Heimatbezug im Sachunterricht


Hausarbeit, 2003

21 Seiten, Note: 1,7


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

1. Einleitung: Der Heimatbegriff – Was ist Heimat eigentlich?

2. Die Entstehung der Heimatkunde

3. Heimatgeschichte und Regionalgeschichte in der DDR bis 1990

4. Die traditionelle Heimatkunde

5. Das Heimatprinzip

6. Der traditionelle Heimatkundelehrer

7. Kritik an der Heimatkunde

8. Der neue Sachunterricht

9. Heimatbezug im heutigen Sachunterricht

10. Die Aufgabe des modernen Heimatkundeunterrichts

11. Der Heimatbezug im Lehrplan für den Sachunterricht der Grundschule (RLP)

12. Ist Heimatgeschichte heute noch aktuell?

13. Literaturverzeichnis

1. Einleitung: Der Heimatbegriff – Was ist Heimat eigentlich?

Für das Kind stellt die Heimat zunächst etwas Selbstverständliches dar. Es erlebt Heimat unreflektiert als ein „Eingebettetsein in das Wohlwollen der Mitmenschen, besonders der Familienmitglieder (...) und in der Übernahme der Gefühlsreaktionen und Stimmungen der Erwachsenen“. (Gärtner, Friedrich: Neuzeitliche Heimatkunde. Der ungefächerte Sachunterricht der Grundschule. 4. Auflage, München: Ehrenwirth Verlag 1963, Seite 13)

Um dem Alltäglichen eine besondere Bedeutung zu verleihen, muss man sich mit dem Selbstverständlichen immer wieder aktiv auseinandersetzten und es ins Bewusstsein der Kinder rufen.

„Objektiv betrachtet bezeichnen wir mit Heimat einen räumlichen Ausschnitt aus der Wirklichkeit, der im Umkreis der Geburtsstätte, des Kindheitsaufenthaltes oder des Wahlwohnortes eines Menschen gelegen ist, mit allen Natur- und Kulturgegebenheiten, mit allen leblosen Dingen und allen Lebewesen.“ (GÄRTNER 1963, Seite 14)

Man bezeichnet einen solchen Ausschnitt auch als Gegend und „die Heimat eines Menschen ist objektiv gesehen eine bestimmte Gegend“ (GÄRTNER 1963, Seite 14)

Im Heimatkundeunterricht nach 1945 musste man diese Gegend erwandern können, um die Grenzen der Heimat festzulegen. Unterricht, der sich mit fremden Räumen beschäftigte, die nicht mehr unmittelbar erfahren werden konnten, war eigentlich der Erdkundeunterricht. Jeder Mensch legt den Umfang seiner heimatlichen Gegend jedoch selbst fest. So stellen bestimmte Gegenden auch nur für bestimmte Menschen, die eine besondere Beziehung zur dieser Gegend haben, eine Heimat dar. Für alle anderen handelt es sich bei dieser Gegend tatsächlich nur um eine Gegend, einen Raum oder eine Landschaft, nicht jedoch um Heimat. Die Bindung des Menschen an eine bestimmte Gegend ist die subjektiv-emotionale Seite des Heimatbegriffs, die man auch mit „Heimatliebe, Heimattreue, Heimatverbundenheit, Heimatgefühl,

Heimaterlebnis“ (GÄRTNER 1963, Seite 16) bezeichnen kann. Heimat ist ein fester Bezugspunkt des Menschen. Insbesondere in unserer Zeit besteht bei den Kindern das Bedürfnis nach Geborgenheit und Sicherheit, denn „Heimatlosigkeit“ ist ein Kennzeichen des modernen Menschen. Das Lebensgefühl der heutigen Zeit drückt sich häufig im Heimatverlust als „Preis des Fortschritts“ (Klein, Heinrich: Heimat und Heimatkunde. Anthropologische Grundlagen, didaktische Überlegungen, Unterrichtsbeispiele. 1. Auflage, Landau: Knecht 1998, Seite 27) aus.

Für viele Menschen stellt die Heimat heute nur noch einen romantischen Begriff dar. Dieser Heimatverlust kommt z.B. durch die Trennung von Wohn- und Arbeitsbereich zustande, was zu einer Unstetigkeit im Leben des modernen Menschen führen kann. Hinzu kommt der allgemeine Vertrauensverlust in der heutigen Zeit. Doch der Mensch ist auf seine Heimat angewiesen, er braucht die Heimat als einen Ort des Aufgehobenseins, als „Insel der Geborgenheit“ (KLEIN 1998, Seite 32). „Erwachsene müssen Kindern den Ort ihrer Kindheit zu einem Ort der Vertrautheit werden lassen. Diese in der Kindheit erfahrene Vertrautheit wird Grundlage der geistigen Existenz des Menschen.“ (KLEIN 1998, Seite 28). Man spricht dabei von der Herstellung eines Urvertrauens, aus welchem langsam Weltvertrauen erwächst. Bezogen auf die

Heimatkunde meint Siegfried Lenz: „Weltkunde beginnt mit Heimatkunde“ (Lenz, Siegfried: Heimatmuseum. 10. Auflage, München 1994, Seite 15). Sich eine Heimat zu schaffen, kann man auch als Aufbau eines „Netzes der Vertrautheit im umgebenden Raum“ (KLEIN 1998, Seite 31) bezeichnen.

