Wikipedia schreiben - eine Online-Offline-Ethnographie über Wikipedianer


Magisterarbeit, 2010

144 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

Danksagungen

I. Formale Einleitung

II. Prolog
Themenfindung

III. Ethnographie
Zugang zum Feld: Wo und was ist das Feld überhaupt?
Feldethik I
Informed Consent: Eine Community, viele Gatekeeper - Teil 1
Informed Consent: Eine Community, viele Gatekeeper - Teil 2
Anmeldung bei Wikipedia: Texte, Texte und noch viel mehr Texte
Feldethik II
Erste Editierversuche: Identitätsprobleme
Going native: Der Forscher als Messinstrument ethnologischer Wissensgenerierung ..
Bin ich ein Lurker?: Teilnehmend oder nichtteilnehmend beobachten
Im Feld präsent sein: Online-Interaktion als Rekrutierungsmethode
Das E-Mail-Interview: Technische Stolpersteine
Das Chat-Interview: Tippst Du noch oder kommunizierst Du schon?
Das Skype-Interview: „Artikel on Demand“ oder Wünsch’ Dir einen Artikel!
Der Ex-Wikipedianer oder: Der Versuch, sich selbst in Wikipedia zu verewigen
Der virtuelle Wahrnehmungsspaziergang: Einem Wikipedianer über die Schulter
schauen
Das Nutzertagebuch: Mehr über das Nutzungsverhalten erfahren?
Von Wikipedia-Stammtischen, Wikipedia-Wandertagen und Wikipedia-Grillpartys:
Verknüpfung von online und offline
Ethnographie schreiben: Gedanken zum ethnologischen Schreiben

IV. Epilog

V. Online-Ethnographie, Virtuelle Ethnographie, Webnographie, ?

VI. Formale Zusammenfassung

VII. Bibliografie

VIII. Wikipedia-Seiten und sonstige Webliografie

XI. Anhang

Danksagungen

Ohne die Hilfe, Unterstützung und Auskunftsbereitschaft vieler Personen wäre es mir nicht möglich gewesen, meine Magisterarbeit so anzufertigen, wie sie nun vorliegt. Deshalb möchte ich mich hiermit bei allen Beteiligten recht herzlich bedanken.

An erster Stelle möchte ich allen Wikipedianern, die direkt oder indirekt am Forschungsprozess teilgenommen haben, einen ganz speziellen Dank aussprechen. Durch das mir entgegengebrachte Vertrauen und ihre Offenheit war es mir möglich, faszinierende Einblicke in soziale Praktiken, digitale Lebensstile und Alltagswelten einiger Akteure zu bekommen. Ich weiß diese Mitarbeit in höchstem Maße zu schätzen.

Ganz besonderer Dank gilt auch dem Betreuer dieser Magisterarbeit, Prof. Dr. Wolfgang Kaschuba. Mit hilfreichen Ratschlägen, Hinweisen und Denkanstößen hat er stets dafür gesorgt, dass ich nicht den Fokus verliere und gewisse ethnologische Grundprinzipien im Auge behalte. Auch hat sein Empfehlungsschreiben für mein Auslandsstudium an der University of Melbourne es mir überhaupt erst möglich gemacht, andere Perspektiven auf aktuelle sozial- und kulturwissenschaftliche Felder kennen zu lernen und somit mein Magisterarbeitsthema zu definieren.

Danken möchte ich auch den beiden Doktoranden Michael Dieter und Thomas Apperley an der University of Melbourne für das spannende Seminar Net Communication und die wunderbare Einführung in das Thema „Internetkultur“. Weiteren Dozenten an der University of Melbourne, denen ebenfalls mein Dank gebührt, da ich bei ihnen weitere Seminare zur Internetkultur belegt habe, sind: Dr. Kristian Camilleri, Dr. Millsom S. Henry-Waring und Dr. Mark Elliott. Die Seminare Cybersociety sowie Cyberspace: The Last Frontier? und Media Futures and New Technologies waren allesamt inspirierend und haben mich bezüglich meines Themas vorangebracht.

Pavel Richter von Wikimedia e.V. bin ich für sein hilfreiches Feedback im Anfangsstadium meiner Feldforschung dankbar, da er als Insider Wikipedia und die Wikipedianer sehr gut kennt und mir wichtige Tipps geben konnte.

Zu guter Letzt möchte ich mich bei meiner Schwester Yvonne, bei Ellen und bei Sabine für das kurzfristige Lektorat der Magisterarbeit bedanken. Auch meinen Eltern, die den Text ebenfalls Probe gelesen und mich im gesamten Forschungs- und Schreibprozess immer mental unterstützt haben, gebührt Dank und Anerkennung. Vielen Dank für eure Geduld!

Ein herzliches Dankeschön allen Beteiligten dieser Magisterarbeit!

Jörn Schulz

I. Formale Einleitung

Ich meine mit Max Weber, dass der Mensch ein Wesen ist, das in selbstgesponnene Bedeutungsgewebe verstrickt ist, wobei ich Kultur als dieses Gewebe ansehe. Ihre Untersuchung ist daher keine experimentelle Wissenschaft, die nach Gesetzen sucht, sondern eine interpretierende, die nach Bedeutungen sucht. 1

Clifford Geertz, Ethnologe

Die rasant zunehmende Ausbreitung, Nutzung und Bedeutung des Internets im Allgemeinen und des World Wide Web (WWW) im Besonderen ist „eines der größten kulturellen Phänomene unserer Zeit, welches fast alle Bereiche des Lebens erfasst hat“.2 E-Mail, Chat und das WWW werden längst nicht mehr nur von einer kleinen technologischen Elite (Lead User) benutzt, sondern sind in der breiten Masse, im Mainstream, angekommen. Durch diesen Umstand erschließt sich auch der Europäischen Ethnologie ein neues, lebensweltliches Forschungsfeld, dem sich diese Magisterarbeit widmet. Gegenstand der Forschung ist ein Internetprojekt, das zu den größten und bekanntesten des WWW gehört: Wikipedia, die freie Enzyklopädie3, an der jeder mitschreiben kann.

Vielen Internetnutzern4 ist Wikipedia ein Begriff, da bei der Suche nach den unterschiedlichsten Schlagwörtern - wie beispielsweise „Volkskunde“, „Tsunami“ oder „Kolumbien“ - in Suchmaschinen wie Google oder Bing der Wikipedia-Eintrag zum entsprechenden Suchwort immer an erster Stelle steht. Diese Popularität und der radikal neue Ansatz, dass jeder Internetnutzer ohne irgendeinen Identitätsnachweis oder den Beleg seiner Qualifikation in jedem beliebigen Fachbereich an der Enzyklopädie mitschreiben kann, hat auch die wissenschaftliche Forschung auf den Plan gerufen. Zahlreiche Publikationen haben sich bereits auf akademischer Ebene mit dem Internetphänomen Wikipedia befasst. Der Soziologe Christian Stegbauer beispielsweise unternimmt in seiner Studie den Versuch, das „Rätsel der Kooperation“ zu lösen und möchte anhand einer Netzwerkanalyse erklären, wie der Aspekt der Akteursposition innerhalb des Systems Wikipedia die Motivation der individuellen Teilnehmer prägt5 ; die Pädagogin Meike Jaschniok andererseits beschäftigt sich in ihrer Diplomarbeit mit dem Bildungswert von Wikipedia6 ; die Wirtschaftswissenschaftlerin Oded Nov untersucht in ihrer Studie die Motivation von Wikipedia-Autoren7, und der Psychologe Joachim Schroer sucht in seiner Studie nach kollektiven Motiven für die Mitarbeit in Wikipedia8. Bisher wurde dabei mehrheitlich quantitativ vorgegangen, das heißt, mithilfe von groß oder weniger groß angelegten Umfragen oder der Analyse von Nutzerverhalten wurden teils repräsentative Daten generiert, aus denen dann spezifische Zusammenhänge geschlussfolgert werden können.

Der Forschungsansatz dieser Magisterarbeit ist ein anderer: Anhand von qualitativen Explorationsmethoden wurden Einblicke in die Lebenswelten sowie digitalen Lebensstile einiger Wikipedianer - so lautet die Eigenbezeichnung der Wikipedia-Autoren - gewonnen und somit ethnographisches Wissen über die deutschsprachige Wikipedia geschaffen. Die vorliegende Arbeit wirft also aus ethnologischer Perspektive einen Blick auf die sozialen Akteure des Systems und zeigt anhand von Fallbeispielen einen kleinen Ausschnitt aus den sozialen und kulturellen Praktiken, die in Wikipedia, also in der Online-Enzyklopädie und der dahinter befindlichen (Online-)Community, vorzufinden sind.

Der Fokus der Forschung ist dabei auf die Alltagspraxis der Wikipedianer gerichtet. Folgende Fragen formen die der Magisterarbeit zugrunde liegende große Fragestellung: Wer sind die Wikipedianer? Wie sehen digitale Lebensstile von Wikipedianern aus? Welche Nutzergeschichten sind mit Wikipedia verbunden? Welche „Wikipedia-Karrieren“ gibt es (Einstieg, Aufstieg, Ausstieg)? Welche Bedeutung hat Wikipedia für die Autoren? Besonders große Beachtung wird dabei dem wichtigen Fragewort „Wie“ beigemessen: Wie schreiben Wikipedianer ihre Artikel und welche Quellen nutzen sie dabei? Wie erlernen sie die Regeln, Gesetze und Normen innerhalb der Wikipedia-Community? Wie wird die alltagspraktische Tätigkeit des Artikelschreibens in den Tagesablauf integriert? Kurzum: Wie sehen unterschiedliche Strategien bei der Artikelinhaltsproduktion aus9 ?

Mithilfe von qualitativen Forschungsmethoden wie der teilnehmenden Beobachtung - sowohl online als auch offline -, narrativen Interviews, E-Mail- und Chat-Interviews, aber auch dem Nutzertagebuch wurden in einer sechsmonatigen Feldforschung Ereignisse innerhalb und außerhalb der Wikipedia-Community rekonstruiert und somit der ethnographischen Analyse zugänglich gemacht. Dabei wird auch untersucht, welchen Einfluss die Verwendung von Online- bzw. Offline-Methoden auf die Dichte der unterschiedlich gewonnenen Forschungsdaten hat.

Die vorliegende Magisterarbeit ist die textliche Aufbereitung dieses Feldforschungsprozesses. Der Text ist als experimentelle Darstellung ethnographisch dichter Beschreibung10 zu lesen, indem er einerseits die im Feldforschungsprozess gewonnenen Daten präsentiert sowie interpretiert, und andererseits ausgewählte methodologische Literatur vorstellt und diskutiert, die sich allgemein mit qualitativer Forschung, aber auch mit ethnographischer Feldforschung im Internet befasst. In chronologischer Abfolge wird der Forschungsprozess rekonstruiert, verdichtet und somit nachvollziehbar gemacht, was zum einen das Leseerlebnis fördern soll, und zum anderen der Forderung nach Reflexivität im Rahmen einer ethnographischen Feldforschung nachkommt.

Der Text ist auch als Überblick über methodologische Erwägungen bei einer Forschung im, über und durch das Internet zu verstehen und dient damit als Diskussionsbeitrag im Rahmen der Erschließung eines noch relativ jungen Feldes in der Ethnologie - der Erforschung von Lebensstilen und Praktiken, die mit dem Internet verknüpft sind, kurzum: der Internetkultur.

II. Prolog

And fact and fiction work as a team Jack Johnson, Singer-Songwriter11

Themenfindung

1. Szene: University of Melbourne, Raum G22 im John Medley Building, April 2007

Zusammen mit zwölf anderen Studierenden sitze ich im Tutorium zum Seminar Net Communication der beiden Doktoranden Michael Dieter und Thomas Apperley an der University of Melbourne. Hier, an der zweitältesten Universität Australiens, verbringe ich gerade zwei Auslandssemester im Rahmen meines Magisterstudiums und erhoffe mir durch das Belegen diverser Seminare mit klangvollen Titeln wie Cyberspace: The Last Frontier? oder Cybersociety oder eben Net Communication, die sich alle mit dem Thema Internetkultur/Kultur im Internet befassen, Impulse für mein Magisterarbeitsthema zu bekommen.

