Der moralische Status menschlicher Embryonen - Eine Beziehungskiste?

Darstellung und kritische Anmerkungen zu Claudia Wiesemanns Ansatz einer "Ethik der Beziehung"


Bachelorarbeit, 2011

62 Seiten, Note: 1,0


Leseprobe


Inhaltsverzeichnis

0. Einleitung

1. Grundfrage: der moralische Status des menschlichen Embryos
1.1. Lösungsansätze
1.2. Nicht gradualistische Position/„absoluter“ Lebensschutz
1.3. Gradualistische Position/“abgestufter“ Lebensschutz

2. Claudia Wiesemanns Beitrag zur Diskussion um den moralischen Status menschlicher Embryonen
2.1. Der moralische Status des Embryos und die Eltern-Kind-Beziehung
2.1.1. Position des absoluten Lebensschutzes
2.1.2. Position des abgestuften Lebensschutzes
2.2. Der leibliche und soziale Kontext des Embryos
2.3. Die Ethik des Fremden
2.4. Der Begriff des menschlichen Individuums
2.5. Die Geburt als leiblicher und sozialer Einschnitt
2.6. Elternschaft
2.6.1. Verantwortung
2.6.2. Das Modell des antizipierten Konsenses
2.7. Aufgegebene und nicht gelebte Beziehungen
2.7.1. In-vitro-Fertilisation
2.7.2. Selektiver Fetozid
2.7.3. Embryonenspende
2.7.4. Schwangerschaftsabbruch

3. Kritische Anmerkungen zu Claudia Wiesemanns Entwurf einer „Ethik der Beziehung“
3.1. Terminologie
3.2. Verborgene Wertungen – fehlende Argumentation
3.3. Konsequenzen des „beziehungsethischen Ansatzes“
3.4. Sein-Sollen-Problem
3.5. Elternschaft, Beziehung und Verantwortung

4. Abschlussbemerkungen

5. Literaturverzeichnis

0. Einleitung

Wie Andreas Vieth in seinem Einleitungswerk in die Angewandte Ethik bemerkt, entbrennen die „heftigsten Debatten in der Medizinethik […] um die Frage nach dem moralischen Status des menschlichen Embryos.“[1] Lässt sich dies einerseits an der Vielzahl von einschlägigen Publikationen in den letzten Jahren ersehen, so andererseits auch an der medialen Präsenz, welche Diskussionen über (beschränkte) Zulassung oder Verbot von Präimplantationsdiagnostik (PID), Schwangerschaftsabbrüchen oder Stammzellenforschung zukommt.

„Seit mittlerweile einigen Jahrzehnten wird in Deutschland und anderen Ländern der westlichen Welt mit Ausdauer und Leidenschaft über den moralischen Status des menschlichen Embryos debattiert. Die Frage, ob die Eizelle von der Befruchtung an ein Mensch mit allen Rechten oder doch nur ein zwar möglicherweise schützenswertes, aber dem geborenen Menschen letztlich nicht moralisch und rechtlich gleichzusetzendes Lebewesen sei, hat Fachleute wie Öffentlichkeit beschäftigt.“[2]

Die Errungenschaften der medizinisch/biologischen Forschung stellen den Menschen so vor – auf diese Weise noch nicht dagewesene – Herausforderungen und Fragestellungen. Konsensfindungen – so zum Beispiel in Ethikkommissionen – gestalten sich durch den in der Gesellschaft dominierenden Wertepluralismus und Wertewandel zunehmend als schwierig. Aus dieser Situation heraus, gibt es in der Frage nach dem moralischen Status des menschlichen Embryos Vertreter unterschiedlicher Positionen, welche sich schwer miteinander verbinden lassen.

Im Rahmen der vorliegenden Arbeit möchte ich gezielt auf einen Ansatz in der Diskussion um die embryonale Statusfrage eingehen. Claudia Wiesemann legte mit ihrem 2006 publizierten Werk Von der Verantwortung ein Kind zu bekommen. Eine Ethik der Elternschaft eine Arbeit vor, die

„sich mit ethischen Konflikten in der Schwangerschaft und bei der künstlichen Befruchtung [befasst]. Es geht um den Umgang mit menschlichen Keimzellen ebenso wie um die Forschung mit befruchteten Eizellen und humanen embryonalen Stammzellen, um pränatale Diagnostik ebenso wie um den Schwangerschaftsabbruch.“[3]

Diese heiß diskutierten und höchst umstrittenen Themen, so Wiesemann, reichen in gewisser Weise in das Leben von uns allen herein. Niemand kann sagen, diese Themen würden im luftleeren Raum verortet sein, denn „damit verbunden ist die Frage nach der moralischen Bedeutung von Elternschaft, und wir alle haben Eltern, viele von uns sind Eltern oder wollen es noch werden.“[4] Es stellt sich die Frage, ob „wir den menschlichen Embryo wie jeden anderen Bürger unseres Gemeinwesens behandeln sollen. Stehen ihm von der Befruchtung an die gleichen Rechte zu wie geborenen Menschen? Ist der Begriff der Menschenwürde unserer Verfassung auf den Embryo anwendbar?“[5]

Wiesemann möchte sich mit ihrem Ansatz von den großen moralphilosophischen Denktraditionen der Aufklärung lösen und verlangt eine „leibliche Wende in der Medizinethik“[6]. Dies zu fordern ist für sie eine Notwendigkeit, nachdem sie in ihrem Buch schreibt:

„Die modernen medizinischen Körpertechniken der Fortpflanzungsmedizin, Organtransplantation oder Gentechnologie verändern unser Verhältnis zum Körper und haben damit beachtliche Auswirkungen auf unser Zusammenleben, denn der Körper ist nicht einfach nur ein biologisches Objekt, er ist das Medium unserer sozialen Identität. Körperliche Beziehungen stiften Verwandtschaft und bestimmen unsere Herkunft.“[7]

So beschreibt Wiesemann die Intention ihrer Veröffentlichung mit den Worten:

„In diesem Buch geht es um das ursprünglichste der fundamentalen Lebensverhältnisse, die Elternschaft, sowie insbesondere um die Beziehung zwischen Mutter und Kind und ihre moralische Dimension aus der Perspektive einer Ethik der Beziehung und Verantwortung.“[8]

Diese von Wiesemann genannte Ethik der Beziehung und Verantwortung und den damit verbundenen Versuch, einen Lösungsansatz für die Statusdebatte in Bezug auf ungeborenes menschliches Leben vorzulegen, möchte ich im Rahmen meiner Bachelorarbeit analysieren und kritisch kommentieren.

Zu diesem Zweck wird in einem ersten Hauptteil zuerst die Grundfrage definiert, auf die der Wiesemannsche Ansatz eine Lösungsoption zu sein versucht. Die beiden klassischen Argumentationslinien des absoluten und des abgestuften Lebensschutzes sollen kurz erläutert werden, um die Basis für die Überlegungen von Claudia Wiesemann zu schaffen. Im zweiten Hauptteil soll die Argumentationslinie des Diskussionsbeitrags von Wiesemann herausgearbeitet werden, das von ihr so titulierte Konzept der Ethik der Beziehung und Verantwortung. Abschließend möchte ich versuchen, in einem dritten und letzten Hauptteil der Arbeit noch einige kritische Überlegungen zu den Schlussfolgerungen und Forderungen des untersuchten Lösungsvorschlags der Statusfrage anzustellen. So soll auf Stärken und Schwächen des behandelten Lösungsansatzes aufmerksam gemacht und dabei seine Relevanz für die aktuelle medizinethische Debatte aufgezeigt werden.

Zur Terminologie sei angemerkt, dass ich den Begriff „Embryo“, im Rahmen dieser Arbeit, als Bezeichnung für das sich entwickelnde menschliche Leben vom Zeitpunkt der Zellkernverschmelzung von Spermium und Eizelle bis zur abgeschlossenen Organentwicklung und dem damit verbundenen Übertritt in die Fetalentwicklung (9. Woche nach der Befruchtung bis zur Geburt) verwende. Die, entwicklungsbiologisch vorgenommene, begriffliche Differenzierung in verschiedene präembryonale Entwicklungsstufen[9] werde ich hier nicht aufgreifen, da sie für die Thematik der vorliegenden Arbeit keine relevanten Nutzen zeigt, abgesehen davon, dass sie in der biologischen und medizinischen Forschung[10] sowie in der Rechtsprechung[11] nicht konsistent angewendet wird. Ausdrücklich möchte ich aber auch darauf hinweisen, dass die Wahl der Terminologie keine Entscheidung für oder gegen bestimmte – im Verlauf vorzustellende – ethische Lösungsansätze der Statusfrage impliziert.

Danken möchte ich an dieser Stelle Herrn Ass.-Prof. Dr. Andreas-Michael Weiß für die Betreuung meiner Bachelorarbeit. Er und Herr Univ.-Prof. Dr. Dr. h.c. Werner Wolbert haben mir durch Diskussionen und Hinweise auf Literatur wertvolle Denkanstöße geliefert. Frau Michaela Freudl und Frau Anna Steup danke ich von ganzem Herzen für das Korrekturlesen des Manuskriptes. Die vorliegende Arbeit wurde im WS 2011/12 vom Fachbereich Philosophie an der katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg als Bachelorarbeit zum Abschluss des Bachelorstudiums Philosophie angenommen.

1. Grundfrage: der moralische Status des menschlichen Embryos

Im Zusammenhang mit dem Beginn des menschlichen Lebens stellen sich zwei getrennt voneinander zu beantwortende Fragen. Dagmar Fenner definiert die beiden Fragestellungen in ihrer Einführung in die Angewandte Ethik, indem sie schreibt, es gäbe „die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens einerseits und die Frage nach dem Beginn der moralischen Schutzwürdigkeit menschlichen Lebens andererseits. Beide Fragen erfordern grundlegend verschiedene Antworten: Für die Beantwortung der ersten Frage sind biologische, empirisch beobachtbare Aspekte zentral. Die Frage nach der moralischen Schutzwürdigkeit oder dem moralischen Status des sich entwickelnden menschlichen Lebens hingegen lässt sich nicht im Rekurs auf empirische Fakten beantworten, sondern erfordert eine rationale Begründung mittels ethischer Argumente. Eine Antwort auf die Frage nach dem Beginn menschlichen Lebens reicht also prinzipiell nicht aus für die Beantwortung der Frage nach der Schutzwürdigkeit von Embryonen oder Föten und damit für die ethische Bewertung eines Schwangerschaftsabbruchs.“[12]

Die Diskussion im deutschsprachigen Raum folgt im Allgemeinen dem Weg, dem menschlichen vorgeburtlichen Leben zu einem bestimmten Zeitpunkt seiner Entwicklung den Status einer Person anzuerkennen[13]. Verbunden mit dem Personenbegriff sehen die Diskussionspartnerinnen das Zuschreiben von Menschenwürde und die daraus resultierende Schutzwürdigkeit des ungeborenen Lebens.

1.1. Lösungsansätze

Zu den genannten Fragen gebe ich zuerst einen kurzen Überblick über die in der Diskussion vorgelegten Lösungsansätze, für welchen ich die aktuelle Stellungnahme des Deutschen Ethikrates zur Präimplantationsdiagnostik als Hauptquelle heranziehe. Hierin fassen die Ratsmitglieder den Status quo der Debatte pointiert zusammen. So lässt sich dort lesen:

„Vereinfachend kann man im Hinblick auf den Embryo in vitro zwei Grundkonzepte unterscheiden: Zum einen dasjenige, das den uneingeschränkten Schutz vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an vertritt, und zum anderen jenes, das für einen uneingeschränkten Schutz von einem späteren Zeitpunkt an votiert.“[14]

Die Kernverschmelzung ist ein Zeitpunkt, der durch die Methoden der modernen Medizin durch Untersuchungen definiert werden kann. Die empirischen Fakten der Medizin stellen aber bei der Beantwortung der Frage nach der moralischen Schutzwürdigkeit des Embryos kein hinreichendes Kriterium dar. Diese Antwort muss durch eine rationale Beweisführung mit ethischen Begründungen erfolgen.[15] So lassen sich die Argumentationsrichtungen – der oben im Auszug aus dem Papier des Deutschen Ethikrates unterschiedenen Grundkonzepte – formulieren, indem man sagt, dass die Gemeinsamkeit darin liegt, „dass jedem menschlichen Leben von Anbeginn an ein Wert an sich zukommt. Ein Unterschied liegt jedoch in der Einschätzung, ab wann der Beginn eines menschlichen Lebewesens anzunehmen ist und ab welchem Zeitpunkt der Entwicklung, gegebenenfalls in welchen Schritten und Ausprägungen, ihm Würde- und Lebensschutz zustehen.“[16]

Oder anders formuliert von Paul Richter in seiner Dissertationsarbeit Der Beginn des Menschenlebens bei Thomas von Aquin:

„Mit was oder mit wem haben wir es denn zu tun, wenn wir uns mit vorgeburtlichem, menschlichen Leben auseinandersetzen? Begegnen wir hier einer menschlichen Person? Wenn ja, ab welchem Zeitpunkt?“[17]

Zu den beiden Richtungen – der Position des absoluten Lebensschutzes (nicht gradualistisch) einerseits und des abgestuften Lebensschutzes (gradualistisch) andererseits – möchte ich im Folgenden jeweils einen kurzen Überblick geben.

Eine eingehende Diskussion der konkurrierenden Ansätze ist im Rahmen dieser Arbeit nicht möglich, das Wissen um die Grundpositionen ist aber für die Diskussion des Lösungsansatzes der Statusfrage von Claudia Wiesemann im zweiten Hauptteil der vorliegenden Arbeit unerlässlich.

1.2. Nicht gradualistische Position/„absoluter“ Lebensschutz

Grundanliegen der VertreterInnen dieser Position ist die Verknüpfung des Gedankens, „dass jedem menschlichen Leben von Anbeginn an ein Wert an sich zukommt“[18], mit dem Standpunkt, den Beginn des menschlichen Lebens mit der Verschmelzung der Zellkerne von Eizelle und Spermium zu definieren. Der Embryo ist durch seine Zugehörigkeit zur Spezies Mensch zu jedem Zeitpunkt seiner Individualentwicklung ein „sittliches Subjekt und [gilt] damit um seiner selbst willen als schutzwürdig“[19]. Als relevante Aspekte für die Verleihung oder Absprache von Schutzwürdigkeit zählen der Zeitpunkt des Beginns des neuen menschlichen Lebens, die Entwicklung vom Embryo zum erwachsenen Menschen ohne Zäsuren[20] und die Potentialität des Embryos zu ebendiesem erwachsenen Menschen heranreifen zu können. Die in der Debatte immer wieder auftretenden Argumenttypen[21] werden oft unter dem Akronym SKIP-Argumente zusammengefasst. Hierunter fallen das Speziesargument, das Kontinuitätsargument, das Identitätsargument und das Potentialitätsargument. Laut Gregor Damschen und Dieter Schönecker sind „dies Argumente, die jeweils für sich oder auch in Verknüpfung begründen sollen, daß Embryonen jedenfalls mehr sind als bloße Zellhaufen. Welcher moralische Status genau sich aus solchen Argumenten ergibt, steht damit noch nicht fest.“[22] Eine knappe Darstellung dieser vier Argumenttypen entnehme ich dem Papier des Deutschen Ethikrates:

„Das Speziesargument nimmt, ausgehend von der […] Position, dass die Zugehörigkeit zur Art Mensch allein ausschlaggebend für den moralischen Status jedes einzelnen Menschen ist, Bezug auf die biologische Einordnung, die unabhängig von funktionellen Variationen zwischen verschiedenen Individuen eine gemeinsame Zuordnung zum eigentlich statusrelevanten Gut – dem Menschsein – erlaubt.

Das Kontinuitätsargument verweist auf den Umstand, dass sich in der vor- und nachgeburtlichen Entwicklung des Menschen keine zeitlich klar definierbaren qualitativen Einschnitte erkennen lassen, aus denen man eine Änderung des moralischen Status begründen könnte. Der Embryo entwickelt sich von Anfang an als Mensch, nicht zum Menschen.

In engem Zusammenhang hiermit betont das Identitätsargument, dass zwischen dem Embryo und dem späteren Erwachsenen eine moralische Identitätsbeziehung besteht. Da wir dem erwachsenen Menschen Würde zusprechen, kommt sie aufgrund der ontogenetischen Identität auch dem Embryo zu. Verbreitet wird dabei auf die genetische Konstitution des Menschen Bezug genommen, die – auch wenn daran epigenetische Veränderungen erfolgen – im Kern von der Zeugung bis zum Tode gleich bleibt. […] In diesem Sinne lässt sich der Hinweis auf die genetische Identität – wie auch das Kontinuitätsargument – durch den Hinweis auf die Identität als Lebensgeschichte ergänzen.