2. Die Entstehung der Heimatkunde

Heimatkunde wurde ursprünglich nicht als Unterrichtsfach, sondern als Unterrichtsprinzip verstanden. Das Prinzip der Anschaulichkeit galt als beherrschendes Prinzip des Unterrichts.

Christian Wilhelm Harnisch (1787-1864) prägte 1816 erstmals den Begriff der

Heimatkunde für einen neu konzipierten Lernbereich der Volksschule. Die Heimat galt als Lebensraum, der durch konkret-sinnliche Erfahrungen und selbsttätiges

Handeln zu erschließen war. Harnisch entwickelte umfassende didaktische und

methodische Überlegungen für das neue Fach. Er sprach der Heimatkunde eine entscheidende Stellung in seiner „Weltkunde“ zu, die sich in drei Stufen gliederte: die Kunde der Heimat, die Kunde der Erde und schließlich die Kunde des Vaterlandes. Die Weltkunde ging von der Kunde der Heimat aus und stieg über die Kunde der

Erde zu einer Kunde des Vaterlandes auf. In der Heimatkunde sah Harnisch die Grundlage aller weiteren Bildung, denn „je tiefer der Schüler seine Heimat erfaßt, desto tiefer kann er auch die Menschheit erfassen“, so Harnisch. (zitiert in: Fiege, Hartwig: Der Heimatkundeunterricht. 2. Auflage, Bad Heilbrunn: Julius Klinkhardt Verlag 1969, Seite 13)

Seine Heimatkunde gliederte er in vier Stufen: die Kunde der Schule, die Kunde des heimatlichen Dorfes oder der heimatlichen Stadt, die Kunde des Kreises oder der Provinz und die Kunde des Staates. Dem erdkundlichen Element wurde dabei die Führung überlassen. Harnisch entwickelte erstmals ein Grundkonzept des Heimatkundeunterrichts, das in seinen Grundzügen bis in die heutige Zeit hinein erhalten blieb.

1844 entwickelt Friedrich August Finger (1808-1888) den Heimatbegriff weiter. Er sah in der Heimatkunde „eine auf Anschauung gegründete Bekanntmachung mit der heimatlichen Gegend“ (zitiert in: FIEGE 1969, Seite 14), eine politische Abgrenzung der heimatlichen Gegend durch Gemeinde, Amt, Kreis und Land lehnte er entschieden ab. Finger definierte die „heimatliche Gegend“ folgendermaßen: „Betrachten wollen wir die Gegend, wir wandern in ihr herum und sehen sie an; wir nehmen sie durch, so weit uns die Füße tragen, so weit der Blick reicht.“ (zitiert in: FIEGE 1969, Seite 14). Auch Finger kann als Begründer des heimatlichen Unterrichts aufgeführt werden, den auch er mit dem Begriff der „Heimatkunde“ benannte.

In der Zeit nach der Revolution von 1848 blieben für den preußischen Unterricht nur noch die Fächer Lesen, Schreiben, Rechnen, Gesang und Religion verbindlich. Da der gesamte Unterricht auf der Anschauung begründet sein sollte, schien ein gesonderter Anschauungsunterricht nicht mehr notwendig. Auch in den restlichen

deutschen Bundesländern existierte der Anschauungs- und Heimatunterricht nicht mehr als selbständiger Lernbereich der Volksschule. Die biblische Geschichte bildete nun den Mittelpunkt des Unterrichts.

1872 wurde die Heimatkunde in Preußen als Teil des Faches Geographie in der

Mittelstufe der Volksschule wieder anerkannt. Die Allgemeinen Bestimmungen vom 15. Oktober enthalten den Grundsatz: „Der geographische Unterricht beginnt mit der Heimatkunde.“ (zitiert in: FIEGE 1969, Seite 16). Anschauungs- und Heimatkundeunterricht wurden jetzt allerdings getrennt voneinander unterrichtet. Die Kinder im 1. und 2. Schuljahr besuchten den Anschauungsunterricht, während die Schüler des 3. und 4. Schuljahres in der Heimatkunde unterrichtet wurden.

Nach dem ersten Weltkrieg wurden neue Grundlagen für die Erziehung der Jugend entwickelt, die sich auf die inneren Werte des eigenen Volkstums besannen. Der Heimatgedanke erlangte wieder stärkere Bedeutung und die Heimaterziehung wurde zur Grundlage der Volkserziehung erklärt.

Durch das 1920 geschaffene Reichsschulgesetz wurde die Volksschule für alle

Kinder begründet. Es wurde eine Schule für alle Kinder des Volkes geschaffen, die von allen gemeinsam besucht werden sollte. Nach dieser Reichsgrundschul-konferenz wurde die Heimatkunde als Unterrichtsfach für die Grundschule verbindlich.

