Bewertung von Mineralöleinträgen in die Umwelt im Hinblick auf die Substituierbarkeit durch biologisch schnell abbaubare Kraft- und Schmierstoffe


Diplomarbeit, 2000

102 Seiten, Note: 1


Leseprobe

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Zusammenfassung

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Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

Einleitung

1 Theoretischer Teil

2 Empirischer Teil

3 Zusammenfassung und Handlungsempfehlungen

Anhang

Literaturverzeichnis


Abbildungsverzeichnis

 

Abbildung 1: Schadens- und Vermeidungskosten

Abbildung 2: Anzahl der Unfälle nach Eintragsgebieten 1997

Abbildung 3: Anteil einzelner WGK an der Anzahl der Unfälle 1997

Abbildung 4: Freigesetztes und nicht wiedergewonnenes Volumen von Mineralölen 1997 nach WGK

Abbildung 5: Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen nach Transportmitteln 1997

 

Tabellenverzeichnis

 

Tabelle 1: Schädigung der Flußfischerei durch Gewässerverschmutzung in der Bundesrepublik Deutschland 1961

Tabelle 2: Zahlungsbereitschaften

Tabelle 3: Absatz von Mineralölprodukten in Deutschland 1996 - 1999

Tabelle 4: Absatz von mineralölbasierten Schmierstoffen und Hydraulikölen in Deutschland 1998 und 1999

Tabelle 5: Verteilung der Schadensmengen nach Wasserschutzgebieten und Wassergefährdungsklassen 1997

Tabelle 6: Kumulierte Eintragsmengen 1997 nach Statistischem Bundesamt

Tabelle 7: Anzahl und Volumina der Unfälle bei der Beförderung nach Transportmitteln 1997

Tabelle 8: Bestand und Volumina von Transportfahrzeugen 1993 – 1999

Tabelle 9: Eintragsmengen von Schmierstoffen

Tabelle 10: Anzahl getroffener Sofortmaßnahmen bei gemeldeten Störfällen 1997

Tabelle 11: Anzahl getroffener Folgemaßnahmen bei gemeldeten Störfällen 1997

Tabelle 12: Kosten der getroffenen Maßnahmen

Tabelle 13: Preisspannen von Schmierstoffen und Hydraulikflüssigkeiten 1999

Tabelle 14: Schmiermittelbedarf in der Land- und Forstwirtschaft

Tabelle 15: Preisvergleich Biodiesel - Mineralöldiesel 1999 und 2000

Tabelle 16: Anteile der Mineralölunfälle nach Wassergefährdungsklassen

Tabelle 17: Einträge nach Wassergefährdungsklassen und Eintragsgebieten

 

Einleitung

 

Öl ist einer der bedeutendsten Wirtschaftsfaktoren der heutigen Zeit und damit zugleich ein wichtiges politisches Instrument mit einer großen Lobby auf der Seite der Erzeuger und einer fast ebenso großen Schar an Gegnern vornehmlich aus dem Umweltbereich.

 

Öl ist Grundlage für viele Industriezweige. Es dient als Rohstoff für Kunststoffe, Pharmazeutische Erzeugnisse, Kosmetika, die chemische Industrie und vor allem zur Energieerzeugung und für die Herstellung von Kraftstoffen und Schmiermitteln für über 50 Millionen Kfz in Deutschland. Jährlich werden in der Bundesrepublik Mineralölprodukte mit einer Menge von über 120 Millionen Tonnen in Umlauf gebracht.

 

Aber Öl ist auch eine begrenzte Ressource und ein wichtiger Einflußfaktor für die Umweltverschmutzung als eine der Hauptursachen für die globale Erwärmung, Smog und sauren Regen.

 

Deshalb wird von einigen Gruppen nach alternativen Antriebsmitteln und Kraftstoffen gesucht. Eine der Möglichkeiten liegt in der Nutzung nachwachsender Rohstoffe anstelle der begrenzten Rohölmengen, deren Vorkommen noch dazu nur in einigen Gebieten der Welt sind, von denen manche in politisch recht unsicheren Gebieten liegen. Man erinnere sich nur an den Golfkrieg.

 

In einem getätigten Forschungsauftrag wurde bereits untersucht, inwieweit mineralische Öle durch solche aus nativen Quellen, wie zum Beispiel Raps, substituiert werden können (Dreier, Geiger, Saller (1998)). Das besondere Augenmerk wurde dabei auf die Emissionen von Luftschadstoffen gelegt, welche bei der Verbrennung von Ölprodukten entstehen. Das Ergebnis dieser Untersuchung war, daß derzeit Biokraftstoffe nur unter marktwirtschaftlich kaum vertretbaren Aufwendungen in Form von Substitutionen und Zuschüssen tragbar sind. In einigen Bereichen kann der Ausstoß von Schadstoffen durchaus reduziert werden, zum Beispiel dadurch, daß nachwachsende Rohstoffe eine CO2 Neutralität aufweisen, also das ausgestoßene Kohlendioxid während der Wachstumsphase über die Pflanzen wieder aufgenommen wird und in dieser Hinsicht die Verwendung von Rapsöl und Rapsölmethylester den herkömmlichen Kraftstoffen weit überlegen ist. Aus einer ganzheitlichen Analyse der benötigten Faktoren wie zum Beispiel Dünger, Flächenbedarf oder Verteilung und Speicherung ergibt sich ein nicht ganz so positives Bild. Dieses resultiert besonders aus dem Düngemittelaufwand und den daraus entstehenden zusätzlichen Emissionen.

 

Bei diesen Betrachtungen ging bisher meist ein Eintrag der Ölprodukte selbst unter, weil lediglich eine Beachtung der Emissionen durch Verbrennungsvorgänge und durch Anbau, Verarbeitung und Vertrieb stattfand. Es gibt aber auch direkte Öleinträge in die Umwelt, wie mit dieser Arbeit aufgezeigt werden soll. So meldet allein das Statistische Bundesamt jährlich Unfälle mit einer Mineralölfreisetzung von etwa 2.000 Tonnen[1] und andere Quellen gehen von weiteren Verlusten in Höhe von bis zu 65.000 t aus.[2]

 

In dieser Arbeit soll versucht werden, die volkswirtschaftlichen Schäden durch derartige Einträge zu ermitteln und es stellt sich die Frage

 

„Ist es wirtschaftlich sinnvoll, herkömmliche Mineralölprodukte mit bestimmten Einsatzzwecken und/oder in bestimmten Bereichen (Wasserschutzgebieten, Land- und Forstwirtschaft) durch biologisch schnell abbaubare Öle zu substituieren?“

 

Eine Konzentration auf ausgewählte Bereiche findet dabei statt, weil diese durch einen Mineralöleintrag aufgrund erhöhter ökologischer Sensibilität besondere Anforderungen an die Qualität der betroffenen Medien (Wasser und Boden) stellen.

 

Damit ergeben sich zwei mögliche, sich gegenseitig ausschließende Zustände, in denen unterschiedliche Kosten entstehen und die miteinander verglichen werden sollen.

 

1. Der Status Quo

Es ist die derzeit gegebene Menge an Mineralölen in Umlauf und damit entsteht auch die derzeitige Menge an Emissionen mit den daraus resultierenden Umweltschäden.

2. Die Substitutionsvariante

Dieser angenommene Status ist dadurch charakterisiert, daß ein Teil der Mineralölprodukte durch biologisch schnell abbaubare Stoffe ersetzt wird. Damit reduzieren sich die Emissionen und in der Folge auch die angenommenen Umweltschäden.

 

Da diese zwei Zustände nicht gleichzeitig existieren können, entstehen bei jeder Entscheidung für oder gegen einen der beiden Opportunitätskosten, weil die möglichen Erträge des zweiten, nicht gewählten Zustandes nicht in Anspruch genommen werden können. Bleibt also der gegenwärtige Zustand bestehen, verzichtet man möglicherweise auf eine geringere Umweltverschmutzung durch Ölprodukte oder auf geringere Ausgaben zur Schadensbeseitigung. Und je nach den Marktpreisen, welche hier Beachtung finden sollen, eventuell auf eine preiswerte Alternative. Wird der zweite Zustand angenommen, ist es auch möglich, daß man auf geringere Kosten zum Betrieb einer Anlage oder eines Fahrzeuges verzichtet.

 

Wie die Ergebnisse zeigen, entstehen durch beide Alternativen zusätzliche Kosten, ob durch die Schadensbeseitigung oder beim Verbrauch und Einsatz von Ölprodukten beider Art.

 

In dieser Arbeit soll versucht werden, die volkswirtschaftlichen Kosten beider Varianten zu ermitteln und zu vergleichen. Der folgende theoretische Teil beschäftigt sich eingehend mit den allgemeinen Betrachtungen des Gutes Umwelt und der Frage, mit welchen Mitteln und Methoden dieses Gut in eine monetarisierte Betrachtung eingebunden werden kann. Nachdem im weiteren theoretischen Teil die einzelnen Ölgruppen bezüglich ihrer Verwendung und ihrer Eigenschaften klassifiziert und die jeweilige Absatzsituation dargestellt wurden, folgt eine Übersicht über die möglichen Ursachen für Unfälle mit Mineralölfreisetzung und das Verhalten von Mineralölen in der Umwelt. Dabei wird unterschieden hinsichtlich des chemischen und physikalischen Verhaltens in den Umweltmedien Boden und Wasser. Hinzu kommt eine spezielle Betrachtung besonders empfindlicher und betroffener Gebiete. Dazu gehören die Land- und Forstwirtschaft und insbesondere Trinkwasserschutzgebiete. Damit soll der rein theoretische Teil abgeschlossen werden.

 

Im zweiten, empirischen Teil werden die vorliegenden statistischen Daten ausgewertet und näher betrachtet. Dazu erfolgt eine Quantifizierung der Eintragsmengen mit einer Unterscheidung zwischen gemeldeten Unfällen beim Umgang und Transport (mit Aufteilung auf einzelne Transportmittel) und die nicht genauer zu differenzierenden Menge des Eintrages beim Gebrauch, insbesondere von Schmierstoffen.

 

Daran schließt sich ein Abschnitt über die Behebung der entstandenen Schäden an. In diesem Zusammenhang sollen die wichtigsten Sanierungsmethoden vorgestellt sowie deren Häufigkeit und die Anzahl der durchgeführten Sofort- und Folgemaßnahmen aufgezeigt werden.

 

Diesen empirischen Teil schließt eine Betrachtung der dadurch entstehenden Kosten ab. Dabei werden zwei mögliche Zustände verglichen, indem auf die Kosten der externen Effekte in Form der Schadensbeseitigung durch die zuvor erläuterten Sanierungen und auf die Voraussetzungen und Kosten einer Substitution von Mineralölprodukten durch biologisch schnell abbaubare Öle eingegangen wird.

 

Der abschließende Teil dient der Betrachtung der Verfügbarkeit von Daten zur bestehenden Fragestellung. Gleichzeitig wird aufgezeigt, welche tiefergehenden Studien, Untersuchungen und Erhebungen nötig sind, um noch nicht bestehende Statistiken zu erstellen oder bereits vorhandene Daten zu vertiefen und zu differenzieren, um zu genaueren Ergebnissen und Argumenten zu kommen. Weiterhin werden kurze Empfehlungen zur Substitution in den Bereichen gegeben, welche durch die Ergebnisse dieser Untersuchung als am besten geeignet erscheinen hinsichtlich der Verfügbarkeit von Substituten und der Durchsetzbarkeit auf dem Markt.

 

1          Theoretischer Teil

 

1.1         Umwelt als monetarisierbares Gut

 

Dieser Abschnitt beinhaltet eingangs allgemeine Überlegungen zu der Fragestellung, inwieweit sich Umwelt als wirtschaftliches Gut definieren läßt und wie sie monetarisiert, also in Geldwerten ausgedrückt werden kann. Es wird untersucht, bis zu welchem Grad die Vermeidung und Beseitigung von Umweltschäden ökonomisch vertretbar ist. Daran anschließend werden drei Möglichkeiten zur Monetarisierung von Umwelt und deren Schädigung vorgestellt, die Methoden der Tatsächlichen Investitionen, der Entgangenen Erträge und der Zahlungsbereitschaftsanalyse. Diese drei Theorien werden auf ihre Voraussetzungen, Vor- und Nachteile untersucht, bevor eine Entscheidung für eine der drei Methoden getroffen wird.

 

Die natürliche Umwelt erfüllt nicht nur einen reinen Selbstzweck, sondern auch grundlegende ökologische und ökonomische Funktionen, sie stellt also eine Art von Gut dar, das in unterschiedlicher Weise durch den Menschen genutzt wird. Die Umwelt selbst ist einerseits ein Konsumgut und eine produktive Ressource. Andererseits fungiert sie als Aufnahmemedium diverser Stoffe, die entweder durch natürliche Vorgänge oder durch menschliche Emissionen freigesetzt werden, so zum Beispiel CO2, welches bei jeder Form der Verbrennung von Kohlenstoffen emittiert wird, auf natürlichem Wege durch Waldbrände oder Vulkanausbrüche, beim anthropogenen Einfluß durch die Verbrennung fossiler und regenerierbarer Rohstoffe wie Holz, Kohle und Mineralöl. Die Mengen der durch den Menschen freigesetzten Stoffe haben dabei kontinuierlich mit der fortschreitenden Industrialisierung zugenommen.

 

Die Eigenschaft des Konsumgutes und der produktiven Ressource setzt eine möglichst große Reinheit, die Deponiefunktion hingegen eine Verschmutzbarkeit voraus.[3]

 

Solange die Immissionen so gering sind, daß die Aufnahmefähigkeit der Natur nicht beeinträchtigt und die Umweltqualität nicht gemindert wird, sollte es keine Restriktionen für Emissionen geben und die Umwelt als freies Gut gehandelt werden, das keinen Zuteilungsmechanismen unterworfen werden sollte. Falls aber verschiedene Nutzungsarten miteinander rivalisieren (was der Fall ist), wird Umwelt zu einem knappen Gut. Dem Nutzen aus einer sauberen Umwelt steht der Nutzen der Emissionen aus eingesparten Vermeidungskosten gegenüber. Beide Verwendungsarten implizieren demnach Opportunitätskosten, da sie einander beeinträchtigen.[4]

 

Die Monetarisierung von Umweltschäden ist ein umstrittenes und lückenhaftes Feld der Umweltökonomie.[5] Monetarisierung bedeutet dabei ein „Zusammenfassen physischer Größen und damit eine Objektivierung und das Herstellen von Vergleichbarkeit.“[6] Sie verspricht folgende Vorteile für die Umweltpolitik:[7]

 

Herstellung der Vergleichbarkeit von Schadens- und Vermeidungskosten und damit Erleichterung des Vergleiches beider – grundsätzlich gleichrangiger – Aspekte des Umweltschutzes

 

Entgegenwirkung der Gefahr einer Überbetonung der Vermeidungskosten bei der ökologischen Zielfestsetzung

 

Bessere Verwendbarkeit monetärer Größen für die zusammenfassende Behandlung unterschiedlicher Schadensarten als physische Größen (z.B. Vergleich von Schäden durch Luft- und Gewässerverunreinigungen)

 

Ermöglichung des Vergleiches der Nutzen der Umweltpolitik (vermiedene Schäden) mit anderen ökonomischen Größen, insbesondere dem Sozialprodukt. Erst dadurch lassen sich Angaben darüber machen, inwieweit ein wachsendes Sozialprodukt mit gesellschaftlichen Wohlfahrtssteigerungen verbunden ist

 

Politische Entscheidungen über den Umweltschutz sind besser an den individuellen Präferenzen ausrichtbar. Mit Hilfe monetärer Nutzenäquivalente, die aus Informationen der Bürger gewonnen werden, ist eine Objektivierung politischer Entscheidungen möglich

 

Es gibt dabei mindestens zwei Ansatzpunkte, Schäden oder deren Vermeidung in monetären Werten darzustellen. Einerseits sind die externen Effekte des Eintrages ökotoxischer oder sonstiger schädigender Stoffe in die Umwelt zu sehen, wie zum Beispiel die Schäden an Vegetation oder Gebäuden durch sauren Regen. Andererseits sind die Aufwendungen für die Vermeidung solcher Schäden oder deren Beseitigung zu betrachten. Volkswirtschaftlich ist es nicht sinnvoll, um jeden Preis Umweltschäden zu beheben oder zu vermeiden, da sich die Gesamtkosten aus den externen Kosten des Umweltschadens selbst und den Kosten der Vermeidung und Beseitigung dieses Schadens zusammensetzen. Damit ergibt sich eine volkswirtschaftlich optimale Eintragsmenge, die nicht dem möglichen Minimum der Emission dieser Stoffe entspricht.

 

Abbildung 1: Schadens- und Vermeidungskosten

 

 

Abgebildet in dieser Grafik sind die gesellschaftlichen Schäden durch die Emissionen (externe Kosten der Umweltschäden) von Schadstoffen, welche mit zunehmender Emissionsmenge steigen und die gesellschaftlichen Vermeidungs- oder Schadensbeseitigungskosten (Kosten der Beseitigung/ Vermeidung). Zusätzlich sind die Gesamtkosten zu sehen, welche sich als eine Summe der Kosten der Vermeidung und der externen Kosten ergeben. Für den konkreten Fall der Mineralölememissionen kann den Graphen eine genauere Bedeutung zugeordnet werden: Die „gesellschaftlichen Schäden durch Emissionen“ entsprechen den Schäden durch Emissionen von Mineralöl und den damit verbundenen Kosten der Umweltbeeinträchtigung und der Schadensbeseitigung. Diese Menge an Mineralöleinträgen sei anzunehmenderweise direkt proportional zur Menge des Mineralöleinsatzes. Die allgemein als „Kosten der Beseitigung/ Vermeidung“ bezeichnete Funktion entspräche im konkreten untersuchten Fall der Anteil der Substitution durch biologisch schnell abbaubare Öle und den dadurch entstehenden Kosten.

 

Die Funktionen können sowohl von links als auch von recht gelesen werden: Mit zunehmender Umweltqualität (sinkende Emissionen, steigende Vermeidung bzw. steigende Substitution) nehmen die Schäden ab und die Vermeidungs- bzw. Substitutionskosten zu; mit steigenden Emissionen oder sinkender Vermeidung und Schadensbehebung hingegen steigen die gesellschaftlichen Schäden.[8] Geringere Schäden stellen die Opportunitätskosten der Emissionen dar, geringere Vermeidungskosten hingegen die Opportunitätskosten der Schadensvermeidung oder     –beseitigung.

 

Die konkrete Gestalt der Funktionen sieht bei verschiedenen Umweltphänomenen ganz unterschiedlich aus. Zwei allgemeine Merkale sind aber hervorzuheben:

 

1) Schäden treten meist erst ab gewisser Verschmutzungsgrade auf und nicht bereits mit geringen Emissionsmengen. Ausnahme sind giftige Stoffe. Die Schadensfunktion beginnt also nicht im Nullpunkt, sondern rechts auf der Abszisse. Weiterhin ist festzustellen, daß die physischen Schäden mit wachsender Emissionsmenge wegen der Beeinträchtigung der Selbstreinigungskräfte und der räumlichen Begrenztheit der Umweltmedien zunächst langsam und dann mit steigender Geschwindigkeit zunehmen. So gibt es meist kritische Immissionsgrade, mit deren Erreichen Mensch, Tier, Pflanze und Klima verschärft reagieren. Neben den Mengenkomponenten sprechen typische Bewertungsaspekte für einen typischerweise progressiven Verlauf der Funktion. Um so stärker die Versorgung mit einem Gut eingeschränkt wird, desto dringlicher werden in der Regel zusätzliche Einheiten dieses Gutes eingestuft. Je schlechter die Umweltqualität bereits ist, um so höher werden Schäden, welche aus einer weiteren Verschlechterung resultieren, bewertet.

2) Mit zunehmender Entsorgung oder Vermeidung der Schadstoffe steigen die Kosten zumeist überproportional. Es wird zunehmend schwieriger, einen bereits erreichten Reinheitsgrad bei gegebener Technik noch zu erhöhen.

 

Damit ergibt sich ein optimaler Emissionsgrad je nach Funktion in einem Bereich zwischen der technisch möglichen erreichbaren Vermeidung und der maximalen Emission.

 

Jetzt stellten sich aber Fragen zur Bewertung der Umwelt: Auf welche Art sollte der Wert eines Biotops gemessen werden, das durch menschliche Einflüsse geschädigt oder gar zerstört wird? Relativ einfach mag es in den Fällen sein, in denen eine Ertragseinbuße für Menschen als Wirtschaftssubjekte entsteht, sei es durch verminderte Ernteerträge in der Forst-, Fischerei- oder Landwirtschaft, in Ausfällen im Betrieb von Wasseraufbereitungsanlagen oder aber im vermehrten Bedarf solcher Installationen, weil für die industrielle Erzeugung eines Gutes oder Produktes sauberes Wasser benötigt wird und dieses gereinigt und aufbereitet werden muß, bevor es der Produktion zugeführt werden kann.

 

Wenig problematisch mag es auch für den Bereich sein, wo eine Industrie zur Behebung bereits eingetretener Schäden entstanden ist und diese ihren Umsatz dadurch erzielt, daß solche Schäden auftreten und es Interessenten gibt, welche einen solchen Schaden behoben haben wollen. In diesem Fall gibt es einen Interessenten, welcher für die Behebung solcher Schäden zahlt und einen Dienstleister, welcher durch eben diesen  Bedarf gefordert und in Anspruch genommen wird.

 

Aufwendiger schon erscheint der Versuch, Verluste auszudrücken, die durch den entgangenen Nutzen für den Einzelnen entstehen. Für den Menschen, der seinen Arbeitstag mit einem Spaziergang an einem See oder in einem naturbelassenen Wald beschließt. Oder der sein Wochenende auf seinem Waldgrundstück, beim Camping an einem Bach oder am Rande einer Talsperre verbringt. Wie soll der Verlust für Schulklassen ausgedrückt werden, die Exkursionen in nahegelegene Hochmoore unternehmen, welche zunehmend geschädigt werden?

 

Wie  kann man das Aussterben einer industriell nicht nutzbaren Tier- oder Pflanzenart in einem Geldwert ausdrücken, einer Art, von der eigentlich nur vornehmlich Fachleute wissen, daß sie überhaupt existiert?

 

Um diese Fragen zu beantworten, wurden eine Reihe von Monetarisierungstheorien der Umweltinanspruchnahmen entwickelt, publiziert und kritisiert, von denen drei im folgenden vorgestellt werden sollen, nachdem eine mögliche Klassifizierung von Umweltschäden vorgenommen wurde.

 

1.2         Verfügbare Methoden zur Monetarisierung

 

Grundsätzlich kann man Umweltschäden auf unterschiedliche Art mit verschiedenen Hauptgesichtspunkten klassifizieren.[9] Dazu gehören erstens Sach- und Personenschäden:

 

1. materielle Schäden (Einkommenseinbußen, etwa durch Ernteausfälle, erhöhte Ausgaben für Reinigung und Materialerneuerung etc.)

2. Immaterielle Schäden (z.B. Geruchsbelästigung, Verlust an Erholungs-möglichkeiten, ästhetische Einbußen durch Veränderung des Landschaftsbildes)

 

In dieser Klassifizierung sind materielle Schäden der ökonomischen Bewertung leichter zugänglich als Gesundheitsschäden und immaterielle Schäden. Immaterielle Schäden in Form von Nutzeneinbußen stellen eine subjektive Größe dar, die sich nur äußerst unsicher objektivieren läßt.

 

Zweitens kann eine Einteilung nach Produktions- und Nutzeneinbußen vorgenommen werden:

 

1. Produktionswert: Komponenten der Umwelt werden als Argument der Produktionsfunktion von Marktgütern (z.B. Land- und Forstwirtschaft, Fischerei, Trinkwassergewinnung) betrachtet

2. Individuelle Werte: Komponenten der Umwelt werden in diesem Fall als Argument der individuellen Nutzenfunktion gesehen (Nutzenwerte, Intrinsische Werte [Existenz- und Optionswert])

 

Diese Klassifikation zielt darauf ab, ob Umweltbeeinträchtigungen direkt die Produktionsbedingungen oder die individuellen Nutzen berühren und beeinflussen.

 

Drittens kann eine Betrachtung der Produktions- und Marktwerte erfolgen: Diese entstehen dann, wenn durch die Qualität der Umweltmedien und –ressourcen die Produktionsbedingungen für Marktgüter direkt beeinflußt werden. Umweltverbesserungen können die Produktionskosten reduzieren, was wiederum Änderungen der Produktionsmenge, der Preise und Gewinne zur Folge hat. Umweltverschlechterungen haben hingegen einen entgegengesetzten Effekt.

 

Diese einzelnen Schadensbereiche kann man nun in unterschiedlichem Maße mit den folgenden Monetarisierungsmethoden rechenbar machen:

 

1.2.1        Tatsächliche Investitionen

 

Diese Methodik erfaßt und summiert die getätigten Aufwendungen, zum Beispiel zur Sanierung von entstandenen Umweltschäden, durch Industrie und Staat. Es erfolgt keine Messung der tatsächlich eingetretenen oder absehbaren Schäden, sondern nur eine Berechnung der Aufwendungen für getätigte Maßnahmen, durch welche die entstandenen Schäden teilweise oder auch gänzlich behoben wurden. Für eine statistische Ausweisung als Umweltschutzaufwendungen oder spezielle Sanierungsmaßnahmen ist es erforderlich, daß die einzelnen Bereiche finanziell isolierbar sind.

 

Für die hier anstehende Fragestellung würde das bedeuten, daß alle Schäden konkret zurechenbar sind, welche auch, in Form von Sanierungsmaßnahmen, behoben wurden. Da sich diese Arbeit auf bereits eingetretene Schäden bezieht, wurden Aufwendungen zur Vorsorge und Prävention (bis auf etwaige Substitutionskosten) nicht erfaßt.

 

1.2.2        Entgangene Erträge

 

Entgangene Erträge ergeben sich aus Einbußen durch die Verminderung der Ertragsfähigkeit der Medien Boden oder Gewässer als Ressourcen im weiteren Sinne aufgrund von Schäden oder Beeinträchtigungen. Zudem werden Einbußen bei der Vermarktung einzelner Bereiche beachtet.

 

Zu dieser Methodik zählen also Ertragsverminderungen in der Land- und Forstwirtschaft sowie der Fischerei und steigende Kosten bei der Brauch- und Trinkwasseraufbereitung. Als Beispiel soll eine Berechnung zur Schädigung der Flußfischerei durch Gewässerverschmutzung dienen. Dieser Vergleich der theoretisch möglichen Fischereierträge für das Jahr 1961 ohne Gewässerverschmutzung mit dem tatsächlichen Fangergebnis ergab eine Schädigung der Flußfischerei von rund 95% durch die Gesamtmenge eingetragener Schadstoffe. In Preisen von 1986 sind das Gesamtverluste von 250 Millionen Mark, die durch verminderte Fangergebnisse der einzelnen genannten Fischarten entstanden.[10]

 

Tabelle 1: Schädigung der Flußfischerei durch Gewässerverschmutzung in der Bundesrepublik Deutschland 1961

 

 

Ähnlich beträchtlich ist die Kostensteigerung bei der Trink- und Brauchwasseraufbereitung. Noch bis zu Beginn der fünfziger Jahre verursachte die Aufbereitung von Wasser in der Bundesrepublik kaum Kosten, da beispielsweise für die Versorgung aus Oberflächenwasser einfache Absatzbecken ohne Filteranlage genügten. Heute hingegen erfordern neue gesetzliche Anforderungen an Trinkwasserqualitäten und der jährlich ansteigende Wasserbedarf um rund ein Prozent sowie die gestiegene Gewässerverschmutzung den Einsatz modernster Reinigungstechnologien, was natürlich den finanziellen Aufwand zur Bereitstellung der benötigten Qualität dementsprechend erhöht.[11] Dabei muß differenziert werden, ob dieser Kostenanstieg durch die erhöhten Qualitätsanforderungen verursacht wurde oder durch die Gewässerverschmutzung. In einer Hochrechnung aus dem Jahre 1971 wurden die jährlich in der Bundesrepublik Deutschland (ausschließlich Alte Bundesländer) anfallenden und durch die Gewässerverschmutzung bedingten Aufbereitungskosten der industriellen und öffentlichen Oberflächenversorgungswerke geschätzt. Dabei ergab sich an Anstieg der Kosten von 0,2 Mrd. DM (1955) bis auf 1,6 Mrd. DM (1970).[12]

 

Dazu kommen weiterhin als entgangene Erträge die durch Emissionen wie Lärm oder Luftschadstoffe verringerten Immobilienpreise infolge von Ästhetikverlusten (z.B. Pflanzenmißbildungen, Gebäudeschäden durch Luftschadstoffe) bei den Anwohnern. Um diesen immateriellen Effekt in monetarisierter Form sehr genau zu schätzen, muß er auf Basis einer „Einflußgrößenrechnung“ im Zusammenhang zwischen Grundstücks- bzw. Mietpreisdifferenzen und Umweltqualitäten isoliert dargestellt werden. Einige weitere den Immobilienpreis bestimmende Einflußgrößen können beispielsweise die Größe und Anzahl der Zimmer, das Baujahr, die Nähe zu Einkaufszentren oder die Anbindung an öffentliche Verkehrsmittel sein.

 

Eine „plausible Schätzung“ durch die pauschalen prozentualen Zu- und Abschläge bei Grundstücks- und Mietpreisen in Form einer Befragung von Maklern, die im Rahmen der „Tegeler-See-Studie“ durchgeführt wurde ergab, daß teurere Mietwohnungen (freifinanzierter Wohnungsbau) im Vergleich zu billigeren Mietwohnungen (Altbau) einen prozentual höheren Wertminderungsverlust bzw. –steigerungsgewinn in Folge von Gewässerbeeinträchtigungen bzw. –verbesserungen zu verzeichnen haben.[13]

 

1.2.3        Zahlungsbereitschaftsanalyse

 

Bei der direkten Zahlungsbereitschaftsanalyse, wegen der Hypothezität der Situation auch Contingent Valuation Method genannt, werden Personen direkt befragt, wieviel sie zu zahlen bereit wären, wenn sich als Folge dieser Zahlung ein bestimmter Zustand einstellen würde oder ein bereits bestehender Zustand erhalten werden könnte. Diese Befragungen werden in erster Linie in Form von mündlichen Interviews (mit oder ohne Beteiligung des Interviewers), von Marktsimulationen als interaktive „Spiele“ in Gruppen sowie von schriftlichen Erhebungen mittels Fragebögen durchgeführt. Derartige Befragungen können hypothetischem Verhalten nachgehen und unterschiedliche Wertkomponenten erfassen:[14]

 

1. Der Erlebniswert (User Value): entspricht dem eigenen Genuß ökologischer Vielfalt, z.B. zur Erholung oder Beobachtung

2. Der Existenzwert (Existence Value): dieser Wert wird von Personen dem reinen Dasein eines Zustandes, einer biologischen Art oder einer Biotopform zugemessen, auch wenn nicht damit gerechnet wird, daß diese Personen jemals ein persönliches Erlebnis damit haben (z.B. Schutz des Regenwaldes oder der Wale)

3. Der Vermächtniswert (Bequest Value): entsteht durch den Wunsch, ein Gut an die Nachkommen zu vererben

4. Der Optionswert (Option Value): ist der Preis, den jemand dafür zahlt, die Zugriffs- oder Nutzungsmöglichkeit für ein Gut zu erhalten, auch wenn es zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht durch die befragte Person genutzt wird

 

Als Beispiel für eine Erhebung der Zahlungsbereitschaften soll eine Arbeit von Schweppe-Kraft dienen.[15] Dabei wird im wesentlichen auf drei Modelle zurückgegriffen, die hier kurz erläutert werden sollen. Diese Modelle sind das „Fonds-Modell“, das „Investitionsmodell“ und das Modell der „biotopentypischen Entschädigungsforderung“. Während die ersten beiden Modelle, die hier zum Vergleich der monetären Werte dienen sollen, Wiederherstellungskosten ermitteln, wird mit dem dritten Modell eine Entschädigungsforderung für den Verlust der entsprechenden Biotope ermittelt. Das dritte Modell beruht auf einer für die Bundesrepublik durch Hampicke ermittelten Zahlungsbereitschaft für den Arten- und Biotopschutz. Es muß darauf hingewiesen werden, daß die ermittelten Zahlen nur für den vollständigen Verlust eines Biotops anzusetzen sind; bei einer graduellen Zerstörung verringerte sich der Betrag dementsprechend. Die Biotoptypen sind ihrer Seltenheit nach sortiert. Demnach wird einfachem Ackergelände der geringste und naturnahen Hochmooren der höchste Wert zugewiesen. Dabei sind teils deutliche Unterschiede im Vergleich zu den erstgenannten Methoden zu erkennen, deren wesentliches Bewertungskriterium die Wiederherstellungszeiträume sind.

 

Ausgehend von diesem Kriterium erhalten Baumbestände durch eine bedeutend längere Wachstumsphase einen wesentlich höheren Wert als Grünland und Wiesengebiete, während das bei der biotopspezifischen Entschädigungsforderung nicht generell so ist.

 

Tabelle 2: Zahlungsbereitschaften

 

 

 

Als indirekte Zahlungsbereitschaftsanalyse kann man Untersuchungen sehen, welche individuelle Aufwendungen der von einer Umweltgüteveränderung Betroffenen messen oder bewerten. Es kann geschätzt oder berechnet werden, welcher finanzielle Aufwand betrieben wird oder welche Opportunitätskosten entstehen, um einen Nutzen aus der Umwelt zu ziehen, zum Beispiel in Form von Erholung oder Freizeitgestaltung.

 

Durch eine Schädigung des Bereiches, in welchem diese Aktivitäten stattfinden, sinkt in entsprechend proportionalem Maße dessen Nutzung und so entsteht ein verringerter Freizeit- und Erholungswert. Als geeignete (individuelle) Aufwandsgrößen werden zum Beispiel die Eintrittspreise vergleichbarer Erholungseinrichtungen, die zur An- und Abreise eingesetzten Fahr- und Zeitkosten und die in Verbindung der mit Freizeit- und Erholungsaktivitäten getätigten Ausgaben für Übernachtung, Essen, Ausrüstung, Parkgebühren, Mieten und so weiter zugrunde gelegt. Sobald die Umweltqualität sinkt, nimmt auch die Zahl der ein bestimmtes Naturgebiet (z.B. See, Waldgebiet) zur Freizeit und Erholung (u.a. Spazierengehen, Sport) nutzenden Personen ab und somit auch der von diesem Gebiet gestiftete Gesamtnutzen.

 

1.3         Generelle Kritik und Auswahl der verwendeten Methode

 

Die hier vorgestellten Modelle einer Monetarisierung von Umweltschäden sind nicht uneingeschränkt anwendbar. Jede dieser Methoden ist nur für einen bestimmten Bereich und unter fest definierten Voraussetzungen zu nutzen, was eine Reihe von kritischen Fragestellungen und Einschränkungen erfordert. Aus diesem Grund soll dieser Abschnitt dazu dienen, die Vor- und Nachteile sowie Einschränkungen der einzelnen angeführten Vorgehensweisen zur Monetarisierung von Immissionen darzustellen.

 

Im Falle einer Verwendung der Methodik der Tatsächlichen Investitionen wird weder gesagt, ob die getroffenen Maßnahmen einen wirksamen Schutz darstellen, noch ob eine effektive Schadensbeseitigung durchgeführt wurde.[16] Es wird lediglich der finanzielle Aufwand für die einzelnen Maßnahmen angegeben. Aus diesem Grund sind die angegebenen monetären Werte jedoch eindeutig nachweisbar und statistisch belegbar, sofern diese Erhebungen durchgeführt wurden. Nicht erfaßt werden jedoch diejenigen Einträge von Schadstoffen, welche keine Sanierungsmaßnahmen nach sich zogen. Somit werden nicht die Schäden selbst rechenbar gemacht, sondern nur die getroffenen Maßnahmen zur Beseitigung und Eingrenzung dieser schädlichen Auswirkungen der aufgetretenen Unfälle.

 

Bei einer Anwendung der Erfassung der Entgangenen Erträge liegt die größte Unsicherheit in der bereits erwähnten Einflußgrößenrechnung. Es muß genau differenziert werden, inwieweit der untersuchte Sachverhalt (in diesem Fall der Eintrag von Mineralölen in die Umwelt) ursächlich mit der ermittelten Ertragsverminderung zusammenhängt. Wie schon bei der Veränderung der Immobilienpreise gesagt, kann eine solche Tendenz eine ganze Reihe von Ursachen haben, wie zum Beispiel eine Erweiterung der Infrastruktur und eine damit zunehmende Verkehrsdichte, gleichzeitig der Bau einer Schadstoff emittierenden Fabrikanlage im Einflußbereich oder eine Verminderung des Freizeitangebotes. Ähnlich verhält es sich mit landwirtschaftlichen Erträgen, die unter anderem abhängig sind von meteorologischen Verhältnissen, Luftschadstoffen, Marktpreisen im Ein- und Verkauf oder veränderten Subventionen. Somit ist eine Ermittlung der Ursachen für entgangene Erträge vielschichtig und äußerst aufwendig und eine differenzierte und genaue Zurechnung der einzelnen Ursachen zu den eingetretenen Effekten nicht generell möglich. Voraussetzung für eine solche Ertragsverlustrechnung sind also sehr spezifische und detaillierte Erhebungen, die für die hier betrachtete Problemstellung nicht vorliegen. Vorteilhaft gegenüber den Tatsächlichen Investitionen ermöglicht diese Methodik der Monetarisierung jedoch auch eine Erfassung von Ursachen, durch welche sich die Umweltqualität verändert, die jedoch nicht durch Sanierungsmaßnahmen behoben wurden und denen also keine Investitionen folgen.

 

Die Methodik der Zahlungsbereitschaftsanalyse ist nicht ganz unumstritten, da es viele Faktoren gibt, welche das Ergebnis erheblich beeinflussen können. Zum einen besteht das sogenannte Repräsentanzproblem. Dieses besagt, daß eine hypothetische Zahlung noch lange keine reale Zahlung darstellt. Es besteht mit ziemlich großer Sicherheit eine Differenz zwischen einer angenommenen Situation und dem Fall, daß wirkliche Zahlungen zu leisten sind. Dieses Problem ist um so leichter beherrschbar, je näher der betrachtete Zusammenhang der alltäglichen Erlebniswelt der Probanden steht und je mehr Übung sie auf dem jeweiligen Feld im Abwägen und Bewerten besitzen.[17]

 

Die Zahlungsbereitschaft hängt ebenso von der individuellen Zahlungsfähigkeit ab. Die Dringlichkeitsbewertung der Güter variiert mit steigendem Einkommen. Saubere Umwelt ist eher ein superiores Gut, dem mit steigendem Einkommen ein steigender Nutzen beigemessen wird.[18] Andererseits kann auch bei einer solchen Frage ein „Trittbrettfahrerprinzip“ entstehen, wenn angenommen wird, daß die Zahlungen nicht persönlich entrichtet werden sollen, sondern von einer öffentlichen Quelle, zum Beispiel dem Staat getätigt werden. Dabei wird dem nachgefragten zu erreichenden oder zu haltenden Zustand ein höherer Wert beigemessen, als das der Fall bei individuellen Zahlungen wäre.

 

Weiterhin sind die Ergebnisse durch die sozialen Umstände der Probanden beeinflußt, die Informationen, welche sie über das befragte Feld besitzen, etwaige Katastrophenmeldungen in den Medien oder auch die Art der Befragung. Besonders bei schriftlichen Fragebögen, die in großem Umfang anonym versandt und auf freiwilliger Basis beantwortet werden, ist nicht auszuschließen, daß die Antwortenden ein höheres Interesse am Befragungsgegenstand besitzen als diejenigen, welche den Fragebogen nicht zurücksenden. Dabei müßte also die Rücklaufquote mit beachtet und im gegebenen Fall die Ergebnisse unter Einschränkungen benutzt werden. Weiterhin gibt es Ungenauigkeiten, soweit man nur nach einem Umweltgut fragt und die Zahlungsbereitschaft allein dafür ermitteln will. Denn wenn die Frage nur auf einen Bereich beschränkt ist, besteht die Gefahr, daß die Probanden ihre Wertschätzung für sämtliche anderen Bereiche „vergessen“ und zu hohe Werte für den einzelnen Bereich angeben und damit mehrere Einzelbefragungen zu unterschiedlichen Themen ein Gesamtergebnis aufzeigen würden, welches den Budgetrahmen der Befragten sprengt.

 

Gleichzeitig gilt aber für die Zahlungsbereitschaftsanalyse ebenso wie für die Ermittlung der Entgangenen Erträge, daß zuvor keine Investitionen in Form von Schadensbeseitigungs- und Sanierungsmaßnahmen getätigt werden müssen, um einen monetären Wert für Schäden zu erhalten. Jedoch wird im Zuge einer Zahlungsbereitschaftsanalyse keine Monetarisierung der Schäden selbst durchgeführt, sondern vielmehr der Wert eines Zustandes eines bestimmten Umweltbereiches ermittelt (z.B. bessere Luft- und Wasserqualitäten, geringere Lärmbelastung, Zustand eines Gewässers oder Biotops wie vor zwanzig Jahren). Gleichzeitig können aber Werte angeführt werden, denen mit anderen Methoden kein monetärer Wert beigemessen werden könnte, wie zum Beispiel dem reinen Existenzwert oder dem Vermächtniswert, die keinen realen Marktwert besitzen, weil sie in diesem Sinne nicht konkret gehandelt werden können. Und somit kann der Wert eines Umweltgutes umfassender ermittelt werden, was anders nicht möglich wäre.

 

Die Umwelt besitzt eine Reihe von Nutzen, die nicht ohne weiteres in pekuniären Werten ausgedrückt werden können. Beispielsweise besitzt ein Baum vielfältige Bedeutungen:[19]

 

Jeder einzelne Baum

 

besitzt einen Holzwert

 

dient als Photosynthesemaschine

 

liefert organisches Material

 

fungiert als Wasserspeicher

 

führt dem Boden wichtige Nährstoffe zu

 

schafft Lebensräume für eine Vielzahl von Tieren

 

dient der Lebensgemeinschaft als Teil einer Symbiose

 

dient als Staubabsorptionsfläche (Filter) und als Frühwarnsystem (Bioindikator)

 

spendet Schatten und schützt vor Wind und Sonne (Aufenthaltsort)

 

nützt als Vorbild für eine biologisch orientierte Technik (Bionik)

 

bildet eine Art Sammel- und Jagdrevier

 

dient als Klimaregler

 

sorgt für einen funktionsfähigen Wasserkreislauf

 

produziert Humus und Nahrung

 

dient der Artenvielfalt

 

fungiert als Lärm- und Sichtschutz

 

schützt vor Erosion und Lawinen

 

schafft in der Holzwirtschaft Arbeitseinkommen

 

besitzt einen Freizeit- und Erholungswert

 

Vielen dieser Eigenschaften kann nicht ohne weiteres ein realer wirtschaftlicher Marktwert zugemessen werden, wie zum Beispiel der Sauerstofferzeugung durch Photosynthese oder der Staubabsorption und Klimaregelung.

 

In Bezug auf das vorliegende Problem des Mineralöleintrages wird im folgenden die Methode der Tatsächlichen Investitionen benutzt. Das hat mehrere Ursachen, die teilweise in den Ergebnissen dieser Arbeit begründet liegen. Es liegen konkrete Kostenangaben für durchgeführte Sanierungsmaßnahmen vor, wenn auch nicht für alle Unfälle. Vergleichbare Daten existieren nicht für etwaige Erhebungen der Ertragseinbußen oder konkrete Zahlungsbereitschaftsuntersuchungen für diese Thematik. Allgemeine Zahlungsbereitschaften wie das vorangehend erwähnte Beispiel sind nicht bedenkenlos anzuwenden, da bei den Fällen, welche keine Sanierungsmaßnahmen nach sich zogen, von keiner Zerstörung oder dauerhaften Beeinträchtigung der Umweltmedien ausgegangen werden kann. Für beide letztgenannten Methoden liegen keine differenzierten, auf dieses spezielle Thema bezogene Forschungsergebnisse vor und es lassen sich keine eindeutigen Schlüsse bezüglich des Einflusses von Mineralöleinträgen auf statistisch erfaßte oder erfragte Ertragsminderungen ziehen. Derartige Monetarisierungen ließen sich nur mit sehr großen Ungenauigkeiten durchführen.

 

Aus diesen Gründen konzentriert sich die vorliegende Arbeit auf die Darstellung der mit den vorliegenden Quellen belegbaren, wenn auch nicht vollständigen Daten der Schadensbeseitigung und der durch Substitution entstehenden Aufwendungen.

 

1.4         Allgemeine Klassifizierung der Mineralöle und Mineralölprodukte und deren Absatzsituation

 

Ziel dieses Abschnittes ist die Definition und Unterscheidung der einzelnen Mineralölprodukte hinsichtlich ihrer Verwendung und das Aufzeigen der bestehenden Absatzsituation für die jeweiligen Stoffgruppen.

 

1.4.1        Kraftstoffe, Heizöle und Kerosin[20]

 

Der Anteil der Benzine (einschließlich Rohbenzin) am Raffinerieausstoß hat sich von 1970 (18%) bis 1996 (30%) ständig erhöht. Der Benzinanteil am inländischen Verbrauch von Mineralölprodukten stieg von 17% (1970) auf 34% (1996).[21]

 

Vom Verbrauch an leichtem Heizöl entfallen derzeit rund 60% auf die privaten Haushalte, 30% auf das Gewerbe und 8% auf die Industrie (einschließlich nichtenergetischer Verbrauch). Die restlichen 2% dienen zur Strom-, Fernwärme- und Gaserzeugung.

 

Vom Verbrauch an schwerem Heizöl hingegen entfallen rund 83% auf die Industrie (einschließlich nichtenergetischer Verwendung und industrielle Kraftwerke), 9% auf die Stromerzeugung in öffentlichen Elektrizitätswerken sowie 7% auf die Fernwärmeerzeugung. Das restliche 1% ist insbesondere dem Bereich der gewerblichen Kleinverbraucher (z.B. Gärtnereien) zuzurechnen.[22]

 

Tabelle 3 zeigt den Inlandsabsatz der einzelnen ausgewählten Mineralölprodukte in den vergangenen vier Jahren. Erkennbar dabei ist eine kontinuierliche Zunahme des Anteils von Dieselkraftstoff und eine gegenläufige Abnahme des Absatzes von Heizöl.

 

Tabelle 3: Absatz von Mineralölprodukten in Deutschland 1996 - 1999

 

 

1.4.2        Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten[23]

 

Bei den vorliegenden Daten wird zwischen 18 verschiedenen Schmierstoffarten aus 14 Schmierstoffgruppen unterschieden, die in unterschiedlichen Mengen in verschiedenen Anwendungsgebieten Verwendung finden. (s. Anhang für differenziertere Definitionen)

 

In Tabelle 4 ist die Absatzsituation für ausgewählte Schmierstoffe in den vergangenen zwei Vergleichsjahren (1998, 1999) dargestellt.

 

Es ist in den Jahren 1992 bis 1999 keine Tendenz zu erkennen, welche einen kontinuierlichen Anstieg oder ein Nachlassen der Gesamtnachfrage zeigen würde.[24]

 

Tabelle 4: Absatz von mineralölbasierten Schmierstoffen und Hydraulikölen in Deutschland 1998 und 1999

 

 

1.4.3        Biologisch schnell abbaubare Schmier- und Kraftstoffe

 

Unter der biologischen Abbaubarkeit wird die durch Mikroorganismen vollzogene biologische Oxidation verstanden, deren Endprodukte Kohlendioxid (CO2), Wasser (H2O) und Bakteriensubstanz sind. Das biologische Abbauverhalten wird anhand verschiedener Prüfmethoden nachgewiesen, mit denen die Abnahme der Konzentration des Stoffes in Abhängigkeit von der Zeit gemessen wird. Diese biologische Abbaubarkeit ist im wesentlichen abhängig von der chemischen Grundstruktur des Grundöls und den zugesetzten Additiven (z.B. Antioxidantien, Verschleißschutzmittel, Korrosionsverhinderer), weshalb auch synthetische Ester, deren Komponenten aus Mineralölen herstellbar sind, als biologisch schnell abbaubar definiert werden können.

 

Schmierstoffe sind einer Normung unterworfen, welche sie erfüllen müssen. Im Rahmen der Normung biologisch schnell abbaubarer Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten kann zwischen Anforderungen an die technischen Eigenschaften und Mindestanforderungen und solchen Anforderungen unterschieden werden, die sich mit ökologischen und ökotoxikologischen Aspekten für biologisch schnell abbaubare Öle befassen. Die Erfüllung technischer Normen durch Bioöle wird auf deutscher Ebene hauptsächlich durch den Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau e.V. (VDMA) untersucht und im Deutschen Institut für Normung e.V. (DIN) werden die Normungsaktivitäten auf diesem Gebiet durch den Fachausschuß Mineralöl- und Brennstoffnormung (FAM) und den Normenausschuß Materialprüfung (NMP) und Maschinenbau (NAM), Fachbereich Fluidtechnik, vorangetrieben. Auf internationaler Ebene arbeitet der ISO Normenausschuß derzeit im Unterkomitee 4 an dementsprechenden Themen.[25] Neben den technischen Erfordernissen werden bei biologisch schnell abbaubaren Schmierstoffen besondere Anforderungen an die Abbaubarkeit sowie die ökotoxikologische Wirkung gestellt. Auch dafür existieren DIN-Normenentwürfe (DIN 51828-1, 51828-2) und diverse OECD-Tests. Die (öko-) toxikologische Wirkung wird anhand der Reaktion verschiedener Testobjekte, z.B. Bakterien, Algen, Daphnien oder Fische auf die Exposition gegenüber der zu untersuchenden Testsubstanz ermittelt.[26]

 

Die biologisch schnell abbaubaren Schmierstoffe gliedern sich grundsätzlich in drei Stoffklassen:[27]

 

1. natürliche Ester (z.B. Rapsöl, Sonnenblumenöl, Sojaöl, Rizinusöl)

2. Synthetische Ester (z.B. Dicarbonsäureester, aromatische Ester, Polyolester, Komplexester) auf Pflanzenöl- oder Mineralölbasis

3. Polyalkylenglykole (z.B. Polyethylenglykole, PEG 600) auf Mineralölbasis

 

Alle Formen von Ester, sowohl natürliche wie auch synthetische, sind Verbindungen aus Alkoholen und Carbonsäuren. Unter Wasserzutritt können sie bei erhöhten Temperaturen durch die sogenannte Ester-Hydrolyse wieder in ihre Ausgangskomponenten zerfallen.

 

Um die natürlichen Ester zu gewinnen, werden die Öle aus den entsprechenden Ölpflanzen (Sonnenblumen, Rizinus, Raps) ausgepreßt oder anderweitig extrahiert. Diese Öle werden einer mehr oder weniger aufwendigen Raffination unterzogen, bei der sie von Wasser, Schmutz, Wachsen und weiteren Begleitstoffen, wie zum Beispiel freien Fettsäuren, Phosphor- und Schwefelverbindungen, befreit werden.

 

Rohstoffe für synthetische Ester stammen in der Regel aus der Petrochemie, aber auch Fettsäuren aus natürlichen Ölen und Fetten können eingesetzt werden.

 

Polyalkylenglykole entstammen ebenfalls der Petrochemie; Ausgangsstoffe sind im wesentlichen Ethylenoxid, Propylenoxid und Butylenoxyd.

 

Besonders umweltverträglichen Produkten im Vergleich zu herkömmlichen Erzeugnissen wird das Umweltzeichen („Blauer Engel“) verliehen. Diese Auszeichnung erhielten bisher folgende Produktgruppen:[28]

 

Biologisch schnell abbaubare Kettenschmierstoffe, zur Zeit 78 Produkte von 5 Firmen

 

Biologisch schnell abbaubare Schmierstoffe und Schalöle, zur Zeit der Erhebung 54 Produkte von 16 Firmen

 

Biologisch schnell abbaubare Hydraulikflüssigkeiten, zur Zeit 60 Produkte von 26 Firmen

 

Um das Umweltzeichen durch das Umweltbundesamt verliehen zu bekommen, müssen die Produkte bestimmte Auflagen erfüllen. So dürfen keine sehr giftigen, giftigen, krebserzeugenden, erbgutverändernden, fortpflanzungsgefährdenden bzw. umweltgefährlichen Stoffe enthalten sein sowie keine Substanzen, die als „stark wassergefährdend“ zu klassifizieren sind. Darüber hinaus muß die biologische Abbaubarkeit der Grundsubstanz >80% betragen.[29]

 

Verwendungsstatistiken, wie sie für normale Schmierstoffe erstellt wurden, existieren bislang für biologisch schnell abbaubare Schmierstoffe und Hydrauliköle nicht. Nach Angaben des Bundesverbandes mittelständischer Mineralölunternehmen e.V. wird der Verbrauch an dementsprechenden Stoffen auf ca. 40.000 t/a geschätzt, wovon ca. 10.000 bis 15.000 t/a den Hydraulikölen zuzurechnen sind und 25.000 bis 30.000 t/a auf Verlustschmierstoffe sowie Öle und Fette der Metallverarbeitung entfallen. Das entspricht einem Anteil von 25% bis 30% am Gesamtaufkommen der Verlustschmierstoffe, welcher durch biologisch schnell abbaubare Produkte substituiert wurde. Eine Spitzenposition nehmen dabei Sägekettenöle ein, welche nach UBA-Schätzungen bereits zu 80% aus schnell abbaubaren Medien bestehen. Einen Großteil im Absatz der biologisch schnell abbaubaren Hydraulikflüssigkeiten macht mit über 75% die Gruppe der synthetischen Ester aus. Ein kleiner Teil (ca. 2.500 t/a) gehört zur Gruppe der nativen Pflanzenöle und der weitaus kleinste Teil zählt zur Gruppe der Polyglykole. Prognosen zeigen einen Anstieg des Anteils synthetischer Ester im Bereich der Hydrauliköle von derzeit 5% auf 13% im Jahre 2002.[30]

 

1.5         Schadensfälle und Umweltverhalten der Mineralölkohlenwasserstoffe

 

Ökosysteme können in beschränktem Maße auf äußere Einflüsse reagieren. So werden Stoffeinträge gepuffert und gespeichert oder können in bestimmten Fällen unschädlich aus dem System ausgetragen werden. Wenn die Einträge jedoch ein bestimmtes, von der Regenerations- und Aufnahmefähigkeit der einzelnen Ökosystemkomponenten abhängiges Maß übersteigen, dann versagen diese Mechanismen. Es kommt zu einer Anreicherung der eingetragenen Substanzen (besonders bei Schwermetallen oder Stickstoff) bzw. einer nachhaltigen Beeinträchtigung (z.B. Versauerung des Bodens, Eutrophie von Gewässern oder Wachstumsminderungen in der Landwirtschaft) und damit verbunden zu einer Schädigung von Organismen.[31]

 

In diesem Abschnitt soll nun auf die Auswirkungen eingegangen werden, die durch eine Einbringung von Mineralölprodukten in die Umwelt zu erwarten sind oder auch nachgewiesen wurden. Dazu werden anfangs die Eintragspfade und Unfallursachen näher spezifiziert und die wichtigsten verwendeten Begriffe definiert. Anschließend wird ein Überblick gegeben, wie die anteilsmäßige Verteilung der gemeldeten ausgelaufenen Volumina auf einzelne Umweltbereiche ist. Es erfolgt weiterhin eine Betrachtung der Umwelteigenschaften von Mineralöl und daran anschließend wird speziell auf Wirkungen und Ausbreitung in Boden und Gewässern eingegangen, nachdem auch hier die einzelnen Umweltmedien definiert wurden. Ein besonderes Augenmerk gilt dabei den Gefahren für die Trinkwassergewinnung und für Wasserschutzgebiete als besonders gefährdeten Bereichen sowie der Land- und Forstwirtschaft.

 

1.5.1        Allgemeine Definitionen der Schadensfälle

 

Mineralöle können auf verschiedenen Wegen in die Umwelt gelangen und dort Schäden verursachen. Einerseits geschieht dies durch Unfälle bei Transport und Umgang mit diesen Stoffen. Andererseits gibt es Eintragspfade beim bestimmungsgemäßen Gebrauch, also der Nutzung, durch Leckagen, Tropfverluste oder Vernebelung/Verdunstung/Verdampfung. Der Eintrag kann dabei punktuell, also auf einen fest eingrenzbaren Bereich beschränkt (Autoschrottplatz, Unfälle) oder diffus (Verbrennung von Motoröl) geschehen. Dabei werden im ersten Fall die Stoffe in ihrer ursprünglichen Form (z.B. als Motoröl, Dieselkraftstoff) direkt eingetragen, zum Beispiel in den Boden, während im zweiten Fall eine Verbrennung erfolgt und dabei Emissionen erzeugt werden.[32]

 

Im folgenden sollen kurz einige Begriffe definiert und geklärt werden, welche in dieser Arbeit wiederholt verwendet werden.

 

Als Eintrag oder Einbringung von Mineralölen in die Umwelt gelten alle Vorgänge, bei denen Mineralöl oder Mineralölanteile in die Umwelt gelangen. Nicht beachtet werden sollen dabei in dieser Arbeit die diffusen Einträge von Abgasen oder anderen Verbrennungsprodukten wie zum Beispiel Kohlendioxid (CO2), Schwefeldioxid (SO2) oder Stickoxide (NOX), da dies bereits in einer anderen Arbeit geschehen ist[33].

 

Als Unfall in Zusammenhang mit wassergefährdenden Stoffen, zu denen Mineralöle und Produkte mit Mineralölbestandteilen zählen, gilt „das bestimmungswidrige Austreten einer im Hinblick auf den Schutz der Gewässer nicht unerheblichen Menge wassergefährdender Stoffe aus Anlagen zum Umgang mit wassergefährdenden Stoffen bzw. bei deren Beförderung. Der Begriff der nicht unerheblichen Menge ist nicht genau definiert. Die Fachkompetenz für das Erkennen eines unerheblichen Unfalls und somit die Handhabung einer stoffartbedingten Bagatellgrenze obliegt den zuständigen Dienststellen.“[34]

 

Als wassergefährdende Stoffe gelten „feste, flüssige und gasförmige Stoffe (einschließlich Zubereitungen), die geeignet sind, nachhaltig die physikalische, chemische oder biologische Beschaffenheit des Wassers nachteilig zu verändern.“[35]

 

Umgang mit wassergefährdenden Stoffen bezeichnet das „Lagern, Abfüllen und Umschlagen (LAU-Anlagen), das Herstellen, Behandeln und Verwenden (HBV-Anlagen), sowie das innerbetriebliche Befördern wassergefährdender Stoffe.“[36]

 

Anlagen sind „selbständige und ortsfeste oder ortsfest benutzte Funktionseinheiten mit allen dazugehörigen Komponenten (Behälter, Sicherheitseinrichtungen, Auffangwannen und Rohrleitungen). Betrieblich verbundene Funktionseinheiten, die auch nur eine dieser Einrichtungen gemeinsam haben, bilden eine Anlage.“[37]

 

Beförderung wassergefährdender Stoffe bezeichnet „den Vorgang der Ortsveränderung einschließlich zeitweiliger Aufenthalte (Zwischenlagerung). Nicht zur Beförderung sondern zum Umgang zählen die Übernahme und Ablieferung, Ver- und Auspacken, sowie Be- und Entladen.“[38]

 

Freigesetztes Volumen ist die „Menge des durch einen Unfall freigesetzten wassergefährdenden Stoffes ohne etwaige Beimengungen wie z.B. Löschwasser.“[39]

 

Wiedergewonnenes Volumen steht einer „anschließenden Nutzung oder Verwendung weiterhin zur Verfügung oder wird einer geordneten Entsorgung zugeführt.“[40] Die verbleibenden Restmengen vom freigesetzten Volumen sind als nicht wiedergewonnenes Volumen aufgelistet.

 

Als bedeutendste Eintragspfade sind folgende Wege zu nennen, auf welchen MKWs in die Umwelt gelangen können:[41]

 

Auftrag und Versickerung in den Boden (z.B. Schmierfette, Tropfverluste von Schmier- und Hydraulikölen, Verlustschmierstoffe, Kraftstoffe): Tropfverluste von Ölen aus Fahrzeugen (Motorenöl) und Maschinen (Schmieröle, Hydrauliköle) gelangen auf Wege, Straßen und Parkplätze und verbleiben dort an der Oberfläche, bis sie vom Regenwasser abgewaschen werden und je nach Beschaffenheit der Umgebung entweder in Abwasseranlagen oder auf benachbarte Bodenflächen gelangen oder photochemisch abgebaut werden. Im Falle von nicht befestigten Straßen (Landwirtschaft, Forstwirtschaft) oder nicht versiegelten Böden gelangen sie direkt ohne vorherige Auswaschung in den Boden oder auf Pflanzen.

 

Verdunstung, Verdampfung oder Vernebelung (z.B. Schneidöle, Härteöle, Metallbearbeitungsöle): Diese Emissionen treten vorwiegend im Bereich der industriellen Metallbearbeitung auf und dort innerhalb von abgeschlossenen Hallen. Ursache dafür sind zum einen die mechanische Zerstäubung beim Aufprall der Kühlschmierstoffe auf Werkstücke oder Werkzeuge, zum anderen (und größeren Teil) sind sie thermisch bedingt. Bei der Zerspanung (Bohrvorgänge, Schneidprozeduren) trägt die hohe Temperatur an der Schneide der Werkzeuge zu einer teilweisen Verdampfung der Öle bei. Ähnliches ist beim Härten mit Hilfe von Ölen zu bemerken. Während es für die Abscheidung (Trennung und anschließende Sammlung des Ölanteils aus der Umluft) von Ölnebeln bereits gut funktionierende Systeme gibt, ist die Abscheidung von Öldämpfen nur mit sehr hohem technischem und finanziellem Aufwand möglich. Somit wird der Öldampfanteil in Industriebetrieben zu mehr als 90% nach außen emittiert.

 

Verbleib in Produkten (z.B. Weichmacher, Weißöle): In Produkten verbleibende Mineralölanteile gelangen zum Teil durch deren Verwendung (u.a. Synthesekautschuk, Arzneimittel, Kosmetika, chemisch-technische Produkte) in das Abwasser und von dort in Kläranlagen.

 

Verbleib im oder am Material (z.B. Schmierfette, Schal- und Trennöle): Geringe Mengen der Schmierstoffe, die an Materialien haften bleiben, können durch Reinigungsprozesse mit Waschwasser vermischt mit dem Ablaufwasser in Kläranlagen eingebracht werden, soweit eine solche Reinigung in dafür ausgelegten Bauten stattfindet.

 

Verbleib in Maschinen oder am Material (z.B. Motoröle, spezifische und unspezifische Schmieröle, Hydrauliköle, Metallbearbeitungsflüssigkeiten, Elektroisolierflüssigkeiten, Korrosionsschutzöle): Die durch Verbleib in Maschinen oder am Material der Altölerfassung nicht zugeführten Schmierstoffe werden mit teils großer räumlicher und zeitlicher Verzögerung in die Umwelt eingetragen oder verbleiben in der Technosphäre. Metallbearbeitungsöle oder Korrosionsschutzmittel zum Beispiel haften auf den Oberflächen und werden dort bereits während der Gebrauchszeit und noch vor der Entsorgung witterungsbedingt abgetragen und verteilen sich diffus in der Umwelt oder werden durch Sonneneinstrahlung zerstört (photochemischer Abbau).

 

Leckagen beim Umfüllen oder Befüllen: Durch unsachgemäße Handhabung werden häufig beim Nachfüllen von Ölen in Fahrzeuge und Maschinen geringe Mengen verschüttet. Solange das Befüllen oder Umfüllen auf versiegelten Flächen (Tankstellen, Werkstätten, Betriebe) erfolgt, ist eine geregelte Entsorgung der Leckageöle zumindest möglich.

 

Sonstige Leckagen: Dazu zählen Ölverluste, die meist durch geplatzte Schläuche oder defekte Dichtungen auftreten und dann unkontrolliert in die Umwelt gelangen. Der Teil, welcher auf versiegelte Flächen gelangt, kommt von da aus teilweise in die Abwasserkanalisation. Ein weiterer Teil wird über Bindemittel, Putzlappen usw. aufgenommen und einer geregelten Entsorgung zugeführt. Umweltrelevant ist der Teil, welcher direkt ins Erdreich oder in Gewässer gelangt und damit auch ins Grundwasser eintreten kann.

 

Diese unterschiedlichen Ursachen führten zu Einträgen in die verschiedenen Umweltmedien mit folgender Aufteilung:

 

Abbildung 2: Anzahl der Unfälle nach Eintragsgebieten 1997

 

 

Quelle: Statistisches Bundesamt (1999), S. 14, eigene Bearbeitung

 

Diese Grafik zeigt, daß der Großteil der dem Statistischen Bundesamt gemeldeten Unfälle einen Mineralöleintrag in den Boden zur Folge hatte (ca. 71,4%), daran anschließend in Oberflächengewässer (ca. 25,6%) und in ein Kanalnetz bzw. eine Kläranlage (ca. 19,6%). In etwa 8% der Fälle wurden sonstige nicht näher bezeichnete Unfallfolgen verursacht und in geringem Maß wirkten sich die Unfälle auf das Grundwasser oder eine Wasserversorgung aus oder führten zu einem Brand oder einer Explosion.

 

Um die Auswirkungen dieser Vorfälle zu erläutern, sollte übersichtshalber vorab definiert werden, wann eine Umweltgefährlichkeit durch eingebrachte Stoffe besteht. Im Chemikaliengesetz (ChemG) wird in §3a Abs. 2 definiert, wann eine Umweltgefährlichkeit besteht: „Umweltgefährlich sind solche Stoffe oder Zubereitungen, die selbst oder deren Umwandlungsprodukte geeignet sind, die Beschaffenheit des Naturhaushaltes von Wasser, Boden oder Luft, Klima, Tieren, Pflanzen oder Mikroorganismen derart zu verändern, daß dadurch sofort oder später Gefahren für die Umwelt herbeigeführt werden können.“[42]

 

Das Umweltverhalten der Mineralölprodukte ergibt sich aus ihren chemischen und physikalischen Eigenschaften. Mineralöle sind nicht wassermischbar und im allgemeinen meist wesentlich leichter als Wasser, was den Bereich der Ausbreitung bestimmt. Diese findet auf der Wasseroberfläche statt bzw. im Bereich zwischen wasserungesättigter und wassergesättigter Zone im Boden. Weiterhin verdampfen besonders die leicht siedenden Mineralölprodukte, wie z.B. Vergaserkraftstoffe, im Untergrund oder an der Oberfläche relativ rasch. In solchen Fällen breitet sich der verdampfte Anteil als Gasphase in der ungesättigten Zone aus. Damit erfolgt durch Diffusion eine allmähliche Vermischung mit der Bodenluft (nach Eintritt in den Boden) und ein Übertritt in die Atmosphäre.[43] Die Kohlenwasserstoffgase sind jedoch schwerer als die Bodenluft, so daß sie sich vorwiegend in der unteren Zone des ungesättigten Bereiches (im Boden) ausbreiten bzw. in Nähe des Bodens bei überirdischem Auftreten.

 

Mineralöle sind bereits in geringsten Mengen und Mischungsverhältnissen von 1:100.000 bis 1:1.000.000 geschmacklich feststellbar und störend (organoplektische Erkennung). Des weiteren enthalten Mineralölprodukte kancerogene (krebserregende) Stoffe. Auch kann Mineralöl in Form einer Ölallergie zu gesundheitlichen Schädigungen führen, welche jedoch, wenn überhaupt, erst nach Jahren kontinuierlicher Einwirkung auftreten.

 

Mineralöl als organische Substanz ist grundsätzlich mikrobiell aerob abbaubar. Grundvoraussetzung hierfür ist das Vorhandensein von Sauerstoff oder eines anderen Oxidationsmittels. In gelöster Form erfolgt der Abbau relativ schnell, jedoch ist bei aerobem Abbau die 3,3-fache Menge an Sauerstoff erforderlich.[44] So sind also für eine Menge von 1 Tonne Öl 3,3 Tonnen Sauerstoff nötig, um einen vollständigen mikrobiellen Abbau zu gewährleisten.

 

1.5.2        Boden

 

Boden im herkömmlichen Sinne stellt einen konkurrierenden Lebensraum für Mensch, Tier und Pflanze dar. Er ist Basis für Ackerbau, Forstwirtschaft und Tierzucht. Boden fungiert als Wasserspeicher und nimmt über die Flächennutzung und die Art des Bewuchses Einfluß auf das lokale Klima. Er dient der Speicherung und chemisch-biologischen Umwandlung von Stoffeinträgen. Dabei werden auch Schadstoffe abgebaut und unschädlich im Boden deponiert. Damit erfüllt er eine eigene Regelungsfunktion. Er ist aber auch prägendes Element für die Landschaft und Lagerstätte für Rohstoffe.[45]

 

Der Begriff Boden im spezifischen Sinne wird in verschiedenen Bereichen unterschiedlich definiert. Im Bauwesen und der Bodenmechanik werden Lockergesteine im weiteren Sinne als Boden bezeichnet und entsprechend ihrer Korngrößenbereiche, plastischen Eigenschaften und organischen Bestandteilen in Bodengruppen (nach DIN 18 196) und Bodenarten untergliedert. In der Bodenkunde, Geologie sowie Land- und Forstwirtschaft wird der Bodenbegriff nur auf die oberste, stark belebte und mehr oder weniger humose Verwitterungsschicht der Gesteine angewendet. Die Mächtigkeit dieser Böden liegt in Mitteleuropa allgemein zwischen 0,2 und 1,5 m.

 

Die Ursachen ölverunreinigter Böden sind z.B. [46]

 

Unfälle im Straßenverkehr

 

Leckagen bei der Handhabung und Lagerung von Ölen (Befüllen, Umfüllen von Tankzügen, Fahrzeugen, Behältern, Gebinden, Vorratstanks, Undichtigkeiten in Lagertanks, an Tankstellen u.ä.)

 

 Ausfälle wesentlicher Steuer- und Regeleinrichtungen

 

Bedienfehler in Anlagen

 

Unfälle bei innerbetrieblichem Transport

 

Hochwasser, Blitzschlag, Erdbeben, Ausfälle der öffentlichen Energieversorgung, von außen einwirkende Brände und Explosionen

 

Eingriffe Unbefugter

 

Auswaschungen von Tropfverlusten und kleineren Leckagen auf Straßen

 

Verbleib größerer Mengen an Hydraulikölen im Bergbau unter Tage (eine Umweltrelevanz dieser Mengen kann sich erst nach Freisetzung innerhalb sehr langer Zeiträume ergeben)[47]

 

Besonders zu dem Bereich der Eintragspfade durch den Straßenverkehr ist eine detaillierte Studie erstellt worden (Ascherl, Floss (1995)). Dabei sind folgende Ergebnisse zu nennen:[48]

 

Alle angestellten Untersuchungen haben eine Abnahme der Schadstoffkonzentration in Straßenböden mit zunehmendem Abstand von der Straße und zunehmender Tiefe ergeben. Anhand der vorherrschenden Transportmechanismen kann in drei Belastungsbereiche unterteilt werden:

 

Bereich 1: Abstand zum Fahrbahnrand 0 – 2 m:

 

Der Bereich 1 ist der durch Spritzwasser und Fahrbahnabfluß am stärksten belastete Bereich.

 

Bereich 2: Abstand zum Fahrbahnrand 2 – 10 m:

 

In diesem Bereich versickert vorwiegend das Spritzwasser und bei großem Wasseranfall (starker Regen) auch zeitweise der Fahrbahnabfluß. Die Schadstoffkonzentrationen nehmen mit zunehmendem Fahrbahnabstand deutlich ab.

 

Bereich 3: Abstand zum Fahrbahnrand 10 – 60...100 m

 

Im Bereich 3 werden vom Wind verfrachtete Staubpartikel (für diese Arbeit weitestgehend irrelevant) und bei Niederschlag der entstehende Sprühnebel abgelagert. Die Ausdehnung dieses Bereiches ist abhängig von Windrichtung und –stärke, Topografie und Lage der Straße (Damm oder Einschnitt). Durch die nur noch sehr geringe Schadstoffkonzentration können straßenspezifische Stoffe teilweise nicht mehr von Emissionen der Industrie oder geogenen Gehalten bestimmter Stoffe in Böden abgegrenzt werden.

 

Speziell für Mineralölkohlenwasserstoffe gilt folgende Feststellung: Die Gehalte im Boden nahmen von 0 bis 2,5 m Entfernung sehr stark auf etwa 30% der Ausgangskonzentration ab und fielen dann weniger stark auf durchschnittlich 10% der Ausgangskonzentration in 100 m Entfernung. Diese Werte entsprechen natürlich nicht nur der Konzentration dieser Stoffe in umliegenden nicht versiegelten Böden, sondern auch in entsprechend naheliegenden Gewässern.

 

Folgende physikalischen Eigenschaften der Mineralölkohlenwasserstoffe sind wichtig im Hinblick auf das Verhalten von Öl im Boden und auch in Gewässern:[49]

 

Dichte: nahezu alle Mineralölprodukte besitzen bei 15°C eine Dichte <1 g/ml, weshalb sie sich auch auf der Oberfläche von Wasserschichten oder Gewässern halten.

 

Viskosität: Die Viskosität ist das Maß für den Fließwiderstand eines Stoffes. Sie ist temperatur- und druckabhängig.

 

Wasserlöslichkeit: Mineralöle sind im allgemeinen nicht mit Wasser mischbar, wenn auch mitunter schwer auftrennbare Emulsionen entstehen. In begrenztem Umfang sind jedoch beide Stoffe oder Stoffanteile ineinander löslich. Die Wasserlöslichkeit ist ebenfalls abhängig von Temperatur und Druck, zusätzlich aber noch von der Art und Molekülgröße der beteiligten Kohlenwasserstoffe. Leichte Kohlenwasserstoffe mit geringem Molvolumen (z.B. Benzine: Löslichkeiten zwischen 100 und 250 mg/l) sind grundsätzlich leichter wasserlöslich als schwere (z.B. Heizöl EL: Löslichkeit zwischen 5 und 20 mg/l – Angaben beziehen sich auf destilliertes Wasser; in natürlichen Wässern ist die Löslichkeit um den Faktor 4 bis 5 erhöht aufgrund der enthaltenen Salze).

 

Stockpunkt: der Stockpunkt gibt die Temperatur an, bei welcher das Mineralölprodukt als Ganzes bei gegebenen Bedingungen (Druck usw.) nicht mehr fließt (z.B. Benzin: -40°C; Heizöl EL: zwischen 0 und –20°C).

 

Flammpunkt: Hiermit wird die Temperatur angegeben, bei der eine Zündflamme das über dem Mineralölprodukt befindliche Luft-Gas-Gemisch entflammt, jedoch nicht weiterbrennt. Dieser Wert dient der Einteilung der einzelnen Produkte in Gefahrenklassen für die Sanierung und Behandlung von Mineralölunfällen. (z.B. Vergaserkraftstoff: Flammpunkt unter –20°C, Gefahrenklasse A I; Heizöl EL: Flammpunkt >55°C, Gefahrenklasse A III)

 

Der Ablauf einer Bodenkontamination mit Mineralölkohlenwasserstoffen kann grob in zwei Klassen unterteilt werden, je nachdem, inwieweit das Grundwasser davon betroffen ist.[50] Im ersten Fall erschöpft sich eine kleinere Ölmenge durch den Aufbau einer Restölsättigung (d.h. es liegt kein fließfähiges Öl mehr vor) noch vor Erreichen des Grundwassers. Im zweiten Fall, meist dem Austreten einer größeren Menge, erreicht trotz Aufbaus einer Restölsättigung fließendes Öl das Grundwasser und es kommt zu einer dortigen Kontamination. Allerdings ist auch im ersten Fall eine Gefährdung des Grundwassers gegeben, zum Beispiel durch Auswaschungen wasserlöslicher Ölbestandteile und damit auftretende Versickerung. Dementsprechend kann der vom Öl beeinflußte Bereich in zwei Zonen unterteilt werden:

 

die Ölzone, in welcher das Öl in flüssiger Phase vorhanden ist

 

bei höherer Sättigung als der Restölsättigung in fließfähiger Form (funicular)

 

bei niedrigerer Sättigung als nicht fließfähiges Öl (residual)

 

die Zone, in der gelöste Bestandteile durch Sicker- oder Grundwasser weiter transportiert werden

 

Hinzu kommt, daß ein Teil der Öle, wie bereits erwähnt, verdunsten kann und so leicht flüchtige Kohlenwasserstoffe als Gas hinzukommen. Trotz der höheren Dichte als Luft können diese Gase auch nach dem Eintritt in Gesteinsschichten durch Diffusion entgegen der Schwerkraft an die Erdoberfläche gelangen und dort durch mikrobielle oder photochemische Prozesse abgebaut werden. Dieser mikrobielle Abbau von Kohlenwasserstoffen im Boden läuft wie folgt ab:

 

Nach dem Eintritt der Kohlenwasserstoffe in den Boden entsteht zunächst eine Verschiebung des mikrobiellen Gleichgewichtes. Zuerst sterben eine Reihe vorhandener Lebewesen ab. Darauf folgt eine Vermehrung anderer, vorhandener Bakterien und Pilze, je nach Chemismus und Menge der eingetragenen Kohlenwasserstoffe.

 

Diese Arten von Kleinstlebewesen sind in der Lage, Mineralölkohlenwasserstoffe für eine mikrobielle Oxidation als Reduktionsmittel zu benutzen. Die Stoffe werden dann unter Abgabe von CO2 und Wasser in mehreren Stufen zu energieärmeren Stoffwechselprodukten verarbeitet. Entsprechende Bakterien und Pilze sind bereits im natürlichen Milieu vorhanden und es ist daher nur in bestimmten Fällen erforderlich, vorgefertigte Mikroorganismenkulturen einzubringen.

 

Die Ölphase wird im Boden relativ langsam abgebaut. Bis zu einem vollständigen mikrobiellen Abbau auf natürlichem Wege sind Zeiträume von mehreren Monaten bis Jahren erforderlich. Wichtige Voraussetzung ist eine genügende Belüftung, um ausreichend Sauerstoff als Oxidationsmittel zur Verfügung zu stellen.[51] Eine derartige Belüftung zu Sanierungszwecken kann in den oberen Bodenschichten zum Beispiel durch Umpflügen dieser Schichten erreicht werden. Die Umwandlungsrate derartiger Kohlenwasserstoffe an der Bodenoberfläche beträgt etwa 1 mg/kg Boden und Tag. In größeren Tiefen ist der mikrobielle Abbau wegen der mangelnden Sauerstoffzufuhr deutlich geringer.[52]

 

1.5.3        Wasser

 

Oberflächengewässer bilden den Lebensraum für zahlreiche Tiere und Pflanzen. Wasser allgemein (zuzüglich des Grundwassers) dient der Trinkwasserversorgung, ist Transportmedium, wird als Kühlmittel in der Energiewirtschaft und zur Bewässerung in der Landwirtschaft benötigt. Gewässer werden in vielfältiger Art und Weise für Erholungs- und Freizeitzwecke genutzt. Außerdem besitzen sie wichtige Regelungsfunktionen wie die Grundwassererneuerung und das Selbstreinigungs-vermögen.[53]

 

Mineralöle sind ein Gemisch verschiedener Komponenten, die in geringem, doch sehr unterschiedlichem Maße wasserlöslich sind. Die gelösten Bestandteile diffundieren z.B. bei Niederschlag oder Überschwemmungen in das Sickerwasser oder Grundwasser hinein. Das mit Ölbestandteilen kontaminierte Wasser vermischt sich dann fallweise mit dem nicht verschmutzten Grundwasser als Folge der „hydrodynamischen Dispersion“ und es erfolgt eine allmähliche Verdünnung und Ausbreitung der gelösten Ölbestandteile in Fließrichtung und quer dazu.[54]

 

Das Gefahrenpotential der wassergefährdenden Stoffe für Gewässer wird mit Hilfe der sogenannten Wassergefährdungsklassen (WGK) definiert. Die Einstufung erfolgt anhand folgender Stoffeigenschaften:[55]

 

akute Toxizität gegenüber Säugetieren, Bakterien und Fischen

 

Abbauverhalten

 

Algen- und Daphnientoxizität

 

Langzeitwirkungen

 

Verteilungsverhalten (Migrationsverhalten)

 

In der alten Fassung der Verwaltungsvorschriften für wassergefährdende Stoffe (VwVwS) wurden die Produkte in 4 Klassen eingeteilt:

 

WGK 0: im allgemeinen nicht wassergefährdend

 

WGK 1: schwach wassergefährdend

 

WGK 2: wassergefährdend

 

WGK 3: stark wassergefährdend

 

In der neuen VwVwS, die am 01.06.1999 in Kraft getreten ist, wurde ein neues System zur Einschätzung der Wassergefährdung eingeführt. Dabei entfällt die bisherige Einteilung in 4 Klassen und wird ersetzt durch eine dreistufige Regelung. Die alte Wassergefährdungsklasse 0 gibt es zukünftig nicht mehr. Dafür werden Stoffe und Gemische, die bestimmte Bedingungen erfüllen, durch die VwVwS selbst als nicht wassergefährdend bestimmt. Besonders durch die Hersteller biologisch schnell abbaubarer Schmierstoffe und Hydraulikflüssigkeiten wurde der Wegfall der WGK 0 negativ bewertet, da die derzeit am Markt befindlichen biologisch schnell abbaubaren Stoffe ganz überwiegend in der WKG 0 (im allgemeinen nicht wassergefährdend) oder WGK 1 (schwach wassergefährdend) eingestuft wurden.[56]

 

Bei den Mineralölprodukten liegen die Wassergefährdungsklassen vorrangig im Bereich WGK 2 und darauf folgend WGK 3, also „wassergefährdend“ oder sogar „stark wassergefährdend“. 1997 wurden Mineralöle nach der Erhebung des statistischen Bundeslandes mit folgender Verteilung der Wassergefährdungsklassen freigesetzt und zum Teil nicht wiedergewonnen:

 

Abbildung 3: Anteil einzelner WGK an der Anzahl der Unfälle 1997

 

Quelle: Statistisches Bundesamt (1999), S. 7, eigene Bearbeitung

 

 

Auffällig bei dieser Statistik ist, daß es eine bedeutende Häufung bei Störfällen von Produkten mit der Wassergefährdungsklasse 2 gibt (80%) und mit Abstand daran anschließend mit der WGK 3 (11%). Dem gegenüber steht eine andere Aufteilung die Volumina betreffend:

 

Abbildung 4: Freigesetztes und nicht wiedergewonnenes Volumen von Mineralölen 1997 nach WGK

 

 

Quelle: Statistisches Bundesamt (1999), S. 7, eigene Bearbeitung

 

Dabei ergeben die Mineralölprodukte mit WGK 2 einen Anteil von 52% und die Stoffe der WGK 3 einen Anteil von 39%. Das bedeutet, daß im Durchschnitt deutlich geringere Mengen bei Unfällen mit Stoffen der WGK 2 ausgetreten sind (0,6 m3 je Unfall) als bei Vorfällen mit Stoffen der WGK 3 (3,1 m3 je Unfall). Noch gravierender ist der Unterschied beim Anteil der nicht wiedergewonnenen Volumina. Dieser Teil liegt mit 60% des ausgelaufenen Volumens und insgesamt 509,0 m3 der Stoffe mit WGK 3 deutlich höher als die 40% des ausgelaufenen Volumens der Produkte mit WGK 2 und übersteigt sogar deren Gesamtmenge von 443,6 m3.[57] Eine Begründung dafür ist nicht ersichtlich. Es ist aber auch darauf hinzuweisen, daß diese Mengen lediglich die meldepflichtigen Vorfälle erfassen. Für die Schmierstoffbilanz wird eine solche Unterscheidung nicht gemacht.

 

Verunreinigungen durch Mineralölkohlenwasserstoffe sind nicht nur durch direkten Eintrag in Gewässer schädlich, sondern bereits an der Geländeoberfläche für Wasser gefährlich. Ölbestandteile können durch Regen usw. herausgelöst werden und somit ins Oberflächen-, Sicker- und Grundwasser gelangen. Die danach noch verbleibende Restölsättigung nach Auswaschung der löslichen Bestandteile ist für das Grundwasser mehr oder weniger unschädlich, sofern keine besonderen Anforderungen für eine zukünftige Verwendung von Fläche und Untergrund gestellt werden, wie zum Beispiel für die Trinkwassergewinnung.

 

Der Abbau des Mineralöls in Gewässern funktioniert auf ähnliche Art wie im Boden. Am schnellsten werden dabei die im Wasser gelösten Bestandteile abgebaut. Weiterhin wird ein Ölfilm auf Oberflächengewässern ohne Schwierigkeiten abgebaut, wohingegen der Abbau einer dickeren Ölschicht nur langsam vonstatten geht, weil die abbauenden Mikroorganismen nur an der Öloberfläche mit direktem Luft- oder Sauerstoffkontakt angreifen können. Dabei trägt ein Fließen des Wassers und auch Wind zu einer Verdünnung und Verteilung sowie teilweisen Verdunstung bei, was den Abbau beschleunigt. Gelangt Öl auf Oberflächengewässern ans Ufer, so wird es dort teilweise vom Boden und Pflanzen absorbiert. Durch den Eintritt von Staub kann die Ölschicht aber auch so beschwert werden, daß sie zu Boden des Gewässers sinkt. Dort kann der erhöhte Sauerstoffverbrauch zu anaeroben Verhältnissen und einem damit verbundenen Gewässersterben führen bzw. kann ein Sauerstoffmangel den weiteren Abbau verhindern, da die kohlenwasserstoffverarbeitenden Bakterien auf das Vorhandensein von Sauerstoff angewiesen sind. Gelangt Öl in ein Fließgewässer, so findet es sich noch Monate später an den Ufern und im Sediment.[58]

 

1.5.4        Land- und Forstwirtschaft

 

Der wichtigste Gesichtspunkt für die land- und forstwirtschaftliche Nutzung von Boden im Bezug auf Schadensfälle mit Mineralölaustritt ist die Schädigung der Vegetation und des belebten Bodens.

 

Stoffeinträge können dabei einerseits als direkte Folge hoher Konzentration schädliche Veränderungen an diesen Ökosystemkomponenten (Pflanzen und Tiere) verursachen (Critical Level) oder andererseits durch langfristige Depositionsraten (Critical Loads), welche das Selbstreinigungsvermögen dieser Umweltkomponenten überschreiten und somit chronisch wirken. Diese kritischen Anreicherungen sind die Eintragsraten eines Stoffes, unterhalb derer nach derzeitigem Kenntnisstand keine erheblichen, schädlichen Wirkungen für Ökosysteme zu erwarten sind. Die jeweilige Höhe der tolerierbaren Einträge richtet sich nach den speziellen Eigenschaften des betrachteten Ökosystems. [59]

 

Als Beispiel für die Auswirkungen eines Öleintrages sollen die Ereignisse in Folge des Bruches der Nordwestölleitung am 19. August 1961 bei Harrenstätte/Emsland angeführt werden. Bei dieser Havarie flossen etwa 1.500 t Rohöl aus und belasteten ca. 10 ha Acker- und Wiesengelände.[60]

Ende der Leseprobe aus 102 Seiten

Details

Titel
Bewertung von Mineralöleinträgen in die Umwelt im Hinblick auf die Substituierbarkeit durch biologisch schnell abbaubare Kraft- und Schmierstoffe
Hochschule
Fachhochschule Lausitz
Note
1
Autor
Jahr
2000
Seiten
102
Katalognummer
V185537
ISBN (eBook)
9783656981015
ISBN (Buch)
9783867464413
Dateigröße
1219 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
bewertung, mineralöleinträgen, umwelt, hinblick, substituierbarkeit, kraft-, schmierstoffe
Arbeit zitieren
Daniel Weiner (Autor:in), 2000, Bewertung von Mineralöleinträgen in die Umwelt im Hinblick auf die Substituierbarkeit durch biologisch schnell abbaubare Kraft- und Schmierstoffe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185537

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