Das Potenzialitätsargument schließlich fokussiert, dass mit dem Beginn einer solchen Identität auch schon die Möglichkeiten zur späteren Entwicklung des Embryos gegeben sind. Auch wenn typisch menschliche Fähigkeiten wie die zur Selbstbestimmung aktuell nur angelegt und noch nicht (voll) ausgeprägt sind, hat der Embryo die reale Potenz zur Ausbildung dieser ihm eigenen Fähigkeiten.“[23]

Eine kurze Skizzierung der vier Argumenttypen mit jeweils zugeordnetem syllogistischem Schluss lässt sich auch bei Damschen und Schönecker finden.[24] Dass nur durch die logisch korrekte Form einer Argumentation noch kein Wahrheitsanspruch erhoben werden kann, wird dabei von den Autoren ausdrücklich festgehalten.[25]

Die normativen Grundsätze, die in der Debatte um die Statusfrage des Embryos bemüht werden, sind die Menschenwürde und ihre Achtung, der Gleichheitsgrundsatz allen menschlichen Lebens und die Verpflichtung auf Gerechtigkeit, d.h. konkret, dass die Interessen des Embryos nicht fremden Interessen untergeordnet werden dürfen. Wie schon dargelegt, ist der Grundsatz der nicht graduellen Position jener, dass der Embryo zu jedem Zeitpunkt seiner Entwicklung ein sittliches Subjekt ist, dessen Würde nicht von bestimmten Fähigkeiten, Anerkennungen der Gesellschaft oder Entwicklungsstadien abhängt. Dieses Fehlen von Vorbedingungen für die Verleihung von Menschenwürde verunmöglicht in den Augen der VertreterInnen der Position des absoluten Lebensschutzes eine Trennung des Rechts auf Leben eines Menschen von seiner Würde. Nur wenn ihr Schutzbereich das Leben selbst, als Basis und conditio sine qua non von Würde und Selbstbestimmung, umfasst, kann die Würde als unantastbar festgestellt werden. Die Geltung der Würde darf, wenn sie dem Menschen auf Grund seines eigenen Menschseins per se zukommt, nicht davon abhängig gemacht werden, „ob und inwieweit andere Menschen die moralische und rechtliche Verpflichtung zu ihrer Anerkennung faktisch erfüllen.“[26] Vielmehr – schreibt der Deutsche Ethikrat – fordert dieses Postulat „die Würde jedes einzelnen Menschen als ein allen individuellen Interessen vorausliegendes Fundament des gemeinsamen Miteinanders anzuerkennen, das alle zur gegenseitigen Anerkennung auffordert.“[27] Und:

„Um Zweideutigkeiten auszuschließen, legt die Position eines vollen Würde- und Lebensschutzes von Anfang an großen Wert auf eine präzise Begriffsverwendung. Der Embryo entwickelt sich nicht erst zum Menschen, sodass der Übergang zur eigentlichen Menschwerdung erst zu einem späteren Zeitpunkt erfolgt, sondern von Anfang an als Mensch.“[28]

Bei den, in der Embryonalentwicklung auf die Verschmelzung der Zellkerne folgenden, Entwicklungsschritten – insbesondere Nidation und Anlage des Nervensystems – ist kein Schritt festsetzbar, an dem sich die Qualität des menschlichen Lebens derart ändern würde, dass – zeitlich definierbar – zum ersten Mal von Menschsein gesprochen werden kann. Vielmehr wird die Entwicklung ab dem Zeitpunkt der Befruchtung und die Wechselwirkung von mütterlichem und embryonalem Organismus so gedeutet, dass „das bereits gebildete menschliche Lebewesen seine Existenz erhält und sein Entwicklungspotenzial weiter entfaltet.“[29] Weiters argumentiert der Deutsche Ethikrat in seiner Stellungnahme:

„Dass der durch Befruchtung entstandene Embryo auf den Austausch mit dem weiblichen Organismus angewiesen ist, der ihm Schutz, Nahrung und Wärme gewährt, ist eine notwendige Bedingung, unter der sich seine Entwicklung vollzieht. In der einzigartigen Lebensbeziehung mit der ihn während der Schwangerschaft aufnehmenden Frau zeigt sich die konstitutive Angewiesenheit jedes Menschen auf Hilfe in Form einer einzigartigen körperlichen Dyade, doch bleibt der Mensch auch nach der Geburt noch lange Zeit auf die enge körperliche Nähe und Hilfe der Mutter angewiesen. Die unselbstständige Existenzweise des Embryos kann daher nicht erklären, warum er nur über ein eingeschränktes Lebensrecht verfügen soll.“[30]

Die Position des absoluten Lebensschutzes setzt das geborene ins Verhältnis zum ungeborenen Leben und nimmt darauf Bezug, indem festgestellt wird, dass wir uns am Anfang unseres Lebens alle einmal im embryonalen Entwicklungsstadium befanden. Nur weil wir – während unserer eigenen Existenz als Embryo – zu jedem Zeitpunkt unseres Lebens, dem schon geborenen Menschen gegenüber gleich an Würde geachtet wurden, können wir unser gegenwärtiges autonomes Leben in Freiheit führen. Hätte es im Laufe unserer Entwicklung nur eine kurze Phase gegeben, die von diesem Schutz des Lebens durch den Verweis auf die Würde des Menschen ausgenommen gewesen wäre, hätten wir – so das Argument – keine Erklärung mehr für unsere gesamte spätere Existenz.[31] So schließt der Ethikrat seine Darstellung der Position des nicht abstufbaren Schutzes des Embryo in vitro mit der Bemerkung:

„Diese Überlegung zeigt, unter welcher Rücksicht Embryonen entgegen der trügerischen Evidenz des Augenscheinlichen sehr wohl Menschen »wie du und ich« sind: nicht hinsichtlich ihrer wahrnehmbaren Gestalt, sondern was die ihnen geschuldete Achtung und die Anerkennung ihrer unverfügbaren Rechte, insbesondere des Rechts auf Leben und ungehinderte Entwicklung, anbelangt. Eine Differenzierung nach Entwicklungsstufen und Lebensalter ist daher nur hinsichtlich bestimmter bürgerlicher Rechte möglich, die auch nach der Geburt noch abgestuft werden können (z.B. Eintritt der Volljährigkeit und Verleihung des Wahlrechts). Die grundlegenden Rechte des Menschseins kommen dagegen unterschiedslos allen Menschen, unabhängig von Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Hautfarbe und gesellschaftlichem Status, zu.“[32]

Kritiken des nicht gradualistischen Lösungsansatzes der Statusfrage verweisen „insbesondere [auf] die Abhängigkeit der Position von bestimmten religiösen Prämissen wie der Heiligkeit des Lebens und den daraus folgenden problematischen und kontraintuitiven Konsequenzen“[33] und urteilen so, „dass dieser Ansatz nicht überzeugen kann.“[34]

1.3. Gradualistische Position/“abgestufter“ Lebensschutz

Auch für die Befürworter einer gradualistischen Position des Embryonenschutzes ist es eine – für die menschliche Natur spezifische – Eigenschaft, dass der Mensch „eine sich durch die Zeit durchhaltende Einheit [darstellt], bei der biologisches Sein und Personalität zwar unterschiedliche Perspektiven kennzeichnen, im Dasein des Menschen jedoch immer schon eine Einheit bilden.“[35] Der maßgebliche Unterschied liegt jedoch darin, dass in diesem zweiten Argumentationsstrang, sobald es den Schutz des Embryos im vollen Umfang betrifft, „andere Zeitpunkte der Embryonalentwicklung als den der sogenannten Kernverschmelzung für entscheidend“[36] angesehen werden. Viele Konzepte sehen in diesem Fall sogar nicht nur einen, sondern mehrere verschiedene Zeitpunkte der Entwicklung des Embryos als entscheidende Zäsuren für moralische Bewertungen an und gewähren dem Embryo, vor allem in Abgrenzung zu den Interessen und Rechten der Mutter, mit zunehmendem Entwicklungsstadium einen immer höheren Schutzstatus. Markante Stufen in der embryonalen Entwicklung nach der Verschmelzung der Zellkerne von Ei und Spermium „sind der Ausschluss der Zwillingsbildung, die Nidation, die Entwicklung der Gehirnanlagen, die Ausbildung der menschlichen Gestalt, die ersten Kindesbewegungen, die Ausbildung der Empfindungsfähigkeit, die extrauterine Lebensfähigkeit und die Geburt.“[37]

Die Differenz zur Position des absoluten Lebensschutzes besteht nun darin, dass die Position des abgestuften Lebensschutzes „die Einheit von biologischem Sein und Personalität nicht schon auf artspezifisches Leben, sondern erst auf das individuelle menschliche Lebewesen bezieht. Dazu ist nicht nur der Ausschluss einer möglichen Zwillingsbildung, sondern auch das Vorhandensein des materialen Substrates eines individuellen Lebewesens nach der Trennung von Embryoblast und Trophoblast vorausgesetzt. Folglich werden nicht bereits der Abschluss der Befruchtung und auch nicht die Festlegung der genetischen Individualität als entscheidende biologische Bezugspunkte bewertet. Spezieszugehörigkeit, Kontinuität der Entwicklung, Identität und Potenzialität haben hier nicht die Funktion von Argumenten für die Schutzwürdigkeit des Embryos, sondern bilden aufeinander verweisende und erst in der Gesamtheit gültige Kriterien, die veranschaulichen, dass die biologische Natur des Menschen, seine Vernunftbegabung und Personalität eine authentische individuelle Einheit bilden. Aus dieser Auffassung folgt, dass nicht schon artspezifisches, sondern erst individualspezifisches Leben einen Wert und damit einen Schutzanspruch um seiner selbst willen hat.“[38]

Im Gegensatz zum Begriff Leben (in Abgrenzung zu nicht belebter Materie) existiert keine allgemeinverbindliche biologische Festlegung darüber, was ein individuelles Lebewesen ist. Die Kriterien, die in der Regel zur Definition herangezogen werden, verweisen auf verschiedene Abschnitte in der biologischen Entwicklung des Embryos. So sind dies unter anderem die zelluläre Organisation, die Individuation im Sinne räumlicher Abgrenzung zur Umwelt, die Selbstorganisation und zuletzt die Selbststeuerung.[39]

Der Ethikrat schreibt in Bezug auf die verschiedenen – potenziell ethisch relevanten – Stadien der menschlichen Frühentwicklung, es handle „sich um eine zusammenhängende Entwicklung, die aber durchaus Einschnitte und Übergänge enthält, die im Hinblick auf die Entstehung eines Individuums als relevant angesehen werden können, ohne willkürlich zu sein.“[40] Hier liegt der Angriffspunkt der Vertreter der Kontinuitätsthese (s.o.), die genau dies bestreiten. Wie oben schon gezeigt, verneinen sie die Existenz von moralisch relevanten Zäsuren in der embryonalen Entwicklung.

Als grundlegendes Element einer gradualistischen Statuskonzeption führt Katja Wagner-Westerhausen an, dass „der Schutz des Embryos abgestuft und gegen verschiedene Güter abwägbar [ist]. Die zentrale Frage lautet hier, wie die entscheidenden Differenzschwellen zu definieren sind. Bislang liegt dazu kein plausibles Konzept vor.“[41]

Weiter schreibt sie an anderer Stelle:

„Die in der bioethischen Literatur und in der Gesetzgebung vorgeschlagenen Stufen erweisen sich als inkonsistent oder stellen rechtspolitische Zufälle dar. Um den gradualistischen Ansatz als sinnvolle Alternative in der Debatte diskutieren zu können und den Einwand zu entkräften, dass eine Abwägung zwangsläufig mit Willkür und Beliebigkeit einhergeht, muss zunächst ein hinsichtlich der gesetzlichen Abstufung und der Legitimation konsistentes gestuftes Konzept aufgestellt werden.“[42]

Neben Gütern lassen sich Wagner-Westerhausen zufolge auch Zwecke, Ziele und Mittel abwägen. Den Zweck betreffend müssen die Entstehungsumstände des Embryos berücksichtigt werden. Folgende Tabelle[43] mag dies erläutern:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

In Bezug auf das zweite Abwägungskriterium fährt sie fort, es „muss das Ziel einbezogen werden, auf das der Umgang mit dem Embryo gerichtet ist. Die Schutzwürdigkeit hängt hier nicht von der Abwägung mit anderen Zwecken ab, sondern wird in diese Abwägung einbezogen:“[44]

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Mit dem Stichwort der hochrangigen Forschungsziele ist die Brücke geschlagen zu einem weiteren brisanten Fragenkomplex der Forschungsethik. Die Fragen, welche sich hier stellen und die sich unter anderem in der Frage nach der verbrauchenden Stammzellenforschung verorten lassen, kann nur dadurch begegnet werden, indem der Begriff der hochrangigen Forschungsziele eindeutig definiert wird. Dies ist aber eine Fragestellung, die in dieser Arbeit nicht behandelt werden kann[45].

Die oben schon angesprochenen Mittel, „d.h. der biomedizinische Handlungskontext, der den jeweiligen Umgang mit dem Embryo erfordert“[46], sind in den Überlegungen Wagner-Westerhausens das dritte Kriterium, das Aufnahme in den Abwägungskanon einer gradualistischen Schutzkonzeption des ungeborenen menschlichen Lebens finden soll. Wiederum bietet die Autorin eine Übersicht zur Erläuterung:

Abbildung in dieser Leseprobe nicht enthalten

Auch im Rahmen der Abwägung der Mittel kann das Resultat „nicht eine unterschiedliche Schutzwürdigkeit sein, sondern eine unterschiedliche Priorität der Schutzwürdigkeit im Verhältnis zu anderen Werten und Gütern.“[47]

Wie oben bereits mit Bezug auf den Deutschen Ethikrat angeführt, spielen bei der Beurteilung der Schutzwürdigkeit des Embryos in gradualistischen Ansätzen Entwicklungsstufen und Zeitpunkte der Embryonalentwicklung eine wichtige Rolle. Problematisch ist, dass – bis auf den letztgenannten Entwicklungsschritt der Geburt – keiner der als relevant angeführten Entwicklungsschritte/Zeitpunkte epistemisch eindeutig zu bestimmen ist. Auch die Geburt stellt noch keinen End- oder Zielpunkt der menschlichen Entwicklung dar – auch sie ist nur ein Entwicklungsstadium von vielen – doch ist sie gleichsam „konstitutiv für die soziale Identität eines Menschen“[48]. Welche Stufen als Treppenstufen [49] für die zunehmende Verleihung der Schutzwürdigkeit des Embryos gewählt werden, ist eine Entscheidung, die grundsätzlich an einen spezifischen Kontext gebunden ist und einem bestimmten sozialen Handlungsrahmen gegenüber verantwortet werden muss. Große Stufen der Entwicklung, wie Befruchtung, Nidation und Geburt, sind ebenso denkbar wie differenziertere Abstufungen, die der Embryonalentwicklung in kleineren Schritten folgen. Als Konsequenz entfällt in solch einem System die Zweiteilung in absolut schutzwürdige Personen und Nicht-Personen ohne Schutzwürdigkeit, „da in einem graduellen Modell nach transparenten Kriterien einige moralische Rechte zugeschrieben werden können, ohne alle moralischen Rechte zuschreiben zu müssen.“[50] Aus Überlegungen zur p ragmatischen Konsistenz [51] resultierend, formuliert Wagner-Westerhausen:

„Eine Schwierigkeit [der gradualistischen Konzepte] besteht darin, die Meilensteine [welche die moralischen Zäsuren darstellen] in dieser Entwicklung zu definieren, ohne dabei in einen Biologismus zu geraten. Es empfiehlt sich jedoch für ein konsistentes System aus ethischer Sicht, den Beginn der Schutzwürdigkeit bereits ab der Befruchtung beginnen zu lassen. […] Grundsätzlich besteht bei allen gesetzten Stufen ein Problem hinsichtlich der Urteilskraft, da es sich bei allen Einschnitten um Dezisionen handelt.“[52]

Als weitere Kritik an gradualistischen Konzepten begegnen in der Diskussion oft Dammbruch- oder Slippery-slope-Argumente.

„Dammbruchargumente verweisen auf die gesellschaftlichen Konsequenzen eines instrumentalisierenden Umgangs mit dem menschlichen Leben. Sie zeichnen jedoch ein grundsätzlich pessimistisches Zukunftsbild und sprechen der Gesellschaft die Fähigkeit ab, ethisch bedenklichen Entwicklungen […] Einhalt gebieten zu können.“[53]

Grundsätzlich ist es richtig, neuen Möglichkeiten in Wissenschaft und Forschung ethische Überlegungen voranzuschicken, doch bei Dammbruchargumenten handelt es sich laut Wagner-Westerhausen um „Befürchtungen eines gesellschaftlichen Werteverfalls, die sich nicht ohne weiteres substantiieren lassen.“[54] Dass Dammbruchargumente keinen legitimen Einwand gegen Konzepte des abgestuften Lebensschutzes darstellen, zeigt sich in der konkreten Praxis. Diese gradualistischen Konzepte sind in der Regel grundsätzlich mit der Sozialethik kompatibel. So entspricht zum Beispiel unsere Intuition prinzipiell einem Modell des gradualistischen Konzepts des Lebensschutzes. Ein häufig in diesem Zusammenhang herangezogenes Beispiel ist jenes der intuitiven Handlungsbeurteilung im Falle eines brennenden Labors:

„Ein Haus brennt, in dem kryokonservierte Embryonen lagern und sich Babys aufhalten. Wer soll gerettet werden? Wenn man von der Einheitlichkeit des Schutzstandards für Embryonen und geborene Menschen ausgeht, müssten die Embryonen in vitro und die Kinder gleichermaßen den Anspruch auf Rettung haben. Eine solche Antwort würde den Test in der Realität kaum bestehen: Praktisch alle Feuerwehrleute würden sich dafür entscheiden, die Kinder zu retten.“[55]

Dieses Beispiel leuchtet intuitiv ein, es hat eine lebensweltliche Verankerung.

Im nun folgenden zweiten Hauptteil wird der beziehungsethische Entwurf von Claudia Wiesemann zu diskutieren sein. Sie setzt sich von den gerade geschilderten zwei Argumentationslinien ab, kritisiert deren Ferne von der Lebenswelt der Menschen und möchte eine Alternative aus einer „Ethik der Beziehung“ aufzeigen.

[...]


[1] Vieth, Andreas, Einführung in die Angewandte Ethik, Darmstadt 2006, 81.

[2] Wiesemann, Claudia, Von der Verantwortung ein Kind zu bekommen. Eine Ethik der Elternschaft, München 2006, 12.

[3] Wiesemann, Verantwortung 7.

[4] Ebd.

[5] Ebd.

[6] Ebd. 10.

[7] Ebd. 9.

[8] Ebd. 11.

[9] Vgl. Heywinkel, Elisabeth/Beck, Lutwin, Embryo, in: Korff, Wilhelm u.a. (Hg.), Lexikon der Bioethik, 1, Gütersloh 1998, 553f.

[10] Vgl. hierzu: Engels, Eva-Marie, Der moralische Status von Embryonen und Feten – Forschung, Diagnose, Schwangerschaftsabbruch, in: Düwell, Marcus/Mieth, Dietmar (Hg.), Ethik in der Humangenetik. Die neueren Entwicklungen der genetischen Frühdiagnostik aus ethischer Perspektive, Tübingen/Basel 1998, 271-301, hier 274-287. Engels zeigt in ihrem Aufsatz unter anderem die nicht einheitliche – und in manchen Punkten widersprüchliche – Verwendung des Begriffs „Embryo“ in Biologie und Medizin.

[11] Zu der Formulierung des Deutschen Embryonenschutzgesetzes: „Als Embryo gilt gemäß Embryonenschutzgesetz in Deutschland sowohl die befruchtete Eizelle, als auch jede totipotente Zelle […]. Ein Embryo wächst durch Zellteilung heran, und bis zum 4-Zellstadium sind die Zellen eines Embryos totipotent. Die Definitionen des Embryonenschutzgesetzes führen dazu, dass in dieser Phase ein Embryo aus Embryonen besteht . “ (Vieth, Einführung 83.)

[12] Fenner, Dagmar, Einführung in die Angewandte Ethik, Tübingen 2010, 80.

[13] Die Wahl der Terminologie in Bezug auf die Formulierungen „Anerkennung des Personenstatus“ und „Zuerkennung des Personenstatus“ bringt einen Unterschied in der dahinterstehenden Position mit sich. Die Zuerkennung impliziert, dass der Status der Person dezisionistisch durch Mitglieder der Gesellschaft verliehen wird. Diese terminologische Zweideutigkeit wird von Autorinnen und Autoren nicht immer konsequent vermieden, wo sie nicht beabsichtigt ist. Dr. Andreas Weiß verdanke ich hier den Hinweis auf die Instruktionen Donum Vitae und Dignitas Personae der vatikanischen Kongregation für die Glaubenslehre. Die Kongregation schreibt in Dignitas Personae im ersten Satz: „Jedem Menschen ist von der Empfängnis bis zum natürlichen Tod die Würde einer Person zuzuerkennen.“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.)/Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion Dignitas Personae über einige Fragen der Bioethik [Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 183], Bonn 2008, 5) Im selben Dokument findet man in Punkt 4 (ebd. 10) ein Zitat aus der Instruktion Donum Vitae: „Ein menschliches Wesen muß vom Augenblick seiner Empfängnis an als Person geachtet und behandelt werden, und infolgedessen muß man ihm von diesem selben Augenblick an die Rechte der Person zuerkennen und darunter vor allem das unverletzliche Recht jedes unschuldigen menschlichen Wesens auf Leben.“ (Sekretariat der Deutschen Bischofskonferenz (Hg.)/Kongregation für die Glaubenslehre, Instruktion der Kongregation für die Glaubenslehre über die Achtung vor dem beginnenden menschlichen Leben und die Würde der Fortpflanzung. Antworten auf einige aktuelle Fragen [Verlautbarungen des Apostolischen Stuhls Nr. 74], Bonn 52000, 15f) Beim katholischen Lehramt darf wohl davon ausgegangen werden, dass gerade nicht das ZUerkennen der Würde durch die Gesellschaft intendiert ist. Da auch im lateinischen Originaltext das Verb agnoscenda zu finden ist, wäre wohl das Verb ANerkennen in der deutschen Übersetzung das Treffendere gewesen.

[14] Deutscher Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik. Stellungnahme, Berlin 2011, 40, Ort: http://www.ethikrat.org/dateien/pdf/stellungnahme-praeimplantationsdiagnostik.pdf (abgerufen am 03.06.2011).

[15] Vgl. Fenner, Einführung 80.

[16] Deutscher Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik 40.

[17] Richter, Paul, Der Beginn des Menschenlebens bei Thomas von Aquin (Studien der Moraltheologie 38), Münster/Wien 2008, 11.

[18] Deutscher Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik 40.

[19] Ebd. 41.

[20] Vgl. ebd. 41.

[21] Damschen und Schönecker empfehlen die Rede von „Argumenttypen“ anstelle von „Argumenten“, vgl. Damschen, Gregor/Schönecker, Dieter (Hg.), Der moralische Status menschlicher Embryonen. Pro und contra Spezies-, Kontinuums-, Identitäts- und Potentialitätsargument, Berlin 2002, 2.

[22] Damschen, Status 1.

[23] Deutscher Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik 41-43.

[24] Damschen, Status 1-7.

[25] Vgl. ebd. 2; Für die weitere Lektüre im Bereich der SKIP-Argumente kann der Band von Damschen und Schönecker gemeinsam mit der Publikation Kaminsky, Carmen, Embryonen, Ethik und Verantwortung. Eine kritische Analyse der Statusdiskussion als Problemlösungsansatz angewandter Ethik, Tübingen 1998, besonders 73-102; empfohlen werden. Kaminsky wertet die Position des absoluten Lebensschutzes in ihrer Arbeit unter anderem als „konservative“ Position.

[26] Deutscher Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik 43.

[27] Ebd.

[28] Ebd. 45f.

[29] Ebd. 46.

[30] Ebd.

[31] Ebd.

[32] Ebd. 48.

[33] Wagner-Westerhausen, Katja, Gradualistische Konzepte und Alternativen in der Embryonendebatte, in: Ethik in der Medizin 20 (2008), 6-16, hier 6.

[34] Ebd.

[35] Deutscher Ethikrat, Präimplantationsdiagnostik 51.

[36] Ebd. 51f.

[37] Ebd. 52.

[38] Ebd. 52f.

[39] Vgl. Ebd. 53.

[40] Ebd.

[41] Wagner-Westerhausen, Konzepte 6f.

[42] Wagner-Westerhausen, Katja, Die Statusfrage in der Bioethik, Berlin 2008, 187.

[43] Diese und die beiden folgenden Tabellen wurden entnommen aus: Wagner-Westerhausen, Statusfrage 188f.

[44] Ebd. 188.

[45] Verwiesen sei hier wiederum auf: Wagner-Westerhausen, Statusfrage 188. Sie legt die Leitgedanken des Schweizer Embryonenforschungsgesetzes von 2002 aus.

[46] Ebd. 189.

[47] Ebd.

[48] Ebd. 190.

[49] Vgl. Ebd. 193.

[50] Vgl. Ebd. 190.

[51] Ebd. 190-192.

[52] Ebd. 193.

[53] Wagner-Westerhausen, Konzepte 8.

[54] Wagner-Westerhausen, Statusfrage 186. Dass sich in slippery-slope-Argumenten mehr materialisiert als nur die Befürchtungen eines gesellschaftlichen Werteverfalls, stellt Andreas Vieth dar, wenn er im Kontext der Euthanasiedebatte schreibt: „Es [das slippery-slope-Argument] beruht darauf, dass eine Handlung womöglich nicht als solche unmoralisch ist, aber notwendig moralisch verwerfliche Folgen nach sich zieht. Wenn daher Euthanasie auch nicht prinzipiell moralisch inakzeptabel sein mag und zunächst nur auf freiwilliger Basis […] vollzogen wird, so führt sie aber notwendig dazu, später immer mehr auch auf unfreiwilliger Basis, beispielsweise durch gesellschaftlichen Druck oder durch andere womöglich subtile Einflüsse, durchgeführt zu werden. Die Last solcher Argumente der schiefen Ebene (slippery slope) besteht in der Behauptung der Notwendigkeit einer Eigendynamik der Praxis hin zu unakzeptablen Zukunftsszenarien.“ (Vieth, Einführung 104)

[55] Sackovsky, Ute, Anforderungen an ein Fortpflanzungsmedizingesetz – Verfassungsrechtliche Rahmenbedingungen, in: Oduncu, Fuat/Platzer, Katrin/Henn, Wolfram (Hg.), Der Zugriff auf den Embryo. Ethische, rechtliche und kulturvergleichende Aspekte der Reproduktionsmedizin (Medizin – Ethik – Recht 5), Göttingen 2005, 52-71, hier 57.

Ende der Leseprobe aus 62 Seiten

Details

Titel
Der moralische Status menschlicher Embryonen - Eine Beziehungskiste?
Untertitel
Darstellung und kritische Anmerkungen zu Claudia Wiesemanns Ansatz einer "Ethik der Beziehung"
Hochschule
Universität Salzburg  (FB Philosophie an der kath.-theol. Fakultät)
Note
1,0
Autor
Jahr
2011
Seiten
62
Katalognummer
V183051
ISBN (eBook)
9783656071839
ISBN (Buch)
9783656072089
Dateigröße
1102 KB
Sprache
Deutsch
Schlagworte
Angewandte Ethik, Medizinethik, Philosophie, Praktische Philosophie, Ethik der Beziehung, Beziehungsethik, Claudia Wiesemann, moralischer Status, Embryonen, Statusfrage, Person, Personbegriff, SKIP-Argumente, Moraltheologie, Fötus, Bioethik, PID, Habermas, Individualethik, Elternschaft, Verantwortung, Schwangerschaft, Mutterschaft, Moral, Ethik, Personstatus
Arbeit zitieren
Andreas Erhard Graßmann (Autor:in), 2011, Der moralische Status menschlicher Embryonen - Eine Beziehungskiste?, München, GRIN Verlag, https://www.grin.com/document/183051

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