Die „Richtlinien zur Aufstellung von Lehrplänen für die Grundschule“ vom 16. März 1921 legten fest, dass „aller Unterricht die Beziehungen zur heimatlichen Umwelt der Kinder sorgsam zu pflegen und an den geistigen Besitz, den sie bereits vor dem Eintritt in die Schule erworben haben, anzuknüpfen“ (zitiert in: FIEGE 1969, Seite 19) habe. Lehrpläne für die Grundschule sahen für das 1. und 2. heimatlichen Anschauungsunterricht, für das 3. und 4. Schuljahr Heimatkunde vor, die der Vorbereitung des späteren erdkundlichen, naturkundlichen und geschichtlichen Unterrichts diente. Die inhaltliche Aufgabe des Heimatkundeunterrichts bestand darin, die Kinder anzuleiten, die Heimat zu erfahren und zu erkunden, dem Unterricht der Oberstufe eine Grundlage zu sichern, Kinder zum Erleben des volkstümlichen Kulturgeistes zu

führen, eine innerliche Bindung an Heimat und Volkstum zu entwickeln und inner-liches Erleben und selbsttätigen Erwerb durch Beobachten und Erkunden der Wirklichkeit zu fördern (Einfluss der Pädagogik vom Kinde aus, Erlebnis- und Arbeitsschulpädagogik). Das Fassungsvermögen der Kinder bestimmte dabei die Unterrichtsinhalte, die jedoch auf eine bäuerlich-kleinstädtische Welt beschränkt blieben.

Zur Zeit des Nationalsozialismus (1933-1945) bestand die Aufgabe des Heimat-kundeunterrichts darin, den festen Grund für „den Stolz auf Heimat, Stamm, Volk und Führer“ (zitiert in: FIEGE 1969, Seite 21) zu legen. Man betonte vor allem die volkskundliche und geschichtliche Seite der Heimat und im Vordergrund stand der

„heldische Gedanke“ (FIEGE 1969, Seite 21). Die Kinder sollten Begeisterung für Kriegs- oder Sagenhelden zeigen. Der Nationalsozialismus brachte den Begriff der Heimat in Verruf.

Siegfried Lenz spricht von „Nationaler Überheblichkeit“ (Lenz, Siegfried: Heimat-museum. 10. Auflage, München 1994, Seite 382) und der Heimat als

„Schicksalsgemeinschaft“ (LENZ 1994, Seite 463). Im Heimatkundeunterricht des Nationalsozialismus stand nicht mehr der Inhalt im Vordergrund, sondern nur der Zweck: Die Heimatkunde sollte Liebe zur Heimat, Stolz, Ehrfurcht, Hass,

Verurteilung, Begeisterung und Gesinnung hervorrufen, den politischen Willen stärken und zur Pflichterfüllung aufrufen. Die regionale Heimat hatte nur noch eine untergeordnete Bedeutung. Man bemühte sich weiterhin, den Kindern Wissen zu vermitteln, dieses Wissen war jedoch der nationalsozialistischen Gesinnung weit-gehend untergeordnet. Themen, Lehrverfahren und Arbeitsformen blieben vor dem Hintergrund ideologischer Zielvorgaben weitgehend unverändert, völkische Heimatkunde und Heimaterziehung galten als Fundament der Volksschulbildung.

Nach der sozialistischen Herrschaft ab 1950 blieb der Heimatkundeunterricht in beiden Teilen Deutschlands bestehen. In der ehemaligen DDR existierte Heimat-kunde als „Kunde von der sozialistischen Heimat“ bis 1989 als Unterrichtsfach. Die Heimatkunde wurde jedoch ideologisch im Sinne des Marxismus-Leninismus ausgerichtet. In der Bundesrepublik knüpfen die Lehrpläne an die Richtlinien der 20er Jahre an.

Nachdem man in den 60er und 70er Jahren zunehmend Kritik am Heimatkundeunterricht vernahm, fand 1969 der wissenschaftsorientierte Sachunterricht Eingang in die Lehrpläne (Frankfurter Grundschulkongress 1969).

1970 entstand ein Strukturplan für das Bildungswesen, der den Gesamtunterricht neu gliederte. Der Sachunterricht sollte historische, kulturelle, soziale, gesellschaft-liche und naturwissenschaftliche Inhalte angemessen berücksichtigen und vermitteln. („Empfehlungen zur Arbeit in der Grundschule“, KMK)

[...]

Ende der Leseprobe aus 21 Seiten

Details

Titel
Heimatbezug im Sachunterricht
Hochschule
Universität Koblenz-Landau  (Institut für Bildung und Kindes- und Jugendalter)
Veranstaltung
Grundlegender Sachunterricht
Note
1,7
Autor
Jahr
2003
Seiten
21
Katalognummer
V18394
ISBN (eBook)
9783638227537
Dateigröße
470 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Heimatbezug, Sachunterricht, Grundlegender, Sachunterricht
Arbeit zitieren
Kathrin Morawietz (Autor:in), 2003, Heimatbezug im Sachunterricht, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/18394

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Heimatbezug im Sachunterricht



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden