Hospitäler im spätmittelalterlichen Thüringen: vom kirchlichen zum bürgerlichen Hospital

Eine empirische Untersuchung anhand ausgewählter regionaler Beispiele


Examensarbeit, 2011

61 Seiten, Note: 2,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung

2. Das kirchliche Hospital
2.1. Gestalt und Entwicklung
2.1.1. Das Franziskanerspital in Eisenach
2.2. Bruderschaftliche und klösterliche Spitäler jüngerer Ordnung
2.2.1. Ein bruderschaftliches Spital in Duderstadt
2.3. Hospitäler der Ordensgemeinschaften
2.3.1. Nichtritterliche Spitalorden
2.3.2. Ritterliche Spitalorden
2.3.2.1. Die Johanniter
2.3.2.2. Die Lazariten
2.3.2.3. Der Deutsche Orden

3. Vom kirchlichen zum bürgerlichen Hospital

4. Das bürgerliche Hospital
4.1. Gestalt und Entwicklung
4.2. Hospitäler der Gesamtgemeinde
4.2.1. Das innerstädtische Hospital am Beispiel der Städte Erfurt und Mühlhausen
4.2.1.1. Das Margarethenhospital
4.2.1.2. Das Antoniushospital
4.2.1.3. Das Jakobihospital
4.2.2. Die Zunft- und Universitätshospitäler
4.2.3. Irrenverwahrung und Pilgerspitäler
4.2.4. Isolierhäuser

5. Fazit

6. Abbildungsverzeichnis

7. Literaturverzeichnis

1. Einleitung

„Denn ich bin hungrig gewesen, und ihr habt mir zu essen gegeben. Ich bin durstig gewesen, und ihr habt mir zu trinken gegeben. Ich bin ein Fremder gewesen, und ihr habt mich aufgenommen. Ich bin nackt gewesen, und ihr habt mich gekleidet. Ich bin krank gewesen, und ihr habt mich besucht. Ich bin im Gefängnis gewesen, und ihr seid zu mir gekommen.“ [1]

Bereits den frühen Christen waren die Taten der Barmherzigkeit durchaus geläufig. Diese bestanden unter anderem in der Pflege der Kranken, die im Christentum von der Caritas getragen wurde. Eine Einrichtung, die sich insbesondere der Pflege kranker und alter Menschen widmete, war das Hospital. Der mittelhochdeutsche Begriff Hospital stammt vom lateinischen Wort hospes ab, welches die Bedeutungen Gast und Gastfreund in sich birgt.[2] Dies ist durchaus treffend, da sich der Grundgedanke bis heute mit dem Begriff Hospital einen lässt, denn Spitäler galten von je her als karitative Einrichtungen, die generell am christlichen Gebot der Nächstenliebe und der Barmherzigkeit orientiert waren.

Das deutsche Hospitalwesen unterlag seit seiner Entstehung im 4. Jahrhundert unzähligen Umformungen. Bedingt durch gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und soziale Wandel veränderte sich auch die Institution Hospital. Im Mittelalter übernahmen in erster Linie die Kirchen, Klöster und Orden das Aufgabenfeld der Caritas. Diese: „[...]schaut nur auf das Leid und nimmt sich seiner an; sie fragt weder nach den Ursachen noch nach der Zugehörigkeit des Bedürftigen zu einer bestimmten gesellschaftlichen Gruppe.“[3] Diese Institutionen stellten ihre Hilfe dabei sowohl in der Form einer offenen Pflege, als auch durch ihre Tätigkeit in geschlossenen Einrichtungen zur Verfügung. Die Hospitäler waren dabei eine umfangreiche Versorgungseinrichtung. „Neben Akutkranken konnten im mittelalterlichen Spital auch Gebrechliche und Arme, Pilger und Waisenkinder eine zeitweilige, schließlich gegen Bezahlung auch sogenannte Pfründner eine auf Dauer angelegte Versorgung finden.“[4]

Dabei ist deutlich erkennbar, dass der mittelalterliche Hospitalbegriff ein deutlich umfangreicheres Konzept der Kranken- und Armenversorgung umfasst, als der heute geläufige Begriff Krankenhaus ausdrücken kann.

Ein wesentlicher Aspekt im Bereich der Hospitalgeschichte stellt die Herausbildung der klösterlichen Spitäler dar. Jedoch kam es im späten Mittelalter zu einem Wandlungsprozess, denn jenes, von der Institution Kirche getragene, Hospital ging zunehmend in die Hand des Bürgertums und der Städte über.

In Thüringen traten die ersten, durch Quellen belegte, Hospitäler im 12. Jahrhundert auf. Eine der ältesten Einrichtungen, und in Thüringen generell das erste belegte Hospital, stellt das 1117 gegründete Allerheiligenspital in Erfurt dar. Diesem folgten Spitäler in Altenburg, Gotha und Nordhausen.[5]

Diese Arbeit hat die Zielsetzung das spätmittelalterliche Hospital, besonders im Thüringer Raum, genauer zu untersuchen. Dabei soll anhand verschiedener Hospitaltypen dieses Gebietes die Entwicklung und Veränderung der Einrichtung aufgezeigt und näher betrachtet werden. Die Thüringer Hospitäler des Spätmittelalters waren dauerhaft verschiedenen Veränderungen unterworfen.

Im ersten Teil meiner Arbeit wird der Typ des kirchlichen Hospitals im Mittelpunkt meiner Ausführungen stehen. Für den Thüringer Raum sind dabei in erster Linie Hospitäler der Ordensgemeinschaften nachweisbar. Daher werden hier ausgehend von regionalen Beispielen für Benediktiner-, Zisterzienser- und Prämonstratensereinrichtungen die verschiedenen Ordenstypen und ihre Thüringer Einrichtungen näher untersucht. Welche Orte wählten die Ordensgemeinschaften für ihre Hospitäler, welche Grundideen lagen ihnen zugrunde und wie entwickelten sich ihre Häuser.

Im darauf folgenden Teil meiner Arbeit möchte ich die Entwicklungslinien kennzeichnen, die zur Herausbildung der bürgerlichen, insbesondere aber der städtischen Hospitäler führte. Welche gesellschaftlichen Veränderungen brachten diesen Umbruch, und wie vollzog er sich speziell.

Im dritten Teil meiner Arbeit soll anhand eines weiteren regionalen Beispiels diese Entwicklung exemplarisch belegt werden. Die Stadt Mühlhausen mit ihren drei städtischen Hospitälern ist dabei der Mittelpunkt meiner Ausführungen. Verschiedene Fragestellungen, wie nach den Gründern, der Organisation und der Wirtschaft sollen dabei eingehend beobachtet werden. Abschließend sollen an dieser Stelle kurz die anderen Formen der bürgerlichen Spitäler im Thüringer Raum betrachtet werden, wie die Universitätshospitäler und die Isolierhäuser. Abschließend soll der Forschungsstand zur Thematik Hospital, Hospitalgeschichte und Einrichtungen in Thüringen kritisch hinterfragt werden.

Hauptgrundlage dieser Arbeit sind drei Werke, die sich eingehend mit der Thematik der Entwicklung des Hospitalswesens beschäftigen. Dennoch bleibt das Gebiet Thüringen in vielen Ausarbeitungen unbeachtet. Bisher existieren lediglich bestimmte Einzelstudien, Thüringer Städte und Einrichtungen betreffend, beispielsweise Erfurt oder Jena. Jedoch war das spätmittelalterliche Gebiet Thüringen ein zentraler Handelspunkt, in welchem sich die verschiedensten Fernstraßen begegneten. Zudem verfügte das Thüringer Territorium über mehr als 90 Städte. Bis 1500 kann man in Thüringen bis zu 150 Hospitäler nachweisen, Erfurt beispielsweise war eine der Städte mit den meisten Hospitälern.[6]

Eines der grundlegenden Werke für die Betrachtung des Hospitals ist in diesem Zusammenhang vermutlich die Arbeit Siegfried Reickes. Dieses folgt einem chronologischen Aufbau, wobei es zunächst im ersten Band die unterschiedlichen Hospitaltypen anhand der zeitlichen Entwicklung eingehend betrachtet. Dabei beginnt er mit den kirchlichen Hospitälern, die er wiederum in verschiedene Untertypen gliedert. Er unterscheidet dabei Klosterspitäler, Stiftsspitäler, bruderschaftliche Spitäler und die der Ritterorden. Daraufhin beschreibt Reicke einen Wandlungsprozess, der zur Entstehung der bürgerlichen Spitäler führt. Auch diese gliedert er in verschiedene Typen, das städtische Hospital, Leprosenspitäler, Pilgerspitäler und die Irrenverwahrung.

Der zweite Band setzt sich dann mit den rechtlichen Aspekten des Hospitalbetriebs auseinander. Deutlich erkennbar ist bei Reicke, dass dieser sich an der Rechtsgeschichte orientiert. Dabei arbeitet er mit vielen Beispielen, die jedoch insbesondere den westdeutschen Raum betreffen. Sein Werk ist deutlich als Grundlagenwerk zu kennzeichnen, da es von vielen anderen Autoren verwendet wurde.

Zweites Grundlagenwerk meiner Arbeit ist ein Buch Dieter Jetters zur Hospitalgeschichte. Auch dieser versucht in chronologischer Reihenfolge die Geschichte des Hospitals zu kennzeichnen, geht aber kaum über die Ausführungen Reickes hinaus.

Beide Autoren schufen mit ihren Werken eine Einteilung der verschiedenen Hospitaltypen, jedoch verzichten auch beide darauf, sich mit einem bestimmten deutschen Gebiet genauer auseinander zu setzen. Sie ordnen die verschiedenen Typen in ein bestimmtes System ein, wobei die Einrichtung anderen Institutionen zugeordnet wird, beispielsweise dem Staat, der Kirche oder der Stadt. Reicke nennt dabei in seinem Werk nur wenige Orte des Thüringer Raums, Jetter befasst sich ausschließlich mit dem westdeutschen Gebiet.[7]

Die wichtigste Grundlage dieser Arbeit ist jedoch ein Aufsatz Jürgen Kiefers zur Thüringer Hospitalgeschichte. „Die sich damit ergebende Gliederung sieht eine Einteilung der Spitäler in kaiserliche, kirchliche (mit den Hospitälern der Bischöfe, Kanoniker und Ordensgemeinschaften), bürgerliche (christliche) (mit den Spitälern der Gesamtgemeinde oder bestimmter Interessen-gemeinschaften, der Isolierhäuser und Hospize) sowie (bürgerliche) jüdische Hospitäler vor.“[8] Kiefer entwirft in diesem Aufsatz eine schlüssige Gliederung der vielschichtigen Thüringer Hospitallandschaft. Er charakterisiert dabei die Auswirkungen verschiedener Entwicklungslinien auf die Hospitalentwicklung. Er beschreibt die verschiedenen Typen des Spitals anhand zahlreicher Thüringer Beispiele.

2. Das kirchliche Hospital

2.1. Gestalt und Entwicklung

Der Autor Jürgen Kiefer nimmt in seinem Aufsatz eine Dreigliederung kirchlicher Hospitäler vor, dieser folgend, kann man im Mittelalter Domspitäler, Stiftsspitäler und Hospitäler der Ordensgemeinden voneinander unterscheiden. Die Domspitäler galten als Einrichtungen der Bischöfe, welche die Menschen in erster Linie im karitativen Bereich betreuten, dabei war diese Form des Hospitals allen Menschen zugänglich- Armen, Kranken und Alten. Die Stiftsspitäler hingegen waren Gründungen der Kanoniker und lagen bei der Stiftskirche. Doch diese beiden Formen sind für das mittelalterliche Thüringen nicht nachweisbar, zwar konnten für dieses Gebiet Stifte nachgewiesen werden, jedoch ohne Verbindung zu Hospitälern.

Für Thüringen belegbar waren die Hospitäler der Ordensgemeinschaften, die ihren Ursprung im Benediktinerorden nahmen.[9] Die Grundlage für die barmherzigen Taten der Menschen war ihre Religiosität. Diese führte beispielsweise dazu, dass sich verschiedene Personengruppen mit dem Ziel zusammenschlossen anderen Menschen zu helfen. Im Mittelalter entwickelten sich diese Zusammenschlüsse zu Klostergemeinschaften, deren Ideal es war sich der Pflege bedürftiger Menschen zu widmen. Einer der bekanntesten Mönche des Mittelalters war Benedikt von Nursia, seine Mönchsregel galt für viele Jahrhunderte als Grundlage der christlichen Barmherzigkeit und der Krankenpflege. Insgesamt umfasst dessen Regel 73 Kapitel, die das Gelingen des gemeinsamen Klosterlebens gewährleisten sollten. Auf die im 4. Kapitel gestellte Frage, „welches die Werkzeuge der guten Werke sind“, heißt es zunächst unter anderem: „Arme erquicken, Nackte bekleiden, Kranke besuchen, Tote begraben, in der Trübsal zu Hilfe eilen, Trauernde trösten.“[10] Im 36. Kapitel seiner Regel formuliert er zudem, dass die Betreuung kranker Menschen ein wesentlicher Bestandteil des Mönchlebens sei. Die Kranken sollten aber im Gegenzug auch Dankbarkeit gegenüber ihren Pflegern und Gott zeigen. Er betont gleichzeitig, die Krankenpflege solle nicht nur den

Mitgliedern des Klosters, sondern auch Außenstehenden zuteil werden. Bereits im Jahr 800 hatte sich ein System durchgesetzt, welches die Verbindung zwischen Kloster und Hospital erlaubte.

Abbildung 1

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Für Thüringen lassen sich die Hospitäler der Benediktiner in Bürgel, Rohr, Erfurt und Paulin Zella nachweisen.[11]

Hohen Bekanntheitsgrad erlangte in diesem Zusammenhang der Plan des St. Gallener Klosters, der etwa um 820 entstand. Er beschreibt den Idealtyp eines Verbundes zwischen Kloster und Hospital. „Im Pfortenbereich liegt das Hospitale pauperum, welches zur Aufnahme von Armen, Pilgern und Kranken bestimmt war, die von außerhalb des Klosterbereichs kamen. In der Nähe des Abtshauses war das Domus hospitum vorgesehen, ein Haus für vornehme Fremde, wo der Kaiser, der Landesfürst und fremde kirchliche Würdenträger beherbergt, gepflegt und im Krankheitsfalle auch behandelt wurden. Innerhalb der Klausur, also zum ausschließlichen Gebrauch für die Mönche bestimmt, war das Infirmarium, das eigentliche Klosterspital, angelegt.“[12] Es wurde somit zur gängigen Praxis, dass die Klöster für die Krankenpflege verantwortlich waren. Es entstanden Vorschriften für die Klöster, dass die Einrichtungen über einen gesonderten Raum zur Krankenpflege, dem Infirmarium, verfügen sollten.[13]

Auch Dieter Jetter beschreibt die allgemeinen Vorstellungen vom kirchlichen Hospital mit Hilfe des St. Gallener Plans. Er geht davon aus, dass die Dreiteilung der Einrichtung typisch für die ersten Spitäler war. Das Infirmarium diente laut Jetter jedoch ausschließlich erkrankten Mönchen. Es lag dabei östlich der Kirche in relativer Entfernung zu den Klostergebäuden. Das Gästehaus stellte eine Bleibe für reiche Gäste dar und hatte keinen karitativen Charakter. Das Pilgerhaus hingegen lag in relativer Nähe zur Kirche und diente als Armenkrankenhaus für Reisende. Es ist demnach das eigentliche Hospital, welches für die Ausübung der Werke der Barmherzigkeit gedacht war. Jetter betont aber, dass sich für die deutschen Klöster nur schwer nachweisen lässt, ob diese Aufteilung in jeder Einrichtung vorhanden war, und wie sie baulich umgesetzt wurde.[14]

Nach der Blütezeit der Benediktiner kam es nach und nach zur Verarmung dieser Einrichtungen, da sie von ihren jeweiligen Herrschern ausgenutzt wurden. Ab dem 10. Jahrhundert setzten aber Reformbewegungen ein, die diese Situation ändern sollten. Eine der ersten Bewegungen ging dabei von Cluny aus, und hatte ein erneutes Aufblühen der Benediktinerregeln zur Folge. Der Unterschied zu den Bestimmungen Benedikts bestand darin, dass die Spitalpflege nach den Ständen organisiert war; es gab demnach zwei verschiedene Einrichtungen, eine für die ärmere Bevölkerung und eine für die reiche. Die eigentliche Wohlfahrtspflege fand jedoch nur in den Armenspitälern statt.[15]

Mit dem Beginn des 12. Jahrhunderts entwickelten sich zudem zwei weitere Orden heraus, der Zisterzienser- und der Prämonstratenserorden. In diesem Zusammenhang spricht die Forschung von einer weiteren Reformbewegung, ausgehend von den Zisterziensern. Diese Reform von 1098 hatte das Ziel die

Regeln des heiligen Benedikt vollkommen in die Praxis umzusetzen. Die Folge war die Erneuerung des Mönchtums, welche beispielsweise die Verpflichtung zu einem Leben in absoluter Armut nach sich zog. Es ging dabei insgesamt um die: „Rückkehr zum authentischen Geist, zu den Intentionen des hl. Benedikt, vor allem durch wörtliche Beobachtung seiner Regel.“[16] Die Zisterzienser siedelten dabei vorzugsweise in einsamen Waldgebieten, das Infirmarium richteten sie in der Regel getrennt vom Klostergebäude ein. Thüringer Niederlassungen des Ordens lassen sich in Georgenthal, Ichtershausen, Reifenstein und Volkenroda nachweisen.[17] Auch der Orden der Prämonstratenser orientierte sich bei seinen Klosterkrankenhäusern am Vorbild der Benediktiner. Einrichtungen dieses Ordens in Thüringen befanden sich unter anderem in Breitungen, Ilfeld und Vessra.[18]

Beide Orden entwickelten eine umfangreiche Spitalpflege, womit das Armenspital zum festen Bestandteil der Klöster wurde. Die Einrichtungen entstanden in den meisten Fällen durch Stiftungen Außenstehender. Die vordergründige Aufgabe der Hospitäler bestand zunächst in der Pflege und Versorgung Reisender. Dementsprechend verfügten die meisten Institutionen nur über eine kleine Anlage, die für wenige Personen ausgelegt war. Die Einrichtungen konnten sich in ländlicher Gegend länger behaupten als in der Stadt. Im städtischen Umfeld verlor das kirchliche Hospital im ausgehenden Mittelalter zunehmend an Bedeutung und wurde von Hospitälern der verschiedenen Bettelorden oder städtischen Spitälern abgelöst.[19]

2.1.1 Das Franziskanerspital in Eisenach

Den Ursprung des Ordens der Franziskaner bildet Franziskus von Assisi, der sich vollständig dem christlichen Lebensideal widmen wollte. Um seine Person bildete sich schon bald eine Gruppe von Menschen, die sich ein Leben in Armut, Demut und Nächstenliebe schworen. Dieser Orden der Franziskaner ließ sich zunächst nur zufällig und unbestimmt an verschiedenen Orten nieder, entwickelte aber schon bald feste Standorte.[20]

Eine solche Niederlassung des Ordens bildet beispielsweise das 1331 gegründete Franziskanerkloster St. Elisabeth unterhalb der Wartburg. Die Geschichte der Einrichtung begann jedoch schon weitaus früher, denn bereits 1226 wurde an dieser Stelle durch die Landgräfin Elisabeth von Thüringen ein Hospital eingerichtet. Die Heilstätte stand unter dem Einfluss des Lebens und Nachwirkens der Landgräfin, aber auch unter dem Einfluss des Markgrafen von Meißen, der seit 1250 Landgraf über Thüringen war. Für das Hospital der heiligen Elisabeth existieren jedoch lediglich drei Zeugnisse. Das erste stellt die Summa vitae des Konrad von Marburg dar, die besagt: „Elisabeth habe, als ihr Mann beim Kaiser in Apulien weilte und ganz Deutschland von Teuerung und Hunger erfasst worden war, bei ihrer Burg ein Hospital errichten lassen und in dieses zahlreiche Kranke und Schwache aufgenommen.“[21] Neben dieser Chronik Konrads setzen sich noch zwei weitere Texte mit der Hospitalgründung Elisabeths auseinander, beide schildern die Geschehnisse detaillierter als die Summa vitae. Sie beschreiben die Unterbringung armer und kranker Menschen durch die Landgräfin und deren Fürsorge für die Insassen. Jedoch geben diese Überlieferungen zudem Auskunft über den genauen Standort des Hospitals: „Diese <<Plusstelle>> ist darum so bedeutsam, weil in ihr erstmals die Wartburg ausdrücklich als jene obere Burg [...] benannt wird, unter der die <<magna domus>> der Elisabeth lag.“[22] Da sich die drei Quellen nicht widersprechen, sondern gegenseitig ergänzen, werden der Gründungszeitpunkt und der Standort des Hospitals als sicher beurteilt. Die Jahre nach der Gründung hingegen müssen aufgrund der schlechten Quellenlage relativ unklar bleiben. Die Forschung geht davon aus, dass die Einrichtung der Elisabeth lediglich bis 1327 oder 1328 bestand. Diese Annahme ist mit folgenden Argumenten begründet: Da die Einrichtung durch Elisabeth selbst betreut wurde, kann man davon ausgehen, dass nach dem Tod ihres Mannes und ihrem Weggang aus Eisenach niemand vorhanden war, der ihr Werk fortsetzte. Die Erinnerung an diesen Ort blieb jedoch erhalten, da das Hospital der erste Ort war, wo sich die karitativen Bemühungen Elisabeths nachweisen lassen.[23]

Ebenfalls im 14. Jahrhundert wurde am ehemaligen Standort des Hospitals die Zelle der Heiligen Elisabeth durch Friedrich den Ernsthaften gegründet. Das Patrozinium[24] der Einrichtung war die Heilige selbst, auf ihren Namen wurde auch die Kapelle geweiht. Die Leitung der neuen Einrichtung übernahm der Orden der Franziskaner. In der Stadt Eisenach wurden die Franziskaner sehr geschätzt, sodass die Zelle unterhalb der Wartburg bereits ihre zweite Niederlassung darstellte. Ab 1395 begannen die Franziskaner und Dominikaner der Stadt Eisenach mit dem Verfassen von Chroniken. In einer dieser Schriften wird die Gründung der Elisabethzelle auf 1331 datiert, wird an dieser Stelle aber nur kurz erwähnt. Ausführliche Informationen zur Zelle sind erst im 15. Jahrhundert vorhanden. Ein Teil dieser Chronik stammt dabei aus dem Inneren der Zelle und ist eine Klosterchronik von einem unbekannten Autor, sie reicht jedoch nur bis 1441. Der Autor berichtet von der Übertragung des Spitals an den Franziskanerorden durch Friedrich den Ernsthaften, dieser besetzte, der Urkunde nach, die Einrichtung zugleich mit vier Priestern. Der andere Teil stammt vom: „[...] Eisenacher Ratsschreiber und landgräflichen Kaplan Johannes Rothe [...], der sich der Gründungsphase der Zelle in seinen drei Chroniken [...] in unterschiedlicher Ausführlichkeit zuwandte.“[25] Dabei bezieht sich der Autor in erster Linie auf die Gründungsurkunde von 1331. Er gibt viele Informationen über die innere Organisation der Einrichtung, so zum Beispiel deren Besetzung mit sechs Franziskanern oder die Versorgung durch die Wartburg. Die Chronik des Konventmitgliedes nennt zudem die Guardiane der Zelle bis 1441. Der erste war Fr. Otto von Dony, der zunächst die Leitung der Zelle übernahm und für die Herrichtung des Gebäudes zuständig war. Der zweite Leiter war Thidericus Wynecke, der in der Chronik als Beichtvater Friedrich des Ernsten bezeichnet wird Er sorgte nach der Fertigstellung der Einrichtung für ihre innere Ausstattung. Der letzte erwähnte Guardian ist Heinricus Kulstet, über das Ende seiner Amtszeit ist aufgrund der abreißenden Chronik nichts weiter überliefert.[26]

Beiden Überlieferungen ist gemein, dass sie die Verbindung der Einrichtung zur heiligen Elisabeth deutlich hervorheben, denn auch der Stifter der Zelle war ein großer Verehrer ihrer Person. Hier liegt wohl auch der Grund für den Standort dieser Heilstätte, an der Stelle von Elisabeths Hospital. Der Chronik folgend, besaß die Klosterkirche den Mantel der Elisabeth als Reliquie. Uneinig sind sich die zwei Chronisten jedoch bei der Frage, ob der Hospitalbau der Elisabeth noch bestand und zur Errichtung der Zelle genutzt wurde, oder ob an der Stelle ein vollkommen neuer Bau entstand. Quellen über das Ende dieser Einrichtung fehlen, es wird aber vermutet, dass sie 1525 im Zusammenhang mit der Reformation und dem Bauernkrieg aufgelöst wurde.[27]

Ab dem 12. Jahrhundert tritt das Hospital zunehmend aus der strengen Verbindung zum Kloster aus, die klösterlichen Anlagen reichen nicht mehr aus um die Vielzahl der Insassen zu versorgen. Der Grund für diesen Zuwachs ist die allgemeine Bevölkerungszunahme dieser Zeit. Immer mehr Menschen leben in den Städten, somit werden auch größere Einrichtungen zur karitativen Betreuung dieser Personen erforderlich. Ein großes Problem der klösterlichen Einrichtungen bestand zudem darin, dass die Hospitaltätigkeit nicht an erster Stelle stand, sodass der Betrieb bei finanziellen Engpässen eingestellt wurde. Die Lösung des Problems waren: „[...] die etwa gleichzeitig im Abendlande und im Morgenlande entstehenden Spitalverbrüderungen von Laien mit klösterlicher Lebenshaltung im Dienste der Armen und Kranken.“[28] Diese Bruderschaften hatten die Zielsetzung ihre Religiosität durch den Dienst an anderen zum Ausdruck zu bringen und wandten sich der Institution Hospital zu. Dabei widmeten sich die Spitalbruderschaften mit Leib und Seele diesem Aufgabenfeld. Reicke unterscheidet in seinen Ausführungen drei Arten der bruderschaftlichen Spitäler, die erste Gruppe bilden selbstständige bruderschaftliche Anstalten, die zweite die klösterlichen Spitäler jüngerer Ordnung und die dritte Gruppe umfasst die Spitäler der Ordensgemeinschaften des ausgehenden Mittelalters.[29]

2.2. Bruderschaftliche und klösterliche Spitäler jüngerer Ordnung

Die Entfaltung des bruderschaftlichen Spitals beginnt mit dem 12. Jahrhundert und erreicht seinen Höhepunkt im 13. Jahrhundert. Danach geht die Entstehung dieser Einrichtungen zurück. Zu Beginn des 14. Jh. wird diese Form des Hospitals in der Regel nicht mehr gegründet. Als Träger für dieses Spital sind Personen aus allen gesellschaftlichen Schichten vertreten, jedoch sind es in erster Linie Laien, die als Gründer in Erscheinung treten. Privatgründungen dieser Form waren oft mit einem Eintritt des Stifters in den Dienst der Einrichtung verbunden; dieser wollte dort als Bruder bis an sein Lebensende Bedürftigen dienen. „ So widmeten sich in dem von ihnen 1125 gestifteten Allerheiligenspital zu Erfurt, dessen Spitalverbrüderung nach der Augustinerregel zu leben hatte, der Priester Erkenbert und der erzbischöflich mainzische Vitztum zu Erfurt Adalbert dem Dienste Gottes.“[30] Jedoch existieren von dieser Spitalform auch unzählige Beispiele, die über keine Information zu den Stiftern verfügen. Diese Form des bruderschaftlichen Spitals war weitestgehend in der Lage zur Selbstverwaltung, wurde dabei durch kirchliche Instanzen beaufsichtigt. Die Obergewalt über diese Spitalform hatte der Diözesenbischof inne, er genehmigte die Spitalordnung, bestimmte die Vorsteher der Einrichtung und überwachte die Finanzen des Hospitals.[31]

Aber auch das ursprünglich klösterliche Spital erfuhr seit dem Ende des 11. Jahrhunderts einen Aufschwung und Veränderung. Es entstand das klösterliche Spital jüngerer Ordnung. Diese Form der Heilstätte richtete sich zunächst weiterhin nach ihren vorherigen Richtlinien, wurde jedoch zunehmend selbstständiger und war nur noch lose mit dem eigentlichen Kloster verbunden. Die innere Verfassung des klösterlichen Hospitals war ab diesem Zeitpunkt bruderschaftlich geprägt, sodass fortan die Pflege bedürftiger Menschen oberste Priorität hatte. Viele dieser bruderschaftlichen Einrichtungen wurden im Laufe des Mittelalters in Klöster umgewandelt, zudem lösten die bürgerlichen Bemühungen die Einrichtungen zunehmend ab.[32]

2.2.1. Ein bruderschaftliches Spital in Duderstadt

Ein Beispiel soll an dieser Stelle das Hospital einer Duderstädter Bruderschaft bilden, welches sich jedoch vom frühen Spital dieser Art in verschiedenen Punkten abhebt, so zum Beispiel in seiner Entstehungszeit oder seiner Abhängigkeit von kirchlichen Instanzen.

„Ein bisher wenig beachtetes Zeugnis sowohl der Jakobusverehrung, wie der Pilgerfahrt nach Santiago di Compostela hat das Eichsfeld zu bieten: die im 15. und 16. Jahrhundert in Duderstadt bestehende Jakobsbruderschaft und ihr Hospital für Jakobspilger.“[33] Duderstadt ist zwar kein Teil des heutigen Freistaates Thüringen, aber ein Bestandteil des Landstriches Eichsfeld, welches sich zum überwiegenden Teil im Freistaat befindet. Johann Wolf, Quellenforscher der Eichsfelder Geschichte, berichtet in seiner Beschreibung Duderstadts nur relativ knapp von der Existenz der Bruderschaft und deren Hospital. Er definierte das Spital als Auffangstelle für Pilger, die zum Grab des Apostels Jakobus reisten. Grundlage für die Schilderungen des Autors bilden lediglich zwei Urkunden und wenige Bemerkungen in der Stadtchronik. Bedeutend ist das Hospital der Bruderschaft, da die Stadt im Mittelalter über keine Klöster verfügte. Diese waren aber, wie bereits erwähnt, in der Regel für die Kranken- und Armenbetreuung zuständig. Den Bereich der karitativen Betreuung übernahmen somit die Bürger der Stadt. Die Stadt verfügte ab dem 14. Jahrhundert über drei Hospitäler. Die erste Einrichtung, St. Martin, entstand 1347 durch private Stiftungen außerhalb der Stadt und diente der Versorgung Leprakranker. Die zweite Heilstätte, Hospital zum Hl. Geist, entstand auch im 14. Jahrhundert. Die Gründung der Bruderschaft stellte die dritte karitative Einrichtung der Stadt dar. Die Forschung geht davon aus, dass die Anfänge der Bruderschaft im 13. Jahrhundert lagen, die erste Nachricht zu dieser

[...]


[1] Die Bibel, Matthäus 25, 35 und 36

[2] U. Lindgren: Hospital. Seite 133

[3] Werner Moritz: Das Hospital im späten Mittelalter. Seite 36

[4] Ebd. Seite 57

[5] Jürgen Kiefer: Anmerkungen zur Klassifikation mittelalterlicher Hospitäler. Seite 38

[6] Ebd. Seite 33-34

[7] Ebd.. Seite 35

[8] Ebd. Seite 37

[9] Jürgen Kiefer: Anmerkung zur Klassifikation mittelalterlicher Hospitäler. Seite 41-42

[10] Hubert Kolling: Die Sorge für die Kranken steht vor und über allen anderen Pflichten. Seite 69

[11] Jürgen Kiefer: Anmerkung zur Klassifikation mittelalterlicher Hospitäler. Seite 42

[12] Ebd. Seite 70-71

[13] Ebd. Seite 66-70

[14] Dieter Jetter: Geschichte des Hospitals. Seite 12-13

[15] Siegfried Rei>

[16] Kaspar Elm: Die Zisterzienser. Seite 40

[17] Jürgen Kiefer: Anmerkung zur Klassifikation mittelalterlicher Hospitäler. Seite 42

[18] Ebd. Seite 42

[19] Siegfried Rei>

[20] E. Pásztor: Franziskaner. Seite 800- 806

[21] Petra Weigel: Das Elisabeth- Hospital und das Franziskanerkloster St. Elisabeth. Seite 177

[22] Ebd. Seite 177

[23] Ebd.: Seite 175- 181

[24] Als Patrozinium wird die Schutzherrschaft eines Patrons oder einer Patronin bezeichnet, der eine Einrichtung (Kirche, Spital, Schule) unterstellt wird. ( Vergleiche: Lexikon des Mittelalters, Band VI, Seite 1806- 1808)

[25] Ebd.: Seite 182-183

[26] Beiträge zur Geschichte der klösterlichen Niederlassungen Eisenachs: Seite 84- 88

[27] Ebd. : Seite 181- 192

[28] Siegfried Rei>

[29] Ebd. Seite 48-53

[30] Ebd. Seite 60

[31] Ebd. Seite 55-71

[32] Ebd. Seite 72-92

[33] Peter Aufgebauer: Eine Duderstädter Bruderschaft und ihr Hospital. Seite 49- 50

Ende der Leseprobe aus 61 Seiten

Details

Titel
Hospitäler im spätmittelalterlichen Thüringen: vom kirchlichen zum bürgerlichen Hospital
Untertitel
Eine empirische Untersuchung anhand ausgewählter regionaler Beispiele
Hochschule
Friedrich-Schiller-Universität Jena
Note
2,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
61
Katalognummer
V184507
ISBN (eBook)
9783656093510
ISBN (Buch)
9783656093244
Dateigröße
6542 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
hospitäler, thüringen, hospital, eine, untersuchung, beispiele
Arbeit zitieren
Juliane Berger (Autor:in), 2011, Hospitäler im spätmittelalterlichen Thüringen: vom kirchlichen zum bürgerlichen Hospital, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184507

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