Internetkultur/Kultur im Internet, was unter anderem auch als Cyberanthropologie bezeichnet wird12, ist ein Thema, welches mich schon seit dem Grundstudium an der Humboldt Universität zu Berlin beschäftigt. Anfangs brachte mich eine Seminararbeit über Digitale Fotografie bei Dr. Beate Binder im Seminar Fotografieren als soziale Praxis am Institut für Europäische Ethnologie dazu, der fotocommunity beizutreten, einer deutschsprachigen Internetplattform für Fotografen, auf der Fotos ausgestellt und diskutiert werden können13. Nach einigen Monaten der aktiven Teilnahme in der fotocommunity, d.h. nach dem Hochladen Dutzender eigener Fotos, nach zahlreichen - teils auch emotionsgeladenen - Diskussionen mit anderen (Hobby)Fotografen um eigene und andere Fotos, nach dem Anlegen einer Buddy-Liste meiner virtuellen Freunde, nach dem Abstimmen über besonders gute Bilder, kurzum, nach dem ausgiebigen Interagieren mit anderen Fotoenthusiasten online wurde mir klar, dass in virtuellen Gemeinschaften ganz bestimmte Regeln und Gesetze vorzufinden sind und dass es nicht nur um das Zur-Schau-Stellen und Diskutieren von Fotos geht. Vielmehr nahm ich die fotocommunity als sozialen Raum wahr, in dem kulturelle Praktiken und soziale Normen erlernt werden müssen, um ein möglichst intensives

Interagieren in der Online-Gemeinschaft zu erreichen. Ein vortreffliches Thema für die Europäische Ethnologie also, die als eine ihrer Aufgabe das Ausleuchten von Kultur in der Vielfalt ihrer Bedeutungen versteht.14 Wie aber kann die Ethnologie diesen „virtuellen Raum“ studieren? Ist die zentrale Methode der Ethnologie, die teilnehmende Beobachtung, auch im Internet bzw. bei Forschungen im, über und durch Internet möglich? Mit diesen Fragen beschäftigte ich mich daher in meiner Zwischenprüfung.

Zwei Zitate von Professoren am Institut für Europäische Ethnologie hatten mich damals in meinem Bestreben bestärkt, in das Thema „Verknüpfung von Technik und Lebensstil“ einzutauchen. Zum einen schreibt Stefan Beck: „Weder die Volkskunde noch die Ethnologie thematisierten bis in die jüngste Vergangenheit in nennenswertem Umfang alltägliche technologische Praxen. Angesichts einer schon seit Jahrzehnten massenhaft telekommunizierenden, technomobilen, unter Technikeinsatz produzierenden und konsumierenden Gesellschaft ein erstaunlicher Befund.“15 Zum anderen merkt Wolfgang Kaschuba in der Einführung in die Europäische Ethnologie an:

In der Tat zeigt der Blick auf die einschlägige Forschungsliteratur, dass wir über Ackergerät und Bauernhaus immer noch besser informiert sind als darüber, wie Menschen heute mit Waschmaschinen, Stereoanlagen oder Computern umgehen, wie sie gelernt haben, sich das nötige alltagspraktische Wissen zu deren Bedienung anzueignen. Bis auf wenige Pionierstudien ist diese „Dingwelt“ des modernen und postmodernen Alltags und seiner Technik- und Wissenssysteme kulturwissenschaftlich noch nicht erschlossen.16

Und nun sitze ich an der University of Melbourne, um weitere Aspekte der ethnographischen Interneterforschung kennen zu lernen, Literaturhinweise zu bekommen und mögliche unerforschte Fragen zu finden. Thema der heutigen Sitzung des Seminars Net Communication ist Open Source & Collaborative Publishing im Seminarthemenblock Participatory Culture & Collaboration. Wir wollen Texte von Yochai Benkler17, Pit Schultz18 und Tiziana Terranova19 diskutieren, in denen es um das mit dem Internet verbundene Phänomen der commons-based peer production geht, ein Begriff, den Benkler geprägt hat. Stark vereinfacht gesagt geht es darum, dass das Internet mit seiner vernetzten Umgebung neue, dezentrale, kollaborative und nicht-proprietäre Produktionswege zwischen lose verknüpften Individuen ermöglicht, die weder auf der Basis irgendwelcher Marktsignale noch unter der Organisations- und Hierarchiestruktur herkömmlicher Unternehmen agieren20. Als Beispiel genannt wird immer wieder die Open-Source-Software-Bewegung um das Betriebssystem Linux mit der dahinter stehenden Ideologie, die besagt, dass Software, z.B. das Betriebssystem eines Computers, vom Urheberrecht losgelöst sein sollte, um die Modifizierbarkeit des Softwarequellcodes durch theoretisch jeden Benutzer zu ermöglichen. Auch die Online-Enzyklopädie Wikipedia wird in diesem Zusammenhang immer wieder erwähnt, da die Art der Produktion von Artikeln in der weltweit größten internetbasierten Enzyklopädie dem Mechanismus der Open-Source-Software-Bewegung auf den ersten Blick ähnelt21. Immerhin kann in Wikipedia theoretisch jeder Leser zum Redakteur der enzyklopädischen Artikel werden. Für diesen Übergang vom Konsumenten von (Online)Inhalten zum Produzenten dieser steht der Begriff des prosumer22, der auf Alvin Toffler23, einen Zukunftswissenschaftler aus den USA, zurückgeht. Auch der Begriff „Web 2.0“ des Verlegers Tim O’Reilly24 taucht im Rahmen von Diskussionen über Wikipedia immer wieder auf, um scheinbar neue Entwicklungen und Tendenzen im Internet zu beschreiben. Auf den Punkt gebracht dreht sich die Debatte darum, ob sich das Internet von einem anfangs vermeintlich statischen Medium hin zu einem interaktiveren und sozialeren Medium, dem Mitmach-Web, entwickelt (hat).

Das gesamte Thema ist spannend und daher beschließe ich, mein bald fälliges Essay für das Seminar Net Communication über Wikipedia und die kollaborativen Mechanismen dahinter zu schreiben.

2. Szene: University of Melbourne, Baillieu Library, Mai 2007

Es ist schon spät am Abend, draußen ist es stockdunkel. Die Baillieu Library, die zentrale Universitätsbibliothek der University of Melbourne, aber ist hell erleuchtet. Zahlreiche Studenten arbeiten in dem Gebäude an ihren Essays oder bereiten sich auf bevorstehende schriftliche Prüfungen vor - es ist Essay- und Examenszeit an der University of Melbourne.

Die Bibliothek hat bis 3 Uhr ante meridiem geöffnet.

Ich komme gerade von einem nächtlichen Streifzug durch die kilometerlangen Bücherregale der Bibliothek an meinen Arbeitsplatz zurück und setze mich vor meinen Laptop, auf dem ich an meinem Essay über Wikipedia und Probleme sowie Potentiale von peer production arbeite. Wissenschaftliche Texte zum kollaborativen Arbeiten im Internet im Allgemeinen sowie zu Wikipedia im Besonderen sind vorhanden, da das Internet seit der intensiven Nutzung als Massenmedium ab Anfang der 90er Jahre des 20. Jahrhunderts Gegenstand wissenschaftlicher Forschung ist - sicherlich nicht zuletzt aufgrund der Größe und der globalen Ausmaße der Online-Enzyklopädie sowie wegen seiner immer größer werdenden Bedeutung bei der Wissenssammlung, der Wissensorganisation und der Wissensdistribution. Viele der Texte, die ich finden konnte, gehen dabei deduktiv vor, das heißt, sie konzentrieren sich auf die Theorieherleitung von der Makroebene aus und bestätigen die Theorie durch eine quantitative Untersuchung. Immer soll erklärt werden, wie ein solches kollaboratives System mit Tausenden von Freiwilligen, die ohne monetäre Aufwandsentschädigung Inhalte in Wikipedia einpflegen, funktionieren kann. Die bereits erwähnten Texte von Benkler und Terranova sind zwei Beispiele dafür. Jedoch bin ich bisher über keinerlei Forschung zur Motivation der sozialen Akteure in Wikipedia gestoßen. Wäre es nicht erstrebenswert, diese Forschungslücke zu füllen und eine ethnographisch angelegte Untersuchung über die Motivation von Wikipedia-Schreibern durchzuführen? Warum werden einige Leser der Wikipedia zu Redakteuren und tragen dazu bei, die Enzyklopädie wachsen zu lassen? Was treibt die Tausenden von Internetnutzern an, die einen Teil ihrer Zeit dazu aufwenden, um die Online- Enzyklopädie weiter auf- und auszubauen? Oder ethnologisch gefragt: Wie sehen unterschiedliche soziale und kulturelle Praktiken bei der Erzeugung von Inhalten für Wikipedia aus? Wie stellen die Wikipedia-Schreiber das Generieren von Artikeln konkret an? Woher bekommen sie ihre Informationen? Welche Regeln und Normen gibt es innerhalb der Wikipedia? Wäre das nicht ein spannendes Thema für eine Feldforschung und damit für meine Magisterarbeit?

Da ich bisher noch nicht in Wikipedia aktiv involviert war, würde ich auch die notwendige Distanz zum Projekt mitbringen, was eine wichtige Erwägung ist, will man ethnographisch forschen. Gestöbert habe ich zwar schon des Öfteren in der Online-Enzyklopädie, aber zum Mitmachen bin ich bisher nicht gekommen. Zu bedenken ist aber auch, dass ich mir in den letzten Jahren aufgrund meines privaten Interesses an Netzthemen und vieler gelesener journalistischer Artikel über das Internet allgemein, aber auch über Wikipedia im Besonderen ein bestimmtes Vorwissen über den geplanten Forschungsgegenstand angesammelt habe. Bei der Popularität, die Wikipedia in großen Online- und Printmedien wie Spiegel, FAZ oder Die Zeit genießt und deren Artikel sich oft um die Qualität der Enzyklopädie, die postmoderne Herangehensweise an die Wissensproduktion und die aktuellen Ereignisse und Tendenzen innerhalb der Wikipedia-Community drehen, ist dies fast unumgänglich. So weiß ich z.B., dass Wikipedia eine offene Enzyklopädie ist, an der jeder mitschreiben kann - egal ob Experte oder Laie. Daraus resultieren Unsicherheiten bezüglich der Qualität der Informationen, die auf Wikipedia zu finden sind, denn nicht selten kommt es zum beabsichtigten Eintragen von Fehlinformationen - sei es nun als Streich gedacht oder als Test, wie schnell diese Fehler auffallen. Laut diverser Artikel, die ich im Laufe der Jahre über Wikipedia gelesen habe, ist immer wieder davon die Rede, dass die meisten Wikipedia- Autoren männlich, relativ jung und oft Studenten sind. Gelegentlich wird auch auf den Stereotyp des Computer-Nerds, also des Außenseiters und Sonderlings, verwiesen, denn wer hätte sonst noch Zeit und Lust, freiwillig stundenlang vor dem Computer zu sitzen und sich Texte schreibend in einer virtuellen Online-Community zu betätigen, so der Tenor einiger Artikel. Irgendwann habe ich einmal gelesen, dass eine fachliche Streitigkeit in Wikipedia in einem sogenannten edit war enden kann, was bedeutet, dass ein Autor die Änderungen eines anderen Autors rückgängig macht, woraufhin dieser mit dem erneuten Rückgängigmachen reagiert und so weiter und so fort. Ich bin mit dem Konzept der Schwarmintelligenz vertraut, das besagt, dass die Summe aller Wikipedia-Autoren dafür sorge, eine nahezu fehlerfreie Enzyklopädie zu bauen, denn jeder Autor wisse etwas und trage so einen kleinen Teil zum großen Ganzen bei. Damit geht auch die Sichtweise einher, dass jeder einzelne Wikipedia- Autor nur ein „fleißiges Bienchen“ ist, der entindividualisiert seine Arbeit am großen Projekt Wikipedia leistet. Doch ist das wirklich so? Ist dies nicht der technikdeterministische Blick25 auf das Projekt aus 10.000 Meter Höhe, aus der Makroperspektive? Wie sieht das Bild auf der Mikroebene, von einem sozialkonstruktivistischen Blickwinkel26 betrachtet aus? Wer sind die Wikipedia-Autoren? Wieso machen sie bei Wikipedia mit? Was motiviert sie? Wie sehen ihre digitalen Lebensstile aus? Schnell mache ich mir ein paar Notizen in einem separaten Word- Dokument, denn diese Fragen interessieren mich sehr. In mir macht sich eine wohlige Zufriedenheit breit, denn ich habe das Gefühl, mein Magisterarbeitsthema gefunden zu haben.

III. Ethnographie

Kein Ethnograph kann etwas anderes tun, als die Welt so zu beschreiben, wie sie sich in seinem Kopf abbildet, egal welche methodischen Hilfsmittel er benützt oder beiseite lässt. Utz Jeggle, Volkskundler27

Zugang zum Feld: Wo und was ist das Feld überhaupt?

3. Szene: zu Hause, im Arbeitszimmer meiner Wohnung, Januar 2010

Der Winter ist in diesem Jahr besonders hart: viel Schnee und Dauerfrost ohne Ende! Etwas wehmütig denke ich an mein Auslandsstudium in Australien zurück: an die erlebnisreiche Zeit, an die vielen interessanten Leute, an das schöne Wetter. Der heutige Tag soll laut Wetterbericht wieder richtig kalt werden. Minus 10 bis minus 13 Grad Celsius sind vorhergesagt - Höchsttemperaturen tagsüber wohlgemerkt! Wie wäre es wohl, jetzt draußen Feldforschung zu betreiben, schießt es mir durch den Kopf. Ich brühe mir eine Tasse heißen Kräutertee, gebe etwas Honig hinzu und mache es mir vor meinen Computer bequem. In meinem Arbeitszimmer ist es angenehm warm. Meine Magisterarbeit steht auf dem Programm. Nach einer turbulenten Endphase meines Studiums, der Fertigstellung eines Manuskriptes zum Thema „Studium in Australien“ und weiteren Erfahrungen in der Arbeitswelt habe ich mich endlich durchgerungen, die schon viel zu lange vor mir her geschobene Magisterarbeit und die weiteren Abschlussprüfungen anzupacken. Ein paar einzelne Texte habe ich schon gelesen, aber wie gehe ich bei meiner geplanten Feldforschung über Wikipedia am besten vor? Wie fange ich an? Ich öffne meinen Internetbrowser Mozilla Firefox und navigiere mich über die Suchmaschine Google, wo ich das Suchwort „Wikipedia“ eingebe, zur Hauptseite der deutschsprachigen Ausgabe der Online- Enzyklopädie.

Ich starre die Hauptseite von Wikipedia an: „Willkommen bei Wikipedia“ steht da schwarz und fett markiert auf einem hellblauen Balken geschrieben. Der Großteil der Hauptseite ist in diverse Textboxen unterteilt: „In den Nachrichten“, „Artikel des Tages“ und „Schon gewusst?“ sind z.B. drei dieser Boxen. Sie beinhalten kurze Texte und vor allem eines: viele blaugefärbte Hyperlinks. Klicke ich auf einen dieser Links, gelange ich zu einem Wikipedia- Artikel, in dem dann - je nach Artikellänge - mehr oder weniger ausgiebige Informationen über ein bestimmtes Thema zu finden sind. Der jeweilige Text wiederum beinhaltet weitere Verlinkungen zu anderen themenverwandten Artikeln in Wikipedia. Am unteren Ende des Artikels sind meist die Quellen/Einzelnachweise, Literaturhinweise sowie weitere Weblinks außerhalb Wikipedias zum Thema angegeben. So weit, so gut! Zurück zur Hauptseite! Auf der linken Seite ist eine Leiste mit kleineren Textboxen, die Bezeichnungen wie „Navigation“, „Mitmachen“, „Drucken/exportieren“, „Werkzeuge“ und „In anderen Sprachen“ haben. Und wieder sehe ich zahlreiche blaue Hyperlinks zu anderen Seiten, auf denen sich Informationen rund um Wikipedia befinden bzw. die auf andere Sprachversionen verweisen. Ich klicke mich durch ein paar der Links und gelange immer auf Text- oder Listenseiten, die sich nicht selten über mehrere Computerbildschirmseiten erstrecken, was einiges an Scrollarbeit mit sich bringt. Unmengen an Texten breiten sich vor mir aus. Um meine ersten Eindrücke vom Besuch der Wikipedia-Hauptseite festzuhalten, lege ich mir ein Dokument im Schreibprogramm Microsoft Word an, das ich nach Datum strukturiert zu führen gedenke. Mein digitales Feldtagebuch sozusagen. Das Wort Feld lässt mich innehalten. Was ist eigentlich genau das Feld? Ist die Hauptseite mit den dahinterliegenden Millionen von Wikipedia-Unterseiten mein Forschungsfeld? Bin ich schon drin, wenn ich mich durch ein paar Seiten klicke? Wie definiere ich mein Forschungsfeld, wo ich mit sozialen Akteuren, mit Wikipedianern28 interagieren möchte?

Methodologische Diskussion: Unter anderem Heike Mónika Greschke von der Fakultät für Soziologie der Universität Bielefeld problematisiert in ihrem Text Bin ich drin?29 30, der auf einer Studie über ein paraguayanisches Online-Forum basiert, über welches im Ausland lebende Paraguayner mit ihrem Heimatland und mit Landsleuten auf der ganzen Welt in Kontakt treten und bleiben, eben jene für Forscher so relevante Frage nach der Definition des Forschungsfeldes. Bei ihr heißt es: „Wo fängt das Feld an, wo hört es auf? Was bedeutet 'dort sein' in diesem Fall? Bin ich schon da, wenn ich von meinem Schreibtisch aus die entsprechende Seite im WWW öffne […]?“31 Ethnologen, deren traditioneller Feldbegriff seit Bronislaw Malinowski, der als Begründer der modernen Feldforschung und teilnehmenden Beobachtung gilt32, meist ganz eng mit einem oder mehreren physischen Orten wie z.B. einer Imbissbude33, einem Stadtbezirk34 oder einem Dorf35 verbunden ist, wo soziale Akteure in ihrer „angestammten“ Umgebung beobachtet werden, geraten bei einer angestrebten Erforschung der virtuellen, oder besser, imaginierten Räumlichkeit des Internets in Definitionsschwierigkeiten bezüglich ihres Feldes, denn das Internet kann theoretisch überall sein und ist doch nirgends physisch existent. Oder wie William J. Mitchell, Architekt und Universitätsprofessor, schon 1995 sagte: „The net is ambient - nowhere in particular but everywhere at once. You do not go to it: you log in from wherever you physically happen to be. In doing this you are not making a visit in the usual sense [...].”36 Bedarf die Absteckung des Feldes bei einer Studie im, über und durch das Internet also einer ganz besonderen Konstruktionsleistung? Keineswegs, wenn man bedenkt, dass jedes ethnologische Forschungsfeld konstruiert ist - auch jenes, das eine physische Existenz hat wie die vorher erwähnten Orte. Nur scheinbar erledigt sich dort die Feldkonstruktion von selbst, da z.B. physischen Grenzen dem Ethnologen die Arbeit erleichtern. In seinem sehr umfassenden und reflektierten Aufsatz Ethnography on the Move: From Field to Net to Internet formuliert Andreas Wittel es wie folgt: „The classic field had to be constructed as well. However the construction of the field was facilitated by the fact that fields seemed to have supposedly pre- constructed borders anyway, geographic, social or cultural borders.”37 Bedeutet dies also, dass das ethnologische Feld bei der Untersuchung eines sozialen Raums im Internet, wie z.B. einer Internet-Community, durchaus und alleinig eine Internetplattform mit all ihren Unterseiten sein kann, sofern diese Feldkonstruktion im Forschungsprozess reflektiert wird?

Retrospektiv betrachtet kann gesagt werden, dass dieser Ansatz zumindest in der ersten Phase der ethnologischen Interneterforschung, also ab den frühen 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, mehrheitlich so angewandt wurde. Als Referenzstudie einer ethnographischen Untersuchung, die ausschließlich im virtuellen Raum stattfand, wird immer wieder auf Howard Rheingolds Monografie Virtuelle Gemeinschaft verwiesen, in der sich der Sozialwissenschaftler mit den Auswirkungen des Internets auf Vergesellschaftung befasst. Rheingold meint Augenzeuge bei der Entstehung einer neuen Form des Soziallebens zu sein, der virtuellen Gemeinschaft, die enorme Umwälzungen in Bezug auf demokratische Prozesse und Diskurse in den physisch existenten Gesellschaften haben wird38, wobei er diese lediglich antizipiert und nicht näher untersucht. Unter anderem in den Texten von Heike Mónika Greschke und den beiden Sozialwissenschaftlern Adolfo Estalella und Elisenda Ardévol39, die sich besonders der Feldethik bei einer Internetforschung gewidmet haben, ist zu erkennen, dass in dieser Anfangsphase der Interneterforschung unter Online-Ethnographie die Exploration des virtuellen Raumes, die Beschreibung und Interpretation sozialer Interaktionen in diesem sowie die Identifizierung von Gemeinschaftstypen und Muster der Identitätsbildung verstanden wurde. Methodologisch basierten diese Studien auf der Annahme, der virtuelle und der sich darin befindliche soziale Raum könne genau wie eine physisch existente Gemeinschaft mithilfe von teilnehmender Beobachtung untersucht und ethnographisch beschrieben werden. Gegenstand der Untersuchungen waren meist elektronische Foren, Chaträume und MUDs (Multi User Dungeons), also textbasierte Online-Rollenspiele.

Als Wendepunkt in dieser Art der ethnologischen Internetforschung kann die einflussreiche und vielzitierte Monografie Virtual Ethnography der britischen Soziologin Christine Hine40 angesehen werden. Hine untersuchte die Anteilnahme von Internetnutzern am Gerichtsprozess über das 1997 wegen Mordes angeklagte britische Au-pair-Mädchen Louise Woodward in den USA. Dazu erstellten viele Internetnutzer Webseiten, um ihre Sympathie oder ihre Antipathie gegenüber der Teenagerin auszudrücken. Zwar forschte auch Hine für ihre Studie exklusiv online und kommt zu der Erkenntnis: „It is possible for an ethnographer sitting at a desk in an office […] to explore the social spaces of the Internet.“41 Jedoch erkennt sie - und daher so wegweisend - die Begrenztheit der alleinigen Forschung im virtuellen Raum an und räumt ein: „Virtual ethnography is necessarily partial. A holistic description of any informant, location or culture is impossible to achieve.”42 Aus eben jenem Grund verbreitet sich seit Beginn des 21. Jahrhunderts in vielen sozialwissenschaftlichen Disziplinen die Ansicht, dass ethnographisch motivierte Forschungen über kulturelle Praktiken im bzw. durch das Internet nicht nur vom Computer aus in den virtuellen Räumen des Netzes geführt werden sollten, sondern dass eine solche Ethnographie multi-sited zu sein hat, ein Begriff, der auf den Anthropologen George E. Marcus43 zurückgeht. Andreas Wittel beispielsweise schreibt: „[...] problematic are ethnographies mainly focusing on cyberspace. The exclusion of the material worlds, I argued, is unlikely to reveal context and complexity.”44 Daher fordert Wittel eine Hinwendung zur multilokalen Feldforschung und liefert Beispiele, wo sie stattfinden könnte, gleich mit: „Research in virtual spaces can only then become virtual fieldwork if the research is multi-sited, multi-sited in a very physical sense. In schools, Internet cafes, work places and in private living spaces.”45 Als richtungsweisend bezüglich einer Anwendung dieses neuen methodologischen Paradigmas in Sachen ethnologischer Internetforschung kann die Studie von Daniel Miller und Don Slater46 verstanden werden. Der Anthropologe und der Soziologe untersuchten die Internetnutzung auf Trinidad, wo sie beobachteten, welche Gruppen das Internet wie nutzen, welche Internetanwendungen am häufigsten eingesetzt werden und vor allem, wie die Geschichte und Kultur Trinidads mit dem Internet verbunden sind. Eine der wichtigsten Schlussfolgerungen aus ihrer ethnographischen Feldforschung auf Trinidad lautet wohl: „If you want to get to the Internet, don't start from there.”47

Ich starre wieder auf die Hauptseite von Wikipedia. Was bedeutet das für mein Forschungsfeld? Kann ich diesem Anspruch von Miller und Slater überhaupt gerecht werden? Immerhin geht meine Fragestellung nicht von der Benutzung des Internet an einem konkreten Ort aus, so wie das Forschungsdesign der beiden Forscher angelegt war, sondern sie befasst sich mit einem konkreten Internetprojekt, an dem viele lokal unterschiedlich situierte Akteure mitarbeiten und das auf den ersten Blick keine physische Repräsentanz besitzt. Wie soll ich der Wikipedianer habhaft werden, wenn ich nicht weiß, wer sie sind und wo sie sich befinden? Sie könnten überall sein: in der Bibliothek, im St. Oberholz - laut ZEIT-Magazin48 einer der Orte in Berlin, an dem die Digitale Bohème verkehrt und der als Kaffeehaus des 21. Jahrhunderts bezeichnet werden kann - oder einfach nur bei sich zu Hause, in irgendwelchen Wohnungen oder Häusern. Aber nicht nur in Berlin, sondern auch in Hamburg, Leipzig oder Unterammergau. Nicht zu vergessen die anderen deutschsprachigen Länder wie Österreich, die Schweiz oder Teile Belgiens. Von wo bis wohin erstreckt sich also mein Forschungsfeld? Ich erinnere mich an ein weiteres Zitat von Heike Mónika Greschke, die in Anlehnung an Miller und Slater eine kontext- und fragestellungsabhängige Modifizierung des viel zitierten Satzes vorschlägt und sagt: „If you want to get to the Internet start from there but don't stop there.”49 Daher beschließe ich, mein Feld wie folgt zu definieren: Ausgehend von der internetbasierten Interaktion mit Wikipedianern (online) wie dem Editieren und Verfassen von Artikeln und der Teilnahme an Diskussionen auf den zahlreichen Unterseiten der deutschsprachigen Ausgabe von Wikipedia möchte ich auch nach Möglichkeiten suchen, einige Benutzer von Angesicht zu Angesicht zu treffen (offline), sie zu interviewen und sie bei ihrer Arbeit in Wikipedia zu beobachten. Mein Feld ist also in dem Sinne multilokal, dass ich mich - falls möglich - an die Orte begebe, an denen die Wikipedianer aktiv sind. Ausgangspunkt und voraussichtlich wichtigste Anlaufstelle jedoch werden für mich die Internetseiten der deutschsprachigen Wikipedia sein.

