Physikalische Untersuchung des Freistoßes im Fußball anhand einer Digitalen Videoanalyse


Facharbeit (Schule), 2010

36 Seiten, Note: 1,00


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Vorwort

2. Die Technik des Freistoßes
2.1. Technische Grundvoraussetzungen
2.2. Innenspannstoß
2.3. Balltreffpunkt

3. Praktischer Teil
3.1. Versuchsaufbau
3.2. Versuchsvorbereitung
3.3. Normierung und Voraussetzungen
3.4. Versuchsdurchführung

4. Digitale Videoanalyse
4.1. Aufnahmen mit hochauflösenden Kameras
4.2. Vorgang der Videoanalyse am PC
4.2.1. Auswahl des Videomaterials
4.2.2. Feststellen der Messwerte
4.2.2.1. Entfernung vom Tormittelpunkt
4.2.2.2. Bestimmung der Geschwindigkeit
4.2.2.3. Ballrotation
4.2.2.4. Videoanalytische Bestimmung der Abschusswinkel
a) Seitlicher Ausbreitungswinkel
b) Höhenwinkel
4.2.3. Erfassung der Flugkurve mit Vianna
4.3. Zusammenfassung der Werte
4.4. Auswertung der Ergebnisse

5. Physikalische Theorie
5.1. Kräfte auf einen rotierenden Ball im Flug
5.2. Ablenkung durch die Magnus-Kraft
5.3. Einflussgrößen und der Zusammenhang zur Ablenkung

6. Berechnung der Abweichung durch die Magnus-Kraft
6.1. Bestätigung der Messergebnisse
6.2. Bedeutung der Formel für die Ablenkung

7. Schlussfolgerung

8. Schlussgedanke

9. Anhang
9.1. Literaturverzeichnis
9.2. DVD-Rom
9.3. Fotografien des praktischen Teils

1. Vorwort

„Es war eines der spektakulärsten Tore der Fußballgeschichte: […΁ Zehn Meter neben dem Tor duckt sich ein Balljunge - doch er ist gar nicht in Gefahr. Der Ball schwenkt im letzten Moment scharf nach links, fliegt vorbei am französischen Torwart Fabien Barthez ins Netz.“ 1

Am 3. Juni 1997 legte sich Roberto Carlos in der 27. Minute im Länderspiel Brasilien gegen Frankreich den Ball in 35 Meter Entfernung zum gegnerischen Tor zurecht, um einen der berühmtesten Freistöße der Fußballgeschichte auszuführen. Allein der ungewöhnlich lange Anlauf, sowie die Fußhaltung des Linksverteidigers von Real Madrid zeigten untypische Züge der konventionellen Torschusstechnik. Der Ball flog scheinbar aussichtslos zu weit neben das Tor, so dass sich bereits einer der Balljungen in Sicherheit begab. Doch die Ballflugbahn änderte sich überraschenderweise und schlug neben dem verdutzten französischen Torwart ein, welcher nicht zu reagieren vermochte.

Freistöße, die platziert mit Effet geschossen werden, spielten schon vor Roberto Carlos Meisterschuss eine enorme Rolle: 70,9%2 der direkten Freistöße sind keine „Gewaltschüsse“. Sie werden um die gegnerische Abwehrmauer „gezirkelt“. Spieler, wie David Beckham oder Michel Platini, sind für ihre technischen Fähigkeiten und diese Art der Kunstschüsse bekannt. Dabei ist nicht nur die Ästhetik solcher sportlichen Leistungen zu beachten, sondern auch die hohe Torquote: „Nach einer Untersuchung von 5000 Toren im höheren Leistungsbereich fielen alleine 1405 aus einer Standardsituation heraus.“3

Allerdings zeigen diese Standardsituationen im Gegensatz zum Kunstschuss von Roberto Carlos eine gleichmäßig gekrümmte Kreisbahn auf und sind somit leicht berechenbar. Die außergewöhnliche Flugbahn des Freistoßes aus dem Länderspiel Brasilien gegen Frankreich weckte seit diesem Tag das Interesse von Mathematikern und Physikern, die aerodynamische und mechanische Begebenheiten aus der Physik auf den Fußballsport übertragen.

An dem allgemeinen Interesse für Sportphysik anlehnend, stellt die vorliegende Arbeit eine mathematisch physikalische Untersuchung von Freistößen mit Hilfe einer digitalen Videoanalyse dar. Im praktischen Teil soll ein Schuss mit möglichst wenig Effet mit einem „gezirkelten“ Freistoß verglichen werden und dabei Rückschlüsse auf physikalische Zusammenhänge der Ballflugbahn gezogen werden. Doch zuerst wird ein Augenmerk auf die technische Ausführung gerichtet.

Herzlicher Dank gilt an dieser Stelle Gerhard Rumpel, Benedikt Lohse und der restlichen Abteilung des Post SV Sieboldshöhe Würzburg, die Rasenplatz und Materialien zur Verfügung stellten. Ebenso gilt der Dank Frau Sabine Blum Pfingstl für das Bereitstellen der hochauflösenden Kameras und den Schützen der Aktiven des Post SV Sieboldshöhe.

2. Die Technik des Freistoßes

2.1. Technische Grundvoraussetzungen

Um den komplexen biomechanischen Ablauf eines Freistoßes nachvollziehen zu können, muss die angewandte Technik des Sportlers betrachtet werden. Um eine Standardsituation erfolgreich abzuschließen, werden technische Grundvoraussetzungen des Schützen benötigt: Zielgenauigkeit (Präzision), Timing, Ballgefühl (Feinmotorik), Schusskraft und Effettechnik.4

Die Einzeltechniken sollten schon im Kindes- und Jugendalter systematisch erlernt und in den einzelnen Jahrgangsstufen automatisiert werden. Die feine Individualtechnik, die die Klasse von Freistoßschützen bewirkt, muss hingegen im Einzeltraining gesondert von der restlichen Mannschaft trainiert werden, da solche Übungseinheiten zeitintensiv sind und nicht zwingend für die breite Masse der Spieler gedacht ist. Diese Meinung teilt auch Roberto Carlos in einem Interview: „Nach dem Training kann es [gemeint ist das Kind] sich aber durchaus 5 oder 10 Minuten Zeit nehmen, um Freistöße ein bisschen zu üben. (…) Es geht dabei weniger um die Stärke als um die Flugbahn des Balls“5

Damit solche Technikkünstler den Ball mit Effet um die Mauer drehen können, muss eine Ballstoßart verwendet werden, die ausreichend Übung und Ballgefühl verlangt: der Innenspannstoß.

2.2. Innenspannstoß

Der Anlauf beim Innenspannstoß erfolgt bogenförmig in Richtung des Balls, wobei das Standbein in Sprung-, Knie- und Hüftgelenk federnd gebeugt wird. Das Standbein wird leicht schräg hinter den Ball gesetzt. In der Auftaktphase schwingt das Schwungbein nach hinten und in der Hauptphase kräftig vorwärts gegen den Ball (Abb. 1). Während der ganzen Bewegungsausführung bleibt das Bein im Hüftgelenk und im Sprunggelenk nach außen rotiert um die Trefffläche auf die Innenkannte des Fußristes zu beschränken. Die Trefffläche ist die Innenseite des Mittelfußes von der Zehenwurzel bis zur Vorderseite des Knöchels. Des Weiteren sollte man versuchen, das Bein beim und nach dem direkten Auftreffen um den ruhenden Ball zu drehen. In der Ausklangphase schwingt das Bein sichelförmig vor dem Standbein nach oben aus. Eine Anhebung des gebeugten Kniegelenks unterstützt die Bewegung (Abb. 2). Der Oberkörper bleibt während der gesamten Bewegungsausführung leicht nach hinten gebeugt über dem Standbein, wobei die Arme zur Gleichgewichtserhaltung entgegen der Anfangsrichtung schwingen.6

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 1 und 2: Anfangs- und Endphase des Freistoßes mit Technikschwerpunkten

2.3. Balltreffpunkt

Für eine optimale Effettechnik ist der Balltreffpunkt von entscheidender Bedeutung, da er dem fliegenden Ball einen Drall verleiht. Wie später ersichtlich wird, kann nur durch das „ nschneiden“ des Fußballs eine seitlich gekrümmte Flugbahn erreicht werden. Der frontal-zentrale Treffpunkt würde eine gerade Flugbahn mit maximaler Fluggeschwindigkeit verursachen. Diese Technik wird bei sogenannten „Gewaltschüssen“ verwendet. Die Betrachtung der gekrümmten Flugbahn verlangt einen Treffpunkt seitlich des Ballmittelpunktes, der den gewünschten Drall erzeugt. Dabei gilt: je weiter außen der Schuss erfolgt, desto größer ist die Rotationsfrequenz und desto kleiner die Geschwindigkeit. In selber Weise gilt der Sachverhalt auch umgekehrt. Da das Verhältnis von Geschwindigkeit und Drall besondere Bedeutung für das Verhalten der Flugbahn hat, muss ein guter Schütze ein ausreichendes Gefühl für den Treffpunkt entwickeln. Das Ziel ist eine Maximierung von Härte und Drall, die bei unterschiedlichen Torentfernungen variiert werden muss: kurze Distanzen können mit deutlich höherem Effet geschossen werden. Eine Konstanz, Sicherheit und Individualtechnik der automatisierten Bewegungsausführung kann nur durch ausreichendes Training über Jahre hinweg erreicht werden.

Jedoch lässt sich der optimale Balltreffpunkt mathematisch ausdrücken. Um einen optimalen Ausgleich zwischen größtmöglicher Krümmung und Fluggeschwindigkeit zu erhalten, muss der Ball etwa 70% vom Mittelpunkt entfernt getroffen werden (siehe Abb. 3b). Genau an diesem Punkt ist die Rotation bei gleichbleibender Geschwindigkeit maximiert.7

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 3: Darstellung des Balltreffpunktes (a) zentrisch und (b) exzentrisch (optimal mit 70% Abstand zum Schwerpunkt)

Es lässt sich feststellen, dass bei einem Gewaltschuss der Ball zentrisch und ein platzierter Schuss exzentrisch getroffen werden muss. Wirkt die beim Kontakt entstehende Kraft in Richtung des Schwerpunktes, ist dieser Stoßvorgang zentral und bewirkt eine geradlinige Beschleunigung (siehe Abb. 3a). Um Drehbeschleunigung und somit eine Rotationsänderung zu erhalten, muss die Kraft exzentrisch ansetzten (Abb. 3b). Wie bereits erwähnt, sollte sich der impulsübertragende Fuß, der durch die Ellipse symbolisiert wird, um den Ball „schmiegen“. Rotation kann nur durch Reibung übertragen werden, die bei Kontakt zwischen Fuß und Ball entsteht. Wird dieser Zeitraum optimal groß gehalten, kann ein verstärkter Drall entstehen. Besondere Bedeutung wird hierbei dem Schuhoberflächenmaterial verliehen, dessen raues Material die Haftung beeinflusst. So experimentiert und testet beispielsweise die Firma Adidas in Scheinfeld neue Materialien wie Haifischhaut mit einer speziell angefertigten Schussmaschine.8

3. Praktischer Teil

3.1. Versuchsaufbau

Zu Beginn des praktischen Arbeitsteiles wird eine Versuchsskizze zur Verdeutlichung erstellt. Dabei werden alle benötigten Parameter im Voraus bedacht und einberechnet. Die Entfernungen stimmen im Verhältnis zueinander überein.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 4: Qualitative Skizze des Versuchsaufbaus

Der Ball wird vom Schützen aus 20 Meter Entfernung direkt geschossen und auf Höhe des Tormittelpunktes gelegt. Der genaue Abschusspunkt des Freistoßes wird im Rasen markiert, damit der Ball bei jeder einzelnen Ausführung den selben Ausgangspunkt hat. Ein aus Markierungen aufgebautes Koordinatensystem erleichtert das Abmessen verschiedener Strecken und soll bei späterer Analyse bedeutende Hilfestellung geben. Hierbei werden vom linken Torpfosten aus im rechten Winkel 20 Meter nach hinten und vom Tormittelpunkt aus 10 Meter nach rechts mit einem Maßband abgetragen.

Genauer gesehen betragen die Abstände zwischen den Pylonen untereinander einen Meter. Die Maße des Tores sind offiziell festgelegt: „Der bstand zwischen den Innenkanten der Pfosten beträgt 7,32 m. Die Unterkante der Torlatte ist 2,44 m vom Boden entfernt.“9 Auch die Abwehrmauer, die aus Plastikdummies besteht, wird nach den offiziellen Abstand 9,15 Meter so aufgestellt, dass ein direkter geradliniger Schuss nicht das Tor treffen kann. Weiterhin werden die zur Videoanalyse benötigten Kameras aufgestellt: Kamera 1 (später HD-Cam 1) direkt hinter dem Schützen und Kamera 2 (später HD-Cam 2) seitlich des Versuchsaufbaus auf Höhe der Torgrundlinie. Dies erlaubt die Aufzeichnung der Ballflugkurven aus zwei unterschiedlichen Blickwinkeln. Besondere Bedeutung hat Kamera 2 auf Höhe der Torgrundlinie, da diese den Moment erfasst, indem der Fußball die Torlinie überquert. Wichtig ist weiterhin das Aufstellen der Zielvorrichtung in fünf Metern Entfernung vom Abschusspunkt, da sie eine Normierung der Schüsse gewährleistet soll. Der richtige Standpunkt wurde durch Ausprobieren gefunden und ist optimal für die zu betrachtende Flugkurve.

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Abb. 5: Fotografische Aufnahme des Versuchs

[...]


1 Irene Berres; Forscher lüften Geheimnis des Wundertors (Fußball); veröffentlicht am 06.09.2010 bei Spiegel Online; http://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/0,1518,715238,00.html; Zugriff am 04.11.2010

2 Roland Loy; Taktik und Analyse im Fußball Band 1; Seite 436, Abb. 3.26; Czwalina Verlag Band; 2006

3 Roland Loy; Mit Standardsituationen zum Erfolg: der Freistoß; veröffentlicht in: Fußball Training; Jahrgang 1997; Ausgabe 9; Seite 14; Herausgeber: Gero Bilanz

4 Vgl.: Gerhard Frank; Technische Voraussetzungen; in Fußball Standardsituationen in Training & Spiel; Seite 29ff; Meyer & Meyer Verlag; 2001, Aachen

5 Video: UEFA Training Ground; Freistoß-Tipps von Roberto Carlos; 03:50 - 04:19; http://de.uefa.com/trainingground/stars/starskills/video/videoid=1467276.html?autoplay=true; Zugriff am 28.11.2010 (DVD-Rom)

6 Vgl.: Gerhard Bauer; Technik und Techniktraining; veröffentlich in Lehrbuch Fußball - Erfolgreiches Training von Technik, Taktik und Kondition; Seite 52; BLV Verlag

7 Vgl. Metin Tolan; So werden wir Weltmeister - Die Physik des Fußballspiels; Seite 230; Piper Verlag GmbH München 2010

8 Thomas de Padova; Mit Effet; veröffentlicht in tagesspiegel.de; http://www.tagesspiegel.de/weltspiegel/gesundheit/mit-effet/717384.html; Zugriff am 15.12.2010

9 Bayerischer Fußballverband; Regel 1 - Das Spielfeld veröffentlicht in Fußballregeln in der Praxis - Ein Handbuch für Schiedsrichter und Funktionäre Teil 1; Seite. 2; 16. Auflage; Juli 2001

Ende der Leseprobe aus 36 Seiten

Details

Titel
Physikalische Untersuchung des Freistoßes im Fußball anhand einer Digitalen Videoanalyse
Hochschule
Röntgen-Gymnasium Würzburg
Note
1,00
Autor
Jahr
2010
Seiten
36
Katalognummer
V184076
ISBN (eBook)
9783656091516
ISBN (Buch)
9783656091332
Dateigröße
2465 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
Der Arbeit lag bei Abgabe an der Schule eine DVD mit Videoanalysen bei, diese wird hier nicht mitgeliefert.
Schlagworte
Fußball, Freistoß, Magnus, Effekt, Digitale, Videoanalyse, Sport, Leistungskurs, Spin, Effet
Arbeit zitieren
Robert Urban (Autor:in), 2010, Physikalische Untersuchung des Freistoßes im Fußball anhand einer Digitalen Videoanalyse, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/184076

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