Ältere Bundesbürger in Privathaushalten und in Einrichtungen der stationären Altenhilfe - Lebenssituation und Heimeintrittsgründe


Magisterarbeit, 1996

109 Seiten, Note: 1


Leseprobe


B. Gliederung

A. Vorbemerkungen

B. Gliederung

C. Tabellenverzeichnis

D. Abbildungsverzeichnis

1. Einleitung
1.1. Entdeckungszusammenhang
1.2. Untersuchungsgegenstand und Fragestellung
1.3. Forschungslogik und Vorgehensweise

2. Einordnung der Fragestellung in die aktuelle Forschung
2.1. Grundlegende Ergebnisse zur Lebenssituation
2.1.1. Soziostrukturelle Merkmale
2.1.2. Gesundheitszustand
2.1.3. Soziale Netzwerke
2.1.4. Wohnsituation
2.2. Grundlegende Ergebnisse zu Heimeintrittsgründen
2.3. Forschungsdefizite
2.4. Zusammenfassung

3. Hypothesen zur Fragestellung
3.1. Hypothesen zur Lebenssituation älterer Menschen
3.2. Hypothesen zu Heimeintrittsgründen
3.3. Zusammenfassung

4. Daten und Methoden
4.1. Konstruktion der Datengrundlage
4.1.1. Die Ursprungsdatensätze
4.1.1.1. Die Auswahl des Datenmaterials
4.1.1.2. Konzeption und Grundgesamtheit des Altenheimsurvey
4.1.1.3. Konzeption und Grundgesamtheit des Sozio-Ökonomischen Panel
4.1.2. Zusammenführung der Ursprungsdatensätze
4.1.2.1. Angleichung des Altenheimsurvey
4.1.2.2. Angleichung des Sozio-Ökonomischen Panel
4.1.2.3. Zusammenführung und Gewichtung
4.2. Anmerkungen zur externen Validität
4.3. Methoden
4.4. Zusammenfassung

5. Eigene Berechnungen
5.1. Ergebnisse zur Lebenssituation
5.1.1. Soziostrukturelle Merkmale 61 5.1.2. Gesundheitszustand
5.1.3. Soziale Netzwerke
5.1.4. Wohnsituation
5.2. Ergebnisse zu den Heimeintrittsgründen
5.2.1. Subjektive Heimeintrittsgründe
5.2.2. Objektive Heimeintrittsgründe
5.3. Zusammenfassung

6. Weiterführende Diskussion der Ergebnisse

7. Schlußfolgerungen und Überlegungen zum Verwertungszusammenhang

E. Anhang

F. Literaturverzeichnis

A. Vorbemerkungen

Diese Arbeit entstand in engem Zusammenhang mit dem Forschungsprojekt ‘ Der Heimeintritt alter Menschen und Chancen seiner Vermeidung’, das derzeit am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg durchgeführt wird und von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Der Antragsteller dieses Projektes ist Herr Prof. Dr. Thomas Klein.

Im Rahmen seiner Tätigkeit als wissenschaftliche Hilfskraft war der Autor innerhalb des Projektteams an Fragebogenkonstruktion, Auswertung des Pretests, Vorbereitung und Durchführung der Haupterhebung sowie schließlich an der Aufbereitung und Auswertung des Altenheimsurvey beteiligt.

Mein besonderer Dank gebührt in diesem Zusammenhang Herrn Prof. Dr. Thomas Klein (Institut für Soziologie, Universität Heidelberg), der mich bei der Konzeption und der Erstellung der vorliegenden Magisterarbeit betreut hat. Insbesondere waren seine Hinweise zu den verschiedenen Aspekten der vorliegenden Thematik und zur Konstruktion des dieser Arbeit zugrundeliegenden Datensatzes sehr hilfreich. Des weiteren machte er mir das Sozio-Ökonomische Panel zur Erstellung eines Vergleichsdatensatzes zugänglich und stellte mir den Altenheimsurvey in weitgehend aufbereiteter Form zur Verfügung.

Außerdem bin ich Herrn Ulrich Schneekloth (Infratest Burke Sozialforschung, München) für die freundliche Überlassung einer Sonderauswertung der Infratest-Heimerhebung 1994 ‘Hilfe- und Pflegebedürftige in Heimen’ zu Dank verpflichtet.

Des weiteren danke ich Herrn Dr. Horst Bickel (Zentralinstitut für seelische Gesundheit, Mannheim) sowie Herrn Dr. Willi Rückert (Kuratorium Deutsche Altershilfe KDA, Köln) für konstruktive Hinweise.

C. Tabellenverzeichnis

Tabelle 1: Heimplätze, Gesamtbevölkerung und Institutionalisierungs- quoten nach Erhebungszeitpunkt

Tabelle 2: Institutionalisierungsquoten in % der über 60jährigen

Gesamtbevölkerung nach Altersgruppen (Stand: Ende 1993)

Tabelle 3: Richtung und Signifikanzniveaus bekannter Einflußfakto- ren auf den Heimeintritt nach Autor. 27 Tabelle 4: Übersicht über hypothetische Zusammenhänge zwischen verschiedenen Variablen und einem Heimeintritt unter univariater Perspektive

Tabelle 5: Ausfälle von Bewohnern nach Ausfallgrund und Gesund- heitszustand

Tabelle 6: Über 60jährige Heim- und Nichtheimbewohner im unge- wichteten Gesamtdatensatz und gemäß amtlicher Daten in % nach Altersgruppen

Tabelle 7: Familienstandsverteilungen der über 60jährigen Gesamt- bevölkerung, Heimbevölkerung und Bevölkerung in Privathaushalten nach eigenen und externen Berechnungen

Tabelle 8: Heimbewohner und alte Menschen in Privathaushalten nach soziodemographischen Merkmalen

Tabelle 9: Entwicklung des Familienstands der Heimbewohner nach Heimeintritt (in %)

Tabelle 10: Frauenanteil in % und Frauenüberschuß in Prozentpunkten unter der über 60jährigen Altenbevölkerung in Privathaus- halten und in Heimen nach Altersgruppen

Tabelle 11: Heimbewohner und alte Menschen in Privathaushalten nach Gesundheitszustand

Tabelle 12: Heimbewohner und alte Menschen in Privathaushalten nach Netzwerkmerkmalen

Tabelle 13: Heimbewohner und alte Menschen in Privathaushalten nach Wohnungseigenschaften

Tabelle 14: Prozentanteil ost- und westdeutscher über 60jähriger Heim- und Nichtheimbewohner ohne bestimmte Wohnungsausstattung

Tabelle 15: Subjektive Gründe des Heimeintritts (in %) insgesamt und nach Geschlecht

Tabelle 16: Übersicht über die logistischen Regressionsmodelle

Tabelle 17: Übersicht über empirische Erhebungen zu über 60jährigen Personen (nach Erhebungsjahr)

Tabelle 18: Umzugsgründe älterer Menschen nach Quelle (chrono- logisch geordnet)

Tabelle 19: Übersicht über jüngere, englischsprachige Literatur zum Thema ‘Heimeintritt’ nach Autor, Zielpopulation, Daten- material und Methode

Tabelle 20: Kategorisierungsschema und Antworten nach dem Grund des Heimeintrittes (insgesamt und nach Geschlecht)

Tabelle 21: Hochrechnungsfaktoren nach Datenquelle, Region, Ge- schlecht und Altersgruppe.

D. Abbildungsverzeichnis

Abbildung 1: Übersicht über die Konstruktion des verwendeten Datensatzes

Abbildung 2: Übereinstimmung der über 60jährigen Heimbewohner in gesundheitsbezogenem Selbst- und Fremdurteil

Abbildung 3: Anteil gesundheitlich stark Beeinträchtigter unter Heim- und Nichtheimbewohnern innerhalb der Altersgruppen

Abbildung 4: Anteil Alleinlebender und Nichtalleinlebender an ver- schiedenen Bevölkerungsgruppen

Abbildung 5: Kontakthäufigkeit mit Nachbarn (%-Anteile getrennt für (spätere) Heimbewohner und Nichtheimbewohner)

Abbildung 6: Zimmerzahl pro Haushaltsmitglied (%-Anteile getrennt für (spätere) Heimbewohner und Nichtheimbewohner)

Abbildung 7: Arbeitsschritte zum Zusammenführen der SOEP-Dateien

1. Einleitung

1.1. Entdeckungszusammenhang

Eine große, wenn nicht die größte politische Herausforderung der nächsten Jahre wird von einer Entwicklung ausgehen, die schlagwortartig als ‘demographische Alterung unserer Gesellschaft’ bezeichnet wird. Gemeint ist damit das Ansteigen des Alterslastquotienten, also das Verhältnis der Bevölkerungsgruppe der über 60jährigen zur Gruppe der 20- bis unter 60jährigen Bundesbürger.

Ende 1994 standen in der Bundesrepublik Deutschland 16,87 Mio. Bundesbürgern über 60 Jahren 47,12 Mio. Bundesbürger im erwerbsfähigen Alter (zwischen 20 und 60 Jahren) gegenüber. Daraus ergibt sich ein Alterslastquotient von ca. 36%. Dieser Wert wird in den nächsten Jahrzehnten kontinuierlich ansteigen. Nach Berechnungen staatlicher Stellen wird sich der Alterslastquotient bis zum Jahre 2030 auf 71% nahezu verdoppeln (BMFuS 1993: 5). Würde zu diesem Zeitpunkt noch das Umlageverfahren bei der Rentenfinanzierung angewendet, müßten dementsprechend etwa 100 Personen im erwerbsfähigen Alter für die Rentenzahlungen für ca. 71 über 60jährige aufkommen.

Der hier skizzierte Alterungsprozeß ist charakteristisch für fast alle hochentwickelten Industrie- und Dienstleistungsgesellschaften. In der Bundesrepublik Deutschland ist er jedoch besonders ausgeprägt und wiegt umso schwerer, als die Bundesrepublik Deutschland im Vergleich zu anderen führenden Industrienationen mit Abstand den geringsten Anteil der nachwachsenden unter 15jährigen Personen an der Gesamtbevölkerung aufweist.

Diese Entwicklung resultiert aus erheblich gesunkenen Geburtenzahlen, aus dem Rückgang der Sterblichkeit in jungen Jahren und vor allem aus der Zunahme der Lebenserwartung und wird m.E. mannigfaltige und tiefgreifende Auswirkungen auf das gesellschaftliche, soziale und wirtschaftliche Leben in der Bundesrepublik Deutschland haben. Erste Konsequenzen sind bereits sichtbar. So sollen politische Maßnahmen in den verschiedensten Bereichen die Rahmenbedingungen schaffen, um die prognostizierte Entwicklung gesellschaftlich bewältigen zu können. So wurde jüngst die Vormundschaft (§6 BGB) und die Gebrechlichkeitspflegschaft (§1910 BGB) durch das Betreuungsgesetz (BtG) abgelöst. Die Verabschiedung der Sozialen Pflegeversicherung, die Neufassung des Heimgesetzes (HeimG) und staatliche Modellprogramme wie etwa die Seniorenbüros sind weitere Beispiele. Parallel dazu ist in den letzten Jahren seitens politischer und anderer gesellschaftlicher Institutionen die Nachfrage nach geeignetem wissenschaftlichen Datenmaterial gestiegen. Nicht zuletzt deswegen und unterstützt durch eine günstigere Vergabepolitik von Fördermitteln haben die Psychologie und die Soziologie, vor allem aber die Geriatrie und die Gerontologie ihre diesbezüglichen Forschungsbemühungen in den letzten Jahren verstärkt. In diesem Kontext ist auch die vorliegende Arbeit entstanden.

1.2. Untersuchungsgegenstand und Fragestellung

Untersuchungsgegenstand (Aussagegesamtheit) der vorliegenden Arbeit sind alle über 60jährige[1] Bundesdeutsche, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Altersgrenze von 60 Jahren wurde deshalb gewählt, weil etwa mit diesem Alter der Übergang vom Erwerbsleben in den Ruhestand erfolgt. Auch wenn die Altergrenze für den Übergang in den Ruhestand gemäß der gesetzlichen Rentenversicherung in der Regel bei über 60 Jahren liegt, beträgt das derzeitige Durchschnittsalter bei Eintritt in den Ruhestand in der Praxis ca. 59 Jahre für Männer und etwa 62 Jahre für Frauen (STATISTISCHES BUNDESAMT 1991: 14). Einschlägige sozialwissenschaftliche Publikationen bedienen sich im übrigen ebenfalls dieser Altersgrenze oder alternativ der Altersgrenze von 65 Jahren. Da im verfügbaren Datenmaterial ausländische Heimbewohner in nur sehr geringer Fallzahl vorkommen[2], erschienen dem Autor repräsentative Aussagen nur für Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit möglich, was die weitere Eingrenzung der Aussagegesamtheit erklärt.

Unter soziologischer Perspektive läßt sich diese Aussagegesamtheit in zwei Subgruppen[3] unterteilen: einmal in Personen, die in Privathaushalten leben, und zum anderen in die sog. Heimbevölkerung, in die Personen also, die in Institutionen (bspw. in Altenwohnheimen, Altenheimen und Altenpflegeheimen) untergebracht sind. Nun ist bekannt, daß die Platzzahl in Einrichtungen der stationären Altenhilfe seit Jahren kontinuierlich ansteigt (HINSCHÜTZER / MOMBER 1984: 355, BMFuS 1993: 262, STATISTISCHES BUNDESAMT 1996a). Derzeit existieren in der Bundesrepublik ca. 682.000 Heimplätze in stationären Alteneinrichtungen. Auch wenn diese Heimplatzzahlen nicht ohne weiteres mit institutionalisierten Personen gleichgesetzt werden können, kann man von über 600.000 über 60jährigen auszugehen, die in Altenwohnheimen, Altenheimen, Pflegeheimen oder mehrgliedrigen Einrichtungen leben.

Bei den Begriffen ‘Altenwohnheim’, ‘Altenheim’, ‘Pflegeheim’ und ‘mehrgliedrige Einrichtung’ folgt dieser Text den Definitionen des Statistischen Bundesamtes. Das Altenwohnheim ist demnach ein Zusammenschluß in sich abgeschlossener Wohnungen, die in Anlage, Ausstattung und Einrichtung den besonderen Bedürfnissen älterer Menschen Rechnung tragen. In Altenwohnheimen besteht im Bedarfsfall eine Reihe von Möglichkeiten der Versorgung und Betreuung (evtl. auch leicht Pflegebedürftiger) durch das Heim. Im Altenheim werden ältere Menschen betreut und versorgt, die bei der Aufnahme zur Führung eines eigenen Haushaltes nicht mehr imstande, aber nicht pflegebedürftig sind. Das Altenpflegeheim dient der umfassenden Betreuung und Versorgung chronisch Kranker und/oder pflegebedürftiger alter Menschen . Mehrgliedrige Einrichtungen sind nach dieser Definition verschieden gestaltete Verbindungen von Altenwohnheimen, Altenheimen und Altenpflegeheimen, die ihre Aufgabe in gegenseitiger Ergänzung erfüllen. (STATISTISCHES BUNDESAMT 1996a).

Die Frame-Population, aus der die Stichproben für allgemeine Bevölkerungsumfragen, wie etwa die ALLBUS-Erhebung, der Familiensurvey sowie das Sozio-Ökonomische Panel, gezogen werden, beinhaltet die Anstaltsbevölkerung und damit auch die Heimbevölkerung nicht. Dies hat die Konsequenz, daß aus o.g. Erhebungen repräsentative Aussagen nur für die Bevölkerung in Privathaushalten abgeleitet werden können. Mit anderen Worten: Die Anstaltsbevölkerung hat als Overcoverage unabhängig von ihrem Verhalten keine Chance zur Teilnahme an der entsprechenden Erhebung. Inferenz-Population, also die faktische Grundgesamtheit, über die Aussagen gemacht werden kann, ist somit lediglich die Bevölkerung in Privathaushalten. Diese Beschränkung der Grundgesamtheit basiert meist auf dem verwendeten Stichprobendesign. So wird zur Ziehung der Stichprobe oft ein Design verwendet, das von der Arbeitsgemeinschaft deutscher Marktforschungsinstitute (ADM) entwickelt wurde (das sog. ADM-Design) und die Anstaltsbevölkerung nicht beinhaltet (SCHNELL 1991). Bei der hier interessierenden Gruppe der über 60jährigen lebt der größte Teil dieser ausgeschlossenen Anstaltsbevölkerung in Einrichtungen der stationären Altenhilfe. Ein weiterer Großteil befindet sich in Krankenhäusern und Sanatorien. Die übrigen Personen dieser Bevölkerungsgruppe leben in sonstigen Heimen. Außer den geschätzt etwa 10.000 älteren Menschen in psychiatrischen Kliniken (SCHNELL 1991) dürfte dieser Teil der institutionalisierten über 60jährigen jedoch m.E. eher als gering einzuschätzen sein. Aus diesem Grund werden in der Folge die über 60jährigen in Privathaushalten der gleichaltrigen Bevölkerungsgruppe in Altenwohnheimen, Altenheimen und Altenpflegeheimen gegenübergestellt, ohne über die in sonstigen Anstalten Untergebrachten Aussagen machen zu können und zu wollen (HANEFELD 1987: 166).

Ist die Untererfassung der Heimbevölkerung in allgemeinen Bevölkerungsumfragen bei jüngeren Kohorten resp. Altersgruppen wegen einer Institutionalisierungsquote im Promillebereich m.E. noch hinnehmbar, so muß das gleiche Vorgehen bei den höheren Altersgruppen als schwerwiegendes Manko hinsichtlich der Verallgemeinerbarkeit dieser Studien auf die Gesamtbevölkerung bewertet werden. Diese Tatsache wiegt nach meiner Einschätzung umso schwerer, weil sich vermuten läßt, daß sich gerade die Heimbevölkerung hinsichtlich ihrer soziostrukturellen Merkmale als auch anderer wichtiger Variablen von der entsprechenden Personengruppe in Privathaushalten erheblich unterscheidet. „Der faktische Ausschluß von mehr als 1% der Bevölkerung mit deutlich abweichenden Merkmalen ist vielleicht für die an speziellen Konsumentengruppen orientierte kommerzielle Marktforschung vertretbar, nicht hingegen für eine explizit theorietestende empirische Sozialforschung“ (SCHNELL 1991: 121). Ein Teil der Fragestellung der vorliegenden Arbeit befaßt sich deshalb genau mit dieser Problemstellung. Genauer formuliert:

Unterscheiden sich die in Einrichtungen der stationären Altenhilfe untergebrachten älteren Bundesbürger von der Bevölkerungsgruppe der Nichtinstitutionaliserten einmal hinsichtlich basaler soziostruktureller Merkmale und zum anderen hinsichtlich anderer wichtiger Lebensbereiche wie etwa der Gesundheit oder des familialen Netzwerkes? Wieviele Personen einer bestimmten Sozialgruppe befinden sich in Alteneinrichtungen? Wie läßt sich die Lebenssituation der Institutionalisierten vor deren Heimeintritt beschreiben? Wie sehen die Institutionalisierungsquoten bestimmter Sozialgruppen aus?

Unterteilt man den Untersuchungsgegenstand der über 60jährigen in die Gruppe der in Privathaushalten Lebenden und in die Heimbewohner, so ist die Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen kein unveränderliches Merkmal wie etwa das Geschlecht. Vielmehr kann die Zugehörigkeit zu einer der beiden Gruppen als ein reversibler Prozeß betrachtet werden. Personen siedeln von Privatwohnungen in Heime um oder ziehen vom Heim aus in Privathaushalte (zurück). Der zweite Teil der Fragestellung befaßt sich mit der erstgenannten Prozeßrichtung:

Welche Ursachen und Lebensumstände bewegen einen alten Menschen zu dem Entschluß, in ein Heim zu ziehen und welche subjektiven Beweggründe geben alte Menschen dabei an? Lassen sich Prädiktoren ausmachen, anhand derer sich die Bevölkerungsgruppen in Privathaushalten und in Heimen unterscheiden lassen? Und schließlich: Inwieweit können diese Prädiktoren als objektive Heimeintrittsgründe interpretiert werden? Abschließend soll außerdem das Verhältnis zwischen objektiven und subjektiven Heimeintrittsgründen problematisiert werden.

1.3. Forschungslogik und Vorgehensweise

Als wissenschaftstheoretischer Zugang zu der vorliegenden Fragestellung wurde die Position des kritischen Rationalismus gewählt, was sich in der Vorgehensweise zur Bearbeitung des Explanandums niederschlägt: Nach der Darlegung des Entdeckungszusammenhangs, der Definition der wichtigsten Begriffe und der Klärung der Fragestellung (Abschnitt 1.) wird anschließend zunächst eine Einordnung der Problematik in bereits vorhandene Forschungsergebnisse erfolgen (Abschnitt 2.).

Aufbauend auf der Analyse des status quo, also des bisherigen Forschungsstandes, erfolgt dann die Explikation von Einzelhypothesen zu den beiden Teilen der Fragestellung (Abschnitt 3.). Die Lebenssituation ist für den ersten Teil der Fragestellung das Explanandum. In der darauffolgenden Analyse zu den Heimeintrittsgründen ist die Lebenssituation dann ihrerseits Explanans. Dabei läßt sich das Explanandum des zweiten Teils ‘Person lebt in Privathaushalt / Person lebt in Einrichtung der Altenhilfe’ relativ unproblematisch anhand der Zugehörigkeit zu einer der beiden Vergleichsgruppen erschließen. Mit anderen Worten: Einmal ist die Lebenssituation selbst Gegenstand der Analyse, zum anderen soll ihre Erklärungskraft für die Wahrscheinlichkeit einer Heimübersiedlung untersucht werden. Da die Lebenssituation mehrdimensional ist, wird sie in vier wichtige Dimensionen Gesundheitszustand, Wohnsituation, Struktur des sozialen Netzwerkes und soziodemographische Merkmale zerlegt. Diese vier Dimensionen werden üblicherweise auch in anderen diesbezüglichen Veröffentlichungen thematisiert (SCHNEEKLOTH / MÜLLER 1995, BRANDENBURG 1996). Auch diese Dimensionen sind einer direkten Beobachtung nicht zugänglich, so daß zu deren Operationalisierung verfügbare und als geeignet angesehene Indikatoren (Merkmale) verwendet werden. Diese Indikatoren stehen über die entsprechenden Hypothesen mit dem jeweiligen Explanandum in überprüfbarer Verbindung.

Als nächster Schritt wird dann die Datengrundlage zu wählen sein, mittels derer die Fragestellung untersucht werden soll (Abschnitt 4.). Dazu werden relevante Variablen aus den bislang elf Wellen des Sozio-Ökonomischen Panel[4] kumuliert und zusammen mit dem derzeit am Institut für Soziologie der Universität Heidelberg von Thomas Klein erhobenen Altenheimsurvey[5] zu einem Datensatz zusammengefaßt. Dabei werden verschiedene methodische Problemstellungen zu bearbeiten sein, die sich aus der besonderen Struktur der beiden Referenzdatensätze ergeben.

Nach der Konstruktion des o.g. Datensatzes und dessen Validierung an externen Daten wird die uni- und bivariate Überprüfung der vorher herausgearbeiteten Hypothesen, gegliedert nach den eben genannten Themenbereichen, folgen (Abschnitt 5.). Dabei bietet sich ein Vergleich der Lebenssituation der Institutionalisierten mit der der Bevölkerung in Privathaushalten an. Hieraus ergeben sich dann auch erste Hinweise auf die Prädiktorenqualität einzelner Variablen für den späteren Heimeintritt. Daran anschließend wird unter Einbeziehung der Zeitperspektive die Entwicklung der Heimbewohnerschaft entlang ausgewählter Lebensbereiche vom Zeitpunkt unmittelbar vor Heimeintritt bis zur Gegenwart dargestellt. Des weiteren wird der Themenkomplex ‘Gründe des Heimeintritts’ zunächst durch Auswertung subjektiver Angaben der Befragten angegangen. Abschließend erfolgt die multivariate Analyse objektiv bestimmbarer Prädiktoren für einen Heimeintritt. Dazu wird aufgrund des nominalen Skalenniveaus der Abhängigen ‘Heimbewohner / kein Heimbewohner’ die logistische Regressionsrechnung verwendet.

2. Einordnung der Fragestellung in die aktuelle Forschung

2.1. Grundlegende Ergebnisse zur Lebenssituation

2.1.1. Soziostrukturelle Merkmale

Die übergeordnete Struktur der Aussagegesamtheit ist ihre Verteilung auf Privathaushalte und auf Heime. Die Gegenüberstellung von Heimplatzzahlen und der Zahl der Gesamtbevölkerung über 60 Jahre zeigt zwar, daß die absolute Platzzahl in Alteneinrichtungen seit Jahren kontinuierlich steigt (Tabelle 1). Relativ zur über 60jährigen Gesamtbevölkerung stagniert jedoch der Anteil an Heimplätzen für diese (ebenfalls zunehmende) Bevölkerungsgruppe - die Institutionaliserungsquote - seit Ende der 70er Jahre zwischen 3,4 und 4,0 Prozent (Tabelle 1).

Tabelle 1: Heimplätze, Gesamtbevölkerung und Institutionalisierungsquoten nach Erhebungszeitpunkt.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1) Bis incl. 1990 für Westdeutschland incl. West-Berlin, ab 1991 für Gesamt-BRD.
2) Gem. §1 HeimG ohne Behinderteneinrichtungen.
3) Für 60jährige und Ältere.
4) Ermittelt mit der Formel: (Gesamtplatzzahl x 0.9025) / (Anzahl der über 60jährigen)

(vgl. die Anmerkungen zur Berechnung im Text).

Quellen: Hinschützer / Momber (1984): 355-371.

BMFuS (1993): 262.

Statistisches Bundesamt (1996)a.

Statistisches Bundesamt (1996)2.

div. Statistische Jahrbücher.

Zu berücksichtigen ist bei dieser Angabe allerdings die Tatsache, daß Heime aufgrund hoher Fluktuation der Bewohner (vor allem wegen einer hohen Mortalitätsrate) wohl selten zu 100 Prozent ausgelastet sein dürften. Eine durchschnittliche Belegungsquote für Alteneinrichtungen in Höhe von 95% wird einheitlich von verschiedenen Autoren - allerdings ohne Bezugnahme auf eine Quelle - berichtet (STATISTISCHES BUNDESAMT 1991, MESSMER 1995, KDA 1991). Zudem dürfte ein Teil der tatsächlichen Bewohner unter 60 Jahre alt sein. Veröffentlichungen aus jüngerer Zeit beziffern diesen Bewohneranteil einheitlich auf exakt fünf Prozent (KDA 1991, KRUG/REH 1992, SCHNEEKLOTH / MÜLLER 1995). Aus diesen Überlegungen und unter Annahme einer entsprechenden Zeitstabilität läßt sich der Anteil der über 60jährigen Heimbewohner an der gleichaltrigen Gesamtbevölkerung durch die Multiplikation der Heimplatzzahlen mit dem Faktor (0,95 x 0,95 =) 0,9025 grob schätzen. Nach dieser Schätzung ergibt sich eine korrigierte Institutionalisierungsquote für das Jahr 1994 von 3,7 Prozent.[6] Betrachtet man die aktuellen Institutionalisierungsquoten bestimmter Altersgruppen, ergibt sich folgendes Bild (Tabelle 2).

Tabelle 2: Institutionalisierungsquoten in % der über 60jährigen Gesamtbevölkerung nach Altersgruppen (Stand: Ende 1993).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Quelle: Schneekloth (1996).

Bemerkenswert sind dabei die hohen Institutionalisierungsquoten in den beiden oberen Altersgruppen. Von bundesweit 0,5 Prozent der 60-65jährigen verdoppelt sich die Institutionalisierungsquote fast exakt alle 5 Jahre auf schließlich 34% bei den über 90jährigen (Tabelle 2). Folglich ist auch der Altersdurchschnitt in Heimen höher als unter der Altenbevölkerung in Privathaushalten.

Die in Alteneinrichtungen lebenden Menschen waren zum Stichtag 30.6.1994 zu acht Prozent auf 639 Altenwohnheime, zu 19 Prozent auf 2.006 Altenheime, zu 25 Prozent auf 2.450 Altenpflegeheime und zu 48 Prozent auf 3.237 mehrgliedrige Einrichtungen verteilt (STATISTISCHES BUNDESAMT 1996a).

Welche weiteren soziostrukturellen Unterschiede bestehen nun zwischen den beiden Vergleichsgruppen? Tabelle 17 (im Anhang) gibt eine Übersicht über die empirische Literatur zu dieser Bevölkerungsgruppe.

Hinsichtlich der Lebenssituation soll zunächst die Datenlage in bezug auf die soziodemographischen Merkmale Geschlecht, Alter und Familienstand zusammengefaßt werden:

Mit knapp zwei Dritteln ist die Mehrheit der älteren Menschen über 60 Jahre weiblich. Für die ältere Wohnbevölkerung erklärt sich dieser Frauenüberschuß nur zum Teil noch aus den Männerverlusten der beiden Weltkriege. In Anbetracht der Tatsache, daß der Frauenüberschuß mit zunehmendem Alter ebenfalls wächst, liegt ein zweiter Erklärungsfaktor in der für Frauen höheren Lebenserwartung. Diese wiederum wird von einigen Autoren auf gesundheitliche Kriegsfolgen, auf gestiegene berufliche Anforderungen, auf die (vor allem früher) stärkere Verbreitung des Tabakkonsums bei Männern oder auf genetische Faktoren zurückgeführt. Diese Faktoren bewirkten eine stärkere Krankheitsintensität und damit auch eine geringere Lebenserwartung bei Männern (ZIMMERMANN 1977: 71).[7]

Unter der Heimbevölkerung ist dieser Frauenüberschuß noch gravierender, hier sind 4 von 5 Bewohnern weiblich (SCHNEEKLOTH / POTTHOFF 1993: 22). Dieser zusätzliche Überschuß kann bei gleichzeitiger Berücksichtigung des Alters dahingehend interpretiert werden, daß Frauen durch ihre höhere Lebenserwartung eher ein Alter erreichen, in dem ein Heim-aufenthalt wahrscheinlicher wird. Demnach ist auch die Institutionalisierungsquote für Frauen höher als die der Männer (SCHNEEKLOTH 1996).

Ein weiterer Grund für den in Heimen höheren Frauenanteil liegt in der geschlechtsspezifischen Familienstandstruktur (TEWS 1979: 331). Witwenschaft betrifft bei Institutionalisierten wie Nichtinstitutionalisierten vor allem Frauen. Auch hier schlägt sich der Effekt der höheren Lebenserwartung nieder, verstärkt durch die Tatsache, daß Frauen durchschnittlich etwa zwei Jahre jünger als ihre Partner sind (BESKE 1960: 29). „Der Tod des Ehegatten hat demnach häufig eine stärkere Isolierung des überlebenden Ehegatten zur Folge, sofern nicht Krankheit und Pflegebedürftigkeit des Ehegatten bereits vor seinem Tod Hilfeleistung der Kinder und damit eine stärkere Integration in die Nachkommenschaftsfamilie bewirkt haben“ (ZIMMERMANN 1977: 126). Diese Isolation Verwitweter wie auch Lediger und Geschiedener hat für diese Personengruppen eine höhere Institutionalisierungsquote zur Folge (ZIMMERMANN, 1977: 126). Bei den Verwitweten liegt die geschlechtsspezifische Institutionalisierungsquote der Frauen außerdem wegen ihrer im Vergleich zu Männern häufig schlechteren wirtschaftlichen Lage (SCHRÖDER 1995: 12) und wegen der schlechteren Aussichten auf eine Wiederheirat (LOHMANN 1970: 306) höher als die der verwitweten Männer.

Hinsichtlich der Sozialstruktur der über 60jährigen Bundesbürger läßt sich also zusammenfassen: Die Mehrheit der ca. 16 Mio. Bundesbürger über 60 Jahre ist weiblich. Unter der Bevölkerung in Privathaushalten machen die Verheirateten die Mehrheit aus. Der Anteil Verwitweter ist innerhalb dieser Gruppe geringer, nimmt aber mit dem Alter zu. Der Witwer- resp. Witwenanteil ist dagegen in Heimen ebenso wie der Anteil sonstiger Alleinstehender besonders hoch. Insgesamt stehen derzeit für ca. 4,0% der über 60jährigen Bundesbürger Heimplätze in Institutionen der stationären Altenhilfe zur Verfügung. Berücksichtigt man Auslastungsgrad und Altersstruktur in den Einrichtungen, ergibt sich daraus eine korrigierte Institutionalisierungsquote von ca. 3,7%.

2.1.2. Gesundheitszustand

Vor die Aufgabe gestellt, den Gesundheitszustand älterer Menschen zu beschreiben, empfiehlt es sich, zwischen dem objektiven und dem subjektiven Gesundheitszustand zu differenzieren. Während man den objektiven Gesundheitszustand häufig mittels einer Einschätzung durch einen kompetenten Experten, bspw. durch einen Arzt, nach anerkannten Richtlinien zu messen versucht, beschreibt der subjektive Gesundheitszustand dessen Einschätzung durch den Befragten selbst (BMFuS 1993: 105). Dabei stellt der objektive Gesundheitszustand ein hypothetisches, nicht direkt meßbares Konstrukt dar. Die besten Indikatoren zur Messung dieses Konstruktes sind nach einhelliger Meinung objektive Indikatoren wie die Anzahl der Arztbesuche in einem bestimmten Zeitraum oder die oben angeführte Einschätzung durch einen Arzt. Daß aber auch diese Indikatoren mit dem dahinterstehenden Konstrukt nicht vollständig deckungsgleich sein müssen, soll hier nicht unerwähnt bleiben. In empirischen Erhebungen ist nur selten eine Einschätzung des objektiven Gesundheitszustandes durch eine ärztliche Untersuchung möglich. Deswegen bedient man sich ersatzweise der subjektiven Einschätzung der Gesundheit durch den Befragten selbst. Auch dieses Selbsturteil ist natürlich nicht mit dem Konstrukt ‘objektiver Gesundheitszustand’ gleichzusetzen. Von Vorteil ist allerdings, daß bei einer Frage nach dem subjektiven Gesundheitsempfinden bspw. anstelle der oft verwendeten Frage nach der Häufigkeit von Arztbesuchen auch die Personen einbezogen werden können, die zwar körperliche Beeinträchtigungen aufweisen, jedoch nicht medizinisch versorgt werden (STATISTISCHES BUNDESAMT 1991: 70).

Wie sehen nun die Befunde zum Gesundheitszustand älterer Menschen im allgemeinen aus? Einheitlich findet sich in fast allen Quellen ein Alterseinfluß, und zwar dergestalt, daß mit zunehmendem Alter nicht nur die Häufigkeit von Erkrankungen zunimmt, sondern immer häufiger verschiedene Krankheiten synchron nebeneinander bestehen. Diese Beobachtung wird als Multimorbidität bezeichnet und stellt aus medizinischer Sicht ein charakteristisches Phänomen des Alterns dar. LANG / DIEPGEN (1988) fanden anhand von Krankenhausunterlagen einen Multimorbiditätsindex, d.h. eine Anzahl an Erkrankungen pro Patient, von 2 bei den 20- bis 30jährigen. Bei den 30- bis 60jährigen liegt dieser bei 4, im siebten bis neunten Lebensjahrzehnt bei etwa 5. Dieser Alterseinfluß ist im übrigen auch für das Auftreten chronischer Beschwerden beobachtet worden (STATISTISCHES BUNDESAMT 1991: 106).

Die weitere Betrachtung macht eine Unterscheidung von Heim- und Nichtheimbewohnern nötig. Für die Nichtheimbewohner, also die über 60jährigen in Privathaushalten, läßt sich folgendes sagen:

Häufig zeigt sich ein Geschlechtseinfluß dergestalt, daß Frauen geringfügig gesünder sind als Männer (FABRIZIUS 1983, SIMMON 1993: 35). SIMMON (ebd.) vermutet den oben bereits besprochenen Effekt berufsbedingter Gesundheitsschädigungen, die sich somit also nicht nur auf die Lebenserwartung, sondern ebenso auf den Gesundheitszustand auswirken. SCHNEEKLOTH / POTTHOFF (1993: 107) ermittelten den geschlechtsspezifischen Pflege- und Hilfebedarf und stellten fest: Bis zum Alter von ca. 80 Jahren sind Männer eher, ab 80 Jahren dann Frauen eher pflege bedürftig. Altersunabhängig ist der Hilfe bedarf unter den Frauen durchweg höher als bei den Männern. Einige andere empirische Erhebungen ergaben einen bei Männern besseren Gesundheitszustand. ZIMMERMANN (1977: 71) erklärt dies u.a. mit einem Perzeptionseffekt: „Verschiedene Epidemiologen sehen darin keine echte höhere Krankheitsprävalenz bei Frauen, sondern andere Gründe, z.B. bessere zeitliche Möglichkeiten für nichtberufstätige Frauen, den Arzt aufzusuchen; sie sind dadurch geneigter, sich den Status krank zuzuschreiben.“ Zudem ergebe sich eine Scheinkorrelation, wenn der Alterseinfluß nicht kontrolliert werde.

Außerdem fühlten sich alleinstehende bzw. alleinlebende Personen merklich kranker (STATISTISCHES BUNDESAMT 1991: 72, SIMMON 1993: 35). SIMMON (ebd.) macht hierfür psychosomatische Effekte verantwortlich: „Wer unter Alleinleben leidet, fühlt sich zugleich subjektiv kranker.“ SIMMON (ebd.) unterstellt hier also einen kausalen Effekt des Alleinlebens bzw. der Familienstandes auf das Gesundheitsempfinden. Andererseits hat eine schlechte Gesundheit ihrerseits einen Deprivationseffekt. So gehen die sozialen Kontakte Kranker und Hilfsbedürftiger zu außerfamilialen Netzwerkpartnern mit der Zeit erheblich zurück (BRANDENBURG, 1996: 133). Kranksein kann also umgekehrt auch zu Isolation führen. Es stellt sich also auch die Frage, wie sich Sozialkontakte Erkrankter von denen Gesunder unterscheiden.

Unterscheidet man Heim- von Nichtheimbewohnern, so findet man in der Literatur bei ersteren durchgehend einen beträchtlich schlechteren Gesundheitszustand. Ein wesentlicher Grund ist die mit fortschreitender Verschlechterung der Gesundheit zunehmende Belastung und Überforderung von Angehörigen. Auch ambulante „Unterstützungsmöglichkeiten haben dort ihre Grenzen, wo der Pflegebedarf äußerst intensiv geworden ist bzw. in unvorhersehbaren Zeitintervallen anfällt und entweder keine helfenden Angehörigen vorhanden oder diese überfordert sind. Hieraus läßt sich ableiten, daß der körperliche und seelische Gesundheitszustand derjenigen alten Menschen, die dann schließlich doch in die stationäre Einrichtung übersiedeln (bzw. übersiedelt werden), als relativ schlecht bezeichnet werden muß.“ (KRUSE / WAHL 1994: 19). Dieses Argument hat m. E. zwei Implikationen: Erstens müßten die Institutionalisierungsquoten der gesundheitlich stark Beeinträchtigten höher sein als die der weniger Beeinträchtigten. Diese Vermutung mag inhaltlich trivial erscheinen. M.W. existieren jedoch aufgrund der mangelhaften Datenlage bisher keine empirischen Bestätigungen für diese These. Die zweite Implikation wäre, daß Personen möglicherweise erst dann in ein Heim übersiedeln, wenn ihr Gesundheitszustand ihnen keine andere Wahl mehr ließe. Bei Personen mit leicht oder mäßig eingeschränkter Gesundheit dürfte die Versorgung durch Angehörige oder (seltener) ambulante Dienste eher noch zu Hause möglich sein.

Schlagwortartig läßt sich also festhalten: Typischerweise verschlechtert sich im allgemeinen mit zunehmendem Alter der Gesundheitszustand. Multimorbidität ist im Alter die Regel. Beim Vergleich älterer Menschen in Privathaushalten mit denen in Institutionen der stationären Altenhilfe zeigt sich, daß letztere ein wesentlich schlechterer Gesundheitszustand kennzeichnet. Viele Heimeintritte scheinen demnach gesundheitlich motiviert zu sein.

2.1.3. Soziale Netzwerke

Diese Überlegungen leiten über zu den sozialen Netzwerken älterer Menschen. Unter einem sozialen Netzwerk sei eine Menge sozialer Einheiten (hier: die über 60jährigen) verstanden, die über ein soziales Beziehungsgeflecht miteinander verbunden sind. Während der Terminus soziales Netzwerk also die Gesamtheit aller Netzwerkelemente meint, bezeichnet der Begriff des persönlichen Netzwerkes die Sichtweise der fokalen Einheit, also die Sicht des Individuums.

Zunächst soll eine Betrachtung der persönlichen Netzwerke älterer Menschen in Privathaushalten erfolgen:

Bezeichnend für die über 60jährigen ist nach neueren Untersuchungen eine mit zunehmendem Alter sowohl quantitative wie auch qualitative Verschlechterung persönlicher Netzwerke (SCHRÖDER 1995). Dabei gilt es, zwischen inner- und außerfamilialen Netzwerken zu unterscheiden:

Zunächst zu den innerfamilialen Netzwerken: Da in höherem Alter andere Haushaltsmitglieder oft die bedeutendsten Interaktionspartner darstellen, kann ein Partnerverlust besonders tiefgreifende Auswirkungen auf das persönliche Netzwerk haben. Da nur ein ganz geringer Teil der alleinstehenden über 60jährigen (wieder) heiratet, bedeutet ‘alleinstehend’ in diesem Alter meist auch alleinlebend. Hier besteht also in besonderem Maße die Gefahr der Isolation[8]. Diese Gefahr wird verstärkt durch das für westliche Industrienationen typische Schwinden von Drei- oder Mehrgenerationenhaushalten. Die Entflechtung familialer Strukturen und die Vergrößerung der räumlichen Entfernung zu Angehörigen wird aber durch die im Vergleich zu früherer Zeit höhere Mobilität (KFZ-Besitz, Infrastruktur) und besseren Kommunikationsmöglichkeiten (Telefon) oftmals ausgeglichen. BRANDENBURG (1996: 43) berichtet unter Bezugnahme auf verschiedene Studien, daß die Trennung der Generationen die Qualität der innerfamilialen Interaktionen sogar positiv beeinflußt habe. BAUSINGER (1995) gibt dagegen zu bedenken, daß eine bessere Infrastuktur die Notwendigkeit räumlicher Nähe bei akutem Hilfebedarf nicht ersetzen könne.

Ein weiterer Hinweis für die Isolation im Alter kann die Häufigkeit außerfamilialer Kontakte (der in Privathaushalten Lebenden) geben. Während die Kontakte zu Familienangehörigen im Alter nicht zwangsläufig abnehmen, gehen die nichtfamilialen Kontakte im Alter deutlich zurück (BRANDENBURG 1996: 133). Eingeschränkte Mobilität, der Verlust berufsbedingter Kontakte und der Tod von Freunden und Bekannten führen zu einem Rückzug in die eigenen vier Wände (SCHMITZ-SCHERZER 1995). Ersatzweise steige der Medienkonsum älterer Menschen. So betrage der durchschnittliche Fernsehkonsum älterer Menschen fast 3 Stunden täglich (ebd.). Nach einer Analyse von REICHENWALLNER et al. (1991) hatte Mitte der achtziger Jahre fast ein Viertel der Befragten innerhalb eine Woche keinerlei Besuchskontakte von Haushaltsfremden. Diese Isolation ist gerade für Alleinstehende und damit oft Alleinlebende im Krankheitsfall aus zwei Gründen besonders belastend. Einmal werden dann Sozialkontakte weiter eingeschränkt (BRANDENBURG 1996: 44). Zweitens ergibt sich aus neueren Daten, daß auch Sozialkontakte zu Familienangehörigen im Hilfe- oder Pflegefall nur selten zunehmen (sic!). Nach Eintritt einer Pflegebedürftigkeit verändere sich die Kontakthäufigkeit der Nichtinstitutionalisierten in 34% der Fälle nicht, in 57% der Fälle nehme sie sogar ab. Nicht ganz so drastisch sind die Verhältnisse beim Eintreten von Hilfebedarf: In diesem Fall bleibt die Kontakthäufigkeit zu 60% gleich, in 37% der Fälle werde sie aber geringer (SCHNEEKLOTH / POTTHOFF 1993: 215).

Starke Isolation in Form etwa fehlender familialer und/oder außerfamilialer Beziehungen oder der Tod des Ehepartners und die daraus resultierende Einsamkeit bewegen ältere Menschen dann häufig zu einer Heimübersiedlung (KLEIN / SALASKE 1994).

So ist denn auch der Übergang in ein Heim nicht notwendigerweise mit einer (weiteren) Reduktion sozialer Kontakte verbunden. „Hierbei ist zu berücksichtigen, daß es sich bei den Bewohnerinnen und Bewohnern (...) in der Regel um alleinstehende Personen handelt, die mehrheitlich aus Ein-Personenhaushalten kommen. Von daher kann nicht in jedem Fall vorausgesetzt werden, daß vor dem Heimeintritt eine größere Zahl von sozialen Beziehungen bestanden haben muß.“ (SCHNEEKLOTH / MÜLLER 1995: 41). Für die Intensität und Dichte sozialer Kontakte im Heim findet sich kein einheitliches Bild. Während 67% der Heimbewohner häufigen Kontakt zu anderen Bewohnern innerhalb der eigenen Station und 11% sogar täglichen Kontakt zu Personen außerhalb des Heimes haben, haben auf der anderen Seite 12% der Bewohner nie Kontakt zu anderen Stationsbewohnern und 30% selten oder nie Kontakt zu Personen außerhalb des Heimes (SCHNEEKLOTH / MÜLLER 1995: 41).

Zusammenfassend läßt sich sagen: Das persönliche Netzwerk über 60jähriger ist mit zunehmendem Alter immer stärkeren Belastungen ausgesetzt. Innerfamilial muß häufig der Verlust des Ehepartners verkraftet werden. Hinzu kommt häufig eine qualitative und quantitative Verschlechterung des außerfamilialen Netzwerkes bspw. wegen eingeschränkter Mobilität und/oder dem Tod von Freunden und Bekannten. Zunehmende Isolation führt dann häufig zu einem Rückzug in die eigenen vier Wände oder zu einem Umzug in ein Heim. Folglich muß ein Heimumzug nicht zwangsläufig eine Verschlechterung der persönlichen Netzwerksituation bedeuten.

2.1.4. Wohnsituation

Als ein weiterer wichtiger Lebensaspekt älterer Menschen ist die Wohnsituation anzusehen. Insbesondere Wohnungsausstattung, Wohnungsgröße und das Wohnumfeld sind Faktoren, die mit zunehmendem Alter wegen der damit oft verbundenen fortschreitenden Gebrechlichkeit die Lebensqualität entscheidend bestimmen. Amtliche Statistiken haben zum überwiegenden Teil Haushalte als Basis, so daß sich die folgenden Ausführungen auf Privathaushalte mit über 60jährigen als Haushaltsvorstand beziehen:

Für Ost- und Westdeutschland kann gleichermaßen festgestellt werden (BMFuS 1993, FRIEDRICH 1994):

- Ein- und Zweipersonenhaushalte sind die vorherrschenden Haushaltsgrößen.
- Durchschnittlich leben in Seniorenhaushalten 1,7 Personen.
- Haushalte älterer Menschen befinden sich häufig in alter Bausubstanz. Dies gilt vor allem für die östlichen Bundesländer, wo sich zwei Drittel (66%) der Seniorenhaushalte in vor 1949 erbauten Wohnungen befinden. Im Westen trifft dies immerhin noch für 36% der Seniorenhaushalte zu. Dabei handelt es sich um einen Kohorteneffekt insoweit, als die Menschen in den einmal bezogenen Wohnungen alt werden (wollen). Dieses Beharrungsvermögen führt oft zur ‘Alterung’ ganzer Stadtteile und Siedlungen. Damit in Einklang steht das Ergebnis, wonach die durchschnittliche Wohndauer am selben Wohnort (nicht im selben Haushalt!) für ältere Haushalte 32 Jahre beträgt (FRIEDRICH 1994).
-Trotz objektiv vorhandener und subjektiv wahrgenommener Mängel sind viele mit der zum Teil veralteten Wohnungsausstattung zufrieden. Die Wohlfahrtsforschung hat für diese oft gefundene spezifische Diskrepanz zwischen objektiven Lebensbedingungen und subjektiver Bewertungen derselben den Terminus ‘Zufriedenheitsparadoxon’ (LEHR 1991) gewählt.
-In Mietwohnungen leben vor allem folgende Personengruppen: Personen über 75 Jahre, Frauen, Alleinlebende, Ledige, Geschiedene und Verwitwete (SIMMON 1993: 61).

Unterschiede ergeben sich im Ost-West-Vergleich z.B. hinsichtlich des Rechtsstatus der Bewohner: Sind im Westen 44,7 von 100 Haushaltsvorständen Eigentümer ihrer Wohnung, beläuft sich der Eigentümeranteil in den neuen Bundesländern auf lediglich 27,5%. Die Wohnungen älterer Menschen sind vor allem in den alten Bundesländern oft unangemessen groß: Die durchschnittliche Wohnungsgröße ist im Osten mit 37m2 pro Person bzw. 1,7 Räumen pro Person etwas geringer als im Westen. Hier stehen in Seniorenhaushalten für eine Person 53 m2 oder 2,3 Räume zur Verfügung (BMFuS 1993).

Auch die Ausstattung der Wohnung ist im Osten wesentlich schlechter. 60% der Seniorenhaushalte haben weder ein Bad noch ein Innen-WC noch eine Zentralheizung. Im Vergleich trifft diese Wohnsituation auf ‘nur’ 23% der Seniorenhaushalte im Westen zu (BMFuS 1993). Den gleichen Sachverhalt berichtet SCHRÖDER (1995) mit dem Hinweis, daß diese qualitative Unterversorgung ostdeutscher Senioren u.a. in der Wohnungspolitik der DDR zu sehen ist. Diese habe insbesondere jüngere Familien mit Kindern bei der Vergabe von Neubauwohnungen mit besserer Ausstattungsqualität bevorzugt. Außerdem sei die technische Ausstattung häufig bedenklich. BAUSINGER meint dazu: „Die alten Wohnungen sind keine Altenwohnungen; sie enthalten erhebliche Gefahrenquellen für alte Menschen.“ (BAUSINGER 1995: 165)

Abschließend läßt sich festhalten: Die Wohnverhältnisse älterer Menschen in der Bundesrepublik sind gekennzeichnet durch Ein- und Zweipersonenhaushalte in veralteter Bausubstanz. Vor allem in den neuen Bundesländern dominieren Mietverhältnisse, nur wenige sind dort Eigentümer ihrer Wohnung. Außerdem läßt gerade in den Neuen Ländern die Wohnungsausstattung oft sehr zu wünschen übrig.

2.2. Grundlegende Ergebnisse zu Heimeintrittsgründen

Bei der Untersuchung von Heimeintrittsgründen gibt es grundsätzlich zwei unterschiedliche Möglichkeiten der Herangehensweise: Die Erfassung subjektiver Heimeintrittsgründe durch die direkte Befragung des Heimbewohners und die multivariate Analyse nach objektiv gemessenen Variablen, die den Heimeintritt determinieren.

Zunächst zur direkten Befragung der Heimbewohner selbst nach ihren Beweggründen für die Heimübersiedlung. Dabei wird man retrospektive Angaben erhalten, wobei mögliche Verzerrungen durch nachträgliche Rationalisierungen des oft schon Jahre zurückliegenden Entscheidungsprozesses bedacht werden müssen (TEWS 1979: 332). Unter diese Herangehensweise fallen auch die wenigen existierenden ex-ante-Befragungen zu potentiellen Gründen eines fiktiven Heimeintrittes (LEHR 1991). Tabelle 18 (im Anhang) liefert eine Übersicht über Erhebungen, in denen Heimbewohner ex post nach den Gründen für den zurückliegenden Umzug befragt wurden. Auch wenn in den jeweiligen Dokumentationen meist andere Kategorisierungen gewählt wurden, wird doch deutlich, daß sich die angegebenen Gründe durchweg in den Dimensionen ‘Gesundheit’, ‘Wohnsituation’ und ‘soziales Netzwerk’ bewegen, was im übrigen die Relevanz der gewählten Untersuchungsbereiche für die Fragestellung der vorliegenden Arbeit bekräftigt.

Durchgehend finden sich gesundheitliche Beeinträchtigungen als die wichtigsten Gründe (Tabelle 18). Über die Hälfte der Heimbewohner geben ex post akute Erkrankungen oder daraus resultierenden Hilfe- und Pflegebedarf als Eintrittsgrund an (BESKE 1960, BLUME 1962, FALK 1978, SCHMITZ-SCHERZER et al. 1978, HIRSCHFELD 1994). Am zweithäufigsten werden Probleme mit der Wohnung und schließlich Netzwerkwanderungen angeführt. In der Synopse machen die Angaben ‘Kündigung’ und ‘Mieterhöhung’ einen verhältnismäßig hohen Anteil der angegebenen wohnungsbedingten Gründe aus (BESKE 1960, LOHMANN 1970, FALK 1978; vgl. Tabelle 18). Unklar bleiben aber meist die eigentlichen hinter einer Kündigung stehenden Gründe und die Tatsache, welche Vertragspartei (Mieter oder Vermieter) die Kündigung aussprach. SCHMITZ-SCHERZER et al. (1978) haben hier eine genauere Kategorisierung gewählt. Dabei zeigt sich, daß Wohnungsmängel mit 19% aller angegebenen Gründe einen entscheidenden Anteil an den Ursachen einer Wohnungsaufgabe ausmachen. Bei den Netzwerkwanderungen fällt ein großer Anteil an Umzügen auf, die von Einsamkeit oder dem Verlust des Partners motiviert sind (FALK 1978, SCHMITZ-SCHERZER et al.1978; vgl. Tabelle 18).

Vergleicht man kontrastierend Erhebungen zu Umzugsgründen älterer Menschen, die, aus Privathaushalten kommend, in Privathaushalte ziehen, fallen folgende Besonderheiten auf: Der Gesundheitszustand spielt als Migrationsgrund eher eine untergeordnete Rolle. Dagegen finden nicht wenige Wohnortwechsel in eine Wunschgegend (sog. „Ruhesitzwanderungen“ FRIEDRICH 1994) oder in die Nähe von Verwandten oder Bekannten statt. Wanderungsmotive also, die offenbar (zumindest laut vorliegender Literatur) für einen Heimeintritt keine Relevanz haben. Dennoch muß eine solche Aufstellung aufgrund differierender Erhebungszeiträume, Fallzahlen und vor allem Kategorisierungsschemata mit Vorsicht interpretiert werden.

Einen völlig anderen Zugang zur Ergründung des Heimeintrittes bieten multivariate statistische Verfahren. Ungeachtet der subjektiv angegebenen Gründe werden dabei Merkmale des Befragten mit dem Ereignis ‘Heimeintritt’ in Beziehung gesetzt. Dies geschieht oft mit Hilfe der Regressionsanalyse. In diesem Modell werden die Parameter einer Gleichung (Regressionsgleichung) so approximiert, daß bei gegebenen Daten eine abhängige Variable (Regressand, Kriteriumsvariable) in bestmöglicher Form aus einem Satz explikativer Variablen geschätzt werden kann. Diesem Modell liegt die Annahme einer kausalen, also asymmetrischen Beziehung von den explikativen zu der abhängigen Variablen zugrunde. Eine Annahme, die zuvor theoretisch zu begründen ist. In der Literatur werden für die Bezeichnung ‘explikative Variable’ auch die Termini ‘Unabhängige’, ‘Kovariate’, ‘Regressor’ und ‘Prädiktor’ synonym verwendet (KROMREY 1991: 402, ROTH 1987: 632). Da die abhängige Variable bei der Analyse des Heimeintrittes binär codiert vorliegt (Person lebt in Heim / Person lebt nicht in Heim), also nominales Skalenniveau aufweist, findet in den diesbezüglichen Veröffentlichungen die logistische Regressionsrechnung Anwendung. Alternativ bedienen sich einige Autoren der Diskriminanzanalyse - ein Verfahren, das die Grundgesamtheit anhand zu bestimmender Merkmalskombinationen in zwei Gruppen zu trennen vermag - wie auch der Ereignisanalyse (KLEIN/SALASKE 1994).

Die folgende Aufstellung bietet einen Überblick über wichtige und über neuere Studien, die das Heimeintrittsrisiko mit einer der besprochenen Methoden untersucht haben, sowie über die verwendeten Prädiktoren (Tabelle 3).

Dabei fällt auf, daß derartige Untersuchungen fast ausschließlich aus Nordamerika (aus den U.S.A. oder Kanada) stammen.

Zunächst sei der Blick auf die soziodemographischen Prädiktoren gerichtet: Typisch für multivariate Ansätze ist, daß trotz des in Heimen viel höheren Frauenüberschusses (bekannt aus uni- und bivariater Betrachtung) ein eigenständiger Geschlechtseffekt unter Kontrolle anderer Merkmale häufig verschwindet. „The final factor we classified as indicating greater need was sex: women had a risk of 33% compared to a risk of 20% for man. However, most of this higher rate for women was because women more often lived alone, were never married or were seperated, and had less living children. In a step-wise multiple regression, when sex was entered in the equation after these three other factores, sex made only a small (and statistically insignificant) increase in the multiple correlation (..). Thus, it is probably unnecessary to search for other explanations, such as that women may more readily accept the dependent role of being institutionalized.“ (PALMORE 1976; vgl. Tabelle 3).[9]

[...]


[1] Für Berechnungen innerhalb dieser Arbeit lag das Alter in Dezimaljahren vor. Die Formulierung ‘über 60jährige’ schließt deshalb im folgenden die (exakt) 60jährigen mit ein. Zugunsten der Lesbarkeit kann somit auf Formulierungen wie ‘die 60jährigen und Älteren’ verzichtet werden. Gleiches gilt entsprechend für andere Altersangaben.

[2] Im Altenheimsurvey befinden sich unter den 3.144 Befragten acht Ausländer.

[3] Die Gruppensoziologie differenziert zwischen sozialen Gruppen und sozialen Kategorien. Soziale Gruppen unterscheiden sich von sozialen Kategorien v.a. durch die Existenz dauerhafter face-to-face-Interaktionen. Strenggenommen wird in der Folge der Begriff ‘Gruppe’ also im Sinne einer sozialen Kategorie verwendet.

[4] Das Sozio-Ökonomische Panel wird in der Folge mit SOEP abgekürzt.

[5] Der Altenheimsurvey wird in der Folge mit AHS abgekürzt.

[6] Dieses Verfahren zur Schätzung der tatsächlichen Institutionalisierungsquote fand bereits an anderer Stelle zur Schätzung der Institutionalisierungsquote für das Jahr 1989 Verwendung (KDA 1991).

[7] Die Lebenserwartung eines bspw. 60jährigen Mannes liegt mit fast 78 Jahren um runde 4 Jahre unter der einer gleichalten Frau (BMFUS 1993: 76).

[8] Es ist zwischen Isolation, also dem objektiven Mangel an Sozialkontakten und Einsamkeit, dem subjektiv erlebten Mangel zu unterscheiden (BMFuS 1993: 54).

[9] Gleiches Phänomen ist auch bei der Betrachtung des Institutionalisierungsrisikos von an Altersdemenz Erkrankten beobachtet worden (LIEBERMAN 1991).

Ende der Leseprobe aus 109 Seiten

Details

Titel
Ältere Bundesbürger in Privathaushalten und in Einrichtungen der stationären Altenhilfe - Lebenssituation und Heimeintrittsgründe
Hochschule
Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Note
1
Autor
Jahr
1996
Seiten
109
Katalognummer
V185474
ISBN (eBook)
9783656981114
ISBN (Buch)
9783869430201
Dateigröße
1132 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
ältere, bundesbürger, privathaushalten, einrichtungen der, altenhilfe, lebenssituation, heimeintrittsgründe
Arbeit zitieren
Dr. Sven Schneider (Autor:in), 1996, Ältere Bundesbürger in Privathaushalten und in Einrichtungen der stationären Altenhilfe - Lebenssituation und Heimeintrittsgründe, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185474

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Ältere Bundesbürger in Privathaushalten und in Einrichtungen	der stationären Altenhilfe - Lebenssituation und Heimeintrittsgründe



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden