Der rechtsgeschäftliche Betriebsübergang aus Arbeitnehmersicht


Diplomarbeit, 2000

114 Seiten, Note: 1


Leseprobe


An der
Hochschule Mittweida (FH),
Fachbereich Wirtschaftswissenschaften
eingereichte
Diplomarbeit
zum Thema
Der rechtsgeschäftliche Betriebsübergang
aus Arbeitnehmersicht
vorgelegt von Henryk Merkel
Mittweida, den 24. August 2000

Inhalt
Seite I
I Inhaltsverzeichnis
I Inhaltsverzeichnis ...I
II Abbildungsverzeichnis... III
III Abkürzungsverzeichnis ... IV
Teil A - Betriebswirtschaftliche Grundlagen
1 Einführung...1
1.1 Inhalt der Arbeit ...2
2 Der Begriff Outsourcing...3
3 Formen des Outsourcing ...5
3.1 Externes Outsourcing - Auslagerung...5
3.2 Internes Outsourcing - Ausgliederung ...5
3.2.1 Tochterunternehmen...5
3.2.2 Gemeinschaftsunternehmen ...6
3.2.3 Beteiligungsgesellschaften...6
3.2.4 Profit-Center...6
4 Motive des Outsourcing ...7
5 Strategieformulierung...8
6 Strategisches Outsourcing ...9
7 Outsourcing und Arbeitsrecht...10
7.1 Das deutsche Arbeitsrecht...10
7.2 Unternehmensautonomie und Sozialschutz ...11
Teil B - Arbeitsrechtliche Grundlagen
8 Gesetzgeberische Zielsetzung des §613a BGB ...12
9 Anwendungsbereich ...13
9.1 Persönlicher Anwendungsbereich...13
9.2 Sachlicher Anwendungsbereich ...14
9.2.1 Betrieb ...14
9.2.2 Betriebsteil...14
10 Tatbestandsvoraussetzungen...15
10.1 Rechtsgeschäft...15
10.2 Betriebsinhaberwechsel...15
10.3 Betriebs(teil)übergang ...16
11 Rechtsfolgen des Betriebsübergangs...17
11.1 Individualarbeitsrecht...18
11.1.1 Widerspruchsrecht...18
11.1.2 Kündigungsschutzrecht...19
11.1.2.1 Der gesetzliche Sonderkündigungsschutz...19
11.1.2.2 Sonstige Kündigungsgründe ...19
11.1.2.3 Kündigungsschutzklage ...19
11.1.3 Betriebliche Einheitsregelungen...20
11.1.4 Die betriebliche Altersversorgung ...21
11.2 Kollektivarbeitsrecht...22
11.2.1 Tarifvertragsrecht...22
11.2.1.1 Die gesetzliche Regelung des §613a BGB ...22
11.2.1.2 Geltungsrahmen...22
11.2.1.3 Fortgeltung von Tarifverträgen ...23
11.2.2 Betriebsvereinbarungen...24
11.2.2.1 Die gesetzliche Regelung...24
11.3 Betriebsverfassungsrecht...24
11.3.1 Beteiligungsrecht der Arbeitnehmer...25
11.3.2 Allgemeine Beteiligungsrechte des Betriebsrates...25
11.3.2.1 Allgemeine Informationspflichten aus §80 Abs.2 BetrVG ...25
11.3.2.2 Unterrichtung und Beratung nach §§90 und 92 BetrVG...26
11.3.2.3 Weitere Beteiligungsrechte ...26
Inhalt

Inhalt
Seite II
11.3.2.4 Der Wirtschaftsausschuß nach §106 BetrVG...26
11.3.2.5 Verletzung der Unterrichtungspflichten...27
11.3.3 Beteiligungsrechte des Betriebsrates bei Betriebsänderung...27
11.3.3.1 Der Interessenausgleich ...28
11.3.3.2 Der Sozialplan...29
11.3.4 Die Betriebsräte ...30
11.3.4.1 Übergang eines ganzen Betriebes...31
11.3.4.2 Übergang eines Betriebsteils ...31
Teil C- Arbeitnehmerseitige Risiken in Verbindung mit Outsourcing
12 Charakterisierung des Arbeitnehmerrisikos...32
12.1 Ziele und Risiken der Arbeitnehmer...32
12.1.1 Das Mitarbeiterzielsystem...33
12.1.2 Das System der Mitarbeiterrisiken ...34
13 Existenzsicherung ...35
13.1 Gefährdung des Arbeitsplatzes...35
13.1.1 Risiken von Rationalisierungsplänen...35
13.1.2 Das Risiko des Arbeitnehmerwiderspruchs...36
13.1.3 Risiken bei der Versetzung...36
13.1.4 Risiken bei der Sozialauswahl...37
13.1.5 Auswirkungen auf Abfindungen und Arbeitslosengeld ...38
13.2 Scheinselbständigkeit...38
13.2.1 Arbeitnehmerrisiken der Scheinselbständigkeit ...39
13.3 Verlust sozialer Sicherheit ...40
13.3.1 Arbeitsvertragliche Nebenrechtspositionen ...40
13.3.2 Einschränkung der betrieblichen Altersversorgung ...40
14 Einkommen und Vermögen...41
14.1 Einkommenseinbußen...41
14.1.1 Die Entgeltansprüche...42
14.1.2 Verlust oder Verschlechterung der Tarifbindung ...42
14.1.3 Verlust der Wirkung von Betriebsvereinbarungen ...43
14.1.4 Der Sozialplan...44
14.1.5 Betriebszugehörigkeitsabhängige Ansprüche...45
14.2 Verlust von Mitarbeiterbeteiligungen ...46
15 Betriebsklima und Soziale Beziehungen ...48
15.1 Verschlechterung von interpersonellen Beziehungen ...48
15.1.1 Belastungen durch den Wohnortwechsel ...48
15.1.2 Sozialbeziehungen zu Kollegen am neuen Arbeitsplatz...48
15.1.3 Sozialbeziehungen zu Vorgesetzten am neuen Arbeitsplatz...49
15.1.4 Psychologische Belastungen...50
16 Mitbestimmung und Entfaltung am Arbeitsplatz...52
16.1 Einschränkung der Aus-, Fortbildung und des Aufstiegs...52
16.1.1 Qualifikationsanforderung...52
16.1.2 Qualifikationsmöglichkeiten...53
16.1.3 Innerbetriebliche Beurteilungen ...54
16.2 Verlust oder Einschränkung von Mitwirkungsrechten...55
17 Arbeitsbedingungen...56
17.1 Veränderung der Arbeitsorganisation ...56
17.1.1 Das Prinzip der Gruppenarbeit...57
17.1.2 Nachteile durch Einführung von Gruppenarbeit...57
18 Die Risikowertanalyse...58
Teil D - Möglichkeiten zur Risikoverringerung
19 Individualrechtliche Möglichkeiten...60
19.1 Mitarbeiterinformation und -beteiligung ...60
19.1.1 Die gesetzliche Mitarbeiterpartizipation ...60
19.1.2 Die freiwillige Mitarbeiterpartizipation ...61
19.2 Arbeitsvertragsgestaltung ...63
Inhalt

Inhalt
Seite III
19.2.1 Arbeitsvertragliche Cafeteria- Systeme...63
19.2.2 Der Abschluß von Dienstleistungsverträgen...65
19.2.2.1 Unerlaubte Arbeitnehmerüberlassung ...66
19.3 Die berufliche Selbständigkeit ...67
19.4 Der Arbeitnehmerwiderspruch ...69
20 Kollektivarbeitsrechtliche Möglichkeiten ...70
20.1 Rolle und Möglichkeiten des Betriebsrates...70
20.1.1 Ziele des Betriebsrats...70
20.1.2 Nutzung der betriebsverfassungsrechtlichen Gegebenheiten...70
20.1.3 Der Betriebsrat als kooperative Gegenmacht...72
20.1.4 Erweiterte Informationsbasis...73
20.1.5 Bewertung der Informationen ...73
20.1.6 Einbeziehung der Belegschaft...74
20.1.7 Beteiligung an Planung und Durchführung ...76
20.2 Innerbetriebliche Vereinbarungen...76
20.2.1 Arbeitszeitverkürzung und Qualifizierung...77
20.2.2 Personalüberleitungsverträge ...79
20.3 Schaffung eines gemeinschaftlichen Betriebes ...81
21 Strategisches Outsourcing als Lösung ...83
21.1 Merkmale des Strategischen Outsourcing...84
22 Das Change Management beim Outsourcing ...86
23 Resümee...87
IV Anhang ...I
IV.I Motive des Outsourcing (Tabelle 1)...I
IV.II Motive des Outsourcing (Tabelle 2)...II
IV.III Risikowertanalyse - Bewertung... III
IV.IV Risikowertanalyse - Darstellung... IV
IV.V Checkliste Existenzgründung...V
IV.VI Abgrenzung Dienstvertrag und Arbeitnehmerüberlassung ... VI
IV.VI.I Vertragsgestaltung... VI
IV.VI.II Vertragsdurchführung...VII
IV.VII Initiative des Betriebsrates ...VIII
IV.VIII Beispiel für eine Investitionsanalyse bei der Audi AG...X
V Quellenverzeichnis... XI
V.I Monographien... XI
V.II Artikel in Sammelwerken und Ähnlichem...XIV
V.III Zeitschriften/ Broschüren ...XV
V.IV Gesetzestexte...XVIII
V.V WorldWideWeb/ Internet...XIX
II Abbildungsverzeichnis
Abbildung 1: Formen des Outsourcing...5
Abbildung 2: Kausalkette beim §613a BGB; ...12
Abbildung 3: Voraussetzungen eines erzwingbaren Sozialplan (§112a BetrVG) ...30
Abbildung 4: Bedürfnispyramide nach Maslow...32
Abbildung 5: Das Mitarbeiterzielsystem für die mitbestimmte Unternehmung...33
Abbildung 6: Die Mitarbeiterrisiken beim Outsourcing ...34
Abbildung 7: Materielle Mitarbeiterbeteiligung...47
Abbildung 8: Gesundheitliche Folgen schlechten Betriebsklimas...51
Abbildung 9: Informationsstand und Bedarf deutscher Arbeiter & Angestellter...60
Abbildung 10: Prinzip des Gemeinschaftsbetriebes...81
Abbildung 11: Die betrieblichen Interessengruppen beim Outsourcing...84
Inhalt

Abkürzungsverzeichnis
Seite IV
III Abkürzungsverzeichnis
a.a.O. am angegebenen Ort
AG Aktiengesellschaft
AktG Aktiengesetz
ArbG Arbeitsgericht
ArbGG Arbeitsgerichtsgesetz
ArbPlSchG Arbeitsplatzschutzgesetz
ArbuR Arbeit und Recht
AÜG Arbeitnehmerüberlassungsgesetz
BAG Bundesarbeitsgericht
Bd. Band
BDSG Bundesdatenschutzgesetz
BetrAVG Gesetz zur Verbesserung der
betrieblichen Altersversorgung
BB Betriebsberater
BBiG Berufsbildungsgesetz
BetrVG Betriebsverfassungsgesetz
BErzGG Bundeserziehungsgeldgesetz
BGB Bürgerliches Gesetzbuch
BGBl. Bundesgesetzblatt
BMA Bundesministerium für Arbeit und
Soziales
BMWi Bundesministerium der Wirtschaft
BR Betriebsrat
bspw. beispielsweise
BurlG Bundesurlaubsgesetz
DAG Deutsche Angestelltengewerkschaft
DB Der Betrieb
DGB Deutscher Gewerkschaftsbund
d.h. das heißt
DIN/ISO Deutsche Industrie Norm/International
Organization for Standardisation
EDV Elektronische Datenverarbeitung
EFZG Entgeltfortzahlungsgesetz
EStG Einkommenssteuergesetz
etc. etcetera
EU Europäische Union
EuGH Europäischer Gerichtshof
EWG Europäische Wirtschaftsge-
meinschaft
FAZ Frankfurter Allgemeine Zeitung
f. folgende (Seite)
ff. folgende (Seiten)
GewO Gewerbeordnung
GG Grundgesetz
ggf. gegebenenfalls
GmbH Gesellschaft mit beschränkter
Haftung
GmbHG Gesetz betreffend die Gesellschaf-
ten mit beschränkter Haftung
HB Das Handelsblatt
h.L. herrschende Lehre
h.M. herrschende Meinung
Hrsg. Herausgeber
IBM International Business Machines
i.d.R. in der Regel
i.e.S. im engeren Sinne
i.S.d. im Sinne der/des
Abkürzungsverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis
Seite V
i.V.m. in Verbindung mit
IG Industriegewerkschaft
IHK Industrie- und Handelskammer
IWD Informationsdienst des Instituts der
deutschen Wirtschaft Köln
KG Kommanditgesellschaft
KschG Kündigungsschutzgesetz
KVP Kontinuierlicher Verbesserungs-
prozeß
LStDV Lohnsteuerdurchführungs-
verordnung
MuschG Mutterschutzgesetz
NJW Neue Juristische Wochenschau
NZA Neue Zeitschrift für Arbeitsrecht
o.g. oben genannt
OHG Offene Handelsgesellschaft
Mill. Millionen
Mrd. Milliarden
p. page (Seite)
pp. pages (engl. Seiten)
Rd. Randnummer
RL Richtlinie der Europäischen Union
RVO Reichsversicherungsordnung
S. Seite
s.a. siehe auch
SchwbG Schwerbehindertengesetz
SGB Sozialgesetzbuch
str. strittig
Sp. Spalte
SPD Sozialdemokratische Partei
Deutschlands
TVG Tarifvertragsgesetz
u.a. unter anderem
UmwG Umwandlungsgesetz
UStG Umsatzsteuergesetz
u.U. unter Umständen
WiWo Wirtschaftswoche
z.B. zum Beispiel
ZDG Zivildienstgesetz
zit. zitiert
z.T. zum Teil
Abkürzungsverzeichnis

Seite 1
Teil A - Betriebswirtschaftliche Grundlagen
1 Einführung
Die dritte Welle der wirtschaftlichen Globalisierung hatte Deutschland 1998
erreicht.
1
Bereits im Vorjahr war mit der Fusion der Vereinsbank und der Bay-
rischen Hypo- und Wechsel Bank die größte deutsche Bankfusion durchgeführt
worden. Die Credit Suisse und die Winterthur Versicherung bündelten ihre Kräfte
und Netscape paarte sich mit AOL. Im November 1998 gaben Exxon und Mobil Oil,
die Deutsche Bank und Bankers Trust sowie VIAG und Algroup ihr Verschmel-
zungspläne bekannt. Mit DaimlerChrysler ist 1998 die erste "Welt-AG" entstanden.
1999 verschmelzen Hoechst und Rhone-Poulenc zum weltgrößten Anbieter von
Pharma und Landwirtschaftsprodukten, mit der Fusion der Schweizerische
Bankgesellschaft (UBS) und des Schweizerische Bankvereins (SBV) entsteht die
zweitgrößte Bank der Welt. Die Übernahmeschlacht von Vodafone- Airtouche und
Mannesmann im Frühjahr 2000 geht in die Wirtschaftsgeschichte ein.
In den 90er Jahren haben sich die Rahmenbedingungen der Ökonomie
grundlegend gewandelt. Dafür gibt es vor allem zwei Gründe: Technologie und
Globalisierung.
2
· Computergesteuerten Produktionstechnologien ermöglichen auf der einen
Seite eine gesteigerte Innovationsgeschwindigkeit
3
, in deren Folge sich die
Lebenszyklen der Produkte deutlich verkürzen. Auf der anderen Seite
ermöglichen sie es, auf Individualisierungstrends in der Bevölkerung mit
zunehmender Variantenvielfalt zu antworten
4
, in deren Folge es auch zu
verstärkter Substitutionskonkurrenz
5
unter den Produkten kommt.
· Neue Kommunikationstechnologien, wie Computer, Mobilfunkgeräte und das
Internet, lassen es zu, Informationen in kürzester Zeit zu vervielfältigen und zu
übermitteln, was zu einer bisher nicht gekannten Markttransparenz aller
Marktteilnehmer führt und die Innovationsgeschwindigkeit weiter erhöht.
· Globalisierung äußert sich vor allem in wachsendem Wettbewerbsdruck. Sie
führt tendenziell zu einer Vergrößerung der Märkte, zu zunehmender Anzahl
der miteinander konkurrierenden Unternehmen und zu sinkenden Marktan-
teilen. In der Absicht, die Kostenvorteile durch Massenproduktion zu erhalten,
wächst die kostenoptimalen Betriebsgröße. Realisiert wird sie durch Unter-
nehmenszusammenschlüssemit dem Ergebnis einer internationale ,,plug-and-
play economy".
6
Technologie und Globalisierung gestalten Markt und Wettbewerb immer kom-
plexer und dynamischer. Das verlangt von den Unternehmen zunehmend eine
Straffung und Bündelung ihrer Aktivitäten. Ziel ist das `schlanke Unternehmen` bei
gleichzeitiger Sicherung der vom Kunden gewünschten Qualität für Güter und
Dienstleistungen. Der ,Lean-Gedanke` als neuere Managementphilosophie strebt
die konsequente Vermeidung von Verschwendung jeglicher Art an. Verschwen-
dung ist dabei alles, was die Kosten erhöht, ohne einen Beitrag zur Wertschöpfung
des Unternehmens zu leisten.
7
Langfristige Wertschöpfung wird aber nur in den
Unternehmensbereichen generiert, in denen das Unternehmen einen strategi-
1
zu den 3 Phasen der wirtschaftlichen Globalisierung vgl.: Hornbogen, WorldWideWeb.
2
vgl. Levitt, p.93.
3
vgl. Bruch, 1998, S.11.
4
so nahm beispielsweise die Modellvielfalt der Kraftfahrzeughersteller in den vergangenen 10
Jahren um mehr als 400% zu, vgl. Baaken, S.175.
5
vgl. Meffert, S.30.
6
vgl. Huber/ Korn, p.123.
7
die Wertschöpfung ergibt sich als Summe aller Aufwendungen, die keine Vorleistungen
darstellen, also nicht zugekauft wurden, vgl. Bogaschewski, S.140.
Einführung

Seite 2
schen Wettbewerbsvorteil gegenüber seinen Konkurrenten erreichen kann ­ in
den ,core activities`, den Kernbereichen der Unternehmung.
8
Das Ziel im Sinne der Lean Philosophie ist es, flexible marktnahe Einheiten zu bil-
den, die über hervorragende Kompetenzen und in den entscheidenden wettbe-
werbsrelevanten Aufgabenbereichen verfügen. Sie erlauben schnellere Reaktions-
zeiten am Markt und eröffnen Potential zu höheren Marktanteilen und Kostensen-
kungen. Aktivitäten, die nicht zu den Kernkompetenzen zu rechnen sind, werden
dagegen durch Fremdvergabe an Externe aus dem Unternehmen ausgelagert. Auf
diese Weise kann das Unternehmen seine Leistungstiefe verringern und im Kern
,,klein" bleiben oder werden- einen Vorgang, den man auch als ,,Outsourcing bzw.
Downsizing" bezeichnet. Outsourcing ist Bestandteil des externen Leankonzeptes.
Der Trend zu Outsourcing und Reduzierung der innerbetrieblichen Fertigungstiefe
ist ungebrochen.
9
Ob soweit zu gehen ist, Lean Management und Outsourcing als
den Grundstein für die Unternehmensarchitektur des 21. Jahrhunderts zu bezeich-
nen, wie dies in der neueren betriebswir tschaftlichen Literatur vertreten wird, kann
hier dahinstehen.
10
In jedem Fall aber bringen betriebliche Veränderungsprozesse
nicht nur ökonomische, sondern auch tiefgreifende soziale Auswirkungen mit sich,
in deren Mittelpunkt die davon betroffenen Menschen stehen. Betroffen davon
sind alle beteiligten Mitarbeiter, sowohl beim auslagernden als auch beim aufneh-
menden Unternehmen. In erster Linie jedoch die Mitarbeiter in dem Teil des
Betriebes, der ausgelagert bzw. ausgegliedert werden soll und zwar unabhängig
von ihrer betrieblichen Stellung­ der Abteilungsleiter ist genauso betroffen wie der
Sachbearbeiter, der Meister genauso wie der Lehrling. Nur selten werden sie
frühzeitig und umfassend über eine Outsourcingentscheidung informiert, manch-
mal völlig überrascht, aber so gut wie nie daran aktiv beteiligt. Innerhalb des
betriebswirtschaftlichen Konzeptes Outsourcing sind die Mitarbeiter zumeist in
Personalkostenblöcken und Gehaltslisten ausgewiesen, ihre Produktivität und
Effizienz werden bewertet und die Organisationszuordnung geprüft. Ihre Beden-
ken und Erwartungen, ihre Vorschläge und Hinweise als auch die Nachteile und
Risiken, denen sie sich im Rahmen der Auslagerung ausgesetzt sehen, sind in
diesen Konzepten allerdings nur selten zu finden. Die Verantwortlichen konzen-
trieren sich vielmehr auf Bewertung der Wirtschaftlichkeit und die Auswahl eines
geeigneten Dienstleisters. Den sozialen Aspekten und mit ihnen den Mitarbeitern
wird dabei allgemein zu wenig Beachtung geschenkt.
1.1 Inhalt der Arbeit
Die vorliegende Arbeit beschäftigt sich im Allgemeinen mit der Sicht der Mitar-
beiter auf eine Outsourcingmaßnahme und untersucht die dabei entstehenden
Risiken und Nachteile im Besonderen. Die Arbeit verfolgt das Ziel, mögliche
Mitarbeiterrisiken zu identifizieren, sie für die Beteiligten transparent zu machen
und Möglichkeiten zur Vermeidung oder Verringerung dieser Risiken aufzuzeigen.
Die Breite der Problemstellung macht es dabei notwendig, eine Eingrenzung der
Thematik vorzunehmen.
Die erste Eingrenzung bezieht sich auf das wissenschaftliche Untersuchungs-
gebiet. Bei den Ausführungen wird primär von den arbeitsrechtlichen Aspekten
8
vgl. Grant, p.117/ Nach der ,,Ressource-based-Theory of Competitive Advantage" ist die
Voraussetzung für die Nutzung dieser ,,core activities" bzw. ,,core competencies" der
erfolgreiche Einsatz unternehmensinterner Ressourcen, s.a. Kapitel 5 Strategieformulierung
9
Das Marktforschungsinstitut INPUT sagt für die nächsten 5 Jahre eine Marktanteilssteige-
rung im Bereich Business Process Outsourcing von 27% bzw. 14 Mrd. US-Dollar für Europa
voraus, vgl. INPUT.
10
vgl. Semler, pp.66: Semler schreibt, daß die Unternehmen der Zukunft nur virtuell eine
beachtliche Größe erreichen, sich aber kleiner flexibler Satellitenunternehmen bedienen, um
ihr Geschäft abzuwickeln­ wesentliche Voraussetzung wäre Vertrauen, vgl. Wurche, S.142ff.
Einführung

Seite 3
des Outsourcing ausgegangen und folgerichtig der Mitarbeiter in seiner Stellung
als Arbeitnehmer betrachten, ohne natürlich die starke Verschränkung mit perso-
nalwirtschaftlichen Gesichtspunkten außer Acht zu lassen. Tatsächlich sind
Arbeitsrecht und Personalwirtschaft so eng miteinander verbunden, daß sie in
vielen Teilen dieser Arbeit nicht getrennt werden können. Dagegen werden Fragen
der ökonomischen Bewertung einer Auslagerungsentscheidung genauso wie die
steuer-, gesellschafts- und haftungsrechtlichen Auswirkungen nur am Rande
gestreift. Die Arbeit geht von der Voraussetzung aus, daß die betriebswirtschaft-
liche Entscheidung zum Outsourcing bereits gefallen ist, für eine bestimmte
Arbeitnehmergruppe ein Personalübergang bevorsteht und dieser als rechtsge-
schäflicher Betriebsübergang im Sinne des §613a BGB zu qualifizieren ist.
Outsourcingfälle ohne Personalübergang oder gesellschaftsrechtliche Umwand-
lungen sollen in diesem Zusammenhang keine Rolle spielen. Weiterhin sollen
folgende Themen ausgegrenzt bleiben;
· Die Situation von Mitarbeitern bei Outsourcing in öffentlichen Unternehmen,
es wird von der privatwirtschaftlichen Unternehmung ausgegangen.
· Die Auswirkungen auf leitende Angestellte und deren Mitbestimmungsorgane.
· Das Verhältnis zwischen Outsourcingnehmer und Outsourcinggeber.
· Alle mögliche Formen des Konkurses vor, nach und während des
Betriebsüberganges und dessen Auswirkungen auf die Arbeitsverhältnisse.
· Die Bedeutung des §613a BGB bei grenzüberschreitenden Betriebsübergang.
· Wettbewerbsbeschränkungen, Datenschutzangelegenheiten und
Geheimhaltungsvereinbarungen in Verbindung mit dem Betriebsübergang.
· Die Auswirkungen von Insolvenz bzw. Konkurs auf Betriebsübergänge.
· Und letztlich auch die sehr populäre Fragestellung, wie Betriebsübergänge
arbeitgeberseitig vermieden werden können.
Die vorliegende Arbeit gliedert sich in vier Teile. Teil A führt in die grundsätzliche
Problematik von Outsourcing ein. Insbesondere dient er der begrifflichen Klärung
und der Darstellung von Formen, Motiven und Theorien dieses Konzeptes. Teil B
beschäftigt sich den arbeitsrechtlichen Grundlagen in individualarbeits- und
kollektivarbeitsrechtlicher Hinsicht. Teil C dient der Erarbeitung, Systematisierung
und Bewertung der arbeitnehmerseitigen Risiken bei einem Betriebsübergang. Im
Teil D werden schließlich Möglichkeiten zur Vermeidung bzw. Verringerung der
aufgezeigten Arbeitnehmerrisiken dargelegt und Anforderungen an sozial und
weitsichtig gestaltete Outsourcingprozesse formuliert.
Die Untersuchung erfolgte überwiegend anhand der Literatur zu den Themen
Outsourcing und den entsprechenden betriebswirtschaftlichen und arbeitsrecht-
lichen Betrachtungen in diesem Rahmen. Zudem flossen die Erfahrungen des
Verfassers bei der Betreuung von Outsourcingprojekten im Rahmen eines 10-
monatigen Betriebspraktikums in einem nordrhein-westfälischen Stahlgroßhan-
delsunternehmen mit ein. Daher stammen auch einige der angeführten Beispiele,
die sich zum Zwecke des Datenschutzes auf allgemeine Daten beschränken und
auf Vorgänge, wie sie auch in anderen Unternehmen entstehen können.
2 Der Begriff Outsourcing
Der Terminus "Outsourcing" und dahinter stehende Idee ist in erstaunlich kurzer
Zeit zu einem etablierten Begriff der betriebswirtschaftlichen Literatur geworden,
mehr noch, er wird geradezu inflationär häufig verwendet. Outsourcing stammt
ursprünglich aus dem Bereich der Informationsverarbeitung und beschreibt dort
die Auslagerung bzw. Ausgliederung von Datenverarbeitungsleistungen auf
Fremdfirmen.
11
Die generelle Einengung des Begriffs auf diesen Bereich ist jedoch
11
so übertrug Eastman Kodak 1989 in einem der ersten Outsourcinggeschäfte den Betrieb des
Rechenzentrums an IBM, die Verantwortung für Peripheriegeräte und Netz an Digital
Der Begriff Outsourcing

Seite 4
nicht nachvollziehbar.
12
Outsourcing ist vielfältig und in der gesamten Wertschöp-
fungskette zu finden, beispielsweise in der Fertigung, bei Konstruktionsleistungen,
Rechts- und Übersetzungsdiensten, in der Buchhaltung, im Inkasso, Projektmana-
gement, bei der Drucksachenherstellung und eben auch bei Informatikleistungen.
Der Begriff ,,Outsourcing" stammt aus dem amerikanischen Wirtschaftsvokabular
und ist eine Zusammensetzung des Ausdruckes ,,Outside Resource Using", was
wörtlich übersetzt soviel bedeutet wie ,,Mittel von außen gebrauchen"
13
oder
,,Ressourcen in die Verantwortung Dritter übergeben".
14
Inhaltlich versteht man
darunter ein Managementkonzept zur langfristigen wirtschaftlichen Optimierung von
Unternehmensstrukturen, wobei Betriebsteile zunächst intern organisatorisch abge-
grenzt und danach ausgegliedert bzw. ausgelagert werden. Die bisher selbst erstellte
Dienst- oder Produktions(teil)leistung wird dann im Rahmen eines Dauerschuldver-
hältnisses von einem externen Dienstleister bezogen.
15
Der Begriff wird jedoch
keineswegs einheitlich definiert, jeder Managementberater versteht unter
Outsourcing etwas anderes, was zu erheblicher Unübersichtlichkeit geführt hat.
Outsourcing bedeutet auch, daß die zur Erzeugung der betreffenden Leistung
bisher intern vorhandenen Produktionsfaktoren beim auslagernden Unternehmen
abgebaut, verringert oder umgelagert werden müssen. Eine wesentliche Konse-
quenz des Outsourcing ist daher die Verringerung der Leistungstiefe
16
und zwar
aus der Erkenntnis heraus, daß der Druck des Wettbewerbs in der Regel eine
Effizienzerhöhung der betreffenden Einheit zur Folge hat.
17
An die Stelle der
unternehmensinternen Koordination der Leistungserstellung über Anordnungen
(Hierarchie) wird die unternehmensexterne Koordination über den Preis (Markt)
gesetzt.
18
Outsourcing- Maßnahmen beziehen sich dabei stets auf Leistungen,
auch wenn betriebliche Funktionen, Prozesse und Objekte davon maßgeblich
berührt werden. Allerdings können durch diese Leistungen selbstverständlich
bestimmte Funktionen erbracht, ausgeübt, beeinflußt oder unterstützt werden.
19
Anhand obiger Definition ist erkennbar, daß Outsourcing in einer arbeitsteiligen
Wirtschaft prinzipiell schon immer betrieben wurde. Derartige Konzepte werden in
der Literatur vielfach dem Feld der ,,Make-or-Buy"- Fragestellung zugeordnet.
Outsourcing aber als eine konventionelle Eigen- Fremdbezugs- Entscheidung und
unter rein ökonomischen Gesichtspunkten zu betrachten, greift wesentlich zu
kurz.
20
Dies würde Outsourcing mit der Entscheidung um Anschaffung oder
Nichtanschaffung einer Maschine gleichsetzen und sowohl der Dauerhaftigkeit
und Komplexität als auch dem umfassenden sozialen Charakter dieses Prozesses
nicht gerecht werden. Die Zieldimension des Outsourcing ist um einiges
vielschichtiger und weitreichender als die der ,,Make-or-Buy"- Entscheidung.
Equipment und die Beschaffung und Wartung an Businessland im Rahmen eines 5 Jahres
Vertrages, Volumen: 750 Millionen US Dollar, vgl. Brown, p.60.
12
vgl. Heinrich, S.22f., der Outsourcing auf die Fremdvergabe der Datenverarbeitung
beschränkt.
13
vgl. Müthlein/ Heck, S.11.
14
vgl. Köhler-Frost, S.13.
15
vgl. Horchler, S.1ff.
16
Leistungstiefe ist der Oberbegriff für die produktionsbezogene Fertigungstiefe. Maßeinheit
der Leistungstiefe ist die Wertschöpfung, vgl. Bogaschewsky, S.125.
17
Dies scheint mindestens für die Automobilbranche zutreffend, wo die erfolgreichsten
Unternehmungen lediglich 25% der Wertschöpfung selber erbringen, vgl. Womack, S.18.
18
Coase hat bereits 1937 die Prämisse aufgegeben, daß ökonomische Aktivitäten prinzipiell
über den Preismechanismus koordiniert werden sollten, vgl. Scherm, S.47.
19
In der deutschen Literatur wird bei Outsourcing vielfach von ,,Funktionsausgliederung"
gesprochen, vgl. Selchert, S.10ff., Köhler-Frost, S.13ff., dagegen zutreffend: Sokianos, S.29.
20
so jedoch u.a.: Zundel, S.2, Rommel, S. 212, Baaken, S.174, Wißkirchen, S.231.
Der Begriff Outsourcing

Seite 5
3 Formen des Outsourcing
Outsourcing kann in einer Vielzahl von Erscheinungsformen auftreten. Zwei
Hauptformen sind grundlegend von Bedeutung; das externe und das interne
Outsourcing. Externes Outsourcing wird als ,,Auslagerung", internes Outsourcing
als ,,Ausgliederung" bezeichnet. Unterscheidungsmerkmal ist die Art der
Kooperationsbeziehung.
Abbildung 1: Formen des Outsourcing
Quelle: In Anlehnung an Bruch, 1998, S.55.
3.1 Externes Outsourcing - Auslagerung
,,Unter einer Auslagerung versteht man eine teilweise oder vollständige
Übertragung von zuvor im Unternehmen ausgeübten Leistungen an ein
betriebsfremdes, wirtschaftlich unabhängiges Unternehmen."
21
Hierbei gehen
häufig Infrastruktur und Arbeitsverhältnisse auf dieses rechtlich selbständige
Unternehmen über. Es ist die intensivste Art der Trennung von der betreffenden
Unternehmenstätigkeit. Die Möglichkeit der direkten Einflußnahme nach der
Auslagerung ist zumindest formal nicht mehr gegeben. Die zwischenbetriebliche
Abstimmung erfolgt ausschließlich über Verträge. Voraussetzung für eine
Auslagerung sind funktionell und organisatorisch selbständige und somit
auslager- und fremdvergebbare Bereiche.
3.2 Internes Outsourcing - Ausgliederung
Eine Ausgliederung liegt bei der teilweisen oder vollständigen Übertragung von
zuvor im Unternehmen ausgeübten Leistungen auf eine oder mehrere rechtlich
selbständige Unternehmungen vor.
22
Die Einbindung von Vermögen erfolgt gegen
Beteiligungstitel (z.B. Aktien) und definiert eine kapitalmäßige Verflechtung,
wodurch Tochterunternehmen, Gemeinschafts- oder Beteiligungsunternehmen
entstehen. Das betriebswirtschaftliche Ziel von Ausgliederungen ist die Errichtung
konkurrenzfähiger Leistungsstrukturen, indem es der ausgliedernden Gesellschaft
ermöglicht wird, andere Quellen am Markt zu nutzen und der ausgegliederten
Gesellschaft, diese am Markt anzubieten. kooperativ
3.2.1 Tochterunternehmen
Tochterunternehmen sind rechtlich selbständige, aber wirtschaftlich abhängige
Unternehmen, die durch Gründung oder Erwerb von Unternehmensteilen eines
Mutterunternehmens entstehen. Da die Muttergesellschaft 51-100% der
21
zit. nach: Bruch, 1998, S.55.
22
Ausgliederung im obigen Sinne ist nicht identisch mit dem enger gefaßten Vorgang
Ausgliederung mittels Übertragung von Vermögensteile nach §123 Abs.3 UmwG.
Outsourcing
Profit Center
Ausgliederung
Auslagerung
Gemeinschafts-
unternehmen
Beteiligungs-
unternehmen
Tochterunternehmen
Fremdvergabe
rechtlich
selbständig
rechtlich
unselbständig
Marktliche
Koordination
Einflußmöglichkeit
Intern
Extern
Formen des Outsourcing

Seite 6
Geschäftsanteile der Tochter in den Händen hält, ist der Grad der formalen
Einflußnahme sehr hoch.
3.2.2 Gemeinschaftsunternehmen
Ein Gemeinschaftsunternehmen ist eine rechtlich selbständige Gesellschaft, der
mehrere Unternehmen als Eigenkapitalgeber durch gemeinschaftliche Grün-
dungen oder Verselbständigung und Zusammenlegung von Unternehmens-
teilbereichen bestimmte (Teil)Leistungen übertragen. Nach der Gründung können
weitere Unternehmen in das Gemeinschaftsunternehmen eintreten oder ausschei-
den. Je mehr Eigenkapitalgeber oder Mitglieder an einem Gemeinschaftsunter-
nehmen beteiligt sind, desto wahrscheinlicher sind Interessengegensätze und um
so eingeschränkter ist die Möglichkeit der Durchsetzung der Leitungsmacht.
3.2.3 Beteiligungsgesellschaften
Bei Beteiligungsunternehmen sind ebenfalls mehrere Kapitalgeber beteiligt, von
denen jedoch nicht alle auch eine Leistung auf die neu zu gründende oder bereits
bestehende Gesellschaft übertragen. Das Ziel kann hier also auch die reine
Kapitalanlage mit entsprechender Verzinsung sein. Divergierende finanzwirt-
schaftliche und leistungswirtschaftliche Ziele können leicht Interessenkonflikte
hervorrufen. Die Durchsetzung der Leitungsmacht ist stark von der Höhe der
jeweiligen Beteiligungen abhängig.
23
3.2.4 Profit-Center
Ein Profit-Center ist ein Leistungsbereich einer Unternehmung, dessen Funktions-
erfüllung sich eigenverantwortlich am Erfolg orientiert und mit eigenem Perioden-
erfolg bzw. Gewinn meßbar ist.
24
Durch Profit-Center sollen unternehmerisches
Denken und die Eigenständigkeit von Teilbereichen der Unternehmung gesteigert
werden. Die Schaffung von Profit-Centern stellt keine Ausgliederung im oben
angeführten Sinne dar, da es an der rechtlichen Selbständigkeit dieser Einheiten
fehlt. Es handelt sich um eine rein interne organisatorische Umstrukturierung.
25
Outsourcing kann innerhalb einer zweiten Dimension kann zusätzlich nach
selektiven und vollständigen Outsourcing differenziert werden. Unterscheidungs-
merkmal hierbei ist der Umfang der Leistung.
· Selektives Outsourcing ist die Auslagerung/ Ausgliederung eines bestimm-
ten Leistungsteils an ein Partnerunternehmen, wobei der Anbieter nur für die
korrekte Leistungserbringung dieser Teilleistung verantwortlich ist. Beispiels-
weise wird oft die Lohn- und Gehaltsbuchhaltung ausgelagert, während die
übrigen Buchhaltungsarbeiten bei der internen Abteilung bleiben.
26
· Vollständiges Outsourcing bedeutet hingegen die komplette Auslagerung/
Ausgliederung eines Leistungsbereiches an ein Drittunternehmen, worunter
auch die Übertragung der entsprechenden Managementverantwortung
gehört. Im Unternehmen wird die betroffene Leistung nicht mehr erbracht,
also stillgelegt. Ein Beispiel hierfür ist die Schließung der Steuerabteilung
verbunden mit der Auftragsvergabe an ein externes Steuerberatungsbüro.
Unternehmen befinden sich nicht zwangsläufig in einer Entscheidungssituation
zwischen ,Externem` oder ,Internem` Outsourcing. Beide Strategien können durch-
23
Grundsätzlich reicht ein kapitalmäßiger Anteil von 51% aus, um in allen gewöhnlichen
geschäftlichen Fragen autonom zu entscheiden, vgl. Schierenbeck, S.51f.
24
vgl. Schweitzer, Sp.2078.
25
so auch: Balze, S.6.
26
vgl. Bühner, S.21.
Formen des Outsourcing

Seite 7
aus parallel verfolgt werden. So ist es bspw. denkbar, den Betrieb eines Rechen-
zentrums an einen externen Dienstleister auszulagern, während die Anwend-
ungsentwicklung in ein 100%-iges Tochterunternehmen eingebracht wird.
27
4 Motive des Outsourcing
Es ist zunächst wichtig festzustellen, daß es keinen grundsätzlichen Entschei-
dungsfall beim Outsourcing gibt, sondern daß eine solche Entscheidung lediglich
unternehmens- bzw. fallspezifisch getroffen werden kann. Dabei werden in der
Literatur unterschiedlichste Motive und Argumente angeführt. In der Praxis
werden Outsourcing- Überlegungen jedoch häufig unter starken Kostendruck und
zumeist nur unter Berücksichtigung kurzfristiger Wirtschaftlichkeitsüberlegungen
getroffen, so daß das Entscheidungsfeld überwiegend auf wenige, zugegebener-
maßen leichter zu bewertende Kriterien verkürzt wird. Prägend sind hierbei vor
allem kurzfristige und operativ ausgerichtete Kosten-, Kapazitäts- und Gewinnge-
sichtspunkte, wobei weniger von Outsourcing, als von einem ,,Bereitstellungs-
wahlproblem" im Rahmen einer ,,Make-or-Buy"-Entscheidung ausgegangen
wird.
28
Diese wird in vielfältiger Hinsicht einem Outsourcing in hier verstandenem
Sinne als Managementkonzept zur wirtschaftlichen Optimierung von Unterneh-
mensstrukturen
29
nicht gerecht, weil sie:
· auf vergangenheitsbezogenen Daten basiert,
· die Entscheidung in kurzfristiger Hinsicht beurteilt und so den
Strategiecharakter von Outsourcing außer acht läßt,
· qualitative Motive wie Flexibilität, Risiko oder Effizienz völlig vernachlässigt.
· finanzwirtschaftliche Aspekte vernachlässigt,
· als eine Einmalentscheidung dargestellt wird und somit dem Prozeßcharakter
von Outsourcing nicht gerecht wird,
· Eigenerstellung und Fremdbezug als Extremformen gegenüberstellt und
sinnvolle Kombinationen nicht berücksichtigt.
30
In jüngster Zeit werden jedoch bei Auslagerungs- bzw. Ausgliederungsentschei-
dungen vermehrt qualitative und strategisch ausgerichtete Motive, welche den
kurzfristigen Gewinn- und Kostenvorteile deutlich überlegen sind, berück-
sichtigt.
31
Zunehmend wichtig wird beispielsweise die Möglichkeit, durch Nutzung
des konzentrierten Wissens des Dienstleisters den eigenen Kundenservicegrad zu
erhöhen und teilweise sogar neue Geschäftsfelder zu erschließen.
Im Anhang sind die in der Literatur am häufigsten angeführten Motive für eine
Outsourcingentscheidung als ,,Positivargumente"
32
innerhalb eines Zielsystems
zusammengefaßt. Dabei ist zu beachten, daß es sich um mögliche Ziele einer
Outsourcingentscheidung handelt. Einzelne Ziele oder deren Komponenten
können bei einer unternehmensspezifischen Betrachtung keine oder nur eine
untergeordnete Rolle spielen. Gleichfalls können andere, hier nicht aufgeführte
Ziele, hinzutreten. Auffällig bei den aufgeführten Motiven ist das völlige Fehlen
27
so geschehen 1994 bei der Continental AG, die den Betrieb Ihres Rechenzentrums an IBM
ausgelagert hat, während die Anwendungsentwicklung in einem Tochterunternehmen
verblieb, vgl. Nacke, WorldWideWeb.
28
vgl. Glaser, S.21.
29
vgl. zur Definition auch Kapitel 2 Der Begriff Outsourcing
30
Zur Kritik an Outsourcing als Bestandteil einer ,,Make-or-Buy"- Entscheidung, vgl. Scherm,
S.46ff/ Im Gegenteil; die ,,Make-or-Buy"- Entscheidung stellt lediglich einen Teil des
Outsourcingprozesses dar.
31
Das bestätigen Umfragen von: Logo-Team, S.10f./ Zahn, S.16. Gegen eine reine Kostenbetra-
chtung sprechen auch die Ergebnisse einer Studie der American Management Association
1996, wonach mehr als zwei Drittel der befragten Unternehmen innerhalb des ersten Jahres
nach einer Ausgliederung mit höheren Folgekosten konfrontiert wurden, vgl. Deavers, p.508.
32
Gemeint sind Argumente, die das Outsourcing befürworten. Bei einer fundierten Analyse
werden allerdings auch entsprechende wirtschaftliche Risiken gegenübergestellt.
Motive des Outsourcing