Feldethik I

4. Szene: zu Hause, im Arbeitszimmer meiner Wohnung, Januar 2010

Bevor ich mich erneut ins Feld begebe, ist noch wenigstens ein Aspekt zu bedenken: die Feldethik. Ethnologie und ethnographische Forschung haben als Untersuchungsgegenstand immer Menschen und deren Handlungen im Blick.50 Dies beinhaltet auch, den Akteuren möglichst nahe zu kommen, um ihre alltäglichen Lebenswelten und die ausgeübten Praktiken studieren zu können. Ein solches Vorgehen umfasst jedoch mitunter auch das Eindringen des Ethnologen in die Privatsphäre der Akteure, was natürlich vorher mit diesen abzustimmen ist, denn ethnologische Forschung legt hohen Wert auf forschungsethisch korrektes Verhalten. Beim Beobachten von Akteuren im öffentlichen Raum ist die Forschung lediglich mit den einzelnen Personen abzusprechen; bei einer Ethnographie über einen bestimmten Ort oder eine Institution, z.B. eine Schule51, ist vorher zusätzlich die Zustimmung eines sogenannten Gatekeeper einzuholen. Im Fall der Schule wäre dies z.B. der Direktor. Aber wer ist der Gatekeeper bei einer Forschung, deren Startpunkt eine Internetseite ist? Robert V. Kozinets, dessen Methode der Netnografie wegen ihrer Beschränkung auf Online-Umgebungen aus ethnologischer Sicht zwar kritisiert werden kann52, der aber dennoch hohe ethische Standards vertritt, empfiehlt dazu Folgendes:

In forums that are hosted on small Internet sites, a site’s founder and/or administrator is a legitimate gatekeeper that the researcher should approach prior to contacting other users of the site. For larger sites, such as those contained on Yahoo! Groups, a group’s moderator (but not Yahoo! management itself) would be an appropriate gatekeeper that the researcher would need to contact.53

Bei Wikipedia handelt es sich zweifelsfrei um ein großes Internetprojekt, welches multilinguale Versionen hervorgebracht hat. Aber wer ist der Gatekeeper? Jimmy Wales, den Mitbegründer von Wikipedia54 bzw. dessen in San Francisco (USA) ansässige Wikimedia Foundation55 anzuschreiben, erscheint wenig Aussicht auf Erfolg zu haben, da sowohl Wales als auch die englischsprachige Wikimedia Foundation wenig mit der deutschsprachigen Wikipedia zu tun haben. Aus einem journalistischen Artikel auf Spiegel Online56 weiß ich jedoch, dass für Deutschland57 eine „Zweigstelle“ der Wikimedia Foundation existiert, nämlich der Wikimedia Deutschland e. V.. Laut der Webseite des Vereins setzt man sich dort vor allem „gezielt für Öffentlichkeitsarbeit, Spendengewinnung und Infrastruktur“58 ein. Zwar bin ich mir dessen bewusst, dass der Verein kein Gatekeeper im eigentlichen Sinne ist, da der Zugang zu Wikipedia nicht vom Verein kontrolliert wird; als Repräsentationsorgan kann mir Wikimedia Deutschland e.V. aber vermutlich weiterhelfen. Ich beginne eine E-Mail mit einer kurzen Beschreibung meines Forschungsvorhabens zu verfassen. Ausdrücklich weise ich darauf hin, dass die Dokumentation von gewonnen Forschungsdaten und deren Verwendung sowie die Wahrung von Persönlichkeitsrechten stets mit den jeweiligen Interviewpartner abgeklärt und eingehalten werden. Abschließend erfrage ich ein Feedback zur Forschung: „Wie steht ihr meinem geschilderten Forschungsvorhaben gegenüber? Gibt es eurerseits Einwände oder Bedenken bezüglich des Forschungsvorhabens? Könnt ihr dem Forschungsvorhaben unter den genannten Bedingungen zustimmen?“ Ich füge noch meine Kontaktdaten wie Festnetztelefon- und Handnummer ein und schicke die E-Mail an die allgemeine E-Mail-Adresse info@wikimedia.de ab. Nun heißt es abwarten und heißen Tee mit Honig trinken.

Informed Consent: Eine Community, viele Gatekeeper - Teil 1

5. Szene: zu Hause, im Arbeitszimmer meiner Wohnung, Anfang Februar 2010

Ich sitze am Computer und lese die neusten Nachrichten auf Spiegel Online. Ich möchte mich ablenken, da ich leicht frustriert bin, denn bisher habe ich keine Antwort auf meine E-Mail- Anfrage bei Wikimedia Deutschland e.V. erhalten. Nach fast einem Monat Wartezeit und einer Nachhak-E-Mail, also der Nachfrage, ob meine erste E-Mail angekommen sei, habe ich nichts vom Verein gehört. Sicherlich haben die Vereinsmitglieder viel mit der Koordination von diversen Wikipedia-Projekten und so weiter zu tun und keine Zeit, sich mit meiner Anfrage zu befassen. Ist Wikimedia Deutschland e.V. überhaupt der richtige Ansprechpartner? Aber wer dann, wenn nicht dieser Verein? Vielleicht sollte ich einfach mal anrufen? Oder vorbeigehen? Oder überhaupt niemanden fragen und einfach auf Wikipedia losforschen? Mitten in diesem kleinen Anfall von Ratlosigkeit klingelt das Telefon. Ich nehme den Hörer ab und staune nicht schlecht, als sich am anderen Ende der Leitung Christian59, ein Wikipedianer aus Berlin, meldet. Christian hegt enge Kontakte zu Wikimedia Deutschland e.V. und hat daher von meiner geplanten Studie gehört. Ihn interessiert das Forschungsvorhaben, und so schlägt er ein baldiges Treffen vor. Ich bin mir nicht sicher, wie ich das einordnen soll. Ist er eine Art Repräsentant der Wikipedia-Community, die in der Zwischenzeit von meinem Vorhaben erfahren hat? Ist er eine Art Gatekeeper? Will er mir genauer „auf die Finger schauen“ oder eventuell die Forschung überwachen und ggf. gewisse Regeln vorgeben? Ich sage dem Treffen natürlich zu und freue mich, dass meine Vorgehensweise doch noch etwas bewirkt hat und ich u.U. sogar einen ersten möglichen Interviewpartner gewinnen konnte, ohne dafür großartige Anstrengungen durchlaufen zu müssen.

6. Szene: zu Hause, im Arbeitszimmer meiner Wohnung, Anfang Februar 2010, nächster Tag

Am nächsten Tag checke ich mein E-Mail-Postfach und finde, nach fast einem Monat Wartezeit, eine Antwort von Wikimedia Deutschland e.V. vor. Der Geschäftsführer persönlich, Herr Pavel Richter, hat sich meiner Anfrage angenommen und gibt mir ein Feedback zu meiner geplanten Forschung. Er schreibt:60

Hallo Herr Schulz, spontan fallen mir die folgenden Punkte ein:

* Es gab bereits in der Vergangenheit zahlreiche Forschungsarbeiten um und in der Wikipedia. Besonders wichtig ist es aus meiner Sicht, von Anfang an v ö llig offen und transparent zu agieren.

Meine Interpretation dessen und Schlussfolgerung daraus: Ich sehe im Hinweis zur Transparenz die Bestätigung meines bisherigen Vorgehens, nämlich schon vor Forschungsbeginn den Zugang zum Feld anzukündigen und einen informed consent einzuholen. Für ein offenes und transparentes Auftreten als Forscher in Wikipedia muss ich mir jedoch noch etwas einfallen lassen.

* Die Wikipedia ist keine beliebige Social Community, sondern ein Projekt zum Erstellen einer Enzyklopädie. Alles Tun sollte diesem Zweck dienen - bei Ihnen ist dies nicht unbedingt der Fall. Sie schreiben ja, dass Sie selbst Artikel verfassen und an Diskussionen teilnehmen wollen, um so als "teilnehmender Beobachter" ethnografisch zu forschen. Da scheint mir ein Problem zu liegen, da Sie das Artikelschreiben und Diskutieren nicht als Selbstzweck, sondern als Forschungshandlung sehen. Hier liegen Konfliktpotentiale mit der Community.

Meine Interpretation dessen und Schlussfolgerung daraus: Eindeutig ist hier eine Warnung vor möglichen Problemen mit der Wikipedia-Community herauszulesen, die aufgrund des Forschungsaktes in der Online-Enzyklopädie resultieren könnten. Sicherlich gibt es bei den Tätigkeiten, die ich plane auf Wikipedia auszuführen, nämlich Artikel mitzuschreiben und darüber mit Wikipedianern zu diskutieren, keinen Unterschied im phänomenologischen Sinne61, jedoch ist die Intention hinter meinen Handlungen abweichend von denen, die die meisten Wikipedianer haben dürften - nämlich sich primär am Auf- und Ausbau der Online- Enzyklopädie zu beteiligen. Diesem mit einer Feldforschung verbundenen Problem stehen Ethnologen natürlich grundsätzlich gegenüber. Klaus Amann und Stefan Hirschauer schreiben in ihrem Programm zur Befremdung der eigenen Kultur beispielsweise: „Ethnographen »spielen mit«, aber sie betreiben im öffentlichen Spiel des Untersuchungsfeldes auch noch ein strategisches Privatspiel der Wissenserzeugung.“62 Zudem ist zu bedenken, dass man als Forscher, sobald man das Feld betritt, dieses auch verändert.63 Es ist also zu fragen, welchen Einfluss man als Forscher auf das Feld hat, in dem man aktiv ist. Daher ist es umso wichtiger, dass ich mir vor jeder aktiven Handlung auf Wikipedia im Sinne der Selbstreflexion bewusst mache, wie meine Handlungen das Feld beeinflussen könnten.

* Alle Mitarbeiter der Wikipedia sind ehrenamtlich tätig; Ihr Ansatz, diese bei ihrer Arbeit zu beobachten kann schnell missverstanden werden nach dem Motto "Wir sind doch keine Affen im Zoo, die man beobachten kann". Auch hier sehe ich ein Problem.

Meine Interpretation dessen und Schlussfolgerung daraus: Auch dieser warnende Hinweis deutet auf eine generelle Herausforderung hin, mit der sich Ethnologen im Feldforschungsprozess konfrontiert sehen. Wie reagieren die „Beforschten“ auf den Forscher im Feld? Hier kann die bereits angesprochene Transparenz und Offenheit des Forschers, also das Sich-Zu-Erkennen-Geben des Forschers im Feld mögliches Konfliktpotential von Anbeginn mildern.

* Die Zusammenhänge in der Wikipedia sind ziemlich komplex. Es dauert, bis man die Struktur und die geschriebenen und ungeschriebenen Regeln verstanden hat. Die Tätigkeit als Autor ist eine v ö llig andere als die des normalen WP-Benutzers. Planen Sie daher genug Zeit ein, sich mit diesen Strukturen vertraut zu machen.

Meine Interpretation dessen und Schlussfolgerung daraus: Dass Wikipedia und die dahinterliegende Struktur umfangreich sind, ahnte ich schon nach dem ersten kurzen Besuch der Seite. Nun macht mich ein Insider auf die Komplexität der Zusammenhänge aufmerksam und gibt zu bedenken, dass man sich ausreichend Zeit nehmen solle, um mit dem Feld vertraut zu werden. Dass die offiziellen sechs Monate, die ein Magisteranwärter für die Forschung und das Verfassen einer Magisterarbeit bekommt, wenig sind, ist klar, denn grob eingeteilt blieben bei rund zwei Monaten Literaturrecherche und circa zwei Monaten Schreiberei lediglich zwei Monate für die Forschung, was ein großes Manko ist, denn so muss ich mir von vornherein eingestehen, dass ich meine Fragestellung aufgrund der knappen Zeitressourcen lediglich ansatzweise beantworten werden kann. Wie tief man innerhalb dieser Zeit in die Wikipedia-Community vorzudringen vermag, bleibt fraglich und abzuwarten.

Ich wünsche Ihnen viel Glück und Erfolg bei Ihrem Ansatz. Eine Bewertung wage ich nicht abzugeben, dazu kenne ich mich zu wenig mit der Ethnografie aus. Gerne k ö nnen Sie uns auf dem Laufendenüber den weiteren Fortgang halten. Bitte haben Sie jedoch Verständnis dafür, dass wir bis auf gelegentliches Feedback erst einmal nicht weiter unterstützen k ö nnen.

Meine Interpretation dessen und Schlussfolgerung daraus: In der Ethnologie ist man bestrebt, einen informed consent von den sozialen Akteuren im Forschungsfeld einzuholen. Estalella und Ardévol schreiben in ihrem Text über Feldethik: „[…] hence the informed consent becomes one of the fundamental, if not the most important, mechanisms of the ethical process of any research in the human and social sciences.”64 Das Wünschen von Glück und Erfolg bei meinem Ansatz und das Angebot „gelegentliches Feedback“ zu geben, kann wohl als ein solches informiertes Einverständnis gedeutet werden. Klar ist mir aber auch, dass dies nur ein kleiner Schritt im Prozess der ethnologischen Erforschung von Wikipedia ist und die Zustimmungen einzelner Wikipedianer noch einzuholen sind.

Damit ist der Weg frei für meine Feldforschung in Wikipedia, in der ich herausfinden möchte, wie einzelne Wikipedianer an die Erstellung von enzyklopädischen Artikeln herangehen, wie Lebenswelten und (digitale) Lebensstile von Wikipedianern aussehen und was dies über Internetkultur/Kultur im Internet aussagt. Vor der Anmeldung als registrierter Benutzer bei Wikipedia und dem Einleiten der intensiven Forschungsphase möchte ich jedoch noch das Treffen mit Christian abwarten, um mich auch vonseiten der eigentlichen Wikipedia- Community abzusichern.

Informed Consent: Eine Community, viele Gatekeeper - Teil 2

7. Szene: ein studentisches Caf é in Berlin-Mitte, Anfang Februar 2010, einige Tage später Schon fünfzehn Minuten vor dem vereinbarten Zeitpunkt sitze ich im Café, wo Christian und ich uns treffen wollen. Ich packe meinen Laptop aus und schalte ihn ein. Mein Plan ist es, ihm eine Powerpoint-Präsentation zu zeigen, die ich eigens für die Vorstellung meiner geplanten Magisterarbeit im Forschungskolloquium des Instituts für Europäische Ethnologie erstellt habe. Außerdem haben wir so, falls Bedarf besteht, jederzeit Zugang zum Internet und können wichtige Seiten auf Wikipedia ansteuern. Zudem habe ich das Gefühl, dem Wikipedianer zeigen zu müssen, dass auch ich als Ethnologe digital ausgerüstet bin, um so eine Art Legitimation als fähiger Forscher, der sich mit dem Internet befassen will, zu liefern. Neben den Laptop lege ich das Buch Wikipedia inside. Die Online-Enzyklopädie und ihre Community von Günter Schuler65, welches ich noch nicht gelesen habe, das aber als Erkennungsmerkmal fungieren soll, da weder ich weiß, wie Christian aussieht, noch er eine Vorstellung von meinem Aussehen hat. Ein Aufnahmegerät habe ich nicht dabei, da ich mich bei diesem ersten Treffen in der Rolle des Redners und Erklärers sehe, um Christian als möglichem Repräsentanten der Wikipedia-Community mein Vorhaben zu schildern und mein Anliegen zu rechtfertigen.

Nach zwanzig Minuten kommt ein junger Mann in einem gestreiften Kapuzenpullover und einer Jacke im Arm auf mich zu, blickt auf den Tisch vor mir und fragt mich, ob ich Jörn sei. Wir begrüßen und setzen uns und bestellen etwas zu trinken. Da er mich leicht fragend anblickt, übernehme ich die Gesprächsinitiative. Ich bedanke mich für die Kontaktaufnahme und das Angebot zu diesem Treffen. Ich erzähle ihm, dass ich vor wenigen Tagen auch eine E-Mail von Wikimedia e.V. bekommen habe und zeige ihm einen Ausdruck der E-Mail. Interessiert schaut sich Christian an, was dort geschrieben steht. Ich schlage ihm vor, sich zurückzulehnen und die Präsentation anzuschauen, die ich mitgebracht habe. Doch Christian schaut auf das Buch, das auf dem Tisch liegt und fragt, ob ich dies schon gelesen hätte. Ich verneine und frage ihn, ob er es kenne. Der Wikipedianer erzählt mir, dass er mit dem Text von Schuler vertraut sei und dass das Buch kurz nach seinem Erscheinen 2007 einen wahren Skandal in der Community ausgelöst habe, da der Autor die Community auf sehr sensationslüsterne Weise beschrieben und diverse Administratoren als politisch rechts motiviert abgestempelt hätte. Innerlich zucke ich zusammen und denke mir: „NEEEIIIIIN! Ich hätte jedes andere Wikipedia-Buch von meinem inzwischen großen heimischen Bücherstapel nehmen können. Warum musste es ausgerechnet dieses sein? Jetzt bin ich wahrscheinlich gebrandmarkt und habe es schwerer, meine Position als Forscher zu legitimieren.“ Ich mache mir eine Notiz auf dem vor mir liegenden Schreibblock und sage, dass ich das Buch noch lesen wolle, um zu erfahren, wie Schuler an seine Eindrücke gekommen sei. Ich versichere Christian, dass es mitnichten meine Absicht sei, es Schuler gleichzutun und „Enthüllungen“ über Wikipedia zu produzieren. Vielmehr sei mein Ansatz ein wissenschaftlicher und ich habe nicht vor, moralische Urteile über soziale Akteure zu fällen. Vielmehr interessiere ich mich dafür, wie Wikipedianer beim Erstellen von Wikipedia- Inhalten vorgehen. Ich zeige auf die Powerpoint-Präsentation auf dem Laptop und klicke durch die Präsentationsfolien, um ihm meinen Ansatz zu illustrieren.

Ich habe während meiner Literaturrecherche herausgefunden, dass es in der Zwischenzeit einige quantitative Ansätze gibt, um die Motivationen von Wikipedia-Autoren zu beschreiben. Der Artikel What Motivates Wikipedians? von Oded Nov66 ist einer davon. Die Juniorprofessorin am Department of Management der Polytechnic University in New York versuchte, in einer Fragebogenaktion unter 370 englischsprachigen Wikipedianern herauszufinden, was diese motiviert, um diese Art von kultureller Praxis besser zu verstehen. Wörtlich schreibt sie: „In order to increase and enhance user-generated content contributions, it is important to understand the factors that lead people to freely share their time and knowledge with others.”67 Dabei greift Nov auf psychologisch motivierte Forschungen zurück, z.B. auf die von Clary et al.68, die Motivationen von Freiwilligen in anderen Kontexten untersucht hat. Nov richtet ihren Fragebogen nach den sechs von Clary et al. identifizierten Motivationsgründen aus69, ergänzt diese um zwei weitere aus der Open- Source-Software-Forschung70 und lässt die Wikipedianer ihre Zustimmung oder Ablehnung zu diesen Motivationsgründen auf einer Skala von eins bis sieben abgeben.

Ich mache eine kurze Pause und lasse Christian die Folie mit Novs Ergebnissen betrachten. „Spaß“ und „Ideologie“ sind die beiden herausragenden Motivationen für Wikipedianer, um an der Erstellung der Online-Enzyklopädie teilzunehmen. Aber was sagt das über die tatsächlichen Beweggründe von Wikipedianern aus, frage ich Christian rhetorisch. Wie sehen die Geschichten hinter den Zahlen aus? Ist eine derartige Umfrage mit vorgegebenen Fragen, ohne die Möglichkeit, offen - im Sinne von narrativ - zu antworten, wirklich geeignet dafür, verschiedene Motivationsgründe herauszufinden? Werden mit vorgegebenen Kategorien, denen man zustimmen muss, nicht auch ganz viele andere mögliche Triebkräfte hinter der Teilnahme bei Wikipedia ausgeblendet? Und genau da habe ich vor, mit meiner Forschung anzusetzen. Christian nickt und sieht überzeugt aus. Dann holt er aus und merkt an, was er zusätzlich untersuchen würde, wenn er ethnologisch unterwegs wäre: Er ginge eher auf die Entwicklung der Benutzer ein, auf die Karrieren hinter den Pseudonymen. Welche Entwicklungen haben Wikipedia-Autoren im Verlaufe ihrer Mitarbeit durchgemacht? Wie haben sie Wikipedia früher gesehen, wie heute? Ich bin überrascht, dass Christian so kooperativ ist und mich quasi als Ko-Forscher71 unterstützt. Ich mache mir einige Notizen und versichere ihm, dass ich überlegen werde, wie ich diese Impulse in meine Forschung einbauen könne.

Ich habe das Gefühl, mich genug legitimiert zu haben und frage ihn nach seiner Rolle bei Wikipedia und welche Erwartungen er an das heutige Treffen habe. Christian beginnt zu erzählen: Er sei seit über fünf Jahren in Wikipedia aktiv und seit knapp fünf Jahren Admin, einer von über 300 im deutschsprachigen Raum. Ein Admin - eigentlich Administrator - sei einer von vielen Benutzertypen in Wikipedia, die ein paar mehr Rechte hätten als andere Benutzer. So können sie z.B. Benutzer blockieren oder deblockieren, Artikel für weitere Bearbeitungen sperren bzw. entsperren, um z.B. Vandalismus zu verhindern und noch Einiges mehr. Schon im Alter von 15 Jahren habe er angefangen, für die Enzyklopädie zu schreiben. An meiner Forschung sei er deshalb interessiert, da er schon an vielen Umfragen teilgenommen und schon immer die Beschränkungen von Fragebogenaktionen kritisiert habe. Ich bin verwundert: Christian ist gar nicht als delegierter Gatekeeper hier, um ein Auge auf meine Forschung zu werfen? Ich hake nach und frage, ob er in irgendeiner Weise die Wikipedia-Community vertrete. Er schaut mich fragend an und schüttelt dann den Kopf. Die eine Wikipedia-Community gäbe es nicht und was er vertritt, sei lediglich sein persönliches Interesse an meinem Forschungsansatz. Sicher würde es oft so dargestellt werden, dass alle Wikipedianer an einem Strang zögen, jedoch entspräche dies in keiner Weise seiner erlebten Realität. Was es gäbe, seien verschiedene Cliquen, von denen er aber keine vertrete. Allerdings könne er mir aufgrund seiner längeren Mitarbeit schon ein paar Dinge über Wikipedia erzählen, gibt er bescheiden zu. Ich werde ganz Ohr, umklammere fest meinen Kugelschreiber und höre zu.

Christian berichtet, dass er sich in Wikipedia vorrangig mit geschichtlichen Themen befasse. Um seine Artikel zu schreiben, nutze er auch viel gedruckte Literatur, denn die sei einfach verlässlicher. Gedruckte Literatur müsse man auf jeden Fall benutzen, wenn man einen Artikel zu einem exzellenten oder lesenswerten aufwerten wolle. Dies seien Prädikate für besonders gute Artikel in Wikipedia. In einem Abstimmungsprozess werde darüber entschieden, ob der Artikel den Qualitätsansprüchen der Community genüge; wenn dies der Fall ist, werde ein Artikel entweder mit „exzellent“ oder mit „lesenswert“ ausgezeichnet. Jedoch gäbe es keinerlei festgeschriebene Regeln dafür, was einen exzellenten oder lesenswerten Artikel ausmache. Er solle nicht zu lang und auch nicht zu kurz sein, er dürfe nichts Wichtiges auslassen und so weiter - alles Anforderungen, die sehr offen für Interpretationen sind. Auch erzählt er mir, dass die deutschsprachige Wikipedia mittlerweile über eine Millionen Artikel beinhalte und es eine nette Diskussion darüber gab, welcher Artikel denn nun der Millionste sei, da für den Artikel, der als erster die Marke erreicht hatte - der Artikel „Ernie Wason“72 - direkt ein Löschantrag gestellt wurde, denn die Person wurde von einigen Wikipedianern als nicht relevant erachtet. Sofort entbrannte eine heftige Debatte über die Relevanzkriterien und den Artikel. Nach intensiven Recherchearbeiten einiger Wikipedianer habe sich aber herausgestellt, dass Ernie Wason doch relevant sei und der Artikel daher nicht gelöscht werde. Überhaupt sei über die Relevanzkriterien in den letzten Monaten viel in den Medien berichtet worden, jedoch wäre die Berichterstattung immer sehr eindimensional gewesen. So konzentrierten sich alle großen Medien darauf, die beiden vermeintlich konträren Wikipedia-Gruppen, die der Exklusionisten und die der Inklusionisten, gegenüberzustellen, ohne auf deren tatsächliche Argumente einzugehen. Exklusionisten seien übrigens diejenigen, die angeblich alle irrelevanten, unfertigen und schlechten Artikel löschen wollen, hingegen die Inklusionisten für das Behalten und Ausbauen auch weniger relevanter Artikel seien. Aber der eigentliche Konflikt dahinter sei eher der zwischen neuen und alteingesessenen Wikipedianern, denn Neulinge halten prinzipiell alles für relevant, hingegen die etablierten Nutzer sich der knappen, personellen Ressourcen bewusst und daher eher pro Qualität und contra Quantität seien. Er selbst könne sich keiner dieser Gruppen zuordnen, denn es komme immer auf den konkreten Fall an, so Christian.

Ich lausche seinen Ausführungen aufmerksam, frage ab und zu nach und ärgere mich, dass ich kein Tonbandgerät mitgenommen habe, um diese wertvollen Einblicke eines Insiders über die inhärenten Strukturen der Wikipedia-Community aufzuzeichnen. Notgedrungen mache ich mir krakelige Notizen auf meinem Schreibblock, komme jedoch kaum hinterher. Zuhören, mitschreiben und einordnen - das sind gleich drei Dinge auf einmal. Das geht nicht lange gut. Aber Christian fährt fort. Von der viel beschriebenen Schwarmintelligenz, die Wikipedia angeblich so auszeichne, halte er auf Artikelebene nicht viel, denn in der Praxis sehe es oft so aus, dass wirklich gute Artikel zwei oder maximal drei Hauptautoren haben. Je mehr Autoren mitmachten, desto inkohärenter werde der Text. Übrigens gebe es auch Wikipedia- Stammtische, also Treffen, bei denen sich Wikipedianer, die sonst nur übers Internet miteinander kommunizieren, auch an einem physischen Ort treffen und sich über diverse Themen austauschen. Er selbst war schon einmal bei so einem Treffen, was ihm aber nicht zugesagt habe. Hier würden die Wikipedia-Themen auf eine sehr persönliche Ebene getragen und teils ironisierend, teils sarkastisch noch einmal durchgesprochen. Er brauche das nicht. Dennoch habe er sich ein paar Kontakte zu anderen befreundeten Admins aufgebaut, mit denen er sich auch mal auf ein Bier treffe. Auch war er schon bei diversen Wikipedia- Academys gewesen, was eine Art Networking-Veranstaltung ist und auf der der Austausch verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen mit Wikipedia-Autoren gefördert werden soll. Bei der ersten Academy 2006 in Göttingen war er dabei, auf der zweiten 2007 in Mainz auch. 2009 sei die Veranstaltung ausgefallen, 2010 werde sie aber wieder stattfinden. Was ihn in der Wikipedia echt ärgere, sei der inzwischen raue Ton, der in Diskussionen herrsche. Dies sei früher anders gewesen. Heute würden Neulinge oft sehr unfreundlich behandelt. An die Wikiquette, ein Regelwerk zum freundlichen Umgang mit Gleichgesinnten auf Wikipedia, halte sich heute kaum noch jemand. Dies hätte auch zur Folge, dass es Wikipedia immer schwerer habe, neue und gute Autoren zu finden.

Mein Kopf schwirrt angesichts der vielen und wichtigen Informationen, die mir Christian darbietet. Ich bremse ihn etwas aus und sage offen, was mein Problem ist, nämlich, dass ich nicht ganz darauf vorbereitet war, direkt ein Interview mit ihm zu führen. Ob er sich vorstellen könne, mir noch einmal zu einem späteren Zeitpunkt zu einem narrativen Interview zur Verfügung zu stehen, frage ich Christian. Er lächelt und nickt verständnisvoll. Zudem fände ich es gut, mich vorher selbst einmal auf Wikipedia umzugucken, um mir ein eigenes Bild von der Situation dort zu machen. So verbleiben wir mit der Absicht, uns zu einem späteren Zeitpunkt nochmals zu treffen.

Auswertung und Interpretation des Erlebten: Meine anfängliche Vorstellung, Christian wurde als Vertreter der Wikipedia-Community geschickt, um mich als professional stranger- handler73 zu beobachten, haben sich nach dem ersten Treffen als haltlos herausgestellt. Schlussfolgernd muss jedoch auch bedacht werden, dass sich ein informed consent der gesamten Wikipedia-Community nicht so einfach einholen lässt wie gedacht. Ist eine Online- Community wie Wikipedia Gegenstand einer ethnologischen Untersuchung, muss das Konzept der informierten Einwilligung überdacht werden, da eine Einverständniserklärung nicht einmalig und damit allgemeingültig eingeholt werden kann, sondern praktisch von jedem Wikipedianer, der als Interviewpartner im Rahmen der Forschung befragt werden soll, bestätigt werden muss. Dies bedeutet auch, dass das Forschungsvorhaben immer wieder neu vermittelt werden muss.

Eine weitere wichtige Erkenntnis in dieser frühen Phase des Forschungsprozesses ist, dass die Vorstellung einer in sich kohärenten Wikipedia-Community nicht haltbar ist. Der im Online- Kontext häufig benutzte Term Community suggeriert zwar das Vorhandensein einer Gemeinschaft von Wikipedia-Autoren, die sich selbst als Wikipedianer bezeichnen, jedoch deuten die bisher gesammelten empirischen Daten darauf hin, dass der Begriff Wikipedia- Community ein imaginiertes Konstrukt darstellt, welches die Gesamtheit der Wikipedia- Autoren bezeichnet, die jedoch mehr oder weniger lose miteinander verbunden sind und keinerlei gewähltes Organisations- oder Regierungsorgan besitzen. In diesem Sinne signalisiert die Bezeichnung Wikipedianer die Zugehörigkeit zur Menge der Wikipedia- Autoren, nicht notwendigerweise jedoch die aktive Teilnahme an gemeinschaftlich organisierten Aktivitäten innerhalb und außerhalb des Projekts Wikipedia. Eine interessante Frage, die sich daraus ableitet, ist: Was bedeutet Community oder eben Gemeinschaft überhaupt im Internetkontext?

Terminologische Diskussion: Häufig ist im Zusammenhang mit der Online-Enzyklopädie Wikipedia im deutschsprachigen Raum von den Wikipedianern und der Wikipedia- Community zu lesen. Gemeint ist damit oft eine homogene und geschlossen auftretende Gemeinschaft der Wikipedia-Autoren, was in journalistischen Texten oft durch eine Personifizierung deutlich wird (vgl. z.B. Augsburger Allgemeine Zeitung,74 Spiegel Online75 ). Doch welche Art von Gemeinschaft bilden die einzelnen Wikipedia-Autoren wirklich? Oder anders gefragt: Was bedeutet Community bzw. Gemeinschaft bezogen auf computervermittelte, soziale Interaktionsräume?

Die soziologische Verwendung des Begriffs Gemeinschaft geht auf Ferdinand Tönnies und sein Werk Gemeinschaft und Gesellschaft von 1887 zurückgeht.76 Nach Tönnies konstituieren sich Gemeinschaften entweder als „Gemeinschaft des Blutes“, als „Gemeinschaft des Ortes“ und/oder als „Gemeinschaft des Geistes“.77 Aus heutiger Perspektive lässt sich sagen, dass diese Kategorisierung nicht alle Gemeinschaftsformen erklären kann. Gemeinschaften, die sich aufgrund dieser drei Merkmale beschreiben lassen, werden daher heute auch als traditional bezeichnet.78 Modernere Formen der Gemeinschaft hingegen bedürfen oft eines neuen Erklärungsmodells, wofür Ronald Hitzler den Begriff der posttraditionalen Vergemeinschaftung vorschlägt. Laut Hitzler können diese Formen von Gemeinschaft charakterisiert werden durch, „die freiwillige Einbindung des Individuums auf seiner kontingenten Entscheidung für eine temporäre Mitgliedschaft“.79 Sozialen Akteuren wird also eine Wahlmöglichkeit zugesprochen, die laut Hitzler über das Konzept der traditionalen Gemeinschaften hinausgeht. Auf die Wikipedia-Community angewandt lässt sich diese Feststellung bestätigen, da die Wikipedia-Autoren freiwillig am Auf- und Ausbau der Enzyklopädie mitarbeiten. Warum aber hat sich im deutschsprachigen Raum das englische Wort Community durchgesetzt? Wenigstens zwei weitere Charakteristika spielen hierbei eine Rolle.

Ein erstes Merkmal, welches in einigen posttraditionalen Gemeinschaften vorzufinden ist, ist die Deterritorialisierung80, die begünstigt wird durch die zunehmende Nutzung des Internets als Kommunikationstechnologie, die „eine neue, thematisch fokussierte und keiner räumlichen Ko-Präsenz bedürfende Form der Vergemeinschaftung ermöglicht“.81 Das Internet ermöglicht und fördert also das computervermittelte Interagieren zwischen sozialen Akteuren, denen es gleichgültig sein kann, ob der Interaktionspartner im selben Dorf bzw. in derselben Stadt oder irgendwo anders lokalisiert ist. Vielmehr spielt der Zweck der Mitgliedschaft eine wesentliche Rolle, nämlich die Zugehörigkeit zu einer Gruppe von Individuen, die alle die gleiche Aufgabe verrichten - zumindest phänomenologisch betrachtet -, was im Fall von Wikipedia die Mitarbeit an einer Enzyklopädie aus freien Inhalten ist - im Sinne von nicht urheberrechtsgeschützt. Als zweites Merkmal, welches auf die Wikipedia-Community zutrifft, lässt sich der Aufgabenbezug identifizieren - Susan C. Herring spricht auch von task- related groups oder von communities of practice.82

Die beschriebenen Merkmale machen deutlich, dass der Prozess der Vergemeinschaftung übers Internet ein anderer ist und die dadurch entstehenden Communitys in ihrer Charakteristik nicht mit denen traditionaler Gemeinschaften verglichen werden können. Es kann vermutet werden, dass sich auch deshalb im deutschsprachigen Raum der Begriff Community durchgesetzt hat, um dieser Andersartigkeit einen Namen zu geben. Der Vollständigkeit halber sei noch darauf hingewiesen, dass zur Beschreibung solcher aufgabenbezogenen Vergemeinschaftungen auch der Begriff e-tribe (electronic tribe) benutzt wird83, der in der akademischen Diskussion über computervermittelte Vergemeinschaftungsprozesse zwar benutzt wird84, von den sozialen Akteuren jedoch kaum zu hören ist. Jedoch kann vermutet werden, dass die Bezeichnung Wikipedianer mitsamt der innewohnenden Assoziation eines „Stammes der Wikipedia-Autoren“ der Begrifflichkeit e- tribe eine gewisse Anerkennung zollt.

Zusammenfassend ist also zu sagen, dass Online-Communitys eher als posttraditional zu bezeichnen sind, da sie durch Merkmale wie computervermittelte Interaktion und Deterritorialisierung gekennzeichnet sind.

Anmeldung bei Wikipedia: Texte, Texte und noch viel mehr Texte

8. Szene: zu Hause, im Arbeitszimmer meiner Wohnung, Ende Februar 2010

Durch einen kleinen, aber schmerzhaften Unfall, bei dem ich Opfer des diesjährigen eisigen Winters und der dysfunktionalen Berliner Gehweg- und Streupolitik wurde, hat sich meine weitere Forschungsarbeit über Wikipedia leider etwas verzögert, da es mir nicht möglich war, einige Wochen länger zu sitzen. Nun, Ende Februar, soll es aber endlich weitergehen: Ich will mich bei Wikipedia als registrierter Benutzer anmelden und aktiv teilnehmend beobachten. Ich sitze vor meinem Computer, öffne meinen Internetbrowser, rufe die Hauptseite der deutschsprachigen Wikipedia auf und klicke auf den Link „Anmelden“. Ich gelange zu einer Seite, auf der ich nach meinem Benutzernamen sowie meinem Passwort gefragt werde, was nur für schon registrierte Nutzer zutrifft. Da ich noch kein Benutzerkonto habe, muss ich auf einen weiteren Link klicken, der mir programmatisch den Weg zeigt: „Hier legst du ein Konto an.“ Ich gelange zur Seite „Benutzerkonto anlegen“ und werde mit der Aufgabe konfrontiert, einen Benutzernamen und ein Passwort in die dafür vorgesehenen Felder einzugeben. Ich überlege, ob ich mich durch die Wahl eines pragmatischen Benutzernamens, wie z.B. „Forscher“, im Feld zu erkennen geben sollte. Welche Auswirkungen könnte das auf den Feldforschungsprozess haben, wenn ich so offensichtlich agiere? Hat die Wahl des Benutzernamens überhaupt irgendwelche Auswirkungen? Ich öffne ein weiteres Tab, also ein weiteres Fenster in meinem Firefox, rufe nochmals die Hauptseite von Wikipedia auf und schaue mir die Unterseite „Letzte Änderungen“85 an, wo alle Änderungen an Artikeln, Diskussionsseiten und so weiter mitsamt dem Autor, welcher die Änderung durchgeführt hat, aufgelistet werden. Ich erblicke teils kreative, teils klangvolle Benutzernamen wie 44Pinguine, Neutralseife, TheAutoJunkie oder Flominator. Ich frage mich, welche Bilder man von sich bei den anderen Interaktionsteilnehmern gegenüber evoziert, wenn man sich Jesusfreund, Giftmischer oder Rosenkohl nennt? Ist es sinnvoll, als Benutzername ein Konkretum zu wählen? Einige Benutzer haben keine Namen, sondern nur IP-Adressen - dies sind die nicht angemeldeten Wikipedia-Autoren, die trotzdem die Möglichkeit haben, Artikel zu editieren. Ich hingegen möchte mich aber anmelden, da nur so gewährleistet ist, mit anderen Wikipedianern per E-Mail in Kontakt zu treten, wie ich in der Zwischenzeit in Schulers Buch Wikipedia inside86 gelesen habe. Zudem listet die Wikipedia-Unterseite „Hilfe:Benutzerkonto anlegen“87 weitere Vorteile wie das Anlegen einer Benutzerseite, das Führen einer Beobachtungsliste, das Hochladen von Dateien wie z.B. Bilder etc. auf, was mich überzeugt hat, einen registrierten Account anzulegen. Zurück zur Namensgebung! Ich gebe „Forscher“ und ein Passwort ein. Leider klappt die Anmeldung nicht, folgende Fehlermeldung wird mir angezeigt: „Fehler bei der Anmeldung / Dieser Benutzername ist schon vergeben. Bitte wähle einen anderen Benutzernamen aus.“ Ich versuche es mit „Ethnologe“ - ebenfalls schon vergeben! Gleiches gilt für „Ethnograph“! Waren doch schon andere Feldforscher vor mir am Werk? Auf der Seite „Letzte Änderungen“ war auch zu sehen, dass einige Wikipedianer augenscheinlich mit ihren Klarnamen auftreten, also versuche ich es mit Jörn. Auch schon besetzt! Kein Konkretum, keine IP, kein Klarname - wie kann ich mich sonst nennen? Ich erinnere mich, dass einer meiner ehemaligen Arbeitskollegen in einem Start-up-Unternehmen immer die Anfangsbuchstaben seines Vor- und Zunamens zu einem gut klingenden Akronym zusammengefügt hat, sobald er sich bei einer Internetseite anmelden musste. Ihm will ich es nun gleich tun und probiere es mit Joschu. Leider auch schon belegt! Langsam geht mir die Geduld aus. Ich überlege, was als Endung in Frage käme, tippe Joschun ein und habe endlich Erfolg. Ich bin drin! „Anmeldung erfolgreich“ steht da in fett geschriebenen Buchstaben. Ein Standardtext mit diversen Links begrüßt mich: „Willkommen, Joschun! Dein Benutzerkonto wurde erfolgreich eingerichtet. Bitte lies Dir unsere Seiten für neue Benutzer88 durch. Dort sind alle wichtigen Hilfeseiten verlinkt. Einen guten Einstieg für neue Autoren bietet das Tutorial89, eine individuelle Betreuung bietet das Mentorenprogramm90.“ Ich beginne mich, durch die Hilfeseiten zu klicken und muss feststellen, dass jede neue Seite wieder viele Links und neue interessante Unterseiten birgt, denen ich folgen möchte, denn überall könnten spannende Hinweise auf meine Fragestellung zu finden sein. Ich lese mich in die „Grundlegenden Richtlinien“91 ein (nicht zu verwechseln mit den „Grundprinzipien“92 ), durchforste die „Wikiquette“93, von der Christian gesprochen hatte, überfliege die Anleitung „Artikel-Richtlinien“94, wo wiederum vielversprechende Links zu Unterseiten mit Namen wie „Was Wikipedia nicht ist“95, „Neutraler Standpunkt“96 oder „Urheberrechte beachten“97 zu finden sind. Nicht zu vergessen sind auch die Hilfeseiten „Relevanzkriterien“98, „Wie schreibe ich gute Artikel“99, „Belege“100, „Benutzer“101 und „Literatur“102.

[...]


1 Geertz, Clifford: Dichte Beschreibung. Beiträge zum Verstehen kultureller Systeme. Suhrkamp taschenbuch wissenschaft 696: Frankfurt am Main, 1987. Seite 9.

2 Wittel, Andreas: Ethnography on the Move: From Field to Net to Internet. In: Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Volume 1, No. 1, Januar 2000. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/1131/2518).

3 Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org).

4 Um den Lesefluss zu verbessern, wurde in dieser Arbeit darauf verzichtet, die weibliche grammatikalische Form zu ergänzen. Bei Begriffen wie Nutzer oder Forscher ist die weibliche Form stets mitzudenken.

5 Stegbauer, Christian: Wikipedia. Das Rätsel der Kooperation. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden, 2009. 321 Seiten.

6 Jaschniok, Meike: Wikipedia und ihre Nutzer. Zum Bildungswert der Online-Enzyklopädie. Tectum Verlag: Marburg, 2007. 250 Seiten.

7 Nov, Oded: What Motivates Wikipedians?. In: Communications of the ACM, Volume 50, Issue 11, November 2007. ACM: New York. Seite 60-64.

8 Schroer, Joachim: Wikipedia. Auslösende und aufrechterhaltende Faktoren der freiwilligen Mitarbeit an einem Web-2.0-Projekt. Logos Verlag: Berlin, 2008. 238 Seiten.

9 Das Wort „Artikelinhalte“ bezieht sich primär auf erstellte Texte von Wikipedianern, umfasst aber auch Fotografien, Grafiken (z.B. Landkarten), Audiodaten etc.

10 Geertz, 1987.

11 Johnson, Jack: It's All Understood. In: www.sing365.com. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.sing365.com/music/lyric.nsf/It%27s-All-Understood-lyrics-Jack- Johnson/398FDBFB2533EE4048256BF200239E3B)

12 Vgl. Knorr, Alexander: Cyberanthropology. Workshop im Rahmen einer Tagung der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde e.V., 2005. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.dgv-net.de/2005.html).

13 fotocommunity. Fotos ausstellen und diskutieren - Online-Community für Fotografie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.fotocommunity.de).

14 Kaschuba, Wolfgang. Einführung in die europäische Ethnologie. Verlag C.H.Beck: München, 2006. 3. Auflage. Seite 10.

15 Beck, Stefan: Umgang mit Technik. Kulturelle Praxen und kulturwissenschaftliche Forschungskonzepte. Akademie-Verlag: Berlin, 1997. Seite 11.

16 Kaschuba, 2006. Seite 235.

17 Benkler, Yochai: The wealth of networks. How social production transforms markets and freedom. Yale University Press: New Haven and London, 2006. 515 Seiten. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.benkler.org/Benkler_Wealth_Of_Networks.pdf).

18 Schultz, Pit: The Producer as Power User. In G. Cox & J. Krysa (Hrsg.). Engineering Culture: On ‘The Author as (Digital) Producer’. Autonomedia: New York, 2005. Seite 111-125. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.data-browser.net/02/DB02/Schultz.pdf).

19 Terranova, Tiziana: Network Culture. Politics for the Information Age. Pluto Press: London, 2004. 184 Seiten.

20 Vgl. Benkler, 2006. Seite 60.

21 In Verbindung mit Wikipedia scheint es jedoch sinnvoller zu sein, von einem „Open-Content-Projekt“ zu sprechen, da das englische Wort source eher mit Quellcode für Software zu übersetzen ist, was auf Wikipedia-Artikel nur in geringem Umfang zutrifft. Vgl. Schroer, 2008. Seite 9.

22 Vgl. Schultz, 2005. Seite 111.

23 Toffler, Alvin: Die Zukunftschance. Von der Industriegesellschaft zu einer humaneren Zivilisation. Bertelsmann: München, 1980. 509 Seiten.

24 O'Reilly, Tim: What Is Web 2.0? Design Patterns and Business Models for the Next Generation of Software. 30. September 2005. In: O'Reilly (http://oreilly.com/). Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://oreilly.com/lpt/a/6228).

25 Grob vereinfacht dargestellt, besagt Technikdeterminismus, dass neue technologische Entwicklungen aus der Logik der vorhandenen Technikinfrastruktur entstehen und dass Technik der „Treiber“ für kulturelle und soziale Veränderungen ist. Heilbroner schreibt beispielsweise: „Machines make history by changing the material conditions of human existence.” Vgl. Heilbroner, Robert: "Technological Determinism Revisited". In: Does Technology Drive History?. The Dilemma of Technological Determinism. Merritt Roe Smith; Leo Marx (Hrsg.). MIT Press, 1994. Seite 69.

26 Kurz zusammengefasst, lässt sich Sozialkonstruktivismus als eine andere Interpretation historischen Wandels beschreiben. Der Betrachtungsfokus liegt auf den sozialen, kulturellen und ökonomischen Umständen. MacKenzie und Wajcman schreiben: „Changing technology will always be only one factor among many others: political, economic, cultural, and so on.” Vgl. MacKenzie, Donald; Wajcman, Judy: “Introductory Essay.” In: Donald MacKenzie; Judy Wajcman (Hrsg.). The Social Shaping of Technology. Open University Press: Philadelphia, 1999 [2. Ausgabe]. Seite 4.

27 Jeggle, Utz: Zur Geschichte der Feldforschung in der Volkskunde. In: Utz Jeggle (Hrsg). Feldforschung. Qualitative Methoden in der Kulturanalyse. Tübinger Vereinigung für Volkskunde e.V. Schloss, Tübingen, 1984. Seite 25.

28 Wikipedianer ist die Selbstbezeichnung der aktiven Autoren. In der englischsprachigen Wikipedia nennen sich die Autoren Wikipedians, im spanischsprachigen Raum Wikipedistas und im französischsprachigen Raum Wikip é diens. Vgl. Wikipedia:Wikipedianer. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wikipedianer).

29 Greschke, Heike M ó nika: Bin ich drin? - Methodologische Reflektionen zur ethnografischen Forschung in einem plurilokalen, computervermittelten Feld. In Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Volume 8, No. 3, September 2007. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/279/614).

30 Alle aus dem Forum Qualitative Sozialforschung zitierten Text liegen als PDF vor, beinhalten jedoch keine Seitenzahlen im Dokument, weswegen die Zitierung ohne die Angabe von Seitenzahlen erfolgt.

31 Greschke, 2007.

32 Vgl. Malinowski, Bronislaw: Argonauten des westlichen Pazifik. Ein Bericht über Unternehmungen und Abenteuer der Eingeborenen in den Inselwelten von Melanesisch-Neuguinea. Klotz: Frankfurt/Main, 1979 (zuerst: 1922). 585 Seiten.

33 Vgl. z.B. David, Peter: Leben am Rand. Eine ethnographische Milieustudie an einem Imbiß. Magisterarbeit am Institut für Europäische Ethnologie, Berlin, 1999.

34 Vgl. z.B. Bartholmess, Katja: Möglichkeiten des Umgangs mit Arbeitslosigkeit und Geldmangelsituationen in der Stadt. Ethnographie des Kreuzberger Tauschrings. Magisterarbeit am Institut für Europäische Ethnologie, 2003.

35 Vgl. z.B. Blask, Falk (Hrsg.): Ein Dorf voller Narren. Karneval - Idylle - Rechtsextremismus. Lit-Verlag: Berlin, 2007. 216 Seiten.

36 Mitchell,William J.: City of Bits. Space, Place, and the Infobahn. MIT Press: Cambridge, Massachusetts, 1995. 225 Seiten.

37 Wittel, 2000.

38 Rheingold, Howard: Virtuelle Gemeinschaft. Soziale Beziehungen im Zeitalter des Computers. Addison- Wesley: Bonn [u.a.], 1994. 392 Seiten. (auf Englisch erstmals 1993).

39 Estalella, Adolfo; Ard è vol, Elisenda: Field Ethics. Towards Situated Ethics for Ethnographic Research on the Internet. In Forum Qualitative Sozialforschung / Forum: Qualitative Social Research, Volume 8, No 3, 2007. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.qualitative-research.net/index.php/fqs/article/view/277) (englische Übersetzung des spanischen Originals per E-Mail von den Autoren erhalten).

40 Hine, Christine: Virtual Ethnography. SAGE Publications: London, 2000. 179 Seiten.

41 Ebd. Seite 45.

42 Hine, 2000. Seite 65.

43 Marcus, George E.: “Ethnography in/of the World System: The Emergence of Multi-Sited Ethnography.” In: Annual Review of Anthropology, Volume 24, Oktober 1995. Seite 95-117. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.sociol.unimi.it/docenti/semi/documenti/File/Marcus.pdf).

44 Wittel, 2000.

45 Ebd.

46 Miller, Daniel; Slater, Don: The Internet. An Ethnographic Approach. Berg Publishers: Oxford [u.a.], 2000. 217 Seiten.

47 Miller; Slater, 2000. Seite 5.

48 Büscher, Wolfgang: Der Schaum der Tage. DIE ZEIT, 23.04.2009, Nr. 18.

49 Greschke, 2007.

50 Kaschuba, 2006. Seite 126.

51 Beispielhaft hier: Faber, Johanna: Körperpraxen im Schulsport - Eine videographische Untersuchung einer Sportstunde an einer Berliner Grundschule. Magisterarbeit am Institut für Europäische Ethnologie, 2008.

52 Für eine ausführliche terminologische Diskussion der Begrifflichkeiten wie Netnografie, Medienethnografie, Cyberethnografie etc. siehe auch Abschnitt „Online-Ethnographie, Virtuelle Ethnographie, Webnographie, … ?“ in dieser Magisterarbeit!

53 Kozinets, Robert V.: Netnography. Doing Ethnographic Research Online. SAGE Publications: London, 2010. Seite 148.

54 Jimmy Wales. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010

(http://de.wikipedia.org/wiki/Jimmy_Wales).

55 Wikimedia Foundation Inc. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://wikimediafoundation.org).

56 Dworschak, Manfred: Lustverlust in der Lexikon-Maschine. In: SPIEGEL ONLINE vom 1. Dezember 2009. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,664195,00.html).

57 Österreich und die Schweiz haben jeweils separate Organe: Wikimedia Österreich (http://www.wikimedia.at) und Wikimedia CH (http://www.wikimedia.ch).

58 Wikimedia Deutschland e.V.: Über Uns. Letzter Zugriff am 22.08.2010

(http://www.wikimedia.de/index.php?id=12).

59 Der Name des Wikipedianers wurde pseudonymisiert, um seine Identität und Privatsphäre zu wahren. Weitere Ausführungen zur Pseudonymisierung befinden sich im Abschnitt „Ethnographie schreiben: Gedanken zum ethnologischen Schreiben“.

60 Wegen ihrer Bedeutung für den Zugang zum Feld wird die Antwort von Wikimedia e.V. in ihrer Ganzheit wiedergegeben. Herr Richter hat der Verwendung seines Feedbacks sowie seiner namentlichen Erwähnung zugestimmt.

61 Vgl. Geertz, 1987. Seite 10.

62 Amann, Klaus; Hirschauer, Stefan: Die Befremdung der eigenen Kultur. Ein Programm. In: Klaus Amann, Stefan Hirschauer. Die Befremdung der eigenen Kultur. Suhrkamp: Frankfurt/Main, 1997. Seite 7-41.

63 Vgl. Malinowski, 1979. Seite 29.

64 Vgl. Estalella und Ard é vol, 2007.

65 Schuler, Günter: Wikipedia inside. Die größte Enzyklopädie der Welt und ihre Community. Unrast-Verlag: Münster, 2007. 279 Seiten.

66 Nov, 2007. Seite 60-64.

67 Ebd. Seite 60.

68 Clary, E.; Snyder, M.; Ridge, R.; Copeland, J.; Stukas, A.; Haugen, J.; Miene, P.: Understanding and assessing the motivations of volunteers. A functional approach. Journal of Personality and Social Psychology, Volume 74, 1998. Seite 1516-1530.

69 Die sechs, nicht ganz scharf voneinander trennbaren Motivationsgründe sind: Values, Understanding, Enhancement, Protective, Career, Social.

70 „Fun“ und „Ideology“ werden z.B. von Hars, A. und Ou, S. als Motivationsgründe für die Teilnahme an Open- Source-Projekten genannt. Vgl. Hars, A. und Ou, S.: Working for Free? Motivations of participating in open source projects. International Journal of Electronic Commerce, Volume 6, No. 3, 2002. Seite 25-39.

71 Vgl. Greschke, 2007. In der 19. Fußnote beschreibt sie, dass dies ein Begriff sei, der indirekt auf den Soziologen William Foote Whyte und seine Publikation Street Corner Society aus dem Jahre 1943 zurückgeht.

72 Ernie Wason. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Ernie_Wasson).

73 Vgl. Agar, Michael H.: The Professional Stranger. An Informal Introduction to Ethnography. Academic Press: New York, London: 1986. 276 Seiten.

74 Zitat: „Die Wikipedia-Community ist sauer.“ (Augsburger Allgemeine Zeitung vom 10.05.2010. Porno-Streit bei Wikipedia. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.augsburger- allgemeine.de/Home/Nachrichten/Aus-aller-Welt/Artikel,-Wikipedia-Pornostreit-Bilder-Jimmy-Wales- _arid,2141956_regid,2_puid,2_pageid,4293.html)).

75 Zitat: „Die Community ist sich absolut im Klaren, dass hier etwas Außergewöhnliches geschehen ist, das vieles in Frage stellt.“ Patalong, Frank. Der Schweigepakt. Spiegel Online vom 29.06.2009. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://www.spiegel.de/netzwelt/web/0,1518,633181,00.html).

76 Hitzler, Roland; Honer, Anne; Pfadenhauer, Michaela: Zur Einleitung: „Ärgerliche“ Gesellungsgebilde? In: Roland Hitzler; Anne Honer; Michaela Pfadenhauer (Hrsg.). Posttraditionale Gemeinschaften. Theoretischen und ethnographische Erkundungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden, 2008. 351 Seiten.

77 T ö nnies, Ferdinand: Gemeinschaft und Gesellschaft. Grundbegriffe der reinen Soziologie. Wissenschaftliche Buchgesellschaft: Darmstadt, 1991 [Neudruck der 8. Auflage von 1935, 3. unveränderte Aufl.]. Seite 18.

78 Hitzler, Ronald: Posttraditionale Vergemeinschaftung. In: Berliner Debatte INITIAL, 9. Jahrgang, Heft 1, 1998. Seite 81-89.

79 Hitzler et al., 2008. Seite 13.

80 Hepp, Andreas: Medienkommunikation und deterritoriale Vergemeinschaftung. Medienwandel und die Posttraditionalisierung von translokalen Vergemeinschaftungen. In: Roland Hitzler; Anne Honer; Michaela Pfadenhauer (Hrsg.). Posttraditionale Gemeinschaften. Theoretischen und ethnographische Erkundungen. VS Verlag für Sozialwissenschaften: Wiesbaden, 2008. Seite 132-150.

81 Hepp, 2008. Seite 132.

82 Herring, Susan C.: Virtual community. In Lisa M. Given (Hrsg.). Encyclopedia of Qualitative Research Methods. Sage: London [u.a], 2008. Seite 920-921.

83 Vgl. Kozinets, Robert V.: E-Tribes and marketing. Virtual communities of consumption and their strategic marketing implications. In: European Journal of Management, Volume 17, Ausgabe 3, 1999. Seite 252- 264.

84 Olaniran, Bolanle: Electronic Tribes (E-Tribes). Some Theoretical Perspectives and Implications. Paper

presented at the annual meeting of the International Communication Association, Dresden, 2009. Letzter Zugriff am 25.05.2010 (http://www.allacademic.com/meta/p93216_index.html).

85 Letzte Änderungen. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Spezial:Letzte_%C3%84nderungen).

86 Schuler, 2007. Seite 241.

87 Hilfe:Benutzerkonto_anlegen. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Hilfe:Benutzerkonto_anlegen).

88 Hilfe:Neu bei Wikipedia. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010

(http://de.wikipedia.org/wiki/Hilfe:Neu_bei_Wikipedia).

89 Hilfe:Tutorial. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Hilfe:Tutorial).

90 Wikipedia:Mentorenprogramm. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Mentorenprogramm).

91 Hilfe:Tutorial/1. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Hilfe:Tutorial/1).

92 Wikipedia:Grundprinzipien. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Grundprinzipien).

93 Wikipedia:Wikiquette. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wikiquette).

94 Wikipedia:Richtlinien. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Richtlinien).

95 Wikipedia:Was Wikipedia nicht ist. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Was_Wikipedia_nicht_ist).

96 Wikipedia:Neutraler Standpunkt. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Neutraler_Standpunkt).

97 Wikipedia:Urheberrechte beachten. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Urheberrechte_beachten).

98 Wikipedia:Relevanzkriterien. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Relevanzkriterien).

99 Wikipedia:Wie schreibe ich gute Artikel. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Wie_schreibe_ich_gute_Artikel).

100 Wikipedia:Belege. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Belege).

101 Hilfe:Benutzer. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Benutzer).

102 Wikipedia:Literatur. In: Wikipedia. Die freie Enzyklopädie. Letzter Zugriff am 22.08.2010 (http://de.wikipedia.org/wiki/Wikipedia:Literatur).

Ende der Leseprobe aus 144 Seiten

Details

Titel
Wikipedia schreiben - eine Online-Offline-Ethnographie über Wikipedianer
Hochschule
Humboldt-Universität zu Berlin  (Institut für Europäische Ethnologie)
Veranstaltung
Europäische Ethnologie
Note
1,0
Autor
Jahr
2010
Seiten
144
Katalognummer
V183873
ISBN (eBook)
9783656084709
ISBN (Buch)
9783656084839
Dateigröße
1330 KB
Sprache
Deutsch
Anmerkungen
"Jörn Schulz geht es in seiner Arbeit um die "Lebenswelt Wikipedia": also um Alltagszusammenhänge, um Vergemeinschaftungsformen, um Arbeitsstile und um Lebensstile von "Wikipedianern". [...] Der wissenschaftliche Ertrag dieser Studie ist beachtlich und beachtenswert." (Prof. Humboldt-Universität zu Berlin) Sowohl Erstgutachter als auch Zweitgutachterin haben diese Magisterarbeit mit der Note 1,0 bewertet. Diese Magisterarbeit wurde für den Rudolf-Virchow-Förderpreises 2012 vorgeschlagen.
Schlagworte
Wikipedia, Ethnologie, Europäische Ethnologie, Anthropologie, Internet, Netzkultur, Kulturwissenschaft, Volkskunde, Wikipedianer, Ethnographie, Ethnografie
Arbeit zitieren
Jörn Schulz (Autor:in), 2010, Wikipedia schreiben - eine Online-Offline-Ethnographie über Wikipedianer, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183873

Kommentare

  • Noch keine Kommentare.
Blick ins Buch
Titel: Wikipedia schreiben - eine Online-Offline-Ethnographie über Wikipedianer



Ihre Arbeit hochladen

Ihre Hausarbeit / Abschlussarbeit:

- Publikation als eBook und Buch
- Hohes Honorar auf die Verkäufe
- Für Sie komplett kostenlos – mit ISBN
- Es dauert nur 5 Minuten
- Jede Arbeit findet Leser

Kostenlos Autor werden