verbessert und die Qualität erhöht werden. Durch Kombination aller Wissensbereiche kann eine Organisation daher zu einem schlecht imitierbaren und somit einzigartigen Unternehmen auf dem Markt werden. 38

Wenn also Wissen die wichtigste strategische Ressource ist, dann muss das Management dieses Erfolgsfaktors als kritische Herausforderung der Unternehmensführung schlechthin betrachtet werden. 39

Als Resümee kann festgehalten werden, dass richtig betriebenes Wissens- zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit und einer Effizienzerhö- hung in Organisationen führen kann. Hypothetisch betrachtet können Vorteile kaum abgeleitet werden, allerdings belegen konkrete Erfolgsstorys von Unternehmen die Wissensmanagement betreiben, den nachweislichen Nutzen einer solchen Managementstrategie.

Es handelt sich bei Wissensmanagement also nicht um eine vorübergehende Modewelle, sondern um die Erkenntnis eines neuen Produktionsfaktors und die effiziente und nachhaltige Nutzung dieser Ressource.

2.3 Wissensmanagementmethoden in Literatur und Praxis

In der Vielzahl der Wissensmanagement-Publikationen werden viele unter- Konzepte und Methoden aufgeführt, die an verschiedenen Forschungsinstituten und Praxisprojekten entwickelt wurden. In diesem Punkt wird einen kleine Auswahl dieser Konzepte vorgestellt und der Bezugsrahmen dieser Arbeit abgeleitet.

2.3.1 Organisations- und Managementlehre

Unter diesem Aspekt wird versucht, inhaltliche Lösungen für konkrete Probleme der Praxis herauszuarbeiten. Es werden verschiedene Ansätze unterschieden.

2.3.1.1 Ansatz von G. Probst (Schweiz 1997)

Dieses Modell wurde aus konkreten Praxisanforderungen heraus entwickelt und beinhaltet die Aktivitäten Wissensidentifikation, Wissenserwerb, Wissensentwicklung, Wissensteilung, Wissensnutzung und Wissensbewahrung. Die Bausteine Wissensziele und Wissensbewertung runden das Modell ab, so dass ein Managementkreislauf entsteht. Kapitel 4 behandelt diesen Ansatz in aller Ausführlichkeit.

2.3.1.2 Der Ansatz von I. Nonaka und H. Takeuchi (Japan1997)

Den Mittelpunkt des Ansatzes von NONAKA/TAKEUCHI bildet die sogenannte Wissensspirale. Es werden die Teilbereiche der Sozialisation, Externalisierung, Kombination und Internalisierung unterschieden. Die Sozialisation beschreibt den Übergang des impliziten Wissens in implizites Wissen, welches mittels Erfahrungsaustausch, Beobachten und Nachahmen möglich gemacht wird. Dies erfordert den Aufbau eines Interaktionsfeldes. Bei der Externalisierung wird implizites Wissen in explizites Wissen transformiert, dies geschieht durch den Prozess der Artikulation (Dialog), bei dem implizites Wissen in Form von Modellen, Konzepten oder Analogien expliziert wird. Die Externalisierung ist somit als Schlüsselvorgang zur Wissensschaffung anzusehen. Kombination bezeichnet den Prozess der Erfassung von Konzepten innerhalb eines Wissenskomplexes. Sie dient dazu, verschiedene Bereiche von explizitem Wissen miteinander zu verbinden. Die Internalisierung kann dem learning by doing gleichgesetzt werden, sie beschreibt den Wiedereingliederungsprozess expliziten Wissens in das implizite Wissen. 40

Alle diese Prozesse für sich betrachtet, können den Wissensbestand eines Unternehmens nicht vergrößern. Erst durch das Zusammenwirken aller ergibt sich eine Innovation. (siehe Abb. 2-5)

Dialog

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Verbindung

von explizitem

Wissen

Learning by doing

Abb. 2 - 5 Die Wissensspirale nach NONAKA/TAKEUCHI 41

Um die Wissensspirale in Gang zu setzen, bedarf es noch einiger Voraus- Diese sind Intention, Fluktuation/Chaos, Autonomie, Redundanz und notwendige Vielfalt. Die Intention beschreibt eine Vision über das zu entwickelnde Wissen. Autonomie sollte allen Mitgliedern des Unternehmens erlauben, so unabhängig wie möglich zu handeln. Fluktuation und kreatives Chaos sollen die Wechselwirkungen zwischen Unternehmen und Umfeld anregen. Mit Redundanz ist hier die Existenz von Informationen gemeint, die über die unmittelbaren operativen Bedürfnisse der Unternehmensangehörigen hinausgehen. Die letzte Voraussetzung der notwendigen Vielfalt sollte der Komplexität des Umfeldes entsprechen, um dessen Anforderungen gerecht zu werden. 42

Aus diesen Voraussetzungen und den vier Formen der Wissensbeschaffung heraus entwickelten Nonaka/Takeuchi schließlich das 5-Phasen-Modell der Wissensschaffung im Unternehmen, welches die Phasen: Wissen austauschen, Konzepte schaffen, Konzepte erklären, einen Archetyp 43 bilden und Wissen übertragen beinhaltet.

Abb. 2-6 zeigt das 5-Phasen-Modell, welches den Zusammenhang zwischen den Voraussetzungen, den 4 Teilbereichen und den jeweiligen Phasen darlegt.

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Implizites Von Internalisierung Explizites Wissen in Form Von

durch von Werbemaßnahmen, assoziierten Wissen Anwendern

Patenten, Produkten Anwender Unternehmen

und/oder Dienstleistungen

Abb. 2 - 6 Fünf-Phasen-Modell der Wissensschaffung im Unternehmen 44

Die Wissensschaffung im Unternehmen beginnt somit mit dem Austausch von implizitem Wissen, der in etwa der Sozialisation entspricht. In der zweiten Phase wird das implizite Wissen in Form eines neuen Konzeptes in explizites Wissen, ähnlich der Externalisierung, umgewandelt. Das geschaffene Konzept muss in der dritten Phase geklärt werden, in der das Unternehmen darüber befindet, ob das neue Konzept weiterverfolgt werden soll. Ist dies der Fall, werden aus den Konzepten in der vierten Phase Archetypen gebildet, wie etwa ein Produktprototyp. Die letzten Phase vermittelt das geschaffene Wissen an andere und überträgt es damit auf verschiedene Ebenen.

2.3.1.3 Der Ansatz von P. Senge (Amerika 1996)

SENGE geht davon aus, dass Unternehmen an Lernbehinderungen leiden und entwickelte daraus sein Modell der 5. Disziplin. Die konzeptuelle Grundlage bildet das Systemdenken, welches gleichzeitig als 5. Disziplin bezeichnet wird. Nach den Kerndisziplinen müssen sich Manager lt. Senge ein „systemisches Denken“ aneignen, ihr persönliches Leben bewältigen, vorherrschende „mentale Modelle“ 45 zutage fördern und in Frage stellen, eine gemeinsame Vision aufbauen und „Lernen im Team“ fördern.

Das Systemdenken zielt darauf ab, „ganzheitlich“ zu denken, d.h. nicht in einzelnen Teilen, sondern ein Problem als Ganzes bzw. System anzusehen. Die Bewältigung persönlicher Probleme, auch Personal Mastery genannt, wird als geistige Grundlage des Modells angesehen. Diese Disziplin beschäftigt sich mit dem individuellen Lernen und der Persönlichkeitsentwicklung. Sie zielt darauf ab, persönliche Visionen zu klären und zu vertiefen, Geduld zu üben und die Realität objektiv zu betrachten, denn das Engagement einer lernenden Organisation ist nur so hoch wie das ihrer Mitglieder.

Das Management mentaler Modelle wird als entscheidender Schritt zur lernenden Organisation angesehen, denn diese tief verwurzelten Annahmen haben einen großen Einfluss auf die Verhaltensweisen der Mitarbeiter. Diese Modelle gilt es aufzudecken, zu überprüfen und zu verbessern.

Ist eine gemeinsame Vision vorhanden, so wirkt sich das positiv auf die Ar- der Mitarbeiter aus, sie lernen aus eigenem Antrieb. Eine solche Vision ist von Führungskräften unter Einbeziehung der Mitarbeiter zu entwickeln. Die letzte Kerndisziplin ist die Förderung des Teamlernens. Teammitglieder müssen miteinander kommunizieren und ein gemeinsames Denken aufbauen. Aufgabe dieser Disziplin ist auch die Erkennung von Barrieren die dieses Lernen behindern und diesen entgegenzuwirken. 46

SENGE sieht die lernende Organisation als Idealbild eines modernen Unternehmens.

2.3.2 Knowledge Engineering als Kybernetik I. Ordnung

Der Hauptfokus dieses Ansatzes liegt bei der Ausarbeitung computerbasierter Ansätze für konkrete Probleme der Praxis. Die Fachgebiete der Informatik bzw. Künstlichen Intelligenz (KI) beschäftigen sich mit diesem Aspekt. Hier werden Probleme nicht inhaltlich gelöst, sondern es werden wissensbasierte Programmierumgebungen bzw. KI-Toolboxes entwickelt, die als bausteinartig implementierte Problemlösungsmethoden den Anwendern zur Lösung der Fachprobleme zur Verfügung gestellt werden. 47

2.3.3 Systemisches Management als Kybernetik II. Ordnung

Systemisches Wissensmanagement beschäftigt sich mit dem Entwerfen von theoretischen Gestaltungsmodellen für Wissensmanagement und beruht auf mehreren Ansätzen. Hier wird versucht, die wesentlichen wissenschaftstheoretischen Voraussetzungen für vernetzte Modelle einer zukünftigen virtuellen Wirklichkeit zu schaffen, die zu den Anwendern als Java Applets über das Internet weitergeleitet werden kann. 48

2.3.4 Business Process Management (BPR)

Beim Business Process Management gilt es, Regeln für die Entwicklung von Gestaltungsmodellen und Geschäftsprozessoptimierung in der unternehmerischen Praxis auszuarbeiten. Diese Regeln sollen durch BPR-Tools unterstützt und bei der Modellierung von Geschäftsprozessen angewendet werden. Als unterstützendes Tool kommt ARIS zum Einsatz, welches am Lehrstuhl von Prof. A.-W. Scheer am Institut für Wirtschaftsinformatik der Universität Saarbrü- cken entwickelt worden. Durch das Knowledge Process Reengineering wird ARIS um Konstrukte zur Modellierung wissensorientierter Geschäftsprozesse erweitert. 49

2.3.5 Bezugsrahmen

Im Rahmen dieser Diplomarbeit wird Wissensmanagement innerhalb der Orga- und Managementlehre betrachtet. SENGES Ansatz ist zu beziehungs-und innenorientiert. Ebenfalls wird dabei völlig außer acht gelassen, dass bereits verwertbares, im Unternehmen vorhandenes Wissen existiert. Die Hauptbotschaft ist das Entwickeln einer lernenden Organisation. Bei NONAKA/ TAKEUCHI liegt der Hauptfokus auf der Wissensentwicklung, welche als permanenter Prozess zur Wettbewerbssteigerung angesehen wird. Dieser Ansatz kann auch als Weiterentwicklung des Konzeptes der lernenden Organisation angesehen werden. Beide Ansätze sind sehr theoretisch angelegt und in der Praxis schwer umsetzbar. 50

Da das Modell von PROBST mit mehreren Unternehmen gemeinsam aus den Anforderungen der Praxis heraus entwickelt wurde, wird dieser Ansatz favorisiert. Dieses Konzept ist pragmatisch, übersichtlich und in der Realität leicht umzusetzen.

3. IT- UNTERNEHMENSBERATUNGEN UND KMU ALS WISSENSINTENSIVE

UNTERNEHMEN

Im folgenden Kapitel werden die Begriffe und Angrenzungen zu IT-Unter- und KMU geklärt. Die VIVEON AG sieht sich selber als IT-Unternehmensberatung. Diese Selbstaussage soll untermauert werden. Des weiteren wird eine Einordnung bezüglich der Unternehmensgröße vorgenommen und die Effizienz eines Einsatzes von Wissensmanagement erläutert.

3.1 Begriff und Abgrenzung von IT- Unternehmensberatungen

Ähnlich dem Wissensbegriff ist die Branche der Beratungsleistungen selten durch eindeutige Definitionen gekennzeichnet. Daher hat NIEDEREICHHOLZ als erste Autorin versucht, die Merkmale der Unternehmensberatung zu definieren:

„Unternehmensberatung wird definiert als Dienstleistung, die durch eine oder mehrere unabhängige und qualifizierte Person(en) erbracht wird. Sie hat zum Inhalt, Probleme zu identifizieren, definieren und analysieren, welche die Kultur, Strategien, Organisation, Verfahren und Methoden des Unternehmens des Auftraggebers betreffen. Es sind Problemlösungen zu erarbeiten, zu planen und im Unternehmen zu realisieren.“ 51

Informationstechnologie (IT)-Beratungen

IT-Beratungen sind häufig Lösungsanbieter. Der Markt der IT-Berater gliedert sich in Hardwarehersteller, Softwareproduzenten und spezialisierte IT-Dienstleister. Zusätzlich werden Beratungen in allen Fragen des Informationsmanagement zum Aufgabengebiet der IT-Berater gezählt. 52 Aus einer Studie des Bundes deutscher Unternehmensberater (BDU) aus dem Jahr 2000 geht hervor, dass die IT-Beratung mit 43,4 % fast die Hälfte des Gesamtberatungsmarktes einnimmt. (s. Abb. 3-1) Daraus ist ersichtlich, dass IT-Beratungen den Beratungsmarkt dominieren. 53

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Abb. 3 - 1 Beratungsfelder 2000 54

3.2 Geschäftsfelder, Produktportfolio und Branchenzugehörigkeit der VIVEON AG

Die VIVEON AG steht für die Entwicklung und Realisierung von Customer-Re- (CRM)-, Data-Warehouse- und E-Business-Lösungen. Der Fokus liegt auf der strategischen und IT-gestützten Umsetzung von ganzheitlichem CRM.

Neben dem CRM-Angebot werden ebenfalls die Leistungsspektren der Be- Entwicklung und Implementierung von oben genannten Lösungen abgedeckt. Dazu gehören insbesondere Problem-, Nutzenpotenzial-, Prozess-und Infrastrukturanalyse. Des weiteren umfasst das Leistungsangebot die Entwicklung von Strategien und Konzepten, Planung, Modellierung und Optimierung von Geschäftsprozessen, Systemintegration und -einführung. Projekt- und Qualitätsmanagement sind dabei eingegliedert. Anwenderschulung sowie Application Service Providing(ASP) von Data Warehouse und CRM-Anwendungen runden die umfangreiche Angebotspalette der VIVEON AG ab.

Die Zielmärkte der VIVEON AG sind Telekommunikationsanbieter, Energie- Financial Service (Banken / Versicherungen), Einzelhandel und New Economy (Dot.com - Unternehmen).

Die Leistungserbringung erfolgt durch wirtschaftswissenschaftlich und informa- ausgebildete Mitarbeiter. Im Rahmen der IT-Beratung positioniert sich die VIVEON AG demnach als spezialisierter IT-Dienstleister. Nach den Charakteristika der Unternehmensberatung von NIEDEREICHHOLZ und der IT-Beratungsabgrenzung nach SCHEER und SPERLING kann die VIVEON AG eindeutig in die Sparte der IT-Beratung eingeordnet werden.

3.3 Einsatzpotenziale von Wissensmanagement in Unternehmens-

Da die Unternehmensberatung eine hohe Interaktion mit Kunden und einen ho- immateriellen Anteil am Leistungsergebnis aufweist (s. Abb. 3-2), wird von dienstleistungsorientierter Leistungserstellung gesprochen. Eine solche Dienstleistung besteht aus Informationen und Wissen, daher sind Unternehmensberatungen als wissensintensive Unternehmen anzusehen. 55

Unternehmen

s-beratung

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hoch niedrig

Häufigkeit und Eingriffstiefe der Interaktionen im

Leistungserstellungsprozess

Abb. 3 - 2 Einordnung unterschiedlicher Leistungsbündel 56

Die Beratungsbranche hat ihre eigenen Gesetze und Merkmale, die sie von an- Wirtschaftszweigen abhebt. Nach BACH sind solche Besonderheiten: das starke Wachstum, die andere Arbeitsweise, die Personalentwicklung, die Komplexität des Wissens und die Geschwindigkeit. 57 Diese Aspekte werden im folgenden erörtert und in Ansätzen der Bezug zur VIVEON AG hergestellt. Daraus resultierend wird die Herausforderung des Wissensmanagements abgeleitet.

Starkes Wachstum

Der Beratungsmarkt ist seit den 90er Jahren ständig gewachsen, es ist ein kontinuierlicher, fast linearer Anstieg zu verzeichnen. Der Umsatz in der Branche hat sich seit 1991 mehr als verdoppelt (Abb. 3-3). Die Zahl der Beschäftigten stieg von 1999 bis 2000 allein bei den Top 25 IT-Beratungsunternehmen um fast 25 %. Damit waren im Jahr 2000 über 43.000 Mitarbeiter bei den Top 25 IT-Beratungen beschäftigt. 58

30

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Milliarden 25 20 15

10

'91 '92 '93 '94 '95 '96 '97 '98 '99 '00 '01 Abb. 3 - 3 Entwicklung des deutschen Beraterumsatzes in Mrd. DM 59

Die VIVEON AG beschäftigte im Jahr 2000 durchschnittlich 22 Mitarbeiter, zum heutigen Zeitpunkt sind 38 fest angestellte Mitarbeiter für das Unternehmen tä- tig. Das entspricht einer Steigerung von 86,4 %. Um dieses Wachstum halten zu können, muss neues Wissen entwickelt werden und das bereits entstandene Wissen an die neuen Mitarbeiter weitergegeben werden.

Arbeitsweise

Im allgemeinen werden die Beratungsleistungen beim Kunden vor Ort erbracht. Auch die VIVEON AG bildet hier keine Ausnahme, ca. 80 % der Mitarbeiter sind in Projekten bei Kunden tätig. Hierbei handelt es sich um virtuelle Unternehmen. Ein weiterer Faktor ist die Reorganisation der Projektteams bei neuen Projekten. Folglich muss die Kommunikation zwischen den Mitarbeitern gewährleistet werden.

Personalentwicklung

Die Beratungsbranche ist aufgrund agiler Headhunter und dem starken Konkurrenzdruck durch hohe Fluktuationsraten geprägt. Daher muss das Wissen abgehender Mitarbeiter dokumentiert und festgehalten werden und neue Mitarbeiter sollten so schnell wie möglich auf das gesamte Wissen zugreifen können.

Komplexität des Wissens

Beraterwissen ist sehr abstrakt, da allgemeines Problemlösungswissen, spezifisches Wissen über Informationstechnologien, Produkte und Prozesse vereint werden. Beratungsleistung ist nicht standardisierbar und geht in jedem Fall von individuellen Problemen aus. Es handelt sich dabei um einen Wissensverarbeitungsprozess. Aufgrund des schnellen Wandels in der IT-Branche ist gerade dieses Wissen starken Veränderungen unterzogen. Um die Effizienz des Arbeitens zu steigern, müssen Mitarbeiter gleichzeitig zu dem Wissen aller Projekten Zugang haben.

Geschwindigkeit

Unternehmen sind genötigt, Trends so schnell wie möglich zu erkennen, damit neue Marktsegmente rasch bedient werden können. Außerdem muss entsprechendes Know-how aufgebaut werden. Aufgrund der Kundenorientierung, dem Wettbewerbsdruck und immer kürzer werdenden Lebenszyklen von Informationstechnologien steht für Projekte immer weniger Zeit zur Verfügung. 60

Neue Erkenntnisse auf dem Beratermarkt kritisieren zudem die Qualität der Be- Das Manager Magazin forderte in einer Umfrage 200 bedeutende Unternehmen auf, die Beraterarbeit zu beurteilen. Es gab einen Response von nahezu 50 %. Die Qualität der Beratungsarbeit wurde nur mit „befriedigend plus“ beurteilt, d.h. die Beratungsbranche ist in der Pflicht ihre Qualität zu erhöhen. 61

Wie kaum eine andere Branche hängt im Beratungsgeschäft der Erfolg von vorhandenen bzw. unmittelbar verfügbaren Daten und Informationen ab. Die effiziente Erstellung und Weitergabe von Wissen in Form von Analysen entscheidet mit darüber, welches Beratungsunternehmen seine Kunden an sich bindet und damit auch neue Aufträge akquiriert. 62 Zudem gilt die Beratungsbranche als Vorreiter im Wissensmanagement. Einer Studie von IT-Research zufolge, ist bei 67 % der befragten Unternehmensberatungen bereits Wissensmanagement eingeführt. Auch investieren Unternehmensberatungen, gemessen am Umsatz von allen befragten Brachen am meisten in Wissensmanagement-Projekte. Es werden die höchsten Budgets bereitgestellt. 63

3.4 Schlussfolgerung

Ausgehend von der wissensinduzierten Beratungsleistung und den oben ge- Merkmalen sind gerade Unternehmensberatungen dazu herausgefordert ganzheitliches Wissensmanagement einzuführen. Da als Nutzen von Wissensmanagement ebenfalls eine Qualitätsverbesserung zu erwarten ist, 64 kann Wissensmanagement helfen, die Unternehmensberatungen von ihrem schlechten Ruf bezüglich der Qualität zu entlasten.

3.5 Begriff und Abgrenzung von KMU

Bei KMU handelt es sich um Unternehmen, die als „Kleinst-“, „Klein-“ oder „Mit- Unternehmen klassifiziert werden können. Da für KMU keine eindeutige Definition existiert, ist es unabdingbar eine Abgrenzung bzgl. verschiedener Kategorien vorzunehmen. Da es eindeutige qualitative und quantitative Abgrenzungskriterien gibt, wird im folgenden eine branchenunabhängige Abgrenzung vorgenommen werden.

3.5.1 Quantitative Abgrenzung von KMU

Eine quantitative Abgrenzung bedeutet, dass messbare Kriterien wie z.B. Mit- oder Umsatz zu einer Einteilung herangezogen werden. Eine solche Abgrenzung hat die Europäische Kommission im Jahr 1996, betreffend der Definition für kleine und mittlere Betriebe, veröffentlicht. Tabelle 3-1 stellt eine Zusammenfassung der Ergebnisse dar.

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- max. 7 Mio. € max. 40 Mio. € > 40 Mio. € - max. 5 Mio. € max. 27 Mio € > 27 Mio. €

Tab. 3 -1 Quantitative Abgrenzung von KMU durch die EU 65

Nach Artikel 2 Abs. 2 dieser Empfehlung der Europäischen Kommission, wer- somit kleine Unternehmen definiert als Unternehmen, mit weniger als 50

Mitarbeitern, die einen Jahresumsatz von höchstens 7 Mio. Euro bzw. eine Jahresbilanzsumme von höchstens 5 Mio. Euro aufweisen und das in Abs. 3 defi-

nierte Unabhängigkeitskriterium erfüllen. Dieses besagt, dass ein Unternehmen als unabhängig gilt, wenn nicht 25 % oder mehr des Kapitals bzw. der Stimmanteile von einem oder mehreren Unternehmen gehalten werden. 66

3.5.2 Qualitative Abgrenzung von KMU

Um ein eindeutiges Ergebnis zu erhalten, ist neben dieser quantitativen noch eine qualitative Abgrenzung notwendig. PFOHL hat dazu einen detaillierten Katalog erstellt. Tabelle 3-2 zeigt einen Ausschnitt aus diesem umfangreichen Katalog.

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Tab. 3 -2 Differenzierungskriterien zwischen KMU und Großunternehmen 67

3.6 Feststellung der Unternehmensgröße

Die VIVEON AG beschäftigt derzeit 38 festangestellte Mitarbeiter, hat einen geplanten Jahresumsatz für 2001 von 7,4 Millionen DM. (= ca. 3,8 Mio. Euro) 3,5 Millionen DM sind bereits realisiert. Der Kapitalbesitz durch andere Unternehmen beläuft sich auf 15 %.

Somit ist derzeit die VIVEON AG quantitativ eindeutig in die Sparte der klei- Unternehmen einzuordnen.

Auch qualitativ wird die VIVEON AG als Klein- und Mittelunternehmen einge- Die Geschäftsführung ist die zentrale Komponente und Erfolgsfaktor des Unternehmens. Es existieren keine speziell ausgewiesenen Abteilungen, Weisungen werden direkt an betreffende Mitarbeiter ohne lange Kommunikationswege weitergegeben.

Die Mitarbeiter sind gut ausgebildete Spezialisten. Das Betriebsklima im Unternehmen wird von den Mitarbeitern als sehr gut bezeichnet.

3.7 Einsatzpotenziale von Wissensmanagement in KMU

Wenn Wissensträger die Unternehmung verlassen, entstehen gerade in KMU große Wissenslücken. Großunternehmen können diese Lücken meist kompensieren. Bei kleinen Unternehmen kann das schnell zur Paralyse führen, denn gerade die Mitarbeiter verfügen über das erforderliche Fach- und Produktwissen. Daher ist Wissensmanagement aus folgenden Gründen erstrebenswert: Verhinderung von Lähmungserscheinungen bei Kündigung und Pensionierung einzelner Wissensträger Die Einbindung des Wissens externer Mitarbeiter Vorbeugung von Chaos beim Auflösen eingespielter Teams Unterschlagung betriebsrelevanten Wissens bei innerer Kündigung Zeitverschwendung durch Suchen von Dokumenten vermeiden Verbesserung der Einarbeitung von Nachfolgern 68

3.8 Schlussfolgerung

Aufgrund der Einordnung der VIVEON AG in den Wirtschaftszweig der kleinen IT-Beratungsunternehmen und den jeweiligen Einsatzpotenzialen ist deutlich erkennbar, dass ein Unternehmen wie die VIVEON AG von einer ganzheitlichen Wissensmanagementstrategie profitieren kann.

WILLKE unterstützt diese Ausführungen mit seiner These, dass gerade kleine Beratungsunternehmen die Herausforderung des Wissensmanagements annehmen müssen, um zukünftig auf dem Markt bestehen zu können. 69

4. DAS MODULSYSTEM NACH PROBST BEZOGEN AUF DIE VIVEON AG

4.1 Überblick

Das St. Gallener Modell nach PROBST begründet sich auf den Forderungen der Praxis. Demnach muss ein Wissensmanagementmodell pragmatisch, einfach und nutzbar sein. In Zusammenarbeit mit zahlreichen Unternehmen wurden praktisch relevante Themengebiete herausgearbeitet. Diese Gebiete wurden gruppiert und zu größeren Kategorien zusammengefasst. Daraus ergaben sich Aktivitäten, die als Kernprozesse des Wissensmanagements aufgefasst werden. Diese Prozesse sind Wissensidentifikation, -erwerb, -entwicklung, -teilung, -nutzung und -bewahrung. 70

Zur Verankerung in die Unternehmensstrategie wurden die Bausteine Wissensziele und Wissensbewertung integriert. Die Wissensziele verdeutlichen die strategische Ausrichtung und die Wissensbewertung schließt diesen Managementkreislauf und ermittelt die erforderlichen Controllingdaten. (s. Abb. 4-1)

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Abb. 4 - 1 Bausteine des Wissensmanagements nach Probst 71

Das Modulsystem nach Probst bezogen auf die VIVEON AG 30

4.2 Wissensziele

Ein besonderes Problem für das Wissensmanagement ist die Fülle und Un- vorhandener Informationen. Die Herausforderung besteht daher in der Fokussierung auf das strategisch relevante Wissen. Aus der Perspektive des Wissensmanagements muss es also darum gehen, herauszufinden welches Wissen wichtig ist, um die Kernkompetenzen des Unternehmens zu optimieren. Wissensmanagement hat dann die besten Erfolgschancen, wenn es auf die Unternehmensstrategie ausgerichtet wird. 72

Bei der Definition werden normative, strategische und operative Zielebenen un-

Normative Wissensziele schaffen eine wissensfreundliche Unternehmenskultur. Durch eine Politik des Vertrauens, der Toleranz und der Offenheit soll der Innovationsgeist der Mitarbeiter gefördert werden. Dominierende Eigenschaft ist die positive Grundeinstellung der Geschäftsführung gegenüber der Einführung von Wissensmanagement.

Strategische Wissensziele definieren das notwendige Kernwissen und den zukünftigen Kompetenzbedarf des Unternehmens auf Basis der Unternehmensstrategie. Sie beschreiben die Wissenslücken und konkretisieren die strategischen Zielvorgaben. Strategische Wissensziele werden für langfristige Programme festgelegt.

Operative Wissensziele sorgen für die konkrete Umsetzung der normativen und strategischen Zielvorgaben. Sie beschreiben ausschließlich die Umsetzung strategischer Programme auf der Ebene der täglichen Aktivitäten und sichern somit das Wissensmanagement im Tagesgeschäft. Aufgabenfelder sind die Bereitstellung der Infrastruktur, Aufbau von Wissensdatenbanken und aktive Wissensteilung. 73

Wissensziele werden daher aus den Unternehmenszielen angeleitet. Abb. 4-2 zeigt das Prozessmodell zur Ableitung solcher Ziele aus der Unternehmensstrategie.

Ende der Leseprobe aus 131 Seiten

Details

Titel
Theoretische und praktische Einführung von softwareunterstütztem Wissensmanagement in einem IT-Beratungsunternehmen
Hochschule
Hochschule Schmalkalden, ehem. Fachhochschule Schmalkalden
Note
1.3
Autor
Jahr
2001
Seiten
131
Katalognummer
V185728
ISBN (eBook)
9783656982531
ISBN (Buch)
9783867466127
Dateigröße
1897 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
theoretische, einführung, wissensmanagement, it-beratungsunternehmen
Arbeit zitieren
Steffi Baumann (Autor:in), 2001, Theoretische und praktische Einführung von softwareunterstütztem Wissensmanagement in einem IT-Beratungsunternehmen, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185728

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