Seite 8
von sozialen oder personellen Zielen. Und wirklich werden in der relevanten
Literatur zum Großteil die am Outsourcingprozeß beteiligten Mitarbeiter nur als
Kosten- und Risikofaktoren behandelt, die minimiert werden sollten.
33
Das
überrascht aus zwei Gründen:
· Zum einen ist die Auffassung von der Unternehmung als produktives,
zielgerichtetes und soziales System seit langem etabliert.
34
Die Organisations-
mitglieder sollen nicht lediglich als ,,Werkzeuge" zur Erreichung der
Unternehmensziele betrachtet, sondern als Menschen mit individuellen Zielen
und Bedürfnissen anerkannt werden. Von der Zielsetzung der Unternehmung
hängt wesentlich die Entscheidung für oder gegen ein Outsourcing ab.
35
· Zum anderen können die Mitarbeiter sehr wohl eine Ausgliederung bereits im
voraus zum Scheitern bringen. Es gibt viele Wege, wie sie den Dienstleister
auch nach vollzogenen Outsourcing blockieren oder behindern können, um zu
demonstrieren, daß die ursprünglich intern erbrachte Leistung besser war.
Solch opportunistischem Verhalten kann jedoch am erfolgreichsten vorgebeugt
werden, wenn die betroffenen Mitarbeiter partizipativ am Restrukturierungsprozeß
beteiligt und nicht umgangen und ausgeschlossen werden. Die Mitarbeiter sind
ein erfolgskritischer Faktor, wenn nicht gar der erfolgskritischste Faktor beim
Outsourcing, besonders im Dienstleistungsbereich. Diesen Gedanken rückt die
Resource-based Theory of Competitive Advantage
36
stärker in den Vordergrund.
5 Strategieformulierung
Aufgrund der Dynamik des Marktes können Unternehmen, die sich vorrangig
nach außen orientieren, Entwicklungen nur mit Verspätung nachvollziehen oder
nur reaktiv nachahmen, selbst aber kaum Trends prägen oder langfristige Wettbe-
werbsvorteile aufbauen. Nach der Resource-based Theory sollte die langfristige
Geschäftspolitik am unternehmensinternen Ressourcenpotential ausgerichtet
werden. Ressourcen werden dabei in sechs Kategorien unterteilt; in finanzielle,
physische, technologische, organisatorische Ressourcen, in das Unternehmens-
image und in die wohl strategisch bedeutsamste Ressource: die menschliche
Ressource mit ihrem Hauptfaktor ,,individuelle Fähigkeit". Einzeln sind diese
Ressourcen kaum jedoch produktiv. Ihre Produktivität entfalten sie erst, wenn sie
sinnvoll koordiniert und kombiniert werden. So können die Mitglieder einer
Organisation erst ihre individuellen Fähigkeiten und Fertigkeiten im Sinne der
Organisationsziele entfalten, wenn durch Motivation, Führung und Förderung des
Unternehmens entsprechende Teamstrukturen gebildet werden. Erst durch die
erfolgreiche Kombination der Ressourcen entsteht die Fähigkeit einer Organisation,
am Markt einen dauerhaften unternehmensspezifischen Wettbewerbsvorteils
herauszubilden.
37
Dieser Wettbewerbsvorteil bildet die wesentliche Quelle des
Gewinns und damit des Unternehmenserfolgs.
Will das Unternehmen erfolgreich sein, sollte seine Unternehmensstrategie auf die
erfolgsentscheidenden Ressourcen und Fähigkeiten (Kernkompetenzen)
abgestimmt werden, in denen das Unternehmen einen klaren Wettbewerbsvorteil
33
vgl. u.a. Schubert, S.31ff., Städtler-Schumann, S.61f.
34
vgl. Heinen, S.46ff.
35
Bei vorrangiger Berücksichtigung sozialer Ziele wird beispielsweise auf die Auslagerung
bestimmter Bereiche zu Gunsten von Beschäftigung im Unternehmen verzichtet oder bereits
ausgelagerte Bereiche zurückgeholt (Stichwort "Insourcing"), vgl. Deutsch, S. 84f.
36
Die Ressource-based Theory bezieht sich dabei allerdings auf den Leistungserstellungsprozeß
im Allgemeinen. vgl. auch im folgenden: Grant, pp.116-133/ Barney, pp.99-118.
37
z.B. Mitsubishi's Fähigkeit, sparsame und zuverlässige Ottomotoren herzustellen oder die
Fähigkeit von McDonalds, weltweit amerikanische Lebensart mit einheitlichem Angebot zu
etablieren.
Strategieformulierung

Seite 9
entfalten kann. Wird der Mensch als Hauptfaktor
38
des Leistungserstellungs-
prozesses angesehen, spielt er sowohl bei der Formulierung der Unternehmens-
strategie als auch beim Erfolg dieser Strategie eine wesentliche Rolle.
39
Um diese
Erkenntnis auf den Outsourcingprozeß zu übertragen, stellt sich die Frage, ob
Outsourcing als strategischer Prozeß bezeichnet werden kann?
6 Strategisches Outsourcing
Outsourcingprozesse werden im Schrifttum überwiegend als strategische Aufgabe
angesehen.
40
Jedoch gibt es für den so grundlegenden Begriff Strategie keine
einheitliche und erschöpfende Definition, die es ermöglicht, den Strategiegehalt
einer Entscheidung anhand einfacher Kriterien zu prüfen. Strategie hat vielmehr
einen ausgeprägt dynamischen Charakter.
41
Was für eine bestimmte Funktion
eines Unternehmen einer bestimmten Branche in einem bestimmten Stadium des
Firmenlebens strategisch geeignet ist, kann zu anderen Zeiten, bei anderen
Unternehmen völlig unzureichend sein. Dementsprechend muß auch Outsourcing
nicht notwendigerweise strategisch ausgerichtet sein. Es gibt durchaus Fälle, vor
allem bei der Fremdvergabe peripherer ,,kernfremder" Leistungen,
42
bei denen
operative Gesichtspunkte eine stärkere Bedeutung haben. Wenn ein Personal-
übergang vorliegt, spielen jedoch regelmäßig strategische Aspekte die Hauptrolle.
Hinterhuber definiert Strategie als ,,...die Art, die Ressourcen so einzusetzen, daß
bei gleichen oder höheren Fähigkeiten der Wettbewerber bessere Resultate erzielt
werden können...", wobei man sich langfristig auf wenige, kritische Bereiche
konzentrieren sollte.
43
Diese Interpretation sieht Strategie im Sinne der Resource-
based Theory. Bei Outsourcing handelt es sich also um einen strategischen
Prozeß, da es hilft, knappe Ressourcen auf Kernaktivitäten zu konzentrieren und
somit Wettbewerbsvorteile zu schaffen. Doch Outsourcing besitzt noch eine
weitere Dimension. Je stärker mittels Outsourcing ganze Leistungsketten, also
betrieblich eng verzahnte Prozesse
44
, fremdvergeben werden, desto mehr tritt die
partnerschaftliche Bedeutung des Outsourcing in den Vordergrund. Wenn aber
gegenseitige Abhängigkeiten zwischen dem auszulagernden Bereich und den
übrigen Bereichen des Betriebs bestehen, stellt eine reine Marktbeziehung keine
adäquate Lösung dar; es wird dann eine enge kooperative Zusammenarbeit
zwischen den Unternehmen erforderlich. Beide Geschäftspartner haben zwar
unterschiedliche unternehmerische Zielsetzungen, für das Outsourcing gehen sie
aber eine Partnerschaft ein, in der sie ihre Ziele gemeinsam mit erreichen wollen,
was ein hohes Maß an gegenseitigem Vertrauen erfordert.
Folglich kann formuliert werden:
· Outsourcing hat einen strategischen Charakter, denn es hilft, die knappen
Ressourcen auf Kernaktivitäten zu konzentrieren, sich somit Wettbewerbs-
vorteile zu schaffen und damit langfristig bessere Resultate zu erzielen.
38
Der Mensch ist der Hauptfaktor, weil er als einziger Produktivfaktor nicht substituierbar ist.
39
Nach den Erkenntnissen der Zielforschung von Heymann, Seiwert und Theisen kann jede der
drei betrieblichen Interessengruppen Management, Kapitaleigner und Mitarbeiter ihre
jeweiligen mit der anderen Gruppe harmonisierenden Individualziele innerhalb der
Organisation noch am besten erreichen, indem diese Ziele von der ganzen Organisation mit
angestrebt werden. Es sind dies die Ziele Sicherheit, Gewinn, Expansion, Existenzsicherung
und Arbeitszufriedenheit, vgl. Heymann, S.66ff.
40
vgl. Bogaschewski, S.126f./ Bruch, 1998, S.9ff./ Horchler, S.19f./ Köhler-Frost, S.24.
41
vgl. Hindle, S.8ff.
42
Zumeist sind dies Leistungen, wie Bewachung, Reinigung, Kantine oder Gebäudeverwaltung.
43
zit. nach: Hinterhuber, S.9.
44
Sogenanntes ,,Prozeßoutsourcing", wie z.B. der Fremdbezug von Logistik-, Entwicklungs-
oder Finanzmanagementdienstleistungen, vgl. Horchler, S.42f.
Strategisches Outsourcing

Seite 10
· Outsourcing hat sozialen Charakter, denn beim Outsourcing ist der Mensch
der entscheidende Aspekt für Erfolg oder Mißerfolg.
· Outsourcing hat durch die enge Verzahnung der Strukturen der beteiligten
Unternehmen einen partnerschaftlichen Charakter, der auch Einfluß auf nicht
ausgelagerte Bereiche hat.
7 Outsourcing und Arbeitsrecht
Es wurde bereits darauf hingewiesen, daß es für eine erfolgreiche Realisierung
von Outsourcingentscheidungen entscheidend auf die Beachtung sozialer Aspekte
bei der Zielsetzung ankommt. Neben den internen Gegebenheiten sind allerdings
auch umfangreichen externen Rahmenbedingungen zu beachten. Zu den
wesentlichen Rahmenbedingungen gehört dabei die arbeitsrechtliche
Umsetzbarkeit der gewünschten Ziele.
7.1 Das deutsche Arbeitsrecht
Nach h.L. ist das Arbeitsrecht das Sonderrecht der abhängigen, also
unselbständige Beschäftigten.
45
Es regelt nicht nur die Rechtsbeziehungen
zwischen dem einzelnen Arbeitnehmer und seinem Arbeitgeber, ihre
gegenseitigen Rechte, Pflichten und Ansprüche, sondern auch das Verhältnis
innerhalb von Arbeitnehmergruppen und zwischen Zusammenschlüssen von
Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Arbeitnehmer ist dabei, wer "aufgrund eines
privatrechtlichen Vertrages und freier Bereitschaft für einen anderen [also als
Nichtselbständiger] eine im wesentlichen von diesem bestimmte Arbeit leistet."
46
Arbeitsvertragspartner ist der Arbeitgeber. Als solcher muß er mindestens einen
Arbeitnehmer beschäftigen.
In der Systematik des Arbeitsrechts wird zwischen Individual- und Kollektivarbeits-
recht unterschieden.
47
Während sich das Individualarbeitsrecht auf das Arbeitsver-
hältnis zwischen dem Arbeitgeber und dem einzelnen Arbeitnehmer bezieht,
stehen beim kollektiven Arbeitsrecht die Rechtsbeziehungen zwischen
Betriebsräten und Gewerkschaften auf der einen und Arbeitgebern und deren
Verbänden auf der anderen Seite im Vordergrund. Diese Einteilung ist vor allem für
die systematische Erfassung des Arbeitsrechts von Bedeutung. Aus praktischer
Sicht des Arbeitnehmers ist es relativ gleichgültig, ob sich ein Rechtsanspruch aus
individual- oder kollektivrechtlichen Normen ableitet, zumal zahlreiche Bereiche,
z.B. das ArbGG weder dem einen noch dem anderen Bereich eindeutig zuzuordnen
sind. Es existiert auch kein einheitliches Arbeitsgesetzbuch.
48
Arbeitsrechtliche
Normen sind in einer Fülle von Einzelgesetzen vor allem im Privatrecht
niedergelegt, z.B. im BGB, KSchG und im TVG. Daneben treten öffentlich-rechtliche
Vorschriften hinzu, etwa das GG oder das AÜG. Diese Gesetzesfülle hat im Laufe
der Zeit zu großer Unübersichtlichkeit geführt und die Anpassung an
Entwicklungen in der realen Arbeitswelt erschwert.
49
Diese Anpassung wird zu großen Teilen durch das ,Richterrecht` geprägt. Es
entsteht durch grundsätzliche Entscheidungen der ArbG, vor allem des BAG.
45
vgl. Linnenkohl, S.1.
46
zit. nach: Hanau, S.144/ Linnenkohl weist darauf hin, daß die Begriffe Arbeitnehmer und
Arbeitgeber mehrdeutig sind und sinnvollerweise nur so verstanden werden können, daß der
Arbeitnehmer die Arbeitsgelegenheit vom Arbeitgeber nimmt, vgl. Linnenkohl, S.3.
47
auch im folgenden wird sich auf diese Unterteilung bezogen.
48
Auf der Grundlage des Art.30 des Einigungsvertrages sollte die Rechtseinheit im vereinigten
Deutschland durch Schaffung eines übergreifenden Arbeitsvertragsgesetzes auch im Arbeits-
recht hergestellt werden, was vom Gesetzgeber bisher nicht umgesetzt wurde, vgl. Gaul, S.48f.
49
neben einer Vielzahl von arbeitsrechtlichen Gesetzen und Verordnungen existieren statistisch
bspw. mehr als 45000 Tarifverträge, vgl. Hanau, S.65.
Outsourcing und Arbeitsrecht

Seite 11
Diese höchstrichterliche Rechtsprechung hat in vielen Bereichen des Arbeits-
rechts, insbesondere in solchen, die nicht explizit durch Gesetze geregelt sind ­
wie dem Arbeitskampfrecht - die Rolle eines `Ersatzgesetzgebers` übernommen,
jedoch nicht im normativen Sinne. Auch die Richter sind an Gesetz und Recht
gebunden und haben ihre rechtsfortbildende Funktion nur im Rahmen der
geltenden Gesetze und gesetzesähnliche Normen auszuüben.
50
Historisch entstanden ist das Arbeitsrecht aus der Absicht heraus, die soziale Lage
der Arbeitnehmer mit Rechtsmitteln erträglicher zu gestalten und den Arbeitneh-
mer gegen die Nachteile und Risiken seiner Stellung abzusichern. Dabei entsteht
die Schutzbedürftigkeit des einzelnen Arbeitnehmers aus seiner wirtschaftlichen
Unterlegenheit heraus. Zum einen ist er der Weisungsbefugnis des Arbeitgebers
innerhalb des Arbeitsverhältnisses unterstellt, von dessen Fortbestand seine
materielle Existenz abhängig ist. Zum anderen muß er seine arbeitsvertraglichen
Pflichten in Person erbringen und nicht mittels materieller Objekte, wie der Arbeit-
geber. Der Schutzgedanke des Arbeitsrechts wurde vom Gesetzgeber als so
vordergründig erachtet, daß er es als legitim ansieht, die Unternehmensautonomie
entsprechend einzuschränken.
7.2 Unternehmensautonomie und Sozialschutz
Die Unternehmensautonomie ist gesetzliches Grundrecht und durch die Art.2
Abs.1, Art. 12 Abs.1 Satz 1 und Art.14 Abs.1 Satz 1GG garantiert. Arbeitsrechtliche
Normen dürfen demnach Unternehmerentscheidungen nicht blockieren, wohl
aber einschränken. Beim Outsourcing bedeutet dies, daß die Entscheidung, also
das ,,ob" oder ,,ob nicht" fremdvergeben wird, betriebswirtschaftlich autonom und
uneingeschränkt getroffen werden kann. Die betriebliche Gestaltungsform
,,Outsourcing" muß also vom Arbeitsrecht prinzipiell akzeptiert werden. Die Um-
setzung dieser Reorganisationsmaßnahme, also das ,,Wie", wird arbeitsrechtlich
aber dann Einschränkungen erfahren, wenn der gesetzliche Sozialschutz bzw. die
rechtliche Stellung der Arbeitnehmer des betreffenden Unternehmens dadurch
nachteilig beeinflußt werden oder die Gefahr nachteiliger Beeinflussung besteht.
51
Die Kosten und die Struktur dieses Sozialschutzes werden dabei von den Unter-
nehmern größtenteils als besondere Last empfunden und als wenig geeignet, in
der flexibilitätsorientierten Informationsgesellschaft die Konkurrenzfähigkeit zu
unterstützen.
52
Das Ergebnis dieses Konfliktes sind unternehmerische Maßnah-
men, die bspw. versuchen, der mangelnden Differenziertheit der Tariflandschaft
durch Outsourcing der Leistung an nichttarifgebundene Unternehmen zu entge-
hen. Die Flexibilisierung arbeitsrechtlichen Rahmenbedingungen bei betrieblichen
Reorganisationsprozessen ist arbeitgeberseitig ­ wenn auch nicht primäres Motiv
­ doch fast immer ein willkommener Nebeneffekt zur Erhöhung der Wettbewerbs-
fähigkeit. Outsourcing bewegt sich arbeitsrechtlich zwischen Unternehmens-
autonomie und Sozialschutz.
Im folgenden sollen zunächst die grundlegenden arbeitsrechtlichen Vorschriften,
die in Zusammenhang mit Outsourcing von Bedeutung sind, erläutert werden.
50
vgl. Art. 97/1 GG, vgl. Stober, S.134.
51
Zum Sozialschutz zählt dabei u.a. die Einhaltung von Kündigungsfristen, Einschränkung von
Kündigungsmöglichkeiten bei verschiedenen Arbeitnehmergruppen, Arbeitsplatz- und
Arbeitsbedingungsschutz, Mitbestimmungs- und Beteiligungsmöglichkeiten, das
Einkommensniveau etc., vgl. Wendeling-Schröder, S.127.
52
Bei einer Befragung von 139 Unternehmen im Jahre 1994 der innerbetriebliche
Verhandlungsaufwand für die Übergabe von Arbeitsverhältnissen als fast 3mal so hoch
eingeschätzt, wie der Aufwand für die Übergabe der Betriebsmittel, vgl. Horchler, S.50ff.
Auf dem sonst als so liberal eingeschätzten amerikanischen Arbeitsmarkt überstiegen 1992
die Prozeßkosten amerikanischer Firmen 2,3% des Bruttosozialproduktes, mehr als doppelt
so viel wie in jedem anderen westeuropäischen Land, vgl. Deavers, p.512.
Outsourcing und Arbeitsrecht

Seite 12
Anschließend werden innerhalb einer Gefährdungsanalyse die bei diesem Prozeß
entstehenden Risiken für die Arbeitnehmer erarbeitet und nachfolgend Möglich-
keiten zur Reduzierung dieser Risiken aufgezeigt.
Teil B - Arbeitsrechtliche Grundlagen
Abbildung 2: Kausalkette beim §613a BGB;
Aus dem Schutzzweck ergibt sich der Anwendungsbereich, die
Rechtsfolge tritt jedoch erst unter den gegebenen Tatbestands-
voraussetzungen ein.
8 Gesetzgeberische Zielsetzung des §613a BGB
Der Einfluß arbeitsrechtlicher Regelungen bei Outsourcing- Projekten variiert von
gering bei einer einfachen Auftragsvergabe, wie z.B. der Inanspruchnahme
externer Buchhaltungs- oder Bewachungsleistungen, bis hin zu höchst komplex,
wenn Personal- und Betriebsübergänge vorliegen
53
, beispielsweise bei der
Auslagerung der Logistikabteilung oder einer ganzen Produktionsstufe.
Die zentrale arbeitsrechtliche Norm ist der Paragraph 613a des Bürgerlichen
Gesetzbuches. Die mit der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes 1972 in
das geltende Dienstvertragsrecht des BGB eingefügte Vorschrift wurde durch eine
Forderung des DGB initiiert, den Betriebsübergang der Mitbestimmung des
Betriebsrates zu unterwerfen. Der Gesetzgeber hat zunächst jedoch lediglich die
Auswirkungen eines Betriebsinhaberwechsels auf das einzelne Arbeitsverhältnis
geregelt. Absatz 1 Satz 2 bis 4 und Absatz 4 BGB wurden später durch das EG-
Anpassungsgesetz vom 13.08.1980 eingefügt.
54
Dies erfolgte in entsprechender
Umsetzung der EG- Richtlinie zur ,,Angleichung der Rechtsvorschriften der
Mitgliedsstaaten und der Wahrung von Ansprüchen der Arbeitnehmer beim
Übergang von Unternehmen, Betrieben oder Betriebsteilen" (RL77/187/EWG).
Diese, besser als `Betriebsübergangrichtlinie` bekannte Regelung gehört zu den
bedeutendsten Richtlinien auf dem Gebiet des Arbeitsrechts. Die Richtlinie legt
jedoch lediglich Mindestbestimmungen fest. Die Mitgliedsstaaten können je nach
Entwicklungsstand und Leistungsfähigkeit ihrer Arbeits- und Sozialordnungen
durchaus günstigere Regelungen für die Arbeitnehmer beibehalten oder treffen.
55
Bei der Anwendung des §613a BGB ist immer auch der Inhalt der dieser Bestim-
53
Horchler ermittelte 1994 in einer Umfrage unter 139 nationalen Unternehmen der
Datenverarbeitungsbranche bei 50% der Unternehmen im Rahmen des Outsourcing einen
Arbeitnehmerübergang, vgl. Horchler, S.47.
54
vgl. dazu näher BGBl., Teil I, 1980, S.1308.
55
Die Form der Richtlinie läßt das zu. Im Gegensatz zur Verordnung überläßt sie die Wahl der
Form und Mittel für die Umsetzung der europäischen Vorlage weitestgehend den
Mitgliedsstaaten, solange die beabsichtigte Zielsetzung erreicht wird, vgl. Keyes, S.17.
Gesetzgeberische Zielsetzung des §613a BGB
Tatbestands-
voraussetzung
Zielsetzung
Rechtsfolge
Anwendungs-
bereich
Arbeitnehmerschutz
alle
Arbeitsverhältnisse
Betrieb
Betriebsteil
Rechtsgeschäft
Inhaberwechsel
Betriebs(teil)-
übergang
Übergang der
Arbeitsverhältnisse

Seite 13
mung zugrundeliegenden Richtlinie zu berücksichtigen, denn dieser verliert mit
der Transformation in nationales Recht nicht seine europarechtliche Herkunft.
56
Mit dem §613a BGB ist eine normative Vorgabe
57
geschaffen wurde, die den von
einem rechtsgeschäftlichen Betriebsübergang betroffenen Arbeitnehmern einen
weitgehenden Bestandsschutz ihrer Arbeitsverhältnisse zusichert. Die Regelung
dient vor allem vier Zielen;
58
· Sie gewährleistet einen weitgehenden Bestandsschutz der Arbeitsverhältnisse
durch Überleitung aller individualrechtlichen Positionen vom bisherigen auf
den neuen Inhaber.
· Sie konstituiert einen ergänzenden Kündigungsschutz gegenüber einer arbeit-
geberseitigen Beendigung des Vertragsverhältnisses aus Anlaß des Betriebs-
übergangs.
· Sie regelt die Haftung des alten und des neuen Arbeitgebers.
· Kollektivrechtlich schützt sie die Kontinuität des amtierenden Betriebsrates.
9 Anwendungsbereich
9.1 Persönlicher Anwendungsbereich
Ausgehend vom Schutzzweck des §613 BGB, alle Arbeitsverhältnisse im Betrieb zu
schützen, ist er anzuwenden auf Arbeitsverhältnisse aller Art, die im Zeitpunkt des
Betriebsübergangs bestanden haben. Von dieser Regelung werden die Arbeitsver-
hältnisse folgender Mitarbeitergruppen erfaßt;
59
· Angestellte oder gewerbliche Arbeiter,
· Voll-, Teilzeitbeschäftigte und Kurzarbeiter,
· Unbefristet und befristet eingestellte Arbeitnehmer,
· Leitende Angestellte im Sinne von §5 Abs. 3 BetrVG,
· Auszubildende, Volontäre und Praktikanten,
· Vom Betriebsveräußerer eingestellte Arbeitnehmer, wenn ihr Arbeitsantritt
nach dem Betriebsübergang liegt,
· Gekündigte Arbeitnehmer während des Ablaufes der Kündigungsfrist,
· Arbeitnehmer in faktischen Arbeitsverhältnissen,
60
· Außendienstmitarbeiter, auch wenn sie in einem weit entfernten Vertriebs-
bereich des Unternehmens tätig sind,
· Arbeitnehmer in ruhenden Vertragsverhältnissen,
61
Ausgenommen von dieser Vorschrift sind;
· Heimarbeiter und arbeitnehmerähnliche Personen nach §12a TVG,
· Leiharbeitnehmer,
· Freie Mitarbeiter, Handelsvertreter und Arbeitnehmer in werksvertraglichen
Beziehungen zum Betriebsveräußerer,
· Mitarbeiter im Ruhestand,
56
Bei einem aufkommenden Konflikt hat das EG-Gemeinschaftsrecht Vorrang vor nationalem
Recht, auch wenn es sich dabei um nationales Verfassungsrecht handelt. Einschränkungen
der Verfassungssouveränität sind in Art.23 Abs.1 Satz 2 GG abgesichert, vgl. Balze, S.57.
57
Als solche besitzt §613a BGB zwingenden Charakter, d.h. er unterliegt nicht der Disposition
der Arbeitsvertragsparteien.
58
vgl. Niebler, S.18.
59
vgl. im folgenden auch: Gaul, S.78ff, Balze, S.9, Niebler, S.19.
60
Dies betrifft Arbeitsverhältnisse, die im Zeitpunkt des Betriebsübergangs nichtig waren oder
später nach §119 BGB angefechtet wurden. Da die bereicherungsrechtlichen Rückabwick-
lungsvorschriften nach §823 BGB in diesem Fall nicht den erforderlichen Sozialschutz
gewährleisten, wirkt die Nichtigkeit/ Anfechtung nur für die Zukunft. Für die Vergangenheit
ist ein Arbeitsverhältnis mit allen Rechten und Pflichten entstanden, vgl. Hanau, S.174.
61
z.B. Arbeitnehmer im Erziehungsurlaub, in Wehr- oder Zivildienst oder im Ausland.
Anwendungsbereich

Seite 14
· Personen, die Organstellung innehaben, wie z.B. Vorstandsmitglieder, GmbH-
Geschäftsführer oder Aufsichtsratsmitglieder.
Für die Anwendbarkeit des §613a BGB kommt es weder auf die Bezeichnung des
Vertragsverhältnisses an, noch darauf, ob sich Veräußerer oder Erwerber aller
unter diese Regelung fallenden Arbeitsverhältnissen bewußt sind. Entscheidend
ist allein, ob der tatsächliche Inhalt des Vertrages Merkmale der oben genannten
Mitarbeitergruppen aufweist.
62
Ebenso ist §613a BGB unabhängig davon anzu-
wenden, ob der Betrieb betriebsratspflichtig ist oder nicht.
9.2 Sachlicher Anwendungsbereich
Nach dem Wortlaut des §613a BGB kann sowohl ein gesamter Betrieb, als auch
ein Betriebsteil durch Rechtsgeschäft auf einen neuen Betriebsinhaber übergelei-
tet werden, um die Rechtsfolgen des §613a BGB zu begründen. Deshalb ist es
zunächst entscheidend, was unter einem Betrieb bzw. Betriebsteil im Sinne dieser
Vorschrift zu verstehen ist.
9.2.1 Betrieb
Eine gesetzlich übergreifende Definition des Begriffs Betrieb gibt es nicht.
63
Nach
der Rechtsprechung des BAG ist ein Betrieb ,,die organisatorische Einheit, inner-
halb derer der Arbeitgeber allein oder mit seinen Arbeitnehmern mit Hilfe von
sächlichen und immateriellen Mitteln bestimmte arbeitstechnische Zwecke fortge-
setzt verfolgt, die sich nicht in der Befriedigung des Eigenbedarfs erschöpfen."
64
Dabei ist es rechtlich unerheblich, welcher Art diese Zwecke sind und ob sie von-
einander örtlich weit entfernt ausgeübt werden.
9.2.2 Betriebsteil
Bei einem Betriebsteil im Sinne des §613a BGB handelt es sich um die räumliche
und ,,organisatorische Untergliederung des Gesamtbetriebes, dem eine Teilfunk-
tion bei der Erreichung des Betriebszwecks zukommt."
65
Diese Teilfunktion kann
aus dem Blickwinkel des betrieblichen Gesamtzwecks auch nur eine ganz unter-
geordnete Leistung erbringt.
66
Einzelne oder eine Summe von Wirtschaftsgütern
stellen keinen Betriebsteil dar, solange es an einer organisatorischen Verbindung
der einzelnen Betriebsmittel zu einer funktionsfähigen Einheit fehlt.
67
Die nationale Auslegung des Betriebsbegriffs in den letzten Jahren durch die
Rechtsprechung des EuGH eine weitgehende Modifizierung erfahren. In inzwi-
schen gefestigter Rechtsprechung vertritt der EuGH einen mehr oder weniger
entmaterialisierten und tätigkeitsbezogenen Betriebs(teil)begriff. Er betrachtet den
Betrieb als wirtschaftliche Einheit, worunter die ,,organisierte Gesamtheit von
Personen und [materiellen und immateriellen] Vermögensgegenständen zur
Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit mit eigener Zielsetzung" zu verstehen
62
vgl. Gaul, S.78.
63
Dabei ist zu beachten, daß der arbeitsrechtliche Betriebsbegriff nicht identisch mit dem im
Handels-, Wirtschafts- oder Steuerrecht ist, vgl. Niebler, S.20.
64
vgl. DB 09/91, S.501/ Arbeitstechnischer Zweck eines Transportbetriebes ist es, Transporte
für verschiedene Auftraggeber durchzuführen, Zweck eines Kanzlei ist es, den Klienten eine
fundierte Rechtsberatung anzubieten.
65
zit. nach Wendeling-Schröder, S.128/ Ein Betriebsteil ist beispielsweise die
Reparaturwerkstatt eines Speditionsbetriebes oder die Lackiererei eines Automobilbetriebes.
66
z.B. Kantine oder Wachschutz, vgl. Heckelmann, S.51.
67
Beispiel Fuhrbetrieb; Der einzelne LKW stellt für sich genommen lediglich ein Betriebsmit-
tel, nicht einen Betriebsteil dar. Der einzelne LKW eines Betriebes kann aber teilbetrieblich
organisiert sein. Es bedarf dann einer eigenen Arbeitsorganisation, vgl. BB 01/00, S.48.
Anwendungsbereich

Seite 15
sei.
68
Damit wird als Voraussetzung für einen Betrieb(steil) nicht ausschließlich
das Vorhandensein von materiellen oder immateriellen Betriebsmitteln gefordert.
Ein Betrieb(steil) kann vielmehr mit ,,Tätigkeiten besonderer Art" gleichgesetzt
werden, die jedoch ein Minimum an organisatorischer Zusammenfassung voraus-
setzen.
69
Zum Betriebsteil gehören dabei auch die Arbeitsverhältnisse, was zur
Folge hat, daß das Merkmal der Übernahme oder Nichtübernahme der Beleg-
schaft bei der Beurteilung der Frage, ob ein Betriebsübergang mit den daraus
resultierenden Arbeitnehmerschutzrechten vorliegt, ebenfalls heranzuziehen ist.
70
10 Tatbestandsvoraussetzungen
Ein Betriebsübergang nach
§
613a Abs.1 Satz 1 BGB muß folgenden drei Voraus-
setzungen genügen;
· Es muß ein Rechtsgeschäft vorliegen
· Es muß ein Betriebsinhaberwechsel stattfinden.
· Ein Betrieb oder Betriebsteil muß übertragen worden sein.
10.1 Rechtsgeschäft
§
613a BGB setzt nach h.M. den Übergang eines Betriebes oder Betriebsteils kraft
Rechtsgeschäft, also auf Basis einer dahingehenden privatrechtlich gestalteten
Willenserklärung der Beteiligten, voraus.
71
§613a BGB findet bei einem Betriebs-
übergang im Wege der Gesamtrechtsnachfolge keine Anwendung, so daß alle
außerhalb der Gesamtrechtsnachfolge liegenden Fälle erfaßt werden.
72
Die Motive
und die Art des Rechtsgeschäftes sind dabei belanglos. Das BAG bejahte sogar
einen Betriebsübergang, wenn das zugrundeliegende Verpflichtungsgeschäft erst
zu einem späteren Zeitpunkt, etwa nach Vollziehung der Betriebsüberleitung,
getätigt wird oder wenn ein unwirksames Rechtsgeschäft vorliegt.
73
10.2 Betriebsinhaberwechsel
Ein weiteres kennzeichnendes Merkmal des Betriebsübergangs ist, daß ein neuer
Rechtsträger an die Stelle des bisherigen Betriebsinhabers tritt. Es ändert sich also
etwas in der Person desjenigen, der über die arbeitsrechtliche Organisation und
Leitungsmacht verfügt. Wegen der personenrechtlichen Eigenart des Arbeitsver-
hältnisses verliert der Arbeitsvertrag damit seine ,partnerschaftsbezogene
Identität`.
74
Dabei kann der Betriebsinhaber nicht nur eine natürliche oder juris-
tische Personen des privaten oder öffentlichen Rechts sein, sondern auch eine
68
Der Begriff wirtschaftliche Einheit umfaßt als Oberbegriff die Begriffe Betrieb, Betriebsteil
und Unternehmen.
69
vgl. Balze, S.82/ Tätigkeiten besonderer Art können zum Beispiel auch Reinigungsarbeiten
sein oder die Vertriebsberechtigung für Fahrzeuge.
70
Das BAG fand es mit der Menschenwürde unvereinbar, den Arbeitnehmer als Teil des
arbeitstechnischen Betriebes anzusehen, hat jedoch mit seiner Entscheidung vom 13.11.97
diese Auffassung fallengelassen und sich weitestgehend der Auffassung des Gerichtshofes
angeschlossen, vgl. NZA 12/98, S.639.
71
vgl. näher zum Rechtsgeschäft, Brox, S.54ff.
72
Bei der Gesamtrechtsnachfolge (Universalsukzession) gehen die Arbeitsverhältnisse automa-
tisch kraft Gesetz auf den neuen Inhaber über. Die wesentlichsten Fälle sind der Erbfall nach
§1922 BGB und alle Formen der gesellschaftsrechtlichen Umwandlung nach dem UmwG:
Verschmelzung, Spaltung, Vermögensübertragung und Formwechsel, vgl. Herbst, 6ff.
73
vgl. NZA 17/89, S.680/ Bei unwirksamen Rechtsgeschäften und tatsächlicher Betriebs-
führung ist die Lehre vom faktischen Arbeitsverhältnis anzuwenden sein, vgl. Loritz, S.592.
74
vgl. Gaul, S.60.
Tatbestandsvoraussetzungen

Seite 16
Gesamthand sein.
75
Die bloße Veränderung der Rechtsform mit gleichbleibenden
Arbeitgebers oder ein Wechsel von Gesellschaftern einer Gesellschaft mit der der
Arbeitsvertrag besteht, stellt dagegen keinen Betriebsinhaberwechsel im Sinne
des §613a BGB dar.
76
Der betroffene Mitarbeiter muß einen neuen Arbeitgeber
bekommen, damit man von einem Betriebsinhaberwechsel sprechen kann.
10.3 Betriebs(teil)übergang
Zur Annahme eines Betriebs(teil)übergangs stellt das BAG unter Berücksichtigung
der europäischen Rechtsprechung auf die Wahrung der Identität
der wirtschaft-
lichen Einheit ab. Eine Wirtschaftseinheit hat ihre Identität gewahrt, wenn dieselbe
oder eine gleichartige Geschäftstätigkeit vom neuen Inhaber tatsächlich weiter-
geführt bzw. wiederaufgenommen wird. Es muß also geprüft werden, ob eine
Ähnlichkeit zwischen der vor und nach dem Übergang verrichteten Tätigkeit
besteht. Dabei ergibt sich die Identität jedoch nicht nur aus der gleichen Tätigkeit,
sondern auch aus anderen Merkmalen der betrieblichen Einheit.
Die Rechtsprechung des EuGH wurde dahingehend kritisiert, daß sie schon eine
reine Funktionsnachfolge als Betriebsübergang mit den entsprechenden Rechts-
folgen anerkenne.
77
Damit würde ein Betriebsübergang beispielsweise bei der
Schließung einer Werbeabteilung und Auftragsvergabe an eine Werbeagentur
oder etwa bei der Vergabe von Buchhaltungsaufgaben an ein Steuerberatungs-
büro vorliegen. Nach dem Stand der heutigen Rechtsprechung ist diese verein-
fachte Darstellung nicht mehr begründet.
78
Die Fortführung einer identischen
Wirtschaftseinheit verlangt außer der Ähnlichkeit der vor und nach Übergang
verrichteten Tätigkeiten noch weitere Kriterien, die für einen Betriebsübergang
sprechen, wie z.B.:
· die Art des Unternehmens oder Betriebes,
· der Übergang oder Nichtübergang von materiellen Aktiva, wie Gebäuden und
beweglichen Gütern,
· der Wert der immateriellen Aktiva zum Zeitpunkt des Übergangs,
· die Übernahme oder Nichtübernahme der Hauptbelegschaft,
· die Übertragung oder Nichtübertragung der Kundenbeziehungen,
· die Dauer einer eventuellen Unterbrechung dieser Tätigkeit,
· die Durchführung der Tätigkeit am gleichen Ort,
· die Kontinuität des äußeren Erscheinungsbildes des Geschäftsbereiches,
· und letztendlich auch die Umstände des Einzelfalls.
Diese Umstände müssen im Rahmen einer Gesamtbewertung geprüft und dürfen
nicht isoliert beurteilt werden. Bei Produktionsbetrieben sind dabei die materiellen
Betriebsmittel maßgeblich, während als übergreifendes Merkmal für Dienstleis-
tungsbetriebe vorrangig Faktoren wie Personal, Arbeitsorganisation und das
unternehmerische Konzept zu berücksichtigen sind. Dadurch wird vermieden, daß
Arbeitnehmer, deren Arbeitsplätze nicht durch materielle oder immaterielle
Betriebsmittel gekennzeichnet sind, aus dem Schutzbereich des §613a BGB
75
Eine Gesamthand kann z.B. eine OHG oder KG sein. Sie ist eine nicht explizit im BGB
geregelte rechtliche Form, bei der die Mitglieder am gemeinsamen Recht ideelle Anteile
haben, über die sie nur gemeinschaftlich verfügen können, vgl. Bertelsmann, Bd.5, S.98.
76
vgl. Niebler, S.33f.
77
Eine Funktionsnachfolge ist die Fortführung betrieblicher Tätigkeiten durch einen betriebs-
fremden Dritten ohne gleichzeitige Übernahme materieller oder immaterieller
Betriebsmittel.
78
Im berühmten Beispielfall von 1994 ,,Christel Schmidt" ging es um die Kündigung der
einzigen Reinigungskraft einer Sparkasse, weil die Sparkasse die Reinigung an ein
Reinigungsunternehmen fremdvergeben hatte. Der EuGH hat hier die Übertragung eines
Betriebsteils im Sinn der EG-Richtlinie als gegeben angesehen. Diese Entscheidung muß
jedoch als typische Einzelfallentscheidung restriktiv ausgelegt werden, vgl. Balze, S.89f.
Tatbestandsvoraussetzungen

Seite 17
herausfallen.
79
Sie führt damit zu Ergebnissen, die der Vielfalt im Wirtschaftsleben
eher gerecht werden, als der eher formalistische Ansatz des BAG.
11 Rechtsfolgen des Betriebsübergangs
Wird nun eine wirtschaftliche Einheit unter Wahrung ihrer wirtschaftlichen
Identität fortgeführt, kann unterstellt werden, daß der Betriebserwerber in der
Lage ist, die Arbeitnehmer in gleicher Weise wie der Veräußerer zu beschäftigen.
Schließlich erwirbt er eine betriebswirtschaftlich interessante Organisation, die ihn
in die Lage versetzt, wirtschaftlich tätig zu werden und Gewinne zu realisieren.
Damit erscheint die Einschränkung der Unternehmerautonomie aus Art. 2, 12, 14
GG gerechtfertigt. Im übrigen müßte es aus Sicht der betroffenen Arbeitnehmer
willkürlich erscheinen, wenn der bloße Arbeitgeberwechsel, der mit keiner
betrieblich- organisatorischen Änderung verbunden ist, das ungewollte Ende ihrer
Arbeitsverhältnisse herbeiführen würde.
80
Die wesentliche Rechtsfolge des §613a Abs.1 BGB ist der automatische Übergang
der Arbeitsverhältnisse aller im übergehenden Betrieb(steil) beschäftigten Arbeit-
nehmer auf den Betriebserwerber. Die Arbeitgeberseite des jeweiligen Arbeitsver-
hältnisses wird also ausgetauscht (gesetzlich angeordnete Vertragsübernahme).
Das bisherige Arbeitsverhältnis ist durch den Betriebsübergang beendet. Dabei
erstrecken sich die Rechtsfolgen des Betriebsübergangs auf sämtliche schuld-
rechtliche Beziehungen und Rechtspositionen zwischen Betriebsveräußerer und
Arbeitnehmern. Es kann sich hier um einzelvertraglich festgelegte Arbeitsbe-
dingungen, wie Ruhegeldanwartschaften und ­ansprüche, kollektivrechtliche
Regelungen aus Tarifverträgen und Betriebsvereinbarungen, aber auch um
tatsächliche Gegebenheiten (Betriebszugehörigkeit, Kündigungs-, Ausschluß- und
Verjährungsfristen) handeln. Der neue Betriebsinhaber wird auch Schuldner aller
Verbindlichkeiten, die vor dem Übergang entstanden sind. Allerdings haftet der
bisherige Arbeitgeber nach §613a Abs.2 Satz 1BGB für Verbindlichkeiten, die vor
Ablauf eines Jahres nach dem Übergang fällig werden mit, d.h. beide haften als
Gesamtschuldner. Dabei kann sich der alte Arbeitgeber auf eine Haftungsbe-
schränkung pro-rata-temporis berufen, d.h. für z.B. einmal jährlich zu zahlende
Zuwendungen haftet er nur in dem Umfang, der dem im Zeitpunkt des Übergangs
abgelaufenen Teil ihres Bemessungszeitraumes entspricht.
81
Diese Regelungen sind prinzipiell zwingendes Recht und können nicht durch eine
Vereinbarung mit dem Erwerber oder den betroffenen Arbeitnehmern ausge-
schlossen oder verändert werden. Es steht auch nicht im Ermessen der beteiligten
Vertragsparteien festzulegen, welche Arbeitsverhältnisse übergehen. Outsourcer
und Übernehmer können nur bestimmen, welcher Betrieb oder Betriebsteil auf den
Übernehmer übertragen werden soll. Die diesem zugeordneten Arbeitsverhältnisse
gehen dann kraft Gesetzes über. Unberührt hiervon bleibt die Möglichkeit des
alten Arbeitgebers, durch der Outsourcing- Maßnahme vorausgehende Organi-
sationsveränderungen oder Versetzungen Arbeitsverhältnisse einem bestimmten
Betriebsteil zuzuordnen, um diesbezüglich Klarheit zu schaffen. Die Zuordnung
erfolgt nach h.M. nicht subjektiv, also durch Veräußerer, Erwerber oder Arbeit-
79
Dies würde besonders auf den Dienstleistungsbereich zutreffen, in dem die Beschäftigung in
Deutschland zwischen 1970 und 2000 um 160% gestiegen ist. Eine Differenzierung zwischen
Dienstleistungs- und Produktionsbereich beim Betriebsübergang erscheint aber unter dem
Gesichtspunkt der Gleichbehandlung nach Art.3 Abs.1 GG problematisch.
80
vgl. Wendeling-Schröder, S.136.
81
Bsp.: Nach dem Betriebsübergang am 1.7. ist auch der Betriebserwerber zur Zahlung der
bisher üblichen jährlichen Weihnachtsgratifikation in Höhe eines Monatsgehaltes
verpflichtet. Der alte Arbeitgeber schuldet ihm aber die Hälfte, vgl. Hanau, S.263.
Rechtsfolgen des Betriebsübergangs
Ende der Leseprobe aus 114 Seiten

Details

Titel
Der rechtsgeschäftliche Betriebsübergang aus Arbeitnehmersicht
Hochschule
Hochschule Mittweida (FH)
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
114
Katalognummer
V185587
ISBN (eBook)
9783656983095
ISBN (Buch)
9783867464857
Dateigröße
1491 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
betriebsübergang, arbeitnehmersicht
Arbeit zitieren
Henryk Merkel (Autor:in), 2000, Der rechtsgeschäftliche Betriebsübergang aus Arbeitnehmersicht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185587

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Der rechtsgeschäftliche Betriebsübergang aus Arbeitnehmersicht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden