Untersuchungen zu Aggression und Gewalt im Grundschulalter


Diplomarbeit, 1995

161 Seiten, Note: 1


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Theoretische Ausgangspositionen
2.1. Relevante Begriffe
2.2. Arten der Aggression
2.3. Aggressionstheorien
2.3.1. Triebtheoretische Ansätze
2.3.1.1. Die Triebtheorie nach Sigmund Freud
2.3.1.2. Das Triebmodell von Konrad Lorenz
2.3.2. Die Frustrations-Aggressions-Theorie
2.3.3. Die Katharsis-Hypothese
2.3.4. Lerntheoretische Ansätze
2.3.4.1. Das Klassische Konditionieren
2.3.4.2. Das Operante Konditionieren
2.3.4.3. Lernen am Modell
2.3.5. Erich Fromms Konzept der menschlichen Destruktivität
2.3.6. Schlußfolgerung
2.4. Aggression im Kindesalter aus entwicklungspsychologischer Sicht
2.4.1. Motorische Entwicklung
2.4.2. Entwicklung der Denkprozesse
2.4.3. Entwicklung der Sprache
2.4.4. Soziale und moralische Entwicklung
2.4.4.1. Bedeutung des Lehrers und der Gruppe
2.4.4.2. Das Spielverhalten
2.4.4.3. Die Beziehung der Geschlechter
2.4.4.4. Die Beziehung zur Familie
2.4.4.5. Das moralische Urteil
2.4.4.6. Die Identifikation mit dem eigenen Geschlecht
2.5. Aggressionsfelder
2.5.1. Gesellschaft
2.5.2. Familie
2.5.3. Freizeit
2.5.4. Medien
2.5.5. Schule
2.6. Aggression und Gewalt in der Schule
2.6.1. Erscheinungsformen
2.6.1.1. Gewalt von Schülern gegen Schüler
2.6.1.2. Gewalt von Schülern gegen Lehrer
2.6.1.3. Gewalt von Schülern gegen Sachen
2.6.1.4. Gewalt von Lehrern gegen Schüler
2.6.2. Gutachten der Gewaltkommission
2.6.3. Untersuchung zu Gewalt an Grundschulen
2.6.4. Studie des Landes Schleswig-Holstein
2.6.5. Studie der Hansestadt Hamburg

3. Wissenschaftliche Fragestellungen und Hypothesen
3.1. Wissenschaftliche Fragestellungen
3.2. Hypothesen

4. Methodisches Vorgehen
4.1. Durchführung der Untersuchung
4.2. Methoden und Bewertung des eingesetzten Verfahrens
4.2.1. Gütekriterien
4.2.2. Meßmethoden
4.2.2.1. Befragung
4.2.2.2. Der Fragebogen

5. Untersuchungsergebnisse
5.1. Beschäftigungen in der Freizeit
5.2. Reflexionen über die erlebte Gewalt
5.2.1. Ausmaß und Bewertung
5.2.2. Vandalismus
5.3. Zivilcourage in der Grundschule
5.4. Erleben und Verhalten in schulischen Situationen
5.5. Einstellungen zu Schule und Schulklasse

6. Verallgemeinerung der Hauptergebnisse
6.1. Überprüfung der Hypothesen
6.2. Zusammenfassung der Ergebnisse
6.3. Schlußfolgerungen

7. Präventionsmaßnahmen im schulischen Bereich
7.1. Zum Problem der Strafe
7.2. Aussichtsreiche pädagogische Maßnahmen

8. Literaturverzeichnis

9. Anhang

1. Einleitung

Diese Wissenschaftliche Hausarbeit befaßt sich mit dem Thema "Aggression und Gewalt im Grundschulalter".

"Aggression" stellt ein Phänomen dar, welches bis heute noch nicht einheitlich und zufriedenstellend definiert werden konnte.

Die meisten Menschen, insbesondere die Pädagogen, werden täglich mit diesem Thema in vielfältigster Weise konfrontiert (vgl. Hojer in Schöpf 1982).

Die vorliegende Arbeit gliedert sich in einen theoretischen und einen praktischen Teil. Zunächst werden Definitionen der beiden grundlegenden Begriffe "Aggression" und "Gewalt" gegeben, anschließend folgt ein Überblick über die verschiedenen Aggressionstheorien.

Des weiteren betrachte ich das Phänomen der Aggression unter ausgewählten entwicklungspsychologischen Aspekten.

Die Entstehung von Aggression und Gewalt hat sowohl individuelle als auch gesellschaftliche Ursachen. Kinder und Jugendliche werden nicht aggressiv geboren, sondern erst die soziale Umwelt forciert solche Tendenzen (vgl. Bründel/ Hurrelmann 1994).

Sie lernen durch Vorbilder in Gesellschaft und Familie, in der Schule, der Freizeit und den Medien. Diese Aggressionsfelder werden vom mir ebenfalls näherer Betrachtung unterzogen.

Die Schule kann sowohl Ursache als auch Austragungsort von Aggressionen sein, die andere, äußere Ursachen haben. Aus diesem Grund gehe ich auf die Erscheinungsformen von Aggression und Gewalt im Bereich der Schule ein.

In engem Zusammenhang dazu stehen verschiedene Studien, die zum Thema angefertigt worden sind. Es handelt sich dabei unter anderem um neuere Untersuchungen aus Hamburg und Schleswig-Holstein, die im Rahmen dieser Arbeit Berücksichtigung finden werden.

Ich befasse mich zwar schwerpunktmäßig mit dem Ausmaß an Gewalt im Primarbereich, stellte jedoch bei der Durchsicht der mit vorliegenden Untersuchungen fest, daß sich die wenigsten ausschließlich auf die Problematik in den Grundschulen beziehen. Dies bestärkte mich darin, eine eigene Untersuchung durchzuführen, um persönliche Erfahrungen in der Auseinandersetzung mit der Materie in die Arbeit einfließen lassen zu können.

Die empirische Grundlage meiner Studie bildet eine Befragung, die in dritten und vierten Grundschulklassen durchgeführt wurde. Trotz der relativ geringen Stichprobe, die keinen Anspruch auf Repräsentativität erhebt, lassen sich jedoch eindeutige Tendenzen aufzeigen. Zur Messung der Einstellungen der Schüler zu verschiedenen Aspekten der Aggression, konzipierte ich einen standardisierten Fragebogen, der aus 27 Fragen besteht.

Die von mir durchgeführte Untersuchung knüpft einen Zusammenhang zwischen theoretischem Hintergrund und den praxisorientierten pädagogischen Maßnahmen, die innerhalb der Schule ergriffen werden können.

Da sich aggressives Verhalten meist nicht mit einer bestimmten Ursache, sondern nur durch ein Gefüge aus mehreren Faktoren erklären läßt, ist es für einen Pädagogen schwer, auf Aggressionen von Schülern adäquat zu reagieren.

Trotzdem werde ich aussichtsreiche Maßnahmen im Bereich der Schule erörtern, um den Lehrern konkrete Möglichkeiten des Umgangs mit aggressiven und gewalttätigen Schülern aufzuzeigen.

Abschließend möchte ich Herrn Prof. Dr. A. Klaus für seine Unterstützung bei der Erstellung dieser Arbeit danken. Mein Dank gilt weiterhin den Lehrerinnen und Schülern für die Teilnahme an der Untersuchung und das gezeigte Interesse.

Der besseren Lesbarkeit wegen habe ich die männliche grammatische Form gewählt, auch wenn ich Lehrerinnen und Lehrer meine. Das Gleiche gilt für die Schülerinnen und Schüler, wenn ich von "Schülern" schreibe.

2. Theoretische Ausgangspositionen

2.1. Relevante Begriffe

Die meisten Autoren der verwendeten Grundlagenliteratur stellten zunächst eine Definition von Aggression bzw. Gewalt voran. Das veranlaßte mich zu der Überlegung, welche Umschreibung ich wählen würde. Meine Definition hätte höchstwahrscheinlich gelautet: "Aggression ist das Verletzen oder Zerstören von Lebewesen oder Gegenständen." Dabei ergäbe sich das Problem, den Begriff "Gewalt" davon deutlich abzugrenzen. Meines Erachtens stellte sich diese Schwierigkeit vie len anderen Autoren ebenfalls. Die Begriffe "Aggression" und "Gewalt" werden vielfach synonym verwandt, eine Abgrenzung nicht klar vollzogen oder der Begriff "Gewalt" tauchte in der Abhandlung gar nicht auf. Nach meiner Einschätzung gehören die beiden Phänomene eng zusammen, wenn eine deutliche Abgrenzung überhaupt möglich ist.

Die Problematik der Definition von Aggression liegt in der Popularität dieses Begriffs: "Aggression" oder "Aggressivität" werden im täglichen Sprachgebrauch häufig mit unterschiedlichen Konnotationen verwendet.

Vor kurzem las ich in der Zeitung: "Werder Bremen fehlte es an der nötigen Aggressivität." Mit dem Verständnis, welches ich beim gegenwärtigen Stand meiner Arbeit habe, hätte ich "Aggressivität" in diesem Zusammenhang negativ bewertet; ob das der Reporter ebenso meinte, ist fraglich.

Im umgangssprachlichen Gebrauch ist "Aggression" oft gleichbedeutend mit "Durchsetzungsvermögen" oder auch im weitesten Sinn mit "Aktivität", welche prinzipiell keine schlechten Eigenschaften darstellen.

Die psychologische Sichtweise der Phänomene kann die Frage nach der positiven oder negativen Definition eher klären. Doch auch hier sind sich nicht alle Forscher einig, ob es überhaupt eine geeignete Definition geben kann:

"Merkwürdig oft wird in der Aggressionsforschung behauptet, es gäbe keine zufriedenstellende Aggressionsdefinition. Das ist richtig, aber Gleiches gilt für alle Begriffe, die aus der Alltags- oder der Bildungssprache entlehnt sind. Niemand kann verbindlich Angst, Gesundheit, Intelligenz, Sexualität, Spiel, Sport, Stress usw. definieren" (Selg et al. 1988, S.13).

Etymologisch stammt das Wort "Aggression" aus dem Lateinischen: "Ad-gredi" bedeutete ursprünglich wertneutral "herangehen, auf jemanden oder etwas zugehen" (vgl. Selg 1988). Die zweite, heute gebräuchlichere und negativere Bedeutung entstand erst später. Auf diese Weise läßt sich der uneinheitliche Gebrauch des Wortes erklären.

Viele Autoren haben sich bei der Umschreibung des Begriffes "Aggression" auf die Definition von Selg gestützt:

"Eine Aggression besteht in einem gegen einen Organismus oder ein Organismussurrogat gerichteten Austeilen schädigender Reize" (Selg et al.1988, S.14).

"Schädigen" kann u.a. verletzen, beschädigen oder zerstören bedeuten.

Diese Art der Umschreibung erscheint mir am plausibelsten, deshalb stellt sie die für diese Arbeit verwendete Ausgangsdefinition dar.

Des weiteren ist die Bedeutung der "Absicht" bei aggressiven Handlungen umstritten. Scherer (1979) vertritt die Ansicht, daß die Absicht entscheidend für das Vorliegen von Aggression ist.

Nach Selg trifft das zwar auf die meisten Aggressionen zu, doch sollte man von "Gerichtetsein" sprechen:

Denn "eng wird der Aggressionsbegriff dadurch, daßals Kriterium für eine Aggression das Eingeständnis einer Absicht verlangt wird. [...] Dadurch würden Tier-Verhaltensweisen und wichtige Bereiche menschlicher Aggressivität aus der Forschung herausfallen: z.B. Straftaten (da hier die Absicht oft geleugnet wird) und die frühkindlichen Aggressionen (da Kinder das erforderliche Sprachniveau noch nicht erreichen). [...] Um zufällige Schadenszufügungen auszuschließen, genügt es, statt einer Absicht lediglich eine Gerichtetheit zu interpretieren" (Selg in Asanger/Wenninger 1988, S.1). Eine "zufällige Schadenszufügung" bestünde beispielsweise im unabsichtlichen Treten des Nebenmanns in einem vollbesetzten Bus.

Selg et al. (1988) befinden es ebenfalls als bedeutsam, neben der "Gerichtetheit" von Aggressionen auch ihren manchmal positiven Charakter zu betonen. Er spricht auch von "prosozialen" Aggressionen, die kulturell und gesellschaftlich gebilligt werden. Das wäre z.B. der Fall, wenn ein junger Mann die Angreifer eines älteren Menschen durch Gewaltanwendung in die Flucht schlagen würde. Dies fände niemand verwerflich oder negativ.

In der Psychologie wird mit "Aggression" meist das Verhalten bezeichnet:

Nach Selg et al. (1988) meint Aggression "ein Verhalten, nicht bereits eine spekulative Ursache von Verhalten" (S.14), wie das bei den Triebtheorien der Fall ist (vgl. Kap.2.3.1.).

Es lassen sich weitere Definitionen notieren:

Aggressionen sind "soziale Verhaltensweisen, die durch Bedingungen der Umwelt hervorgebracht und variiert werden" (Belschner in Selg 1982, S.56).

"Aggressives Verhalten ist [...] wie jede andere Verhaltensweise oder Klasse von Verhaltensweisen multideterminiert" (Schmidt-Mummendey 1972, S.35).

"Aggression ist ein sehr komplexer Typus sozialen Verhaltens" (Belschner in Selg 1982, S.59).

"Aggressivität" wird u.a. von Selg von dem Zustand der Aggression unterschieden:

"Unter "Aggressivität" verstehen wir nichts anderes als eine erschlossene, relativüberdauernde Bereitschaft zu aggressivem Verhalten. Es erscheint zweckm äß ig, beim Menschen eine Mehrzahl von Aggressivitäten zu unterscheiden, um nicht den Völkermord mit dem bissigen Witz eines Kabarettisten in einen Topf zu werfen" (Selg in Asanger/Wenninger 1988, S.1).

Aggressionen weisen eine hohe Komplexität auf, was ein Erkennen bzw. Klassifizieren der Ursachen, besonders im schulischen Bereich, sehr schwierig macht.

Wie bei "Aggression" gibt es auch bei "Gewalt" keinen einheitlichen Wortgebrauch. Historisch gesehen leitet sich der Begriff von dem Verb "walten" ab. Darunter werden Tätigkeiten einer Macht zusammengefaßt, die ordnende oder gestaltende Funktionen aufwiesen (vgl. "Anwalt" oder "Verwaltung").

Die romanischen Sprachen weisen heute zwei unterschiedliche Bezeichnungen für den Begriff "Gewalt" auf: Auf der einen Seite die ungehemmte Gewalttätigkeit (violentia), auf der anderen die legitime Amtsgewalt (potestas). Bezeichnenderweise wird im Deutschen zwischen diesen völlig unterschiedlichen Bedeutungen nicht differenziert (vgl. Rauschenberger in Valtin/ Portmann 1995).

Die folgenden Definitionsansätze entsprechen sich jedoch weitgehend:

"Auch Gewalt wird, wie Aggression, gewöhnlich als zielgerichtetes Schädigen und Beeinträchtigen verstanden. Insofern liegen beide Begriffe nahe beieinander. Aber: Von Gewalt sprechen wir meist nur bei schwereren, insbesondere körperlichen Aggressionen, doch beispielsweise nicht bei Beschimpfungen oder bösen Blicken. Insoweit ist Gewalt eine Unterform von Aggression" (Nolting in Wehling 1993, S.11).

Ebenso sieht Rauchfleisch (1992) "Gewalt als eine Teilmenge, als eine spezifische Form der Aggression" (S.11).

Weiter schreibt er: "Wobei (es) im Fall von Gewalt um ausgeübte oder glaubwürdig angedrohte physische oder psychische Aggressionen geht, die sich in gezielter Weise gegen ein Objekt (Mensch oder Gegenstand) richten, ohne, wenn es sich um Menschen handelt, deren Bedürfnisse oder deren Willen zu berücksichtigen" (Rauchfleisch 1992, S.12).

Schmidt (1994) definiert Gewalt als ungehemmte Aggression, die sich rücksichtslos gegen Menschen und Sachen richtet, um diese bewußt zu schädigen.

Für Selg et al. (1988) ist nicht der Aspekt der Androhung oder Ausübung allein von Bedeutung:

"Vielleicht ist es zweckm äß ig, Gewalt mit angedrohter oder ausgeübter physischer Aggression gleichzusetzen, sofern sie mit zumindest relativer Macht einhergeht" (S.18).

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, daß es sich bei "Gewalt" um physische Aggressionen handelt, wobei zwischen Schädigendem und Geschädigten ein Machtgefälle zuungunsten des "Opfers" besteht.

2.2. Arten der Aggression

Bei der folgenden Systematisierung halte ich mich eng an Selg, der die Aggressionsarten in seinem Buch "Psychologie der Aggressivität" (1988) übersichtlich beschrieben hat.

Primär lassen sich Aggressionen nach ihrer Erscheinung in offene oder verdeckte gliedern. Offene Aggressionen können entweder körperlich oder verbal ausgetragen werden. Körperliche Aggressionen führen fast immer zu direkten, sichtbaren Verletzungen, während verbale Aggressionen keine physischen, sondern psychisch empfundene Schmerzen hervorrufen können. Diese sind für die Öffentlichkeit meist nicht erkennbar (vgl. Selg et al. 1988).

Zu den körperlichen Aggressionen gehören beispielsweise Tritte, Schläge, Ohrfeigen, an den Haaren ziehen o.ä. In der Erziehung spielen körperliche Aggressionen in Form von Strafe (leider) immer noch eine wesentliche Rolle.

Die Möglichkeiten der verbalen Attacken sind vielfältiger und Selg (1988) empfiehlt, aufgrund des Inhalts zu bestimmen, ob eine verbale Aggression vorliegt oder nicht. Dazu zählen Beleidigen, Zurechtweisen, öffentliches Bloßstellen, Anschuldigen, Nötigen, abfälliges Kritisieren, Ironie u.a.m..

Verbale Aggressionen sind ein wirksames, "legitimes" Mittel in der Politik. Sie können aber auch z.B. in Schulklassen das Klima langfristig vergiften: Einige Kinder leiden stark unter verbalen Attacken ihrer Mitschüler.

Verdeckte Aggressionen sind subtiler und spielen sich fast ausschließlich in der Phantasie ab.

Sie "werden entweder in Worten (über Vorstellungen und Wünsche) oder in Zeichnungen aufgedeckt" (Selg et al. 1988, S.21).

Phantasieaggressionen stellen eine Möglichkeit dar, auf Frustrationen zu reagieren, ohne wirklichen Schaden anzurichten. Da sie jedoch nur in Gedanken durchgeführt werden, sind einige Wissenschaftler der Ansicht, daß sie deshalb keine "echten" Aggressionen im engeren Sinne seien. Selg (1988) hingegen vertritt die Meinung, daß man sie nicht vernachlässigen sollte. Sie können unter Umständen wichtige Hinweise auf psychische Krankheiten oder sogar Mißhandlung geben.

Des weiteren werden Aggressionen in direkte und indirekte klassifiziert.

Eine direkte Aggression richtet sich unmittelbar gegen das Opfer, bei einer indirekten ist das Opfer nicht anwesend und wird durch mittelbare Aggressionen verletzt. Dazu gehören u.a. üble Nachrede (Rufmord) und Zerstören von Eigentum des Opfers. In diesem Zusammenhang sollte auch die verschobene Aggression erwähnt werden:

"Es gibt eine Verschiebung der Form und des Objekts. Im ersten Fall wird z.B. ein

Zuschlagen durch ein Schimpfen ersetzt, im zweiten Fall das eigentliche Objekt durch einen Ersatz: Man(n) wagt es nicht, den Vorgesetzten, der Ä rger ausgelöst hat zu beschimpfen, man(n) reagiert vielmehr den Ä rger aus nichtigem Anlaßan Frau, Kind oder Hund ab" (Selg et al. 1988, S.21).

Ferner nimmt Selg eine Differenzierung vor zwischen feindseliger, instrumenteller und expressiver Aggression.

Die feindselige Aggression ist Selbstzweck, mit anderen Worten Aggression um der Aggression willen. Das zu erreichende Ziel ist einzig und allein die Schädigung des Opfers. Unter Umständen spielt auch der Lustgewinn (Sadismus) eine Rolle.

Die instrumentelle Aggression ist Mittel zum Zweck. Sie geschieht eher aus einem Kalkül heraus: Ein übergeordnetes Vorhaben soll mittels der Aggression erreicht werden. Eine eventuelle Schädigung des Opfers wird in Kauf genommen. Diese beiden Aggressionsarten schließen sich nicht in jedem Fall vollständig aus.

Eine expressive Aggression liegt dann vor, wenn der sie Ausübende primär nach Aufhebung eines inneren Spannungszustandes strebt. Sie äußert sich meist durch Mimik, Gestik und Stimmlage, z.B. Anspucken, Faustballen, Zunge herausstrecken und andere Drohgebärden. Expressive Aggressionen sind folglich sehr stark von Affekten wie Ärger und Wut geprägt.

Schon Kinder haben die Fähigkeit, solche Gesten zu verstehen.

Man unterscheidet zwischen Fremdaggression und Selbstaggression. Unter Fremdaggression wird die Schädigung anderer zusammengefaßt, dementsprechend bedeutet Selbstaggression das Verletzen der eigenen Person. Letztere Form der Aggression wird in der Psychologie oft nicht erwähnt, spielt aber in der Psychoanalyse eine wichtige Rolle.

Selbstaggressionen können organische Krankheiten, Allergien, Sprachstörungen oder Depressionen verursachen. Weitere Äußerungsformen können Eßstörungen (Magersucht, Bulimie) oder Abhängigkeiten (Tabletten, Alkohol) sein (vgl. Schmidt 1994).

Wie oben bereits bemerkt, differenziert man positive und negative Aggressionen.

Positive Aggressionen sind von der Gesellschaft gebilligt, negative dagegen nicht.

Positive sind meist instrumentelle Aggressionen verbaler Art, die z.B. in der Politik zur Durchsetzung der parteilichen Ziele eingesetzt werden. Durch verbale Herabsetzung des "Gegenspielers" stärkt man seine eigene Position.

Selg (1988) wendet des weiteren die Begriffe spontan und reaktiv an.

Spontane Aggressionen treten "von sich aus" auf, es gibt keinen spezifischen Auslöser.

Dagegen sind reaktive Aggressionen eine Folge bestimmter Außenreize. Dazu gehört auch die Aggression auf Befehl. Davon spricht man, wenn eine Person aggressiv handelt ohne Einschaltung eigener steuernder oder hemmender Funktionen.

Ein bekanntes Beispiel dafür ist das "Milgram-Experiment", bei dem Bürger auf Anordnung eines "Versuchsleiters" eine Person im Nebenraum mit Stromstößen bestrafen sollten und das auch taten. Teilweise gingen die gegebenen Stromstöße über ein Vielfaches dessen hinaus, was ein Mensch gerade noch überleben kann.

Die "Bestrafung" in diesem Experiment war selbstverständlich fingiert.

Dieser Versuch beweist in erschreckender Weise die Manipulierbarkeit des Menschen bei begünstigenden Faktoren, wie z. B. der weiße Kittel des "Versuchsleiters" als äußeres Zeichen seiner Autorität..

Psychologisch läßt sich noch die individuelle von der kollektiven Aggression unterscheiden.

Bei der individuellen tritt eine einzelne Person als Aggressor auf, bei der kollektiven Aggression sind es mehrere kooperierende Personen (vgl. Selg et al. 1988). Eine besondere Form der kollektiven Aggression ist z.B. der Krieg.

Speziell bei Kindern sollte noch die spielerische von der ernsten Aggression unterschieden werden (vgl. Selg et al. 1988).

Balgen unter Freunden zählt beispielsweise zu den spielerischen Formen, wobei diese auch unvermutet ernst werden kann.

Von Bedeutung in dieser Arbeit ist es, eine weitere Unterscheidung zwischen physischer und psychischer Gewalt vorzunehmen:

Unter physischer Gewalt ist das Schädigen und Verletzen durch körperliche Kraft und Stärke zu verstehen (vgl. Bründel/ Hurrelmann 1994).

Mit dem Begriff der psychischen Gewalt werden Phänomene wie Ablehnung, Abwertung, Vertrauensentzug oder emotionale Erpressung verbunden (vgl. Bründel/ Hurrelmann 1994).

2.3. Aggressionstheorien

Das folgende Kapitel soll einen Überblick über die verschiedenen Erklärungsansätze zur Aggression geben.

In der Aggressionsforschung wurden im Laufe der Zeit eine Vielzahl von Theorien entwickelt. Allerdings stellt jedes dieser Konzepte lediglich einen Aspekt der Aggression dar. Daraus wird deutlich, daß Aggression ein sehr vielschichtiges Phänomen ist, das nicht durch eine Theorie oder Definition abschließend behandelt werden kann (vgl. Rauchfleisch 1992).

Es gibt - auch heute noch - keine einheitliche Betrachtungsweise; neuere wissenschaftliche Forschungen versuchen stattdessen eine Verbindung mehrerer Theorien abzuleiten. Diese Theorie soll als Erklärungsgrundlage für das Entstehen von Aggressionen dienen.

Zunächst gehe ich auf die einzelnen Definitionsansätze näher ein. Die Differenzierung wird nach Selg vorgenommen, als vierter Giederungspunkt kommt der Erklärungsansatz von Erich Fromm hinzu: "Es stehen sich in der Psychologie zwei Theoriegruppen gegenüber; die eine umfaßt Instinkt- und Triebtheorien, die andere verschiedene, einander ergänzende lerntheoretische Ansätze; zwischen ihnen ist eine dritte Sichtweise, die Frustrations- Aggressions-Theorie, anzusiedeln" (Selg et al. 1988, S.26).

2.3.1. Triebtheoretische Ansätze

Den Triebtheorien gemeinsam ist die Annahme, daß die Aggression eine Sonderstellung unter den Verhaltensweisen einnimmt: Ihr liegt ein spezieller Trieb zugrunde. Triebtheoretiker sehen die Aggression als ein aktives Phänomen, welches beim Menschen auch ohne sein Zutun permanent vorhanden ist: "Im Organismus gibt es eine angeborene Quelle, die fortwährend aggressive Impulse produziert. Diese Impulse müssen sich auf die eine oder andere Weise, wenn auch nicht unbedingt zerstörerisch, im Verhalten ausdrücken können (hydraulisches Energiemodell); andernfalls führen sie zu seelischen Störungen" (Nolting in Wehling 1993, S.13).

Wie die folgenden Ausführungen zeigen werden, sind die Triebtheorien lediglich in der Lage, aggressives Verhalten zu benennen, aber nicht zu erklären.

Die Arbeiten der Hauptvertreter triebtheoretischer Definitionen, Sigmund Freud und Konrad Lorenz, werden im folgenden dargestellt.

2.3.1.1. Die Triebtheorie nach Sigmund Freud

Freud beschäftigte sich mit seinem Triebmodell seit Anfang dieses Jahrhunderts, wobei er es im Laufe der Zeit mehrfach entscheidend revidierte. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit ist die genaue Entwicklung nicht entscheidend, es werden nur die letzten Veröffentlichungen zugrunde gelegt.

Für Freud ist der Aggressionstrieb des Menschen nur ein Teil des gesamten Triebsystems, dessen Entstehung er aus dem Gesamtkonzept heraus entwickelt.

Seiner Ansicht nach repräsentieren die Triebe "die körperlichen Anforderungen an das Seelenleben" (Jakobi/ Selg/ Belschner in Selg 1982, S.37).

Freud unterscheidet zwei große Triebsysteme: Den Todestrieb und den Lebenstrieb ("Eros"). Beide bestimmen nicht nur das Dasein menschlicher Lebewesen, sondern die gesamte belebte Natur.

Die beiden Triebsysteme stehen sich gegenüber und treten nie in reiner Form, sondern meist in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen auf. Das Ziel des Todestriebes besteht in der Zerstörung alles Lebendigen. Er wird jedoch durch Eros, den Lebenstrieb, relativ neutralisiert. Der Todestrieb wird oft erst dann sichtbar, wenn er in Auseinandersetzung mit dem Lebenstrieb nach außen gerichtet wird (vgl. Selg et al. 1988).

Dieses Sichtbarwerden des Todestriebes bezeichnet Freud als "Aggression".

Eine genaue Definition von "Aggression" hat er allerdings nie geliefert.

In seinen Forschungsarbeiten verwendet er den Begriff sowohl im Sinne von aggressivem Verhalten als auch im Sinne von Aggressivität. Ferner unterscheidet er nicht zwischen "Aggression" und "Destruktion" und - was am bedeutsamsten ist - er bietet keine Erklärungsansätze für die Herkunft des Lebens- und Todestriebes. Er vermutet vage, daß der Trieb generell aus einer somatischen Quelle komme, dem Menschen aber nur durch sein Ziel (in diesem Fall: Leben erhalten oder zerstören) bekannt wird. Es ist auch den Psychoanalytikern, die das Werk Freuds weiterführten, bis heute nicht gelungen, eine glaubhafte Erklärung der Herkunft der Triebe zu finden. Das Fehlen von grundlegenden Definitionen ist die größte Schwäche des Freud´schen Triebmodells.

Die Fähigkeit des Lebenstriebes, den schädlichen Todestrieb gegen die Außenwelt zu richten, stellt für Freud die einzige Überlebenschance des Menschen dar:

"Der Organismus mußandere Organismen zerstören, um der Selbstzerstörung zu entgehen" (Scherer 1979, S.35).

Allerdings werden Teile der gezeigten Aggression durch den ständigen Anpassungsdruck der Umwelt wieder dem menschlichen Individuum zugeführt, was sich dann als Selbstaggression, z.B. in Form von Schuldgefühlen, äußert. Ein zu großes Maß an Aggressionsunterdrückung sei schädlich; wie der Mensch einen solchen "Aggressionsstau" verhindern oder abbauen kann, hat Freud jedoch nicht zufriedenstellend beschrieben.

Dieses Triebmodell bedeutet in letzter Konsequenz, daß aggressives Verhalten quasi unvermeidlich ist, da der Mensch machtlos gegen die Auswirkungen der beiden Triebsysteme ist. Er kann nur nach gesellschaftlich annehmbaren und moralisch vertretbaren Möglichkeiten suchen, das immer wieder entstehende Aggressionspotential abzubauen.

Für die Erziehungswissenschaft stellt sich nach diesem Modell die Frage, ob jegliche Art von pädagogischer Einwirkung dann überhaupt noch sinnvoll wäre, bzw. wie dieses Einwirken auszusehen hat.

Freud vernachlässigt völlig, daß aggressives Verhalten auch von einer äußeren Reizsituation ausgelöst werden könnte.

Schmidt-Mummendey (1972) vertritt die Ansicht, daß es nicht ausreichend sein kann, "überaus komplexe Erscheinungsformen menschlichen Verhaltens auf einfache Kausalbeziehungen zwischen hypothetisch konstruierten Grundkräften (als Ursache) und der tatsächlich beobachteten Mannigfaltigkeit des Verhaltens verschiedener Individuen in unterschiedlichen Situationen (als Wirkung) zu reduzieren" (S. 22).

Ihrer Meinung nach hält dieses Vorgehen experimentellen Untersuchungen nicht stand bzw. kann dadurch aggressives Verhalten nicht zufriedenstellend erklärt werden.

2.3.1.2. Das Triebmodell von Konrad Lorenz

Der Ethologe Konrad Lorenz leitet seine Thesen zur Aggression von der Beobachtung tierischen Verhaltens ab.

Er stimmt mit Freud überein, was die Spontaneität und Eigenständigkeit von Aggressionen betrifft, distanziert sich aber von der Todestriebhypothese als biologisch nicht haltbar. Wie Freud unterscheidet auch Lorenz nicht zwischen Aggression und Aggressivität; er verwendet ferner die Begriffe "Instinkt" und "Trieb" synonym.

Ein Instinkt ist für Lorenz "eine relativ starr ablaufende Verhaltenssequenz mit endogener Erregungsproduktion und einer Aktivierung durch bestimmte Schlüsselreize" (Hanke 1976, S.138).

Er unterscheidet vier Triebe oder Instinkte: Fortpflanzung, Nahrungserwerb, Aggression und Flucht.

Unter "Aggression" versteht Lorenz den auf den Artgenossen gerichteten Kampftrieb von Mensch und Tier (innerartliche Aggression). Sie ist ein Instinkt wie jeder andere auch und dient der Lebens- und Arterhaltung. Allerdings ist sie nicht auf Tötung des Artgenossen ausgerichtet, sondern erfüllt vier Funktionen (vgl. Hanke 1976):

- optimale Verteilung der Angehörigen einer Art, um die Nahrungsbestände

gut nutzen zu können;

- die stärksten Tiere verbleiben zur Fortpflanzung;
- natürliche Aggressivität des brutpflegenden Geschlechts zum Schutz der Nachkommen;
- Entstehung von Rangordnungen.

Je nach Tierart bestehen unterschiedliche Hemmungsmechanismen, die verhindern, daß sich die Aggression schädigend auswirkt. Dazu zählt z.B. das Darbieten der Kehle bei Wölfen, wodurch sich der Unterlegende "ergibt" und den Stärkeren veranlaßt, den Kampf zu beenden.

Von diesen grundlegenden Beobachtungen bei Tieren schloß Lorenz auf die menschliche Aggressivität. Auch für den Menschen diente der Aggressionstrieb ursprünglich der Arterhaltung, allerdings weist er nur geringe Aggressionshemmungen auf. Gründe dafür sind nach Lorenz:

1. Die intellektuelle Entwicklung des Menschen: Im Laufe der Evolution änderten sich die Lebensbedingungen, die menschlichen Instinkte haben sich jedoch nicht anpassen können;
2. Die menschliche Dominanz: Die Menschheit beherrscht ihre Umwelt und hat keine natürlichen Feinde;
3. Die Erfindung künstlicher Waffen: Dadurch "wurde das Gleichgewicht zwischen der Fähigkeit des Menschen zu töten und den relativ schwachen Hemmungen zerstört" (Hanke 1976, S.140).

Die Entstehung von Aggressionen stellt für Lorenz einen unendlichen Kreislauf dar:

"Als Erklärungsgrundlage für die beobachtete Spontanaggressivität dient das L ORENZSCHE Energie-Modell. Demnach ist für jedes Instinktverhalten eine bestimmte Menge reaktionsspezifischer Energie vorhanden, die, wenn sie durch das Auftreten z.B. aggressiven Verhaltens verbraucht wird, dann allmählich wieder neu gebildet wird, die aber, wird das entsprechende Verhaltenüber längere Zeit hinweg nicht ausgeführt, sozusagen zum Verbrauch oder zur Entladung drängt, wobei dann die von außen gegebene Reizsituation immer unbedeutender für das Auslösen der Reaktion wird" (Schmidt- Mummendey 1972, S.10).

Nach diesen Ausführungen wäre es unmöglich, Aggression durch Vermeidung auslösender Reizsituationen und Verbote zu verhindern, da sie trotzdem entsteht und nach Entladung drängt.

Nach Lorenz bieten die modernen Gesellschaften dem Menschen keine hinreichenden Möglichkeiten, sein Aggressionspotential zu verringern.

Eine Chance besteht in der Kanalisierung: Aggressionen sollen in sozial wünschenswerte Aktivitäten umgewandelt werden. Eine gute Methode wäre nach Lorenz´ Erläuterungen die Durchführung von sportlichen Wettkämpfen, um die schädlichen Auswirkungen des Aggressionstriebes zu dezimieren.

Die Lorenz´sche Triebtheorie erhitzte jahrzehntelang die Gemüter und erfreut sich auch heute noch großer Popularität. Das liegt unter anderem an der leichten Verständlichkeit seines Buches "Das sogenannte Böse" (1966) und an der Schlußfolgerung, die man aus den Thesen ziehen kann: Da der Mensch machtlos gegen den ihm eigenen Aggressionstrieb ist, können bedenkliche Verhaltensweisen problemlos gerechtfertigt werden:

"Die Thesen von Lorenz lieferten nicht nur jedem diktatorischen Staatsregime die

biologische Rechtfertigung der Gewalt, sondern man müsse dann auch Kriege als unvermeidlich hinnehmen, da sie aus der Natur des Menschen gleichsam periodisch und unaufhaltsam hervorbrächen" (Hojer in Schöpf 1985, S.53).

Als weitere Kritikpunkte sind zu nennen (vgl. Schmidt-Mummendey 1972):

- Es ist prinzipiell problematisch, ethologische Befunde auf den Menschen zu übertragen, wobei die Lorenzschen Thesen auch auf den tierischen Bereich nur eingeschränkt zutreffen.
- Die beschriebenen Beispiele zur Reduzierung des Aggressionspotentials sind höchst zweifelhaft und wurden in der Zwischenzeit widerlegt.

Für die heutige Aggressionsforschung hat das Triebmodell nach Konrad Lorenz keine Bedeutung mehr.

2.3.2. Die Frustrations-Aggressions-Theorie

Diese Theorie wurde 1939 erstmals von Dollard, Doob, Miller, Mowrer und Sears veröffentlicht. Dieser "streng axiomatisierte" (Selg 1982, S.11) Ansatz definiert Aggression

- im Gegensatz zu den triebtheoretischen Forschungen - als einseitig reaktives Verhalten.

Dollard u.a. halten den Umstand, ob dieses Verhalten angeboren oder erlernt ist, aus diesem Grund für irrelevant.

Dollard und Mitarbeiter "versuchten, die im psychoanalytischen Konzept enthaltenen dynamischen Eigenschaften ohne die verschwommene und unnötige Annahme eines Aggressionstriebes zu erhalten" (Schmidt-Mummendey 1972, S.23). Sie halten ihre Theorie jedoch nach beiden Seiten der Aggressionsforschung offen: Aggressionen können sowohl durch eine gewisse erbliche Komponente als auch durch Beobachtungslernen entstehen.

Die Frustrations-Aggressions-Theorie stellt lediglich Hypothesen darüber auf, "unter welchen Bedingungen es in einer konkreten Situation zu aggressivem Verhalten kommt" und nicht, wie Aggressivität entsteht (Hanke 1976, S.143).

Dieser Ansatz hat die Forschung stark angeregt, weil er um klare Aussagen bemüht war.

Basis der Frustrations-Aggressions-Theorie sind die beiden Grundannahmen, die empirisch überprüft werden können:

1. These: Aggression ist immer eine Folge von Frustration.
2. These: Frustration führt immer zu einer Form von Aggression.

Dollard und Mitarbeiter definierten "Aggression" als jede Verhaltenssequenz, welche auf die Verletzung eines Organismus oder Organismusersatzes abzielt.

"Verletzung" ist nach Selg (1982) oft nur "in starkübertragenem Sinn" (S.12) zu verstehen.

In einer späteren Revision dieser Theorie unterscheiden Dollard u.a. zwischen offener Aggression und dem Anreiz zu dieser. Durch die Einführung dieses "hypothetischen Zustandes des Organismus" (Selg 1982, S.12) wurde jedoch das Konstrukt unklarer, da der Anreiz zur Aggression innerlich abläuft und so nicht auf der beobachtbaren Reiz- Reaktions-Ebene liegt.

"Frustration" wird als Störung einer bestehenden zielgerichteten Aktivität verstanden. Diese Definition ist insofern unklar, da nicht deutlich wird, ob es sich dabei um das störende Reizereignis an sich oder das Erlebnis der Störung handelt. Selg et al. (1988) fordern aus diesem Grund, deutlicher zwischen "Frustration" als dem störenden Reizereignis und dem nachfolgenden Zustand der "Frustriertheit" zu unterscheiden.

Die beiden Grundthesen wurden durch mehrere Zusatzannahmen erweitert (vgl. Hanke 1976):

1. Die Wahrscheinlichkeit, daß Aggression auf eine Frustration folgt, ist unter anderem abhängig vom Ausmaß der momentanen Störung bzw. der Anzahl der vorausgegangenen Störungen.
2. Eine erwartete Strafe hemmt die aggressive Handlung, der Grad der Hemmung ist abhängig von der Härte der antizipierten Strafe.
3. Primär richtet sich die Aggression gegen den Verursacher der Störung. Besteht gegen ihn jedoch eine Hemmung, kann es zu einer indirekten Handlung, also zu einer Aggressionsverschiebung kommen.
4. Nach dem Auftreten einer aggressiven Handlung, reduziert sich die weitere Aggressionsneigung. Man spricht dabei von Katharsis.

Die Katharsis-Hypothese wird im folgenden Kapitel näher erläutert.

Die Frustrations-Aggressions-Theorie zog zahlreiche Untersuchungen nach sich, die den hohen empirischen Wert dieses Ansatzes zeigen. Die strengen Kausalbeziehungen zwischen Frustration und Aggression erwiesen sich jedoch als nicht haltbar (vgl. Selg et al. 1988).

Dollard und Mitarbeiter stellten schon vor der Veröffentlichung 1939 die 2. These in Frage. Bei der Revision der Theorie 1941 werden die Grundthesen gemäßigter formuliert: Aggression ist zwar immer die Folge von Frustration, auf Frustration sind jedoch noch andere Reaktionen als Aggression möglich (vgl. Selg et al. 1988).

Bandura und Walters erweiterten die Frustrationsfolgen um verschiedene Reaktionsklassen wie z.B. Rückzug, Apathie, Regression, konstruktive Bewältigung u.ä., denn der Umgang mit Frustrationen wird von vielen Faktoren beeinflußt. Dabei spielt auch die Kognition eine Rolle: Z.B. wird eine Frustration anders erlebt, wenn sie gerechtfertigt erscheint (vgl. Selg et al. 1988).

Nach Berkowitz vernachlässigt die Frustrations-Aggressions-Theorie die emotionalen Folgen von Frustrationen wie z.B. Ärger und Wut (vgl. Selg 1982).

Die Frustrations-Aggressions-Theorie reduzierte sich letztendlich auf die unspezifischere "Frustrations-Erregungs-Hypothese":

"Eine Frustration führe beim Betroffenen zu einer (meßbaren) Erregung, welche nachfolgendes Verhalten intensiviert. Es ist dabei erstens offen, ob diese Erregung als Wut, als Ä rger oder als ein anderes Gefühl erlebt wird. Es ist zweitens offen, welches Verhalten die Emotion begleitet oder ihr folgt" (Selg et al. 1988, S.33).

Dabei findet auch die Kritik von Berkowitz ihren Niederschlag.

Beide Grundthesen der Frustrations-Aggressions-Theorie sowie die Zusatzannahmen ließen sich in dieser Form nicht halten bzw. wurden hinreichend widerlegt, u.a. auch durch die Feststellung, daß positive Reaktionen auf Frustrationen gelernt werden können.

Fest steht, "daßsie insgesamt gesehen mittlerweile trotz ihrer einflußreichen Rolle für die experimentelle Aggressionsforschung ziemlich nutzlos geworden ist. Die abhängigen und unabhängigen Variablen, sowohl Aggression als auch Frustration, sind mittlerweile so vieldeutig geworden, daßsie kaum noch der operationalen Definition zugänglich sind" (Schmidt-Mummendey 1972, S.25).

2.3.3. Die Katharsis-Hypothese

Katharsis [griech. "Reinigung"] meint das Sichbefreien von seelischen Konflikten und inneren Spannungen - in diesem Fall von aggressiven Tendenzen - durch eine emotionale Abreaktion. Das bedeutet, daß Gefühle in ihrer vollen Intensität ausgedrückt und ausgelebt werden: Beispielsweise durch Weinen, Handeln, durch Worte oder Symbole (vgl. Zimbardo 1992).

Schon Freud und Lorenz verwendeten den Begriff der "Katharsis" in ihren Abhandlungen, doch erst in der Frustrations-Aggressions-Theorie wurde er konkretisiert und in einer der Zusatzannahmen formuliert.

Dollard und Mitarbeiter gehen davon aus, daß das einmalige Durchführen einer aggressiven Handlung in nächster Zeit das Aggressionspotential verringert, weil eine "Reinigung" stattgefunden hat (vgl. Nolting 1978).

Untersuchungen zur Überprüfung der Katharsis-Hypothese wurden aber von ihren Verfechtern wie Lorenz oder Dollard nicht durchgeführt:

"Persönliche Eindrücke oder Ü berlegungen reichen aber zur Klärung der Frage nicht aus" (Nolting 1978, S.117).

Mittlerweile wurde die Katharsis-Hypothese hinreichend widerlegt (vgl. Nolting 1978). Feststellbar war lediglich, daß Vergeltung gegenüber dem Provokateur (Auslöser von aggressiven Emotionen) zu "einem subjektiv "besseren" Gefühl" (Nolting 1978, S.127) führt.

Nach Aronson (1994) widerlegt ein Großteil der Befunde den Effekt einer Katharsis. Es kann zu einem kurzzeitigen befriedigenden Gefühl kommen, wenn man sich gegenüber einer Person "abreagiert" hat, die einen zuvor ärgerte. Dadurch verringern sich jedoch die Aggressionen nicht, denn "bei Menschen sind Aggressionen nicht nur eine Frage von Triebspannungen, das heißt, von Gefühlen, sondern auch eine Frage des Denkens"

(Aronson 1994, S.264).

Im Grunde genommen kann der in der Katharsis-Hypothese implizierte Abbau von Aggressionen durch entsprechende Spiele, Wettkämpfe oder auch durch das Betrachten von ausgeführten Aggressionen den gegenteiligen Effekt auslösen: Es kann zu "einer Stimulierung und Einübung aggressiven Verhaltens" (Nolting 1978, S.127) kommen. Nach Nolting fand man heraus, "daßdas eigentlich Wichtige das ist, was man als Ablenkung bezeichnet. Ablenken kann nun auch ein Krimi oder Wettkampf; da sieht es dann wie ein "Abreagieren" aus. Aber das Wesentliche daran ist offenbar, daßman etwas tut, was Gedanken und Gefühle hervorruft, die mit dem Ä rger gerade nichts zu tun haben"

(Nolting 1978, S.128).

2.3.4. Lerntheoretische Ansätze

Die lerntheoretischen Ansätze betrachten Verhalten als das Ergebnis von Lernprozessen. Diese Lernprozesse werden durch den Zusammenhang zwischen äußeren Einflüssen (Reize) und gezeigten Verhaltensweisen (Reaktionen) verdeutlicht. Die Theorien stützen sich auf die Annahme, daß Aggressionen wie andere komplexe Verhaltensweisen gelernt werden. In jedem Fall wird die Existenz eines spezifischen Aggressionstriebes oder spezifischer aggressionsauslösender Reize bestritten.

2.3.4.1. Das Klassische Konditionieren

Der Hauptvertreter des lerntheoretischen Ansatzes ist der russische Physiologe Pawlow, der durch Versuche mit Hunden Reiz-Reaktions-Schemata anhand angeborener Reflexe untersuchte.

Bei Reflexen kommt es nach einer Reizung unmittelbar und unwillkürlich zu bestimmten Reaktionen.

Bei den Pawlow´schen Versuchen sonderte ein Hund Speichel ab (Reflex), wenn er sein Futter bekam (unbedingter Reiz). Pawlow koppelte nun den unbedingten Reiz mit einem neutralen Reiz, einem Glockenton. Dieser ertönte zeitgleich immer dann, wenn der Hund sein Futter bekam. Auf diese Weise wurde eine Verstärkung erreicht, die nach einiger Zeit dazu führte, daß der Hund auch dann Speichel absonderte, wenn nur der Glockenton ertönte. Der ursprünglich neutrale Reiz wurde zu einem bedingten Reiz, auf den die bedingte Reaktion folgte (Speichelabsonderung).

Um dieses bedingte Reiz-Reaktions-Schema aufrechtzuerhalten, muß regelmäßig eine Verstärkung erfolgen. Bleibt diese aus, kommt es zur Löschung (Extinktion), d.h. die bedingte Reaktion wird wieder abgebaut (vgl. Hanke 1976).

Auch beim Menschen lassen sich bedingte Reflexe ausbilden:

"Das klassische Konditionieren ist vor allem im Hinblick auf die Auslösung aggressionsbegünstigender Affekte wie Wut und Ä rger durch ursprünglich neutrale Reize von Bedeutung. Allgemeiner ausgedrückt l äß t sich mit dem Modell des klassischen Konditionierens erklären, wie Reize aversiven Charakter erwerben und dadurch nicht selten zum negativen Verstärker für Aggressionen werden" (Hanke 1976, S.142f). Als bekanntes Beispiel sei an dieser Stelle angeführt, daß wir auf jemanden, der uns in der Vergangenheit oft geärgert hat, schon mit negativen Emotionen reagieren, wenn ein anderer nur dessen Namen nennt. Der Betreffende braucht nicht anwesend zu sein; durch den neutralen Reiz (Namensnennung) wird eine bedingte Reaktion (Ärger/Wut) hervorgerufen.

Von Reizgeneralisierung spricht man, wenn die Verstärkung nicht nur auf einen bestimmten bedingten Reiz wirkt, sondern auch auf solche, die diesem ähnlich sind.

Diese Theorie hat jedoch ihre Grenzen:

"Wir lernen aber durch klassisches Konditionieren kein neues Verhalten im engen Sinne!

Dazu bedarf es des operanten Konditionierens und vor allem des Lernens am Modell" (Selg et al. 1988, S.37).

2.3.4.2. Das Operante Konditionieren

Das von Skinner entwickelte Modell des Operanten Konditionierens unterscheidet sich in mehrfacher Hinsicht vom klassischen Konditionieren. Bei letzterem werden Reiz- Reaktions-Schemata betrachtet, bei ersterem der Zusammenhang von Verhalten und nachfolgenden Konsequenzen. Die das Verhalten auslösenden Reize spielen dabei nur eine untergeordnete Rolle.

Skinner geht von Folgendem aus: "Eine mit einem bestimmten Verhalten verbundene Konsequenz kann nur auftreten, wenn das Verhalten auftritt. In diesem Sinn bewirkt das Verhalten die Konsequenz" (Hanke 1976, S.51).

Das bedeutet, daß das Erlernen oder Verlernen von Verhalten von den zu erwartenden Konsequenzen abhängig ist.

Verstärkung ist bei Skinner durch die Auftretenswahrscheinlichkeit einer Verhaltensweise definiert. Die nachfolgenden Konsequenzen bezeichnet er als Verstärker, die er in zwei verschiedene Arten, positive und negative Verstärker, unterteilt.

- Ein positiver Verstärker ist ein Reiz, der auf eine Reaktion folgt und ihre Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht. Dazu zählt u.a. ein Lob des Lehrers für sorgfältig erledigte Hausaufgaben.
- Ein negativer Verstärker ist ein Reiz, der als Reaktion entfernt wird und so die Auftretenswahrscheinlichkeit erhöht. Die unangenehme Konsequenz "Nachsitzen" beispielsweise wird entfernt, sobald der Schüler regelmäßig seine Hausaufgaben erledigt.

Ob ein bestimmter Reiz als positiver oder negativer Verstärker eingesetzt werden kann, läßt sich nur von seiner individuellen Wirksamkeit ableiten.

Als generalisierte Verstärker - unabhängig von ihrem positiven oder negativen Effekt - werden solche Reize bezeichnet, die gemeinsam mit unterschiedlichen anderen Verstärkern auftreten wie z.B. Geld oder emotionale Zuwendung.

Möchte man jedoch die Auftretenswahrscheinlichkeit der Reaktion nicht erhöhen, sondern herabsetzen, ist das durch die zwei Prinzipien Löschung und Strafe möglich. Eine Verhaltensweise kann gelöscht werden, wenn die erwarteten Konsequenzen ausbleiben. Das Verhalten wird seltener auftreten und dann ganz verschwinden. Strafen kann man entweder durch Entfernen eines positiven Verstärkers aus der Reaktionskette oder durch Folgenlassen eines negativen Verstärkers. Durch Strafe wird das unerwünschte Verhalten allerdings nicht gelöscht, sondern nur unterdrückt, da es immer noch verstärkt wird.

Zu den Problematiken Löschung und Strafe meint Hanke:

"Strafmaßnahmen im lerntheoretischen Sinn bleiben in vielen Fällen wirkungslos, da sie zu spät erfolgen und so keinen Einflußauf die Verbindung zwischen Aggression und unmittelbarem Erfolg haben. Reaktionen auf aggressives Verhalten, die aus der Sicht des Handelnden als Strafe gedacht sind, können - als eine Form der Zuwendung und Beachtung - positiv verstärkend wirken.

Löschungsmaßnahmen werden dadurch erschwert, daßsich die Verstärkung aggressiven Verhaltens nur selten konsequent verhindern l äß t. Es kommt so zu intermittierender Verstärkung, die Aggressionen noch fester im Verhaltensrepertoire verankert" (Hanke 1976, S.142).

Intermittierend bedeutet, daß der Verstärker lediglich ab und zu eingesetzt wird, was den tatsächlichen Umweltbedingungen am ehesten entspricht. Sowohl Eltern als auch Lehrern dürfte es schwerfallen, eine Kontinuität beim Verstärken durchzuhalten.

Sowohl das klassische Konditionieren als auch das Operante Konditionieren können komplexe menschliche Verhaltensweisen nicht ausreichend erklären.

Selg (1988) nennt mit dem Erlernen des Radfahrens ein Beispiel, bei dem neben den beiden genannten Lernarten noch das Lernen am Modell (s.Kapitel 2.3.4.3.) eine Rolle spielt. Jedoch sei es ratsam, bei vielen Lernprozessen beide Arten der Konditionierung "am Werk zu sehen" (Selg et al. 1988, S.41).

2.3.4.3. Lernen am Modell

Die von Bandura u.a. entwickelte Theorie beschreibt, wie gelernt wird, aber sie erklärt es nicht. Wie es dazu kommt, daß Verhaltensweisen anderer durch Beobachtung übernommen werden, ist noch weitgehend unbekannt. Fest steht, daß diese Prozesse viel komplexer ablaufen, als beispielsweise die Reiz-Reaktions-Schemata des Klassischen und Operanten Konditionierens. Kognition und Motivation werden beim Modellernen stärker berücksichtigt.

"Bandura (1969) unterscheidet beim Modellernen zwei Phasen: Erwerb und Ausführung des Verhaltens. Für den Erwerb von Verhaltensweisen sind vor allem kognitive Prozesse wie Aufmerksamkeit bei der Beobachtung und Speicherung der Information wichtig" (Hanke 1976, S.55).

Die beobachtende Person muß das Modell weder sofort nachahmen noch dafür bekräftigt werden. Zwischen der Beobachtung und dem ersten Auftauchen des beobachteten Verhaltens kann auch ein längerer Zeitabschnitt liegen.

Zwischen den beiden Personen muß ferner keinerlei Verhältnis bestehen, sie brauchen sich noch nicht einmal zu kennen, um den Prozeß des Lernens am Modell in Gang zu setzen. Diese Tatsache hat erheblichen Einfluß auf die Beurteilung der Massenmedien. Ging man zunächst davon aus, daß zwischen nachahmender Person und Modell ein "emotionales Abhängigkeitsverhältnis" (Belschner in Selg 1982, S.83) bestehen muß, so ist man nun sicher, daß jedes Modell das Beobachtungslernen initiieren kann. Dabei kann es dem Lerner in unterschiedlichster Weise dargeboten werden: Real oder symbolisch, z.B. als Comicfigur.

Ob die Nachahmung des Modellverhaltens in eigenes Verhalten umgesetzt wird, hängt von verschiedenen Bedingungen ab (vgl. Hanke 1976):

- Konsequenzen des Verhaltens für das Modell;
- "Wert" des Modellverhaltens für die Erreichung eigener Ziele;
- Ähnlichkeit zwischen Beobachter und Modell;
- Kompetenz des Modells.

Persönliche Sympathie spielt eine untergeordnete Rolle, wobei äußere Merkmale wie Aussehen, Geld, Kleidung o.ä. unter Umständen verstärkend auf den Beobachter wirken können.

Zeigt das Modell ein Verhalten, über das der Beobachter bereits verfügt, so kann es bei diesem nach Abwägung der Konsequenzen zu einer Erhöhung oder Herabsetzung der Auftretenswahrscheinlichkeit kommen. In diesem Fall spricht man von stellvertretender (vikariierender) Verstärkung, Löschung oder Bestrafung: Der Beobachter sieht die das Modell treffende Konsequenz und kommt unter Umständen zu dem Schluß, daß diese auch für ihn möglich wäre.

Bandura und Mitarbeiter haben zahlreiche Experimente zum Modellernen gemacht. Eines wurde mit Vorschulkindern durchgeführt, die man in drei Gruppen einteilte. Alle Gruppen sahen zunächst einen Film, in dem ein erwachsenes Modell vier physische und vier verbale Aggressionen an einer Puppe ausführte. Im Film der Gruppe I erhielt das Modell eine Belohnung, bei Gruppe II wurde es bestraft und in der Version der III. Gruppe hatte das Verhalten des Modells keinerlei Auswirkungen. Im zweiten Teil des Versuchs hatte jedes Kind Gelegenheit, sich allein mit verschiedenen Spielsachen zu beschäftigen, unter denen sich auch die im Film gezeigte Puppe befand. Neutrale Beobachter notierten die Auftretenshäufigkeit der imitierten aggressiven Verhaltensweisen gegenüber der Puppe. Im unmittelbar folgenden dritten Versuchsteil wurde das Kind von den Versuchsleitern zur Nachahmung des beobachteten aggressiven Verhaltens aufgefordert. Als Belohnung wurden Süßigkeiten verteilt.

Es stellte sich heraus, daß die Kinder der ersten Gruppe während der Spielphase das beobachtete Verhalten am häufigsten imitierten, am wenigsten taten dies die Kinder aus Gruppe II. Dies zeigt den Einfluß der vikariierenden Verstärkung in Gruppe I sowie die Wirkung von Bestrafung auf die zweite Gruppe.

Im dritten Versuchsabschnitt wurden keine größeren Unterschiede zwischen den Gruppen festgestellt: Bei allen zeigte sich eine Zunahme der imitierten Handlungen aufgrund der positiven äußeren Bedingungen. Der Einfluß der Umweltreize ist bemerkenswert: Auch die Kinder der Gruppen II und III hatten das aggressive Verhalten gelernt, es aber nur offen umgesetzt, als die Situation für sie angenehm war.

Auffällig ist ferner, daß die Jungen in allen Situationen mehr Nachahmung zeigten als die Mädchen.

Das Beobachtungslernen bringt im täglichen Leben erhebliche Vorteile: Der Lernprozeß läuft schneller, leichter und oft auch gefahrloser ab, als wenn jeder Mensch alle seine Erfahrungen selbst machen müßte.

Banduras Theorie ist vor allem für das soziale Lernen in Elternhaus und Schule von Bedeutung, denn jeder kann als Modell zur Nachahmung auch unerwünschter Verhaltensweisen dienen.

"Viele anthropologische und soziologische Beobachtungen zeigen, wie einflußreiche Erwachsene, z.B. die Eltern oder auch die Lehrer oder Lehrherren sowohl aggressive Modelle darstellen als auch das aggressive Verhalten der Beobachtenden, in diesem Falle Kinder und Jugendliche, verstärken oder belohnen, wo es auftritt" (Schmidt-Mummendey 1972, S. 30).

Personengruppen, die im täglichen Leben Vorbildfunktion haben, müssen demnach ihr Verhalten genau reflektieren. Sie sollten sich ihrer Wirkung auf die "Beobachter" bewußt werden und sich entsprechend verhalten.

2.3.5. Erich Fromms Konzept der menschlichen Destruktivität

Fromm analysiert die menschliche Destruktivität mit ihren Auswirkungen und unterscheidet dabei die gutartige und die bösartige Aggression.

Die gutartige Aggression tritt bei Tieren und Menschen gleichermaßen auf. Sie ist gekennzeichnet durch Reaktivität und Defensivität. Durch sie können die Lebewesen Bedrohungen beseitigen, somit vitale Interessen durchsetzen und ihr Leben erhalten (vgl. Rauchfleisch 1992).

Die bösartige Aggression findet sich nur beim Menschen. Sie ist dem Lustprinzip unterworfen und im Menschen tief verwurzelt. Sie weist schädliche und sozial zerstörerische Züge auf (vgl. Rauchfleisch 1992).

Die gutartige Aggression gliedert sich nach Fromm in die Pseudoaggression und in die defensive Aggression .

Die Pseudoaggression kann sich

1. als "unbeabsichtigte Aggression" (man tritt beim Tanzen einer anderen Person auf den Fuß);
2. als "spielerische Aggression" (Messen der Geschicklichkeit im Sport);
3. als "Selbstbehauptungsaggression" äußern.

Die defensive Aggression tritt nur in Notsituationen auf, wenn ein Individuum seine "vitalen Interessen" bedroht sieht, und flaut wieder ab, wenn die Gefahr vorüber ist.

Die bösartige Aggression dagegen ist ein rein menschliches Phänomen.

Die Gründe für diese Fehlentwicklung der Aggression sieht Fromm in der Evolution.

Seiner Meinung nach ist der Rückgang des instinktbestimmten menschlichen Handelns zusammen mit einem tendenziellen Wachstum des Gehirns dafür verantwortlich, daß diese bösartige Aggressionsform entstehen konnte (vgl. Kloke in George 1988).

Auch bei der bösartigen Aggression, die Fromm "Destruktivität" nennt, gibt es verschiedene Erscheinungsformen:

1. Mit der rachsüchtigen Destruktivität reagiert der Mensch nicht sofort auf drohende Gefahr, sondern erst, wenn ihm bereits Schaden zugefügt wurde;
2. Die ekstatische Destruktivität entsteht oftmals im rituell-religiösen Bereich;
3. Sadismus äußert sich durch Ausübung körperlicher oder seelischer Grausamkeit. Opfer sind oft Schwächere wie z.B. Kinder.
4. Bei Nekrophilie (Liebe zum Toten) hat das Individuum das Bestreben, alles Lebendige zu zerstören.

Fromm nennt "existenzielle Bedürfnisse", solche, die jeder Mensch hat und die er auf unterschiedlichen Art und Weise zur Erhaltung seines seelischen Gleichgewichts zu erreichen versucht. Dazu zählen:

- Das Bedürfnis nach Orientierung und Devotion:

Jeder Mensch benötigt einen Bezugsrahmen und Ideale, die sein Leben leiten. Die Schule muß Anleitung zur persönlichen Sinnfindung geben;

- Das Bedürfnis nach sozialer Bezogenheit:

Um nicht zu vereinsamen, braucht jedes Individuum affektive Bindungen. Aufgabe der Schule muß es sein, Kooperation und gegenseitiges Verstehen zu fördern;

- Das Bedürfnis nach entwickelter Identität:

Der Mensch strebt nach Einheit mit sich selbst und der äußeren Welt. In der Schule sollten individuelle Konflikte besprochen werden;

- Das Bedürfnis, etwas zu bewirken:

Die eigene Ohnmacht gegenüber der Welt soll kompensiert werden. Die Schule soll "Lebensraum" sein;

- Das Bedürfnis nach Erregung und Stimulation:

Der Mensch benötigt permanent Reize, um nicht in Langeweile und Monotonie zu versinken. Im Unterricht sollten aktivierende Reize angeboten werden (vgl. Kloke in George 1988).

Diese Bedürfnisse lassen sich auf unterschiedliche Art erreichen. Entweder durch positive Leidenschaften wie Liebe, Gerechtigkeitsstreben, Zärtlichkeit und Wahrheit oder durch negative Leidenschaften, wie Haß, Sadismus und Destruktivität.

Ob sich solche negativen Leidenschaften in dem Charakter eines Kindes systematisieren, hängt von vielen Faktoren ab: "Lebensgeschichtliche Ursachen sind vor allem Bedingungen, die dem Kind Gefühle von Leere und Ohnmacht vermitteln, eine Atmosphäre von Stumpfheit und Freudlosigkeit schaffen und das Kind innerlich "erfrieren" lassen. Die gesellschaftlichen Bedingungen, welche die Entwicklung des Sadismus fördern, sieht F ROMM vor allem in einer Sozietät, die auf ausbeuterischer Herrschaft beruht sowie Unabhängigkeit, Integrität, kritisches Denken und Produktivität ihrer Mitglieder hemmt"

(Rauchfleisch 1992, S.29).

Wenn man davon ausgeht, daß soziale Einflüsse und frühkindliche Erlebnisse das Aggressions- und Gewaltverhalten eines Menschen entscheidend prägen, macht es die Unterscheidung zwischen einer gutartigen und einer bösartigen Aggression im Prinzip überflüssig. Beide wären ebensogut als Ausdrucksformen ein und desselben Aggressionspotentials zusammenzufassen.

Problematisch ist die Ansicht Fromms insofern, als er davon ausgeht, daß die bösartige Aggression letztendlich ein Produkt der äußeren Umstände ist: "Das Gute ist uns angeboren, das Böse aber erworben" (Hojer in Schöpf 1985, S.57). Ob der Mensch tatsächlich "von Natur aus gut" ist, bzw. inwieweit die Bösartigkeit seines Verhaltens von außen erworben wurde, kann auch Fromm nicht hinreichend belegen. Da seiner Meinung nach - in Anlehnung an Freud - die lebenserhaltende und die lebensfeindliche Aggression beide im Menschen vorhanden sind und im Gleichgewicht liegen, stellt sich die Frage, warum sich nach 40.000 jähriger Evolution die gutartige Aggression nicht völlig durchgesetzt hat. Nach Fromms Ansicht schafft nämlich der Mensch die Geschichte und nicht umgekehrt. Eine ausreichende Begründung für diese Theorie kann er jedoch nicht liefern.

Erich Fromms Konzept von der menschlichen Destruktivität legt einen weiten Aggressionsbegriff zugrunde: Nicht nur das zielgerichtete Schädigen eines Organismus gehört zur Aggression, sondern auch solche Verhaltensweisen, die dem Bereich der "Aktivität" zugeordnet werden.

Ob diese weite Definition sinnvoll ist, ist zu bestreiten.

Es ist jedoch möglich, mit Fromms Ansätzen die im Schulalltag oftmals ausgetragenen Aggressionshandlungen befriedigender zu kategorisieren und zu bewerten: Nicht jede ist gleich ein Zeichen von Destruktivität, sondern kann auch im Rahmen der Selbstbehauptung und individuellen Interessensvertretung stattfinden. "Die meisten das Lernklima beeinträchtigenden Aggressionshandlungen (haben) konkrete, benennbare Ursachen, die grundsätzlich veränderbar sind" (Kloke in George 1988, S.19).

Wie die Autoren "grundsätzlich" definieren, bleibt unklar. Viele der in der Schule auftretenden Aggressionen haben sicherlich sehr komplexe Ursachen, die weder die Schule noch andere Institutionen befriedigend lösen können.

Ferner bleibt festzuhalten, daß die instrumentellen Aggressionen und die Aggressionen aus Selbstzweck eine zunehmende Rolle spielen. Fromm rechnet die instrumentelle Aggression zwar der defensiven zu, doch auch diese kann eskalieren und nicht mehr nur reinen Selbstschutzcharakter haben. Dieser Umstand bleibt bei Fromm unberücksichtigt.

2.3.6. Schlußfolgerung

Auch diese Arbeit wird die Frage nicht beantworten können, welche Theorie die "richtige" sei. Aber ich denke, das ist auch gar nicht das Problem. Wie bereits zu Anfang dieses Kapitels vermerkt, trägt jede dieser Theorien einen kleinen Teil zur Erklärung der Entstehung von Aggressionen beim Menschen. Ich stimme der Meinung Selgs zu:

"Manche Theorie istüberholt; an der Tatsache aber, daßmenschliche Aggressivitäten gelernt werden, kann kein umfassender Theorieansatz herumkommen. Es ist m üß ig, die alte Frage zu stellen, ob der Mensch gut oder böse sei. Auf jeden Fall ist der Mensch lernfähig und die Evolution nicht am Ende" (Selg et al.1988, S.45).

Nur die Vereinigung mehrerer Theorieansätze kann ein wirksames Erklärungsmodell bilden.

2.4. Aggression im Kindesalter aus entwicklungspsychologischer Sicht

Die Entwicklungspsychologie im allgemeinen beschäftigt sich mit der Beschreibung und Erklärung von Veränderungen der Psyche während des menschlichen Lebenslaufes: Es werden Gesetzmäßigkeiten des menschlichen Verhaltens und Denkens sowie des Wahrnehmungs- und Leistungsvermögens aufgezeigt (vgl. Schenk-Danzinger 1993).

Zu Beginn der Forschungen im entwicklungspsychologischen Bereich ging man davon aus, daß sich menschliche Entwicklung hauptsächlich als Reifungsgeschehen definiere, welches durch die individuellen Gene weitestgehend vorbestimmt sei.

Diese These erwies sich als nicht haltbar, da man erkannte, daß die wenigsten Verhaltensänderungen auf reine Reifungsprozesse zurückzuführen sind. Es besteht eine enge Verbindung zwischen Reifen und Lernen, wobei viele Entwicklungsschritte vorwiegend durch Lernprozesse zu erklären sind (vgl. Schenk-Danzinger 1993).

Der Mensch entwickelt sich während seines gesamten Lebens.

Im Rahmen dieser Arbeit ist jedoch lediglich das Kindesalter von Bedeutung.

Als Kindheit bezeichnet man den Abschnitt zwischen dem 4. und 11. oder 12. Lebensjahr. Diese Entwicklungsstufe ist auf der einen Seite bestimmt durch qualitative und quantitative Veränderungen der Psyche, auf der anderen Seite durch kulturelle Gegebenheiten determiniert. In hochindustrialisierten Ländern stellt die Kindheit einen klar umrissenen Abschnitt dar, in dem das Kind zwar zunehmend Aufgaben zu bewältigen hat, aber dafür noch keine volle Verantwortung zu übernehmen braucht. Es ist bei der Bewältigung des täglichen Lebens sowie bei den in diesem Zusammenhang zu treffenden Entscheidungen noch völlig von dem Erwachsenen abhängig (vgl. Oerter/ Montada 1987).

Im Mittelpunkt dieser Arbeit steht der Teil der Kindheit, der mit dem Schuleintritt beginnt. Zimbardo spricht dabei von der "Phase der späten Kindheit":

Diese "reicht vom 6. bis zum 13. Lebensjahr oder von der Einschulung bis zum Jugendalter. Unter entwicklungspsychologischem Aspekt ist dies eine relativ "ruhige" Zeit, und die meisten Veränderungen sind eher quantitativer als qualitativer Art" (Zimbardo 1983, S.144).

Schenk-Danzinger umschreibt die spätere Kindheit als Abschnitt zwischen dem Schuleintritt und dem Beginn der Vorpubertät:

"Er ist gekennzeichnet durch eine zunehmende realistische Einstellung dem Leben gegenüber und durch die Auseinandersetzung des Kindes mit der Welt der Schule. Lehrer können im positiven wie im negativen Sinn große Bedeutung erlangen und prägenden Einflußauf die Persönlichkeit nehmen" (Schenk-Danzinger 1993, S.233).

Im folgenden wird die Entwicklung des Kindes im Schulalter unter verschiedenen Aspekten beleuchtet.

2.4.1. Motorische Entwicklung

Im Alter zwischen 6 und 12 Jahren ist die motorische Entwicklung durch eine starke Lernfähigkeit der Kinder bestimmt: Sämtliche Bewegungsformen werden differenzierter und das Leistungsvermögen verbessert sich (vgl. Arbinger in Hetzer et al. 1990).

"Kinder im frühen Schulalter haben einen starken Drang nach körperlichem Einsatz und sportlicher Betätigung" (Kossakowski 1987, S.205).

Das trifft im besonderen Maße auf die Schüler der ersten beiden Klassen zu. Bei diesen Kindern überwiegt die Freude am Bewegen, sie tun es weder zur Bestätigung ihrer eigenen Leistung noch in Konkurrenz zu Freunden oder Mitschülern.

Durch die heutzutage vielfach beengten Wohnverhältnisse haben es jüngere Schulkinder oft schwer, ihren Bewegungsdrang auszuleben. Auch in der Schule sind Spielphasen im Freien unerläßlich.

Bewegung unterstützt den Wachstumsprozeß von Muskeln, Knochen und Atmungsorganen und regt den Stoffwechsel an. Außerdem erleben die Kinder dabei eine seelische Befriedigung.

Im schulischen Bereich sollte deshalb darauf Rücksicht genommen werden: Längeres Stillsitzen kann qualvoll sein und zu Ermüdung, Verkrampfung, Unlust, Unaufmerksamkeit oder auch zu Aggression führen.

Ältere Schüler können ihren Bewegungsdrang besser kontrollieren und haben sich bereits an die Disziplin in der Schule gewöhnt. Das heißt aber keinesfalls, daß nicht auch sie Zeit brauchen, während der sie sich ungehindert bewegen können.

Im 3. und 4. Schuljahr spielen Wettkämpfe zur Leistungsmessung eine zunehmend größere Rolle:

"Kraft und Körpergewandtheit werden zuweilen zu entscheidenden Kriterien für die Stellung und das Prestige des einzelnen in der Gruppe sowie zu wichtigen Bedingungen für sein Selbstbewußtsein" (Kossakowski 1987, S,205, vgl. auch Nickel 1975).

2.4.2. Entwicklung der Denkprozesse

Die Entwicklung zu Beginn des Schuleintritts ist durch die allmähliche Überwindung des Egozentrismus gekennzeichnet. Das Kind ist jedoch auch weiterhin nur in der Lage, sich mit den Wirklichkeiten seiner unmittelbaren Erlebniswelt zu beschäftigen. Dazu gehören beispielsweise die Familie, die Wohnsituation, der Schulalltag und Freizeitbeschäftigungen. Neue Erkenntnisse gewinnen Kinder durch unmittelbare Anschauung und den handelnden Umgang mit den Dingen, wobei sie Details erkennen und beschreiben können. Dieser Tatbestand wird während der ersten beiden Schuljahre beim Lernen berücksichtigt (vgl. Kossakowski 1987, Nickel 1975).

Erst ab dem 8. Lebensjahr beginnt das Kind, Interesse für die ihm fremde Welt zu zeigen, wobei es zunehmend räumlich und zeitlich interessiert ist, z.B. für die Geschehnisse der Ritterzeit.

Kinder im Alter zwischen fünf und acht Jahren werden durch den noch vorhandenen Egozentrismus am schlußfolgernden Denken gehindert. In fiktive Situationen können sie sich noch nicht hineindenken. Später ist eine ausreichend große Komplexität erreicht, so daß sie während ihrer Denkprozesse mehrere Faktoren berücksichtigen können. Dazu kommt die zunehmende Fähigkeit zur Strukturierung und Planung von Geschehnissen.

Etwa am Ende des zweiten Schuljahres sind die Kinder in der Lage, deduktive Denkleistungen zu erbringen. Dazu gehört u.a., daß sie eine Regel auf unterschiedliche Einzelfälle anwenden können.

Mit zunehmendem Alter erhöht sich die Abstraktionsfähigkeit, die Schüler erkennen komplexere Zusammenhänge und können diese auch neu ordnen (vgl. Nickel 1975).

Kausale Denkprozesse beschränken sich zunächst auf einfache Wenn-Dann-Beziehungen, die dem Kind aus seiner Erlebniswelt bekannt sind. Später kommen Weil-Deshalb- Verbindungen hinzu.

2.4.3. Entwicklung der Sprache

In den ersten vier Schuljahren haben die Kinder fast ausschließlich einen konkret- gegenständlichen Wortschatz, Abstrakta werden nur sehr begrenzt verwendet.

[...]

Ende der Leseprobe aus 161 Seiten

Details

Titel
Untersuchungen zu Aggression und Gewalt im Grundschulalter
Hochschule
Pädagogische Hochschule Heidelberg
Note
1
Autor
Jahr
1995
Seiten
161
Katalognummer
V185098
ISBN (eBook)
9783656994831
ISBN (Buch)
9783867460026
Dateigröße
1552 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
untersuchungen, aggression, gewalt, grundschulalter
Arbeit zitieren
Cornelia Zimmermann (Autor:in), 1995, Untersuchungen zu Aggression und Gewalt im Grundschulalter, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/185098

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