Efficient Consumer Response - Wiedergewinnung der Produktivität


Diplomarbeit, 1998

109 Seiten, Note: 2.3


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Tabellenverzeichnis

Abkürzungsverzeichnis

1. Probleme der Hersteller-Handelsbeziehung in der Lebensmittelbranche und Lösungsmöglichkeiten mittels Kooperation

2. Entwicklungstendenzen in der Beziehung zwischen Hersteller und Handel
2.1 Wirtschaftliche Situation im Lebensmittelbereich
2.2 Veränderte strategische Ausrichtung bei Hersteller und Handel
2.2.1 Konzentration und Internationalisierung
2.2.2 Verbraucherorientierung
2.2.3 Vertikale Kooperation

3. Efficient Consumer Response (ECR)-Konzept und Erfolgsfaktoren für die Kooperation zwischen Hersteller und Handel
3.1 ECR - Business Reengineering in der Lebensmittelbranche
3.2 Erfolgsfaktoren für die Realisierung des ECR-Konzepts
3.2.1 Schaffung von erfolgversprechenden unternehmensinternen Rahmenbedingungen
3.2.1.1 Unterstützung des Top Managements bei der Veränderung der Unternehmenskultur
3.2.1.2 Category Management als organisatorischer Rahmen
3.2.1.3 Effiziente Informationspolitik
3.2.1.4 Erfolgskontrolle durch den Einsatz von Meßsystemen
3.2.2 Unternehmensexterne Aktivitäten als Grundlage für die Kooperation
3.2.2.1 Wahl des Kooperationspartners und -projekts
3.2.2.2 Standardvereinbarungen im Distributionsbereich

4. Effizienzsteigerung durch den Einsatz von ECR-Strategien
4.1 Effiziente Distribution
4.1.1 Effizienter Informationsfluß
4.1.1.1 Point of Sale (POS)-Scanning
4.1.1.2 Electronic Data Interchange (EDI)
4.1.2 Effizienter Warenfluß
4.1.2.1 Computer Assisted Ordering (CAO)
4.1.2.2 Continuous Replenishment (CRP)
4.1.2.3 Cross-Docking
4.1.2.4 Direct Store Delivery (DSD)
4.2 Effiziente Sortimentsgestaltung
4.2.1 Analyse der Warengruppe mit Hilfe von Category Management
4.2.2 Spacemanagement auf der Basis von Handels- und Herstellerdaten
4.3 Effiziente Produktentwicklung und -einführung
4.3.1 Kooperation bei der Entwicklung und Einführung neuer Produkte
4.3.2 Abstimmung bei der Entwicklung und Produktion von Handelsmarken
4.4 Effiziente Verkaufsförderung
4.4.1 Verbraucher-Promotions
4.4.2 Händler-Promotions

5. Auswirkungen des ECR-Konzepts auf die Versorgungskette und zukünftige Entwicklungspotentiale
5.1 Implementierungskosten von ECR
5.2 Rationalisierungspotentiale bei Hersteller und Handel
5.3 Nutzensteigerung für den Konsumenten
5.4 Probleme bei der Umsetzung des Konzepts
5.5 Entwicklungsmöglichkeiten von ECR

6. Modell zur Implementierung eines ECR-Konzepts für Hersteller und Händler

Literaturverzeichnis

Abbildungsverzeichnis

Abb. 1: Strukturzahlen des Lebensmittelhandels 1994 nach Einzelhandelstypen

Abb. 2: Umsatzkonzentration im deutschen Lebensmitteleinzelhandel von 1990 - 1995

Abb. 3: Umsatzentwicklung der acht größten deutschen Handelsunternehmen im Vergleich von 1995 zu 1991

Abb. 4: Waren- und Informationsfluß innerhalb der Distributionskette ohne bzw. mit ECR-Konzept

Abb. 5: Bestandteile von ECR

Abb. 6: ECR-Tempel des Erfolgs

Abb. 7: Bedeutung der verschiedenen Change Management-Strategien in Hinblick auf die Implementierung des ECR-Konzepts

Abb. 8: Elemente von Category Management

Abb. 9: Strategischer Kategorie-Planungsprozeß

Abb. 10: Verantwortungsbereiche und Arbeitswerkzeuge der Category Manager

Abb. 11: Bewertung der Category Management-Veränderungen durch Verbraucher

Abb. 12: Verbreitung von Category Management im Handel

Abb. 13: Interesse der Lieferanten an Category Management

Abb. 14: Ablauf einer Wertkettenanalyse auf der Basis von Activity Based Costing

Abb. 15: Durchsetzungsprozeß einer Kooperationsstrategie

Abb. 16: Effiziente Distribution im Rahmen des ECR-Konzepts

Abb. 17: Entwicklung der Scannerinstallationen von 1977 bis 1995 in deutschen Einzelhandelsmärkten

Abb. 18: Phasen der Nutzung von Scannerdaten im Lebensmitteleinzelhandel

Abb. 19: Nutzungszwecke von Scannerdaten im Jahr 1994

Abb. 20: Übertragung von Dokumenten per EDI im Jahr 1994 im Vergleich zu Prognosen für das Jahr 1996 durch europäische Hersteller und Händler

Abb. 21: Warenfluß durch Distributionszentren der Händler nach Produkt- kategorien pro Land

Abb. 22: Inputdaten für Regaloptimierungsprogramme

Abb. 23: Stand der Implementierung der ECR-Strategie Effiziente Sortiments- gestaltung in Europa

Abb. 24: Umsatzanteilige Investitionen der europäischen Hersteller und Händler in ECR

Abb. 25: Amortisationsdauer der für ECR notwendigen Investitionen aus der Sicht europäischer Händler und Hersteller

Abb. 26: Aufteilung der Einsparung im Trockensortiment nach Arbeitsfeldern in den USA

Abb. 27: Vermögensstruktur der Wertschöpfungskette im Lebensmittelbereich der USA

Abb. 28: Einsparungseffekte des ECR-Konzepts in Europa

Abb. 29: Gesamtnutzen der Kooperation im Bereich Marketing in Europa

Abb. 30: Probleme bei der Umsetzung von ECR

Abb. 31: ECR-Implementierungsmodell im Überblick

Abb. 32: Prüfphase zu Beginn des ECR-Implementierungsprozesses

Abb. 33: Gemeinsame Entwicklung eines ECR-Projekts

Abb. 34: Umsetzung des Projekts und daraus resultierende Ertragssteigerungen

Abb. 35: Erweiterung des Pilotprojekts auf andere Felder

Tabellenverzeichnis

Tab. 1: Umsatzentwicklung im Lebensmitteleinzelhandel 1985 - 1994 im Vergleich zum Einzelhandel insgesamt

Tab. 2: Entwicklung der Lebenshaltungskosten und Einzelhandelspreise 1985 - 1994 in Westdeutschland

Tab. 3: Die größten Lebensmittelhändler Europas im Jahr 1994

Tab. 4: Die wichtigsten ECR-Lernquellen für europäische Hersteller und Händler

Tab. 5: Geschäftsprozesse und Hauptaktivitäten als Grundlage der Wertkettenanalyse

Tab. 6: Durchschnittliche Investitionen in ECR auf dem US-Lebensmittelmarkt

Tab. 7: Geschätzte Kosteneinsparungseffekte bei ECR im Trockensortiment in den USA nach ECR-Strategien

Abkürzungsverzeichnis

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1. Probleme der Hersteller-Handelsbeziehung in der Lebensmittelbranche und Lösungsmöglichkeiten mittels Kooperation

Die Lebensmittelbranche steckt derzeit in einer Krise. Nach jahrelanger Expansion und Rekordumsatzzahlen sind die Ergebnisse der meisten Händler und Hersteller seit Beginn der 90er Jahre rückläufig. Die Ursache dieser Entwicklung liegt nicht allein in der Rezession, in der sich Deutschland und andere westliche Industrienationen seit geraumer Zeit befinden, sondern vielmehr in der Ausgestaltung der Beziehung zwischen den beiden wichtigsten Marktparteien, den Lebensmitteleinzelhändlern und den Produzenten von Lebensmitteln. Dieses Verhältnis ist bis heute gekennzeichnet von der traditionellen Einkäufer/Verkäufer-Denkweise. Beide Seiten feilschen um die Preise und versuchen jeweils für ihren Arbeitgeber den maximalen Profit zu erzielen. Auf der Strecke bleibt zum einen die effiziente Gestaltung des Gesamtsystems und zum anderen die Fokussierung sämtlicher Aktivitäten auf den Verbraucher. Ähnlich wie in anderen Branchen (z. B. in der Automobilbranche) deckten zunächst die Marktführer in den USA diese Entwicklung auf und entwarfen unter Einbeziehung sämtlicher Marktteilnehmer ein Konzept, das sowohl die Hersteller-Handelsbeziehung reformierte als auch die Verbraucherorientierung forcierte: Efficient Consumer Response (ECR). ECR basiert auf einer Kooperation zwischen Hersteller und Händler[1] mit dem Ziel, sämtliche Prozesse zwischen Produktion und Verkauf auf ihre Effizienz hin zu überprüfen und gegebenenfalls Prozesse, die für den Konsumenten keine Wertschöpfung darstellen, zu modifizieren bzw. zu eliminieren.

Vor diesem Hintergrund wird in der vorliegenden Arbeit das ECR-Konzept ausführlich vorgestellt und dessen Nutzenpotentiale aufgezeigt. Darüber hinaus soll die Arbeit einen Überblick über den Status quo der ECR-Verbreitung in Deutschland, Europa und den USA, die als Mutterland von ECR betrachtet werden können, vermitteln. Die Arbeit kann auch Unternehmen bei der Implementierung von ECR als Hilfsmittel dienen, um einen Einblick in die Rahmenbedingungen zu erhalten, die verschiedenen Bestandteile kennenzulernen, mögliche Ertragssteigerungen, aber auch Probleme zu erfassen und eine Vorstellung über den zeitlichen Ablauf der Einführung von ECR zu bekommen.

Im ersten Teil der Arbeit wird die wirtschaftliche Situation auf dem deutschen Lebensmittelmarkt aufgezeigt, die die Hersteller und Händler zu einer veränderten strategischen Ausrichtung ihrer Unternehmenspolitik zwingt.

Anschließend wird zunächst ECR als ein kunden- und prozeßorientiertes Konzept vorgestellt. Die Besonderheit liegt in der systemübergreifenden Optimierung sämtlicher Wertschöpfungsprozesse. Danach folgt eine Darstellung der Faktoren, die für eine erfolgreiche Realisierung von ECR innerhalb und im Umfeld der Unternehmung vorhanden sein müssen.

Im Hauptteil werden die vier ECR-Hauptstrategien vorgestellt. Sie betreffen den Informations- und Warenfluß im Rahmen einer Effizienten Distribution, die Effiziente Sortimentsgestaltung, die Effiziente Produktentwicklung und -einführung, sowie die Effiziente Verkaufsförderung. Basis jeder Strategie ist eine auf gegenseitigem Vertrauen beruhende Kooperation zwischen den Marktparteien.

Im Anschluß an die Deskription der Strategien und deren Sub-Strategien werden neben den für ECR notwendigen Investitionen ausführlich die Rationalisierungsmöglichkeiten innerhalb der Kooperation aufgezeigt. Es folgt eine Beschreibung der verbesserten Nutzenstiftung für den Konsumenten. Zum Abschluß dieses Kapitels wird darauf eingegangen, daß ECR nicht nur Verbesserungen mit sich bringt, sondern auch Probleme aufwerfen kann und deshalb noch ausbaufähig ist.

Zum Abschluß erfolgt die Darstellung eines in einzelne Phasen gegliederten Ablaufschemas, das von einem Unternehmen bei der Implementierung von ECR als Leitfaden verwendet werden kann und den ungefähren Zeitaufwand determiniert.

2. Entwicklungstendenzen in der Beziehung zwischen Hersteller und Handel

2.1 Wirtschaftliche Situation im Lebensmittelbereich

Der deutsche Einzelhandel, insbesondere der Lebensmitteleinzelhandel befindet sich in einer schweren Krise. Erstmals seit 30 Jahren mußte die Branche im Jahr 1993 einen Umsatzrückgang hinnehmen.[2] Dieser Trend setzte sich 1994 fort; 1995 wurde zwar ein nominales Umsatzplus von 2,2 Prozent gegenüber dem Vorjahr erzielt, das jedoch real eine Umsatzschmälerung war.[3]

Auch in der Ernährungsindustrie stagniert der Markt.[4] Die Hersteller konnten 1995 nominal ein Wachstum von 2,8 Prozent erzielen, real bedeutete dies allerdings ein Nullwachstum.[5]

Für diese negative Entwicklung ist zum Teil die größte Rezession seit der Währungsreform verantwortlich.[6] Das Realeinkommen der privaten Haushalte sank in den letzten Jahren. Lebenshaltungskosten[7], Steuern und Abgaben nahmen stärker zu als die Nominallöhne und die Arbeitslosigkeit stieg an. Neben der Tatsache, daß die Konsumenten weniger Geld zur Verfügung hatten, setzte zusätzlich eine Wandlung ihrer Kaufgewohnheiten ein. Gaben die Verbraucher 1970 noch 42 Prozent ihres verfügbaren Einkommens für den Handel aus, so waren es 1994 nur noch 38 Prozent.[8] Der Anteil des Privaten Verbrauchs am Bruttoinlandsprodukt sank 1994 auf 55,2 Prozent.[9] Der Private Verbrauch stieg 1994 im Verhältnis zum Vorjahr lediglich um 3,5 Prozent und für 1995 wurde sogar nur noch ein Zuwachs von 1,5 Prozent erwartet.[10]

Die verminderte Nachfrage auf dem Lebensmittelmarkt führte zu einem erheblichen Druck auf die Umsätze sowohl im Lebensmitteleinzelhandel (siehe Tab. 1) als auch in der Lebensmittelindustrie. Zwei Indikatoren für den Umsatzrückgang in der Lebensmittelbranche stellen die Relationen von Umsatz zu Bruttoinlandsprodukt bzw. Privatem Verbrauch dar. Erzielte 1990 der Einzelhandel mit Nahrungs- und Genußmitteln noch einen Umsatzanteil von 8,1 Prozent am Bruttoinlandsprodukt, so betrug dieser Wert 1994 nur noch 6,9 Prozent. Im gleichen Zeitraum sank der Umsatzanteil am Privaten Verbrauch von 15,0 auf 12,4 Prozent.[11] Der Lebensmitteleinzelhandel war zwar nach wie vor die umsatzstärkste Branche des gesamten Einzelhandels, die Situation gab aber dennoch Anlaß zu reagieren.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Tab. 1: Umsatzentwicklung im Lebensmitteleinzelhandel 1985 - 1994 im Vergleich zum Einzelhandel insgesamt (Quelle: BVL, 1995, S. 42)

Die unbefriedigende Umsatzentwicklung im Lebensmittelhandel löste eine neue Welle des Verdrängungswettbewerbs aus.[12] „Bisher nicht gekannte Preiskämpfe mit Sonderpreisen, Aktionspreisen, Preisabschriften und Preisen unter Einstand kennzeichneten den Markt.“[13] Einige Produkte wurden zu Vorkriegspreisen angeboten. Der Handel versuchte nicht nur mit Hilfe von Billigprodukten und Handelsmarken verlorenen Boden wieder gutzumachen, sondern hauptsächlich durch den Einsatz preisaggressiver Werbemaßnahmen bei Markenartikeln.[14] Diese Entwicklung war für den Verbraucher sehr angenehm. Die niedrigen Preise im Lebensmittelbereich sorgten dafür, daß sich im Jahresdurchschnitt 1994 sowohl der Preisindex für die Lebenshaltung als auch der Index der Einzelhandelspreise bei Nahrungs- und Genußmitteln nur geringfügig erhöhten (siehe Tab. 2). Somit trug der Lebensmitteleinzelhandel 1994 in hohem Maße zum Abbau der Inflationsrate bei und wirkte stabilisierend auf das Preisniveau insgesamt.

Die gesamtwirtschaftlich vorbildliche Rolle der Branche mußte jedoch mit einem hohen Druck auf Handelsspannen und Erträge bezahlt werden. Diese Entwicklung resultierte nicht nur aus Umsatzeinbußen, sondern auch aus dem Anstieg der Kosten, insbesondere der Personalkosten.[15] Betrug 1990 das Steuerliche Betriebsergebnis des Lebensmitteleinzelhandels noch 2,3 Prozent des Umsatzes, so lag diese Kennzahl 1993 nur noch bei 1,8 Prozent. Das Betriebswirtschaftliche Betriebsergebnis lag sogar bei -2,9 Prozent.[16]

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Tab. 2: Entwicklung der Lebenshaltungskosten und Einzelhandelspreise 1985 - 1994 in Westdeutschland (Veränderung gegenüber dem Vorjahr in %) (Quelle: BVL, 1995, S. 52f.)

Als Folge dieses unerbittlichen Preiskampfs kam es zu einer Strukturverschiebung im Betriebstypengeflecht.[17] Während 1994 ungefähr 2600 Einzelhandelsgeschäfte schließen mußten[18] und sich vor allen Dingen die Anzahl der kleinen Geschäfte verringerte, ging die Vertriebsschiene der Billiganbieter, der sogenannten Discounter, als Sieger des Verdrängungswettbewerbs hervor. Discounter bringen ihre Produkte nicht nur zu einem 20 bis 30 Prozent niedrigerem Preis auf den Markt, ihre Produkte liegen qualitativ auch über dem Durchschnitt.[19] Im Vergleich zu anderen Lebensmitteleinzelhandelstypen steigerte sich ihr Marktanteil bzgl. des Umsatzes in den letzten Jahren kontinuierlich auf ca. 27 Prozent im Jahr 1994 (siehe Abb. 1). Der erfolgreichste Discounter in Deutschland ist Aldi, dessen Marktanteil im Discountersegment fast 50 Prozent beträgt.[20] In einzelnen Produktbereichen, wie z. B. Dosenfleisch, hat Aldi einen auf den Umsatz bezogenen Marktanteil von 43 Prozent.[21]

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Abb. 1: Strukturzahlen des Lebensmitteleinzelhandels 1994 nach Einzelhandelstypen (Marktanteile in %) (Quelle: BVL, 1995, S. 14)

Auch 1996 wird die negative Entwicklung im Lebensmitteleinzelhandel weiter anhalten. Zwar führt die Steuer- und Abgabenentlastung beim Verbraucher zu einem potentiellen Kaufkraftzuwachs von einem Prozent des verfügbaren Einkommens;[22] der jedoch nicht dem Einzelhandel zugute kommt. Die Anschaffungsneigung der Konsumenten, die monatlich von der GfK-Marktforschung ermittelt wird, verschlechtert sich weiterhin.[23] Mit einer Belebung des Konsumklimas ist frühestens 1997 zu rechnen.[24]

2.2 Veränderte strategische Ausrichtung bei Hersteller und Handel

2.2.1 Konzentration und Internationalisierung

Als logische Konsequenz des Preiskampfs in der Lebensmittelbranche und des daraus resultierenden Verdrängungswettbewerbs, versuchten sowohl die Industrie als auch der Handel, durch den vermehrten Einsatz von Konzentrations- und Internationalisierungsstrategien eine Verschiebung des Machtgefüges zu ihren Gunsten zu erzielen.

Im Zuge der Konzentration trat an die Stelle atomisierter Märkte eine mehr und mehr oligopolistische Struktur.[25] Von 1991 bis 1995 verringerte sich die Anzahl der Lebensmitteleinzelhandels-Geschäfte von 92.000 auf 76.000[26] und wird nach Meinung des Marktforschungsunternehmens Nielsen bis zum Jahr 2000 sogar auf 50.000 zurückgehen.[27] Gleichzeitig steigerten die Handelsunternehmen, die sich am Markt behaupten konnten, ihre Umsatzanteile. Die fünf größten Unternehmen konzentrierten im Jahr 1994 bereits 59,9 Prozent des Lebensmittelumsatzes auf sich; auf die zehn größten Anbieter entfielen 79,3 Prozent. Während die 40 nachfolgenden Mitbewerber noch 18,5 Prozent des Markts unter sich aufteilten, blieb für den großen Rest von 140 Marktteilnehmern nur noch ein Anteil von 2,2 Prozent (siehe Abb. 2).[28]

Unter den Handelsgiganten baute die Handelsgruppe Metro/Asko ihre Vormachtstellung in den letzten Jahren weiter aus. Interessant war auch die Entwicklung der Discounter Aldi und Lidl & Schwarz, die stärkere Zuwachsraten als die typischen Lebensmittelgeschäfte aufwiesen und vor allem den Kaufhäusern Umsatzanteile entziehen konnten (siehe Abb. 3).[29] Die Ursachen für die Konzentration waren neben den unternehmensinternen Kostenvorteilen („economies of scale”) und den größeren Einkaufsvolumen[30] hauptsächlich Marktanteils- und Marktbesetzungsziele[31]. Um diese Ziele verwirklichen zu können, kam es in den letzten Jahren zu einer Reihe von Fusionen und Aufkäufen, durch die der Handel die Machtstruktur zu seinem Vorteil veränderte.[32]

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Abb. 2: Umsatzkonzentration im deutschen Lebensmitteleinzelhandel von 1990 - 1995 (Quelle: M + M EUROdata)

Parallel zu der Konzentration im Handel ist es auch in der Lebensmittelindustrie verstärkt zu Übernahmen und Zusammenschlüssen gekommen.[33] Quer durch alle Branchen war eine gewaltige Markt- und Machtkonzentrationswelle zu beobachten.[34] Betrachtet man als Beispiel für den Non-food-Markt die Warengruppe der Wasch-, Putz- und Reinigungsmittel, so teilten sich hier die vier führenden Unternehmen 75 Prozent des Markts.[35] Auch im Food-Sektor waren Konzentrationsentwicklungen erkennbar. Beispielsweise im Marktsegment der Suppen erzielten Maggi und Knorr bereits 1991 einen Marktanteil von insgesamt 80 Prozent.[36] Übernahmen, wie zuletzt Schöller von Südzucker, traten immer häufiger auf. Als Folge der Herstellerkonzentration einerseits und der Händlerkonzentration andererseits, werden auf dem Lebensmittelmarkt in Zukunft verstärkt bilaterale Oligopole zu beobachten sein.[37]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Umsatzentwicklung der acht größten deutschen Handelsunternehmen im Vergleich von 1995 zu 1991 (Quelle: M + M EUROdata)

Begleitet wurde der Konzentrationsprozeß in Industrie und Handel von einem Trend zur Internationalisierung.[38] Unter den acht größten deutschen Handelsunternehmen waren 1994 außer Karstadt/Hertie alle im europäischen Ausland aktiv und zählten in Europa zu den führenden Lebensmittelhändlern. Obwohl die Unternehmen den Hauptteil ihres Umsatzes immer noch im Stammland Deutschland erzielten, wird sich dieser Anteil im Laufe der Zeit zu Lasten des Stammlands verändern (siehe Tab. 3). Am stärksten expandierten im Ausland die Discounter. So ist mittlerweile Lidl & Schwarz in Italien Marktführer im Discountbereich.[39] Neben den Aktivitäten der deutschen Lebensmittelhändler in den EU-Staaten, versuchen derzeit viele Unternehmen auch in Osteuropa Fuß zu fassen. Die osteuropäischen Märkte werden als starke Wachstumsmärkte gesehen.[40] Besonders Ungarn und Polen, wo Metro bzw. Allkauf schon Marktführer sind, gelten neben der Tschechischen Republik als besonders attraktiv.[41]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

1) Aufgeführt sind die Länder, in denen das Unternehmen tätig ist; der Sitz befindet sich im erstgenannten Land; 2) Europa-Umsatz Lebensmittel und Nicht-Lebensmittel; 3) Nur Lebensmittelumsätze; 4) Kein Auslandsumsatz, da nur Minderheitsbeteiligung in GB bzw. in anderen Märkten erst 1995 Umsätze erzielt werden; 5) Nur geringe Umsätze mit Lebensmitteln

Tab. 3: Die größten Lebensmittelhändler Europas im Jahr 1994 (Quelle: M + M EUROdata)

Die Gründe für ein verstärktes Engagement im Ausland können sehr unterschiedlich sein. Zum einen versprechen sich die Handelsunternehmen eine Sicherung der Beschaffungsmärkte (Osteuropa), zum anderen eine Verbesserung der Handelsmargen,[42] die in Deutschland im Durchschnitt mit 0,4 bis 0,5 Prozent[43] sehr niedrig im Vergleich zu anderen europäischen Ländern sind (6 bis 8 Prozent)[44]. Weitere Ursachen sind die Risikostreuung, das Übertragen von Erfahrungen von einem Land auf das andere, eine auf Wachstum, insbesondere Marktanteilssteigerungen, aufgebaute Unternehmenspolitik[45], sowie die Gegenreaktion auf ausländische Investitionen in Deutschland.

Die internationale strategische Ausrichtung eines Handelsunternehmens kann verschiedene Formen annehmen:

- s chwache und mittlere Kooperation (Metro und Carrefour[46], Interspar)
- Joint-venture (Metro und Carrefour zur Entwicklung von SB-Warenhäusern in Italien[47] )
- Beteiligung und Akquisition (Tengelmann akquirierte 36 Discount-Läden von der Wedel & Dick Handelsgruppe in Österreich.[48] )
- Filialisierung (Aldi erweitert sein Filialnetz europaweit.[49] ).

Bei der Internationalisierung werden Marktinstrumente z. T. global standardisiert oder lokal differenziert eingesetzt.[50] Trotz der Einführung des EG-Binnenmarkts bleiben die Endverbraucherinteressen hoch individualisiert, wodurch der Grundsatz „all business is local“ sowohl im Marketingbereich als auch bei der Beschaffung erhalten bleibt.[51] Allerdings müssen die Lebensmittelhändler bestimmte Prozesse, wie z. B. den Informationsaustausch, zunehmend zentral steuern.[52]

Hinsichtlich des Konzentrationsgrads bestehen in Europa sehr deutliche Unterschiede. In der Rangliste der Umsatzanteile der fünf führenden Lebensmittelhändler am gesamten Branchenumsatz eines Lands lag 1993 Schweden mit 94 Prozent eindeutig an der Spitze. Im Mittelfeld rangierten u. a. Großbritannien (64 Prozent), Deutschland (60 Prozent) und Frankreich (53 Prozent). Am unteren Ende der Skala befand sich Italien mit 20 Prozent Umsatzanteil.[53]

Nicht nur auf seiten des Lebensmittelhandels, sondern auch auf der Herstellerseite wurde die Internationalisierung forciert. In den letzten Jahren kam es zu einer Reihe von Akquisitionen. So gehören inzwischen die traditionsreichen Hersteller Jacobs, Suchard, Hag und Kraft zum amerikanischen Konzern Philip Morris. Auch deutsche Industrieunternehmen engagierten sich im Ausland; so übernahm die Konfitürenfabrik Schwartau unlängst den schweizerischen Konzern Hero.[54] Durch die immer weiter fortschreitende Internationalisierung erhöhte sich der Konzentrationsgrad in der Industrie rascher als beim Handel. „Die sieben größten europäischen Lebensmittelhersteller, darunter Nestlé, Unilever, BSN und Philip Morris erreichen inzwischen das gleiche Umsatzvolumen wie der gesamte westdeutsche Lebensmittel-Einzelhandel.“[55]

Diese Entwicklungen, sowohl auf der Herstellerseite als auch auf seiten des Handels, bergen ein hohes Konfliktpotential und erfordern eine veränderte strategische Ausgestaltung der Hersteller-Handelsbeziehung.

2.2.2 Verbraucherorientierung

Im Zuge von Selbstbedienung, Konzentration, Filialisierung und Großflächenentwicklung ist die Nähe zum Kunden verlorengegangen. Kannte früher das Verkaufspersonal im „Tante-Emma-Laden“ durch Gespräche mit den Kunden dessen Wünsche genau, geht diese Informationsquelle dem Handel heute fast vollkommen verloren.[56] Dabei haben seit einigen Jahren die Informationen über das Käuferverhalten enorm an Bedeutung gewonnen, da der Verbraucher immer mehr in den Mittelpunkt des Marktgeschehens rückt. Bestimmte vor zwanzig Jahren der Anbieter, welche Produkte auf den Markt kommen, so zählt heute nur noch die Meinung des Kunden;[57] der einstige Verkäufermarkt hat sich zum Käufermarkt gewandelt.

Der Kontakt zum Kunden ist um so wichtiger, wenn das sich ständig verändernde Verbraucherverhalten im Rahmen der Marktbearbeitung von Hersteller und Handel berücksichtigt werden soll. Gerade in den letzten Jahren hat sich die Verhaltensweise des Konsumenten drastisch geändert. Der Käufer reagiert viel sensibler auf Preisveränderungen als noch zu Beginn der 90er Jahre, da sein Realeinkommen in den letzten Jahren gesunken ist.[58] Außerdem werden die Verbraucher immer anspruchsvoller, sowohl was die Sortimentsverfügbarkeit als auch die -dynamik anbelangt.[59] Hohe Qualität und Frische der Waren werden ebenso vorausgesetzt wie die Umweltverträglichkeit der Verpackungen. Darüber hinaus ist eine abnehmende Einkaufsstätten- und Markentreue zu verzeichnen und für den Verbraucher ist die schnelle und einfache Erledigung des Einkaufs das vorrangige Beurteilungskriterium bei der Wahl der Einkaufsstätte.[60] Schließlich ist in der Gesellschaft ein Trend zur Massenindividualisierung festzustellen. Das Verhalten des Käufers wird immer differenzierter und kurzlebiger und macht eine exakte Marktbeobachtung von Industrie und Handel erforderlich.[61]

Jedoch gibt es in bezug auf die Verbraucherorientierung immer noch große Defizite bei Hersteller und Handel. Häufig produziert die Industrie an den Kundenwünschen vorbei. Die Lebensmitteleinzelhändler halten zwar die Freundlichkeit ihres Personals und gute Serviceleistungen für erfolgsentscheidend, jedoch treten bei der Umsetzung oft Mängel auf. Vor allen Dingen das in seiner Anzahl sowieso schon stark reduzierte Verkaufspersonal gibt Anlaß zu Unzufriedenheit unter den Verbrauchern. So ergab eine Umfrage im Facheinzelhandel, daß 47 Prozent der Befragten mit den Verkäuferleistungen nicht zufrieden sind. Verantwortlich für diese Misere sind zum einen die Führungskräfte, denn lediglich 58 Prozent der Händler weisen ihren Verkaufsmitarbeitern die Aufgabe zu, Kundenwünsche aufzunehmen und weiterzuleiten, zum anderen die veraltete Ausbildung der Verkäufer, deren Berufsbild im Jahr 1968 festgelegt wurde.[62]

Um den Kunden in den Mittelpunkt der Aktivitäten von Industrie und Handel zu plazieren, werden derzeit unterschiedliche Maßnahmen zur Verbesserung der Verbraucherorientierung ergriffen. So wurden Umfragen gestartet, die das veränderte Kaufverhalten erforschen sollen.[63] Eine weitere Maßnahme ist die Durchführung von Kunden-Loyalitäts-Programmen, deren Ziel es ist, den Kunden an das Produkt und das Geschäft zu binden. Grundlage für diese Treueprogramme sind Kundenkarten, auf deren Basis gezielte Marktforschung, kundengerechte Produktneueinführungen, Kombinationsangebote, zielgruppenspezifische Werbung und Direct-Mailing-Aktionen möglich sind.[64] Unterstützt werden die Programme durch die Auswertung von Scannerdaten, die am Point of Sale (POS) erhoben werden[65].

Ein weiteres Kriterium für die Wahl seiner Einkaufsstätte, stellt für den Verbraucher die Wartezeit dar. Um Warteschlangen an den Kassen zu verkürzen, werden in Zukunft Lichtschranken im Eingangsbereich die Kundenzahl messen, um die Kassenbesetzung der Kundenfrequenz besser anzupassen.[66]

Durch die Abschaffung des Ladenschlußgesetzes soll dem Verbraucher die Möglichkeit gegeben werden, seine Einkäufe flexibler zu tätigen. Außerdem würde der Einzelhandel die Möglichkeit erhalten, mit den deutlich erstarkten Tankstellenshops und Kiosken zu konkurrieren.[67] Jedoch nicht nur die politischen Parteien sind sich bei der Ratifizierung des Gesetzes nicht einig, sondern auch innerhalb des Handels besteht Uneinigkeit. Durch Rücksichtnahme auf die Arbeitszeiten der Angestellten im Handel wird eventuell eine Chance verspielt, wieder mehr Verbraucherausgaben auf den Handel zu ziehen.[68]

Um seine Strukturen besser an die Kunden anzupassen, muß vor allem das Management der Handelsunternehmen neue Akzente setzen. Einige Unternehmen befinden sich auf dem richtigen Weg, indem sie z. B. die Kundenorientierung als Leitmotiv in ihre Unternehmensphilosophie aufnehmen[69] oder ihr Verkaufssystem flexibler, vertriebsorientierter und dezentraler gestalten.[70] Am wichtigsten erscheint allerdings die Umstrukturierung der Organisation. Im Rahmen eines neuen Organisationskonzepts, dem Category Management[71], erhält ein Manager neben der Einkaufs- auch die Vertriebsverantwortung.[72] Dies zwingt den Händler, intensiver mit den Herstellern zusammenzuarbeiten, damit das Ziel der verbesserten Verbraucherorientierung umgesetzt werden kann.

2.2.3 Vertikale Kooperation

Die verschärften Wettbewerbsbedingungen, zunehmende Konzentration und Internationalisierung, differenzierte Kundenanforderungen sowie neue technologische Innovationen erfordern eine Umgestaltung der Hersteller-Handelsbeziehung in der deutschen Lebensmittelbranche.[73] Dazu dient die Kooperation als strategische Option. Unter Kooperation versteht man eine Politik, die sich mit der Gestaltung der Bindungen zwischen horizontalen oder vertikalen Marktpartnern befaßt[74] und zu einer effizienteren Realisierung der von den beteiligten Unternehmen gesetzten Ziele beitragen soll. Eine Kooperation hat einerseits die Verringerung der Autonomiegrade der Beteiligten und andererseits, im Falle einer stabilen Kooperation, die Reduktion von Konflikten zur Folge.[75]

Kooperationsbeziehungen aus der Sicht von Handelsunternehmen lassen sich folgendermaßen gliedern:

- Vertikale Kooperation
- Vorwärts-Kooperation (mit Kunden)
- mit Endkunden
- mit nachgelagerten Händlern
- Rückwärts-Kooperation (mit Lieferanten)
- mit Herstellern
- mit vorgelagerten Händlern
- Horizontale Kooperation (mit anderen Händlern)
- mit Wettbewerbern
- mit nicht um dasselbe Geschäft konkurrierenden Händlern
- Laterale Kooperation (mit neutralen Organisationen).[76]

Um die Beziehung zwischen Hersteller und Handel im Lebensmittelbereich zu optimieren, bietet sich die vertikale Kooperation an. Voraussetzung ist allerdings eine harmonische Zielbeziehung, die für jeden Beteiligten wirtschaftliche Vorteile bringt.[77]

Das Verhältnis zwischen Handel und Hersteller war in der Vergangenheit gekennzeichnet von mangelndem gegenseitigen Vertrauen und von scheinbar unüberwindbaren Zielkonflikten.[78] So versuchten die Hersteller ihr Produkt zu fördern, während für den Handel das Produkt nur Mittel zur Steigerung des Sortimentsgewinns bzw. des Images seiner Einkaufsstätte war.[79] Ein weiteres Konfliktfeld stellte die Preispolitik dar. Bei den Herstellern von Markenartikeln löste eine vom Handel initiierte Niedrigpreiskampagne meist Irritationen aus, da ein Imageverlust des Markenartikels befürchtet wurde.[80]

Beide Parteien strebten nach optimalem Gewinn und Unabhängigkeit; entwickelte ein Lebensmittelhersteller ein neues Produkt, so geschah dies meistens ohne die Einbeziehung des Handels. Andererseits war der Handel oft nicht bereit, seinen durch den Einsatz von Scannerkassen erzielten Informationsvorsprung an den Hersteller weiterzugeben.[81] Ihre Konflikte versuchten sie hauptsächlich durch Machtpolitik zu lösen. Machtinstrument der Industrie war dabei insbesondere die Stärke der Markenartikel; demgegenüber stand die durch Umsatzkonzentration entstandene Nachfragemacht des Handels.[82]

1986 entwickelte der größte amerikanische Einzelhändler Wal-Mart ein Kooperationsprogramm, das zur Harmonisierung der bis dahin herrschenden Divergenzen dienen sollte und seitdem gilt Wal-Mart als Pionier der Intensivierung der Hersteller-Handels-beziehung.[83] Durch den Wandel vom Beeinflussungs- zum Beziehungsmanagement sollten Wettbewerbsvorteile durch stärkere Verbraucherorientierung und Rationalisierungsmaßnahmen erzielt werden.[84] Erst zu Beginn der neunziger Jahre setzte auch in Deutschland eine Entkrampfung des Verhältnisses zwischen Hersteller und Handel ein.[85] Vor allen Dingen in Deutschland tätige US-Lebensmittelhersteller, wie Colgate oder Procter & Gamble, waren die Initiatoren einer neuen intensiveren Form der Kooperation auf dem Lebensmittelmarkt.[86]

Anstelle der autonom bestimmten Ziele, erfolgt die Festlegung der Unternehmensziele bei der vertikalen Kooperation unter Berücksichtigung beider Marktpartner. Folgende Ziele sind hierbei von Bedeutung:

- Stabilisierung der Kooperation auf mehrere Jahre und bewußte Auswahl eines moti-vierten Partners[87]
- Beseitigung des vertikalen Gewinnstresses und Beachtung der Spannenziele von Hersteller und Handel
- Harmonisierung der Strategien im vertikalen Absatzkanal und Vermeidung von Doppelaktivitäten
- beim Marketing
- bei der physischen Distribution
- beim Informationsfluß
- Vereinfachung und stromlinienförmige Gestaltung aller Abläufe über die Grenzen bisheriger Institutionen und Entscheidungsträger hinaus.[88]

Kooperationsmöglichkeiten im Rahmen einer gezielten Systemvernetzung zwischen Hersteller und Handel existieren an verschiedenen Schnittstellen, wie z. B. Logistik, Sortimentsgestaltung, Informationswirtschaft, Produktentwicklung und -entsorgung, Werbung und Verkaufsförderung.[89] Ein weiterer wichtiger Bereich ist die Preis- und Konditionenpolitik.[90]

Die modernen Formen der vertikalen Kooperation lassen sich je nach Initiator in folgende Konzepte unterteilen:

1. Handelsinitiierte Strategien; hierzu zählen Reverse Marketing, Lieferantenko- operation und Warengruppenmanagement des Handels
2. Herstellerinitiierte Strategien, wie z. B. Kategoriemanagement, Trade Marke- ting, Neo-Key-Accounting sowie als konsequente Endstufe der vertikalen Ko- operation das straffe Kontraktmarketing.

„Reverse Marketing ist eine aktive Lieferantenpolitik der Handelsunternehmen, bis hin zur Auftrags- und Vertragsproduktion der vom Handel entwickelten Produkte.“[91] Der Einzelhandel versucht, auftretende Schwierigkeiten bei der Beschaffung zu minimieren, indem er bestimmte Anforderungen an den Hersteller stellt und langfristig mit seinem Zulieferer zusammenarbeitet. In diesem Zusammenhang gewinnt das Konzept des Single Sourcing durch die Vereinbarung von Exklusivitätsverträgen auch im Einzelhandel an Bedeutung.[92]

Die Lieferantenkooperation ist eine neuartige Kooperationsform in der Lieferantenpolitik. Der Lebensmitteleinzelhandel kauft nicht nur Waren beim Hersteller, sondern er kooperiert mit der Industrie in Bereichen wie Kundenberatung, Finanzierung, Produktdesign und Produktion.[93] Der amerikanische Einzelhändler Wal-Mart hat mit seinen Lieferantenläden einen Betriebstyp geschaffen, der auf einer neuartigen Form der Partnerschaft mit den Lieferanten aufbaut. Um sowohl den Kunden besser bedienen zu können als auch höhere Umsätze zu erzielen, überläßt Wal-Mart seinen Vertragslieferanten auf einer doppelten Verkaufsfläche das Merchandising ihrer Produkte und erlaubt ihnen somit moderne Präsentationstechniken zu testen.[94]

Auch das Warengruppenmangement des Handels (Grocery Category Management) kann als kooperative Aufgabe zwischen Industrie und Handel verstanden werden.[95] Im Rahmen von Verhandlungen vereinbaren die Partner, wer welche Leistungen übernimmt; ausschlaggebend sind konkrete Leistungsvorteile hinsichtlich Marktwirtschaftlichkeit und Kosteneffizienz. Dabei bilden nicht der einzelne Artikel, sondern die Warengruppe (z. B. sämtliche Biskuit-Produkte oder Haarpflege-Artikel) den Mittelpunkt. Umsätze, Gewinne, Jahrespläne und die Beziehungen zu den Lieferanten sind warengruppenspezifisch festzulegen.[96]

Als herstellerinitiierte Strategie steht dem Warengruppenmanagement das Kategoriemanagement (Category Management) gegenüber. Als Weiterentwicklung des Produktmanagements und des Key Account Managements soll das Kategoriemanagement größere Kunden- und Wettbewerbsnähe dadurch garantieren, daß Produkte anhand von definierten Kundenbedürfniskategorien (Kategorie = Warengruppe) zusammengefaßt werden.[97]

Das Konzept des Trade Marketing hat das Ziel, „bei selektierten Einzelhandelsunternehmen präferierter Hersteller zu sein.“[98] Im Gegensatz zum Consumer Marketing, das sich an den Bedürfnissen des Verbrauchers orientiert, ist das Trade Marketing handelskundenbezogen ausgerichtet. Neben der Erschließung neuer Marktfelder und der Behauptung vorhandener Marktfelder, dient das Trade Marketing vor allem durch die Festigung der Hersteller-Handelsbeziehung der Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit des Unternehmens.[99]

Neo-Key-Accounting ist eine intensivere Form der vertikalen Kooperation. Bei dieser Art der Partnerschaft entsenden Lebensmittelhersteller Key-Accounter in die Zentralen der großen Handelsunternehmen. Seit Oktober 1991 sitzen beispielsweise Großkundenbetreuer von Procter & Gamble und Henkel in den Räumen von Rewe.[100] Beide Seiten versprechen sich von der Partnerschaft eine Reduzierung der Reklamationen und der Lagerbestände sowie eine verbesserte Auswertung der Scannerdaten.[101]

Die Zusammenarbeit zwischen Industrie und Handel ist beim straffen Kontraktmarketing am weitesten fortgeschritten. Hier werden die Umsatzanteile je Artikel für künftige Perioden im Rahmen des planverarbeiteten Marketing zwischen Hersteller und Handel festgelegt, und zwar sowohl für die Artikel des Vertragspartners als auch für andere warengruppenrelevante Hersteller. Außerdem werden vertraglich fixierte Vereinbarungen getroffen in bezug auf:

- Ausschließlichkeitsgrade bestimmter Artikel
- Markenartikel- und Handelsmarkenartikelpolitik
- Kommunikation zwischen den Vertragspartnern und Informationsaustausch
- kooperative Werbemaßnahmen
- Art der Transport- und Lagerleistungen
- Serviceprogramme
- Warenplazierung

Es kommt zu einer Ziel-, Strategie- und Gewinnharmonisierung durch gemeinsames Streben nach Erzielung eines geplanten Gewinns. Entwickelt wurde diese Strategie 1990 vom Handelsunternehmen dm.[102]

Die modernen Formen der vertikalen Kooperation in der deutschen Lebensmittelbranche sind erst in den Ansätzen ausgelotet. Viele Unternehmen stehen der Entwicklung aufgrund der unterschiedlichen Philosophie von Hersteller- und Handelsunternehmen skeptisch gegenüber.[103] Obwohl bei einer europaweiten Untersuchung der Coca-Cola Retailing Research Group - Europe (CCRRGE) 82,5 Prozent der Lieferanten eine Kooperation mit Händlern positiv bewerten, sind 1993 erst 50 Prozent der befragten Hersteller und Händler in Logistik-Kooperationsprojekten und 46 Prozent in Marketing-Koopera-tionsprojekten engagiert. Diese Zahl wird zwar bis 1996 auf ungefähr 65 bzw. 58 Prozent ansteigen,[104] jedoch ist auch dieser Anteil angesichts der Möglichkeit, Erträge und Kundenzufriedenheit zu erhöhen, viel zu gering. Besonders deutsche Unternehmen haben im Vergleich zu ihren französischen und britischen Konkurrenten erheblichen Nachholbedarf.

Um die noch brach liegenden Rationalisierungspotentiale zu erschließen und den Verbraucher stärker zu berücksichtigen, wurde zu Beginn der 90er Jahre im US-Lebensmittelsektor ein Kooperationskonzept für Hersteller und Händler entworfen: Efficient Consumer Response (ECR). Das Konzept verfolgt das Ziel, „die richtigen Produkte, zum richtigen Zeitpunkt, in optimalen Mengen und mit geringen Kostenaufwand befördert, dem Kunden zur Verfügung zu stellen.“[105]

3. Efficient Consumer Response (ECR)-Konzept und Erfolgsfaktoren für die Kooperation zwischen Hersteller und Handel

3.1 ECR - Business Reengineering in der Lebensmittelbranche

ECR, ins Deutsche übersetzt „Effiziente Reaktion auf die Kundennachfrage“, ist ein Konzept in der Lebensmittelbranche, das kooperative Strategien zwischen Industrie und Handel bündelt, um die Verbraucherzufriedenheit zu steigern.[106] Die gesamte Wertschöpfungskette zwischen Industrie und Handel soll firmenübergreifend optimiert werden, mit dem Ziel, individueller auf die Kundennachfrage zu reagieren und bisher nicht genutzte Rationalisierungspotentiale auszuschöpfen.[107]

Der Ursprung von ECR liegt wie der der meisten Managementkonzepte in den USA. Als am Ende des letzten Jahrzehnts der amerikanische Einzelhandelsriese Wal-Mart durch ein intensives Partnering mit Procter & Gamble erhebliche Kostensenkungen erzielte und dementsprechend auch überdurchschnittliche Renditen erwirtschaftete, war die Konkurrenz zum Handeln gezwungen.[108] Mitte des Jahres 1992 initiierte das Food Marketing Institute (FMI) das erste ECR-Projekt, an dem führende US-Lebensmittelhändler und -hersteller teilnahmen. Unter der Projektleitung des Consulting-Unternehmens Kurt Salmon Associates wurden intensive Studien durchgeführt, die 1993 erstmals veröffentlicht wurden und seitdem als Grundlage für spätere Untersuchungen gelten.[109] Für den europäischen Markt liegt seit Mitte 1994 eine entsprechende Studie der CCRRGE vor,[110] und seit 1995 gibt es auch in Deutschland ein nationales ECR-Komitee, das sich aus Vertretern namhafter Markenartikelunternehmen und Händlern unter Mitwirkung des Europäischen Handelsinstituts Köln zusammensetzt.[111]

Für ECR erscheinen in der Literatur verschiedene Synonyme; die häufigsten sind Supply Chain Management (Lieferketten-Management) und Hersteller-Handel-Kooperation. Der Begriff ECR ist am stärksten verbreitet und betrachtet vorrangig die „downstream chain“ mit der Beziehung zwischen Hersteller und Konsument und weniger die Beziehung zu den Vorlieferanten.

Rechtliche Einwände können in Bezug auf ECR nicht erhoben werden, da es sich nicht um eine horizontale, sondern um eine vertikale Kooperation handelt. So greift der Artikel 85 (1) des EU-Vertrages (Verbot wettbewerbshindernder Vereinbarungen oder Beschlüsse) nicht, weil eine Behinderung des Wettbewerbs nicht vorliegt.

ECR baut auf den Konzepten des planverarbeitenden Marketing, des Kontraktmarketing und des Key Account Management auf. Hinzu kommt eine stark prozeßorientierte Ausrichtung, wodurch ECR als Business Reengineering für Hersteller und Handel betrachtet werden kann.[112] Zunächst müssen die Abläufe im Industrie- und im Handelsunternehmen getrennt analysiert und restrukturiert werden, um die Voraussetzung für effizientere Abläufe zwischen den Institutionen zu schaffen. Dazu zählt vor allen Dingen die Einführung von Category Management, d. h. die Bündelung der Funktionen Einkauf, Verkauf, Mer-chandising und Regaloptimierung.[113] Um sämtliche Potentiale auszuschöpfen, reicht es nicht aus, wenn die Manager lediglich in ihrem Unternehmen versuchen, die Prozesse zu optimieren.[114] Vielmehr müssen neben den unternehmensinternen auch die unternehmensexternen Grenzen zwischen den Kooperationspartnern fallen;[115] die gesamte Wertschöpfungskette muß als ganzheitlicher Prozeß gesehen werden (siehe Abb. 4).

Ausgangspunkt bei der Prozeßreorganisation muß immer der Kunde sein. Die Bedürfnisse der einzelnen Kunden müssen untersucht werden, um sie anschließend optimal zu befriedigen. Auf die Informationen vom Point of Sale , wo 80 Prozent aller Kaufentscheidungen für Lebensmittel getroffen werden,[116] müssen Hersteller und Handel schnell und flexibel reagieren.[117] Nur so sind langfristige Wettbewerbsvorteile in Form von Marktanteils- und Umsatzsteigerungen zu erzielen. Diese konsequente Ausrichtung auf den Verbraucher nutzt ECR und ersetzt die übliche „Push“-Strategie durch eine „Pull“-Strategie,[118] bei der nun der Endverbraucher sowohl die Warenauffüllung beim Händler als auch die Produktion beim Hersteller bestimmt.[119] Um dem Grundsatz „selling to the scanner“ nachkommen zu können, muß ein zeitnaher, genauer und papierloser Informationsstrom die Basis für einen auf den Kunden abgestimmten und kontinuierlichen Güterstrom sein. ECR ermöglicht somit einen Produktfluß auf Just-in-time-Basis.[120]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Waren- und Informationsfluß innerhalb der Distributionskette ohne bzw. mit ECR-Konzept (Quelle: FMI, 1994b, S. 2)

Neben der Erhöhung des Kundennutzens, stellt die Kostenreduzierung das zweite Hauptziel von ECR dar. Alle Kosten innerhalb der Absatzkette, die keine Wertschöpfung für den Konsumenten erbringen, sollen beseitigt werden.[121] Allein für den US-Lebensmittelmarkt werden Einsparungen durch ECR von ca. 30 Mrd. Dollar innerhalb von zwei bis drei Jahren erwartet; das sind rund 11 Prozent des Gesamtumsatzes.[122] In Europa sollen die Kosteneinsparungen ungefähr 3 Prozent des Umsatzes zu Verkaufspreisen ausmachen.[123] Die Kooperation zwischen Hersteller und Handel erfolgt bei ECR auf zwei Feldern:

1. Kooperation in den Bereichen Informationswesen und Logistik
2. Kooperation im Marketing

Der erste Punkt betrifft eher die technologische Seite der Rationalisierung, während die Marketingkooperationen auf die kundenorientiertere Gestaltung des Sortiments abzielen.[124] Beide Ansätze bestehen jeweils aus einzelnen Sub-Strategien, die in ihrer Gesamtheit als ECR betrachtet werden können (siehe Abb. 5). Eine einzelne Sub-Strategie kann nicht als ECR angesehen werden und führt bei einer isolierten Durchführung nicht zu den oben aufgeführten Rationalisierungseffekten.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Bestandteile von ECR

Bevor die verschiedenen ECR-Strategien von den Kooperationspartnern erfolgreich durchgeführt werden können, müssen einige Voraussetzungen geschaffen werden.

3.2 Erfolgsfaktoren für die Realisierung des ECR-Konzepts

Die Kooperation zwischen Hersteller und Handel ist ein komplexer Prozeß, mit strategischen, technologischen und menschlichen Aspekten. Die Einführung kann nicht nach einem vorgefertigten Schema erfolgen oder als Paket gekauft werden.[125] Jede Unternehmung hat unterschiedliche Voraussetzungen, Potentiale und Absichten bezüglich einer möglichen Kooperation und muß aus diesen Gründen eine detaillierte Analyse durchführen sowie alle nötigen Umstrukturierungen exakt planen. Ebenso ist es für die Unternehmen wichtig, bei der Implementierung von ECR bestimmte Change Management-Strategien anzuwenden, die sowohl intern als auch extern umgesetzt werden können. Nur durch die konsequente Umsetzung dieser Strategien und der damit verbundenen grundlegend veränderten Unternehmenspolitik, können ECR-Strategien zum Erfolg führen (siehe Abb. 6).[126]

3.2.1 Schaffung von erfolgversprechenden unternehmensinternen Rahmenbedingungen

3.2.1.1 Unterstützung des Top Managements bei der Veränderung der Unterneh-menskultur

Die notwendige Restrukturierung der gesamten Unternehmensorganisation bedarf einer uneingeschränkten Unterstützung seitens des Top Managements.[127] Die Führungsspitze muß erkennen, welches Potential vorhanden ist, welche Change Management-Strategien notwendig sind und wie die Mitarbeiter von der Notwendigkeit des ECR-Konzepts zu überzeugen sind.[128] Dies gilt für die Händler ebenso wie für die Lieferanten. Die Unterstützung des Top Managements stellt die wichtigste Change Management-Strategie dar und ist somit der bedeutendste organisatorische Erfolgsfaktor. Zu diesem Ergebnis kamen die Untersuchungen von FMI,[129] CCRRGE[130] und eine Analyse der Unternehmensberatung Roland Berger & Partner (siehe Abb. 7).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 6: ECR-Tempel des Erfolgs (Anlehnung an „Tempel des Erfolgs“ von McKinsey)

Das Top Management muß bei der Einführung von ECR nicht nur top-down-Anweisungen geben, es sollte auch versuchen, einen Sinneswandel bei den Mitarbeitern zu bewirken.[131] Eingefahrene Verhaltensweisen, wie das typische Einkäufer/Verkäufer-verhalten, müssen behutsam geändert werden,[132] denn in Veränderungen sehen viele Mitarbeiter eine Bedrohung ihres Arbeitsplatzes und somit ihrer Existenz. Jeder Mitarbeiter muß mit dem ECR-Konzept vertraut gemacht werden und über dessen Nutzen informiert sein. Nur so sind skeptische Mitarbeiter, die bei der Implementierung von ECR eine der größten Barrieren darstellen, zu überzeugen. Wie wichtig dies ist, wird auch durch eine Faustregel aufgezeigt, die die Resultate verschiedener Studien widergibt: der Erfolg von ECR hängt zu 80 Prozent von den beteiligten Menschen ab und nur zu 20 Prozent von der notwendigen Technologie.[133]

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Abb. 7: Bedeutung der verschieden Change Management-Strategien in Hinblick auf die Implementierung des ECR-Konzepts (Quelle: Lintner, A., Roland Berger & Partner (Hrsg.), o. J., S. 44)

Um eine Identifizierung der gesamten Organisation mit ECR zu erzielen, muß von seiten des Top Managements ein für Veränderungen offenes Betriebsklima geschaffen werden. Dieser Kulturwandel kann durch monetäre und nicht-monetäre Leistungsanreize, durch neue Bemessungskriterien und durch den Einsatz innovativer Entlohnungssysteme unterstützt werden. Die Vergütungen auf der Einkaufsseite müssen kompatibel zu denen auf der Verkaufsseite sein, um ein partnerschaftliches Zusammenarbeiten zu ermöglichen.

Neben der Umgestaltung des Lohnsystems muß innerhalb des Unternehmens eine verbesserte funktionsübergreifende Kommunikation stattfinden. Nur durch die Beseitigung von Kommunikationsproblemen an den internen Schnittstellen, können ganzheitliche Prozesse effizienter gestaltet und somit die Basis für eine direktere Kommunikation zwischen den Kooperationspartnern geschaffen werden. Voraussetzung für eine Beseitigung der Kommunikationsbarrieren ist die Einführung von abteilungsübergreifender Teamarbeit. Nur wenn sich die Spezialisten eines Unternehmens daran gewöhnen, mit anderen Unternehmensbereichen Informationen auszutauschen, kann es zu einem ungehinderten Informationsfluß zwischen den Partnerunternehmen kommen.[134]

Wichtigster und zugleich kostenintensivster Aspekt des kulturellen Wandels ist die permanente Investition in die Erziehung der Mitarbeiter. Das Unternehmen muß seine Angestellten gezielt ausbilden und während des Lernprozesses ein kontinuierliches Training anbieten.[135] Grundlage dieses Prozesses ist eine Kombination aus internen und externen Lernquellen (siehe Tab. 4).

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

(1) sehr hilfreich; (2) z. T. hilfreich; (3) nicht hilfreich; (4) keine Angabe

Tab. 4: Die wichtigsten ECR-Lernquellen für europäische Hersteller und Händler (Quelle: Kurt Salmon Associates, 1995, Anhang, S. 9 und 22)

Die Einbeziehung aller Mitarbeiter eines Unternehmens in den Implementierungsprozeß von ECR trägt nur dann zu einer erfolgreichen Kooperation zwischen Hersteller und Handel bei, wenn auf beiden Seiten eine effiziente Organisationsstruktur vorhanden ist.

3.2.1.2 Category Management als organisatorischer Rahmen

Category Management stellt eine Grundvoraussetzung von ECR dar, ohne die ein Ausschöpfen sämtlicher Potentiale nicht möglich ist, und wird von Handel und Hersteller gemeinsam durchgeführt. Anstatt wie bisher einzelne Produkte in den Mittelpunkt der Geschäftsbeziehung zu stellen, betrachten die Marktpartner Produktkategorien[136] und versuchen deren Erfolg zu maximieren. Bezogen auf die Wertschöpfungskette legt Category Management den Schwerpunkt mehr auf die Nachfrage- als auf die Versorgungsseite. Es besteht aus drei miteinander verbundenen Elementen: Philosophie, Prozeß und organisatorisches Konzept (siehe Abb. 8).

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Abb. 8: Elemente von Category Management

Category Management ist eine Philosophie, die Warengruppen (Kategorien) als strategische Geschäftseinheiten ansieht, um damit positivere Geschäftsergebnisse zu ermöglichen und die Verbraucherwünsche besser zu erfüllen.[137] Auf dieser Basis können sowohl Händler als auch Hersteller langfristige Wettbewerbsvorteile erzielen.

Bevor Category Management eingeführt wird, müssen sich Handel und Hersteller Klarheit über die Funktion der Kategorien in ihrer Unternehmensplanung verschaffen. Aus diesem Grund erfolgt zunächst eine Bestimmung ihrer jeweiligen Unternehmensziele, um daraus ihre individuellen Unternehmens- und Marketingstrategien abzuleiten.[138] Auf der Basis dieser individuell formulierten Strategien müssen Hersteller und Händler innerhalb eines interaktiven, multifunktionalen, verbraucherorientierten, standardisierten und kooperativen Prozesses einen strategischen Kategorie-Plan mit meßbaren Zielen entwickeln und implementieren (siehe Abb. 9).

Die Initiative zu diesem Prozeß sollte vom Handel ausgehen, da er über mehr Erfahrung bei der Gestaltung von Warengruppen (Sortimenten) verfügt.[139] Zu Beginn des gemeinsam durchgeführten Category Management-Prozesses werden die Kategorien anhand von Kaufgewohnheiten der Verbraucher definiert. Die Aufgabe der Kategorie wird unter Einbeziehung bestimmter Kriterien, wie z. B. der Positionierung der Einkaufsstätte aus Sicht des Kunden, der Reichweiten- und Frequenzdaten oder Umsatz- und Ertragszahlen, festgelegt. Innerhalb der Kategorie existieren Unterkategorien, für die ebenfalls Aufgaben festgesetzt werden.[140] Als nächsten Schritt müssen die Partner ihre Frequenz-, Umsatz-, Image- und Gewinnzi ele im Hinblick auf jede Warengruppen vereinbaren.[141] Diesem Schritt folgt die Analyse der Kategorien; hier werden im wesentlichen Trends untersucht, aus denen sich ein Stärken- und Schwächenprofil in Bezug auf den Marktanteil ableiten läßt.

[...]


[1] Im weiteren Verlauf dieser Arbeit beschränke ich mich auf die Beziehung zwischen Herstellern und Einzelhändlern in der Lebensmittelbranche. Andere Markteilnehmer (Großhändler, Han- delsmakler, Broker) bleiben unberücksichtigt, da eine Einbeziehung den Umfang der Arbeit zu stark ausdehnen würde.

[2] Vgl. o. V., 1995m, S. 29.

[3] Vgl. o. V., 1996, S. 4.

[4] Vgl. Biehl, B., 1995, S. 42.

[5] Vgl. o. V., 1995t, S. 20.

[6] Vgl. Rueß, A., 1995, S. 91.

[7] Vgl. BVL, 1995, S. 52.

[8] Vgl. o. V., 1995m, S. 29.

[9] Vgl. BVL, 1995, S. 43.

[10] Vgl. o. V., 1994f, S. 16f..

[11] Vgl. BVL, 1995, S. 43.

[12] Vgl. o. V., 1995l, S. 28.

[13] BVL, 1995, S. 12.

[14] Vgl. Franzen, H., 1995, S. 240.

[15] Vgl. Biehl, B., 1995, S. 42.

[16] Vgl. BVL, 1995, S.13.

[17] Vgl. Franzen, H., 1995, S. 240.

[18] Vgl. o. V., 1995l, S. 28.

[19] Vgl. Pretzel, J., 1995, S. 338.

[20] Vgl. o. V., 1995m, S. 29.

[21] Vgl. The Boston Consulting Group, 1994, S. 12.

[22] Vgl. o. V., 1995p, S. 18

[23] Vgl. Klusmann, S., 1995, S. 18.

[24] Vgl. o. V., 1995u, S. 18.

[25] Vgl. Staudacher, F., 1993, S. 31.

[26] Vgl. Pretzel, J., 1995, S. 338.

[27] Vgl. Tietz, B., 1992, S. 205.

[28] Vgl. o. V., 1995m, S. 29.

[29] Vgl. o. V., 1995b, S. 69.

[30] Vgl. Staudacher, F., 1993, S. 31.

[31] Vgl. Tietz, B., 1992, S. 193.

[32] Vgl. Staudacher, F., 1993, S. 31.

[33] Vgl. o. V., 1995r, S. 24.

[34] Vgl. Häusel, H. G., 1995, S. 8.

[35] Vgl. Bickelmann, R., 1993, S. 84.

[36] Vgl. Tietz, B., 1992, S. 195.

[37] Vgl. Irrgang, W., 1994, S. 4.

[38] Vgl. Staudacher, F., 1993, S. 31.

[39] Vgl. o. V., 1995q, S. 22.

[40] Vgl. Patt, P.-J., 1993, S. 83.

[41] Vgl. o. V., 1995q, S. 22.

[42] Vgl. Bickelmann, R., 1993, S. 85.

[43] Vgl. Biehl, B., 1995, S. 42.

[44] Vgl. Reischl, H., 1994, S. 12.

[45] Vgl. Tietz, B., 1993a, S. 1495.

[46] Vgl. o. V., 1994d, S. 1.

[47] Vgl. Ebenda, S. 3.

[48] Vgl. Patt, P.-J., 1993, S. 87.

[49] Vgl. Tietz, B., 1993a, S. 1498.

[50] Vgl. Tietz, B., 1993a, S. 1495.

[51] Vgl. McClay, A., 1995, S. 2.

[52] Vgl. Bickelmann, R., 1993, S. 85.

[53] Vgl. BVL, 1995, S. 18.

[54] Vgl. o. V., 1995r, S. 24.

[55] Reischl, H., 1994, S. 11.

[56] Vgl. Raquet, D., 1994, S. 74.

[57] Vgl. Mather, H., 1993, S. 38.

[58] Vgl. Giersberg, G., 1995, S. 18.

[59] Vgl. de Wilt, H. G. J./Krishnan, T. V., 1995, S. 35.

[60] Vgl. Procter & Gamble, o. J., S. 3.

[61] Vgl. o. V., 1995i, S. 5.

[62] Vgl. Schlautmann, C., 1995, S. 8f..

[63] Vgl. Raquet, D., 1994, S.74.

[64] Vgl. Hallier, B., 1995a, S. 106.

[65] Eine genauere Beschreibung der Scanning-Technologie erfolgt im Kapitel 4.1.1.1.

[66] Vgl. Viehof, E., 1995, S. 14.

[67] Vgl. o. V., 1995u, S. 18.

[68] Vgl. o. V., 1995o, S. 15.

[69] Vgl. Klusmann, S./Rueß, A., 1995, S. 20.

[70] Vgl. Hanke, G., 1995, S. 4.

[71] Category Management wird ausführlich in Kapitel 3.2.1.2 erläutert.

[72] Vgl. o. V., 1995c, S. 20.

[73] Vgl. Trommsdorff, V., 1994, S. V.

[74] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 469.

[75] Vgl. Tietz, B., 1992, S. 340.

[76] Vgl. Trommsdorff, V., 1994, S. VI.

[77] Vgl. Tietz, B., 1994, S. 40.

[78] Vgl. Irrgang, W., 1994, S. 3.

[79] Vgl. Litzinger, D., 1995, S. 84.

[80] Vgl. Franzen, H., 1993, S. 256.

[81] Vgl. Ebenda, S. 258.

[82] Vgl. Irrgang, W., 1994, S. 3.

[83] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 522.

[84] Vgl. Oehme, W., 1994, S. 40.

[85] Vgl. Franzen, H., 1993, S. 258.

[86] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 518 und S. 521.

[87] Vgl. Irrgang, W., 1994, S. 4.

[88] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 507.

[89] Vgl. Irrgang, W., 1993, S. 3-5.

[90] Ausführliche Erläuterungen erfolgen in Kapitel 4 und 5.

[91] Tietz, B., 1993a, S. 522.

[92] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 509.

[93] Vgl. Tietz, B., 1993a, S. 279.

[94] Vgl. Tietz, B., 1994, S. 52.

[95] Vgl. Tietz, B., 1993a, S. 1179.

[96] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 510f..

[97] Warengruppenmanagement und Kategoriemanagement werden unter dem Begriff Category Management ausführlich im Kapitel 3.2.1.2 beschrieben.

[98] Tietz, B., 1994, S. 49.

[99] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 517.

[100] Vgl. Tietz, B., 1992, S. 613.

[101] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 521.

[102] Vgl. Tietz, B., 1993a, S. 270.

[103] Vgl. Tietz, B., 1993b, S. 524.

[104] Vgl. CCRRGE, 1994, S. 90.

[105] Biehl, B., 1994a, S. 2.

[106] Vgl. FMI, 1994b, S. 1.

[107] Vgl. Ritter, S., 1995, S. 26.

[108] Vgl. Bertram, H., 1994, S. 20.

[109] Vgl. Kurt Salmon Associates, 1993, S. IV.

[110] Vgl. CCRRGE, 1994, S. 2.

[111] Vgl. Tietz, B., 1995b, S. 186.

[112] Vgl. Biehl, B., 1994b, S. 4.

[113] Vgl. Tietz, B., 1995a, S. 529.

[114] Vgl. Biehl, B., 1994c, S. 6.

[115] Vgl. Hammer, M./Champy, J., 1994, S. 84.

[116] Vgl. Lintner, A., 1995, S. 14.

[117] Vgl. Kirchner, J. D., 1994, S. 194.

[118] Vgl. Dufek, D., 1995b, S. 1.

[119] Vgl. Biehl, B., 1994c, S. 6.

[120] Vgl. Dufek, D., 1995a, S. 70.

[121] Vgl. Hammonds, T. M., 1995, S. 11.

[122] Vgl. Kurt Salmon Associates, 1993, S. 3.

[123] Genauere Angaben bzgl. der Einsparungsmöglichkeiten werden im Kapitel 5.2 gemacht.

[124] Vgl. Biehl, B., 1994c, S. 6f..

[125] Vgl. o. V., 1994b, S. 77.

[126] Vgl. CCRRGE, 1994, S. 77.

[127] Vgl. Gerling, M., 1995, S. 18.

[128] Vgl. FMI, 1994b, S. 6.

[129] Vgl. Kurt Salmon Associates, 1994, S. 24.

[130] Vgl. CCRRGE, 1994, S. 77.

[131] Vgl. Biehl, B., 1994b, S. 4.

[132] Vgl. Leppin, S., 1994b, S. 12.

[133] Vgl. FMI, 1994, S. 8.

[134] Vgl. Buzzell, R. D./Ortmeyer, G., 1995, S. 70.

[135] Vgl. o. V., 1994b, S. 77.

[136] Vgl. Kapitel 2.2.3, S. 18.

[137] Vgl. Schneider, A., 1995, S. 44.

[138] Vgl. Maurer, R., 1993, S. 395f..

[139] Vgl. Behrends, C., 1994, S. 108.

[140] Vgl. FMI, 1994b, S. 18.

[141] Vgl. Tietz, B., 1995b, S. 179.

Ende der Leseprobe aus 109 Seiten

Details

Titel
Efficient Consumer Response - Wiedergewinnung der Produktivität
Hochschule
Universität Mannheim
Note
2.3
Autor
Jahr
1998
Seiten
109
Katalognummer
V185139
ISBN (eBook)
9783656996262
ISBN (Buch)
9783867460439
Dateigröße
1154 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
efficient, consumer, response, wiedergewinnung, produktivität
Arbeit zitieren
Frank Wollenburg (Autor:in), 1998, Efficient Consumer Response - Wiedergewinnung der Produktivität, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185139

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